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Reichsverfassung und Landstände - obere-meerbach.de

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Ähnlich hatte auch <strong>de</strong>r im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert in Trier beginnen<strong>de</strong> Streit um die Landstandschaft <strong>de</strong>r Ritterschaft<br />

erst am 2. Juli 1729 mit einem während <strong>de</strong>r Sedisvakanz vom Domkapitel geschlossenen,<br />

von Kaiser Karl VI. am 5. September 1729 bestätigten Vertrag sein En<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n können. In ihm<br />

entließ das Domkapitel als zweiter Lan<strong>de</strong>sherr die gesamte Ritterschaft als Reichsritterschaft <strong>und</strong> damit<br />

ein Drittel aller <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> aus <strong>de</strong>m Landtagsverband, ein in seiner Art einmaliger Vorgang 133 .<br />

Zweifellos kann man auch diese tief in die Landtagsverfassung eingreifen<strong>de</strong>n Vorgänge als durchaus<br />

konsequente verfassungsmäßige Anwendung <strong>de</strong>r kaiserlichen Wahlkapitulationen ansehen 134 . Sie bestätigt<br />

Mosers These „es bleibet also, solang die <strong>de</strong>rmalige teutsche <strong>Reichsverfassung</strong> währet, dabei:<br />

Aller <strong>und</strong> je<strong>de</strong>r Reichsstän<strong>de</strong> Lan<strong>de</strong>shoheit ist <strong>de</strong>m Kaiser <strong>und</strong> Reich subordiniert“ 135 . Tatsächlich<br />

zieht sich dieser Gr<strong>und</strong>satz durch die auf <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>s Projekts <strong>de</strong>r perpetuierlichen kaiserlichen<br />

Wahlkapitulation vom 4., 6. <strong>und</strong> 7. Juli 1711 136 immer wie<strong>de</strong>r erneuerten, ergänzten, jedoch in <strong>de</strong>r<br />

Kernglie<strong>de</strong>rung beibehaltenen Wahlkapitulationen 137 .<br />

Für das Verhältnis von <strong>Reichsverfassung</strong> <strong>und</strong> Landtagen bzw. landständischen Rechten war <strong>und</strong> blieb<br />

maßgebend Artikel 15 <strong>de</strong>s Projekts <strong>de</strong>r ständigen Wahlkapitulation bzw. Artikel 15 § 1 <strong>de</strong>r letzten<br />

Wahlkapitulation Franz II vom 5. Juli 1792 138 , in <strong>de</strong>m es hieß: „Wir wollen die mittelbaren Reichs<strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>r Stän<strong>de</strong> Lan<strong>de</strong>suntertanen in unserm kaiserlichen Schutze haben, <strong>und</strong> zum schuldigen Gehorsam<br />

gegen ihre Lan<strong>de</strong>sobrigkeiten anhalten“.<br />

Der Schutz <strong>de</strong>r mittelbaren Stän<strong>de</strong> war ein Schutz <strong>de</strong>r <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>, <strong>und</strong> die Verpflichtung zum Gehorsam<br />

reichte eben nicht weiter, als sie diesen zu leisten „schuldig“ waren – was in Zusammenhang mit<br />

Art. 1 § 8 <strong>de</strong>r Wahlkapitulation zu sehen ist, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Reichsgerichten <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren Eingriffe in die<br />

Lan<strong>de</strong>s- <strong>und</strong> Regierungshoheit wi<strong>de</strong>r die Reichsgesetze – aber eben nur wi<strong>de</strong>r diese! – verbot. Artikel<br />

2 § 3 sicherte zu, dass niemand in Religionssachen <strong>de</strong>m Westfälischen Frie<strong>de</strong>n <strong>und</strong> „<strong>de</strong>n mit an<strong>de</strong>ren<br />

