Judith Buber Agassi, Buber, 1

Judith Buber Agassi, Buber, 1 Judith Buber Agassi, Buber, 1

02.11.2013 Aufrufe

Judith Buber Agassi, Buber, 1 Judith Buber Agassi Universalismus und Partikularismus in Martin Buber's Weltauffassung. Mein Thema ist eine Schilderung Martin Bubers Einstellung zum Problem von Universalismus und Partikularismus. Das Problem des Widerspruchs zwischen dem Universalen und dem Partikul?ren stammt in seiner ganzen Schrfe aus der klassischen griechischen Philosophie. Das Universale ist die Physis, die Gesetze der Natur, die allgemein g?ltig sind; das Partikul?re ist der Nomos, die Gesetze der Menschen, die von Stamm zu Stamm, von K?nigreich zu K?nigreich, von Polis zu Polis verschieden sind. Die meisten Menschen leben nur im Partikul?ren, sehen die Gesetze ihres Landes als die einzig wahren an, sprechen von "Wir" und "Sie", und "Sie", das sind alle die Anderen. So betrachteten die Hellenen alle Nicht-Hellenen als Barbaren, Fremde, Minderwertige und auch als potentielle Feinde. Die radikale Antwort der Philosophen war die Ablehnung aller lokalen, partikul?ren Gesetze und auch aller lokalen religi?sen Bruche und Glauben, als nur auf Konvention beruhend, und die Annahme der Einheit der Menschheit und einer universalen menschlichen Natur. Alexander der Grosse hatte den Traum eines friedlichen universalen Imperiums mit einer in der hellenistischen Hochkultur vereinigten Gesellschaft; sein Traum scheiterte schon mit seinem Tode. Eine der drei Dynastien, die ihn beerbten, die syrischen Seleukiden, versuchten ihren einheitlichen orientalischhellenistischen Kaiserkult den V?lkern ihres Imperiums aufzuzwingen, und die Lokalreligionen und autonomen Gesetze gewaltsam abzuschaffen. Einer der Resultate dieser Politik war der Makaberaufstand, der den geistigen F?hrern des post-Babylonischen Judea unter der von ihnen ungeliebten j?dischen Dynastie der Hasmoner eine Atempause von 200 Jahren gab, in der sie an der Kodifizierung der Bibel und der Entwicklung der "M?ndlichen Lehre" arbeiteten. Das Christentum machte den Anspruch auf die universale G?ltigkeit aller seiner Lehren, nicht nur der Glaubenslehren, sondern auch solcher ?ber die Natur, inklusive der menschlichen Natur, und der Regelung der Gesellschaftsordnung, mit dem Ziel wom?glich alle Nicht-Christen eventuell zu bekehren; Abweichungen von den Lehren der Kirche und R?ckflligkeit - besonders bei den Zwangsbekehrten - wurden als Ketzerei verfolgt. Doch schon die fr?he Abspaltung der ?stlichen Kirche, der Siegeszug des Islam, die Machtkmpfe des Papsts mit christlichen Kaisern und Prinzen und schliesslich die Reformation und die Gr?ndung der Nationalkirchen, ersch?tterten diesen Anspruch auf Universalit?t. Die "philosophes" der Aufklrungsbewegung des 18. Jahrhunderts, die im Namen der universalen Vernunft sprachen, hielten die partikul?ren Gesetze, Gebruche, und Institutionen - wie z.B. erbliche Monarchie, Aristokratie, Kirche - nicht nur f?r Konventionen, sondern f?r eine absichtliche Verdummung der Massen, zwecks ihrer Ausn?tzung, und all ihre Dogmen f?r Lug und Trug; die Priester hielten sie f?r die schlimmsten Volksverdummer. Sie erstrebten die Abschaffung aller Standes- und klerikalen Privilegien, und erhofften das Ende aller sogenannten Offenbarungs-Religionen. Die meisten waren jedoch keine Atheisten sondern hoch moralische Deisten. Manche - wie z.B. Rousseau, wollten auch alle lokalem Institutionen als zu partikul?r verbieten; an ihre Stelle treten fuer Rousseau die Regierung durch den "Allgemeinen Willen" und eine "Zivilreligion"; f?r seinen Sch?ler Robespierre wurden dies dann der Revolutionsausschuss und der Kult der G?ttin der Vernunft. Als Reaktion auf die Aufklrungsbewegung und die recht traurigen Resultate der franz?sischen Revolution, kam die Bewegung der Romantik, die Verherrlichung der Vergangenheit, der Geschichte. der Tradition, des Sentiments, die Feier des Partikul?ren, des Volkst?mlichen und des Nationalismus; die Romantik erklrte die Forderung nach universalen Menschenrechten, die Parolen von Freiheit, Gleichheit und Br?derlichkeit f?r leere und gefhrliche Abstraktionen. Diese "Kosmopoliten" sind "heimatlose Gesellen". Die Emanzipation der Juden, also ihre unbedingte b?rgerliche Gleichberechtigung, die unter dem Einfluss der Aufklrung begonnen hatte, wurde wieder eingeschrnkt oder verschoben. Gew?hnlich musste, wer als voller Volksb?rger anerkannt werden wollte, sich aller besonderen Eigenschaftem, Lebens- und Denkweisen, die von denen der nationalen Mehrheitsbev?lkerung abwichen, entledigen - d.h., also

