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3/2012<br />
www.visier.de<br />
J 5,50<br />
3<br />
50<br />
SEITEN<br />
TESTS<br />
Österreich: J 6,50<br />
Dänemark: DKK59,00<br />
Italien: J 6,90<br />
Luxemburg: J 6,50<br />
Schweden: SEK78,00<br />
Niederlande: J 6,50<br />
Belgien: J 6,50<br />
Slowenien: J 7,10<br />
Ungarn: HUF2.195,00<br />
Zwei große Vergleichstests<br />
8 Varmint-Repetierer<br />
10 Neun-Para-Pistolen<br />
VISIER-AKTION:<br />
Schießen<br />
macht Spaß<br />
REPORTAGE:<br />
Da kauft die<br />
Bundeswehr:<br />
Munition von MEN<br />
TEST:<br />
Aus dem Stall<br />
des Weltmeisters:<br />
2 IPSC-Pistolen<br />
von Tanfoglio<br />
TEST:<br />
Unterhebler<br />
überarbeitet:<br />
Uberti Burgess<br />
in .44-40<br />
Frisch aus Las Vegas<br />
SHOT SHOW 2012<br />
Test:<br />
Neues FN SCAR-<br />
Militärgewehr<br />
im Praxis-Check:<br />
Noch besser?<br />
Sammeln:<br />
Rare IOD 89-<br />
Variante:<br />
Deutscher<br />
Degen für China<br />
4 191314 205505 03
März 2012<br />
INHALT<br />
Vergleichstest I: Neun-Para-Pistolen auf dem Prüfstand<br />
18<br />
VISIER bewertete und testete zehn gängige Gebrauchspistolen auf Herz und Nieren. Polymerpistolen treffen auf<br />
Ganzstahlwaffen und neue Varianten auf etablierte Modelle. Wer am Ende die Nase vorn hat? Das steht ab Seite<br />
30 42<br />
In diesem Heft:<br />
KURZWAFFEN:<br />
Beretta 92 FS Inox<br />
Test: Tanfoglio-Pistolen<br />
IPSC-Weltmeister Eric Grauffel schwört auf<br />
die italienische Marke — VISIER testete zwei<br />
Modelle für „Standard“ und „Production“.<br />
Lever Action, getunt und getestet<br />
Die Uberti 1883 Burgess im 2. Durchlauf —<br />
nun aber in .44-40 und gründlich überarbeitet.<br />
Lesen Sie, was im Test herauskam.<br />
Beretta P x 4 Storm<br />
CZ 75 B<br />
CZ 75 SP-01 Shadow<br />
Glock 17<br />
Heckler & Koch USP<br />
SIG Sauer P 228<br />
Steyr M9-A1<br />
Tanfoglio Limited HC Custom<br />
Tanfoglio Stock III<br />
Taurus Ply 22<br />
Taurus Ply 25<br />
Taurus PT 24/7 OSS DS<br />
Walther P 99 AS<br />
48<br />
Vergleichstest II: Varmint-Gewehre<br />
Es geht um acht Varmint-Repetierer, alle im<br />
Kaliber .308 Winchester — was bringen die<br />
dickeren Läufe, was die Kunststoff-Schäfte?<br />
94<br />
Als England bis Indien reichte<br />
Mit der East India Company begann nicht<br />
nur ein neues Kapitel der Kolonial-, sondern<br />
auch der Waffen- und Militärgeschichte.<br />
LANGWAFFEN:<br />
CZ 550 Varmint<br />
FN SCAR H-PR<br />
Howa 1500<br />
Marlin X 7<br />
Marlin X7 VH<br />
Remington 700 SPS TAC AAC-SD<br />
Remington 700 SPS Varmint<br />
Savage 12 F<strong>VS</strong>S<br />
Tikka T 3<br />
Uberti 1883 Burgess<br />
4 VISIER | 3-2012
TEST & TECHNIK<br />
Von der Stange 18<br />
Zehn moderne Pistolen in 9 mm<br />
Luger im harten Vergleichstest.<br />
Volks-Kunst 30<br />
Die Taschenpistolen 22 Ply (.22 l.r.)<br />
und 25 Ply (.25 ACP) von Taurus.<br />
Meister-Macher 34<br />
Die Tanfoglio-Pistolen Limited HC<br />
Custom (.40 S & W) und Stock III<br />
(9 mm Luger) aus Italien.<br />
VISIER VOR ORT<br />
Früh übt sich 134<br />
Sichere Kindermesser, die auch<br />
den Eltern gefallen.<br />
MEN-Power 138<br />
Neues Konzept und neue Technik:<br />
Die Nassauer Munitionsfirma MEN.<br />
INHALT<br />
IM FADENKREUZ<br />
Kosten: keine? 130<br />
Wer zahlt beim Selbstlader-Verbot?<br />
Zweiter Durchlauf 42<br />
1883 Lever Action Burgess in .44-40:<br />
Ubertis Unterhebler überarbeitet.<br />
Die Unverwüstlichen 48<br />
Vergleichstest: Acht Varmint-<br />
Repetierer in .308 Winchester.<br />
Familienzuwachs 62<br />
Die „Heavy Precision Rifle“ H-PR, der<br />
jüngste Spross der FN-SCAR-Familie.<br />
NEWS<br />
SHOT SHOW 2012 8<br />
Frisch aus Las Vegas: Die neuesten<br />
Waffen im Messereport.<br />
FASZINATION WAFFEN<br />
Schießen macht Spaß 68<br />
Auftakt der gleichnamigen VISIER-<br />
Aktion: Machen wir unser Hobby<br />
doch attraktiver und bekannter!<br />
Das Zeichen des Drachen 72<br />
Der „China-IOD“ — ein besonderer<br />
Infanterie-Offiziersdegen M 1889.<br />
GESCHICHTE<br />
& GESCHICHTEN<br />
Kein verlorenes Paradies 94<br />
Die Waffen der East India Company.<br />
RECHT & ORDNUNG<br />
Big Brother is watching you 80<br />
Das Nationale Waffenregister-<br />
Gesetz: hat jetzt (fast) jeder Zugang?<br />
Die Waffen-Flüsterer 86<br />
Der Verband für Waffentechnik und<br />
-geschichte (VdW): Die Ansprechpartner<br />
für Waffensammler.<br />
NAMEN UND<br />
NACHRICHTEN<br />
KonTev-Schulprojekt 122<br />
ZDF siegt gegen Armatix 125<br />
Waffenrechts-Links 127<br />
Neu: Lesertipps 124<br />
STÄNDIGE RUBRIKEN<br />
Startschuss 3<br />
Leserbriefe 16<br />
Impressum 85<br />
Anzeigen-Coupon 108<br />
VISIER-<strong>Shop</strong>-Bestellcoupon 131<br />
Termine 132<br />
Vorschau 146<br />
Außerhalb der Schweiz gibt es das in VISIER<br />
eingeheftete Supplement des Schweizer Waffen-<br />
Magazins nicht am Kiosk, sondern nur im XXL-<br />
Abo vom Verlag. Näheres auf Seite 131.<br />
VISIER | 3-2012 5
März 2012<br />
IN EIGENER SACHE<br />
Das neue...<br />
Frühjahrsputz beim Waffenmagazin: Dank neuem Layout, neuen Ideen und einem aktualisierten<br />
Testverfahren finden Sie künftig Ihre Informationen schneller, strukturierter und ausführlicher.<br />
VISIER wird 25 — Zeit für einen „Relaunch“,<br />
wie Zeitschriften-Macher eine<br />
Rundum-Erneuerung bezeichnen. Redaktion,<br />
Grafik, Anzeigenabteilung<br />
und Vertrieb arbeiteten monatelang<br />
an neuen Konzepten und trennten sich<br />
von liebgewonnenen, aber eigentlich<br />
unpraktischen Verfahren. Die Titelseite<br />
wurde „umgekrempelt“, die Themen<br />
und Informationen darauf klarer<br />
strukturiert. Auch wenn die Umstellung<br />
auf ein neues Redaktionssystem erst<br />
noch erfolgt, sind alle Beteiligten zuversichtlich,<br />
dass die Leser die neue<br />
Machart akzeptieren. Konstruktive Kritik<br />
ist willkommen, per Post, Fax oder<br />
an visier@visier.de. Was alles verändert<br />
wurde und warum, das erklären<br />
wir Ihnen auf dieser Doppelseite<br />
im Detail. Viel Spaß bei der Entdekkungsreise<br />
im neuen VISIER!<br />
Die VISIER-Tests<br />
