Nr. 243 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
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eingedrungenen Russen voll besetzt<br />
war. Einige von ihnen kamen auf uns<br />
zu und lamentierten mit Banias herum,<br />
aber keiner schoss oder tat uns<br />
Gewalt an. Sie schickten uns nur in<br />
einen Luftschutzbunker, der auf einer<br />
Wiese hinter den Häusern lag.<br />
Hier befanden sich auch schon andere<br />
Deutsche, die in dieser Gegend<br />
wohnten und sich dort wohl versteckt<br />
hielten oder auch von den Russen<br />
dorthin gebracht worden waren.<br />
Am nächsten Tag untersuchten Banias<br />
meinen angeschossenen Arm.<br />
Gott sei Dank war es nur ein Streifschuss,<br />
tat aber höllisch weh. Die<br />
Wunde wurde gesäubert und verbunden.<br />
Ärzte waren ja nicht in der<br />
Nähe, jeder musste sich selbst helfen,<br />
so gut es ging. Und ich war Banias<br />
sehr dankbar, dass sie sich um<br />
mich kümmerten, weil sie in meinen<br />
Augen sehr alt waren und mit sich<br />
selbst genug zu tun hatten. In einem<br />
der anliegenden Bunker schrieen eines<br />
nachts Kinder und Frauen fürchterlich.<br />
Später erfuhren wir dann,<br />
dass die Frauen gezwungen worden<br />
waren, ihren Schmuck und den von<br />
ihren Kindern herunterzuschlucken.<br />
Sie wurden so lange gepeitscht und<br />
gequält, bis sie es geschafft hatten,<br />
manche sind dabei erstickt. Glücklicherweise<br />
blieb uns das in unserem<br />
Bunker erspart.<br />
Banias waren froh, dass mich Herr<br />
Cymutta, der im Hinterhaus wohnte,<br />
dann für ein paar Tage bei sich im<br />
Haus aufnahm. Seine Familie hatte<br />
er noch rechtzeitig aus Allenstein herausbringen<br />
können. Er selbst wollte<br />
aber seine Heimat nicht verlassen.<br />
Dieser alte Mann Cymutta nahm<br />
mich also bei sich auf. Am ersten<br />
Abend in seinem Haus polterte mit<br />
viel Getöse und Getrampel ein Russe<br />
mit seinem Pferd in den Hausflur.<br />
Der Russe, der sichtlich unter Alkoholeinfluss<br />
stand, schrie und fuchtelte<br />
mit seinem Gewehrkolben herum,<br />
bis Herr Cymutta ihn in die Küche<br />
ließ. Ich war vor Angst schnell die<br />
Treppe hinauf geflüchtet und hatte<br />
mich unter den Ehebetten im Schlafzimmer<br />
versteckt. Das Bett war Gott<br />
sei Dank bis an die Wand gestellt, so<br />
dass man nicht darum herumgehen<br />
konnte. Hier wartete ich zitternd vor<br />
Angst und dachte darüber nach,<br />
was sich wohl unten in der Küche<br />
abspielte.<br />
Hinterher erzählte mir Herr Cymutta,<br />
dass er den Russen hatte füttern<br />
müssen. Wenn es ihm nicht schmeckte,<br />
spuckte er es Herrn Cymutta ins<br />
Gesicht und drohte und schlug ihn<br />
wohl auch mit dem Gewehrkolben. Irgendwie<br />
muss der Russe ein Geräusch<br />
im Haus gehört haben. Plötzlich<br />
sprang er auf, kam die Treppe<br />
hinauf gestolpert und suchte anscheinend<br />
nach deutschen Soldaten,<br />
die sich hier oben versteckt haben<br />
könnten. Er kam auch ins<br />
Schlafzimmer und stieß sein Bajonett<br />
tief unter die Ehebetten, wo ich mich<br />
ganz hinten an der Wand versteckt<br />
hatte. Der Russe war so dick, dass<br />
er sich nicht bücken konnte, um unter<br />
die Betten zu sehen. Das Bajonett<br />
war auch nicht so lang, dass es<br />
mich hätte erreichen und aufspießen<br />
können. Nachdem er nichts gefunden<br />
hatte, wonach er suchte, verließ<br />
er fluchend wieder das Haus mit seinem<br />
Pferd, das geduldig im Flur auf<br />
ihn gewartet hatte. Langsam schlich<br />
ich mich ängstlich hinunter zu Herrn<br />
Cymutta, der auch noch ganz mitgenommen<br />
von dem fürchterlichen<br />
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