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Reichsverfassung und Landstände - obere-meerbach.de

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Eine gr<strong>und</strong>sätzlich neue Rechtslage trat erst mit <strong>de</strong>m Westfälischen Frie<strong>de</strong>n vom 14./24. Oktober 1648<br />

ein 87 . Artikel 8 (§ 1) <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>nsvertrages bestätigte <strong>de</strong>n Kurfürsten, Fürsten <strong>und</strong> Stän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Reiches<br />

samt <strong>und</strong> son<strong>de</strong>rs alle ihre hergebrachten Rechte, Prärogativen, Freiheiten, Privilegien <strong>und</strong> freie<br />

Rechtsausübung „tam in ecclesiasticis quam politicis“ <strong>und</strong> schützte sie gegen je<strong>de</strong> Beeinträchtigung (8<br />

§ 1). Art. 8 § 2 gewährleistete ihnen das Stimmrecht am Reichstag sowie das Bündnisrecht, jedoch mit<br />

<strong>de</strong>r Einschränkung, dass die Bündnisse sich nicht gegen Kaiser <strong>und</strong> Reich, <strong>de</strong>n Landfrie<strong>de</strong>n <strong>und</strong> gegen<br />

diesen Westfälischen Frie<strong>de</strong>n richten dürften, <strong>und</strong> vorbehaltlich auch <strong>de</strong>s Lehnsei<strong>de</strong>s, mit <strong>de</strong>m je<strong>de</strong>r<br />

Reichsstand Kaiser <strong>und</strong> Reich verb<strong>und</strong>en war.<br />

Die Rechtsgarantien beschränkten sich in<strong>de</strong>s nicht auf die Reichsstän<strong>de</strong>. Da Artikel 3 § 1 ausdrücklich<br />

auch die früheren Verhältnisse <strong>de</strong>r Vasallen <strong>und</strong> Untertanen, Bürger <strong>und</strong> Einwohner hinsichtlich ihrer<br />

Wür<strong>de</strong>n, Rechte <strong>und</strong> Privilegien vollständig wie<strong>de</strong>rherstellte, war implizit auch die Existenz <strong>de</strong>r <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>,<br />

wo sie <strong>de</strong>nn bestan<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Recht auf Sitz <strong>und</strong> Stimme in Landtagen anerkannt 88 .<br />

Auch in Religionsfragen gab es Garantien für die <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>. So wur<strong>de</strong> in Artikel 5 § 31, nach<strong>de</strong>m im<br />

vorhergehen<strong>de</strong>n Paragraphen das ius reformandi ebenso wie das beneficium emigrandi verkün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n<br />

waren, gleichwohl <strong>de</strong>n Landsassen, Vasallen <strong>und</strong> sonstigen Untertanen katholischer Reichsstän<strong>de</strong>,<br />

die im Stichjahr 1624 sich entwe<strong>de</strong>r aufgr<strong>und</strong> eines Vertrages, eines Privilegs o<strong>de</strong>r langen <strong>und</strong> ungestörten<br />

Gebrauches zur Augsburger Konfession bekannt hatten, ihre Rechte garantiert, ja Art. 5 § 33<br />

erkannte ausdrücklich die Rechtskraft aller Verträge <strong>und</strong> vertragsähnlichen Abmachungen zwischen<br />

Reichsstän<strong>de</strong>n <strong>und</strong> ihren <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>n 89 über öffentlichen o<strong>de</strong>r privaten Religionsgebrauch an <strong>und</strong> gestattete<br />

Än<strong>de</strong>rungen nur im gegenseitigen Einvernehmen.<br />

Im Übrigen enthalten auch die weiteren Territorialbestimmungen zahlreiche Regelungen zur Fortgeltung<br />

bestehen<strong>de</strong>n Rechtes, im Falle Osnabrücks beispielsweise unter Anerkennung <strong>de</strong>r dort gelten<strong>de</strong>n<br />

