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Karies- und Zahnsteinbefall zu Beginn des 19. Jahrhunderts ...

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Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

<strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Untersuchungen anhand von 250 Schädeln aus dem ehemaligen Friedhof<br />

St. Johann <strong>des</strong> Bürgerspitals Basel 1<br />

René Krummenacher<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung<br />

1.1. Historischer Aspekt<br />

1.2. Ernährungsaspekte<br />

1.3. Zahnärztlicher Aspekt <strong>und</strong> Ziel der Untersuchung<br />

2. Material <strong>und</strong> Methode<br />

2.1. Stichprobe <strong>und</strong> Altersbestimmung der Schädel<br />

2.2. Zahnstatus<br />

2.3. Zahnstein<br />

2.3.1. Bildliche Darstellung der Zahnsteinbewertung<br />

2.3.2. Histologische Darstellung <strong>des</strong> Zahnsteins<br />

2.4. Zahnkaries<br />

2.4.1. Reproduzierbarkeit der <strong>Karies</strong>erhebungen<br />

2.4.2. Statistische Auswertung<br />

2.4.3. Bildliche <strong>und</strong> histologische Darstellung der <strong>Karies</strong>bewertung<br />

2.4.4. Auswertung der bildlichen <strong>und</strong> histologischen Darstellung der <strong>Karies</strong>bewertung<br />

2.4.5. Bef<strong>und</strong>blatt der <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> Zahnsteinerhebung<br />

3. Resultate<br />

3.1. Allgemeines<br />

3.2. <strong>Zahnsteinbefall</strong><br />

3.3. <strong>Karies</strong>befall<br />

4. Diskussion<br />

4.1. Zahnstein<br />

4.2. <strong>Karies</strong>befall<br />

5. Zusammenfassung<br />

6. Literaturverzeichnis<br />

7. Verdankungen<br />

Anhang<br />

1 Inauguraldissertation der Medizinischen Fakultät der Universität Basel <strong>zu</strong>r Erlangung der Doktorwürde der<br />

Zahnheilk<strong>und</strong>e, vorgelegt von René Krummenacher von Escholzmatt, Luzern.<br />

Von der Medizinischen Fakultät der Universität Basel genehmigt auf Antrag von Prof. Dr. K. H. Rateitschak.<br />

Tag der Promotion: 27.2.1992.<br />

23


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

1. Einleitung<br />

1.1. Historischer Aspekt<br />

Bei Geländeveränderungen auf dem ehemaligen Areal der Basler Stadtgärtnerei am linken<br />

Rheinufer stiess man im Sommer 1988 auf zahlreiche menschliche Grabstätten. Die archäologische<br />

Bodenforschung der Stadt Basel (R. d'Aujourd'hui) entschloss sich, <strong>zu</strong>sammen mit<br />

dem Seminar für Ur- <strong>und</strong> Frühgeschichte, Anthropologie der Universität Basel (Hu. F. Etter)<br />

das Gelände vor seiner Umgestaltung <strong>zu</strong> einem Volkspark sorgfältig aus<strong>zu</strong>graben.<br />

Auf diesem Areal lag seit 1844 der „Äussere St. Johann Gottesacker“, der aber nur bis 1869<br />

als Spitalfriedhof genutzt wurde. Vorher diente es - unmittelbar ausserhalb der Stadtmauer -<br />

als Rebacker. Nach 1869 wurde darauf die städtische Pflanzschule eingerichtet, die 1886 <strong>zu</strong>r<br />

Stadtgärtnerei wurde.<br />

Die kurze Nut<strong>zu</strong>ng <strong>des</strong> Friedhofs während nur 24 Jahren bot die einmalige Gelegenheit, an<br />

nur ein bis zwei Generationen von Menschen anthropologische Untersuchungen durch<strong>zu</strong>führen.<br />

Der Friedhof diente dem Spital <strong>und</strong> Pfr<strong>und</strong>haus. Es erstaunt <strong>des</strong>halb nicht, dass hier keine<br />

Kinder beerdigt wurden. Damals war es in Basel auch nicht üblich, Kinder im Spital medizinisch<br />

<strong>zu</strong> betreuen. Nur wenige Individuen waren jünger als 20 Jahre. Im heiratsfähigen Alter<br />

starben mehr Frauen als Männer. Dies dürfte in Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt<br />

<strong>und</strong> Kindbett gestanden haben.<br />

Bei den über 40-jährigen nahm die Zahl der verstorbenen Frauen <strong>und</strong> Männer rasch <strong>zu</strong>. Das<br />

häufigste Sterbejahrzehnt war das siebte. Die mittlere Lebenserwartung betrug damals ca. 50<br />

Jahre (Etter 1988).<br />

An krankhaften Veränderungen konnten teilweise extrem starke Arthrosen an Händen <strong>und</strong><br />

Füssen, aber auch an Schulter- <strong>und</strong> Hüftgelenken beobachtet werden. Besonders von degenerativen<br />

Abnüt<strong>zu</strong>ngsprozessen befallen waren aber die Wirbelsäulen bis hin <strong>zu</strong> Einbrüchen<br />

einzelner Wirbel. Auch Verlet<strong>zu</strong>ngen <strong>und</strong> Verkrümmungen von Wirbelsäulenabschnitten<br />

wurden beobachtet. Stark gebogene Langknochen wiesen in mehreren Fällen auf Vitamin D-<br />

Mangel (Rachitis) im Kin<strong>des</strong>alter hin.<br />

Es ist unklar ob Zahnersatz vor der Bestattung abgenommen wurde. Jedenfalls hatten nur wenige<br />

Gebissprothesen. Eine Porzellankrone, auf der Vorderseite glasiert, steckte mit einem<br />

Goldstift im Wurzelkanal eines oberen Schneidezahnes. An einer Metallplatte, die an zwei<br />

Prämolaren verankert war, wurde an der Frontseite die Krone eines künstlichen Schneidezahnes<br />

befestigt. Nur Frauen trugen solche Prothesen. Offensichtlich ging es mehr um einen ästhetischen<br />

als um einen funktionellen Zahnersatz.<br />

An zahlreichen Skeletten war der Hirnschädel mit einem Kreisschnitt eröffnet worden. Andere<br />

zeigten Schnittflächen an Knie-, Hüft- <strong>und</strong> Schultergelenken. Diese Bef<strong>und</strong>e belegen,<br />

dass an den Leichen aus dem Spital, das ab 1864 auch Universitätsspital war, anatomisch-pathologische<br />

Untersuchungen durchgeführt worden waren. Carl Gustav Jung, der Grossvater<br />

<strong>des</strong> bedeutenden Psychiaters <strong>und</strong> Psychologen gleichen Namens, hatte diese Untersuchungen<br />

durchgeführt.<br />

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Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

1.2. Ernährungsaspekte<br />

Obwohl 1781 der Spitalmedikus <strong>und</strong> Chirurgus H. R. Stählin eine spezielle Verpflegung für<br />

verschiedene Krankheitsbilder forderte, wurde allen Spitalinsassen, ungeachtet ihres Leidens,<br />

noch während vielen Jahren die gleiche Kost aufgetischt. Im Pfr<strong>und</strong>haus wurde die Verpflegung<br />

eines Pfründers durch <strong>des</strong>sen sozialen Status beim Einkauf diktiert. In der aufschlussreichen<br />

Dissertation von A. Zehnder (1938) werden drei soziale Schichten aufgeführt: Die gemeinen<br />

Pfründer, die mittleren Pfründer <strong>und</strong> die oberen Pfründer. Letztere assen am Tisch <strong>des</strong><br />

Spitalmeisters <strong>und</strong> unterstanden keiner bestimmten Speiseordnung. Die beiden anderen Klassen<br />

wurden in ihrer Verpflegung deutlich voneinander getrennt, indem die gemeinen Pfründer<br />

abends, ausser samstags, kein Fleisch bekamen. Die mittleren Pfründer hingegen erhielten am<br />

Abend, ausser dienstags <strong>und</strong> donnerstags, Fleischkost vorgesetzt.<br />

1851 trat eine umfassende Änderung in der Speiseordnung in Kraft. Am Morgen gab es statt<br />

der seit Jahrh<strong>und</strong>erten traditionellen Suppe erstmals eine Portion Kaffee mit Milch <strong>und</strong> Zucker.<br />

Kaffee wurde auch nachmittags um 15.00 Uhr als Zwischenmahlzeit serviert. Dies war<br />

das erste Mal, dass Kaffee mit Milch <strong>und</strong> Zucker in die Spitalkost aufgenommen wurde.<br />

Diese Nahrungsmittel mussten im ausgehenden 18. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

als ausgesprochene Delikatessen betrachtet werden. Raffinierter Zucker wurde in<br />

Basel in der Mitte <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts eingeführt. Stärkehaltige Nahrungsmittel stellten <strong>zu</strong><br />

jener Zeit den wichtigsten Bestandteil <strong>des</strong> Speisezettels dar. Die Spitalnahrung setzte sich<br />

hauptsächlich wie folgt <strong>zu</strong>sammen: Suppe, Brot, Gemüse (Sauerkraut, saure Rüben, Bohnen,<br />

Zwiebeln, Erbsen), Reis, Kartoffeln, Gerste, Hafergrütze, Kutteln, Rind- <strong>und</strong> Schweinefleisch<br />

sowie Kalbsbraten (nur für mittlere Pfründer).<br />

Die Berufe der im Spital Verstorbenen bestätigen, dass sich nur sozial niedere Schichten in<br />

die Obhut <strong>des</strong> Spitals <strong>und</strong> <strong>des</strong> Pfr<strong>und</strong>hauses begaben. Es waren Mägde, Hilfsarbeiter, Hilfsschreiner,<br />

Handlanger, Hilfszimmerleute etc. Viele kamen aus den umliegenden Dörfern in<br />

die Stadt. Die Verwandten blieben weg von der Stadt, so dass die Insassen niemanden hatten,<br />

der sie besuchte.<br />

1.3. Zahnärztlicher Aspekt <strong>und</strong> Ziel der Untersuchung<br />

Zähne <strong>und</strong> Knochen, aber auch Zahnstein als verkalkte Plaque, bleiben nach dem Tode bei<br />

geeigneten Bodenbedingungen ohne wesentliche Strukturveränderungen Jahrh<strong>und</strong>erte, ja<br />

selbst Jahrtausende, erhalten. Deshalb können Zahnkaries <strong>und</strong> Zahnstein, die <strong>zu</strong> Lebzeiten im<br />

Gebiss eines Menschen Spuren hinterlassen haben, über lange Zeiträume nachgewiesen werden.<br />

