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Reichsverfassung und Landstände - obere-meerbach.de

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Die Entstehung <strong>de</strong>r <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> muss mithin vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r „Einungen“ gesehen wer<strong>de</strong>n 46 ,<br />

die seit <strong>de</strong>m 13. Jahrh<strong>und</strong>ert ein wesentliches <strong>und</strong> zeitweise sehr zukunftsträchtig aussehen<strong>de</strong>s Element<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Verfassungsentwicklung waren. Im 13. <strong>und</strong> 14. Jahrh<strong>und</strong>ert traten sie vorzugsweise<br />

als regionale Landfrie<strong>de</strong>nseinungen mit <strong>und</strong> ohne Geheiß o<strong>de</strong>r Beteiligung <strong>de</strong>s Königs auf; dabei<br />

war es <strong>de</strong>r oben erwähnte Rheinische Städteb<strong>und</strong>, <strong>de</strong>r im Interregnum wirtschaftliche, aber auch Verfassungsinteressen<br />

im Kampf gegen unberechtigte Rheinzölle <strong>und</strong> für die Sicherung <strong>de</strong>s Landfrie<strong>de</strong>ns<br />

durchsetzen wollte <strong>und</strong> sich wohl bewusst an <strong>de</strong>n Mainzer Reichslandfrie<strong>de</strong>n von 1235 anlehnte, ja<br />

sich im Gr<strong>und</strong>e als <strong>de</strong>ssen Vollzugsorgan sah. Die hier erkennbaren Ansätze zur Entwicklung eines<br />

genossenschaftlich organisierten Staatswesens setzten sich jedoch nur in einer <strong>de</strong>r vielen Einungen,<br />

nämlich <strong>de</strong>r 1291 von Uri, Schwyz <strong>und</strong> Unterwal<strong>de</strong>n gebil<strong>de</strong>ten schweizerischen Eidgenossenschaft<br />

fort 47 , während es im Reich zur Konsolidierung <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>lsregiments auf <strong>de</strong>m im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert sich<br />

verfestigen<strong>de</strong>n <strong>und</strong> seit 1495 dann regelmäßig tagen<strong>de</strong>n Reichstag kam, in <strong>de</strong>ssen Organisation von<br />

Kurfürstenkolleg, Reichsfürstenrat <strong>und</strong> Städtekurie sich gleichwohl Spuren ständischen Einungswesens<br />

fin<strong>de</strong>n 48 . Eine <strong>de</strong>r zugr<strong>und</strong>e liegen<strong>de</strong>n Einungen, nämlich in Gestalt <strong>de</strong>r kurfürstlichen Verbindungen,<br />

<strong>de</strong>r Kurvereine, die seit 1338 auftreten, hat sich in Form <strong>de</strong>s immer wie<strong>de</strong>r erneuerten <strong>und</strong> bis<br />

zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Alten Reiches, wenn auch ohne nennenswerte politische Be<strong>de</strong>utung, bestehen<strong>de</strong>n Kurvereins<br />

von 1558 sogar bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Alten Reiches erhalten 49 .<br />

So ist die Entwicklung <strong>de</strong>r Landtage vor <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s lehnsrechtlichen Prinzips von consilium<br />

et auxilium <strong>und</strong> <strong>de</strong>r daraus folgen<strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rung nach Mitbestimmung ebenso wie vor <strong>de</strong>n genossenschaftlichen<br />

Strukturen insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s 13. <strong>und</strong> 14. Jahrh<strong>und</strong>erts zu sehen, aber auch vor <strong>de</strong>m allmählichen<br />

Vordringen <strong>de</strong>r Geldwirtschaft, die die Lan<strong>de</strong>sherren immer stärker auf die Unterstützung<br />

durch geistliche Institutionen, Ritterschaft <strong>und</strong> Städte – hieraus wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>shalb im Allgemeinen die<br />

drei üblichen <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> – anwies. Dabei entwickelten die Stän<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Interesse heraus, das Land<br />

als Einheit zu erhalten <strong>und</strong> die innere <strong>und</strong> äußere Frie<strong>de</strong>nswahrung als Gr<strong>und</strong>lage gesellschaftlichen<br />

Zusammenlebens zu gewährleisten, früh ein Lan<strong>de</strong>sbewusstsein, das <strong>de</strong>n Zufälligkeiten dynastischer<br />

Herrschaft insbeson<strong>de</strong>re im Bereich <strong>de</strong>r weltlichen Fürstentümer, bei <strong>de</strong>nen Erbteilungen <strong>und</strong> erbenloses<br />

Aussterben gravieren<strong>de</strong> Folgen haben konnte, entgegen stand. Institutionelle Festigung verlangte<br />

<strong>de</strong>n genossenschaftlichen, korporativen Zusammenschluss 50 . So entstan<strong>de</strong>n die schon erwähnten Kernstän<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls als führen<strong>de</strong> Gruppe in Militär <strong>und</strong> Verwaltung, <strong>de</strong>r Städte als Träger wirtschaftlicher<br />

Macht <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Geistlichkeit in Form <strong>de</strong>r landsässigen Bistümer <strong>und</strong> Klöster als Inhaber geistlicher<br />

<strong>und</strong> weltlicher Macht in ihrer Herrschaft über Land <strong>und</strong> Leute. Ihren ständischen Einungen folgten<br />

schließlich die gemeinsamen Zusammentritte auf Landtagen.<br />

Dass ein wesentlicher Gesichtspunkt <strong>de</strong>s ständischen Zusammenschlusses nicht nur <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand<br />

gegen die 1231 erwähnten neuen Rechte, son<strong>de</strong>rn insbeson<strong>de</strong>re gegen <strong>de</strong>n damit verb<strong>und</strong>enen möglichen<br />

finanziellen Ertrag, d. h. die Ausschreibung neuer Steuern war, zeigt sich darin, dass bereits im<br />

13. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> damit zeitnah zum Reichsweistum als älteste Belege für frühe Formen landständischer<br />

Verfassung Be<strong>de</strong>verträge begegnen, <strong>de</strong>ren früheste 1249 aus Schlesien stammen, aber auch<br />

schon 1280 in <strong>de</strong>r Mark Bran<strong>de</strong>nburg, 1292 im Erzbistum Mag<strong>de</strong>burg <strong>und</strong> schließlich 1302 in Bayern<br />

anzutreffen sind. Be<strong>de</strong> war das Recht <strong>de</strong>s Fürsten, in bestimmten Notfällen 51 um finanzielle Hilfe zu<br />

46 Willoweit (Anm. 43), S. 119ff.<br />

47 Willoweit (Anm. 43), S. 121.<br />

48 Willoweit (Anm. 43), S. 123.<br />

49<br />

Im Lan<strong>de</strong>shauptarchiv fin<strong>de</strong>n sich in Best. 1A Beitrittserklärungen neuer Kurfürsten bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts. So traten noch im Oktober 1790 König Friedrich Wilhelm II. von Preußen (für Kurbran<strong>de</strong>nburg)<br />

sowie Kursachsen <strong>de</strong>m Kurverein von 1558 bei (LHA Koblenz Best. 1 A Nr. 10677 <strong>und</strong> 10676).<br />

50<br />

Kersten Krüger, Die landständische Verfassung (= Enzyklopädie <strong>de</strong>utscher Geschichte Bd. 67), München<br />

2003, S. 3f.<br />

51 Lan<strong>de</strong>snot, Krieg <strong>und</strong> Gefangenschaft <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sherrn, Ritterschlag seiner Söhne, Heirat <strong>de</strong>r Prinzessinnen.<br />

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