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Anton von Webern. Terrakottabüste von Josef Humplik (1928)

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<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>. <strong>Terrakottabüste</strong> <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> (<strong>1928</strong>)


Hans und KoseJeen,Moldenhauer<br />

Aji.if.on <strong>von</strong> W ehm i<br />

Chronik seines Lebens und Werkes<br />

Atlantis


Deutsche Übersetzung: Ken W. Bartlett<br />

A tlantis M usikbuch-V erlag Z ü rich/F reiburg i. Br.<br />

© 1980 A tlantis M usikbuch-V erlag A G , Z ürich<br />

Säm tliche R echte Vorbehalten<br />

G estaltung: H ans Frei, Z ürich<br />

Satz: A lfred U tesch, H am burg<br />

D ruck: B ühler, O ffsetdruck, H enau<br />

ISBN 3 7611 0573 8 Printed in Sw itzerland


IN M EM O RI AM<br />

A M A LIE VON W EB ERN-W A LLER<br />

(9. April 1911 - 3. August 1973)<br />

„O M eer des Blickes m it der Tränenbrandung! “ (H ildegard Jone)<br />

Aus W eberns Skizzenbuch: Das A ugenlicht, op. 26, A m alie W aller gew idm et


Inhaltsverzeichnis<br />

Einleitung ............................................................................ .................... Seite 9<br />

Prolog: Die Vorfahren .......................................................................... . .. 15<br />

1. Jugend (1883 —1902) ........................................................................... .. 24<br />

2. Universitätsjahre I (1902 —1 9 0 4 )............................................................... 39<br />

3. Frühe Kompositionen 1 (1899 —1904) .................................................. 49<br />

4. Arnold Schönberg —Universitätsjahre II (1904 —1906) .................... 61<br />

5. Frühe Kompositionen II - Opus 1—2 (1905-1908) .. .. .. .. .. 73<br />

6. Bescheidene Anfänge (1906 —1910) ......................................................... 90<br />

7. Opus 3 —8 —Zwei Opernprojekte (1908 —1910) ................................ 102<br />

8. Danzig (1910/11) ................................................................................. .. 121<br />

9. Berlin (1911/12) ..................................................................... .............. 134<br />

10. Stettin (1912/13) .......................... ......................................................... 145<br />

11. Wien - Krankheit (1913/14)..................................................................... 157<br />

12. Opus 9 —11 —Andere Werke —Tot (1911 —1914) ................................ 171<br />

13. Erster Weltkrieg —Prag —Mödling (1914—1918) .. .. .. .. .. .. 189<br />

14. Verein für musikalische Privataufführungen (1918—1 9 2 2 )............. .. 202<br />

15. Auf dem Wege zur Anerkennung (1921—1924) .. .. .. .. .. .. .. 219<br />

16. Opus 12—16 — Unvollendete Projekte - Bearbeitungen (1914 —1924) 238<br />

17. Wachsender Erfolg (1 9 2 5 -1 9 2 8 ).................. . .. .. .. .. .. .. 255<br />

18. Zwölftontechnik..Opus 1.7....21 —Andere W erke...Liszt-Bearbeitung<br />

(1924-<strong>1928</strong>) .................. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 277<br />

19. Internationale Anerkennung .. Hildegard Jone (.1929) .. .. .. ... 299<br />

20. Arbeit und Familie (1930) .. .. .. ............ . .. .. .. .. .. .. 311<br />

21. Ehrungen und Diffamierungen (1931.) .. ......................... . .. .. .. 323<br />

22. Hietzing —Maria Enzersdorf —Vorträge..Konzerte —Krankheit (1.932) 337<br />

23. Schönbergs Emigration ..<strong>Webern</strong>s 50. Geburtstag (1933) ,. .. .. .. 351<br />

24. An der Schicksalswende (1934) .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 369<br />

25. Opus 22 —25 —Schubert- und Bach-Bearbeitungen (<strong>1928</strong>..1935) .. 382<br />

26. Letzte Auftritte als Dirigent in W ien..Alban Bergs Tod —<br />

Krise in Barcelona (1 9 3 5 /3 6 )............ . .................... .. .. .. .. .. 405<br />

27. <strong>Webern</strong>, der Dirigent —Schönberg in Los Angeles - Vor dem<br />

Anschluß (1936-1938) .. .................... .. .. .. .. .. .. .. .. 417<br />

28. Opus 26-.28 (1935-1938) .............. .............. .............. .. .. .. 436<br />

29. Folgen des Anschlusses —<strong>Webern</strong>, der Lehrer (1938) .. .. .. .. .. 451<br />

30. <strong>Webern</strong> und das Dritte Reich (1938- 1941) ................... . .. .. .. .. 469<br />

31. Krieg —<strong>Webern</strong>s 60. Geburtstag —<strong>Webern</strong>-Bildnisse (1.940 —1943) .. 485<br />

32. Opus 29-31 (1938-1944) .. .. .. ......................... . ............ . .. 508


33. Krieg in der Heimat —Peters Tod (1943 —1945) .............<br />

34. Katastrophe und Flucht (1945) .................... ....................<br />

35. Mittersiller Notizbuch —Das vermutliche Opus 32 (1944/4.5)<br />

36. <strong>Webern</strong>s Tod (15. September 1945) ......................................<br />

Epilog: Wilhelmine —„Die Ära <strong>Webern</strong>“ .......................... ..<br />

534<br />

549<br />

562<br />

571<br />

582<br />

Anmerkungen und Quellennachweise.............<br />

Anhang I: Werkverzeichnis ................... ..<br />

Chronologischer Index ................................<br />

A. Veröffentlichte Werke mit Opuszahlcn ..<br />

B. Veröffentlichte Werke ohne Opuszahlen<br />

C. Andere Werke und Projekte .............<br />

D. Bearbeitungen, 1. Eigener Werke <strong>Webern</strong>s<br />

2. Werke anderer Komponisten .. ..<br />

E. Schriften ..................................................<br />

Anhang 11: <strong>Webern</strong>s Analyse des Streichquartetts<br />

Bibliographie (Auswahl) ................................<br />

Verzeichnis der Abbildungen ............ . .. ..<br />

Register .. .........................................................<br />

op 28<br />

593<br />

639<br />

640<br />

645<br />

651<br />

655<br />

664<br />

667<br />

669<br />

673<br />

689<br />

691<br />

8


t 'jnieif üijg<br />

Vor vielen Jahren, als sich mein Plan diese Biographie zu schreiben, noch in einem<br />

sehr frühen Stadium befand, erhob eine Schweizer Freundin, Gisela Floersheim,<br />

ihre mahnende Stimme: „Entmy thisieren!‘‘ Und in der Tat, seit seinem tragischen<br />

Tod im Jahre 1945 hatte sich um <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> ein wahrer Mythos gebildet.<br />

Obwohl der Komponist mit dem Beginn der 50er Jahre als einer der wichtigsten<br />

Wegbereiter der Musik des 20. Jahrhunderts anerkannt wurde, war er als Mensch<br />

und Künstler eine rätselhafte Erscheinung geblieben. Dieser merkwürdige Umstand<br />

erklärte sich in erster Linie daraus, daß es infolge der nur in sehr beschränktem<br />