Eine grössere Zahl von Untersuchungen über den Gebiss<strong>zu</strong>stand der Bevölkerung aus<br />

dem Mittelalter wurde publiziert (Stern 1926, Steiner 1977/78, Wiederkehr et al. 1982).<br />

Zahnmedizinische Untersuchungen aus dem <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert sind aber bisher nicht bekannt<br />

geworden.<br />

Heute gehört die <strong>Karies</strong> <strong>zu</strong> den am weitesten verbreiteten Krankheiten <strong>des</strong> Menschen<br />

(Lamezan & Rateitschak 1988). Will man sich ein Bild über die geschichtliche Entwicklung<br />

dieses Leidens machen, so ist man auf <strong>des</strong>kriptiv-epidemiologische Untersuchungen aus der<br />

Vergangenheit angewiesen. Die Ausgrabungen auf dem „Äusseren St. Johann-Gottesacker“<br />

vermitteln Information über Morbidität <strong>und</strong> Prävalenz <strong>des</strong> <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong>s bei<br />

15-87 Jahre alten Insassen eines Basler Pfr<strong>und</strong>hauses im <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

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Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

2. Material <strong>und</strong> Methode<br />

In der vorliegenden Studie wurden 250 Schädel mit vollständiger oder teilweiser Bezahnung<br />

untersucht (Tab. 1). Zahnlose Schädel wurden bei der Hebung ebenfalls registriert. Sie wurden<br />

aber nicht in diese Analyse mit einbezogen.<br />

2.1. Stichprobe <strong>und</strong> Altersbestimmung der Schädel<br />

Von den 1061 ausgegrabenen Individuen wurden 250 der am besten erhaltenen Schädel untersucht.<br />

Die Integrität von Maxilla oder/<strong>und</strong> Mandibula war einziges Selektionskriterium.<br />

Das Sterbealter der Individuen konnte anhand der Grabnummern <strong>und</strong> <strong>des</strong> Sterberegisters <strong>des</strong><br />

Spitals genau bestimmt werden (Gräberverzeichnis, StaBS; Sterberegister, StaBS). Von den<br />

meisten Verstorbenen waren auch Name <strong>und</strong> Beruf sowie das allgemeinmedizinische<br />

Krankheitsbild bekannt (Sterberegister, StaBS; Krankengeschichten, StaBS).<br />

2.2. Zahnstatus<br />

Für die Registrierung <strong>des</strong> Zahnstatus kamen folgende Definitionen <strong>zu</strong>r Anwendung:<br />

Status 0<br />

Status 1<br />

Status 2<br />

Status 3<br />

Status 4<br />

Zähne, die nicht vorhanden sind, Ursache für den Verlust ist nicht bekannt<br />

Vorhandene <strong>und</strong> bewertete Zähne<br />

Vorhandene, aber nicht bewertbare Zähne<br />

fehlende Zähne, die intra vitam verloren gingen (Anzeichen knöcherner<br />

W<strong>und</strong>heilung)<br />

Zähne, die während der Ausgrabung verloren gingen<br />

2.3. Zahnstein<br />

Zur Darstellung <strong>des</strong> Zahnsteins mussten die Zahnflächen sorgfältig vom anhaftenden Schmutz<br />

befreit werden. Nach der Reinigung wurde jeder Zahn von mesial, oral, distal <strong>und</strong> fazial her<br />

bewertet. Jede Zahnfläche erhielt zwei Wertungen eine für koronal der Schmelz-Zement-<br />

Grenze (SZG) gelegenen Zahnstein <strong>und</strong> eine für Zahnstein, der apikal davon haftete. Folgende<br />

Graduierung wurde verwendet:<br />

Gradeinteilung<br />

Grad 0<br />

Grad 1<br />

Grad 2<br />

Grad 3<br />

Die <strong>zu</strong> bewertende Fläche war frei von Zahnsteinbelag.<br />

Die <strong>zu</strong> bewertende Fläche war von einem Zahnsteinsaum belegt, <strong>des</strong>sen<br />

vertikale Ausdehnung 1 mm nicht überschritt.<br />

Die <strong>zu</strong> bewertende Fläche war von einer Zahnsteinschicht bedeckt, die in ihrer<br />

grössten, vertikalen Ausdehnung kleiner als 3 mm, aber grösser als 1 mm war.<br />

Die <strong>zu</strong> bewertende Fläche war von einer Zahnsteinschicht bedeckt, die in ihrer<br />

grössten, vertikalen Ausdehnung grösser als 3 mm war.<br />

An jedem Zahn wurden demnach 8 Messungen durchgeführt. Das genaue Vorgehen bei der<br />

Bewertung der einzelnen Zahnflächen ist im folgenden bildlich dargestellt:<br />

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Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

2.3.1. Bildliche Darstellung der Zahnsteinbewertung<br />

In den Abbildungen 1-3 wird die Beurteilung <strong>des</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong>s am Zahn 36 dargestellt.<br />

Die gepunktete Linie gibt die Schmelz-Zementgrenze an. Die ausgezogenen Linien grenzen<br />

die <strong>zu</strong> bewertenden Flächen apikal <strong>und</strong> koronal der Schmelz-Zementgrenze ab.<br />

Abb. 1. 36, Ansicht distal.<br />

Bewertung distal koronal: Die <strong>zu</strong> bewertende Fläche ist von einem Zahnsteinsaum belegt, <strong>des</strong>sen<br />

vertikale Ausdehnung 1 mm nicht überschreitet. dk = 1<br />

Bewertung distal apikal: Die <strong>zu</strong> bewertende Fläche ist von einer Zahnsteinschicht bedeckt, die im<br />

disto-lingualen Bereich in ihrer vertikalen Ausdehnung grösser als 3 mm ist. da = 3<br />

Abb. 2. 36, Ansicht lingual (links), mesial (rechts).<br />

Bewertung lingual koronal: Die <strong>zu</strong> bewertende Fläche ist mit Zahnstein bedeckt, <strong>des</strong>sen vertikale<br />

Ausdehnung im linguo-mesialen Bereich grösser als 3 mm ist. Ik = 3<br />

Bewertung lingual apikal: la = 3<br />

Bewertung mesial koronal: mk = 3<br />

Bewertung mesial apikal: ma = 3<br />

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Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Abb. 3. 36, Ansicht bukkal.<br />

Bewertung bukkal koronal: Die <strong>zu</strong> bewertende Fläche ist von einer Zahnsteinschicht bedeckt, die in<br />

ihrer vertikalen Ausdehnung kleiner als 3 mm ist. bk = 2<br />

Bewertung bukkal apikal: ba = 3<br />

Im Status resultiert für 36 somit folgende Bewertung:<br />

Status dk da lk la mk ma bk ba<br />

36 1 3 3 3 3 3 2 3<br />

2.3.2. Histologische Darstellung <strong>des</strong> Zahnsteins<br />

Auf eine Auswertung <strong>des</strong> Zahnsteins in seiner horizontalen Ausdehnung wurde verzichtet.<br />

Der histologische Schliff in Abb. 5 zeigt eine linguale Zahnstein<strong>zu</strong>nge am Zahn 41 mit einer<br />

Dicke von 2,8 mm. Es wurden linguale Zahnstein<strong>zu</strong>ngen im Bereich der UK Front (lingual)<br />

von über 5 mm Dicke gef<strong>und</strong>en.<br />

Abb. 4. 41, mesiale Ansicht<br />

Abb. 5. 41, mesiale Ansicht<br />

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Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

2.4. Zahnkaries<br />

Die Zähne wurden mit einer trockenen Zahnbürste gründlich gereinigt, so dass auch initiale<br />

Läsionen klar erkennbar wurden. Die Untersuchung erfolgte mit einer zahnärztlichen Sonde<br />

(GS 5) bei künstlicher Beleuchtung. Bis auf die Molaren <strong>und</strong> ersten Prämolaren im Oberkiefer<br />

liessen sich die meisten Zähne aus ihren Alveolen herausluxieren. Dadurch konnten auch Approximalflächen<br />

gut eingesehen <strong>und</strong> unter direkter Sicht bewertet werden. Auf die Anfertigung<br />

von Röntgenbildern, weiche die Diagnostik approximaler Läsionen unterstützt hätten,<br />

wurde <strong>des</strong>halb verzichtet. Jeder Zahn wurde mesial, oral, distal, bukkal <strong>und</strong> okklusal mit der<br />

Sonde abgetastet.<br />

Die Beurteilung der <strong>Karies</strong>läsionen erfolgte nach WHO Kriterien (WHO 1988). Dies erlaubte<br />

einen direkten Vergleich mit modernem Datenmaterial. Folgende Kriterien kamen <strong>zu</strong>r Anwendung:<br />

Grad 0:<br />

Grad 1:<br />

Grad 2:<br />

Grad 3:<br />

Grad 4:<br />

Grad 5:<br />

ges<strong>und</strong>e Zahnoberfläche oder Fissur.<br />

initiale <strong>Karies</strong>. Kein sichtbarer Substanzverlust in Fissuren oder Grübchen, nur<br />

Verfärbung oder Entfärbung (Entkalkung). Auf Glattflächen können<br />

Rauhigkeiten <strong>und</strong> Porositäten sondiert werden. Kreidefleck ohne Brillanz.<br />

Demineralisation unmittelbar unter einer klinisch intakten Oberfläche.<br />

Schmelzkaries. Demineralisation in Fissuren <strong>und</strong> Grübchen führt <strong>zu</strong>m Hängenbleiben<br />

der Sonde (sticky fissure). Auf Glattflächen ist die Läsion als Substanzverlust<br />

erkennbar. Er beschränkt sich auf den Schmelz.<br />

Dentinkaries. Der Läsionenboden ist erweicht, die Sonde dringt ins Dentin ein.<br />

Läsion mit Ausdehnung bis in die Pulpenkammer.<br />

Zerstörung <strong>des</strong> Zahnes bis <strong>zu</strong>r SZG (entspricht nicht der WHO-Graduierung).<br />

2.4.1. Reproduzierbarkeit der <strong>Karies</strong>erhebungen<br />

Die Reproduzierbarkeit der Messungen wurde mit Hilfe der Kappa Statistik überprüft. Kappa<br />

berechnet den Anteil echter Übereinstimmung bei der Beurteilung eines Kriteriums im Vergleich<br />

<strong>zu</strong>m Ausmass der Übereinstimmung, das aufgr<strong>und</strong> von Zufall <strong>zu</strong> erwarten wäre.<br />

