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Reichsverfassung und Landstände - obere-meerbach.de

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keit <strong>und</strong> hergebrachten Steuern zu befreien, nach § 3 ist auch nicht zu billigen, dass die <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> die<br />

Disposition über die Landsteuern einschließlich <strong>de</strong>ren vollständiger Verwaltung mit Ausschließung<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sherrn „privative“ an sich ziehen. Dabei wird ausdrücklich auf die Zahlungspflicht nach §<br />

180 <strong>de</strong>s Jüngsten Reichsabschieds hingewiesen.<br />

Wenn nach Art. 15 § 4 Prozesse <strong>de</strong>r <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> <strong>und</strong> Untertanen in dieser Angelegenheit abgewiesen<br />

<strong>und</strong> die Beschwer<strong>de</strong>führer zu schuldiger Parition an Lan<strong>de</strong>sfürsten <strong>und</strong> -herrn gewiesen wer<strong>de</strong>n sollen,<br />

so zeigt die Einschränkung, dass in solchen Fällen Klageanträge „nicht leichtlich gehöret“ wer<strong>de</strong>n sollen,<br />

dass gr<strong>und</strong>sätzlich in schwerwiegen<strong>de</strong>n Fällen doch die Zuständigkeit von Reichshofrat <strong>und</strong><br />

Reichkammergericht bestehen blieb. In Art. 15 § 5 WK wur<strong>de</strong>n Prozesse gegen die Lan<strong>de</strong>sfürsten <strong>und</strong><br />

Obrigkeiten ohne <strong>de</strong>ren vorherige schriftliche Stellungnahme für null <strong>und</strong> nichtig erklärt, <strong>und</strong> Art. 15 §<br />

6 WK enthält in Fortsetzung <strong>de</strong>r schon bei Karl V. 1519 enthaltenen Regelung wie<strong>de</strong>r die alte Bestimmung<br />

über unziemliche hässliche Verbündnisse, Verstrickungen <strong>und</strong> Zusammentuung <strong>de</strong>r Untertanen,<br />

die verboten sind. Im Art. 15 § 7 WK heißt es, dass keineswegs dazu durch Erteilung unzeitiger Prozesse,<br />

Kommissionen, Reskripte <strong>und</strong> <strong>de</strong>rgleichen Übereilung Anlass gegeben wer<strong>de</strong>n dürfe. In<strong>de</strong>s enthält<br />

Art. 15 § 9 einen Passus, <strong>de</strong>r die vorangehen<strong>de</strong>n in an<strong>de</strong>rem Lichte erscheinen lässt: „Da aber die<br />

Streitigkeiten vor <strong>de</strong>m Richter mit Rechte verfangen wären, sollen selbige aufs schleunigste ausgeführt<br />

<strong>und</strong> entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n“.<br />

Von einem gr<strong>und</strong>sätzlichen Verbot an die Reichsgerichte, bei <strong>de</strong>rartigen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen zwischen<br />

Lan<strong>de</strong>sherren <strong>und</strong> <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>n Prozesse anzunehmen, kann also nicht die Re<strong>de</strong> sein. Vielmehr<br />

blieb hier ein weiterer politischer Spielraum, wie auch die geschil<strong>de</strong>rten Vorgänge im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

erkennen lassen.<br />

Dies erklärt sich ganz wesentlich aus <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Gr<strong>und</strong>satz <strong>de</strong>s Rechtsstaats ähneln<strong>de</strong>n Generalklausel<br />

<strong>de</strong>r Wahlkapitulation, Artikel 16 § 1, jener alten Hauptaufgabe eines <strong>de</strong>utschen Königs <strong>und</strong> Kaisers,<br />

wie sie seit <strong>de</strong>m Sachsenspiegel unangefochten gilt: „Wir sollen <strong>und</strong> wollen im römischen Reiche<br />

Frie<strong>de</strong> <strong>und</strong> Einigkeit pflanzen, Recht <strong>und</strong> Gerechtigkeit aufrichten <strong>und</strong> verfügen, damit sie ihren gebührlichen<br />

Gang, <strong>de</strong>m Armen wir <strong>de</strong>m Reichen, ohne Unterschied <strong>de</strong>r Personen, Stan<strong>de</strong>s, Wür<strong>de</strong>n <strong>und</strong><br />

Religionen, auch in Sachen uns <strong>und</strong> unseres Hauses eigenes Interesse betreffend gewinnen <strong>und</strong> haben,<br />

auch behalten <strong>und</strong> in selben Ordnungen, Freiheiten <strong>und</strong> altem löblichen Herkommen nach verrichtet<br />

wer<strong>de</strong>n möge“ 140 .<br />

Artikel 16 § 7 sieht die ungehin<strong>de</strong>rte Justiz bei <strong>de</strong>n Reichsgerichten vor, die nach Artikel 16 § 9 auf<br />

<strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>r F<strong>und</strong>amentalgesetze <strong>de</strong>s Reiches von <strong>de</strong>r Gol<strong>de</strong>nen Bulle bis zum Westfälischen<br />

Frie<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Nürnberger Exekutionsrezess zu entschei<strong>de</strong>n haben. Artikel 18 § 1 verlangt, dass künftig<br />

keine Exemtionen von <strong>de</strong>r Reichsjurisdiktion mehr über die vorhan<strong>de</strong>nen hinaus gestattet wer<strong>de</strong>n sollen.<br />

Nach Artikel 18 § 2 wird zwar <strong>de</strong>n eximierten Stän<strong>de</strong>n dieser Rechtsstatus garantiert, sie haben aber<br />

auch ihrerseits die Verträge aufs genaueste zu beachten <strong>und</strong> einzuhalten, beson<strong>de</strong>rs was ihre Pflichten<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Reich anlangt. Hier war das Recht angelegt, bei Verstoß gegen reichsständische<br />

Pflichten von Verwirkung gewährter Privilegien auszugehen <strong>und</strong> damit das Verfassungsrecht fortzuentwickeln.<br />

In diese Richtung geht auch Artikel 18 § 6 WK. Danach soll „die Notdurft väterlich beobachtet“ wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn Appellations- <strong>und</strong> ähnliche Privilegien zum Präjudiz eines Dritten wer<strong>de</strong>n können. Gemäß<br />

Artikel 9 § 6 sollen Klagen von <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>n <strong>und</strong> Untertanen gegen ihre Obrigkeiten zunächst bei <strong>de</strong>n<br />

or<strong>de</strong>ntlichen Lan<strong>de</strong>sgerichten entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Reichsgerichten nicht gestattet wer<strong>de</strong>n,<br />

140 Vgl. dazu Moser, Von <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>shoheit S. 257f.<br />

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