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PRAKTISCHER LEITFADEN

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DIE VORÜBERGENDE ENTSENDUNG VON ERWERBSTÄTIGEN IN DIE<br />

MITGLIEDSTAATEN DER EUROPÄISCHEN UNION,<br />

DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSRAUM UND DIE SCHWEIZ<br />

- EIN <strong>LEITFADEN</strong> -<br />

1 - Leitfaden für Entsendungen<br />

Inhalt<br />

2 - Arbeitnehmer, die vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat entsendet werden<br />

3 - Selbständige, die eine Tätigkeit vorübergehend in einem anderen Land als dem eigenen<br />

Mitgliedsstaat ausüben.<br />

4 - Merkmale der Entsendung von Arbeitnehmern<br />

5 - Wann besteht zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem entsandten Arbeitnehmer<br />

eine arbeitsrechtliche Bindung?<br />

6 - Arbeitnehmer die zum Zwecke der Entsendung in einen anderen Mitgliedsstaat eingestellt<br />

werden.<br />

7 - Was geschieht, wenn ein Arbeitnehmer entsandt wird, um für mehrere<br />

Unternehmen zu arbeiten?<br />

8 - Situationen in denen die Entsendevorschriften keinesfalls Anwendung finden.<br />

9 - Selbständige: Sind der Anwendung der Entsendung Grenzen gesetzt?<br />

10 - Die Entsendebescheinigung für die ersten 12 Monate.<br />

11 - Bei Entsendungen von höchstens drei Monaten: Vereinfachtes Verfahren<br />

12 - Verlängerung der Entsendung für weitere 12 Monate<br />

13 - Was geschieht, wenn die Entsendung aus triftigen Gründen<br />

voraussichtlich länger als 12 Monate dauern wird?<br />

14 - Aussetzung und Unterbrechung des Entsendungszeitraumes<br />

15 - Auskunftspflicht und Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Entsendungen:<br />

Rolle der Verwaltungskommission bei Meinungsverschiedenheiten zwischen<br />

den Sozialversicherungsträgern<br />

1


1 - <strong>LEITFADEN</strong><br />

Vorliegender Leitfaden stellt eine Orientierung bei der vorübergehenden Entsendung von<br />

Arbeitnehmern und Selbständigen in das EU- und EWR-Ausland bzw. in die Schweiz dar<br />

(Rechtsgrundlage: Punkt 10 des Beschlusses Nr. 181 2 vom 13. Dezember 2000). Der vorliegende<br />

Text darf nicht als erschöpfend in Bezug auf spätere Streitfragen betrachtet werden,<br />

sondern stellt einen Leitfaden zur Orientierung dar.<br />

2 - ARBEITNEHMER, DIE VORÜBERGEHEND<br />

IN EINEN ANDEREN MITGLIEDSTAAT ENTSANDT WERDEN<br />

2.1. Allgemein gilt: Die soziale Sicherheit des Beschäftigungsstaates geht vor!<br />

Nach den Gemeinschaftsbestimmungen unterliegt eine erwerbstätige Person, die sich innerhalb<br />

der Europäischen Union in einen anderen Staat begibt, den Sozialversicherungsvorschriften<br />

nur eines Mitgliedstaats, sofern nicht ausdrücklich eine Ausnahme von dieser Regel<br />

vorgesehen ist (Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung).<br />

Grundsätzlich unterliegen alle, die sich aus arbeitsbedingten Gründen von einem Mitgliedstaat<br />

in einen anderen begeben, dem System der sozialen Sicherheit des neuen Beschäftigungsstaates<br />

(gemäß der Verordnung Artikel 13 Absatz 2 Buchstaben a, b und c) .<br />

Um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer möglichst zu fördern, sind in den geltenden EU-<br />

Rechtsvorschriften aber einige Ausnahmen von diesem allgemeinen Grundsatz vorgesehen.<br />

2.2. Ausnahme: Begrenzte „Entsendung“ von Arbeitnehmern bis 12 Monate!<br />

Wichtigste Ausnahme ist die Möglichkeit, weiterhin dem System der sozialen Sicherheit des<br />