2.4.2 Statistische Auswertung<br />

Die erhobenen Daten wurden auf speziellen Blättern registriert (Anhang) <strong>und</strong> <strong>zu</strong> einem späteren<br />

Zeitpunkt auf eine elektronische Datenbank übertragen. Die Altersspanne der untersuchten<br />

Schädel umfasste 15-87 Jahre.<br />

Dieser grosse Bereich liess eine Unterteilung in drei etwa gleichstarke Gruppen wünschenswert<br />

erscheinen (Tab. 1). Die Auswertung der Bef<strong>und</strong>e erfolgte mit Methoden, die in der <strong>Karies</strong>epidemiologie<br />

üblich sind (Marthaler 1965). Es wurden Mittelwerte <strong>und</strong> Standardabweichungen<br />

in einigen Fällen auch Vertrauensintervalle (95 % Vb) berechnet.<br />

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Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

2.4.3. Bildliche <strong>und</strong> histologische Darstellung der <strong>Karies</strong>bewertung<br />

Aus zehn Schädeln wurden 25 Zähne isoliert. Jeder Zahn wurde nach der WHO Gradeinteilung<br />

bewertet <strong>und</strong> anschliessend histologisch im Schliffpräparat dargestellt. Folgende Gegenüberstellung<br />

zeigt 11 Zähne, bei denen links die <strong>zu</strong> bewertende Fläche photographisch dokumentiert<br />

wurde, <strong>und</strong> rechts den gleichen Zahn im histologischen Schliffpräparat.<br />

Abb. 6. 27, Ansicht okklusal. Grad 0.<br />

Abb. 7. 27, Ansicht okklusal. Grad 0.<br />

Abb. 8. 17, Ansicht okklusal. Grad 1.<br />

Abb. 9. 17, Ansicht okklusal. Grad 1.<br />

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Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Abb. 10. 36, Ansicht okklusal. Grad 2.<br />

Abb. 11. 36, Ansicht okklusal. Grad 2.<br />

Abb. 12. 16, Ansicht okklusal. Grad 3.<br />

Abb. 13. 16, Ansicht okklusal. Grad 3.<br />

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Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Abb. 14. 26, Ansicht okklusal. Grad 4.<br />

Abb. 15. 26, Ansicht okklusal. Grad 4.<br />

Abb. 16. 11, Ansicht distal. Grad 0.<br />

Abb. 17. 11, Ansicht distal. Grad 0.<br />

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Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Abb. 18. 45, Ansicht mesial. Grad 1.<br />

Abb. <strong>19.</strong> 45, Ansicht mesial. Grad 1.<br />

Abb. 20. 26, Ansicht distal. Grad 2.<br />

Abb. 21. 26, Ansicht distal. Grad 2.<br />

33


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Abb. 22. 31, Ansicht distal. Grad 3.<br />

Abb. 23. 31, Ansicht distal. Grad 3.<br />

Abb. 24. 43, Ansicht bukkal. Grad 4.<br />

Abb. 25. 43, Ansicht bukkal. Grad 4.<br />

34


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Abb. 26. 36, Ansicht okklusal. Grad 5. Abb. 27. 36, Ansicht okklusal. Grad 5.<br />

2.4.4. Auswertung der bildlichen <strong>und</strong> histologischen Darstellung der <strong>Karies</strong>bewertung<br />

Aus der Darstellung geht hervor, dass die klinische Beurteilung das effektive, histopathologisch<br />

erkennbare Ausmass im allgemeinen unterschätzt.<br />

35


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

2.2.5 Bef<strong>und</strong>blatt der <strong>Karies</strong> <strong>und</strong> Zahnsteinerhebung<br />

Patientenalter:<br />

Patientennummer:<br />

Untersuchnummer:<br />

Alter:<br />

< 15 15-25 25-35 35-45 45-55 > 55<br />

<strong>Karies</strong>-Bef<strong>und</strong><br />

Zahnstein-Bef<strong>und</strong><br />

M B D O<br />

ST O M B D P ST › fl › fl › fl › fl<br />

18 18<br />

17 17<br />

16 16<br />

15 15<br />

14 14<br />

13 13<br />

12 12<br />

11 11<br />

21 21<br />

22 22<br />

23 23<br />

24 24<br />

25 25<br />

26 26<br />

27 27<br />

28 28<br />

38 38<br />

37 37<br />

36 36<br />

35 35<br />

34 34<br />

33 33<br />

32 32<br />

31 31<br />

41 41<br />

42 42<br />

43 43<br />

44 44<br />

45 45<br />

46 46<br />

47 47<br />

48 48<br />

Bemerkungen:<br />

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Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

3. Resultate<br />

3.1. Allgemeines<br />

250 bezahnte Schädel wurden gehoben <strong>und</strong> 3 etwa gleichgrossen Altersgruppen (15-29<br />

Jahre, 30-44 Jahre, 45+ Jahre) <strong>zu</strong>geteilt. Zahnlose UK oder OK waren in Altersgruppe I <strong>und</strong> II<br />

selten (2.9% bzw. 6.3%), in Altersgruppe III hingegen häufig (27.4%). Im UK wurden mehr<br />

bewertbare Zähne (2549) gef<strong>und</strong>en als im OK (2039). Die Links-/Rechtssymmetrie war gut<br />

erhalten (Tab. 2). Die Anzahl bewertbarer Zähne nahm mit <strong>zu</strong>nehmendem Alter ab, während<br />

die Anzahl extrahierter Zähne im gleichen Umfang <strong>zu</strong>nahm (Tab. 3). Die durchschnittliche<br />

Anzahl post mortem verlorener Zähne pro Gebiss (Status 4) unterschied sich zwischen den<br />

Altersgruppen statistisch nicht signifikant (p > 0.05, ANOVA).<br />

Tab. 1. Altersstruktur <strong>und</strong> Anzahl der untersuchten Schädel, sowie Anzahl der bezahnten Kieferhälften.<br />

Altersgruppen I II III Total<br />

Altersintervall (Jahre) 15-29 30-44 45-87 15-87<br />

Altersmittelwert (Jahre) 35.3 57.7 38.8<br />

Schädel (n) 86 23.5 250<br />

OK bezahnt (n) 83 74 53 210<br />

UK bezahnt (n) 84 76 69 229<br />

Tab. 2. Verteilung der Zähne auf die einzelnen Quadranten.<br />

Quadrant A B C<br />

1. Quadrant 1045 77 878<br />

2. Quadrant 994 93 9 13<br />

3. Quadrant 1266 80 654<br />

4. Quadrant 1283 82 635<br />

TOTAL UK + OK 4588 332 3080<br />

A = bewertete Zähne<br />

B = vorhandene, aber nicht bewertbare Zähne<br />

C = nicht vorhandene Zähne<br />

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Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Tab. 3. Durchschnittliche Anzahl Zähne (± SD), die Status 0,1,2,3 oder 4 <strong>zu</strong>geordnet wurden.<br />

Angaben für OK <strong>und</strong> UK getrennt.<br />

OK<br />

I<br />

n = 83<br />

II<br />

n = 74<br />

III<br />

n = 53<br />

x SD x SD x SD<br />

Status 0 1.58 3.42 2.11 3.89 4.63 5.78<br />

Status 1 12.29 4.04<br />

†<br />

10 4.77 5.13 4.89<br />

Status 2 0.25 1.26 0.11 0.38 0.08 0.47<br />

Status 3 0.45 0.83 2.15 2.96 4.91 4.89<br />

Status 4 1.43 2.12 1.63 1.84 1.25 1.99<br />

Total Zahnflächen 16 16 16<br />

UK<br />

I<br />

n = 84<br />

II<br />

n = 76<br />

III<br />

n = 69<br />

x SD x SD x SD<br />

Status 0 0.70 2.03 1 .03 1.99 1 .77 2.15<br />

Status 1 12.95 3.55 12.56 2.88 7.53 4.59<br />

Status 2 0.59 2.26 0.10 0.37 0.09 0.33<br />

Status 3 0.98 1.26 1.48 1.69 5.53 4.32<br />

Status 4 0.78 1.26 0.83 1.39 1.08 1.73<br />

Total Zahnflächen 16 16 16<br />

38


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Tab. 4. Durchschnittliche Anzahl Zähne (± SD), die Status 0,1,2,3 oder 4 <strong>zu</strong>geordnet wurden.<br />

OK + UK<br />

I<br />

n = 86<br />

II<br />

n = 80<br />

III<br />

n = 84<br />

x SD x SD x SD<br />

Status 0 2.29 4.13 3.15 4.81 6.40 6.47<br />

Status 1 25.24 6.35 22.56 6.47 12.66 8.68<br />

Status 2 0.84 3.28 0.21 0.58 0.17 o.e6<br />

Status 3 1.44 1.83 3.63 4.06 10.45 7.38<br />

Status 4 2.19 2.83 2.45 2.42 2.32 2.97<br />

Total Zahnflächen 32 32 32<br />

35<br />

30<br />

25<br />

Total Zähne<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

I II III<br />

Altersgruppe<br />

Status 2+3 Status 1 Status 0 Status 4<br />

Abb. 28. Graphische Darstellung der Daten aus Tabelle 4.<br />

3.2. <strong>Zahnsteinbefall</strong><br />

An fast allen Zähnen lag Zahnstein in mehr oder weniger starkem Ausmass vor. Als typische<br />

Lokalisation fielen die ersten Molaren im OK <strong>und</strong> das anteriore Zahnsegment im UK auf. Die<br />

Schmelz-Zement-Grenze (SZG) wurde als Scheidelinie zwischen koronalem <strong>und</strong> apikalem<br />

Zahnstein bezeichnet. Koronaler Zahnstein war bei jüngeren Schädeln stärker ausgebildet als<br />

bei alten Schädeln (Tab. 5 <strong>und</strong> 6). Der absolut stärkste <strong>Zahnsteinbefall</strong> wurde apikal im anterioren<br />

UK-Bereich beobachtet. Ältere Schädel wiesen statistisch signifikant (p < 0.05,<br />

ANOVA) mehr apikalen Zahnstein auf als Schädel der jüngeren Altersgruppen.<br />

39


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Tab. 5. Durchschnittlicher apikaler <strong>und</strong> koronaler <strong>Zahnsteinbefall</strong> ausgedrückt in Anzahl befallener<br />

Flächen pro Zahn. Die Zähne wurden in Zahngruppen <strong>zu</strong>sammengefasst.<br />

