Nr. 243 - Stadtgemeinschaft Tilsit eV - Ostpreußen
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gegennehmen. Nun hatte Napoleon<br />
einen Grund zum Kriege.<br />
Dieser Feldzug, an dem Preußen<br />
durch den Bundesvertrag gezwungen<br />
war teilzunehmen, forderte wiederum<br />
ganz ungeheure Opfer von der<br />
Provinz <strong>Ostpreußen</strong>. Die Lieferungen<br />
der Provinz <strong>Ostpreußen</strong> waren durch<br />
den uns aufgezwungenen Allianzvertrag<br />
vom 24. Februar 1812 für Lebens-<br />
und Futtermittel, für Getränke,<br />
für Schlachtvieh etc. festgesetzt. Als<br />
Tagesportion war für jeden Mann 1 ¾<br />
Pfd. Brot, 5/8 Pfd. Fleisch, 4 Lot Reis<br />
oder ¼ Pfd. Hülsenfrüchte, 1/5 Quart<br />
Bier, 1/20 Quart Branntwein, 1/25<br />
Quart Essig und 1/30 Quart Salz (1<br />
Quart = 1 1/7 Liter) vorgeschrieben.<br />
Großen Schaden erlitt die Pfarrkirche<br />
1807. Die französische Besatzung<br />
und die nach der Schlacht bei Pr.<br />
Eylau in der Kirche eingesperrten<br />
russischen und preußischen Gefangenen<br />
(etwa 1500) richteten das<br />
Gotteshaus ganz schmählich zu. Die<br />
Gefangenen kochten in der Kirche<br />
ihr Essen, hatten dort ihr Lager und<br />
verbrannten alles, was sie dort an<br />
brennbaren Sachen vorfanden: Bänke,<br />
Weihnachtskrippe samt Bethlehems<br />
Stall, das hl. Grab Christi etc.<br />
Durch die Hitze und den Qualm<br />
wurde das Innere der Kirche<br />
schrecklich zugerichtet. Fliesen und<br />
Fensterscheiben platzten, Kalk und<br />
Mörtel bröckelten von den Wänden,<br />
Decken und Pfeilern ab. Die Kirchenwäsche<br />
wurde zerrissen und zu<br />
Fußlappen verwandt. Der angerichtete<br />
Schaden wurde auf 2596 Tlr. 60<br />
Gr. berechnet, und lange Zeit konnte<br />
in der Kirche keine Andacht abgehalten<br />
werden. Der Erzpriester<br />
Schoeller berichtete unter dem 10.<br />
Oktober 1807 an den Ermländischen<br />
General-Administrator über die Verwüstung<br />
der Kirche wie folgt: „Ein<br />
Greuel der Verwüstung ist noch immerfort<br />
in der Kirche zu Allenstein zu<br />
sehen, welchen die auf französischen<br />
Befehl hier nach der Schlacht<br />
bei Pr. Eylau eingesperrten russischen<br />
und preußischen Gefangenen<br />
angerichtet haben. Vom Hl. Grabe<br />
Christi sind nur einige bemalte Bretter<br />
übrig; der dritte Teil der Bänke,<br />
das Gitter um die Taufe ganz abgebrochen<br />
und auf den Fliesen oder<br />
Fuß- und Grabsteinen verbrannt, so<br />
dass letztere zerspalten und unbrauchbar<br />
geworden, die Kirche a-<br />
ber fast einem Rauchfang ähnlich<br />
sieht. Die Fenster in derselben, so<br />
hoch selbige mit Stangen und Stücken<br />
von Brettern konnten erreicht<br />
werden, eingeschlagen . . . Von den<br />
Beichtstühlen Stücke weggerissen.<br />
Antependia, Altar- und Kommunion-<br />
Banken-Tücher ausgeschnitten und<br />
mitgenommen Schlösser abgeschlagen,<br />
Türen ausgehoben und<br />
zerstückelt – kurz, die Verheerung ist<br />
so groß, als dass man dieselbe ganz<br />
zu beschreiben vermag . . .“<br />
Der Erzpriester bittet sodann, alle die<br />
Dinge, zu deren Erhaltung und Reparatur<br />
die Kirche verpflichtet ist,<br />
aus der Kirchenkasse anschaffen zu<br />
dürfen, da eine Kollekte unmöglich<br />
sei, weil die Bewohner durch die<br />
Kontributionen und Plünderungen<br />
der Franzosen in die äußerste Armut<br />
versetzt sind. Der gesamte Kriegsschaden<br />
an der Kirche wurde am<br />
28. Dezember 1815 vom Erzpriester<br />
Macpolowski und sieben anderen<br />
Bürgern ganz mäßig auf 2596 Taler<br />
und 60 Gr. angegeben.<br />
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