Schon seit der ersten VISIER-Ausgabe im Oktober 1987 sorgte<br />
ein damals neues Testverfahren für Aufsehen in der Waffenbranche.<br />
Erstmals wurden Serienwaffen nach einem ausgeklügelten<br />
System in verschiedenen Kategorien bewertet.<br />
Anhand der Punktzahl und den VISIER-Prädikaten, die auch<br />
das Preis-Leistungsverhältnis widerspiegeln, können die Leser<br />
verschiedene Modelle miteinander vergleichen und nach<br />
ihren eigenen Kriterien auswählen. Die Testkriterien werden<br />
in den einzelnen Artikeln unter „So testet VISIER“ erläutert.<br />
Die Testsieger findet man in den Tabellen sofort anhand eines<br />
eigenen Signets, ebenso werden besonders günstige Angebote<br />
als „Kauftipp“ gekennzeichnet. Regelmäßig aktualisierte<br />
Ranglisten der besten Modelle finden Sie auf www.visier.de<br />
Das neue<br />
Abzugsprofil<br />
(Triggerscan)<br />
Kraft<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
VISIER-Abzugsprofil:Test<br />
0,0<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />
Weg<br />
W affenart: Fabrikat: Modell: Abzug:<br />
Pistole Test 9999<br />
Messdaten<br />
Single Double<br />
Action Action<br />
Maximale Kraft:<br />
9,999<br />
Auslöseweg:<br />
9,999<br />
9,999<br />
9,999<br />
Vorzug:<br />
Überzug:<br />
Auslöseenergie:<br />
9,999<br />
Zündverzugszeit:<br />
© VISIER-Grafik nach Manthei-Mess-Systemen<br />
Die Rubriken<br />
Wir haben die Reihenfolge der Rubriken im Heft umgestellt,<br />
einige sind auch neu. Ganz vorn zur schnellen Information<br />
finden Sie künftig die News mit Infos zu neuen Produkten<br />
und Kurztests. Die Leserbriefe bekamen dahinter einen prominenteren<br />
Platz — schließlich erfährt die Redaktion dort, was<br />
Ihnen gefällt, was nicht und was vielleicht noch fehlt. Den<br />
größten Bereich nimmt „Test & Technik“ ein, mit Einzel- und<br />
Vergleichstests inklusive (bei Serienwaffen) aktualisierter<br />
Punkte-Bewertung. Auch technische Beiträge, Prototypen-<br />
Vorstellungen und generell alle „Hardware“-lastigen Themen<br />
gehören hier hinein. Unter „Faszination Waffen“ finden Sie<br />
spannende Berichte aus den Bereichen Sport, Jagd, Sammeln<br />
— sozusagen aus Anwendersicht. „Geschichte & Geschichten“<br />
begleitet Sie in die Vergangenheit, wie immer opulent bebildert<br />
und packend geschrieben. In der Rubrik „Recht & Ordnung“<br />
stehen die Artikel zum Waffenrecht, aber ebenso zu<br />
Verbandspolitik oder zu Sportordnungen. Hinter dem völlig<br />
umgestalteten Anzeigenmarkt folgt „Namen & Nachrichten“<br />
mit Neuigkeiten aus Handel und Industrie, Personalia, Leser-<br />
Tipps, Internet-Links und „Im Fadenkreuz“, dem stets bissigen<br />
Kommentar zu einem aktuellen Thema. Dem Terminkalender<br />
folgt die neue Rubrik „Vor Ort“ — VISIER-Reportagen<br />
aus dem In- und Ausland, Messeberichte und... lassen Sie sich<br />
überraschen. Die Vorschau macht abschließend Appetit auf<br />
das nächste Heft — und wir sind gespannt, ob Ihnen das neue<br />
VISIER gefällt. Schreiben Sie’s uns: visier@visier.de<br />
6 VISIER | 3-2012
Das neue VISIER<br />
Das neue Layout<br />
VISIER steigt auch auf eine neue Gestaltung um. Das zeigt bereits<br />
das zeitgemäß überarbeitete Titel-Logo (siehe oben<br />
links). Im Heft gibt es dann ein neues Schriftbild. Als „Brotschrift“<br />
und damit Hauptschrift der Artikel dient künftig eine<br />
Futura. Sie kommt ohne die als „Serifen“ bekannten Haken an<br />
den einzelnen Lettern. Das wirkt sich ebenso positiv auf die<br />
Lesbarkeit aus wie ein größerer Buchstabenabstand und ein<br />
vergrößerter „Durchschuss“ (= Abstand zwischen den Zeilen).<br />
Ebenfalls zugunsten der Lesbarkeit achtete das VISIER-Team<br />
darauf, dass sich die für Kästen und Bildzeilen benutzten<br />
Schriften besser von der Brotschrift unterscheiden. Deshalb<br />
blieb bei den Kästen die gewohnte Corporate-Schrift erhalten.<br />
Für mehr Klarheit und Ruhe sorgt auch der Umstand, dass Sie<br />
künftig die Text- und die Bild-Anteile deutlicher voneinander<br />
getrennt vorfinden. Auch das verbessert die Lesefreundlichkeit.<br />
Ebenso war es höchste Zeit, anderes in ein zeitgemäßes<br />
Gewand zu bringen. Künftig verrät Ihnen schon beim Blättern<br />
das „VISIER-Blau“ in Rubrik- und Bildzeilen, dass Sie „Ihre“<br />
Zeitschrift in der Hand halten. Die als „Aufmacher-Seite“ bekannten<br />
Anfänge der Artikel tragen ab sofort zu mehr Trennschärfe<br />
zwischen den einzelnen Rubriken bei: Erstmals mit<br />
diesem Heft sehen Sie allein schon anhand des Aufmachers,<br />
ob Sie sich in einem Artikel aus „Test & Technik“ oder in<br />
einem aus der Sparte „Geschichte und Geschichte“ befinden —<br />
dort die Anmutung klarer und etwas nüchterner, hier hingegen<br />
opulent und mit Blick fürs geschichtliche Detail.<br />
VISIER-Kleinanzeigen und <strong>Shop</strong><br />
Viele Leser blättern ein neues Heft stets direkt im Kleinanzeigen-Teil<br />
auf (Abonnenten haben darauf den eleganteren Zugriff,<br />
schon Tage vor dem Kioskverkauf und online auf<br />
www.visier.de). Aber auch hier ist einiges jetzt anders: Es beginnt<br />
mit der auffällig platzierten „Anzeige des Monats“, einer<br />
Fotoanzeige, die der Verlag auswählt — Sie können sich<br />
mit einem schönen Motiv allerdings auch bewerben (siehe<br />
Seite 107). Auf der Rückseite finden Sie stets den Anzeigen-<br />
Coupon. Die Bestellseite für Artikel aus dem VISIER-<strong>Shop</strong><br />
steht immer unmittelbar vor dem Terminkalender, diesmal<br />
auf Seite 131. Genauso schön stöbert man im Internet, den<br />
<strong>Shop</strong> finden Sie direkt unter www.vsmedien-shop.de.<br />
VISIER | 3-2012 7
März 2012<br />
TEST & TECHNIK<br />
Von der Stange<br />
„Welche standardmäßige Neun-<br />
Para-Pistole soll ich mir kaufen?“<br />
— keine Frage hört das VISIER-<br />
Team bei der Hotline-Fragestunde öfter.<br />
Daher lag es auf der Hand, dass es<br />
beim Wiederbeleben des VISIER-Vergleichstests<br />
zuerst um Kurzwaffen dieses<br />
Kalibers gehen müsste. Keine für<br />
Spezialzwecke getunten Stücke, sondern<br />
das, womit jeder Einsteiger möglichst<br />
viel anfangen kann, sei es ein<br />