OK koronal<br />

I<br />

n=83<br />

II<br />

n = 74<br />

III<br />

n = 53<br />

OK apikal<br />

I<br />

n = 83<br />

II<br />

n = 74<br />

III<br />

n = 53<br />

1817 K 0.94 1.17 0.44 1817 A 0.27 0.62 0.50<br />

16 K 1.32 1.19 0.45 16 A 0.72 1.31 0.60<br />

1514 K 1.07 1.06 0.49 1514 A 0.25 0.68 0.70<br />

131211 K 1.06 1.12 0.54 131211 A 0.24 0.76 0.66<br />

232221 K 1.05 1.05 0.46 232221 A 0.21 0.58 0.57<br />

2524 K 1.19 1.06 0.43 2524 A 0.35 0.58 0.65<br />

26 K 1.31 1.38 0.49 26 A 0.67 1.32 0.74<br />

2827 K 0,78 0.92 0.35 2827 A 0.27 0.68 0.47<br />

UK koronal<br />

I<br />

n=84<br />

II<br />

n = 76<br />

III<br />

n = 69<br />

UK apikal<br />

I<br />

n = 84<br />

II<br />

n = 76<br />

III<br />

n = 69<br />

3837 K 0.88 1.16 0.48 3837 A 0.16 0.67 0.55<br />

36 K 1.27 0.05 0.25 36 A 0.20 1.04 0.64<br />

3534 K 1.43 1.62 0.75 3534 A 0.31 0.97 1.03<br />

333231 K 2.28 2.34 1.42 333231 A 0.78 1.47 1.41<br />

434241 K 2.27 2.16 1.27 434241 A 0.79 1.62 1.35<br />

4544 K 1.44 1.72 0.73 4544 A 0.31 0.92 0.79<br />

46 K 1.06 1.30 0.38 46 A 0.41 1.15 0.64<br />

4847 K 0.90 1.15 0.50 4847 A 0.17 0.64 0.69<br />

40


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Tab. 6. Koronaler <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>des</strong> OK aufgr<strong>und</strong> der Gradeinteilung. Die Ergebnisse stellen die<br />

durchschnittliche Anzahl Zahnflächen pro Zahn mit Befall Grad 0,1,2 oder 3 dar. (*signifikant<br />

verschieden von I + II (p < 0.05, ANOVA)).<br />

OK<br />

Koronaler Zahnstein<br />

I<br />

n = 83<br />

II<br />

n = 74<br />

III<br />

n = 53<br />

x SD x SD x SD<br />

Grad 0 2.42 0.82 2.17 0.94 2.64* 1.00<br />

Grad 1 1.35 0.71 1.43 0.74 0.93* 0.72<br />

Grad 2 0.18 0.22 0.26 0.42 0.24 0.47<br />

Grad 3 0.02 0.06 0.09 0.19 0.10 0.39<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

I II III<br />

Altersgruppe<br />

Grad 0 Grad 1 Grad 2 Grad 3<br />

Abb. 29. Graphische Darstellung der Durchschnitte aus Tabelle 6.<br />

41


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Tab. 7. Apikaler <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>des</strong> OK aufgr<strong>und</strong> der Gradeinteilung. Die Ergebnisse stellen die<br />

durchschnittliche Anzahl Zahnflächen pro Zahn mit Befall Grad 0, oder 3 dar. (*signifikant verschieden<br />

von I + 11 (p < 0.05, ANOVA)).<br />

OK<br />

Apikaler Zahnstein<br />

I<br />

n = 83<br />

II<br />

n = 74<br />

III<br />

n = 53<br />

x SD x SD x SD<br />

Grad 0 3.50 0.51 2.66 0.96 1.75 1.28<br />

Grad 1 0.45 0.44 1.10 0.71 1.67* 0.95<br />

Grad 2 0.02 0.07 0.15 0.30 0.42 0.71<br />

Grad 3 0 0.01 0.06 0.35 0.08 0.25<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

I I III<br />

Altersgruppe<br />

Grad 0 Grad 1 Grad 2 Grad 3<br />

Abb. 30. Graphische Darstellung der Ergebnisse aus Tabelle 7.<br />

42


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Tab. 8. Koronaler <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>des</strong> UK aufgr<strong>und</strong> der Gradeinteilung. Die Ergebnisse stellen die<br />

durchschnittliche Anzahl Zahnflächen pro Zahn mit Befall Grad 0,1,2 oder 3 dar. (* Signifikant<br />

verschieden von I + II (p < 0.05, ANOVA)).<br />

UK<br />

Koronaler<br />

Zahnstein<br />

I<br />

n = 84<br />

II<br />

n = 76<br />

III<br />

n = 69<br />

x SD x SD x SD<br />

Grad 0 2.00 0.81 1.72 0.84 2.17* 1.07<br />

Grad 1 1.51 0.57 1.60 0.61 1.14* 0.81<br />

Grad 2 0.34 0.34 0.46 0.38 0.37 0.50<br />

Grad 3 0.11 0.18 0.18 0.25 0.18 0.31<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

I I III<br />

Altersgruppe<br />

Grad 0 Grad 1 Grad 2 Grad 3<br />

Abb. 31. Graphische Darstellung der Ergebnisse aus Tabelle 8.<br />

43


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Tab. 9. Apikaler <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>des</strong> UK aufgr<strong>und</strong> der Gradeinteilung. Die Ergebnisse stellen die<br />

durchschnittliche Anzahl Zahnflächen pro Zahn mit Befall Grad 0,1,2 oder 3 dar. (* Signifikant<br />

verschieden von I + II (p < 0.05, ANOVA)).<br />

UK<br />

Apikaler Zahnstein<br />

I<br />

n = 84<br />

II<br />

n = 76<br />

III<br />

n = 69<br />

x SD x SD x SD<br />

Grad 0 3.37 0.57 2.34 1.04 1.34 1.15<br />

Grad 1 0.53 0.48 1.26 0.75 1.73* 0.83<br />

Grad 2 0.06 0.12 0.31 0.39 0.67 0.65<br />

Grad 3 0 0.04 0.06 0.13 0.15 0.30<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

I I III<br />

Altersgruppe<br />

Grad 0 Grad 1 Grad 2 Grad 3<br />

Abb. 32. Graphische Darstellung der Ergebnisse aus Tabelle 9.<br />

3.3. <strong>Karies</strong>befall<br />

Der <strong>Karies</strong>befall, ausgedrückt als D(1-4)T oder D(2-4)T (D = kariös, T = Zahn), nahm im OK<br />

mit <strong>zu</strong>nehmendem Alter ab (Tab. 10). Er blieb jedoch über 3 Altersgruppen konstant, wenn er<br />

als Verhältnis kariöser Zähne <strong>zu</strong> bewertbaren Zähnen berechnet wurde. Auch im UK nahm<br />

die absolute Anzahl kariöser Zähne mit <strong>zu</strong>nehmendem Alter ab. Im Gegensatz <strong>zu</strong>m OK wurde<br />

im UK aber eine relative Zunahme <strong>des</strong> Anteils kariöser Zähne bezogen auf die Anzahl<br />

44


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

bewertbarer Zähne beobachtet. Die Anzahl kariesfreier Zähne, sowie deren Anteil am Total<br />

aller bewertbarer Zähne, nahm mit <strong>zu</strong>nehmendem Alter ebenfalls ab. Die Tabellen geben im<br />

weiteren Aufschluss über den Anteil initialer, auf die äussere Schmelzhälfte beschränkter Läsionen.<br />

R<strong>und</strong> die Hälfte aller befallenen Zähne wiesen derartige Initialläsionen (Grad 1 nach<br />

WHO) auf. Initialläsionen können remineralisieren.<br />

Die flächenbezogenen Ergebnisse zeigen wiederum die bereits oben beschriebene Abnahme<br />

der absoluten Anzahl Läsionen mit <strong>zu</strong>nehmendem Alter. Dieser Rückgang wurde durch eine<br />

gleichzeitige Zunahme der fehlenden (durch Extraktion verlorener) Zahnflächen wieder aufgehoben<br />

(Tab. 12).<br />

In den Tabellen 14-16 wurden die Läsionen bezüglich der Zahnflächen aufgeschlüsselt. Demnach<br />

wurden Läsionen in der jüngsten Altersgruppe am häufigsten okklusal diagnostiziert.<br />

Deutlich weniger befallen waren mesiale oder distale Flächen. Dieses Verhältnis veränderte<br />

sich mit <strong>zu</strong>nehmendem Alter. In Altersgruppe 3 wurde eine massive Abnahme der Okklusalläsionen<br />

beobachtet, während mesiale <strong>und</strong> distale <strong>Karies</strong> nach wie vor stark vertreten waren<br />

(Abb. 34). <strong>Karies</strong> auf Bukkalflächen wurde an durchschnittlich 4.3, 4.1 <strong>und</strong> 2.0 Zähnen<br />

(Gruppen I, II <strong>und</strong> III) pro Gebiss gef<strong>und</strong>en. Linguale/palatinale Läsionen waren selten.<br />

Tab. 10. <strong>Karies</strong>befall der bewertbaren Zähne im Ober- <strong>und</strong> Unterkiefer. DT (1-4) umfasst alle Läsionen,<br />

DT (2-4) lediglich Läsionen mit Zerstörung der Zahnoberfläche.<br />

OK<br />

I<br />

n = 83<br />

II<br />

n = 74<br />

III<br />

n = 53<br />

x x SD x SD<br />

Bewertete Zähne 12.29 4.04 10 4.77 5.13 4.89<br />

DT (1-4) 8.86<br />

72.1%<br />

DT (2-4) 6.08<br />

49.5%<br />

3.95 7.55<br />

75.5%<br />

3.83 5.33<br />

53.3%<br />

4.07 3.67<br />

71.5%<br />

3.59 2.75<br />

53.6%<br />

<strong>Karies</strong> Grad 1 2.78 2.22 0.92<br />

3.62<br />

2.84<br />

<strong>Karies</strong>freie Zähne<br />

3.43<br />

2.45<br />

1.46<br />

Grad 0<br />

21.9%<br />

24.5%<br />

28.5%<br />

UK<br />

I<br />

n = 84<br />

II<br />

n = 76<br />

III<br />

n = 79<br />

x SD x SD x SD<br />

Bewertete Zähne 12.95 3.55 12.56 2.88 7.53 4.59<br />

DT (1-4) 7.37<br />

56.9%<br />

DT (2-4) 1.96<br />

15.1%<br />

2.98 7.72<br />

61.5%<br />

1.90 2.58<br />

20.5%<br />

3.10 5.07<br />

67.3%<br />

2.69 1.70<br />

22.6%<br />

<strong>Karies</strong> Grad 1 5.41 5.14 3.37<br />

<strong>Karies</strong>freie Zähne<br />

Grad 0<br />

5.58<br />

43.1%<br />

4.84<br />

38.5%<br />

2.46<br />

32.7%<br />

3.43<br />

2.13<br />

45


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Tab. 11. <strong>Karies</strong>befall der bewertbaren Zähne im ganzen Gebiss.<br />