Staates anzugehören, in dem das Unternehmen gewöhnlich tätig ist (sogenannter Entsendestaat),<br />

wenn der Arbeitnehmer von diesem Unternehmen in einen anderen Mitgliedstaat (sogenannter<br />

Beschäftigungsstaat) für einen Zeitraum entsandt wird, der von Anfang an begrenzt<br />

ist (auf höchstens 12 Monate), vorausgesetzt, dass bestimmte Bedingungen erfüllt<br />

sind, auf die nachstehend näher eingegangen werden soll.<br />

Diese Sachverhalte, besser bekannt als „Entsendung“ von Arbeitnehmern, sind in Artikel 14<br />

Absatz 1 und Artikel 14b Absatz 1 der Verordnung geregelt. Sie bewirken im Grunde eine<br />

Befreiung von der Zahlung von Versicherungsbeiträgen im Beschäftigungsstaat.<br />

3 - SELBSTÄNDIGE, DIE VORÜBERGEHEND EINE TÄTIGKEIT<br />

IN EINEM ANDEREN ALS DEM EIGENEN MITGLIEDSTAAT AUSÜBEN.<br />

Auch Selbständige, die ihre Tätigkeit für höchstens 12 Monate (verlängerbar um weitere 12<br />

Monate) in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ausüben wollen, in dem sie dieser<br />

Tätigkeit gewöhnlich nachgehen, können weiterhin dem Versicherungssystem des letztgenannten<br />

Staates angehören.<br />

Ein solcher Sachverhalt kann zwar formal nicht als „Entsendung“ bezeichnet werden, ist jedoch<br />

in den Artikeln 14a Absatz 1 und 14b Absatz 2 der Verordnung geregelt, da die wichtigsten<br />

Merkmale der Entsendung zutreffen.<br />

2


4 - MERKMALE DER ENTSENDUNG VON ARBEITNEHMERN<br />

Nach den oben genannten Bestimmungen der Verordnung gilt ein Arbeitnehmer als ordnungsgemäß<br />

entsandt, wenn das Unternehmen, das in einem Mitgliedstaat tätig ist und bei<br />

dem dieser Arbeitnehmer gewöhnlich beschäftigt ist, ihn in einen anderen Mitgliedstaat entsendet,<br />

um dort für Rechnung dieses Unternehmens einer Tätigkeit nachzugehen. Die voraussichtliche<br />

Dauer dieser Tätigkeit darf zwölf Monate nicht überschreiten. Es ist weiters<br />

nicht erlaubt, den Arbeitnehmer als Ersatz für einen anderen Arbeitnehmer - nach Ablauf<br />

des Entsendezeitraums dieses anderen Arbeitnehmers - zu entsenden.<br />

Unverzichtbare Merkmale der Entsendung:<br />

♦ Befristung der Entsendung<br />

♦ Durch die Entsendung darf kein anderer Arbeitnehmer ersetzt werden<br />

♦ Aufrechterhaltung des Unterordnungsverhältnisses zum entsendenden Unternehmen<br />

während der gesamten Entsendung<br />

♦ Die Tätigkeit muss auf Rechnung und im Interesse dieses Unternehmens verrichtet werden<br />

Achtung: Diese Punkte sorgen für die häufigsten Auslegungs- und Anwendungsprobleme!<br />

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs - an die sich der Beschluss Nr. 181<br />

anlehnt - sind diese Merkmale als gegeben anzusehen, wenn für die gesamte Entsendedauer<br />

zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem entsandten Arbeitnehmer auch weiterhin<br />

eine arbeitsrechtliche Bindung besteht.<br />

5 - WANN BESTEHT ZWISCHEN DEM ENTSENDENDEN UNTERNEHMEN UND<br />

DEM ENTSANDTEN ARBEITNEHMER EINE ARBEITSRECHTLICHE BINDUNG?<br />

Diesbezüglich gibt es bestimmte Anhaltspunkte, die sich aus einer Auslegung der Rechtsvorschriften<br />

und der europäischen Rechtsprechung sowie aus der täglichen Praxis ableiten<br />

lassen. Die Aufrechterhaltung der arbeitsrechtlichen Bindung zwischen entsendendem<br />