Umfang verfügbaren Forschungsunterlagen den wenigen im Druck erschienenen<br />

biographischen Abhandlungen an erschöpfender Darstellung wie auch an Auslotung<br />

der Zusammenhänge ermangelte. Deshalb bot sieh, als mir das Glück<br />

widerfahren sollte, eine Fülle bisher unbekannten dokumentarischen Quellenmaterials<br />

aufzufinden, der Gedanke an eine umfassende Biographie geradezu<br />

<strong>von</strong> selbst an.<br />

Meine lange und intensive Beschäftigung mit <strong>Webern</strong> begann im Jahre 1959, als<br />

ich anläßlich eines Gelegenheitsbesuchs in Mittersill den Entschluß faßte, die<br />

mysteriösen Umstände seines gewaltsamen Todes zu untersuchen. Meine Erkenntnisse,<br />

die zuerst in der New York Times mitgeteilt1 und später in Buchform<br />

veröffentlicht2 wurden, fanden ihre Bestätigung durch <strong>Webern</strong>s älteste Tochter<br />

Amalie Waller, der ich die Ergebnisse meiner Nachforschungen unterbreitet hatte.<br />

Einige Monate darauf ließ mich Frau Waller ganz unerwartet wissen, daß sich in<br />

ihrem Besitz Notenmanuskripte, Tagebücher und andere Schriften ihres Vaters<br />

befänden, und sie bat mich, ihr dabei behilflich zu sein, einen Aufbewahrungsort für<br />

sie zu finden. Während des Frühsommers 1961 konnten die Verhandlungen zum<br />

Abschluß gebracht werden, diese Materialien für die Moldenhauer-Archive in<br />

Spokane, im Staate Washington3, zu erwerben.<br />

Zu dem Zeitpunkt, als ich den ersten Kontakt zu Frau Waller auf genommen hatte,<br />

war ihr Vater in den Archiven bereits mit dem unveröffentlichten Klavierauszug<br />

seiner Sechs Trakl-Lieder op. 14 und drei Briefen an Frau Emil Hertzka vertreten.<br />

In Anbetracht der damals herrschenden Meinung, das Schaffen des Komponisten sei<br />

eng begrenzt, und der zunehmenden Bedeutung, die seinem Oeuvre zugemessen<br />

wurde, Rechnung tragend, war ich da<strong>von</strong> überzeugt, daß alles, was aus seiner Feder<br />

stammte, längst seinen festen Verwahrungsort gefunden habe. So hatte ich auch<br />

Frau Waller in meiner früheren Korrespondenz niemals nach Manuskripten ihres<br />

Vaters gefragt. Sie hatte ihrerseits keine Ahnung <strong>von</strong> meiner archivarischen<br />

Tätigkeit (tatsächlich hatte sie die Materialien zuerst der Österreichischen Nationalbibliothek<br />

angeboten). Deshalb kam ihr Schritt, mich um Beistand zu bitten, völlig<br />

9


überraschend für mich. Wie sich herausstellte, sollte diese erste Übertragung des<br />

Jahres 1961 eine Folge <strong>von</strong> bedeutungsvollen Entwicklungen einleiten.<br />

Die Gruppe <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>-Manuskripten, die den Anfang machte, enthielt eine<br />

große Anzahl bisher unbekannter Werke aus der Frühzeit des Komponisten. Ihr<br />

Eintreffen in den Vereinigten Staaten wurde in prominenter Aufmachung mit einem<br />

langen Tatsachenbericht in der New York Times publiziert4 und erregte großes<br />

Aufsehen in musikalischen Kreisen. Um den posthumen Werken im Rahmen einer<br />

großangelegten Vorstellung der Musik des Komponisten zum ersten Mal Gehör zu<br />

verschaffen, wurde unter meinem Vorsitz vom 25. bis 28. Mai 1962 das Erste<br />

Internationale <strong>Webern</strong>-Festival an der University of Washington in Seattle<br />

veranstaltet. Amalie Waller war als Ehrengast zugegen, und bei diesem Anlaß<br />

wurde die Internationale <strong>Webern</strong>-Gesellschaft ins Leben gerufen.<br />

Unter der Ägide der Gesellschaft sind seither noch fünf weitere Festivals in<br />

Amerika und Europa abgehalten worden. Alle diese Ereignisse hatten Uraufführungen<br />

einer Reihe <strong>von</strong> Kompositionen <strong>Webern</strong>s im Programm, die <strong>von</strong> meiner<br />

Frau und mir im Verlauf der 60er Jahre entdeckt wurden. Die Vorstellung eines<br />

wirklich repräsentativen <strong>Webern</strong>-Archivs spornte mich dazu an, mit allen erdenklichen<br />

Anstrengungen so viel Material wie möglich einzubringen. Die Quellen waren<br />

zahlreich; unter ihnen befanden sich Angehörige der Familie <strong>Webern</strong>s, Freunde,<br />

Mitarbeiter, ehemalige Schüler und Gönner. Zu meinen systematischen Bemühungen<br />

gehörten mehrere Forschungsreisen nach Europa, deren jede sich als sehr<br />

ertragreich erweisen sollte. So besuchten wir Hildegard Jone im Oktober 1962, nur<br />

ein paar Monate vor ihrem Tod, und sie übergab uns eine Anzahl bedeutender<br />

Kunstgegenstände, darunter die originale Terrakotta-Büste <strong>Webern</strong>s <strong>von</strong> ihrem<br />

Marin, <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>, sowie ihr eigenes berühmtes Ölgemälde „<strong>Webern</strong> in der<br />

Haustüre stehend, wenige Augenblicke vor seinem gewaltsamen Ende“.<br />

Als meine Sammlerbemühungen an Intensität Zunahmen, erbrachten sie eine<br />

weitere bemerkenswerte Erwerbung: im Dezember 1963 wurden den Archiven vier<br />

umfangreiche Skizzenbücher einverleibt. Zusammen mit <strong>Webern</strong>s letztem Skizzenbuch,<br />

das Bestandteil des 1961 übertragenen Nachlasses gewesen war, stellen diese<br />

Bände eine ununterbrochene Dokumentation des musikalischen Denkens <strong>Webern</strong>s<br />

während seiner letzten zwanzig Lebensjahre dar. Nach dem Tode des Komponisten<br />

hatte seine Witwe Ludwig Zenk alle fünf Skizzenbücher als Anerkennung für seine<br />

Hilfe beim Ordnen des Nachlasses geschenkt. Nach Zenks Tod im Jahre 1949 gab<br />

seine Frau sie Amalie Waller zurück, die nach dem Ableben ihrer Mutter im<br />

gleichen Jahr die Wahrung der Interessen der Familie übernommen hatte. 1954<br />

wurden die Skizzenbücher —zusammen mit einer großen Anzahl <strong>von</strong> Notenmanuskripten,<br />

Tagebüchern und anderem Quellenmaterial —einem Wiener Musiker für<br />

eine geplante <strong>Webern</strong>-Biographie leihweise zur Verfügung gestellt. Als die Erben<br />

<strong>Webern</strong>s, die es versäumt hatten, eine Aufstellung zu machen, 1961 um die<br />

