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Reichsverfassung und Landstände - obere-meerbach.de

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antwortlichkeit 14 , mit <strong>de</strong>m Recht <strong>de</strong>r Gesetzgebungsvorschläge, <strong>de</strong>r Beschlussfassung über <strong>de</strong>n Staatshaushalt<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>m Recht <strong>de</strong>r Ministeranklage vorgesehen 15 , son<strong>de</strong>rn es wur<strong>de</strong> auch ein Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

zwischen Verfassungen <strong>de</strong>s Einzelstaates <strong>und</strong> <strong>de</strong>r <strong>Reichsverfassung</strong> ausgeschlossen sowie eine Än<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>r Regierungsform in Einzelstaaten an die Zustimmung <strong>de</strong>r Reichsgewalt geb<strong>und</strong>en 16 . Mit <strong>de</strong>r<br />

Bestimmung <strong>de</strong>s § 88, wonach nicht nur die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Zweiten Kammer, <strong>de</strong>s Staatenhauses, zur<br />

Hälfte durch die jeweilige Volksvertretungen zu ernennen waren, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>utschen Staaten, die<br />

aus mehreren Provinzen o<strong>de</strong>r Län<strong>de</strong>rn mit beson<strong>de</strong>ren Verfassungen o<strong>de</strong>r Verwaltungen bestün<strong>de</strong>n,<br />

die Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Staatenhauses nicht von <strong>de</strong>r allgemeinen Lan<strong>de</strong>svertretung, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>n Vertretungen<br />

einzelner Län<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Provinzen 17 ernannt wer<strong>de</strong>n sollten, wur<strong>de</strong> – ein sehr mo<strong>de</strong>rner Gedanke!<br />

– einer starken Regionalisierung unter Berücksichtigung historischer Glie<strong>de</strong>rungen Rechnung<br />

getragen, wenn nicht Vorschub geleistet.<br />

Diese Bestimmungen gingen weit über die <strong>de</strong>r nachnapoleonischen B<strong>und</strong>esakte vom 8.6.1815 18 <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>r Wiener Schlussakte vom 15.5.1820 19 hinaus. Wohl hatte die B<strong>und</strong>esakte für alle B<strong>und</strong>esstaaten<br />

eine landständische Verfassung gefor<strong>de</strong>rt 20 , <strong>und</strong> die Wiener Schlussakte sah in <strong>de</strong>n Artikeln 53-56 die<br />

B<strong>und</strong>esversammlung in <strong>de</strong>r Pflicht, Rechte <strong>und</strong> Verhältnisse <strong>de</strong>r Untertanen entsprechend <strong>de</strong>n Garantien<br />

<strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esakte, also insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>s Artikels 13, zu schützen. Gleichwohl galt die Verfassungsfrage<br />

für die souveränen Fürsten <strong>de</strong>r B<strong>und</strong>esstaaten als innere Lan<strong>de</strong>sangelegenheit, die unter Berücksichtigung<br />

sowohl früherer als auch gegenwärtig obwalten<strong>de</strong>r Verhältnisse geordnet wer<strong>de</strong>n konnte 21 .<br />

Damit war <strong>de</strong>r in Artikel 2 <strong>de</strong>r Schlussakte enthaltene Gr<strong>und</strong>satz „dieser Verein besteht in seinem Innern<br />

als eine Gemeinschaft selbständiger, unter sich unabhängiger Staaten, mit wechselseitigen gleichen<br />

Vertragsrechten <strong>und</strong> Vertragsobliegenheiten, in seinen äußeren Verhältnissen aber, als eine in politischer<br />

Einheit verb<strong>und</strong>enen Gesamtmacht“ voll bestätigt, auch wenn Artikel 56 die Souveränitätsrechte<br />

erheblich einschränkte: „Die in anerkannter Wirksamkeit bestehen<strong>de</strong>n landständischen Verfassungen<br />

können nur auf verfassungsfähigem Wege wie<strong>de</strong>r abgeän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n“, ohne dass <strong>de</strong>r B<strong>und</strong><br />

freilich in gravieren<strong>de</strong>n Streitfällen, so bei <strong>de</strong>r Aufhebung <strong>de</strong>r Hannoverschen Verfassung 1837 22 , sich<br />

ohne weiteres durchsetzen konnte, zumal die Artikel 58-62 das Einwirken <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>es auf die landständischen<br />

Verhältnisse sehr einengten.<br />

Damit sind wir an <strong>de</strong>r engeren Zeitgrenze meines Themas, beim Heiligen Römischen Reich <strong>de</strong>utscher<br />

Nation angelangt. Es wird nieman<strong>de</strong>n verw<strong>und</strong>ern, dass im alten Heiligen Römischen Reich Deutscher<br />

Nation keine so klaren Verfassungsverhältnisse herrschten, ja, wer <strong>de</strong>n von Fritz Hartung 23 gewählten,<br />

eher preußisch geleiteten verfassungsgeschichtlichen Blick auf die <strong>Reichsverfassung</strong> unter <strong>de</strong>m<br />

Aspekt staatlicher Machtentfaltung richtet, <strong>de</strong>r wird sogleich auf das so beliebte Zitat von Pufendorf<br />

stoßen 24 , <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r <strong>Reichsverfassung</strong> vollständige Regellosigkeit sah <strong>und</strong> <strong>de</strong>shalb das Reich als „Irre­<br />

14 § 186 RV.<br />

15 § 187 RV.<br />

16 §§ 194 <strong>und</strong> 195 RV.<br />

17 Ausdrücklich genannt sind die Provinzialstän<strong>de</strong>, wie es sie in Preußen gab.<br />

18 Düring/Rudolf (Anm. 13), S. 11ff.<br />

19 Ebda. S. 21ff.<br />

20 Artikel 13.<br />

21 Artikel 55.<br />

22 Gerhard Dilcher, Der Protest <strong>de</strong>r Göttinger Sieben. Zur Rolle von Recht <strong>und</strong> Ethik, Politik <strong>und</strong>Geshichte im<br />

Hannoverschen Verfassungskonflikt, Hannover 1988 (Schriftenreihe <strong>de</strong>r Juristischen Studiengesellschaft Hannover,<br />

Heft 18).<br />

23 Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jh. bis zur Gegenwart, 9. A. Stuttgart 1969.<br />

24<br />

Severinus <strong>de</strong> Monzambano (=Samuel Pufendorf), De statu imperii Germanici, Genf, Columesius 1673 Kap. 6<br />

§ 9 (= QuStudGeschDtReich hrsg. K. Zeumer, Bd. 3, H. 4, bearb. F. Salomon), Weimar 1910. S. 126.<br />

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