UK<br />

I<br />

n = 86<br />

II<br />

n = 80<br />

III<br />

n = 84<br />

x SD x SD x SD<br />

Bewertete Zähne 25.24 6.35 22.56 6.47 12.66 4.59<br />

DT (1-4) 16.23 5.96 15.27 5.54 8.75 6.06<br />

DT (2-4) 8.04 4.86 7.92 5.34 4.45 3.98<br />

<strong>Karies</strong> Grad 1 8.19 7.35 4.30<br />

<strong>Karies</strong>freie Zähne<br />

Grad 0<br />

9.01 7.29 3.91<br />

30<br />

25<br />

9.01<br />

20<br />

7.29<br />

15<br />

8.19<br />

7.35<br />

3.91<br />

10<br />

4.30<br />

5<br />

8.04<br />

7.92<br />

4.45<br />

0<br />

I I III<br />

Altersgruppe<br />

Grad 2 - 4 Grad 1 Grad 0<br />

Abb. 33. Graphische Darstellung <strong>zu</strong> Tabelle 11.<br />

46


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Tab. 12. DS <strong>und</strong> DMS-Index der bewertbaren Zahnflächen im Ober- <strong>und</strong> Unterkiefer.<br />

Die M-Komponente wurde aus Zähnen mit Status 3 berechnet.<br />

OK<br />

I<br />

n = 83<br />

II<br />

n = 74<br />

III<br />

n = 53<br />

x SD x SD x SD<br />

DS (1-4) 16.54 9.65 14.68 10.58 6.86 7.66<br />

DS (2-4) 9.08 6.76 8.70 8.58 4.02 4.63<br />

Flächen mit Grad 1 7.46 5.98 2.84<br />

DMS (1-4) 18.51 9.33 20.08 11.91 16.98 10.42<br />

DMS (2-4) 10.18 6.90 12.61 11.21 11.47 8.71<br />

Max. Anzahl Zahnflächen 74 74 74<br />

UK<br />

I<br />

n = 84<br />

II<br />

n = 76<br />

III<br />

n = 69<br />

x SD x SD x SD<br />

DS (1-4) 14.05 7.36 15.55 9.88 9.46 8.57<br />

DS (2-4) 8.01 5.42 9.81 8.61 6.58 6.27<br />

Flächen mit Grad 1 6.04 5.74 2.88<br />

DMS (1-4) 15.98 7.23 17.91 11.07 18.29 11.60<br />

DMS (2-4) 9.37 5.98 11.48 10.20 13.43 9.21<br />

Max. Anzahl Zahnflächen 74 74 74<br />

Tab. 13. DS <strong>und</strong> DMS-Index der bewertbaren Gebisse. Die M-Komponente wurde auf der Basis von<br />

Zähnen mit Status 3 berechnet.<br />

OK + UK<br />

I<br />

n = 86<br />

II<br />

n = 80<br />

III<br />

n = 84<br />

x SD x SD x SD<br />

DS (1-4) 30.60 15.16 30.23 17.77 16.33 13.85<br />

DS (2-4) 17.09 10.65 18.51 15.87 10.60 8.89<br />

Flächen mit Grad 1 13.51 11.72 5.73<br />

DMS (1-4) 34.59 15.21 38.31 21.02 35.92 18.36<br />

DMS (2-4) <strong>19.</strong>54 11.60 24.60 20.33 24.78 15.04<br />

Max. Anzahl Zahnflächen 148 148 148<br />

47


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Tab. 14. DS (1-4) <strong>und</strong> DS (2-4) Index. Aufschlüsselung nach Lokalisation der Zahnflächen im Oberkiefer.<br />

OK<br />

DS (1-4)<br />

I<br />

n= 83<br />

II<br />

n = 74<br />

III<br />

n = 53<br />

okklusal mesial distal bukkal palatinal<br />

x SD x SD x SD x SD x SD<br />

4.95 2.63 4.62 3.09 4.03 2.86 1.94 2.32 0.98 1.69<br />

3.98 2.94 4.31 3.08 3.97 3.10 1.50 2.41 0.91 2.10<br />

1.71 2.30 2.10 2.40 1.92 2.21 0.71 1.13 0.40 1.14<br />

OK<br />

DS (2-4)<br />

I<br />

N = 83<br />

II<br />

n = 74<br />

III<br />

n = 53<br />

okklusal mesial distal bukkal palatinal<br />

x SD x SD x SD x SD x SD<br />

2.52 1.96 2.59 2.39 2.29 2.15 1.12 1.59 0.54 0.88<br />

1.77 1.79 2.53 2.29 2.57 2.44 1.13 2.24 0.67 1.93<br />

0.88 1.30 1.30 1.66 1.26 1.64 0.34 0.70 0.22 0.79<br />

Tab. 15. DS (1-4) <strong>und</strong> DS (2-4) Index. Aufschlüsselung nach Lokalisation der Zahnflächen im Unterkiefer.<br />

UK<br />

DS (1-4)<br />

I<br />

n= 84<br />

II<br />

n = 76<br />

III<br />

n = 69<br />

okklusal mesial distal bukkal palatinal<br />

x SD x SD x SD x SD x SD<br />

4.59 2.20 3.16 2.10 3.34 2.35 2.40 2.67 0.54 0.96<br />

4.21<br />

†<br />

2.13 3.91 2.80 3.97 2.85 2.57 2.97 0.87 2.14<br />

2.03 2.28 3.19 2.60 2.46 2.61 1.30 1.72 0.46 1.14<br />

UK<br />

DS (2-4)<br />

I<br />

n= 84<br />

II<br />

n = 76<br />

III<br />

n = 69<br />

okklusal mesial distal bukkal palatinal<br />

x SD x SD x SD x SD x SD<br />

42.53 1.69 1.52 1.62 1.76 1.79 1.81 2.21 0.37 0.83<br />

2.36<br />

†<br />

1.78 2.26 2.35 2.42 2.49 2.11 2.61 0.65 2.00<br />

1.27 1.63 2.26 2.42 1.73 2.07 1.05 1.43 0.25 0.59<br />

48


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Tab. 16. DS (1-4) <strong>und</strong> DS (2-4) Index. Aufschlüsselung nach Lokalisation der Zahnflächen.<br />

UK+OK<br />

DS (1-4)<br />

I<br />

n= 86<br />

II<br />

n = 80<br />

III<br />

n = 84<br />

okklusal mesial distal bukkal palatinal<br />

x SD x SD x SD x SD x SD<br />

9.54 4.21 7.79 4.52 7.38 4.58 4.34 4.34 1.53 2.29<br />

8.20 4.36 8.22 4.70 7.95 4.79 4.07 4.98 1.78 4.03<br />

3.75 4.04 5.29 4.12 4.39 4.03 2.02 2.39 0.86 1.89<br />

UK+OK<br />

DS (2-4)<br />

I<br />

n= 86<br />

II<br />

n = 80<br />

III<br />

n = 84<br />

okklusal mesial distal bukkal palatinal<br />

x SD x SD x SD x SD x SD<br />

5.05 3.12 4.11 3.33 4.05 3.29 2.94 3.33 0.91 1.39<br />

4.13 2.92 4.80 3.90 5.00 4.15 3.25 4.50 1.32 3.81<br />

2.15 2.44 3.57 3.29 3.00 2.92 1.40 1.76 0.47 1.09<br />

Abb. 34: Graphische Darstellung der Ergebnisse aus Tabelle 16.<br />

49


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

4. Diskussion<br />

4.1. Zahnstein<br />

Zahnstein entsteht durch Verkalkung der weichen bakteriellen Zahnbeläge (Plaque). Die da<strong>zu</strong><br />

nötigen Mineralsalze Kalzium <strong>und</strong> Phosphat werden aus dem Speichel <strong>zu</strong>r Verfügung gestellt.<br />

Die typischen Stellen für oft massive Ablagerungen von supragingivalem Zahnstein sind die<br />

Lingualflächen der UK-Frontzähne <strong>und</strong> die Bukkalflächen der oberen Molaren (Rateitschak,<br />

Wolf 1989). Diese Tatsache wurde für alle 3 Altersgruppen klar bestätigt (Tab. 5). Während<br />

der 1. Molar im OK der Altersgruppe I <strong>und</strong> II deutlich am meisten Zahnstein aufwies, war<br />

dieser Unterschied in der Altersgruppe III weniger ausgeprägt. In der Altersgruppe III kam es<br />

im OK <strong>zu</strong> einer deutlichen Nivellierung <strong>des</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong>s der noch vorhandenen Zähne.<br />

Anders sah es im UK aus, wo koronal am meisten Zahnstein in der UK Front zwischen 33<br />

<strong>und</strong> 43 gemessen wurde. Die Altersgruppe I wies koronal am meisten Zahnstein auf, die Altersgruppe<br />

III koronal am wenigsten. Gerade umgekehrt verhielt es sich bei der apikalen<br />

Zahnsteinbewertung. Der fortschreitende Knochenschw<strong>und</strong> im Alter <strong>und</strong> die ausgeprägte Supereruption<br />

durch Attrition (Whittaker, Molleson, Daniel, Williams, Rose 1985) bedingen<br />

eine Verlagerung <strong>des</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong>s von koronal nach apikal, unter die SZG.<br />

In den Tabellen 6-9 wurde der <strong>Zahnsteinbefall</strong> nach seiner auf die Zahnachse bezogenen Lokalisation<br />

(koronal, apikal) <strong>und</strong> für jeden Schweregrad (0-3) einzeln aufgelistet. Koronal der<br />

SZG blieb die mittlere Anzahl belagsfreier Flächen pro Zahn über alle Altersgruppen annähernd<br />

gleich, wobei die höchste Zahl jeweils für Altersgruppe III berechnet wurde. Die niedrigere<br />

durchschnittliche Anzahl Zahnflächen mit Grad-1-Befall untermauerte die Beobachtung<br />

eines Rückgangs <strong>des</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong>s im koronalsten Zahnbereich mit <strong>zu</strong>nehmendem<br />

Alter. Wir vermuten, dass diese altersabhängige Entwicklung durch die attritionsbedingte Supereruption<br />

der Zähne <strong>und</strong> die dadurch bedingte verstärkte Exposition koronalster Belagsanteile<br />

bewirkt wurde. Der durch die kontinuierliche Eruption verstärkte Kontakt mit abrasiver<br />

