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Reichsverfassung und Landstände - obere-meerbach.de

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minus <strong>de</strong>s Erzstifts, <strong>und</strong> Kurfürstentums Trier, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>pendiert in temporalibus von einem regieren<strong>de</strong>n<br />

römischen Kaiser, <strong>und</strong> ist schuldig, seine Regierung nach Inhalt vorangezogener, mit einem<br />

hochwürdigen Domkapitel bei vergangener Wahl aufgerichter geschworenen Pakten, auch <strong>de</strong>n Rechten,<br />

Reichs- <strong>und</strong> Landtagsabschie<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m alten Herkommen, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Billigkeit gemäß anzustellen,<br />

<strong>und</strong> keine Neuerungen 92 einzuführen, in Maßen dann auch alle Kurfürsten nacheinan<strong>de</strong>r von 100 <strong>und</strong><br />

mehr Jahren hero bei Einnehmung <strong>de</strong>r Huldigungen <strong>de</strong>n Untertanen allenthalben reciproce gnädigst<br />

versprochen <strong>und</strong> zugesagt, daß sie die Untertanen bei ihren hergebrachten Freiheiten, Rechten <strong>und</strong> Gerechtigkeiten<br />

lassen, <strong>und</strong> dieselbe vielmehr erweitern als ringern wollen“. 93<br />

Die Stän<strong>de</strong> verlangten also angesichts <strong>de</strong>r Begrenztheit <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sherrschaft aufgr<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Abhängigkeit<br />

von Kaiser <strong>und</strong> Reich die Entscheidung <strong>de</strong>s Kaisers, was <strong>de</strong>r Kurfürst für eine Rebellion hielt <strong>und</strong><br />

gewaltsam militärisch unterdrücken wollte. Es ging in <strong>de</strong>r Schrift <strong>de</strong>s weiteren um die Beteiligung <strong>de</strong>s<br />

Domkapitels an Regierungs- <strong>und</strong> Lan<strong>de</strong>ssachen einschließlich <strong>de</strong>r Ausschreibung <strong>de</strong>r Landtage selbst,<br />

um die Abwicklung <strong>de</strong>s Ausschuss- <strong>und</strong> Rechnungswesens durch die Direktoren <strong>de</strong>r <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>, <strong>de</strong>ren<br />

eigenmächtige Ausschreibung ohne kurfürstliche Anweisung <strong>de</strong>n <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>n nicht mehr gestattet<br />

wer<strong>de</strong>n sollte, <strong>und</strong> schließlich die selbständige Verteilung <strong>de</strong>r Steuern, <strong>de</strong>n so genannten „modus<br />

quot(is)andi“, in <strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r Kurfürst nur im Falle <strong>de</strong>r Uneinigkeit <strong>de</strong>r Stän<strong>de</strong> zu mischen habe; dies<br />

gelte auch für die Erhebung <strong>de</strong>r Reichssteuern, <strong>de</strong>ren tatsächliche Aufbringungsart ausschließlich Sache<br />

<strong>de</strong>r <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> sei 94 .<br />

In <strong>de</strong>r facti species vom 24. Februar 1627, die die Stän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Reichshofrat gerichteten Interpellation<br />

beigefügt hatten 95 , wur<strong>de</strong>n die seit 1625 erhobenen Steuern insbeson<strong>de</strong>re für eine reichsgesetzlich<br />

nicht steuerpflichtig machen<strong>de</strong> „Privatsoldateska“, die Einführung einer Bausteuer <strong>und</strong> einer<br />

Weinabgabe beklagt <strong>und</strong> insbeson<strong>de</strong>re das kurfürstliche Verfahren, die Vertreter <strong>de</strong>s ersten Stan<strong>de</strong>s,<br />

die Geistlichen, mit militärischer Gewalt zur Unterschreibung <strong>de</strong>s Landtagsabschie<strong>de</strong>s vom 7.8.1625<br />

zu zwingen, beanstan<strong>de</strong>t. 1627 hatte <strong>de</strong>r Streit einen Höhepunkt erreicht, als <strong>de</strong>r Kurfürst mit Rezess<br />

vom 22. Februar sämtliche ständische For<strong>de</strong>rungen als Verstoß gegen seine Obrigkeit verwarf. Daraufhin<br />

appellierten unter ausdrücklichem Bezug auf Reichsabschie<strong>de</strong>, gemeines Recht <strong>und</strong> natürliche<br />

Billigkeit die weltlichen Stän<strong>de</strong> am 24. Februar 1627 einhellig an <strong>de</strong>n Kaiser „als ungezweifeltes<br />

höchstes Oberhaupt“ 96 .<br />

Die Wirren zwischen Kurfürsten, Domkapitel <strong>und</strong> <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>n fan<strong>de</strong>n nach vorübergehen<strong>de</strong>r Gefangensetzung<br />

<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>sherrn schließlich im kaiserlich autorisierten Binger Rezess vom 23. August<br />

1650 ihr En<strong>de</strong> 97 . Der Vorspruch stellt unter ausdrücklicher Berufung auf <strong>de</strong>n Westfälischen Frie<strong>de</strong>n<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>n Nürnberger Exekutionsrezess vom 11./21. September 1649 98 <strong>und</strong> damit unter ausdrücklichem<br />

Bezug auf das Reichsrecht <strong>und</strong> die darin vorgesehene Universalamnestie auch die Streitigkeiten zwischen<br />

<strong>de</strong>m Kurfürsten als <strong>de</strong>m Haupt <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Domkapiteln als <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s sowie gleichermaßen<br />

<strong>de</strong>n geistlichen <strong>und</strong> weltlichen erzstiftischen Stän<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Angehörigen „in ewigen Vergess“<br />

99 . Mit <strong>de</strong>r Feststellung, dass <strong>de</strong>r Kurfürst - ebenso wie das Domkapitel - in Administration <strong>und</strong> Re­<br />

92 Hier klingen die Bestimmungen <strong>de</strong>s Reichsweistums von 1231 an.<br />

93 Hontheim (Anm. 57) Bd. 3, S. 289f.<br />

94 Artikel 11.<br />

95 Hontheim (Anm. 57) Bd. 3, S. 299ff.<br />

96<br />

Hontheim, (Anm. 57) Bd. 3, S. 301; weiterer Gang <strong>de</strong>r Angelegenheiten S. 302ff. Vgl. Winfried Dotzauer,<br />

Der historische Raum <strong>de</strong>s B<strong>und</strong>eslan<strong>de</strong>s Rheinland-Pfalz von 1500-1815, Frankfurt am Main u. a. 1993, S.<br />

99ff.<br />

97<br />

Abgedruckt Hontheim (Anm. 57) Bd. 3, S. 663ff. Vgl. die Akten im LHA Koblenz Best. 1 E Nr. 1218 <strong>und</strong><br />

1219 sowie Best. 1 C 16242, 16250, 16252-16254, 16256.<br />

98 Reichsabschie<strong>de</strong> Teil III, S. 625f. bzw. (16./26. Juni 1650) S. 629f.<br />

99 Hontheim (Anm. 57) Bd. 3, S. 664.<br />

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