Reichsstän<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>n reichsverfassungsmäßig errichteten Verträgen, <strong>und</strong> diesen gemäß<br />

ausgestellten Reversalien entgegen“ in seinen Rechten beeinträchtigt wer<strong>de</strong>n solle. Auch die Bestimmungen<br />

<strong>de</strong>s Artikels 8 <strong>de</strong>r Wahlkapitulation in Zollsachen richten sich mehrfach nicht nur an die<br />

Reichsstän<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn auch <strong>und</strong> unmittelbar an die <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> 139 . Artikel 14 <strong>de</strong>r Wahlkapitulation, <strong>de</strong>r<br />

bei rein geistlichen Angelegenheiten das letztinstanzliche Urteil <strong>de</strong>s römischen Stuhls o<strong>de</strong>r einer vom<br />

Papst genehmigten Instanz anerkennt, regelt in § 6 nicht nur die Ausnahmen für die evangelischen<br />

Reichsstän<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn auch für die unter katholischer geistlicher o<strong>de</strong>r weltlicher Obrigkeit wohnen<strong>de</strong>n<br />

Landsassen <strong>und</strong> damit wie<strong>de</strong>rum die <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>.<br />

Ich komme noch einmal auf <strong>de</strong>n Artikel 15 zurück. Nach<strong>de</strong>m § 1 die <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> unter kaiserlichen<br />

Schutz genommen hatte, verspricht er in Artikel 15 § 2, keine Landsassen von lan<strong>de</strong>sfürstlicher Obrig­<br />

133<br />

134<br />

Gedruckt mit kaiserlicher Bestätigung bei f (Anm. 113) Teil II, Nr. 427, S. 493f. <strong>und</strong> beschrieben auch bei<br />

Johann Jakob Moser, Neueste Geschichte <strong>de</strong>r unmittelbaren Reichsritterschaft, Bd. 2, Frankfurt <strong>und</strong> Leipzig<br />

1776, S. 232ff. Vgl. LHA Koblenz Best. 1 E Nr. 1229-1231 (1577-1729).<br />

Zu <strong>de</strong>ren gr<strong>und</strong>sätzlicher Be<strong>de</strong>utung Gerd Kleinheyer, Die kaiserlichen Wahlkapitulationen. Geschichte,<br />

Wesen <strong>und</strong> Funktion (= Studien <strong>und</strong> Quellen zur Geschichte <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Verfassungsrechts, Reihe A Bd.<br />

1), Karlsruhe 1968 <strong>und</strong> zur älteren staatsrechtlichen Wertung Johann Jakob Moser, Von Teutschland <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>ssen Staatsverfassung überhaupt, Stuttgart 1766, S. 195f. (Reichsgr<strong>und</strong>gesetze), insbeson<strong>de</strong>re S. 297 ff.<br />

(Wahlkapitulationen).<br />

135 Moser (Anm. 30), S. 259.<br />

136 Sammlung (Anm. 64) Teil IV, S. 233ff.; Zeumer (Anm. 37) Bd. 2 Nr. 205, S. 474ff.<br />

137<br />

Zum Versuch, die perpetuierliche Kapitulation, wie sie Artikel 8 § 3 <strong>de</strong>s Westfälischen Frie<strong>de</strong>ns vorsah,<br />

durch Reichstagsbeschluss zustan<strong>de</strong> zu bringen <strong>und</strong> das Verhältnis von Kurfürsten <strong>und</strong> übrigen Reichsstän<strong>de</strong>n<br />

dabei zu regeln, vergleiche Kleinheyer (Anm. 134), S. 86f.<br />

138 Ratifiziert am 12. Juli 1792, LHA Koblenz Best. 1 A Nr. 11 534 <strong>und</strong> 10 684.<br />

139<br />

Vgl. § 11 wegen städtischer Abgaben o<strong>de</strong>r § 14 die Generalklausel, wonach Verstöße bei Immediatstän<strong>de</strong>n<br />

ebenso wie bei mittelbaren <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>n zu ahn<strong>de</strong>n sind.<br />

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