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16vor.de | 10.2.2013 Mut zur Herz-Schmerz-Operette - Theater Trier

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Kálmán wur<strong>de</strong> 1933 von <strong>de</strong>n Nationalsozialisten auf die Liste unerwünschter<br />

Komponisten gesetzt. Obwohl 1934 über seine Werke in Deutschland ein<br />

Aufführungsverbot verhängt wur<strong>de</strong>, erschien noch im selben Jahr eine Verfilmung<br />

seiner “Czárdásfürstin”. Kálmán war wie seine Librettisten Brammer und Grünwald<br />

bis zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich (1938) in Wien tätig. Als<br />

Ju<strong>de</strong>n mussten dann alle drei emigrieren.<br />

Kálmáns bekannteste Werke greifen stark auf die Zigeunermusik <strong>zur</strong>ück. Der heute<br />

wegen Political Correctness verpönte Ausdruck “Zigeuner” ist bei Kálmán<br />

unvermeidlich: So hieß eine seiner ersten Erfolgsoperetten “Der Zigeunerprimas”,<br />

und auch in <strong>de</strong>r “Mariza” gibt es die berühmten Lie<strong>de</strong>rtexte “Komm Zigány” o<strong>de</strong>r<br />

“Höre ich Zigeunerklänge”. Gottlob hat man am <strong>Trier</strong>er <strong>Theater</strong> nicht umgetextet und<br />

nur im Programmheft statt von “Zigeunern” von <strong>de</strong>n “Gemeinschaften <strong>de</strong>r Roma”<br />

gesprochen. Musikalisch enthält die “Mariza” eine abwechslungsreiche Mixtur aus<br />

“Zigeunerklängen” und wienerischem Melos, angereichert auch mit neuerer<br />

Tanzmusik.<br />

Die Inszenierung besorgte Klaus-Dieter Köhler, in <strong>Trier</strong> seit langem bekannt – in<br />

früheren Jahren unter an<strong>de</strong>ren als Oberspielleiter <strong>de</strong>s Schauspiels und Stellvertreter<br />

<strong>de</strong>s Intendanten. Als nunmehriger Freiberufler arbeitet er in Schauspiel,<br />

Jugendtheater, Revuen, Musicals und eben auch <strong>Operette</strong>. Für <strong>Trier</strong> hat er unter<br />

an<strong>de</strong>rem mehrere <strong>Operette</strong>n inszeniert, zuletzt 2010 <strong>de</strong>n “Graf von Luxemburg”.<br />

Bei <strong>Operette</strong>ninszenierungen ist es ein gängiges Problem, dass sich die meisten<br />

Regisseure für das “altmodische” und “kitschige” Genre genieren und die Stücke bis<br />

<strong>zur</strong> Unkenntlichkeit “bearbeiten”. Beson<strong>de</strong>rs zu fürchten sind historisch-politische<br />

Reminiszenzen, so etwa Erinnerungen an die (Gestapo-)Verfolgung <strong>de</strong>r jüdischen<br />

Autoren. Köhler hat mit Recht <strong>de</strong>n Unterhaltungscharakter betont und nur eine<br />

passable Distanzierung vorgenommen. Er stellt das Stück in eine Rahmenhandlung,<br />

die <strong>de</strong>r Filmkomödie “Nachts im Museum” entspricht: Ein Museumsbesucher wird<br />

versehentlich eingeschlossen und erlebt <strong>zur</strong> “Geisterstun<strong>de</strong>”, dass Statuen von ihren<br />

Po<strong>de</strong>sten herabsteigen und die Geschichte rund um Gräfin Mariza darbieten. Trotz<br />

dieser meines Erachtens durchaus entbehrlichen Rahmenhandlung bekennt sich<br />

Köhler im Kern <strong>zur</strong> <strong>Herz</strong>-<strong>Schmerz</strong>-<strong>Operette</strong> – und das ist gut so, an<strong>de</strong>rnfalls soll man<br />

überhaupt die Hän<strong>de</strong> von solchen Werken lassen.<br />

Bei überzeugen<strong>de</strong>r Personenführung gibt es zahlreiche mehr o<strong>de</strong>r weniger witzige<br />

Zutaten, die zum Großteil beim Publikum gut ankommen. So wird (mit<br />

Textanpassungen) viel aus an<strong>de</strong>ren <strong>Operette</strong>n zitiert, etwa <strong>de</strong>r Kellner Sigismund<br />

aus <strong>de</strong>m “Weißen Rössl” o<strong>de</strong>r Zsupáns “Schweinespeck” aus <strong>de</strong>m “Zigeunerbaron”;<br />

auch wird – <strong>de</strong>m Schauplatz Transsylvanien gemäß – <strong>de</strong>r Dracula-Mythos bedient.<br />

Das Bühnenbild (Thomas Gruber) und die Kostüme (José Manuel Vazquez und<br />

Carola Vollath) sind üppig und dabei geschmackvoll.<br />

Die musikalische Leitung liegt in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s neuen <strong>Trier</strong>er Ersten<br />

Kapellmeisters Joongbae Jee – keine leichte Aufgabe für <strong>de</strong>n Einstand! Die <strong>Operette</strong><br />

wird in ihren musikalischen Schwierigkeiten oft unterschätzt. Das Ergebnis ist<br />

achtbar. Von <strong>de</strong>r Gestaltung her ist <strong>de</strong>m Dirigenten zuzustimmen, dass er<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei <strong>de</strong>n gefühlvollen Stellen recht mäßige Tempi wählt, freilich erhöht<br />

das die Anfor<strong>de</strong>rungen an die Sänger. Solisten, Orchester und <strong>de</strong>r anspruchsvolle<br />

Chor wer<strong>de</strong>n gut koordiniert.

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