Sportler, sei es ein Jäger. Pistolen, die<br />
sich zum Scheibensport ebenso eignen<br />
wie für die IPSC-Production Class. Mit<br />
den Vorgaben im Hinterkopf wählte<br />
das VISIER-Team durchaus willkürlich<br />
aus: Bekannte Modelle finden sich<br />
ebenso im Aufgebot wie einige „unbeschriebene<br />
Blätter“. Ganzmetall- steht<br />
neben Polymerbauweise, außen liegende<br />
Hähne neben Schlagbolzenschlossen.<br />
Preislich liegen die zehn<br />
Prüflinge zwischen zirka 650 und etwa<br />
1150 Euro. Und jetzt in medias res.<br />
Abzugscharakteristik: In der Kategorie<br />
überzeugte keine der untersuchten<br />
Standardausführungen restlos.<br />
Keine räumte die volle Zahl von zehn<br />
Punkten ab. Die Testpistolen warteten<br />
hier teils mit sehr unterschiedlichen<br />
Abzugsvarianten auf: Beide Berettaund<br />
CZ-Pistolen sowie die Heckler &<br />
Koch USP und die SIG Sauer P 228 traten<br />
mit Single Action/Double Action-<br />
Trigger und außen liegendem Hahn<br />
an. Auch die Taurus PT 24/7 OSS DS<br />
18 VISIER | 3-2012
Von der Stange| Pistolenvergleich 9mm Para<br />
Fabrikbelassene Gebrauchspistolen in 9 mm Luger zählen zu den meist geschossen<br />
Kurzwaffen. VISIER vergleicht einige der gängigsten Modelle. Wie schneiden die<br />
„Etablierten“ gegenüber den „Aktuellen“ ab?<br />
Fotos: Michael Schippers<br />
Text: Andreas Wilhelmus und Markus Emmel<br />
kam mit SA-/DA-Abzug, aber mit<br />
Schlagbolzenschloss. Safe Action System<br />
von Glock und Reset Action von<br />
Steyr ähneln sich nicht nur durch das<br />
Mittelzüngel — bei beiden hatte<br />
schließlich Wilhelm Bubits seine Finger<br />
im Spiel. Zudem schickte Walther seine<br />
aktuelle P 99 AS ins Rennen. AS<br />
steht für Anti-Stress. Es soll bei Dienstwaffenträgern<br />
unbeabsichtige Schüsse<br />
in Extremsituationen verhindern.<br />
Das geschieht durch einen extrem langen<br />
Vorzug mit quasi eingebautem<br />
Zwischenstopp auf etwa halbem Abzugsweg.<br />
Was in der Behördenpraxis<br />
Unfällen vorbeugen soll, wirkt auf<br />
dem Schießstand aber als Präzisionskiller.<br />
Da man beim ersten Schuss neben<br />
dem doppelten Weg auch das<br />
zweifache an Kraft aufbringen muss,<br />
reißt der auch regelmäßig aus. Überdies<br />
kratzte der Abzug auch bei den<br />
Folgeschüssen im sogenannten Reset-<br />
Modus arg, stand nicht trocken und<br />
fiel nach dem Auslösen einen guten<br />
Millimeter weiter durch. Daher vergaben<br />
die Prüfer nur fünf der möglichen<br />
zehn Punkte. Mehr konnte auch die<br />
CZ 75 B nicht verbuchen. Da ist das<br />
Schloss nicht festgelegt. So bewegen<br />
sich die am Schießen beteiligten Teile<br />
beim Abziehen mit. Die Folge: ein sehr<br />
schwammiger und ruckeliger Vorzugsweg<br />
im SA-, ein hakeliger im DA-Betrieb.<br />
Und dann muss der Abzugsfinger<br />
ohne Vorspannung zu hohe<br />
VISIER | 3-2012 19
März 2012<br />
TEST & TECHNIK<br />
fünfeinviertel Kilogramm überwinden.<br />
Die CZ SP-01 Shadow liegt beim DA-<br />
Widerstand in etwa gleich auf, bekommt<br />
aber werkseitig bereits die gerade<br />
genannten Kinken der CZ-75 B<br />
ausgetrieben. Sie kam mit trocken<br />
stehendem SA-Trigger, der bereits bei<br />
knapp über 1,5 Kilogramm in der<br />
Hauptbetriebsart auslöst. So sicherte<br />
sich die Shadow hier satte neun Punkte.<br />
Den gleichen Wert erzielt die Beretta<br />
Px4 Storm. Sie überzeugt in DA,<br />
verliert aber einen Punkt wegen ihres<br />
noch merklich kratzenden Vorzugs<br />
und leicht durchfallendem Züngel. Die<br />
92 FS aus dem gleichen Stall kratzt ein<br />
wenig mehr. Bei ihr spürt der Finger<br />
auch das Hochdrücken der automatischen<br />
Schlagbolzensicherung. Obwohl<br />
der Abzug nicht vorgespannt<br />
über fünf Kilogramm einfordert, fühlt<br />
sich das beim Auslösen deutlich geringer<br />
an. Daher gibt’s insgesamt doch<br />
noch acht Punkte für die 92er Beretta.<br />
Ebenfalls acht Punkte erhielten Taurus<br />
PT 24/7 DS und USP. Bei der<br />
Taurus ruckelte der Vorzug im SA- wie<br />
im DA-Modus zu sehr. Das war bei der<br />
USP zwar nur ohne Vorspannen so,<br />
dafür gesellte sich hier aber ein etwas<br />
zu hohes DA-Abzugsgewicht hinzu.<br />
Für letztgenanntes reichte bei der SIG<br />
Sauer P 228 die Lyman-Abzugswaage<br />
der Redaktion nicht mehr aus. Es dürfte<br />
aber noch über den vom Hersteller<br />
angegeben 5500 g liegen. Das kostete<br />
die Pistole drei Punkte, während es<br />
an der SA-Charakteristik nichts zu mäkeln<br />
gab. Auch der Glock 17 und der<br />
Steyr M9 gestanden die Tester nur sieben<br />
Punkte zu: Beide holperten, standen<br />
nicht trocken oder fielen durch.<br />
Abzugs-Griff-Design: In dieser Kategorie<br />
spiegeln sich die Eindrücke<br />
von Testern mit drei unterschiedlichen<br />
Handgrößen wider. Sofort einig waren<br />
sich die Juroren bei P 228 und Walther<br />
P 99 AS. Die Pistolen lagen allen gleich<br />
gut und angenehm. Walther fügt seri-<br />
Bei der Beretta 92 FS Inox bestehen Griffstück<br />
und Schlitten aus rostträgem Stahl.<br />
Der Verschluss verriegelt über einen<br />
Kippriegel ähnlich dem der Walther P 38.<br />
Die Beretta P x 4 Storm kommt mit einem<br />
Polymer-Griffstück. Wie die 92 FS besitzt<br />
sie einen beidseitigen Sicherungs- und<br />
Entspannhebel ohne Rücksprungfunktion.<br />
Die tschechische CZ 75 B hat nur einseitige<br />
Bedienhebel (hier verdeckt). Die Form des<br />
Abzugsbügels und das Loch im Hahn unterscheiden<br />
sie vom Ursprungsmodell CZ 75.<br />
20 VISIER | 3-2012
Von der Stange| Pistolenvergleich 9mm Para<br />
Bei P x 4 Storm (l.) und 92 FS tritt<br />
beim Abziehen die automatische<br />
Schlagbolzensicherung vor der<br />
Kimme oben aus dem Schlitten heraus.<br />
Die P x 4 Storm (u. l.) verriegelt mittels<br />
Rotationsverschluss. Eine Kurve am<br />
Rohr läuft dabei durch das Steuerstück.<br />
richtung alle Pistolen einen der möglichen<br />
fünf Punkte dafür ein, dass eine<br />
Höhenjustierung nur mit der Feile oder<br />
durch Austausch von Kimme oder<br />
Korn möglich ist. Beide CZ-75-Varianten<br />
fielen zudem durch schief eingesetzte<br />
