Volltext Prokla 44
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Hohe sozio-okonomische Kohiirenz: die differenzierte Herausbildung und wechse!seitige Verflechrung aller wesentlichen okonomischen Sektoren (Landwirtschaft, Massenkonsumgiiter- und Produktionsmittelindustrie) mit einem hohen Grad an intra- und intersektorialer Vermaschung 2 Homogenisierung der Produktivitiitsniveaus def einzelnen Sektoren mit der Folge dnet Angleichung de! Faktorkosten von Boden, Kapital und Arbeit innerhalb und zwischen Branchen sowie zwischen Regionen. 3 Erweiterte BinnenmarkterschliejSung durch die systematische Zunnahme det Reallohne, Sozialleisrungen und det nationalen Integration (Abbau des Gefalles Wachstumspole - Hinterland) 4 Kapitalakkumulation unter eigener Kontrolle durch Fiihigkeit ZUt Produktion von Produktionsmitteln und Technologie 5 Hohe Transformations- und Anpassungskraft, die zu einer hohen Fahigkeit de! Absorption und Verarheitung von Krisen fuhrt. Die strukturelle Heterogenitat der peripher kapitalistischen Lander ergibt sich als Negativbild dieses Merkmalskataloges: Mangelhafte Koharenz, Heterogenitat der Produktivitatsniveaus, keine Angleichung def Faktorkosten, extrem ungleiche Einkommensverteilung, Dominanz def Luxusgu.terkonsumtion, »soziologische Binnenmarktenge«, von multinationalen Konzernen kontrollierte Kapitalakkumulation, geringe Transformationskapazitat, etc. Die auf diese Weise gewonnene Kontrastierung eines metropolitanen und eines peripheren Entwicklungsprofils mag zwar fUr die erste Phase vereinfachender Abstraktionen und Typologiebildungen seinen heuristischen Weft haben. In der entscheidenden zweiten Phase de! gedanklichen Reproduktion def widerspruchlichen konkreten Totalitat verschiedener Entwicklungs- und Industrielander und ihrer Beziehungen zueinander erweist sie sich m.E. als Hemmnis, wenn nicht sogar als Erkenntnisblockierung. Das systemtheoretisch orienderte Denken in po/aren Dichotomien, das gerade an def Modernisierungstheorie mit ihrem Dualismus Tradition - Moderne so vehement kritisiert wurde, reproduziert sich auch im Rahmen def Theorie des peripheren Kapitalismus. Die Unfahigkeit def Modernisierungstheorien, gesellschaftliche Widerspruche grundlegend zu analysieren und nicht nur in ihten auBerlichen Erscheinungsformen hangen zu bleiben, reproduziert sich auch in ihrer scheinbar radikalen Alternative. Das Resultat ist def Austausch alter vereinfachendef Typologien (Traditionalitat - Modernitat) durch neue (Peripherie - Zentrum, strukrurelle Heterogenitat - strukturelle Homogenitat) mit ebenso beschranktem ErkenntnisgewinnY Darfiber kann auch nicht die nachtragliche Betonung unterschiedlicher Entwicklungswege autozentrischer Entwicklung hinwegtauschen. DaB dem so ist, solI im folgenden ansatzweise verdeutlicht werden. Die zentrale Behauptung von mit ihm der Dependenztheorie) ist nun die, da£ strukturelle Heterogenitat in im 19. Jhdt. einsetzenden kapitalistischen Industrialisierungsprozessen ein schnell verschwindendes Merkmal war, heute aber bei nachholendef kapitalistischer Entwicklung zu einem dauerhaften Strukturmerkmal des peripheren Kapitalismus geworden ist. 22 Selbst wenn die unmittelbare empirische Evidenz der meisten Lander def 3. Welt sicherlich heute angesichts von Massenarmut, Unterbeschaftigung, sektotal und regional begrenzten Wachstumspolen ohne Dynamisierung des Hinterlandes fUr die Stichhaltigkeit dieser These zu sprechen scheint, ergibt sich diese bereits aus seiner Petipherie-Metropolen-Dichotomie, die Widerspruche nur zwischen den beiden Typologien zulaBt. Zwei Testfragen bleiben daher zu stenen: 1) Welche Rolle haben die mit »Struktureller umschriebenen Merkmale in der kapitalistischen des 19. Jhdt. Gab es vielleicht sogar einen 112 Thomas Hurtienne
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Hohe sozio-okonomische Kohiirenz: die differenzierte Herausbildung und wechse!seitige Verflechrung<br />