Rückgabe der Materialien ersuchten, wurde nur ein Teil zurückerstattet, darunter<br />

das letzte (und am wenigsten umfangreiche) Skizzenbuch. Aufgrund <strong>von</strong> Indizien<br />

ließ sich nachweisen, daß eine Menge Manuskripte fehlte. Einige konnten rasch<br />

wieder beigebracht werden, aber nicht die vier umfangreichen Skizzenbücher, und<br />

10


ihr Verbleib konnte nur durch meine Nachforschungen und mein nachdrückliches<br />

Eingreifen im Namen der Familie <strong>Webern</strong> zwei Jahre später ausfindig gemacht<br />

werden.<br />

Es mutet wie ein Akt der Vorsehung an, daß eine weitere große Entdeckung, die<br />

meine Frau und ich am 26. Oktober 1965 machten, die Verbindung der gesamten<br />

Friihzeit in <strong>Webern</strong>s schöpferischem Dasein zu dem durch die Skizzenbücher<br />

belegten hersteilen sollte. Unsere Suche nach einer zweiten <strong>Webern</strong>-Skulptur <strong>von</strong><br />

<strong>Humplik</strong>, die nur durch eine Photographie bekannt war, führte uns auf den dunklen<br />

Speicher eines alten Hauses in Perchtoldsdorf bei Wien. Ganz zufällig stießen wir<br />

dort auf die Überreste <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Bibliothek, die zusammen mit der Porträtbüste<br />

eingelagert worden waren. Die Gegenstände - <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Schwiegertochter<br />

Hermine aus seinem verlassenen Heim in Maria Enzersdorf in den chaotischen<br />

Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geborgen - waren ganze zwanzig<br />

Jahre vergessen in diesem Versteck gelegen.5 Unter den Überresten fanden sich<br />

viele fehlende Verbindungsglieder in der <strong>Webern</strong>-Dokumentation, beginnend mit<br />

seinen frühesten Kompositionsversuchen <strong>von</strong> 1899 und sich über die ganze<br />

Zeitspanne seines künstlerischen Schaffens bis zum Jahr 1925 erstreckend. Und<br />

wieder kam eine Anzahl bisher unbekannter Werke ans Tageslicht.<br />

Aus allen diesen posthumen Kompositionen resultierte eine Reihe <strong>von</strong> Neuveröffentlichungen,<br />

die die Grundlagen der <strong>Webern</strong>-Forschung und -Aufführungen<br />

beträchtlich verbreitern sollte. 1966 erschien der erste Katalog des <strong>Webern</strong>-Archivs<br />

im Druck.6 Das SOseitige Verzeichnis wurde in neun Abteilungen gegliedert: I.<br />

Notenmanuskripte; II. Bühnenstück, Tagebücher, verschiedene Schriften und<br />

Aufzeichnungen; HL Briefe; IV. Dokumente; V. Photographien; VI. <strong>Webern</strong>s<br />

Bibliothek; VII. Persönliche Erinnerungsstücke; VIII. Kunstgegenstände; IX.<br />

Begleit- und Verweismaterial. Viele Kollegen <strong>Webern</strong>s, deren Namen in dieser<br />

letzten Abteilung mit besonders sachbezogenen Materialien erscheinen, sind auch<br />

selbst in den Moldenhauer-Archiven mit umfangreichen Sammlungen eigener<br />

Manuskripte und Dokumente vertreten (z. B. Berg, Krenek, Pisk, Schönberg,<br />

Zemlinsky); in einigen Fällen ist ihr gesamter' schöpferischer Nachlaß zur<br />

Aufbewahrung übernommen worden (z. B. Jokl, Jone, Manschinger, Weiss). Die<br />

zahlreichen Neuerwerbungen des <strong>Webern</strong>-Archivs seit der ersten veröffentlichten<br />

Bestandsaufnahme sind im Gesamtkatalog der Moldenhauer-Archive tabellarisiert.<br />

Es war Amalie Waller, die mich schon 1962 aufforderte, der Biograph ihres<br />

Vaters zu werden. Ich bin mit dem Komponisten, dessen Lebenslauf ich nachvollziehen<br />

sollte, niemals zusammengetroffen. Sicherlich hätte ich das jederzeit vor meiner<br />

Emigration in die Vereinigten Staaten im Mai 1938 bewerkstelligen können, da<br />

meine eigenen Lehrer, Hans Rosbaud und Eduard Zuckmayer (der Bruder des<br />

Schriftstellers Carl) tatsächlich mit <strong>Webern</strong> befreundet und führende Protagonisten<br />

seiner Musik waren. Schon in meiner Jugend war ich <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Kompositionen<br />

fasziniert gewesen, die in den frühen 20er Jahren im Druck zu erscheinen begonnen<br />

hatten. Ich kann mich noch erinnern, wie ich auf dem Heimweg vom Alten<br />

Humanistischen Gymnasium meiner Vaterstadt Mainz des öfteren im Laden <strong>von</strong>B.<br />

Schott’s Söhne hinter dem Stadttheater verweilte und in einigen <strong>Webern</strong>-Ausgaben<br />

11


schmökerte. Ich war tief beeindruckt <strong>von</strong> dieser Musik, die, wie mir klar war, sich<br />

völlig außerhalb der Norm bewegte, eine Musik, die mir damals ebenso unbegreiflich<br />

wie ungeheuerlich vorkam.<br />

Sobald ich einmal meine Bedenken, vom Archivar zum Chronisten hinüberzuwechseln,<br />

überwunden hatte, war es nur natürlich, daß der Charakter der<br />

Biographie weitgehend <strong>von</strong> der Fülle des dokumentarischen Materials bestimmt<br />

sein würde, das ich heranziehen konnte. In der Tat nahm das Buch Gestalt an, indem<br />

es den Richtlinien folgte, wie sie <strong>von</strong> der durch die Archive gegebenen Eigengesetzlichkeit<br />

und Struktur vorgezeichnet waren. Es war beim Sammeln stets mein<br />

Grundsatz gewesen, mich auf Erstskizzen und Zwischenentwürfe zu konzentrieren,<br />

anhand derer sich die Arbeitsweise des Komponisten und die Evolution eines<br />

bestimmten Opus nachverfolgen lassen würden. In dieser Hinsicht erwies sich<br />

<strong>Webern</strong>s musikalischer Nachlaß als besonders beispielhaft: für jedes Projekt ist eine<br />

fast vollständige Dokumentation vorhanden, <strong>von</strong> der Keimidee über die formativen<br />

Stadien bis hin zum vollendeten Produkt. Das Beweismaterial, das sich in den<br />

Notenskizzen findet, wird durch zahlreiche Bezugnahmen in <strong>Webern</strong>s Briefen<br />

ergänzt. Da er ein ungewöhnlich emsiger Korrespondent war (seine Briefe an<br />

Arnold Schönberg allein umfassen mehrere tausend Seiten), stellt die Information,<br />

gewonnen aus dem reichen Fundus seiner Mitteilungen, einen wesentlichen<br />

Bestandteil der Dokumentation dar. <strong>Webern</strong>s Ausdrucksweise war so anschaulich,<br />

daß ich es mir zum Ziel gemacht habe, immer wieder Zitate in den Text<br />

einzuflechten, um dem Leser einen unmittelbaren Einblick in die Wesenszüge und<br />

das Temperament des Komponisten zu vermitteln. Ganz allgemein gesehen kam<br />

meiner Arbeit die Tatsache sehr zustatten, daß <strong>Webern</strong> offensichtlich <strong>von</strong> einem<br />

unerschütterlichen Gefühl für den ihm vorbestimmten Standort in der Musikgeschichte<br />

erfüllt war. Er bewahrte so ziemlich alles auf: nicht nur das, was in direktem<br />