<strong>Judith</strong> <strong>Buber</strong> <strong>Agassi</strong>, <strong>Buber</strong>, 1<br />

<strong>Judith</strong> <strong>Buber</strong> <strong>Agassi</strong><br />

Universalismus und Partikularismus in Martin <strong>Buber</strong>'s Weltauffassung.<br />

Mein Thema ist eine Schilderung Martin <strong>Buber</strong>s Einstellung zum Problem von<br />

Universalismus und Partikularismus.<br />

Das Problem des Widerspruchs zwischen dem Universalen und dem Partikul?ren<br />

stammt in seiner ganzen Schrfe aus der klassischen griechischen Philosophie.<br />

Das Universale ist die Physis, die Gesetze der Natur, die allgemein g?ltig sind;<br />

das Partikul?re ist der Nomos, die Gesetze der Menschen, die von Stamm zu Stamm,<br />

von K?nigreich zu K?nigreich, von Polis zu Polis verschieden sind. Die meisten<br />

Menschen leben nur im Partikul?ren, sehen die Gesetze ihres Landes als die<br />

einzig wahren an, sprechen von "Wir" und "Sie", und "Sie", das sind alle die<br />

Anderen. So betrachteten die Hellenen alle Nicht-Hellenen als Barbaren, Fremde,<br />

Minderwertige und auch als potentielle Feinde. Die radikale Antwort der<br />

Philosophen war die Ablehnung aller lokalen, partikul?ren Gesetze und auch aller<br />

lokalen religi?sen Bruche und Glauben, als nur auf Konvention beruhend, und die<br />

Annahme der Einheit der Menschheit und einer universalen menschlichen Natur.<br />

Alexander der Grosse hatte den Traum eines friedlichen universalen Imperiums mit<br />

einer in der hellenistischen Hochkultur vereinigten Gesellschaft; sein Traum<br />

scheiterte schon mit seinem Tode. Eine der drei Dynastien, die ihn beerbten,<br />

die syrischen Seleukiden, versuchten ihren einheitlichen orientalischhellenistischen<br />

Kaiserkult den V?lkern ihres Imperiums aufzuzwingen, und die<br />

Lokalreligionen und autonomen Gesetze gewaltsam abzuschaffen. Einer der<br />

Resultate dieser Politik war der Makaberaufstand, der den geistigen F?hrern des<br />

post-Babylonischen Judea unter der von ihnen ungeliebten j?dischen Dynastie der<br />