Unternehmen und entsandtem Arbeitnehmer ist gegeben, wenn<br />

♦ die arbeitsrechtliche Bindung zwischen den gleichen Personen fortbesteht, nach deren<br />

übereinstimmenden Willen der Arbeitsvertrag geschlossen wurde, der zur Einstellung<br />

geführt hat,<br />

♦ ausschließlich das entsendende Unternehmen berechtigt ist, den Arbeitsvertrag durch<br />

Kündigung aufzulösen,<br />

♦ das entsendende Unternehmen die Art der vom entsandten Arbeitnehmer auszuübenden<br />

Tätigkeit bestimmt, wobei die Befugnis gemeint ist, allgemein darüber zu entscheiden,<br />

welches Endprodukt gefertigt bzw. welche Dienstleistung grundsätzlich erbracht wird<br />

(Details der Arbeitsverrichtung sind hier nicht gemeint).<br />

♦ das Unternehmen, das den Arbeitsvertrag geschlossen hat, für das Entgelt einstehen<br />

muss - unabhängig davon, wer tatsächlich die Auszahlung des Arbeitsentgelts vornimmt.<br />

3


6 - ARBEITNEHMER, DIE ZUM ZWECK DER ENTSENDUNG IN EINEN<br />

ANDEREN MITGLIEDSTAAT EINGESTELLT WERDEN<br />

Hier handelt es sich um einen Fall, der hauptsächlich Zeitarbeitsunternehmen betrifft und der<br />

aufgrund seiner Besonderheit zu einer Reihe von rechtswidrigen Anwendungen und Missbräuchen<br />

führen kann (Stichwort „Briefkastenfirmen“).<br />

Das entsendende Unternehmen muss unter anderem „gewöhnlich eine nennenswerte Geschäftstätigkeit<br />

im Gebiet“ des Entsendestaates ausüben (Beschluss Nr. 181, der sich diesbezüglich<br />

an den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs orientiert).<br />

Bei der Ausübung rein interner Verwaltungstätigkeiten im Entsendestaat kommen die Entsendungsvorschriften<br />

nicht zur Anwendung.<br />

Ob eine „nennenswerte Geschäftstätigkeit“ im Entsendestaat besteht oder nicht, ist anhand<br />

einer Reihe objektiver Kriterien nachprüfbar.<br />

Unter diesen objektiven Kriterien, bei denen auch stets die Art der verrichteten Tätigkeit<br />

Rechnung zu tragen ist und die deshalb nicht erschöpfend sein können, kommt den folgenden<br />

ein besonderer Stellenwert zu:<br />

♦ Ort, an dem das entsendende Unternehmen seinen Sitz und seine Verwaltung hat;<br />

♦ Übereinstimmende Struktur des Personalbestands des entsendenden Unternehmens im<br />

Entsendestaat und im Beschäftigungsstaat (befindet sich im Entsendestaat ausschließlich<br />

Verwaltungspersonal, ist an sich bereits ausgeschlossen, dass das Unternehmen<br />

unter die Entsendevorschriften fällt).<br />

♦ Ort, an dem die entsandten Arbeitnehmer eingestellt werden;<br />

♦ Ort, an dem der Großteil der Verträge mit den Kunden geschlossen wird;<br />

♦ Recht, dem die Verträge unterliegen, die das entsendende Unternehmen mit seinen Arbeitnehmern<br />

bzw. mit seinen Kunden schließt;<br />

♦ der vom entsendenden Unternehmen erzielte Umsatz während eines hinreichend charakteristischen<br />

Zeitraums im Entsendestaat und im Beschäftigungsstaat. Beispielsweise<br />

könnte ein Umsatz in Höhe von 25% des Gesamtumsatzes ein hinreichender Anhaltspunkt<br />

sein (Fälle, in denen der Umsatz weniger als 25% beträgt, sind einer Einzelprüfung<br />

zu unterziehen);<br />

♦ Die Unternehmen müssen ihre Geschäftstätigkeit in diesem (Entsende- bzw. Beschäftigungs-)<br />

Staat seit einer gewissen Zeit ausüben. Dieser Anforderung genügt jedenfalls eine<br />