Zusammenhang mit seiner Musik stand, sondern auch alles, was ihm <strong>von</strong><br />

irgendwelcher persönlichen Bedeutung war, wie die Blumen, die er in den Bergen<br />

oder <strong>von</strong> den Gräbern seiner Eltern pflückte, oder die Eisenbahnfahrkarte, die er<br />

für jene letzte, schicksalhafte Reise nach Mittersill kaufte. Die Unmittelbarkeit aller<br />

dieser Gedenkstücke gab mir ein echtes Gefühl der Verbundenheit mit meinem<br />

Protagonisten, den ich weitaus intimer kennenlernte, als man. hätte erwarten<br />

können.<br />

Wie jeder Biograph stand ich vor dem Problem der Zusammenfassung <strong>von</strong><br />

Berichterstattung und Dokumentation. Meine Hauptschwierigkeit lag jedoch in der<br />

Auswahl und Ordnung des mir überreich zur Verfügung stehenden Quellenmaterials.<br />

Bei dieser an sich offensichtlichen Notwendigkeit hatte ich gegen eine<br />

persönliche Behinderung anzukämpfen, auf die ich am Ende dieser Einleitung<br />

zurückkommen will. Da es mein Prinzip war, <strong>Webern</strong> im Verlauf des ganzen Textes<br />

selbst zu Wort kommen zu lassen, findet sich viel Autobiographisches in diesem<br />

Buch, das im Wesentlichen nichts mehr und nichts weniger als eine Chronik des<br />

Lebens und des Werkes des Komponisten sein will. Die Kapitel, die <strong>Webern</strong>s<br />

Kompositionen zugeordnet sind, sollten deshalb als Werkgeschichten angesehen<br />

werden und nicht als theoretische oder ästhetische Auseinandersetzungen. Hier war


es meine ausgesprochene Absicht, die Genese eines jeden schöpferischen Projektes<br />

nachzuzeichnen und den Bericht durch eigene Kommentare des Komponisten zu<br />

ergänzen. Trotz dieser selbstauferlegten Beschränkungen steht zu hoffen, daß die io<br />

den Werkkapiteln vorgelegte Information auch dem Fachmann <strong>von</strong> Nutzen sein und<br />

einen Anreiz zu weiterer Forschung bieten möge. Auch das mit vielen Einzelangaben<br />

ausgestattete Werkverzeichnis (Seite 639) möge diesem Ziel dienen.<br />

Für Zitate aus bereits im Druck erschienenen Vorlagen wurde der Quellennachweis<br />

an geeigneter Stelle erbracht, und das freundliche Entgegenkommen der<br />

betreffenden Verlage wird mit Dankbarkeit anerkannt. Ganz besonders danke ich<br />

Alfred Schlee <strong>von</strong> der Universal Edition für seine Genehmigung, aus drei<br />

Hauptquellen zu zitieren: die Reihe 2, <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>; <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>, Briefe an<br />

Hildegard Jone und <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> und <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>, Der Weg zur Neuen Musik.<br />

Darüberhinaus verdanke ich der Universal Edition die Erlaubnis, die umfangreiche<br />

Korrespondenz zwischen <strong>Webern</strong> und Berg einzusehen und eine Reihe <strong>von</strong> Stellen<br />

zu zitieren.<br />

Amalie Waller, die den Anstoß zu diesem Buch gab und es zur autorisierten<br />

Biographie ihres Vaters erklärte, half tatkräftig bei vielen Einzelheiten und verlieh<br />

dem Unternehmen unablässig ihre moralische Unterstützung. Sie konnte die<br />

Vollendung der Arbeit nicht mehr erleben. Für ihre Verbundenheit und Loyalität<br />

gegenüber der Sache ist das Werk ihrem Andenken gewidmet. Von den verschiede ­<br />

nen Angehörigen der Familie <strong>Webern</strong>, die dem Projekt ebenfalls ihre Mitarbeit<br />

angedeihen ließen, bin ich der verstorbenen Rosa Warto, der jüngeren Schwester<br />

des Komponisten, seiner Z w e itä lte s te n Tochter Maria Halbich und Hermine <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>-Weissenberger, seiner Schwiegertochter, sowie Doris Brehm-Diez, der<br />

Tochter <strong>von</strong> Ernst Diez, <strong>Webern</strong>s Lieblingsvetter, besonders dankbar.<br />

Ich stehe auch zutiefst in der Schuld <strong>von</strong> Gertrud Schönberg, der Witwe <strong>von</strong><br />

Arnold Schönberg, die mir die exklusive Genehmigung erteilte, <strong>von</strong> den noch<br />

unveröffentlichten Briefen Gebrauch zu machen, die <strong>Webern</strong> ihrem Manne<br />

geschrieben hatte, eine Korrespondenz, die sieh als äußerst aufschlußreich erwies.<br />

Mein aufrichtiger Dank gebührt auch Lawrence Schönberg, der mich zur Heranzie ­<br />

hung der veröffentlichten Briefe und Aufzeichnungen seines Vaters ermächtigte.<br />

Pia Gilbert, die mit der Familie Schönberg eng befreundet ist, zeigte sich sehr<br />

behilflich bei der Förderung des Projektes. Helene Berg, Alban Bergs Witwe, und<br />

Hildegard Jone verliehen mir unschätzbare Unterstützung, indem sie ihre Erinnerungen<br />

mit mir teilten.<br />

Zahlreiche Freunde, Schüler und Mitarbeiter <strong>Webern</strong>s übermittelten mir ihre<br />

Erinnerungen bei persönlichen Zusammenkünften oder in Briefen und eigens für<br />

dieses Buch abgefaßten Memoiren: <strong>Anton</strong> Anderluh, Cesar Bresgen, Mark<br />

Brunswick, Gordon Claycombe, Marcel Dick, Stella Eisner, Arnold Eiston, Paul<br />

Emerich, Samuel Flor, Elsie Fritzenwanger, Felix Galimir, Rudolph Ganz, Felix<br />

Greissle, Karl Amadeus Hartmann, Ruzena- Herlinger, <strong>Josef</strong> Huefaer, Hans<br />

Humpelstetter, Rudolf Kolisch, Louis Krasner, Ernst Krenek, Rudolph Kurzmann,<br />

K. H. Lehrigstein, Roland Leich, Kurt Manschinger, Siegfried öhlgiesser, Paul A.<br />

Pisk, <strong>Josef</strong> Polnauer, Franz Rederer, Willi Reich, George Robert, Hans Rosbaud,


Paul F. Sanders, Julius Schloss, Humphrey Searle, Eric Simon, Georg Skudnigg,<br />

Peter Stadien, Eduard Steuermann, Gunter Waller, Adolph Weiss, Egon Wellesz,<br />

Stefan Wolpe, Maria Zenk und Donna Zincover. Ich erkenne auch die Unterstützung<br />

an, die mir durch Lisa Jalowetz-Aronson, Robert Craft, Marius Flothuis,<br />

Wolfgang Fraenkel, Walther <strong>von</strong> Gelmini, Rudolf Grumbacher, Wallace McKenzie,<br />

