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ein Ursprungsvolk in Schweden - Samer.se

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Lebenswei<strong>se</strong> zu tun hat <strong>in</strong> Frage gestellt<br />

wird? Wir sollten lernen wie <strong>Schweden</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>e<strong>in</strong></strong>em eigenen Bett zu schlafen, manchmal<br />

die verhassten fremden schwedischen uniformen<br />

Kleider zu tragen. Wir hatten nicht<br />

gelernt, richtig mit Mes<strong>se</strong>r und Gabel zu<br />

es<strong>se</strong>n, und un<strong>se</strong>r Benehmen bei Tisch hatte<br />

den Kard<strong>in</strong>alfehler, dass wir das Mes<strong>se</strong>r <strong>in</strong><br />

den Mund nahmen. Das war mit das<br />

Schlimmste was <strong>e<strong>in</strong></strong> Schwede tun konnte,<br />

lehrte man uns. Un<strong>se</strong>re Eltern hatten uns<br />

ansch<strong>e<strong>in</strong></strong>end ganz falsch erzogen: Fleisch<br />

und Brot mit dem Mes<strong>se</strong>r zu schneiden<br />

und es dann, mit dem Mes<strong>se</strong>r immer noch<br />

<strong>in</strong> der Hand, zum Mund zu führen.<br />

Auch wenn ich mich danach <strong>se</strong>hnte, die<br />

verhasste Schule zu beenden, <strong>se</strong>tzte ich<br />

trotzdem m<strong>e<strong>in</strong></strong>en Schulgang <strong>in</strong> Kiruna fort.<br />

Da lernte ich schnell dass es am besten<br />

war, wenn ich so wenig wie möglich von<br />

m<strong>e<strong>in</strong></strong>em samischen H<strong>in</strong>tergrund durchsch<strong>e<strong>in</strong></strong>en<br />

ließ. Trotzdem wurden Schimpfwörter<br />

wie „Lappensatan“ m<strong>e<strong>in</strong></strong> tägliches<br />

Brot. Ich versuchte zu tun als hörte ich es<br />

nicht und es bekümmerte mich nicht. Aber<br />

jedes Mal <strong>se</strong>tzte sich <strong>e<strong>in</strong></strong> kl<strong>e<strong>in</strong></strong>er Dorn fest,<br />

den ich so gut es g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Watte zu wickeln<br />

versuchte, und ich versuchte das Ganze zu<br />

verdrängen.<br />

Mit der Zeit kamen ja auch immer mehr<br />

Sami <strong>in</strong> die Stadt, und es war natürlich,<br />

dass wir zusammenhielten, auch wenn wir<br />

uns vorher nicht kannten. „Muttersprache“<br />

war jedoch un<strong>se</strong>re Sprache unter<strong>e<strong>in</strong></strong>ander,<br />

wenn wir uns <strong>in</strong> der Stadt trafen. Un<strong>se</strong>re<br />

eigene Sprache war <strong>in</strong> un<strong>se</strong>re Unterkunft<br />

verwie<strong>se</strong>n, die Lappenherberge (das <strong>e<strong>in</strong></strong>zige<br />

„Hotel“ das damals Sami aufnahm) und <strong>in</strong><br />

das „Lappencafé“.<br />

Wir Sami <strong>in</strong> der Stadt lernten schnell,<br />

dass das Beste und vor allen D<strong>in</strong>gen das E<strong>in</strong>fachste<br />

für uns war, uns anzupas<strong>se</strong>n und so<br />

weit wie möglich „<strong>Schweden</strong>“ zu werden.<br />

Leider führte das bei <strong>e<strong>in</strong></strong>igen von uns zu<br />

Selbstverleugnung <strong>in</strong> gewis<strong>se</strong>n Situationen.<br />

Als ich <strong>e<strong>in</strong></strong>mal <strong>in</strong> der Stadt <strong>e<strong>in</strong></strong>ige junge<br />

Sami bewusst ihre Eltern meiden sah, um<br />

ihre samische Herkunft nicht zu offenbaren,<br />

tat mir das <strong>in</strong>nerlich furchtbar weh und ich<br />

schämte mich <strong>se</strong>hr. Wenn ich ganz ehrlich<br />

s<strong>e<strong>in</strong></strong> soll fühlte ich nämlich, dass ich das<br />

auch hätte s<strong>e<strong>in</strong></strong> können.<br />

Ich studierte weiter und akzeptierte<br />

mich <strong>se</strong>lbst mehr und mehr als „Schwede“.<br />

So allmählich wurde ich Lehrer <strong>in</strong> „Muttersprache“<br />

an <strong>e<strong>in</strong></strong>em Gymnasium <strong>in</strong> Göteborg,<br />

und ich fühlte mich <strong>se</strong>hr zufrieden mit<br />

m<strong>e<strong>in</strong></strong>er Situation. Ich war nicht offen diskrim<strong>in</strong>iert<br />