Hasmoner eine Atempause von 200 Jahren gab, in der sie an der Kodifizierung der<br />

Bibel und der Entwicklung der "M?ndlichen Lehre" arbeiteten.<br />

Das Christentum machte den Anspruch auf die universale G?ltigkeit aller seiner<br />

Lehren, nicht nur der Glaubenslehren, sondern auch solcher ?ber die Natur,<br />

inklusive der menschlichen Natur, und der Regelung der Gesellschaftsordnung, mit<br />

dem Ziel wom?glich alle Nicht-Christen eventuell zu bekehren; Abweichungen von<br />

den Lehren der Kirche und R?ckflligkeit - besonders bei den Zwangsbekehrten -<br />

wurden als Ketzerei verfolgt.<br />

Doch schon die fr?he Abspaltung der ?stlichen Kirche, der Siegeszug des Islam,<br />

die Machtkmpfe des Papsts mit christlichen Kaisern und Prinzen und schliesslich<br />

die Reformation und die Gr?ndung der Nationalkirchen, ersch?tterten diesen<br />

Anspruch auf Universalit?t.<br />

Die "philosophes" der Aufklrungsbewegung des 18. Jahrhunderts, die im Namen der<br />

universalen Vernunft sprachen, hielten die partikul?ren Gesetze, Gebruche, und<br />

Institutionen - wie z.B. erbliche Monarchie, Aristokratie, Kirche - nicht nur<br />

f?r Konventionen, sondern f?r eine absichtliche Verdummung der Massen, zwecks<br />

ihrer Ausn?tzung, und all ihre Dogmen f?r Lug und Trug; die Priester hielten sie<br />

f?r die schlimmsten Volksverdummer. Sie erstrebten die Abschaffung aller<br />

Standes- und klerikalen Privilegien, und erhofften das Ende aller sogenannten<br />

Offenbarungs-Religionen. Die meisten waren jedoch keine Atheisten sondern hoch<br />

moralische Deisten. Manche - wie z.B. Rousseau, wollten auch alle lokalem<br />

Institutionen als zu partikul?r verbieten; an ihre Stelle treten fuer Rousseau<br />

die Regierung durch den "Allgemeinen Willen" und eine "Zivilreligion"; f?r<br />

seinen Sch?ler Robespierre wurden dies dann der Revolutionsausschuss und der<br />

Kult der G?ttin der Vernunft.<br />

Als Reaktion auf die Aufklrungsbewegung und die recht traurigen Resultate der<br />

franz?sischen Revolution, kam die Bewegung der Romantik, die Verherrlichung der<br />

Vergangenheit, der Geschichte. der Tradition, des Sentiments, die Feier des<br />

Partikul?ren, des Volkst?mlichen und des Nationalismus; die Romantik erklrte die<br />

Forderung nach universalen Menschenrechten, die Parolen von Freiheit, Gleichheit<br />

und Br?derlichkeit f?r leere und gefhrliche Abstraktionen. Diese "Kosmopoliten"<br />

sind "heimatlose Gesellen".<br />

Die Emanzipation der Juden, also ihre unbedingte b?rgerliche Gleichberechtigung,<br />

die unter dem Einfluss der Aufklrung begonnen hatte, wurde wieder eingeschrnkt<br />

oder verschoben. Gew?hnlich musste, wer als voller Volksb?rger anerkannt werden<br />

wollte, sich aller besonderen Eigenschaftem, Lebens- und Denkweisen, die von<br />

denen der nationalen Mehrheitsbev?lkerung abwichen, entledigen - d.h., also


<strong>Judith</strong> <strong>Buber</strong> <strong>Agassi</strong>, <strong>Buber</strong>, 2<br />

eigentlich seiner Zugeh?rigkeit zum j?dischen Volke - oder wie man heute sagen<br />

w?rde - zur j?dischen ethnischen Gruppe; es blieb ihm nur die sogenannte<br />

"mosaische Religion". Und in vielen Fllen, z.B. f?r diejenigen, die als<br />

Rechtsanwalt, Universittslehrer oder Staatsbeamter ttig sein wollten, war die<br />