Edward Reilly, Albi Rosenthal, Nicolas Slonimsky, Leonard Stein, Alan Stout und<br />

Bernice Thomas (die Witwe <strong>von</strong> Guido <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>) zuteil wurde. Allen diesen<br />

Mitarbeitern und anderen, deren Namen im Text erscheinen, drücke ich hiermit<br />

meine aufrichtigste Dankbarkeit aus. Ich stehe gleichermaßen in der Schuld<br />

verschiedener Institutionen, so besonders der Library of Congress (William<br />

Lichtenwanger, Wayne Shirley und Edward N. Waters), der Pierpont Morgan<br />

Library (Herbert Cahoon und Rigby Turner), der Spokane Public Library (Janet<br />

Miller und Marjorie Pitner), der Österreichischen Nationalbibliothek (Franz<br />

Grasberger), der Wiener Stadtbibliothek (Ernst Hilmar und Fritz Racek) und der<br />

Gesellschaft der Musikfreunde (Otto Biba).<br />

Zoltan Roman, der auch beim Werkverzeichnis (Anhang I, S. 639) mithalf,<br />

erstellte die Bibliographie und das Register. Egon Batai führte die graphischen<br />

Reproduktionen aus. Ihnen wie auch besonders Gudula Fischer, die bei der<br />

deutschen Ausgabe assistierte, bin ich sehr verbunden. Mein aufrichtiger Dank gilt<br />

schließlich Dr. Daniel Bodmer vom Atlantis Musikbuch-Verlag für seine unermüdliche<br />

Unterstützung und Ken W. Bartlett, dem ich für seine mit Einfühlungsvermögen<br />

und Fachkenntnis besorgte deutsche Übersetzung zutiefst verpflichtet bin.<br />

Während des ganzen Werdegangs der Biographie wurde mein Fortkommen durch<br />

eine körperliche Behinderung ungemein erschwert: Seit der Mitte der 5()er Jahre<br />

war ich wegen einer fortgeschrittenen Sehtrübung (Retinitis pigmentosa) für<br />

jegliche Lektüre auf Hilfe anderer angewiesen. Das unterstreicht die so überaus<br />

entscheidende Rolle, die meine Frau und jahrelange Kollegin Rosaleen gespielt hat.<br />

Ohne ihre sachkundige und allumfassende Mitarbeit hätte das Buch niemals<br />

geschrieben werden können. Sie war es, die mir durch ihre eigene Geduld und<br />

Ausdauer, durch ihren Glauben und ihre Hingabe, besonders aber durch ihr<br />

Aufgreifen einer Herausforderung, die unter den gegebenen Umständen wie ein<br />

tollkühnes Unterfangen erschien, ständig neuen Mut gab. Es lief darauf hinaus, daß<br />

keiner <strong>von</strong> uns beiden den anderen im Stich lassen konnte. Mit unserer<br />

gemeinsamen Arbeit bemühten wir uns, das in die Tat umzusetzen, wozu uns unsere<br />

schweizer Freundin zu Beginn gedrängt hatte: ,,Entmythisieren!‘‘ Wir hegen die<br />

Hoffnung, daß wir eine exakte Chronik des Lebens und des Werkes <strong>von</strong> <strong>Anton</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong> erstellt haben und, was gleichermaßen wichtig ist, daß in unserem<br />

Tatsachenbericht die tiefe Humanität des Menschen und Künstlers zu verspüren ist.<br />

Hans Moldenhauer<br />

Spokane, Washington<br />

14


Prolog: i He Vorfahren<br />

Während seines ganzen Lebens hing <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> an einem Erbstück, einem<br />

Miniaturporträt, in dunkel getönten Ölfarben auf Elfenbein gemalt. Das ovale<br />

Bildnis in einem quadratischen goldenen Zierrahmen stellt einen jungen Mann dar,<br />

gekleidet nach der Mode des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Die Augen blicken den<br />

Betrachter ruhig, fast fragend an. Das schwarze Haar fällt in Strähnen über die hohe<br />

Stirn. Lange Koteletten rahmen und akzentuieren das schmale Gesicht. Es trägt<br />

hübsche und feingeschnittene Züge. Die Gesamterscheinung ist die eines Aristokraten,<br />

und dieser Eindruck wird unterstrichen durch den kunstvollen Spitzenkragen<br />

und die Reihen <strong>von</strong> Goldknöpfen auf dem blauen Rock.<br />

Das Porträt stellt <strong>Josef</strong> Eduard <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> dar, <strong>Anton</strong>s Urgroßvater, und ist das<br />

früheste nachweisbare Bildnis eines seiner Vorfahren väterlicherseits. Der Komponist<br />

hatte es stets über seinem Schreibtisch hängen und zeigte es immer wieder<br />

seinen Kindern, wenn er ihnen ihre adelige Abstammung mit ihren Privilegien und<br />

Verpflichtungen ins Bewußtsein rufen wollte.<br />

Der Taufschein <strong>Josef</strong> Eduard <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s war am 20. März 1778 zu Salurn in<br />

Südtirol ausgestellt.1Das Dorf an der Etsch, etwas flußaufwärts <strong>von</strong> Trient, war seit<br />

dem Altertum ein historisch und kulturell bemerkenswerter Ort. Er liegt an der<br />

„Salurner Klause“, einer <strong>von</strong> tiefen Schatten umdiisterten Schlucht inmitten steil<br />

aufragender Felswände, der Durchgangsstraße vom Norden nach dem Süden.2 In<br />

dieser Grenzzone des bayerischen und österreichischen Hoheitsgebiets vollzog sich<br />

in der Salurner Region eine Ära intensiver Kultivierung durch deutsche Einwanderer.<br />

Unter ihnen befanden sich die Vorfahren der Familie <strong>Webern</strong>, die unter dem<br />

Namen „Weber“ im 15. Jahrhundert aus dem Egerland, einem Landesteil<br />

Böhmens, gekommen waren. Aus Urkunden im Museum Ferdinandeum in<br />

Innsbruck geht hervor, daß Siedler mit dem Namen Weber zum Roden <strong>von</strong> Wäldern<br />

und zur Errichtung einer Heimstatt in der Provinz Tirol ermächtigt worden waren.<br />

Die Weber ließen sich zunächst in Altrei im Bezirk Bozen nieder, faßten dann aber<br />

auch in anderen Gemeinden in der Nachbarschaft Fuß wie in Branzoll, Cavalese und<br />

Salurn.<br />

1574 erhob Kaiser Maximilian II. zwei Brüder Weber in den Adelsstand und<br />

gestattete ihnen die Führung eines Wappens. In der Folgezeit wurde das Dekret <strong>von</strong><br />

Kaiser Rudolf II. (für Christoph Weber 1598) und <strong>von</strong> Kaiser Matthias erneuert.<br />

Als Ersatz für diese abhandengekommenen früheren Adelsbriefe erließ Kaiser Karl<br />