worden, ich hatte ja wie andere<br />

<strong>Schweden</strong> die gleichen Möglichkeiten zu<br />

Ausbildung erhalten. Ich hatte <strong>e<strong>in</strong></strong>e Arbeit,<br />

bei der ich mich wohl fühlte. Worüber sollte<br />

ich wohl klagen?<br />

In Göteborg hatte ich fast sofort entdekkt,<br />

dass ich k<strong>e<strong>in</strong></strong> kl<strong>e<strong>in</strong></strong>er „Lappensatan“ war,<br />

sondern <strong>e<strong>in</strong></strong> exotischer Sami. Es dauerte<br />

nicht lange, bevor man wünschte, dass der<br />

exotische Sami <strong>e<strong>in</strong></strong>en Vortrag hält über das<br />

exotische Volk, die Sami. Ich zögerte lange,<br />

bevor ich mich traute aufzustellen und<br />

etwas zu erzählen, ich wusste ja eigentlich<br />

nichts von den Sami, d.h. von dem ich<br />

glaubte, dass man es hören wollte, außer<br />

m<strong>e<strong>in</strong></strong>en eigenen Erlebnis<strong>se</strong>n natürlich. Um<br />

m<strong>e<strong>in</strong></strong>en mangelnden Kenntnis<strong>se</strong> über die<br />

Sami abzuhelfen g<strong>in</strong>g ich <strong>in</strong> die Bibliothek<br />

und lieh mir Israel Ruongs Buch „<strong>Samer</strong>na“<br />

(die Sami). Als ich es las g<strong>in</strong>g es mir zum<br />

ersten Mal auf, dass wir tatsächlich <strong>e<strong>in</strong></strong>e<br />

eigene Geschichte haben. Zum Glück war<br />

m<strong>e<strong>in</strong></strong> Vater zu Besuch, als ich <strong>in</strong> Göteborg<br />

Johannes Mara<strong>in</strong>en<br />

erzählt von s<strong>e<strong>in</strong></strong>em<br />

Aufwach<strong>se</strong>n bei<br />

<strong>e<strong>in</strong></strong>em Aktivitätstag für<br />

Jugendliche vor dem<br />

Naturhistorischen<br />

Reichsmu<strong>se</strong>um <strong>in</strong><br />

Stockholm.<br />

m<strong>e<strong>in</strong></strong>en ersten Vortrag über Sami hielt. Auf<br />

dem Weg nach Hau<strong>se</strong> fragte ich ihn, wie er<br />

den Vortrag fand, und er antwortete: „In<br />

mon hal ipmirdan nu ollu maid don dadjet,<br />

muht, spedjo han dat goit gie’aid, amal dat<br />

lei buorre.“ (Ich habe ja nicht so viel verstanden<br />

von dem was du gesagt hast, aber<br />

sie haben geklatscht, es war also wohl gut.)<br />

Die Antwort überraschte mich nicht, m<strong>e<strong>in</strong></strong><br />

Vater war vor der Verschwedungsperiode<br />

<strong>in</strong> die Schule gegangen, und ich schlug vor,<br />

es ihm auf Samisch zu erzählen.<br />

Am nächsten Tag nach der Schule <strong>se</strong>tzten<br />

wir uns zusammen mit <strong>e<strong>in</strong></strong>er Tas<strong>se</strong> Kaffee<br />

und ich begann zu erzählen, und das<br />

wurde der Wendepunkt <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong></strong>em Leben.<br />

Ich erlebte den Schock m<strong>e<strong>in</strong></strong>es Lebens! Ich<br />

entdeckte, dass „Muttersprache“ die Oberhand<br />

über Eatnángiela (Samisch) gewonnen<br />

hatte. Ich konstatierte mit Ent<strong>se</strong>tzen:<br />

Ich kann nicht mehr <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong></strong>er eigenen<br />

Sprache das erzählen, was natürlich und<br />

alltäglich ist! Das war das erste Mal, dass<br />

ich als Erwach<strong>se</strong>ner die negativen Seiten<br />

der Verschwedung erlebt habe. Ich f<strong>in</strong>g allmählich<br />

an <strong>e<strong>in</strong></strong>zu<strong>se</strong>hen, dass die schwedische<br />

Schulpolitik für Sami mich etwas<br />

Wertvollen beraubt hatte, ja vielleicht dem<br />

Wertvollsten: m<strong>e<strong>in</strong></strong>er Sprache.<br />

Ich hatte mir <strong>se</strong>lbst <strong>e<strong>in</strong></strong>gebildet, dass ich<br />

immer noch Samisch sprechen kann, aber<br />

da ich k<strong>e<strong>in</strong></strong>en kont<strong>in</strong>uierlichen Kontakt mit<br />

samischem Milieu und samischer Kultur<br />

hatte, konnte ich m<strong>e<strong>in</strong></strong>e Sprache nicht auf<br />

Foto: Frida Hedberg<br />

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