Geschäftstätigkeit von mindestens 4 Monaten; darunter wird die Bewertung unter Berücksichtigung<br />

aller übrigen Faktoren von Fall zu Fall vorgenommen.<br />

7 - WAS GESCHIEHT, WENN EIN ARBEITNEHMER ENTSANDT WIRD, UM<br />

FÜR MEHRERE UNTERNEHMEN ZU ARBEITEN?<br />

Wenn ein entsandter Arbeitnehmer nacheinander oder gleichzeitig für mehrere Unternehmen<br />

4


desselben Beschäftigungsstaates oder nacheinander in verschiedenen Beschäftigungsstaaten<br />

tätig ist, bedeutet das nicht, dass die Entsendevorschriften keine Anwendung finden!<br />

Maßgeblich ist auch in diesen Fällen, ob die Arbeit auch weiterhin für Rechnung und damit<br />

im Interesse des entsendenden Unternehmens verrichtet wird.<br />

Es muss also stets überprüft werden, ob für die gesamte Dauer der Entsendung die<br />

arbeitsrechtliche Bindung, auf deren wichtigsten Merkmale weiter oben bereits näher eingegangen<br />

wurde, zwischen entsandtem Arbeitnehmer und entsendendem Unternehmen<br />

fortbesteht und aufrechterhalten wird.<br />

8 - SITUATIONEN, IN DENEN DIE ENTSENDEVORSCHRIFTEN AUF<br />

KEINEN FALL ANWENDUNG FINDEN<br />

Mindestens vier Situationen sind denkbar, in denen aufgrund der geltenden Bestimmungen<br />

die Anwendung der Entsendevorschriften von vornherein ausgeschlossen ist:<br />

♦ Das Unternehmen, zu dem der Arbeitnehmer entsandt wird, überlässt diesen einem anderen<br />

Unternehmen in dem Mitgliedstaat, in dem es ansässig ist;<br />

♦ Das Unternehmen, zu dem der Arbeitnehmer entsandt wird, überlässt diesen einem Unternehmen<br />

in einem anderen Mitgliedstaat;<br />

♦ Der Arbeitnehmer wird in einem Mitgliedstaat eingestellt, um von einem Unternehmen,<br />

das in einem zweiten Mitgliedstaat ansässig ist, zu einem Unternehmen in einem dritten<br />

Mitgliedstaat entsandt zu werden;<br />

♦ Der Arbeitnehmer wird in einem Mitgliedstaat von einem Unternehmen eingestellt, das in<br />

einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, um eine Tätigkeit im ersten Mitgliedstaat auszuführen.<br />

Es liegt auf der Hand, warum in diesen Fällen eine Entsendung ausdrücklich ausgeschlossen<br />

ist: die durch solche Sachverhalte begründeten Beziehungen sind äußerst komplex und<br />

bieten keinerlei Garantie für die Aufrechterhaltung der arbeitsrechtlichen Bindung zwischen<br />

Arbeitnehmer und entsendendem Unternehmen; außerdem stehen sie in deutlichem Gegensatz<br />

zum grundlegenden Ziel der Entsendevorschriften – der Vermeidung von verwaltungstechnischen<br />

Komplikationen und von Unterbrechungen des Versicherungsverlaufs.<br />

9 - SIND FÜR SELBSTÄNDIGE BEI DER ANWENDUNG DER<br />

ENTSENDEVORSCHRIFTEN GRENZEN GESETZT?<br />

Bei einem Selbständigen, der vorübergehend eine (selbständige oder unselbständige) Tätigkeit<br />

in einem anderen als dem Mitgliedstaat ausüben möchte, in dem er gewöhnlich tätig ist,<br />

muss bei der Überprüfung des Fortbestands der Voraussetzungen von anderen objektiven<br />

Kriterien ausgegangen werden als von denjenigen, die für Arbeitnehmer gelten:<br />

Aus den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ergeben sich hierfür folgende Prüfkriterien:<br />

5


♦ Der Selbständige hat vor seiner Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat eine bestimmte<br />

Zeit lang im Mitgliedstaat der Niederlassung eine „nennenswerte Geschäftstätigkeit“<br />