Nahrung könnte einzelne kleinere Zahnsteinstücke abgesprengt haben. Die Theorie der kontinuierlichen<br />

Eruption wird bei Gruppe III <strong>zu</strong>sätzlich noch durch den sehr stark vergrösserten<br />

<strong>Zahnsteinbefall</strong> apikal der SZG, im geschützten, gingivanahen Bereich, gestützt. Es sind uns<br />

keine Studien bekannt, die den <strong>Zahnsteinbefall</strong> an anthropologischem Material ähnlich ausführlich<br />

studiert haben. Weiterreichende Untersuchungen <strong>zu</strong>r kontinuierlichen Eruption wurden<br />

von Levers <strong>und</strong> Darling (1983) sowie von Whittaker et al. (1985) publiziert.<br />

Mehr als 95 % der untersuchten Gebisse zeigten <strong>Zahnsteinbefall</strong>. Die hohe Morbidität ist damit<br />

<strong>zu</strong> erklären, dass sämtlicher Zahnstein erfasst werden konnte. Bei klinisch-epidemiologischen<br />

Studien ist dies im allgemeinen nicht möglich. Die Beläge waren relativ dick <strong>und</strong><br />

spröde (Wiederkehr, Roulet, Ulrich-Bochsler 1982). An verschiedenen Stellen lagen nur<br />

Bruchstücke vor. Aufgr<strong>und</strong> von Zahnsteinspuren konnte man aber sehr deutlich das Ausmass<br />

<strong>des</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong>s erkennen. Die Tatsache, dass fast alle Zähne mit Zahnstein belegt waren,<br />

lässt erkennen, dass die untersuchte Bevölkerung keine systematische Zahnreinigung betrieb.<br />

4.2. <strong>Karies</strong>befall<br />

Die Zahnkaries hinterlässt im Gebiss dauerhafte Schäden, welche auch nach jahrh<strong>und</strong>ertlanger<br />

Lagerung noch nachgewiesen werden können. Aufgr<strong>und</strong> ihrer Zusammenset<strong>zu</strong>ng <strong>und</strong><br />

Struktur sind Zähne resistenter gegenüber physikalischen <strong>und</strong> chemischen Einflüssen als andere<br />

Skelettanteile, so dass lagerungsbedingte Veränderungen kaum auftreten. Die in dieser<br />

50


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Studie untersuchten Gebisse waren im allgemeinen sehr gut erhalten, was durch die geringe<br />

Anzahl post mortem verlorener Zähne (Tab. 2 <strong>und</strong> 3) noch unterstrichen wird.<br />

Die Prävalenz kariöser Läsionen sowie das Auftreten von Erosionen <strong>und</strong> Abrasionen geben<br />

interessanten Aufschluss über die Ernährung <strong>und</strong> den Lebensstil einer Bevölkerungsgruppe<br />

(Hardwick 1960). Das vorliegende Untersuchungsgut wurde im Zeitraum zwischen 1844-<br />

1868 auf dem äusseren St. Johann-Gottesacker bestattet <strong>und</strong> repräsentierte drei Generationen<br />

Menschen, die Eingangs <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts in der Region Basel gelebt haben. Diese Zeitspanne<br />

war für die Verbreitung der <strong>Karies</strong> entscheidend, da sie mit einer Umwäl<strong>zu</strong>ng in der<br />

Bevölkerungsernährung einherging. Der Konsum von Saccharose (“Nahrungs<strong>zu</strong>cker” aus Zuckerrohr<br />

hergestellt) nahm seit dem Spätmittelalter wohl langsam aber stetig <strong>zu</strong>, wobei sich<br />

dieser Trend mit dem Aufbau einer eigentlichen Zuckerindustrie im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert merkbar<br />

verstärkte. Am Ende <strong>des</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts erreichte der durchschnittliche jährliche Zuckerverbrauch<br />

etwa 9 kg pro Person. Als Mitte <strong>des</strong> letzten Jahrh<strong>und</strong>erts der Zuckerzoll aufgehoben<br />

wurde (Corbett & Moore 1976), stieg der Verbrauch innert weniger Jahrzehnte bis auf 40<br />

kg pro Person. Erst diese Entwicklung erlaubte die Realisierung der durch Spitalmedikus<br />

Stählin 1781 (Zehnder 1938) geforderten Veränderungen in der Diät für Spital- <strong>und</strong> Pfr<strong>und</strong>hausinsassen.<br />

Selbstverständlich war man sich damals aber der verheerenden Folgen <strong>des</strong> sich<br />

stark verbreitenden häufigen Zuckerkonsums (Roos 1950, Newbrun 1982) noch nicht bewusst.<br />

M<strong>und</strong>hygienehilfsmittel wie die Zahnbürste waren <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts bereits<br />

bekannt, doch beschränkte sich ihre Anwendung auf eine sozial gehobene Bevölkerungsschicht.<br />

Das erste Patent für eine Zahnbürste wurde 1857 in den U.S.A. eingereicht, aber erst<br />

die Verwendung von billigen <strong>und</strong> hygienischen Kunststoffborsten reichte ihr <strong>zu</strong>m Durchbruch<br />

(Wey 1985). Eine regelmässige Zahnreinigung wurde durch die Pfr<strong>und</strong>hausinsassen nicht<br />

durchgeführt. Zusammen mit den oben erwähnten Veränderungen der Konsistenz <strong>und</strong> Zusammenset<strong>zu</strong>ng<br />

der Ernährung führte dies <strong>zu</strong> massiver Plaquebildung an praktisch allen<br />

Zahnflächen, in der Folge aber auch <strong>zu</strong>r Zahnsteinbildung. Solcher konnte supragingival im<br />

Bereich der Lingualflächen der UK-Frontzähne <strong>und</strong> der Bukkalflächen der OK-Molaren in<br />

allen Altersgruppen nachgewiesen werden. Interessanterweise kam es mit <strong>zu</strong>nehmendem Alter<br />

im Oberkiefer <strong>zu</strong> einer deutlichen Nivellierung <strong>des</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong>s an noch vorhandenen<br />

Zähnen. Zudem führten der mit dem Alter fortschreitende Knochenschw<strong>und</strong> (Minotti 1991)<br />

<strong>und</strong> die ausgeprägte Supereruption der Zähne durch Attrition (Whittaker et al. 1985) <strong>zu</strong> einer<br />

Verlagerung der Zahnsteinlokalisation in apikaler Richtung unter die Schmelz-Zement-<br />

Grenze.<br />

Die <strong>Karies</strong>morbidität der vorliegenden Stichprobe war mit 98 % sehr hoch. Durchschnittlich<br />

66 % aller Zähne wiesen an min<strong>des</strong>tens einer Zahnfläche kariöse Veränderungen auf. Am<br />

häufigsten waren Molaren befallen, gefolgt von Prämolaren. Approximale <strong>und</strong> okklusale Läsionen<br />

waren in allen Altersgruppen deutlich häufiger als bukkale <strong>und</strong> orale Läsionen. Diese<br />

zahnflächenspezifische Verteilung <strong>des</strong> Befalls entspricht dem <strong>Karies</strong>vorkommen moderner<br />

erwachsener Populationen (U.S. Department of Health and Human Services 1987).<br />

51


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Tab. 17. Vergleich <strong>des</strong> <strong>Karies</strong>befalls in der Schweiz (in Anlehnung an Stern 1976).<br />

Zeitstellung F<strong>und</strong>ort Bevölkerung <strong>Karies</strong>frequenz Autor<br />

2000 v. Chr. Aesch Neolithische Steinkiste 3.8 % Bay (1938/39)<br />

5.-8. Jh. n. Chr. Umgebung von<br />

Solothurn<br />

Alemannen <strong>und</strong> Burg<strong>und</strong>er<br />

11.2 % Burger (1937)<br />

4.-8. Jh. n. Chr. Basel Spätrömer 18.8 % Thürkauf (1973)<br />

8.-12. Jh. n. Chr. Berslingen Mittelalter 35.3 % Blum (1978)<br />

8./7. Jh. n. Chr. Biel-Mett<br />

Gruppe I<br />

8./9. Jh. n. Chr. Biel-Mett<br />

Gruppe II<br />

Frühmittelalter 35.0 % * Roulet (1979)<br />

Mittelalter 28.0 % * Ulrich-Bochsler<br />

(1979)<br />

vor 800 Chur, St. Regula Frühmittelalter 40.5 % Stern (1976)<br />

800-1500 Chur, St. Regula Mittelalter 32.8 % * Stern (1978)<br />

nach 1500 Chur, St. Regula Stadtbevölkerung 35.0 % Stern (1978)<br />

bis 1000 n. Chr. Walenstadt I 63.5 % Büel (1976)<br />

bis 1500 Grafen Sargans 86.0 % Büel (1976)<br />

bis 1750 Walenstadt II 83.5 % * Büel (1976)<br />

Mitte <strong>19.</strong> Jh.<br />

Basel, Gottesacker<br />

St. Johann<br />

1930 Goms Erwachsene Oberwalliser<br />

Stadtbevölkerung 66.0 % Krummenacher &<br />

Hefti (1991)<br />

10.1 % Seiler (1930)<br />

1949 Tavetsch Bergbevölkerung 22.4 % Hägler (1949)<br />

1970 Basel Stadtbevölkerung 74.4 % Hägler 1970<br />

* <strong>Karies</strong>frequenz der 2. Dentition<br />

Ein Vergleich der vorliegenden Ergebnisse mit anderen anthropologischen Studien zeigt, dass<br />

sich die hier bestimmte <strong>Karies</strong>prävalenz in einen historischen Rahmen einordnen lässt (Tab.<br />

17).<br />

Basler Spitalinsassen <strong>des</strong> frühen <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts wiesen bedeutend mehr <strong>Karies</strong> auf als<br />

gleichaltrige Erwachsene im Mittelalter (Moor 1989). Ältere Erwachsene <strong>des</strong> ausgehenden<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>erts zeigten noch einen bedeutend höheren <strong>Karies</strong>befall, während bei 20 bis 25-<br />

Jährigen deutlich weniger Läsionen vorlagen (Tab. 18). Dieser Umschwung im <strong>Karies</strong>auftreten<br />

ist ohne Zweifel auf die enormen Präventionsbemühungen, vor allem auf die Einführung<br />

der Fluoride in der <strong>Karies</strong>prophylaxe, <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>führen.<br />

Vergleich <strong>des</strong> <strong>Karies</strong>befalls in der vorliegenden Studie mit zwei Untersuchungen aus neuster<br />

