Volltext Prokla 44

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02.11.2013 Aufrufe

1m zweiten Fail schafft er eine massive Unzufriedenheit unter den Empfangern von Sozialhilfe t;lnd Subventionen. Der Staat erscheint in beiden Fallen (und auch bel dem Versuch, einen'Mittelweg einzuschlagen) als Trager de! Verantwortung flir die Wirkungen, die die Krise auf das tagliche Leben def Leute hat. Abet nlcht nur das: Wahrend in den friiheren GroEen Depressionen breite Teile def Arbeiterklasse und def Schichten mit niedrigerem Einkommen das kapitalistische System seIbst als verantwortlich flir die Krise identifiziert hatten, machen sie heute flir dieselbe Krise den uneffizienten und zunehmend bUrokratischen Staat verantwortlich, def nach ihrer Ansicht nicht fahig ist, genUgend kapitalistisch :m sein, urn al, Sozialstaat gut funktionieren zu k5nnen. Das ist der Grund, warum es wenig wahrscheinlich erscheint, daE die kapitalistischen Krisen def dritten GroBen Depression in ein'e Krise des KapitaEsmus einmunden. Darnit da, geschahe, mUBte es auBer den kapitalistischen Krisen die reale und sichtbare Moglichkeit einer alternativen Produktionsweise geben, die den konkreten Bedurfnissen det Arbeiterklasse besse! entsprache. Das war der Fall in den beiden friiheren GroBen Depressionen, als die sozialistische Zukunft oder die Russisiche Revolution 1m Vergleich mit dem Elend, in dem die Arbeiter und Arbeitslosen lebten, groBe Erwartungen weckten. Die sogenannten sozialistischen Lander von heute bieten flir die Arbeiterklasse der zentralen Lander des kapitalistischen Weltsystems diese Art von Perspektive nlcht. Und das nicht nur, wei! sie mit allen Folgen, die das fur die Entwicklung def Produktivkrafie hat, (und mit quantitativ schlechteren Ergebnissen) dieselbe Art der Organisation des Produktionsprozesses ubernommen haben wie die kapitalistischen UnternehmerB, sondern auch, weil sie sich defart in den Weltmarkt und die internationale Arbeitsteilung eingefligt haben9, daE sie von der neuen GroEen Depression fast in demselben AusmaB beriihrt und -betroffen wurden wie die zentralen kapitalistischen Lander, teilweise sogar noch starker. Es ist bezeichnend, daB die Wirtschaftskrise genau in den beiden Landern (namlich Rumanien und Polen) dn groEeres Ausmafi erreicht hat, an deren AuEenhandel der Antdl des Handels mit den kapitalistischen Landern am groBten ist. Die Ereignisse in Polen seit 1980 haben den westeuropaischen Arbeitern auBerdem gezeigt, daB die Pattei, die dort den wirtschaftlichen und politischen ProzeB Un Namen def Arbeiterklasse leitet, keineswegs der treue Interpret def unmittelbaren und konkreten Bedurfnisse def graBen Masse der Arbeiter und der B(~v51kerung Un allgemeinen ist. Der sogenannte »real existierende Sozialismus« stellr also far die Arbeiter der Lander des kapitalistischen Zentrums keine wirkliche Alternative WI kapitalistischen Produktionsweise dar'. Und auch die Projekte der sogenannten »alternativen« Gruppen (def Okoiogen, der »Griinen« usw.) tun das nicht, weil die Produktionsweisen, die sie verfechten, eher komplementar zur kapitalistischen Produktionsweise sind. Solange nun abet keine reale und sichtbare Alternative :wm Kapitalismus existiert, ist es wahrscheinlich und geradezu sieher, daE die qulitativen Veranderungen, die von einer GraBen Depression zu erwarten sind und die Probleme, die mit ihr auftreten, Veranderungen sein werden, die sich innerhalb des kapitalistischen Schemas bewegen. Bevor wit jedoch in die Diskussion dieser sich schon ankiind.lgenden Veranderungen eintreten, ist es notig, einen Blick auf die Entwicklung des Kapitalismus in Lateinamerika in den letzten flinfzigJahren zu werfen. 32 Urs Miiiler-Plantenberg

1m zweiten Fail schafft er eine massive Unzufriedenheit unter den Empfangern von Sozialhilfe<br />

t;lnd Subventionen. Der Staat erscheint in beiden Fallen (und auch bel dem Versuch,<br />

einen'Mittelweg einzuschlagen) als Trager de! Verantwortung flir die Wirkungen, die die<br />