(vgl. Abschnitt 6) ausgeübt;<br />

♦ Der Selbständige ist in der Lage – ggf. durch Vorlage der entsprechenden Verträge –<br />

nachzuweisen, dass er tatsächlich vorübergehend im Rahmen der Entsendung<br />

Tätigkeiten verrichten wird;<br />

♦ Der Selbständige erfüllt während der vorübergehenden Tätigkeit in einem anderen als<br />

dem Niederlassungsstaat dort weiterhin die Voraussetzungen, die es ihm gestatten, seine<br />

selbständige Tätigkeit bei seiner Rückkehr wieder aufzunehmen (z. B. Unterhaltung<br />

von Geschäftsräumen oder einer anderen beruflichen Infrastruktur, fortlaufende Entrichtung<br />

von Sozialversicherungsbeiträgen; Zahlung von Steuern, Beibehaltung der Umsatzsteuernummer,<br />

Eintragung in einem Berufsverband und/oder bei der Wirtschaftskammer<br />

usw.).<br />

Diese Auflistung ist nicht vollständig, da angesichts des weiten Spektrums der in Frage<br />

kommenden Berufe die Zahl der zu prüfenden Indikatoren viel höher ausfallen oder aber<br />

völlig irrelevant sein kann (man denke etwa an Informatiker oder Übersetzer).<br />

Daher muss in diesem Bereich jeder Fall einzeln - ohne übertriebenen Formalismus - geprüft<br />

werden.<br />

10 - DIE ENTSENDEBESCHEINIGUNG FÜR DIE ERSTEN 12 MONATE<br />

Bei Entsendungen in andere Mitgliedstaaten muss eine "Bescheinigung über die anzuwendenden<br />

Rechtsvorschriften" (Vordruck E 101) ausgestellt werden. Zu diesem Zweck<br />

wendet sich das entsendende Unternehmen (oder der Arbeitnehmer bzw. der Selbständige)<br />

an den örtlich zuständigen Sozialversicherungsträger in dem Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen<br />

seinen Sitz hat (oder wo der Selbständige normalerweise tätig ist).<br />

Damit wird bescheinigt, dass der Arbeitnehmer (oder Selbständige) den Rechtsvorschriften<br />

des Entsendestaates unterliegt und folglich von der Anwendung der Rechtsvorschriften des<br />

Beschäftigungsstaats zu befreien ist.<br />

Der Vordruck E 101 muss rechtzeitig vor Beginn des Entsendezeitraums beantragt werden<br />

und ist höchstens 12 Monate lang gültig.<br />

Dieser Vordruck kann auch ausnahmsweise während oder innerhalb einer angemessenen<br />

Frist nach Ablauf des Entsendezeitraums ausgestellt werden.<br />

Verlängerung der Entsendebescheinigung:<br />

Sobald für einen Erwerbstätigen die Dauer der Erstentsendung abgelaufen ist, kann ein<br />

weiterer Entsendezeitraum für denselben Arbeitnehmer, dieselben Unternehmen und dieselben<br />

Mitgliedstaaten erst nach Ablauf von mindestens zwei Monaten nach Ende des vorherigen<br />

Entsendezeitraums gewährt werden. Unter besonderen Gegebenheiten kann allerdings<br />

von diesem Grundsatz abgewichen werden.<br />

Der entsandte Arbeitnehmer und das entsendende Unternehmen müssen jederzeit in der<br />

Lage sein, den Vordruck E 101 vorzulegen, damit die Versicherungsaufsichtsbehörden der<br />

betroffenen Staaten die notwendigen Kontrollen durchführen können.<br />

6


Die Vordrucke E 101 (wie auch die Vordrucke E 102, auf die im Zusammenhang mit der<br />

Verlängerung der Entsendung noch eingegangen wird) sind auch nach Ablauf des Entsendezeitraums<br />

noch aufzubewahren.<br />

Damit der entsandte Arbeitnehmer für sich sowie für seine Familienangehörigen Leistungen<br />

bei Krankheit und Mutterschaft im Beschäftigungsstaat erhält, muss vom zuständigen Sozialversicherungsträger<br />

des Entsendestaates eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt<br />

werden. Diese ist entweder der Vordruck E 106 (falls der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt<br />

in den Beschäftigungsstaat verlegt wurde) oder die Europäische Krankenversicherungskarte<br />

bzw. eine provisorische Bescheinigung über den Ersatz der Europäischen Krankenversicherungskarte<br />