Wahlkapitulationen für die Bischöfe, <strong>de</strong>ren Amt alternierend <strong>de</strong>m Hause Braunschweig-Lüneburg eingeräumt<br />

wur<strong>de</strong> 90 .<br />

Auf <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>lage <strong>de</strong>r Bestimmungen <strong>de</strong>s Westfälischen Frie<strong>de</strong>ns, u. a. über die allgemeine Amnestie,<br />

fand endlich auch <strong>de</strong>r seit <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>s Trierer Kurfürsten Philipp von Sötern 1623 andauern<strong>de</strong><br />

heftige Streit zwischen Kurfürsten, Domkapitel <strong>und</strong> <strong>Landstän<strong>de</strong></strong>n sein En<strong>de</strong>. Die Stän<strong>de</strong> hatten in einer<br />

22 Artikel umfassen<strong>de</strong>n, von ihnen als „status regiminis patriae trevirensis“ bezeichneten Beschwer<strong>de</strong><br />

an <strong>de</strong>n Reichshofrat über das Gewaltregiment <strong>de</strong>s Kurfürsten die Gr<strong>und</strong>sätze <strong>de</strong>r Trierischen Verfassung<br />

dargelegt. In dieser „lex f<strong>und</strong>amentalis“, also Gr<strong>und</strong>gesetz genannten Schrift 91 war nach Auffassung<br />

ihrer Autoren nichts weiter als berechtigter Wi<strong>de</strong>rstand gegen <strong>de</strong>n Versuch <strong>de</strong>s Kurfürsten zu sehen,<br />

die <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> auszulöschen, von <strong>de</strong>nen es lt. Artikel 3 seit unvor<strong>de</strong>nklichen Zeiten drei gegeben<br />

habe, nämlich Prälaten <strong>und</strong> Geistliche als ein Stand, A<strong>de</strong>l <strong>und</strong> Ritterschaft als zweiter, Städte <strong>und</strong> Pflegen<br />

als dritter.<br />

Am Wichtigsten aber ist unter <strong>de</strong>m Aspekt meiner Betrachtung Artikel 1 dieser Schrift von 1627. In<br />

ihm wird festgestellt: „Erstlich ein regieren<strong>de</strong>r Erzbischof <strong>und</strong> Kurfürst zu Trier ist kein absolutus do­<br />

87 Frie<strong>de</strong> von Münster <strong>und</strong> Osnabrück, in: Sammlung (Anm. 64) Teil III, S. 574 ff.; Zeumer (Anm. 37) Bd. 2, Nr.<br />

197 <strong>und</strong> 198, S. 395 ff. bzw. 434 ff.<br />

88<br />

Vgl. Barbara Stollberg-Rielinger, Vormün<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Volkes? Konzepte landständischer Repräsentation in <strong>de</strong>r<br />

Spätphase <strong>de</strong>s Alten Reiches (= Historische Forschungen Bd. 64), Berlin 1999, S. 22ff. mit weiterer Literatur.<br />

89 status provinciales.<br />

90 Vgl. Artikel 12 § 3, § 6, § 7.<br />

91<br />

Hontheim (Anm. 57) Bd. 3, Augsburg <strong>und</strong> Würzburg 1750, S. 287ff. Der „Status“ ist die am 24. Feb. 1627<br />

an <strong>de</strong>n Kaiser gegangenen Appellationsschrift <strong>de</strong>r Stän<strong>de</strong> zugr<strong>und</strong>e gelegt, <strong>und</strong> auch das kaiserliche „Proctectorium“<br />

vom 2.8.1631 an Kurmainz <strong>und</strong> Kurbayern beruht darauf. - Zu <strong>de</strong>n trierischen Verfassungsverhältnissen<br />

vgl. Richard Laufner, Die <strong>Landstän<strong>de</strong></strong> von Kurtrier im 17. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>ert, in: Rheinische Vierteljahrsblätter<br />

32, 1968, S. 290 ff.<br />

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