Zeit. Der DMT-Index wurde mit dem DMFT-Index gleichgesetzt, da nur eine Füllung (F-<br />

Komponente <strong>des</strong> Index) mit Stopfgold gef<strong>und</strong>en wurde.<br />

52


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Tab. 18.<br />

Studie Alter: DMFT<br />

Basis 32 Zähne<br />

Krummenacher & Hefti 23,5 17.7<br />

(1991) 35.3 18.9<br />

Basis 28 Zähne<br />

Feldmann 1988<br />

(ganze Schweiz)<br />

24.5<br />

35.6<br />

10.8<br />

16.5<br />

Brunner 1988 26.9 13.2<br />

(BS, BE, GR, SG, ZG, ZH) 38.9 20.0<br />

57.0 22.4<br />

In der vorliegenden Untersuchung wurde das WHO-Index System <strong>zu</strong>r Bestimmung der <strong>Karies</strong><br />

angewendet. Es ermöglichte den direkten Vergleich der <strong>Karies</strong>prävalenz mit aktuellen Studien<br />

(Tab. 18). Als mögliche Fehlerquelle in der <strong>Karies</strong>diagnostik an anthropologischem Material<br />

sollten jene Schäden an Zähnen erwähnt werden, die post mortem durch exogene Einflüsse<br />

entstanden sind. Nur wenige Schädel waren offenbar einem extrem sauren Bodenmilieu ausgesetzt<br />

gewesen, das <strong>zu</strong> einem brüchigen, weisslich matten <strong>und</strong> abbröckelnden Schmelz<br />

führte. Bei diesen Zähnen war das eindeutige Erfassen <strong>und</strong> Bewerten der Läsionen nicht<br />

möglich. Die grosse Datenfülle erlaubte jedoch, auf die Auswertung solcher Läsionen <strong>zu</strong> verzichten,<br />

ohne dass dadurch ein erheblicher Informationsverlust entstand. Vergleichbar <strong>zu</strong> klinischen<br />

Studien bereitete die Differenzierung zwischen Index Grad 0 <strong>und</strong> 1 immer wieder<br />

grosse Mühe. Es wurde versucht, in histologischen Schliffen diese Fehlerquelle dar<strong>zu</strong>stellen<br />

(Abbildungen 6-27). Ein grosser Vorteil im Vergleich <strong>zu</strong> rein klinischen Studien war die<br />

Möglichkeit, Zähne aus den Alveolen heraus<strong>zu</strong>luxieren. Dies erlaubte die Abtastung der Approximalflächen<br />

mit der Sonde, was am Patienten natürlich nicht möglich ist. Die Methode<br />

hat sich im Verlauf der Untersuchung so gut bewährt, dass auf ein <strong>zu</strong>sätzliches Anfertigen<br />

von Röntgenbildern verzichtet wurde. Die bezüglich aller Indexgrade durchgeführte Reproduzierbarkeitsstudie<br />

ergab einen hohen Grad an Übereinstimmung <strong>und</strong> unterstrich damit den<br />

Wert der vielfältigen Bemühungen <strong>zu</strong>r Erreichung einer hohen diagnostischen Sicherheit.<br />

5. Zusammenfassung<br />

Bei 250 Schädeln, die auf einem Spitalfriedhof aus dem <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>ert ausgegraben wurden,<br />

untersuchten wir den Zahnstein- <strong>und</strong> <strong>Karies</strong>befall. Die untersuchten Kiefer zeigten keine<br />

grosse post mortem Zerstörung. Alter, sozialer Status <strong>und</strong> die Krankengeschichte standen von<br />

fast allen untersuchten Individuen <strong>zu</strong>r Verfügung.<br />

Der Zahnstein wurde an 4 Zahnflächen pro Zahn, oberhalb <strong>und</strong> unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze,<br />

bewertet. Zusätzlich erfolgte eine Gradeinteilung, welche die vertikale Ausdehnung<br />

erfasste. Pro Zahn wurden somit 8 Messungen durchgeführt. Die Bewertung der <strong>Karies</strong><br />

erfolgte mit Hilfe einer zahnärztlichen Sonde (GS 5) <strong>und</strong> einer künstlichen Lichtquelle. Sämtliche<br />

Flächen aller 32 Zähne wurden beurteilt. Die Bewertung erfolgte anhand <strong>des</strong> WHO Ka-<br />

53


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

riesindex. Des weiteren wurde festgehalten, ob ein Zahn intra vitam oder post mortem verloren<br />

ging.<br />

Die 250 für die Studie verwendeten Schädel hatten ein durchschnittliches Alter von 38.8 Jahren<br />

(15 bis 87-Jährige) <strong>und</strong> zeigten im Durchschnitt 20.5 vorhandene, 2.3 verlorene <strong>und</strong> 9.2<br />

extrahierte oder nicht angelegte Zähne. Der durchschnittliche <strong>Zahnsteinbefall</strong> nahm apikal im<br />

Alter <strong>zu</strong>. Am meisten Zahnstein wurde bei den oberen Molaren <strong>und</strong> bei den unteren Inzisiven<br />

gef<strong>und</strong>en. Von den 4588 untersuchten Zähnen waren 66 % kariös. Dieser Prozentsatz wurde<br />

mit anderen Untersuchungen verglichen. Er lässt sich historisch gut einordnen. Am stärksten<br />

mit <strong>Karies</strong> befallen waren die beiden Molaren (her <strong>und</strong> 7er) im UK sowie im OK. Am wenigsten<br />

kariös waren die UK Frontzähne gefolgt von den OK Eckzähnen. Der DM(F)T von<br />

18.6 der untersuchten Population wurde mit aktuellen Studien verglichen.<br />

6. Literaturverzeichnis<br />

Bay R. 1939<br />

Kiefer <strong>und</strong> Zähne aus der neolithischen Steinkiste bei Aesch. Schweiz. Mschr. Zahnheilk. 49, S. 540-<br />

548.<br />

Blum B. 1976<br />

<strong>Karies</strong> <strong>und</strong> Parodontose bei der Bevölkerung <strong>des</strong> mittelalterlichen Dorfes Berslingen/SH. Med. Diss.<br />

Basel.<br />

Brunner B. 1988<br />

Untersuchungen über den oralen Ges<strong>und</strong>heits<strong>zu</strong>stand Erwachsener in 11 prophylaxeorientierten<br />

Zahnarztpraxen der Deutschschweiz. Inauguraldissertation <strong>des</strong> Zahnärztlichen Institutes der<br />

Universität Zürich. 1-21.<br />

Büel M. 1976<br />

<strong>Karies</strong> bei den Skelettresten aus der Pfarrkirche St. Lucius <strong>und</strong> Florinus von Walenstadt sowie der<br />

Skelettreste aus der Gruft der Grafen von Werdenberg, Sargans. Med. Diss. Basel.<br />

Burger A. 1937<br />

<strong>Karies</strong> <strong>und</strong> Parodontose bei Allemannen <strong>und</strong> Burg<strong>und</strong>ern. Med. Diss. Zürich.<br />

Corbett M. E., Moore W. J. 1976<br />

Distribution of dental caries in ancient British populations. IV. The 19th century. Caries Res. 10, S.<br />

401-414.<br />

Etter Hu. F. 1988<br />

Der „Äussere St. Johann-Gottesacker” in Basel. Was ein Spitalfriedhof <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jh. verrät. CH-Forschung<br />

11, S. 23-28.<br />

Feldmann D. 1989<br />

Oraler Zustand bei Erwachsenen in der Schweiz. Eine Erhebung in 47 <strong>zu</strong>fällig ausgewählten Praxen.<br />

Med. Diss. Zürich.<br />

Hardwick J. L. 1960<br />

The incidence and distribution of caries throughout the ages in relation to the Englishman's diet. Br.<br />

dent. J. 108, S. 9-17.<br />

54


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Levers B. G. H., Darling A.I. 1983<br />

Continuous eruptions of some adult human teeth of ancient populations. Archs oral Biol 28, S. 401-<br />

408.<br />

Marthaler T. M. 1966<br />

A standardized system of recording dental conditions. Helv. Odont. Acta 10, S. 18.<br />

Minotti N. 1991<br />

Parodontaler Knochenschw<strong>und</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts. Med. Diss. Basel.<br />

Moor B. 1978<br />

<strong>Karies</strong> <strong>und</strong> Parodontose bei der mittelalterlichen Bevölkerung von Bettingen BS. Med. Diss. Basel.<br />

Moser W. 1986<br />

Zucker: Bedeutung <strong>und</strong> Geschichte. Med. Diss. Basel, S.181-183.<br />

Newbrun E. 1982<br />

Sugar and dental caries: a review of human studies. Science 217, S. 418-423.<br />

Rateitschak K. H. & E. M., Wolf H. F. 1989<br />

Farbatlanten der Zahnmedizin. Band 1: Parodontologie, 2. Auflage, Stuttgart.<br />

Roos A. 1950<br />

Die Kriegsernährung in ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Zahnkaries in der Schweiz. Berichthaus<br />

Zürich.<br />

Roulet J. F., Ulrich-Bochsler S. 1979<br />

Zahnärztliche Untersuchung frühmittelalterlicher Schädel aus Biel-Mett. Schweiz. Mschr. Zahnheilk.<br />

89, S. 526-540.<br />

Steiner M. 1979<br />

Zahnärztliche Bef<strong>und</strong>e. In: Schneider J., Gutscher D., Etter H-U., Hanser J., Der Münsterhof in Zürich.<br />

Teil II. Schweizer Beiträge <strong>zu</strong>r Kulturgeschichte <strong>und</strong> Archäologie <strong>des</strong> Mittelalters Bd. 10, Olten,<br />

Freiburg i. Breisgau, S. 228-235.<br />

Stern P. 1976<br />

<strong>Karies</strong> <strong>und</strong> Parodontose bei der frühmittelalterlichen, mittelalterlichen <strong>und</strong> neuzeitlichen Bevölkerung<br />

von Chur. Med. Diss. Basel.<br />

Thürkauf H. 1973<br />

<strong>Karies</strong> <strong>und</strong> Parodontose bei der spätrömischen Bevölkerung in Basel. Med. Diss. Basel.<br />

U.S.Department of Health and Human Services 1987<br />

Oral health of United States adults. NIH Production No. 87, S. 2868.<br />

Wei S. H. Y 1985<br />

Antimicrobial methods - mechanical and chemical. In: Nikiforuk, Understanding Dental Caries. Prevention.<br />

Basic and Chemical Aspects, chap.11, S. 243-272, Basel.<br />

Whittaker D. K., Molleson T., Daniel A. T., Williams J. T., Rose P., Resteghini R. 1985<br />