Krise auf das tagliche Leben def Leute hat. Abet nlcht nur das: Wahrend in den friiheren<br />

GroEen Depressionen breite Teile def Arbeiterklasse und def Schichten mit niedrigerem<br />

Einkommen das kapitalistische System seIbst als verantwortlich flir die Krise identifiziert<br />

hatten, machen sie heute flir dieselbe Krise den uneffizienten und zunehmend bUrokratischen<br />

Staat verantwortlich, def nach ihrer Ansicht nicht fahig ist, genUgend kapitalistisch<br />

:m sein, urn al, Sozialstaat gut funktionieren zu k5nnen. Das ist der Grund, warum es wenig<br />

wahrscheinlich erscheint, daE die kapitalistischen Krisen def dritten GroBen Depression<br />

in ein'e Krise des KapitaEsmus einmunden.<br />

Darnit da, geschahe, mUBte es auBer den kapitalistischen Krisen die reale und sichtbare<br />

Moglichkeit einer alternativen Produktionsweise geben, die den konkreten Bedurfnissen<br />

det Arbeiterklasse besse! entsprache. Das war der Fall in den beiden friiheren GroBen Depressionen,<br />

als die sozialistische Zukunft oder die Russisiche Revolution 1m Vergleich mit<br />

dem Elend, in dem die Arbeiter und Arbeitslosen lebten, groBe Erwartungen weckten. Die<br />

sogenannten sozialistischen Lander von heute bieten flir die Arbeiterklasse der zentralen<br />

Lander des kapitalistischen Weltsystems diese Art von Perspektive nlcht. Und das nicht<br />

nur, wei! sie mit allen Folgen, die das fur die Entwicklung def Produktivkrafie hat, (und<br />

mit quantitativ schlechteren Ergebnissen) dieselbe Art der Organisation des Produktionsprozesses<br />

ubernommen haben wie die kapitalistischen UnternehmerB, sondern auch, weil<br />

sie sich defart in den Weltmarkt und die internationale Arbeitsteilung eingefligt haben9,<br />

daE sie von der neuen GroEen Depression fast in demselben AusmaB beriihrt und -betroffen<br />

wurden wie die zentralen kapitalistischen Lander, teilweise sogar noch starker. Es ist bezeichnend,<br />

daB die Wirtschaftskrise genau in den beiden Landern (namlich Rumanien und<br />

Polen) dn groEeres Ausmafi erreicht hat, an deren AuEenhandel der Antdl des Handels<br />

mit den kapitalistischen Landern am groBten ist. Die Ereignisse in Polen seit 1980 haben<br />

den westeuropaischen Arbeitern auBerdem gezeigt, daB die Pattei, die dort den wirtschaftlichen<br />

und politischen ProzeB Un Namen def Arbeiterklasse leitet, keineswegs der treue Interpret<br />

def unmittelbaren und konkreten Bedurfnisse def graBen Masse der Arbeiter und<br />

der B(~v51kerung Un allgemeinen ist.<br />

Der sogenannte »real existierende Sozialismus« stellr also far die Arbeiter der Lander des<br />

kapitalistischen Zentrums keine wirkliche Alternative WI kapitalistischen Produktionsweise<br />

dar'. Und auch die Projekte der sogenannten »alternativen« Gruppen (def Okoiogen, der<br />

»Griinen« usw.) tun das nicht, weil die Produktionsweisen, die sie verfechten, eher komplementar<br />

zur kapitalistischen Produktionsweise sind. Solange nun abet keine reale und<br />

sichtbare Alternative :wm Kapitalismus existiert, ist es wahrscheinlich und geradezu sieher,<br />

daE die qulitativen Veranderungen, die von einer GraBen Depression zu erwarten sind und<br />

die Probleme, die mit ihr auftreten, Veranderungen sein werden, die sich innerhalb des<br />

kapitalistischen Schemas bewegen. Bevor wit jedoch in die Diskussion dieser sich schon ankiind.lgenden<br />

Veranderungen eintreten, ist es notig, einen Blick auf die Entwicklung des<br />

Kapitalismus in Lateinamerika in den letzten flinfzigJahren zu werfen.<br />

32 Urs Miiiler-Plantenberg

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