VI. ein weiteres Dekret, das das Datum Wien, am 15. August 1731 trägt. Dieses<br />

Dokument ist noch vorhanden.3 Es kündet <strong>von</strong> der ganzen noblen Vergangenheit<br />

der Familie. Das Dekret <strong>von</strong> 1731 erwähnt ausdrücklich den erstmaligen Verleihungsakt<br />

durch Kaiser Maximilian II. sowie seine nachfolgenden Erneuerungen und<br />

15


erhebt die beiden Brüder Johann Jakob und Joseph <strong>Anton</strong>ius Weber in den Rang<br />

<strong>von</strong> „Edlen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“ . Es erwähnt lobend, daß die Brüder „Treue, Fleiß und<br />

Gehorsam“ bewiesen hätten. Ebenfalls angeführt werden die Verdienste ihres<br />

verstorbenen Vaters und dessen älteren Brüdern, die 1701 „unter Einsatz <strong>von</strong> Gut<br />

und Leben“ ihr Vaterland Tirol gegen die eingefallenen Bayern verteidigt hatten.<br />

Das Dokument bestätigt nicht nur die Verleihung des Adels an die ältere<br />

Generation, es stellt auch ausdrücklich den adeligen Rang für die beiden Empfänger<br />

und ihre Nachkommen beiderlei Geschlechts wieder her.4<br />

Dem Dekret ist eine exquisit gemalte ganzseitige Abbildung des Familienwappens<br />

vorangestellt. Der Schild ist paarweise in rote und blaue Felder aufgeteilt. Die<br />

roten Felder zeigen einen goldenen Löwen mit erhobenen Pranken, deren linke eine<br />

Sichel und deren rechte einen mit Trauben behangenen Rebstock hält; in den blauen<br />

Feldern erscheint ein weißer Fisch, der stromaufwärts zu schwimmen scheint. Das<br />

Wappen wird <strong>von</strong> einem Helm gekrönt, aus dem die Halbfigur eines Mannes in<br />

einem reich ornamentierten Überwurf emporragt. Wie der Löwe so hält auch der<br />

Mann Sichel und Trauben.<br />

Die Insignien sind Symbole für den Berufsstand der Wappenträger. Die<br />

Erntegeräte deuten darauf hin, daß die Familie Weinberge an der Etsch besaß,<br />

wobei der Fisch den Fluß versinnbildlicht. Diese Region Südtirols war schon immer<br />

berühmt für ihre Weinproduktion, <strong>von</strong> der auch heute noch ein großer Teil der<br />

Bevölkerung lebt. Das Dekret <strong>von</strong> 1731 verleiht Johann Jakob den offiziellen Status<br />

eines „beyder Rechten Licenciat, Fiscal in denen Gerichtern Bozen und an der<br />

Titsch“ und Joseph <strong>Anton</strong>ius den eines „Wechsel Gerichts Beysitzer zu Laibach in<br />

Crain“. Von beiden ist Johann Jakob der älteste bekannte direkte Vorfahre des<br />

Komponisten. Er war <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Ur-Ur-Urgroßvater.<br />

Die Geburts- und Sterbeurkunden dieses Patriarchen der Familie sind nicht mehr<br />

vorhanden, es findet sich aber in den Kirchenbüchern <strong>von</strong> St. Joseph in Salurn eine<br />

Eintragung, derzufolge seine Ehefrau Maria Clara Margarita, geb. An der Lau <strong>von</strong><br />

Hochbrunn, am 9. September 1764 im Alter <strong>von</strong> 68 Jahren verstorben ist. Sie wurde<br />

im Dorffriedhof <strong>von</strong> St. Andreas beigesetzt. Die Kirchenbücher enthalten auch die<br />

Namen und Taufdaten der vier Söhne des Paares. Der Älteste, Johann <strong>Anton</strong><br />

Joseph, wurde am 8. Juni 1729 getauft. Er heiratete Catherine Mayer (nach<br />

damaligem Sprachgebrauch „Mayrin“ genannt) und hatte vier Kinder mit ihr, eine<br />

Tochter (auf die Namen Clara Catherine Crescentia am 25. November 1762 getauft)<br />

und drei Söhne. Im März 1778 starben zwei der Söhne frühzeitig (Joseph Carl<br />

Sebastian und Joseph <strong>Anton</strong> Urban).5 Im selben Monat, der den Eltern so viel Leid<br />

brachte, wurde ihr dritter Sohn geboren. Er wurde am 20. März durch den<br />

Dorfpfarrer Ignaz <strong>von</strong> Gstirner getauft, der die beiden kleinen Jungen zu Grabe<br />

getragen hatte. Carl Wilhelm an der Lan <strong>von</strong> Hochbrunn und Nothburga Lutterotti<br />

<strong>von</strong> Cazzolis und Langenthal waren Taufpaten. Das Kind, kurz „<strong>Josef</strong> Eduard“<br />

genannt, wurde auf die Namen Josephus Franciscus Xaverius Georgius getauft. Er<br />

war der Urgroßvater <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s und es war sein Bildnis, das aus dem<br />

Miniaturporträt auf den Komponisten herabschaute.<br />

<strong>Josef</strong> Eduards Taufpaten gehörten zu den vielen adeligen Familien, die zu jener<br />

16


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Zeit in Südtirol ansässig waren; eine ganze Reihe <strong>von</strong> ihnen lebte in oder in der<br />

Umgebung <strong>von</strong> Salurn. Die Lage der kleinen Gemeinde im sonnendurchfluteten Tal<br />

am reißenden Fluß inmitten fruchtbarer Felder und Weinberge im Schutze des am<br />

weitesten nach Süden vorgeschobenen Alpenmassivs ist durchaus anziehend. Das<br />

Dorf ist <strong>von</strong> Burg Salurn beherrscht, einer alten Feste, die kühn an einer Felsnase<br />

klebt, die fast senkrecht ein paar hundert Meter <strong>von</strong> der Talsohle auf ragt.6 Die<br />

Behauptung, die sich gelegentlich in der Literatur findet, Schloß Salurn sei der<br />

Stammsitz der Familie <strong>Webern</strong> gewesen, ist reine Phantasie. Sicher ist aber, daß die<br />

Burg, als sie gegen Ende des 16. Jahrhunderts ihren Zweck als militärische Bastion<br />

überdauert hatte, nicht mehr länger bewohnbar blieb. Als Marx Sittich <strong>von</strong><br />

Wolkenstein im Jahre 1600 seine Beschreibung Südtirols verfaßte, erwähnte er die<br />

Feste als „ein schön schlössl und ser vest anzusehen“, bemerkte aber gleichzeitig,<br />

daß man „jetzt lasst alles zergen und einfallen sammt dem kirchel“ .7 Heute noch läßt<br />

sich erkennen, daß diese kühne Festung für Ritter und ihre Soldaten eine<br />

Herausforderung gewesen sein mag, daß sie aber kaum als Wohnstatt für Frauen<br />

und Kinder geeignet war. Als malerisches und historisches Wahrzeichen schätzten<br />

Generationen <strong>von</strong> Besitzern die Burg als Prestigesymbol. Der Name <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

findet sich in den Annalen der Eigentümer nicht.<br />

Dagegen taucht der Name der Familie in den Gemeindebüchern <strong>von</strong> Salurn und<br />

Umgebung immer wieder auf in buntem Wechsel als „Weber“, „<strong>von</strong> Weber“,<br />

„Weber <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“ und „<strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“ . Johann <strong>von</strong> Weber wird als Besitzer des<br />