(falls der Arbeitnehmer weiterhin im Entsendestaat wohnt).<br />

Falls nicht auf das Entsendeverfahren zurückgegriffen werden kann, müssen sich die betroffenen<br />

Unternehmen und/oder Erwerbstätigen an die örtlich zuständigen Sozialversicherungsträger<br />

im Beschäftigungsstaat wenden, um sich bei der Versicherung des Beschäftigungsstaats<br />

entsprechend anzumelden.<br />

11 - BEI ENTSENDUNGEN VON HÖCHSTENS DREI MONATEN:<br />

VEREINFACHTES VERFAHREN<br />

Entsendungen sind generell auf 12 Monate beschränkt. In vielen Fällen müssen Unternehmen<br />

ihre Arbeitnehmer jedoch nur auf sehr kurze Geschäftsreisen ins Ausland schicken.<br />

Bei Entsendungen, die maximal drei Monate dauern, kann ein vereinfachtes Verfahren angewandt<br />

werden (Beschluss Nr. 148 4 der Verwaltungskommission) .<br />

Nach diesem Verfahren stellen die zuständigen Sozialversicherungsträger des Entsendestaates<br />

auf Antrag der betroffenen Unternehmen vorsorglich einen entsprechenden Bestand<br />

an Vordrucken E 101 aus, in denen das letzte Feld bereits ausgefüllt ist (Name der zuständigen<br />

Stelle mit Anschrift, Stempel, Datum und Unterschrift), versehen mit einer laufenden<br />

Nummer und gekennzeichnet mit dem entsprechenden Aufdruck „Entsendung von bis zu<br />

drei Monaten gemäß dem Beschluss Nr. 148 der Verwaltungskommission der Europäischen<br />

Gemeinschaften vom 25. Juni 1992“.<br />

Wird dieser Vordruck tatsächlich verwendet, füllt ihn das entsendende Unternehmen vollständig<br />

aus und händigt eine Ausfertigung dem Arbeitnehmer sowie eine weitere binnen 24<br />

Stunden dem örtlich zuständigen Sozialversicherungsträger aus, der ihn – nach Durchführung<br />

der einschlägigen Kontrollen – zu den Akten nimmt 5 .<br />

4 Beschluss Nr. 148 der Verwaltungskommission vom 25. Juni 1992 über die Verwendung<br />

der Bescheinigung über die geltenden Rechtsvorschriften (E 101) bei der Entsendung<br />

bis zu drei Monaten, ABl. L 022 vom 30.1.1993)<br />

5 Finnland wendet dieses Verfahren nicht an. Es benutzt ein spezielles elektronisches<br />

Verfahren.<br />

12 - VERLÄNGERUNG DER ENTSENDUNG FÜR WEITERE 12 MONATE<br />

Falls sich die Entsendung unvorhergesehen auf mehr als die ursprünglichen 12 Monate<br />

7


erstrecken sollte, muss sich der Arbeitgeber (bzw. der Selbständige) rechtzeitig vor Ablauf<br />

der ersten 12 Monate der Entsendung an die zuständigen Behörden des Beschäftigungsstaates<br />

wenden, um die notwendige Genehmigung für die Verlängerung zu beantragen.<br />

Hierzu sind für jeden betroffenen Erwerbstätigen vier Exemplare des Vordrucks E 102 auszustellen,<br />

in dem alle Felder des Teils A ausgefüllt sein müssen.<br />

Um festzustellen, welche Behörden bzw. Sozialversicherungsträger in den einzelnen Mitgliedstaaten<br />

für die Genehmigung der Verlängerung der Entsendung zuständig sind, wird auf<br />

das beiliegende Verzeichnis verwiesen.<br />

Nach Durchführung der üblichen Kontrollen und nach Bewilligung der Beibehaltung des Versicherungssystems<br />

des Entsendestaats, füllt die zuständige Behörde oder die bezeichnete<br />

Stelle des Beschäftigungsstaates Teil B des Vordrucks E 102 aus und überlässt dem Arbeitgeber<br />