Korne auf und verloren so einen<br />
weiteren Zähler. Auch die Steyr M9-A1<br />
musste sich mit drei Punkten in der Kategorie<br />
Visierung zufrieden geben: Die<br />
Prüfer beurteilten die auf schnelles<br />
Zielerfassen ausgelegte Kombination<br />
aus Dreieckskorn und Trapezkimme<br />
als zu filigran für mittlere und weite<br />
Scheibenentfernungen. Alle anderen<br />
Modelle lieferten dagegen ein kontrastreiches<br />
klares Visierbild. Dabei<br />
spielte es im normalen Schießstandbetrieb<br />
keine Rolle, ob es sich um<br />
weiße, farbige und nachleuchtende<br />
Kontrasteinlagen handelte.<br />
enmäßig auch Wechselgriffrücken bei.<br />
Also kassierte die P 99 AS wie auch die<br />
SIG Sauer P 228 volle fünf Punkte, alle<br />
anderen vier Zähler. Bei USP, Beretta<br />
92 FS und CZ 75 B lautete das Urteil:<br />
eine griffige, aber zu unangenehme<br />
Haptik. Die Gummigriffschalen der<br />
Shadow fassten sich besser an, jedoch<br />
missfiel das Checkering vorn und hinten<br />
am Griff. Es war zu glatt. Die Textur<br />
von Px4 und M9-A1 rutschen in der<br />
Hand. Bei Glock und Taurus fällt der<br />
Abzugsbügel zu klein aus. Und der<br />
Finger schleift beim Abkrümmen unten<br />
an der Innenseite des Bügels entlang.<br />
Visierung: Mit Ausnahme der Glock<br />
17 büßten beim Check der Zielvor-<br />
Bedienelemente: Auch hier kommt<br />
es wie schon beim Abzug in erster Linie<br />
auf die Charakteristik an. Die Bewertung<br />
orientiert sich an der Erreichbarkeit<br />
und Bedienfreundlichkeit der an<br />
der Waffe vorhandenen Hebel und<br />
Drücker. „Vorhanden“ heißt in dem<br />
Fall, dass VISIER einer Waffe ohne manuelle<br />
Sicherung natürlich keine Punkte<br />
wegen eines fehlenden Sicherungshebels<br />
aberkennt. Allerdings schlagen<br />
von der Konstruktion her notwendige,<br />
aber nur einseitig angebrachte Bedienelemente<br />
ins Kontor, sofern dadurch<br />
Zeitverluste bei Wettkämpfen<br />
entstehen können. Ordnungsgemäß<br />
funktionieren sollten die Teile natürlich<br />
auch noch. So bekam nur die mit beidseitigen,<br />
langen Verschlussfanghebeln<br />
und Magazinlösetasten ausgestattete<br />
P 99 die vollen zehn Punkte in dieser<br />
Sparte. Bei der Shadow trägt der Sicherungshebel<br />
etwas zu dick auf und<br />
erschwert den Zugang zum nur rechts<br />
angebrachten Fanghebel. Die USP besitzt<br />
einen links wie rechts bedienbaren<br />
Magazinlöser mit sehr kleinen<br />
Tasten. Fang- und Entspannhebel erreicht<br />
jedoch nur der Daumen von<br />
Rechtshändern. Ähnliches gilt für die<br />
P 228, die wie USP und Shadow jeweils<br />
acht Punkte ergatterte. Bei der P x 4<br />
weisen die beidseitigen Sicherungsund<br />
Entspannhebel etwas zu scharfe<br />
Kanten auf, der Fanghebel dürfte etwas<br />
länger sein. Bei der 92 FS taten<br />
sich kleine Hände mit dem Spannen<br />
eher schwer. Die winzigen Glock-<br />
Schieber machen das Waffenzerlegen<br />
zur Belastungsprobe für Fingernägel.<br />
Auch der kleine Zerlegehebel der PT<br />
VISIER | 3-2012 21
März 2012<br />
TEST & TECHNIK<br />
24/7 schreit nach stabilen Nägeln.<br />
Immerhin lässt sich hier der Fanghebel<br />
besser erreichen als bei Glock oder<br />
Steyr. Letztere zeigte zudem scharfe<br />
Kanten am Fanghebel. Somit bleiben<br />
jeweils sieben Punkte für beide Berettas,<br />
Glock 17, Steyr M9 und Taurus PT<br />
24/7. Sechs Punkte bekam die CZ 75<br />
B. Hier kam zu den nur einseitigen und<br />
klein dimensionierten Bedienelementen<br />
ein Magazin hinzu, das nicht von<br />
alleine aus der Waffe fiel. So etwas<br />
braucht niemand — weder im Dienstalltag<br />
noch bei sportlichen Disziplinen,<br />
da, wo es auf einen schnellen<br />
Magazinwechsel ankommt.<br />
Auf dem Schießstand: Für den Präzisionstest<br />
konnte VISIER wieder den<br />
Kurzwaffenspezialisten und Topschütze<br />
Markus Emmel verpflichten. Zwecks<br />
Chancengleichheit zwischen den Kandidaten<br />
verzichteten die Tester darauf,<br />
die Pistolen mit Stahlrahmen aus der<br />
Ransom Rest auf ihre Trefferleistung zu<br />
überprüfen. Stattddessen durften die<br />
Stahlmodelle ihre Präzision ebenso<br />
wie die Polymerpistolen im sitzend aufgelegten<br />
Anschlag von der Sandsackauflage<br />
beweisen. Als Futter für alle<br />
Probanden dienten jeweils fünf Fabriklaborierungen<br />
(siehe Tabelle). Den<br />
engsten Streukreis von 39 Millimetern<br />
schoss Emmel aus der USP (Geco 154<br />
Grains Kegelstumpf-Vollmantel). Dahinter<br />
platzierte sich die Steyr M9-A1<br />
mit der gleiche Sorte und 47 mm. Die<br />
meisten anderen Waffen blieben im für<br />
Dienstpistolen vertretbaren Rahmen von<br />
unter 70 mm. Die PT 24/7 kam trotz<br />
der längsten Visierlänge nicht unter 90<br />
mm. Der P99 dürfte hier der Anti-Stress-<br />
Abzug die schlechtesten Streukreise beschert<br />
haben. Ihr bester lag nur knapp<br />
unter der Zehn-Zentimeter-Marke.<br />
Repetierablauf/Sicherheit: Eines<br />
vorweg — in dieser Kategorie erhielten<br />
alle getesteten Pistolen die maximale<br />
Punktzahl von zehn Punkten. Alle<br />
Sicherungen verrichteten ihren Dienst<br />
– sofern dieses von den Testern ohne<br />
Gefährdung der eigenen Sicherheit<br />
überprüft werden konnte. Falltests<br />
oder ähnliches fanden also nicht statt.<br />
Die CZ 75 SP-01 Shadow kommt mit<br />
rutschhemmenden Gummigriffschalen und<br />
verlängertem Magazin. Sie hat beidseitige<br />
Sicherungshebel und ein Lichtsammelkorn.<br />
Die Glock 17 ging als erste Polymerpistole<br />
in Serie. Hier ein Modell aus der dritten<br />
Generation mit Standardgriffstück. Typisch:<br />
das Mittelzüngel des Glock Action Triggers.<br />
Um sie glasklar als Gebrauchspistole zu<br />
klassifizieren, nannte Heckler & Koch diese<br />
Kurzwaffe einfach Universal-Selbstlade-<br />
Pistole oder kurz USP.<br />
22 VISIER | 3-2012
Von der Stange| Pistolenvergleich 9mm Para<br />
Kraft<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
VISIER-Abzugsprofil: Glock 17<br />
Messdaten<br />
0,0<br />
0 2 4 6 8 1 0 1 2 1 4 1 6 1 8 2 0<br />
Weg<br />
Waffenart: Fabrikat: Modell: Abzug:<br />
Pistole Glock 17<br />