„Thurnwirtshauses“ genannt, in dem am 9. März 1785 ein Feuer ausbrach, das<br />

außer der Dorfkirche <strong>von</strong> St. <strong>Josef</strong> 35 Häuser vernichtete. Dieser Weber war der<br />

Vater <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> Eduard Johann <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>. Seine Ehefrau Catherine, geb. Mayer,<br />

starb 13 Tage nach der Feuersbrunst. Sie wurde nur 46 Jahre alt, und ihr früher Tod<br />

mag durchaus mit der Katastrophe in Verbindung gestanden haben. Auch sie wurde<br />

<strong>von</strong> Ignaz <strong>von</strong> Gstirner beerdigt, der so vielen Mitgliedern der Familie <strong>Webern</strong> das<br />

Geleit ins Leben und ins Jenseits gab.<br />

Als das 18. Jahrhundert zu Ende ging, hatten sich Zweige der Familie <strong>Webern</strong><br />

weit <strong>von</strong> ihrem Stammsitz in Südtirol entfernt in andere Länder der Habsburgischen<br />

Monarchie ausgebreitet; eine ansehnliche Anzahl lebte in der Krain wie auch in der<br />

Hauptstadt Wien. Der Adelskatalog <strong>von</strong> Max <strong>von</strong> Portheim in der Wiener<br />

Stadtbibliothek, der vornehmlich Namen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts<br />

enthält, führt nicht weniger als 20 Mitglieder des Geschlechts an, unter ihnen<br />

die 1731 geadelten Brüder.8<br />

Nicht erwähnt in diesem Verzeichnis ist Heinrich Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, der erste der<br />

Familie, <strong>von</strong> dem man weiß, daß er zu den Küsten der Neuen Welt gelangt ist. Er war<br />

Berufssoldat im Dienste des Landgrafen <strong>von</strong> Hessen-Cassel mit dem Rang eines<br />

Hauptmanns im 3. Bataillon des Garderegiments. Sein Name erscheint in einer<br />

Offiziersliste dieses Regiments, die 1779 herausgegeben wurde. Als König Georg<br />

III. <strong>von</strong> England hessische Truppen als Söldner anwarb für seinen Versuch, die<br />

aufständischen amerikanischen Kolonisten zu unterdrücken, wurde Hauptmann<br />

<strong>von</strong> <strong>Webern</strong> Mitglied des Expeditionskorps unter dem Oberbefehl des Prinzen<br />

William Henry. Sein Name findet sich in einem Bericht <strong>von</strong> New York vom 26. März<br />

18


1782, den ein Major Baurmeister abfaßte, der zu jener Zeit als Generaladjutant der<br />

hessischen Streitkräfte in Amerika diente: „Zweymal die woche hatt admiral Dygby<br />

große Mahlzeiten, wo bis zu Capitains die Offiziere in der tour <strong>von</strong> der Garnison<br />

geladen werden. Einmahl ist in deßen Quartier Concert, wobey sich Hauptmann v.<br />

<strong>Webern</strong> so angenehm als unentbehrlich gemacht.“9 Leider findet sich kein Hinweis<br />

auf Heinrich Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s spezifische musikalische Fertigkeiten.<br />

Viele der hier wiedergegebenen Einzelheiten aus der Familiengeschichte waren<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> wahrscheinlich völlig unbekannt. Dann aber sah er sich nach<br />

Hitlers Annexion <strong>von</strong> Österreich gezwungen, seinen Stammbaum zu erstellen. Im<br />

Zuge der Durchführung der Nürnberger Gesetze hatten alle Bürger den Nachweis<br />

ihrer arischen Abstammung zu erbringen, um Diskriminierung zu entgehen.<br />

Während es zur Auflage gemacht wurde, die direkte Abstammung lediglich bis zu<br />

den Großeltern dokumentarisch zu belegen, führte <strong>Webern</strong>, nachdem er nun einmal<br />

mit dieser lästigen und schwierigen Aufgabe befaßt war, sie auch mit der für ihn<br />

charakteristischen Gründlichkeit durch. Er erstellte einen vollständigen Familienstammbaum<br />

mit allen seinen weitschweifigen Zweigen zurück bis zu <strong>Josef</strong> Eduard<br />

<strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, seinem Urgroßvater. Dieses handgeschriebene Dokument wurde<br />

untermauert durch ein Dossier <strong>von</strong> 45 Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden,<br />

unter denen <strong>Josef</strong> Eduards Taufschein <strong>von</strong> 1778 die älteste war.10<br />

Aus den ersten 34 Lebensjahren <strong>Josef</strong> Eduards ist lediglich bekannt, daß er als<br />

Siebenjähriger seine Mutter verlor. Die nächste urkundliche Erwähnung findet sich<br />

in Marburg an der Drau, weit weg <strong>von</strong> den Bergen seines heimatlichen Salurn. Eine<br />

Heiratsurkunde mit dem Datum 27. August 1812 gibt seinen Vornamen einfach als<br />

„Eduard“ an. Sein Vater ist als „Edler <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“ geführt. Die Braut war Aloisia,<br />

24 Jahre alt, Tochter <strong>von</strong> Franz Mally, „Gutsbesitzer“, und seiner Ehefrau Maria<br />

Anna, geb. Heinzlin. Die Urkunde gibt den Beruf des Bräutigams als den eines<br />

„Rosoglio-Fabrikanten“ . (Rosoglio ist ein aromatischer italienischer Likör, dem<br />

Maraschino ähnlich, der aus Früchten oder Blumen, vor allem aus Orangenblüten<br />

hergestellt wird.)<br />

Die Neuvermählten wohnten für mindestens fünf Jahre in Marburg. Das dritte<br />

<strong>von</strong> sechs Kindern und zugleich der erste <strong>von</strong> drei Söhnen wurde dort am 17. Mai<br />

1817 geboren. Getauft auf die Namen <strong>Anton</strong> Eduard, war er der Großvater des<br />

Komponisten. Nach den verschiedenen Geburtsorten der nächsten drei Kinder zu<br />

schließen, hat die Familie des öfteren ihren Wohnsitz gewechselt. 1819 lebte sie in<br />

Steinamanger, 1822 in Fürstenfeld und 1824 in Pettau, wo im gleichen Jahr ihr Sohn<br />

Moritz zur Welt kam. Anscheinend hatte <strong>Josef</strong> Eduard <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> sein Marburger<br />

Geschäft aufgegeben und wurde Katastral-Adjunkt (der in seiner Sterbeurkunde<br />

vermerkte Beruf). Er war noch keine 53 Jahre alt, als er am 1. Januar 1831 starb.<br />

Unter den Familienstücken befindet sich ein Stich <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> Eduard aus dem Jahre<br />

1830, der ihn als vorzüglichen Künstler ausweist.11<br />

<strong>Josef</strong> Eduards Witwe Aloisia, die ihn um fast 39 Jahre überlebte, starb am 12.<br />

September 1869 in Buchscheiden, wo sie sich mit ihrem Sohn Moritz, einem<br />

Bergwerksbeamten, niedergelassen hatte. Sie stammte aus Bleiburg, einem Marktflecken<br />

in Kärnten östlich der Provinzhauptstadt Klagenfurt gelegen und in der<br />

19


Nähe des Dorfes Schwabegg. Nicht weit da<strong>von</strong> liegt das Gut Preglhof, das durch<br />