zwei Ausfertigungen davon; dieser wiederum händigt dem betroffenen Arbeitnehmer<br />

eine Ausfertigung davon aus.<br />

Auch die Vordrucke E 102 sind – unter anderem von dem Betroffenen - sorgfältig aufzubewahren<br />

und auf Verlangen den Aufsichtsbehörden vorzuweisen.<br />

13 - WAS GESCHIEHT, WENN DIE ENTSENDUNG AUS TRIFTIGEN GRÜNDEN<br />

VORAUSSICHTLICH LÄNGER ALS 12 MONATE DAUERN WIRD?<br />

Wenn abzusehen ist, dass die Entsendung länger als 12 Monate dauern wird, kann der Arbeitgeber,<br />

der Arbeitnehmer oder der Selbständige auf das Verfahren nach Artikel 17 der<br />

Verordnung zurückgreifen. Dazu muss sich der Arbeitgeber/Arbeitnehmer oder der Selbständige<br />

an das zuständige Ministerium des Staates wenden, dessen Rechtsvorschriften<br />

weiterhin gelten sollen und den Abschluss einer Vereinbarung gemäß Artikel 17 der Verordnung<br />

zwischen dieser Behörde und derjenigen des anderen betroffenen Mitgliedstaats beantragen.<br />

Dem Antrag wird ein entsprechender Bericht beigefügt, in dem die Gründe für die Antragstellung<br />

angemessen dargelegt werden (gemäß Empfehlung 166). Der Antrag sollte rechtzeitig<br />

gestellt werden, da sich der Abschluss durch Schwierigkeiten oder Einwände, die der<br />

Beschäftigungsstaat eventuell geltend macht, verzögern kann. In Ausnahmefällen kann der<br />

Antrag auch rückwirkend gestellt werden.<br />

Wurde mit der Behörde des Beschäftigungsstaates eine Vereinbarung getroffen, stellt die<br />

Behörde des Entsendestaates, bei welcher der Antrag gestellt wurde, die Bescheinigung<br />

E 101 aus oder setzt das antragstellende Unternehmen sowie den zuständigen Sozialversicherungsträger<br />

von dieser Vereinbarung in Kenntnis. Nach Eingang der behördlichen Mitteilung<br />

stellt der Sozialversicherungsträger für jeden Arbeitnehmer einen Vordruck E 101 in<br />

zweifacher Ausfertigung aus, wovon einer dem Unternehmen und einer dem Arbeitnehmer<br />

ausgehändigt wird.<br />

In diesen Fällen wird vom zuständigen Sozialversicherungsträger nicht nur das Kästchen für<br />

Artikel 17 angekreuzt, sondern unter den Nummern 5.2 und/oder 5.3 auch die gesamte Zeitdauer<br />

eingetragen, auf die sich die getroffene Vereinbarung erstreckt. Ebenfalls einzutragen<br />

sind die wichtigsten Angaben aus der Mitteilung, mit der die zuständige Behörde bzw. die<br />

bezeichnete Stelle des Beschäftigungsstaats bewilligt hat, dass für den Betroffenen weiterhin<br />

die Rechtsvorschriften des Entsendestaates gelten.<br />

Das Original dieser Mitteilung, das dem entsendenden Unternehmen vorliegt, muss an das<br />

Unternehmen geschickt werden, zu dem der Arbeitnehmer entsandt wird. Dadurch kann je<br />

8


derzeit die Rechtmäßigkeit der Befreiung vom Sozialversicherungsrecht des Mitgliedstaats,<br />

in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, nachgewiesen und somit auch die Nichtzahlung der gesetzlich<br />

vorgeschriebenen Beiträge gerechtfertigt werden.<br />

6 Empfehlung Nr. 16 der Verwaltungskommission vom 12. Dezember 1984 zum Abschluss<br />

von Vereinbarungen aufgrund des Artikels 17 der Verordnung (EWG) Nr.<br />

1408/71 des Rates (ABl. C 273 vom 24.10.1985).<br />

14 - AUSSETZUNG UND UNTERBRECHUNG DES ENTSENDEZEITRAUMS<br />

Die vorübergehende Aussetzung der Tätigkeit während des Entsendezeitraums – gleich aus<br />

welchen Gründen (Urlaub, Krankheit, Lehrgänge beim entsendenden Unternehmen usw.) –<br />

stellt keine Unterbrechung der Entsendung dar, die eine Verlängerung der Entsendung um<br />

denselben Zeitraum rechtfertigen würde. Der Entsendezeitraum endet genau zum geplanten<br />