Single Double<br />
Action Action<br />
Maximale Kraft:<br />
2,185<br />
Auslöseweg:<br />
8,54<br />
1,93<br />
2,84<br />
Vorzug:<br />
Überzug:<br />
Auslöseenergie:<br />
9,85<br />
Zündverzugszeit:<br />
© VISIER-Grafik nach Manthei-Mess-Systemen<br />
Auch die vom<br />
Trigger Scanner<br />
aufgezeichnete<br />
Kurve spiegelt den<br />
ruckeligen Vorzugsweg<br />
der Glock 17<br />
wider. Der Abzug<br />
kommt nicht richtig<br />
zum Stehen und fällt<br />
nach der Schussabgabe<br />
noch ein<br />
kleines Stück durch.<br />
Kraft<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
VISIER-Abzugsprofil: Heckler & Koch USP<br />
Messdaten<br />
0,0<br />
0 2 4 6 8 1 0 1 2 1 4 1 6 1 8 2 0<br />
Weg<br />
Waffenart: Fabrikat: Modell: Abzug:<br />
Pistole Heckler & Koch USP<br />
Single Double<br />
Action Action<br />
Maximale Kraft:<br />
1,913<br />
Auslöseweg:<br />
4,94<br />
1,07<br />
2,22<br />
Vorzug:<br />
Überzug:<br />
Auslöseenergie:<br />
4,63<br />
–––<br />
–––<br />
–––<br />
–––<br />
–––<br />
Zündverzugszeit:<br />
–––<br />
© VISIER-Grafik nach Manthei-Mess-Systemen<br />
Der Abzug der USP<br />
kratzt deutlich<br />
weniger als der der<br />
GLock 17. Er besitzt<br />
auch einen klar<br />
erkennbaren Druckpunkt,<br />
an dem er<br />
trocken steht. Dann<br />
fällt der Abzug,<br />
kaum spürbar, noch<br />
einen winzigen<br />
Hauch durch.<br />
Auf dem Schießstand gab es weder<br />
beim langsam getakteten Präzisionsschießen<br />
noch bei schnellen Schussfolgen<br />
irgendwelche Zuführ- oder<br />
Funktionsstörungen mit den verwendeten<br />
Laborierungen.<br />
Verarbeitung: Die Qualität der verwendeten<br />
Teile und Werkstoffe ist<br />
VISIER insgesamt zehn Punkte wert.<br />
Die Tester gingen bei der Bewertung<br />
verschiedenen Fragen nach: In welchem<br />
Maße sind Werkzeugspuren zu<br />
finden, sind Gussteile schlecht entgratet,<br />
weisen sie oder Frästeile unnötig<br />
scharfe Kanten auf? Wie sind die Baugruppen<br />
gepasst, besitzen bewegliche<br />
Teile zu viel oder zu wenig Spiel? Treten<br />
während des Tests Verschleißspuren<br />
auf? Anhand der Fragen lässt sich<br />
die Taurus PT 24/7 als Schlusslicht in<br />
dieser Kategorie ausmachen. Das im<br />
Unschön: Die CZ 75 B gibt nach dem<br />
Druck auf den Auslöseknopf das<br />
Magazin nicht komplett frei. Der<br />
Tank rutscht nur etwa zwei Zentimeter<br />
weit aus dem Griffstück heraus.<br />
VISIER | 3-2012
März 2012<br />
FASZINATION WAFFEN<br />
Text: Matthias Recktenwald – Fotos: Michael Schippers<br />
72 VISIER | 3-2012
Das Zeichen des Drachen | China-IOD<br />
Das Zeichen<br />
des Drachen<br />
Ein feuerspeiender Lindwurm am Korb und eine Solinger Herstellermarke auf der<br />
Klinge: Die Kombination macht diese prächtige Blankwaffe zur Sammler-Rarität.<br />
Gratis dazu gibt es Geschichte, ebenso verwickelt wie spannend.<br />
Als sich der spätere Musketier<br />
d’Artagnan um 1625 gen Paris<br />
aufmachte, baumelte am Degengehenk<br />
die vom Vater überreichte<br />
Blankwaffe. Wie damals üblich,<br />
ein handgefertigtes Unikat. Gut<br />
50 Jahre nach d’Artagnans Aufbruch<br />
aber kam die als „Modellzeit“ bekannte<br />
Periode. Seitdem folgten vor allem<br />
die Blankwaffen des westlichen Militärs<br />
vereinheitlichenden Vorgaben:<br />
Sie entsprachen einem „Modell”. Diese<br />
Vorgaben sorgten dafür, dass heute<br />
den Sammlern das Herz im Leibe<br />
lacht. Natürlich tat es ja ein Blankwaffen-Typ<br />
nicht allein — in den gut 250<br />
Jahren entstanden zig Modelle mit<br />
unzähligen Stempeln. Mitunter folgten<br />
dem Grundmodell auch mehr oder<br />
minder viele, oft rare Varianten. Um so<br />
eine geht es: die an ihrem Drachenemblem<br />
zu erkennende, als „China-<br />
IOD” bekannte Spielart des Infanterieoffiziersdegens<br />
M 1889 (kurz: IOD<br />
89). Die galt lange als geheimnisumwittert.<br />
War das etwa die Dienstwaffe<br />
der deutscherseits im „Boxeraufstand”<br />
von China (1899-1901) eingesetzten<br />
Offiziere? Oder ein Erinnerungsstück<br />
an die Teilnahme beim militärischen<br />
Expeditionskorps der Deutschen ins<br />
Reich der Mitte? Um das Rätsel zu<br />
lösen, muss man auf den IOD 89 wie<br />
auch auf die Beziehungen zu China<br />
blicken. Dann gibt die Blankwaffe<br />
den Blick auf die eigene Karriere und<br />
einen dramatischen Moment der<br />
Weltgeschichte frei.<br />
Der IOD 89 war „die letzte eigenständig<br />
deutsche lange Griffwaffe”, so mit<br />
Gerd Maier der Nestor der deutschen<br />
Blankwaffenkunde. Ergänzend Peter<br />
Hartmann und Reiner Herrmann:<br />
„Obwohl dieses Degenmodell nur<br />
knappe 30 Jahre lang Ordonnanzwaffe<br />
war, hat es das Erscheinungsbild<br />
des Soldaten im kaiserlichen Deutschland<br />
so nachhaltig geprägt wie etwa<br />
die Pickelhaube.” Rein optisch stellt<br />
der IOD 89 eine ästhetische Meisterleistung<br />
dar: ein schlanker, gut meterlanger<br />
Entwurf mit gerader Klinge<br />
samt zweier Hohlbahnen und einer<br />
Rippe auf jeder Seite. Dazu ein abgewinkelter<br />
Griff mit Viertelskorb und<br />
halber Schaftkappe. Ein Degen wie<br />
gemacht, um bei Uniformen einen<br />
eleganten Akzent zu setzen und den<br />
Status des Trägers zu betonen —<br />
der Zweck der prächtigen Waffen.<br />
Der IOD 89 wurde am 22. März 1889<br />
per Genehmigung durch Kaiser Wilhelm<br />
II. eingeführt. Als Einheitsseitengewehr<br />
gedacht, entwickelt er sich<br />
bald zu einer ganzen Blankwaffenfamilie,<br />
deren Stammbaum viele Zweige<br />
aufwies. Das begann mit genehmigten<br />
Abweichungen von der Standard-Klingenlänge.<br />
Es ging weiter mit Körben,<br />
deren Stichblätter fest oder klappbar<br />
ausfielen. Auch kamen Griffe, die<br />
statt des reglementgemäßen Monogramms<br />
„WR” (Wilhelmus Rex”) andere<br />
inoffizielle Lettern, Ziffern und Motive<br />
besaßen. Neben die Standardware<br />
der Solinger Hersteller wie Clemen &<br />
Jung, E. & F. Hörster, Ewald Cleff, Weyersberg,<br />
Kirschbaum & Cie. oder Carl<br />
Eickhorn traten Extra-Ausführungen.<br />
Das umfasste laut Maier alles „vom<br />
noch recht einfachen, vergoldeten Gefäß<br />