aller wesentlichen okonomischen Sektoren (Landwirtschaft, Massenkonsumgiiter- und<br />
Produktionsmittelindustrie) mit einem hohen Grad an intra- und intersektorialer Vermaschung<br />
2 Homogenisierung der Produktivitiitsniveaus def einzelnen Sektoren mit der Folge dnet Angleichung<br />
de! Faktorkosten von Boden, Kapital und Arbeit innerhalb und zwischen Branchen sowie<br />
zwischen Regionen.<br />
3 Erweiterte BinnenmarkterschliejSung durch die systematische Zunnahme det Reallohne, Sozialleisrungen<br />
und det nationalen Integration (Abbau des Gefalles Wachstumspole - Hinterland)<br />
4 Kapitalakkumulation unter eigener Kontrolle durch Fiihigkeit ZUt Produktion von Produktionsmitteln<br />
und Technologie<br />
5 Hohe Transformations- und Anpassungskraft, die zu einer hohen Fahigkeit de! Absorption und<br />
Verarheitung von Krisen fuhrt.<br />
Die strukturelle Heterogenitat der peripher kapitalistischen Lander ergibt sich als Negativbild<br />
dieses Merkmalskataloges: Mangelhafte Koharenz, Heterogenitat der Produktivitatsniveaus,<br />
keine Angleichung def Faktorkosten, extrem ungleiche Einkommensverteilung, Dominanz<br />
def Luxusgu.terkonsumtion, »soziologische Binnenmarktenge«, von multinationalen<br />
Konzernen kontrollierte Kapitalakkumulation, geringe Transformationskapazitat, etc.<br />
Die auf diese Weise gewonnene Kontrastierung eines metropolitanen und eines peripheren<br />
Entwicklungsprofils mag zwar fUr die erste Phase vereinfachender Abstraktionen und Typologiebildungen<br />
seinen heuristischen Weft haben. In der entscheidenden zweiten Phase<br />
de! gedanklichen Reproduktion def widerspruchlichen konkreten Totalitat verschiedener<br />
Entwicklungs- und Industrielander und ihrer Beziehungen zueinander erweist sie sich m.E.<br />
als Hemmnis, wenn nicht sogar als Erkenntnisblockierung. Das systemtheoretisch orienderte<br />
Denken in po/aren Dichotomien, das gerade an def Modernisierungstheorie mit ihrem<br />
Dualismus Tradition - Moderne so vehement kritisiert wurde, reproduziert sich auch im<br />
Rahmen def Theorie des peripheren Kapitalismus. Die Unfahigkeit def Modernisierungstheorien,<br />
gesellschaftliche Widerspruche grundlegend zu analysieren und nicht nur in ihten<br />
auBerlichen Erscheinungsformen hangen zu bleiben, reproduziert sich auch in ihrer<br />
scheinbar radikalen Alternative. Das Resultat ist def Austausch alter vereinfachendef Typologien<br />
(Traditionalitat - Modernitat) durch neue (Peripherie - Zentrum, strukrurelle Heterogenitat<br />
- strukturelle Homogenitat) mit ebenso beschranktem ErkenntnisgewinnY Darfiber<br />
kann auch nicht die nachtragliche Betonung unterschiedlicher Entwicklungswege<br />
autozentrischer Entwicklung hinwegtauschen. DaB dem so ist, solI im folgenden ansatzweise<br />
verdeutlicht werden.<br />
Die zentrale Behauptung von<br />
mit ihm der Dependenztheorie) ist nun die,<br />
da£ strukturelle Heterogenitat in im 19. Jhdt. einsetzenden kapitalistischen Industrialisierungsprozessen<br />
ein schnell verschwindendes Merkmal war, heute aber bei nachholendef<br />
kapitalistischer Entwicklung zu einem dauerhaften Strukturmerkmal des peripheren<br />
Kapitalismus geworden ist. 22 Selbst wenn die unmittelbare empirische Evidenz der meisten<br />
Lander def 3. Welt sicherlich heute angesichts von Massenarmut, Unterbeschaftigung, sektotal<br />
und regional begrenzten Wachstumspolen ohne Dynamisierung des Hinterlandes fUr<br />
die Stichhaltigkeit dieser These zu sprechen scheint, ergibt sich diese bereits aus seiner Petipherie-Metropolen-Dichotomie,<br />
die Widerspruche nur zwischen den beiden Typologien<br />
zulaBt. Zwei Testfragen bleiben daher zu stenen:<br />
1) Welche Rolle haben die mit »Struktureller umschriebenen Merkmale in<br />
der kapitalistischen des 19. Jhdt. Gab es vielleicht sogar einen<br />
112 Thomas Hurtienne