Quantitative assessment of tooth wear, alveolar-crest height and continuing eruption in a romano-british<br />

population. Archs oral Biol 30, S. 493-501.<br />

WHO 1988<br />

Oral health surveys, basic methods, 3 rd ed. World Health Organization, Geneva.<br />

55


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Wiederkehr M., Roulet J. F., Ulrich-Bochsler S. 1982<br />

Zahnärztliche Untersuchung mittelalterlicher Schädel aus drei Regionen <strong>des</strong> Kantons Bern. Schweiz.<br />

Mschr. Zahnheilk. 92, S.127-136.<br />

Zehnder A. 1938<br />

Verköstigung der Kranken im Basler Spital. Med. Diss., Basel.<br />

Historische Quellen<br />

Gräberverzeichnis, StaBS<br />

Gräberverzeichnis der auf dem Gottesacker <strong>des</strong> Spitals vor dem St. Johann Thor vom 14. Nov. 1845<br />

bis <strong>19.</strong> Juni 1868 beerdigten 2561 Leichen. StaBS Bauakten JJ 44 1799-1886. Gräberverzeichnis<br />

1845-68.<br />

Sterberegister, StaBS<br />

Sterbe- <strong>und</strong> Beerdigungsregister 1842-1864. StaBS Spitalarchiv AA 2.2 1842-1864.<br />

Krankengeschichten, StaBS<br />

Tagebuch der medicinisch kranken Männer & Frauen. Spitalarchiv V30.1-27. 1842-1867. Spitalarchiv<br />

V31.1. 1868.<br />

7. Verdankungen<br />

Herrn Prof. Dr. A. F. Hefti möchte ich für die Zuteilung dieser interessanten Arbeit danken, sowie für<br />

die vielen Bemühungen während dem Entstehen der Arbeit.<br />

Herrn Prof. Dr. K. H. Rateitschak möchte ich danken für seine Hilfe bei den methodischen Problemen.<br />

Herrn Dr. Hu. Etter bin ich besonders dankbar für die wichtigen Angaben über die anthropologischen<br />

<strong>und</strong> historischen Zusammenhänge sowie für die Bereitstellung <strong>des</strong> gesamten Untersuchungsmaterials.<br />

Herrn Dr. N. Minotti danke ich für die kollegiale Zusammenarbeit.<br />

Herrn O. Erni möchte ich ganz besonders meinen Dank aussprechen. An seinem Computer entstanden<br />

sämtliche Tabellen <strong>und</strong> Graphiken sowie die definitive Fassung der Arbeit.<br />

Herrn W. Kirchhofer möchte ich meinen Dank aussprechen für die Herstellung der Schliffpräparate.<br />

Meinem Vater möchte ich für die finanzielle Unterstüt<strong>zu</strong>ng danken.<br />

Allen jenen, die mich bei der Realisation der Studie tatkräftig unterstützten, möchte ich ebenfalls danken.<br />

56


Bull. Soc. Suisse d’Anthrop. 9(1), 2003, 23-58.<br />

Anhang<br />

DS (1-4) <strong>und</strong> DS (2-4) Index, berechnet für einzelne Zähne.<br />

OK 1<br />

DS (1-4)<br />

18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28<br />

I 0.61 1.65 1.53 1.52 1.20 0.54 0.72 0.67 0.63 0.53 0.53 1.24 1.31 1.80 1.48 0.51<br />

SD 0.85 1.16 1.23 1.25 1.14 0.88 1.00 1.02 0.93 0.83 0.83 1.18 1.24 1.46 1.15 0.89<br />

II 0.67 1.26 1.30 1.32 1.07 0.66 0.60 0.60 0.55 0.60 0.61 0.96 1.08 1.50 1.30 0.57<br />

SD 1.13 1.41 1.48 1.43 1.26 1.01 0.92 0.89 0.87 0.89 0.94 1.26 1.16 1.55 1.32 1.02<br />

III 0.35 0.36 0.50 0.55 0.50 0.51 0.34 0.39 0.29 0.29 0.40 0.44 0.52 0.48 0.50 0.38<br />

SD 0.93 0.86 1.01 1.01 1.02 0.88 0.79 0.79 0.74 0.75 0.69 0.90 0.98 1.03 1.06 1.04<br />

OK 2<br />

DS (2-4)<br />

18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28<br />

1 0.32 1.03 0.86 0.74 0.52 0.32 0.52 0.39 0.33 0.36 0.29 0.55 0.53 1.10 0.90 0.25<br />

SD 0.58 0.96 1.00 0.94 0.82 0.65 0.87 0.78 0.72 0.63 0.59 0.86 0.82 1.15 1.00 0.59<br />

II 0.40 0.72 0.68 0.60 0.58 0.41 0.41 0.50 0.40 0.50 0.45 0.41 0.60 0.97 0.68 0.35<br />

SD 0.89 1.19 1.10 0.94 0.92 0.83 0.75 0.82 0.72 0.85 0.84 0.86 0.80 1.30 1.14 0.85<br />

III 0.20 0.23 0.28 0.28 0.25 0.27 0.20 0.28 0.20 0.23 0.28 0.16 0.27 0.27 0.32 0.23<br />

SD 0.59 0.68 0.65 0.68 0.59 0.62 0.48 0.63 0.57 0.66 0.55 0.43 0.66 0.66 0.67 0.73<br />

UK 1<br />

DS (1-4)<br />

38 37 36 35 34 33 32 31 41 42 43 44 45 46 47 48<br />

I 0.87 1.52 1.67 1.23 0.83 0.31 0.17 0.19 0.09 0.19 0.38 0.95 1.33 1.55 1.74 0.96<br />

SD 1.10 1.19 1.57 1.22 1.07 0.55 0.41 0.48 0.32 0.50 0.63 1.02 1.25 1.57 1.32 1.14<br />

II 0.90 1.50 1.42 1.42 1.05 0.57 0.41 0.40 0.27 0.36 0.55 1.10 1.35 1.67 1.58 0.96<br />

SD 1.25 1.46 1.56 1.23 1.10 0.99 0.80 0.83 0.65 0.76 0.92 1.10 1.23 1.66 1.47 1.32<br />

III 0.42 0.53 0.45 0.59 0.73 0.65 0.65 0.44 0.39 0.57 0.71 0.72 0.69 0.47 0.82 0.57<br />

SD 1.12 1.14 0.97 0.95 1.07 0.97 0.91 0.82 0.85 0.92 1.08 1.05 1.01 1.13 1.34 1.23<br />

UK 2<br />

DS (2-4)<br />

38 37 36 35 34 33 32 31 41 42 43 44 45 46 47 48<br />

I 0.58 1.01 0.89 0.59 0.36 0.19 0.11 0.15 0.08 0.11 0.22 0.44 0.61 0.83 1.19 0.59<br />

SD 0.92 1.01 1.12 0.91 0.68 0.48 0.35 0.42 0.31 0.41 0.49 0.76 0.96 1.07 1.22 0.96<br />

II 0.57 1.08 0.80 0.67 0.66 0.37 0.33 0.25 0.17 0.22 0.43 0.68 0.65 1.17 1.12 0.57<br />

SD 0.96 1.30 1.15 0.96 0.92 0.80 0.74 0.62 0.54 0.63 0.83 1.05 1.06 1.51 1.31 0.95<br />

III 0.30 0.36 0.35 0.34 0.42 0.50 0.58 0.36 0.30 0.46 0.46 0.41 0.41 0.25 0.53 0.46<br />

SD 0.91 0.91 0.84 0.75 0.71 0.81 0.85 0.72 0.65 0.76 0.73 0.74 0.79 0.75 1.02 1.08<br />

57


Krummenacher, <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> <strong>Zahnsteinbefall</strong> <strong>zu</strong> <strong>Beginn</strong> <strong>des</strong> <strong>19.</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Abkür<strong>zu</strong>ngen<br />

ba bukkal-apikal<br />

bk bukkal-koronal<br />

da distal-apikal<br />

dk distal-koronal<br />

DS Anzahl kariöser Zahnflächen (D = decayed, S = surface)<br />

DMFT Anzahl kariöser od. fehlender od. gefüllter Zähne (D = decayed, M = Missing, F = filled,<br />

T = tooth)<br />

DMS Anzahl kariöser od. fehlender Zahnflächen (D = decayed, M = Missing, S = surface)<br />

DT kariöser Zahn (D = decayed, T = tooth)<br />

la lingual-apikal<br />

lk lingual-koronal<br />

ma mesial-apikal<br />

mk mesial-koronal<br />

OK Oberkiefer<br />

SD Standard Deviation (Standardabweichung)<br />

SZG Schmelz-Zement-Grenze<br />

UK Unterkiefer<br />

Abkür<strong>zu</strong>ngen <strong>des</strong> Bef<strong>und</strong>blattes der <strong>Karies</strong>- <strong>und</strong> Zahnsteinerhebung<br />

B<br />

D<br />

L<br />

M<br />

O<br />

P<br />

ST<br />

Bukkal<br />

Distal<br />

Lingual<br />

Mesial<br />

Okklusal<br />

Palatinal<br />

Zahnstatus (vorhanden/nicht vorhanden)<br />

58


Impressum<br />

Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Anthropologie<br />

Bulletin de la Société Suisse d’Anthropologie<br />

herausgegeben von der Schweizerischen Gesellschaft für Anthropologie (SGA/SSA)<br />

mit Unterstüt<strong>zu</strong>ng der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (SANW)<br />

Redaktion:<br />

Andreas Cueni, Gerhard Hotz<br />

Korreferentin (textes français):<br />

Isabelle Gemmerich, Brugg<br />

Layout:<br />

Andreas Cueni, Kriens<br />

Be<strong>zu</strong>gsort:<br />

Gerhard Hotz, Naturhistorisches Museum, Augustinergasse 2, CH-4001 Basel<br />

Tel. 061 266 55 45 / Fax 061 266 55 46<br />

E-mail: gerhard.hotz@bs.ch<br />

Herstellung: Atelier d’Impression de l’Université de Genève<br />

Couverture: Montage Isabelle Gemmerich d’après un <strong>des</strong>sin original de Lucrezia Bieler-Beerli<br />

(Zürich) pour l’exposition du Musée d’Anthropologie de l’Université de Zürich<br />

Erscheinungsweise: Vom Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Anthropologie erscheinen in<br />

der Regel zwei Hefte pro Jahr (Frühjahr, Herbst), die <strong>zu</strong>sammen einen Band bilden.<br />

ISSN 1420 - 4835

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