mit zusätzlich gravierter Klinge bis<br />
zum hochfein innen und außen ziselierten,<br />
feuervergoldeten Prachtstück<br />
mit überbreiter und kunstvoll in handwerklicher<br />
Einzelarbeit verzierter Klinge”.<br />
Es ging auch schlicht: Im I. Weltkrieg<br />
entstanden IOD 89, bei denen<br />
brüniertes/lackiertes Eisen das Messing<br />
ersetzte. Aller Vielfalt zum Trotz —<br />
standardmäßig sind beim IOD 89<br />
Klinge und Griffelemente nicht vernietet.<br />
Statt dessen hat die Klingenangel<br />
ein Gewinde: Man steckt die Griffteile<br />
auf und fixiert sie per aufgeschraubter<br />
Knaufplatte. Auf dem terz- oder außenseitig<br />
gelegenem Knöchelschutz<br />
fand sich stets ein Wappenschild.<br />
Da aber liegt der wunde Punkt beim<br />
China-IOD: Nichts da mit deutschen<br />
Emblemen — an diesen meist von E. & F.<br />
Hörster aus Solingen gefertigten Degen<br />
prangt ein feuerspeiender Drache<br />
mit Zackenschweif. Die Fachwelt kennt<br />
mehrere Varianten: Mal findet sich der<br />
Drache als Halbrelief im Korb, mal<br />
durchbrochen. Auch gab es Klappscharnier-Gefäße<br />
mit diesem Motiv.<br />
Doch stets handelt es sich um das<br />
Wappen der chinesischen Mandschuoder<br />
Qing-Dynastie. Deren Zeit endete<br />
offiziell mit Abdankung des letzten<br />
VISIER | 3-2012 73
März 2012<br />
GESCHICHTE & GESCHICHTEN<br />
Kein verlorenes<br />
Paradies<br />
Die indische Kronkolonie, der Eckstein des Britischen Empires, entstand aus der<br />
Unternehmungslust einiger Londoner Kaufleute. Um 1850 besaß ihre Ostindien-Kompanie<br />
ein Riesenreich von Afghanistan bis Burma, von Nepal bis Ceylon, und das mit eigener<br />
Armee von rund 250 000 Mann und bewaffneter Handelsflotte.<br />
Fotos: Dr. David Th. Schiller, Michael Schippers, VISIER-Archiv<br />
Text: Dr. David Th. Schiller<br />
94
Kein verlorenes Paradies| East India Company<br />
95
März 2012<br />
GESCHICHTE & GESCHICHTEN<br />
Dabei gelangten die Engländer<br />
erst recht spät in das Entdeckerund<br />
Kolonialgeschäft Südostasiens:<br />
Der Portugiese Vasco da<br />
Gama hatte schon 1498 den Seeweg<br />
nach Indien entdeckt. Sieben Jahre<br />
später eröffneten die Portugiesen ihre<br />
ersten Handelsstationen entlang der<br />
Küste. Auch die Schiffe der holländischen<br />
Ostindien-Kompanien kreuzten<br />
bereits ab 1595 vor der indischen<br />
Ostküste und richteten sich auch in<br />
Bengalen (heute Bangladesch) ein. Ihr<br />
Hauptaugenmerk lag aber auf der<br />
(heutigen) indonesischen Inselgruppe.<br />
Erst im April 1601 machte sich von<br />
England aus eine kleine Flotte unter<br />
Führung von Kapitän James Lancaster<br />
nach Indien auf. Sie gehörte einer<br />
Gruppe reicher Londoner Kaufleute,<br />
die sich zu einer Aktiengesellschaft zusammengefunden<br />
hatten, um Handel<br />
mit den sagenhaften Fürstentümern<br />
des fernen Orients zu treiben. Der königliche<br />
Charterbrief dieser „English<br />
East India Company“ (EIC) vom Dezember<br />
1600 erteilte der neuen Handelsgesellschaft<br />
weitreichende Rechte<br />
und Privilegien, die von späteren englischen<br />
Königen im 17. Jahrhundert<br />
Nach der Schlacht von Plassey 1757: Robert Clive besiegte mit nur<br />
1100 Europäern und 2100 Sepoys die 68 000 Mann starke Armee<br />
des Provinzfürsten von Bengalen. Hier empfängt er Mir Jafar, der<br />
im entscheidenden Moment mit einem Teil seiner Truppen zu den<br />
Briten überlief und dafür zum Vizekönigs von Bengal, Bihar und<br />
Orissa gemacht wurde. Dem ging im Februar 1857 der Vorstoß Clives auf das von<br />
Mogultruppen belagerte Fort William bei Kalkutta voraus. Die Hafenfestung (u.) diente<br />
der EIC als wichtigste Regierungszentrale in Indien, hier mit Company-Schiffen.<br />
96 VISIER | 3-2012
Kein verlorenes Paradies| East India Company<br />
Die indischen Fürstentümer<br />
hinterließen viele Prunkbauten,<br />
hier in Jaipur. Die Karte unten<br />
zeigt die schrittweise Ausdehnung der<br />
EIC-Herrschaft im Mogulreich um 1800.<br />
Sir Robert Clive (1725-77) startete<br />
seine Karriere bei der EIC als<br />
einfacher Handelsekretär. Er<br />
bewährte sich als Fähnrich und später<br />
als Truppenführer in den Kämpfen mit<br />
den Franzosen und den Holländern.<br />
Soldaten in Hot Pants: Sepoys<br />
der Bengal-Armee in kurzen<br />
Hosen und den roten Röcken,<br />
die zum Sinnbild der britischen<br />
Vorherrschaft in Indien wurden.<br />
VISIER | 3-2012 97
März 2012<br />
NEWS<br />
NEWS – März 2012<br />
Schießsportprojekt an Schulen<br />
Baden-Württemberg<br />
Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Ländle startet<br />
zusammen mit den drei dortigen dem DSB (Deutscher Schützenbund)<br />
angeschlossenen Schützenverbänden den Wettbewerb<br />
KonTeV. Die Abkürzung steht für Konzentration, Teamfähigkeit<br />
und Verantwortungsbewusstsein. Diese drei Grundeigenschaften<br />
des Sportschießens stehen im Fokus eines<br />
Projekts für Schützenvereine und Schulen.<br />
Der Württembergische Schützenverband (WSV), Badische<br />
Sportschützenverband (BSV) und Südbadische Sportschützenverband<br />
(SBSV) konzipierten KonTeV gemeinsam. Der WSV<br />
stand nach eigenen Angaben bereits länger mit dem zuständigen<br />
Landesministerium bezüglich eines gemeinsamen Projektes<br />
in der Diskussion. Mit dem Wettbewerb möchten die Initiatoren<br />
einen gesellschaftlichen Beitrag zur allgemeinen Gewaltprävention<br />
leisten und die positive Wirkung des Sportschießens auf<br />
die Entwicklung junger Menschen hervorheben. Das Kultusministerium<br />
nahm die Projektidee sehr anerkennend zur Kenntnis<br />
und sagte seine umfassende Unterstützung zu. Von Ministeriumsseite<br />
kommen die Preisgelder von insgesamt 6500 Euro.<br />
Außerdem will das Kultusministerium den Wettbewerb bei allen<br />
Schulen im Land bekannt machen. Die drei Verbände rufen nun<br />
alle angeschlossenen baden-württembergischen Schützenvereine<br />
auf, sich an dem Projekt zu beteiligen und dazu Kontakt mit<br />
den Schulen aufzunehmen. Weitere Informationen und die Ausschreibung<br />
unter www.wsv1850.de<br />
AW<br />
Ministerpräsident Wilfried Kretschmann will KonTev<br />