"Gleichberechtigung" auch noch im 19. Jahrhundert nur durch die Taufe, also das<br />

formelle Verlassen auch der j?dischen Religion zu erkaufen.<br />

Die Ideen der Aufklrung erreichten die Massen der osteuropischen j?dischen<br />

Bev?lkerung erst im Laufe des 19. Jahrhunderts, mindestens ein halbes<br />

Jahrhundert spter als sie die Gebildeten West- und Zentral-Europas erreicht<br />

hatten, zur Zeit als dort schon die Ideen der Romantik vorherrschten. Der<br />

Einfluss der Aufklrung war dreifltig: Assimilation einerseits, die Formation<br />

der Orthodoxen Bewegung, die bewusst die strikte Abgrenzung der Juden von der<br />

Aussenwelt anstrebte, um die Assimilation abzuwehren, andererseits; ein drittes<br />

Resultat der Aufklrung war die Entwicklung und Erforschung der j?dischen Kultur<br />

in den Formen und mit den Methoden des aufgeklrten Westens.<br />

Innerhalb weniger Jahrzehnte entstanden in Osteuropa moderne sekulre Literaturen,<br />

sowohl in jiddischer, als auch in hebrischer Sprache, und ostj?dische Gelehrte<br />

beschftigten sich mit der wissenschaftlichen Erforschung der traditionellen<br />

j?dischen Literatur. Zu dieser letzten Gruppe geh?rte Martin <strong>Buber</strong>s Grossvater,<br />

der Midrasch-Forscher Salomon <strong>Buber</strong>, der in Lemberg lebte, und in dessen Haus<br />

Martin <strong>Buber</strong> seine Kindheit in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts<br />

verbrachte.<br />

Doch die Ideen der Romantik erreichten die Juden Osteuropas nur kurze Zeit nach<br />

denen der Aufklrung, und beide Str?mungen vermischten sich in den Werken<br />

nehrerer dieser Schriftsteller; so begannen manche mit der aufklrerischen Kritik<br />

an engstirnigen Rabbinern und korrupten Gemeindevorstehern, an Aberglauben und<br />

Hilflosigkeit des einfachen Volkes, doch sentimentalisierten und verherrlichten<br />

sie spter das j?dische Volkstum. In der sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />

entwickelnden j?dischen Natiomalbewegung herrschten - wohl mit Ausnahme von<br />

Pinskers "Autoemanzipation" - die partikularistischen Ideen der Romantik vor.<br />

Wie stand es nun mit dem Problem von Universalismus versus Partikularismus f?r<br />

den jungen <strong>Buber</strong>? Er war sprachlich sehr gut ausger?stet, sich sowohl mit<br />

seinem j?dischen Erbe, als auch mit der Vielfalt der europischen Kulturen zu<br />

beschftigen. Im Hause seiner Grosseltern wurde jiddisch und deutsch gesprochen,<br />

der Grossvater sprach auch hebraeisch und engagierte einen franz?sischen<br />

"Gouverneur" mit der Absicht, dass sein Enkel die franz?sische Sprache so gut<br />

beherrsche, dass er ihm bei der ?bersetzung der altfranz?sischen W?rter in den<br />

Raschi-Kommentaren (11. Jahrhundert) helfen k?nnte! Spter besuchte er das<br />

Gymnasium, wo auf polnisch unterrichtet wurde, und wo er ausser polnisch,<br />

lateinisch, griechisch und englisch lernte.<br />

Nach dem Abitur studierte er an den Universit?ten von Wien, Leipzig, Z?rich und<br />