Termin, unabhängig von der Zahl und der Dauer der Ereignisse, die zu einer Aussetzung der<br />

Tätigkeit geführt haben.<br />

Somit dürfen keine missbräuchlichen Verlängerungen des Entsendezeitraums mittels wiederholter<br />

kurzzeitiger Unterbrechungen genehmigt werden.<br />

Falls die Entsendung des Arbeitnehmers nicht tatsächlich erfolgt ist oder dieser von der<br />

Verlängerungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, sowie im Fall der Unterbrechung<br />

der Entsendung vor dem geplanten Ablaufdatum, sind der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber<br />

verpflichtet, den Sozialversicherungsträger des Entsendestaates davon in Kenntnis zu setzen.<br />

Das Gleiche gilt, falls der Arbeitnehmer während der Dauer seiner Entsendung in ein anderes<br />

Unternehmen in seinem Herkunftsstaat versetzt wird, etwa im Fall der Übertragung oder<br />

des Verkaufs des Unternehmens oder eines Zusammenschlusses mit einem anderen Unternehmen.<br />

15 - AUSKUNFTSPFLICHT UND ÜBERPRÜFUNG DER RECHTMÄSSIGKEIT VON<br />

ENTSENDUNGEN: ROLLE DER VERWALTUNGSKOMMISSION BEI MEINUNGS-<br />

VERSCHIEDENHEITEN ZWISCHEN DEN SOZIALVERSICHERUNGSTRÄGERN<br />

Um die ordnungsgemäße Nutzung der Entsendung zu gewährleisten, sind dafür eigens erstellte<br />

Broschüren (oder andere Unterlagen) zu erstellen und dem Arbeitgeber und dem entsandten<br />

Arbeitnehmern auszuhändigen. Verpflichtet dazu ist der zuständige Sozialversicherungsträger<br />

des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften für die Arbeitnehmer weiter gelten.<br />

Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass möglicherweise Kontrollen vorgenommen<br />

werden, bei denen überprüft wird, ob die Voraussetzungen für die Entsendung weiterhin<br />

gegeben sind.<br />

Die zuständigen Sozialversicherungsträger des Niederlassungsstaates müssen Selbständige,<br />

die vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat eine Tätigkeit ausüben, ebenfalls entsprechend<br />

informieren.<br />

9


Die zuständigen Sozialversicherungsträger des Entsendestaates und des Beschäftigungsstaates<br />

gewährleisten, dass Behinderungen der Freizügigkeit und des freien Dienstleistungsverkehrs<br />

vermieden werden. Sie ergreifen jedoch auch einzeln oder gemeinsam jede<br />

mögliche Initiative, um zu überprüfen, ob die für die Entsendung maßgeblichen Voraussetzungen<br />

erfüllt sind und auch fortbestehen (arbeitsrechtliche Bindung, Ausübung einer nennenswerten<br />

Geschäftstätigkeit im Entsendestaat, Aufrechterhaltung der für die Ausübung<br />

einer selbständigen Tätigkeit erforderlichen Infrastruktur im Niederlassungsstaat usw.).<br />

Falls diese Kontrollen Zweifel an der Richtigkeit der Entsendung und/oder an der gültigen<br />

und ordnungsgemäßen Ausstellung der Vordrucke E 101 aufkommen lassen und keine Vereinbarung<br />

zwischen den genannten Sozialversicherungsträgern zustande kommt, kann jeder<br />

dieser Sozialversicherungsträger der Verwaltungskommission über seinen Regierungsvertreter<br />

eine entsprechende Aufzeichnung zukommen lassen. Um die strittigen Punkte im<br />

Rahmen einer Schlichtung zu klären, prüft die Verwaltungskommission die Aufzeichnung in<br />

der ersten Sitzung, die auf den zwanzigsten Tag nach dem Eingang der Aufzeichnung folgt.<br />

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