fördern, Großkaliber-Kurzwaffen aber abschaffen.<br />
Kommentar: „KonTeV“ zeigt, dass im rot-grün-regierten Ländle<br />
scheinbar noch nicht alle Institutionen des Landes kategorisch<br />
den Schützen das Leben schwer machen. Der WSV als Triebfeder<br />
des erstrebenswerten Projektes sollte trotzdem bei seinen anderen<br />
Aktivitäten künftig besser darauf achten, mit wem er sich<br />
auf landespolitischer Ebene einlässt. So findet sich im Programmheft<br />
zum Landesschützentag 2012 auch das obligatorische<br />
Grußwort des Ministerpräsidenten. Hier gab man dem grünen<br />
Landesfürsten Winfried Kretschmann ausreichend Platz, nach seiner<br />
Laudatio auf die Schützen noch ein dringendes Anliegen zu<br />
publizieren: ... „Dennoch halte ich es für richtig, die in unserem<br />
Koalitionsvertrag angekündigte Verschärfung des Waffenrechts<br />
umzusetzen. Die Landesregierung will deshalb — mit Ausnahme<br />
der Jäger — ein generelles Verbot für den Privatbesitz von großkalibrigen<br />
Faustfeurwaffen durchsetzen. Die Waffen stellen aufgrund<br />
ihrer Durchschlagskraft eine enorme Gefahr dar. Fürchterliche<br />
Geschehnisse wie die Amokläufe von Winnenden oder<br />
Norwegen sind unvergessen.“ ... Ausgerechnet im Grußwort<br />
den Gastgebern eine derartige „Watsch’n“ zu verpassen — da<br />
half es auch nichts, wenn Landesoberschützenmeisterin Hannelore<br />
Lange die Verantwortung für diesen Fauxpas erst einmal auf<br />
den ausrichtenden Schützenverein in Crailsheim abwälzte. Begründung:<br />
Der Text sei erst in letzter Minute eingetroffen und<br />
vor dem Druck des Programmhefts nicht „ausreichend inhaltlich“<br />
geprüft worden. Das sorgte natürlich für Widerstand in den Reihen<br />
der württembergischen Schützenvereine. So bezieht die<br />
oberste Schützin nun in einem veröffentlichten Brief an Kretschmann<br />
erneut die Position, die sie bereits im Dezember 2011 vertrat.<br />
Da gibt sie die Antwort, die dem Landesfürsten anstelle des<br />
Abdruckens des Grußwortes gebührt hätte: „Mit insgesamt 1.4<br />
Millionen im Deutschen Schützenbund organisierten Sportschützen<br />
üben wir unseren Sport im Rahmen der Sportordnungen aus.<br />
Alle Disziplinen dieser Sportordnungen wurden vom Bundesverwaltungsamt<br />
sorgfältig geprüft und genehmigt. Zu diesen Disziplinen<br />
gehört auch das Schießen mit großkalibrigen Kurzwaffen.<br />
Wir sehen nach wie vor keine Veranlassung, diese Disziplinen<br />
und Sportwaffen aus unserem vielfältigen, facettenreichen und in<br />
sich geschlossenen Sportprogramm zu entfernen. Wir stehen zu<br />
all diesen Disziplinen und werden gemeinsam mit dem Deutschen<br />
Schützenbund gegen diese von der Landesregierung<br />
Baden-Württemberg angedachte Verschärfung des Waffenrechts<br />
auf Bundesebene vorgehen.“ Ob der abschließende Appell<br />
von Landesoberschützenmeisterin Lange<br />
im Namen der 90000 WSV-Mitglieder<br />
zum offenen, sachlichen und fairen Dialog<br />
mit dem Ministerpräsidenden führt, erscheint<br />
eher fraglich. Dazu müsste sich die Spitze<br />
der Stuttgarter Landesregierung schließlich<br />
von der ideologischen auf die sachliche<br />
Diskussionsebene begeben.<br />
Andreas Wilhelmus<br />
122 VISIER | 3-2012
Namen & Nachrichten<br />
Neue Black Labels<br />
Oberland Arms<br />
Seit 2010 hat Oberland Arms von seiner OA 15-Black<br />
Label-Reihe fast 4000 Stück verkauft. „Der Erfolg macht<br />
natürlich Lust auf mehr. Die Stückzahlen ermöglichen es,<br />
Wareneinkauf und Fertigung zu optimieren und so über<br />
weitere Maßnahmen der Kostenreduktion nachzudenken,<br />
ohne dabei auf die gewohnte Qualität zu verzichten,“ so<br />
OA-Chef Frank Satzinger. Der künftige Verkaufspreis<br />
eines OA-15 Black Label liegt bei 1295 Euro — nun samt<br />
Koffer mit Zahlenschloss. Neben günstigerem Einkauf spare<br />
man, so Satzinger, durch Schmiederohlinge aus gängigem<br />
Alu 7075 T6. Die Gehäuse werden nach wie vor in<br />
Deutschland gefräst, trovalisiert, gestrahlt, hart coatiert und<br />
matt schwarz beschichtet. Lothar Walther steuert wie gewohnt<br />
die Läufe aus LW19-Spezialstahl mit metrischem<br />
14/1-Mündungsgewinde bei. Demnächst sollen alle Läufe<br />
eine andere Kontur unter dem Handschutz erhalten.<br />
Das macht die Rohre leichter. Der Einbau von Standardteilen<br />
trägt zusätzlich zum neuen Preis bei. Die orientieren<br />
sich aber am militärischen Standard (MilStd). Infos:<br />
www.oberlandarms.com<br />
AW<br />
Von Wetzlar in die USA<br />
Schmidt & Bender<br />
Schmidt & Bender hat sich einen Auftrag über 34 Millionen US-<br />
Dollar vom US-Verteidigungsministerium gesichert. Der hessische<br />
Optikspezialist beliefert zukünftig die Spezialeinheiten von Army,<br />
Navy, Air Force und Marines mit dem Zielfernrohr 5-25 x 56<br />
PMII in der Sonderausstattung „PSR“ (Precision Sniper Rifle) für<br />
Scharfschützengewehre. Das ist bereits der dritte große Auftrag<br />
in den letzten Jahren, bei dem das US-Militär den Zuschlag an<br />
Schmidt & Bender erteilte. Info: www.schmidt-bender.de UE
März 2012<br />
VOR ORT<br />
Text: Andreas Skrobanek<br />
Fotos: Michael Schippers, Andreas Skrobanek, MEN, VISIER-Archiv<br />
Die erste Maschinenausstattung für MEN lieferte die<br />
Firma Fritz Werner, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs in<br />
Staatseigentum überging und von Berlin ins Rheinland umzog.<br />
Die Maschinenkataloge unter dem MG-Gurt stammen aus den frühen<br />
1930er Jahren. Daneben das aktuelle Sniper Data Book von MEN.<br />
138 VISIER | 3-2012
MEN-Power| Metallwerk Elisenhütte Nassau<br />
MEN-Power<br />
Eine neue Geschäftsführung der Metallwerke Elisenhütte Nassau bricht mit Traditionen<br />
und will die Munitionsherstellung modernisieren. VISIER besuchte das Werk im Umbruch.<br />
Zur „Elisenhütte“ fährt man aus<br />
dem Nassauer Ortskern die<br />
Lahn entlang, vorbei an Weinbergen<br />
und vielen Fachwerkhäusern.<br />
Im Rückspiegel wird die gut 100<br />
Meter über dem Fluss liegende Burg<br />
Nassau immer kleiner. So romantisch<br />
sieht es bei MEN nicht aus. Das Werksgelände<br />
versprüht den Charme der<br />