Berlin; eines seiner vielen Fcher war die Germanistik. Seit er als junger Mann<br />

mit Frau und Kindern ein Jahr in Florenz verbrachte, wurde italienisch die<br />

private Familiensprache.<br />

In der Periode, in der er sich intensiv mit mystischen Texten beschftigte,<br />

lernte er etwas sanskrit, etwas chinesisch und etwas finnisch. Er war zu Hause<br />

wie wenige Andere, nicht nur im europischen Geistesleben inklusive der jungen<br />

europischen Sozialwissenschaft, sondern sehr fr?h auch im Orientalischen. Mit<br />

60 stellte er sich dann auf das moderne Hebrisch als Vorlesungs- und als<br />

t?gliche Umgangssprache um; mit beinahe 70 hielt er seine ersten ?ffentlichen<br />

Vortrge auf englisch.<br />

F?r das traditionelle, naive Judentum ist das partikul?re j?dische nicht<br />

Konvention" und es besteht daher kein Problem vom Widerspruch zwischen dem<br />

Universalen und dem Partikul?ren; denn die traditionelle j?dische Auffassung ist,<br />

dass die ganze Lehre, das ganze Gesetz, direkt von Gott stammen; Gott ist der<br />

Sch?pfer des Universums - also der "Natur" - und auch der Gott aller V?lker und<br />

ihrer Geschichte; doch hat er das Volk Israel erwhlt, "Ihm ein heiliges Volk zu<br />

sein", sein ganzes Gebot zu halten, whrend die Nicht-Juden nur verpflichtet sind,<br />

die sieben Gebote der S?hne Noahs zu befolgen.<br />

Schon mit 14 Jahren h?rte der junge <strong>Buber</strong> auf, das Gesetz der Halacha zu<br />

befolgen; also war er kein traditioneller Jude mehr. Doch war sein


<strong>Judith</strong> <strong>Buber</strong> <strong>Agassi</strong>, <strong>Buber</strong>, 3<br />

Selbstverstndnis das eines glubigen Menschen, eines glubigen Juden. Trotz seiner<br />

Offenheit Jesus' Lehre gegen?ber, hatte er nie die Neigung, zur Religion der<br />

Mehrheit, dem Christentum, ?berzutreten, wie das viele seiner j?dischen<br />

Zeitgenossen taten, oder mindestens erwgten.<br />

F?r ganz kurze Zeit war er von Nietsche's Ablehnung der judo-christlichen Ethik<br />

fasziniert; doch schon als 19-jhriger Student in Leipzig schloss er sich der<br />

jungen zionistischen Bewegung an, nahm als 21-jhriger am 3. Zionisten-Kongress<br />

teil und war als 23-jhriger der Herausgeber der "Welt", der Zeitschrift der<br />

zionistischen Organisation. Schon sehr fr?h lehnte er die Parole "ein Volk wie<br />

alle V?lker werden", das Streben nur nach Territorium und politischer Macht -<br />

also den einfachen Nationalismus - ab, und schloss sich der oppositionellen<br />

Gruppe "Demokratische Fraktion" an, die eine j?dische kulturellen Renaissance<br />

anstrebte. Als er Achad Ha'ams kritische Rezension von Herzl's "Alt-Neuland"<br />

abdruckte, kam der Bruch mit Herzl. Die Probleme einer j?dischen kulturellen<br />

und moralischen Renaissance beschftigen ihn von diesem Zeitpunkt an intensiv.<br />

Wie sollten aber die Richtung, die Werte, dieser Renaissance -Bewegung bestimmt<br />

werden? Aus universalen Erkenntnissen und Werten. oder aus der partikul?ren,<br />

j?dischen Tradition heraus? <strong>Buber</strong>s Einstellung zum Partikul?ren dr?ckt sich in<br />

seiner Einstellung zur Tradition aus. Er antwortete seinen Kritikern: ich bin<br />

nicht verpflichtet, die Tradition als Ganzes anzunehmen - somdern darf auswhlen,<br />

was mir wichtig und richtig erscheint. In seinen Arbeiten an der ?bersetzung<br />

und Interpretation der chassidischen Literatur z.B., hat er die Elemente der<br />