1950er und 1960er Jahre — die<br />
Metallwerk Elisenhütte Nassau wurde<br />
1957 gegründet. Natürlich wäre damals<br />
ebensowenig wie heute jemand<br />
auf die Idee gekommen, eine gläserne<br />
Fabrik an die Lahn zu bauen, wie es<br />
vor zehn Jahren Volkswagen in Dresden<br />
machte. Wenn der Besucher auf<br />
den Hof einbiegt, fährt er auf ein<br />
außen schlichtes Verwaltungsgebäude<br />
zu. Die Maschinen für die Hülsen-, Geschoss-<br />
und Patronenfertigung rattern<br />
in ebenso schmucklosen Flachbauten.<br />
Doch für Innovationen braucht man<br />
keine Protzbauten. Das 1990 privatisierte,<br />
von MAN gekaufte Unternehmen<br />
punktete immer wieder mit<br />
erfolgreichen Entwicklungen wie der<br />
Polizeipatrone Quick Defence (QD).<br />
Über Jahrzehnte rollten hier Millionen<br />
Patronen für die Polizei und die Bundeswehr<br />
aus den Hallen. Die Auftragsbücher<br />
waren voll, wohl niemand in<br />
dem ehemaligen Staatsbetrieb machte<br />
sich Sorgen um die Zukunft. Doch<br />
2009 gab es für die Mitarbeiter<br />
einen Schock: Die Nassauer Firma<br />
schrammte nur knapp an der Insolvenz<br />
vorbei, für MEN ging es plötzlich<br />
ums wirtschaftliche Überleben. Die alte<br />
Führung nahm ihren Hut, zwei neue<br />
Männer rückten als Geschäftsführer<br />
an die Spitze: Hermann Mayer kümmert<br />
sich um technische Angelegenheiten,<br />
Martin Dettmer um den kaufmännischen<br />
Bereich. Anfang 2010 einigte<br />
sich das Unternehmen mit der IG<br />
Metall dann auf einen neuen Tarifvertrag.<br />
Die Mitarbeiter stimmten Mehrarbeit<br />
und Lohnverzicht zu, die Firma<br />
versprach eine vierjährige Jobgarantie<br />
und Investitionen in Millionenhöhe.<br />
Offenbar die richtige Strategie. Jedenfalls<br />
schrieben die Nassauer im vorvergangenen<br />
Jahr wieder schwarze<br />
Zahlen und verbuchten im vergangenen<br />
einen Umsatz von etwa 66 Millionen<br />
Euro. Heute beschäftigt MEN 280<br />
Mitarbeiter — mehr als vor der Krise,<br />
doppelt so viele wie noch vor vier Jahren.<br />
Die Zukunft hatte für das Metallwerk<br />
Elisenhütte allerdings schon<br />
2007 begonnen, als die brasilianische<br />
CBC- Gruppe den Betrieb übernahm.<br />
Seitdem gehört MEN zu „Magtech<br />
Europe GmbH“ — einer Finanzholding.<br />
In der Branche orakelte so mancher,<br />
dass die brasilianische Muttergesellschaft<br />
Schuld an der Beinahe-<br />
Insolvenz gewesen sei. Zu weit weg,<br />
kein ehrliches Interesse an der Firma,<br />
sondern nur an derem Know-how,<br />
meinten die Schwarzseher. „Stimmt<br />
nicht“, sagt Geschäftsführer Martin<br />
Dettmer. „MEN hatte leider auch vor<br />
2009 schon fünf Jahre Verluste gemacht,<br />
und CBC brauchte nach der<br />
Übernahme einfach eine Weile, um<br />
sich in Deutschland zu orientieren. Die<br />
Probleme lagen woanders.“ Der<br />
gelernte Diplomwirtschaftsingenieur<br />
kommt aus einer anderen Branche,<br />
hat zwölf Jahre in Großbritannien, Polen<br />
und der Ukraine gearbeitet und<br />
seine eigene Sicht auf Dinge: „Die<br />
meisten unserer Produkte sind austauschbar,<br />
deshalb können Hersteller<br />
sie aus fast jedem Land liefern — sie<br />
müssen nur den NATO-Standard erreichen<br />
und deutschen Qualitätsan-<br />
MEN-Kurzporträt<br />
Das Metallwerk Elisenhütte Nassau<br />
(MEN) produziert ausschließlich Munition<br />
für staatliche Stellen. Etwa 90 Prozent<br />
der Militärpatronen gehen an die<br />
Bundeswehr. Den Marktanteil deutsche<br />
Polizeien und Behörden schätzte MEN<br />
gegenüber VISIER auf zirka 50 Prozent.<br />
Zu den Kunden gehören unten anderem<br />
die Ordnungshüter in Skandinavien<br />
und die französische Armee. Seit einigen<br />
Jahren unterhält die Firma auch Geschäftsbeziehungen<br />
zu Japan. MEN<br />
stellt unter anderem im Kaliber 9mm<br />
Para die für die deutsche Polizei zertifizierte<br />
Polizeieinsatzpatrone (PEP) sowie<br />
die Polizeitrainingspatronen PTP, PFP<br />
(rückprallfrei) und MSR (Vollmantelweichkern)<br />
her. Im Langwaffenbereich<br />
konzentrieren sich die Nassauer auf die<br />
Kaliber .223 Rem., .308 Win., .50 BMG,<br />
.300 WinMag und .338 Lapua Magnum.<br />
Die „Sniperline“ richtet sich an<br />
Präzisionsschützen. Neu im Programm:<br />
PDW-Munition 4,6 x 30 mm.<br />
Info: www.men-defencetec.de<br />
forderungen entsprechen. Wir konkurrieren<br />
mit weltweit agierenden Firmen<br />
aus den USA, Israel, der Türkei, Südkorea,<br />
Italien und der Schweiz — MEN<br />
ist im Vergleich ein eher kleiner Betrieb.<br />
Wir brauchen also nicht nur<br />
gleichbleibende Qualität, wir müssen<br />
auch preislich mit allen anderen mithalten.<br />
Gehälter wie in Südkorea will<br />
hier niemand. Wir müssen deshalb mit<br />
Innovationen die Produk- tionskosten<br />
senken. Auch aus dem Grund, weil die<br />
Rohstoffpreise stark schwanken und<br />
sich in den vergangenen Jahren teilweise<br />
vervierfacht haben. Für jeden<br />
Munitionsproduzenten bedeutet schon<br />
das ein hohes wirtschaftliches Risiko.“<br />
VISIER | 3-2012 139
März 2012<br />
VORSCHAU – Ausgabe 4-2012: ab 23. März im Handel<br />
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Voeres in Leichtbauweise hergestellte LBM-Reihe bietet auch eine auf Match getrimmte<br />
Marksman-Variante. VISIER testete sie auf 100 und 300 Meter Distanz.<br />
Olympischen Spielen: Vergleichstest der besten Match-Luftpistolen<br />
Vier Monate vor den<br />
Pulverbeschichtet, lackiert<br />
oder eloxiert – es gibt viele Beschichtungen, die Waffen vor Rost schützen sollen. VISIER gibt<br />
einen Überblick und erklärt die Vor- und Nachteile.<br />
Außerdem, im SWM<br />
(nur in VISIER XXL für Abonnenten): Eine Parabellum aus dem Jahr 1915 ohne<br />
Abnahmestempel, aber mit Ordonnanz-Etui. Sammlerwaffe oder Fälschung?<br />
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Erhältlich bei Ihrem Zeitschriften-, Bahnhofs- oder Waffenfachhändler.<br />
Oder beim Presse-Fachhandel mit diesem Zeichen und – noch schneller –<br />
im Abo: Telefon (02603) 5060-102<br />
Redaktion:<br />
Telefon: +49 (0)2603/5060-201<br />
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