Kabbala, der Magie, der Wunderrabbis, und auch der Gesetzestreue, bei den<br />

Chassidim "vernachlssigt", und sich auf die chassidische Lehre von der Heiligung<br />

des t?glichen Lebens in der Gemeinschaft konzentriert.<br />

F?r ihn ist dies das Wichtigste im Judentum die verborgene Tradition, die bei<br />

den Vtern beginnt und das zentrale Motiv der Bibel ist. "Ein heilig Volk<br />

werden" bedeutete in biblichen Zeiten soziale Gerechtigkeit durch<br />

Schuldenaufhebung, Befreiung der Schuldsklaven, und Neuverteilung des Landes zu<br />

praktizieren. <strong>Buber</strong> nannte diese Tradition "Verwirklichung in der Gemeinschaft".<br />

In einer Rede von 1919 sprach er von den falschen Wegen; Juden sollten nicht die<br />

Revolutionen amderer V?lker machen, da sie deren Gemeinschaftstraditionen nicht<br />

kannten; whrend er immer betonte, dass er diejenigen Juden achte, die ein<br />

einfaches gesetzestreues Leben f?hren, kritisierte er diejenigen, die im Namen<br />

der Orthodoxie die zionistische Siedlungsbewegung im Lamde Israel verhindern<br />

wollten; doch auch den chauvinistischen politischen Zionismus bezeichnet er als<br />

einen falschen Weg;<br />

Die neue j?dische Gesellschaft soll "sozialistisch" sein. Doch kritisiert er<br />

schon fr?h die Oktoberrevolution und Marx' und Lenins Lehren von der<br />

proletarischen Diktatur: die Erneuerung der Gesellschaft ist nur "von unten",<br />

durch die Entwicklung von Gemeinschaften, zu erreichen, nicht durch die<br />

totalitre Staatsmacht. Hierin folgte er seinem Freund, dem j?dischen<br />

"Kommunalist" Gustav Landauer, der 1919 ermordet wurde.<br />

Im Jahre 1923 ver?ffentlichte er sein ber?hmtes Buch "Ich und Du". Auch das<br />

dialogische Prinzip ist f?r <strong>Buber</strong> allgemein-g?ltig, ja die Essenz des Menschsein;<br />

doch sieht er es auch als Essenz des Judentum, jener Tradition, die von Abraham<br />

bis zum Chassidismus reicht. Die hebrische Bibel versteht er als den Dialog<br />

Gottes mit den Menschen, sieht den Text als gesprochenes Wort. Sein Freund<br />

Franz Rosenzweig und er wollten die authentische hebrische Bibel durch ihre<br />

"Verdeutschung" nicht nur den deutschsprachigen Juden, sondern allen<br />

Deutschsprachigen zugngig machen.<br />

Zur?ck zum Problem des Universalen und des Partikul?ren: "Verwirklichung in der<br />

Gemeinschaft" bedeutet f?r <strong>Buber</strong> das Leben in der eigenen, partikulren,<br />

Gesellschaft und die besondere Verantwortung f?r sie, und der Versuch, sie aus<br />

dem Besten in ihrer eigenen Tradition heraus zur wahren Gemeinschaft zu machen.<br />

Doch die wahre Gemeinschaft ist offen f?r den Dialog mit Aussenstehenden. Auch<br />

in den Beziehungen zwischen den Vertretern von V?lkern - und auch von religi?sen<br />

Gruppen - sollten die Prinzipien des wirklichen Dialogs gelten: beide Seiten<br />

m?ssen die Anderen als "Personen" annehmen, offen sein und wirklich zuh?ren.<br />

So kmpfte er z. B. bis an sein Lebensende f?r Dialog und Zusammenarbeit mit<br />

Israel's arabischen B?rgern und Nachbarn.

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