Heirat Eigentum ihres ältesten Sohnes <strong>Anton</strong> werden sollte.<br />

Von diesem <strong>Anton</strong>, dem Großvater des Komponisten, ist bekannt, daß er seine<br />

Karriere im Alter <strong>von</strong> 22 Jahren in den Bergwerken <strong>von</strong> Liescha und Prävali<br />

begann.12 (Eine Würdigung vom 5. Januar 1879 gibt Zeugnis <strong>von</strong> 40 Jahren loyalen<br />

Dienstes. Während dieser Zeit rückte er zum Generaldirektor der vereinigten<br />

Unternehmen auf.) Als <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> im Alter <strong>von</strong> 29 Jahren heiratete, war er<br />

Angestellter des Bergwerks <strong>von</strong> Liescha, dessen Eigentümer Rosthorn und<br />

Dittmann waren. Franz Rosthorn, einer seiner Arbeitgeber, war Trauzeuge bei<br />

seiner Hochzeit, die am 7. Oktober 1846 in Liescha stattfand. Die Braut, Maria<br />

Gabriele Ulricka Isopp, wurde am 5. Juli 1823 geboren und war die Tochter <strong>von</strong><br />

Karl Isopp (auch „Issopp“), Landbesitzer und Gutsverwalter im Distrikt <strong>von</strong><br />

Bleiburg, und seiner Ehefrau Maria geb. Writz. Das junge Paar bezog das Haus Nr. 9<br />

in Liescha, wo auch alle fünf Kinder in der 13 Jahre und 7 Monate währenden Ehe<br />

zur Welt kamen. Maria Gabriele war erst 37 Jahre alt, als sie am 7. April 1860 in<br />

Liescha starb.<br />

Durch seine Frau erbte <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> den Preglhof, einen großen<br />

Landbesitz, der durch Generationen hindurch Eigentum der Familie Isopp gewesen<br />

war. Das Gut wurde schon zur Zeit des 30jährigen Krieges namentlich erwähnt.13<br />

Herrlich gelegen inmitten der Hügellandschaft Niederkärntens, gibt es den 200<br />

Hektar großen Besitz bis zum heutigen Tag. Fruchtbare Felder umgeben das<br />

stattliche Herrenhaus, um das sich eine Gruppe <strong>von</strong> Gebäuden drängt, darunter die<br />

Gesindewohnungen, Scheunen und Schuppen. Das Ackerland grenzt an ausgedehnte<br />

Wälder, die die nahen Berghänge bedecken.<br />

Das war die Umgebung, in der zwei Generationen der <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> wirtschafteten<br />

und die eine dritte, zu der der Komponist gehörte, eine glückliche Jugend verleben<br />

ließ. Allerdings verbrachten sowohl der ältere <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> wie auch sein<br />

Sohn Carl, der die Besitzungen erbte, nur die Ferien und Feiertage auf dern<br />

Preglhof, da ihre Berufe sie andernorts völlig in Anspruch nahmen. Die Bewirtschaftung<br />

das Jahr über wurde anderen übertragen, vor allem Verwandten. Unter<br />

ihnen waren <strong>Anton</strong>s unverheiratete Schwestern Ida und Justine. Die letztere<br />

übernahm die Erziehung der fünf Kinder ihres Bruders, die nach dem frühen Tod<br />

ihrer Mutter zu Halbwaisen geworden waren.<br />

Das erste war ein Sohn, der am 27. Mai 1850 geboren und auf die Namen Carl<br />

Eduard Johann getauft wurde. Ein zweiter Sohn, <strong>Josef</strong> Eduard, wurde am 5. März<br />

1852 geboren. Die einzige Tochter Maria Luise erblickte das Licht der Welt am 29.<br />

September 1854. Ihr folgten am 7. Juli 1856 Franz Moritz und am 12. März 1859<br />

<strong>Anton</strong> Alois. Der Vater erlebte mit Genugtuung, daß alle seine Söhne es in ihren<br />

Berufen zu angesehenen Positionen brachten, während ihm seine Tochter einen<br />

Schwiegersohn ins Haus brachte, der ein Kollege aus dem Bergwerksfach war. Von<br />

seinen Kindern machte Carl die außergewöhnlichste Karriere. In die Fußtapfen<br />

seines Vaters als Berwerksingenieur tretend, erklomm er Sprosse um Sprosse die<br />

Leiter zum Erfolg in hohen Regierungsämtern. Von den anderen Söhnen wurde<br />

<strong>Josef</strong> Eduard Kommissar für das Forstwesen, Franz Moritz Gerichtsassessor und<br />

20


<strong>Anton</strong> Alois Bevollmächtigter Offizier für das Proviantwesen in der kaiserlich -<br />

königlichen Armee.<br />

Der ältere <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> konnte nicht ahnen, daß drei seiner Kinder die<br />

Eltern bedeutender Söhne werden sollten. Carl war der Vater <strong>von</strong> <strong>Anton</strong>, dem<br />

dieses Buch gewidmet ist. Unter den Kindern <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> Eduard war Guido, der ein<br />

außerordentlich erfolgreicher Erfinder in Amerika wurde.14 Der älteste der Vettern<br />

ersten Grades, der Berühmtheit erlangen sollte, war Ernst Diez, der Sohn <strong>von</strong> Maria<br />

Luise <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> und Friedrich Diez. Er machte sich einen Namen als eine der<br />

führenden Autoritäten auf dem Gebiet der asiatischen Kunst und steuerte diesem<br />

Zweig der Wissenschaft Bücher <strong>von</strong> bleibender Aktualität bei.15 Fünf Jahre älter als<br />

<strong>Anton</strong>, teilte er mit dem Komponisten die große Liebe zu Musik und Natur,<br />

Gemeinsamkeiten, die sie zu lebenslangen Freunden machten.<br />

Die Vettern waren unter den vielen Verwandten, die sich während der letzten<br />

Lebensjahre ihres Großvaters <strong>Anton</strong> zu Familientreffen auf dem Preglhof einfanden.<br />

Der Patriarch zog sich einige Zeit nach seinem 40jährigen Dienstjubiläum als<br />

Bergwerksdirektor im Jahre 1879 auf das Gut zurück. Als Zeichen ihrer Achtung<br />

und Ergebenheit hatten ihm seine Angestellten ein großes in Leder gebundenes<br />

Fotoalbum überreicht, auf dem das Familienwappen, kunstvoll in Metall getrieben,<br />

angebracht war.16 In der folgenden Dekade füllte sich das Album rasch mit<br />

Aufnahmen der verschiedenen Familienmitglieder und wurde so zu einem<br />

ergiebigen Bilddokument. Ein Gruppenbild, das am 17. Mai 1887 vor dem<br />

Herrenhaus des Preglhofs aufgenommen wurde, zeigt neunzehn Mitglieder der<br />

Familie um Großvater <strong>Anton</strong> geschart. Der dreieinhalb jährige zukünftige Komponist<br />

sitzt zu seinen Füßen.<br />

Der ältere <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> starb in seinem 72. Lebensjahr am 15. Januar 1889<br />

auf seinem geliebten Preglhof. Er wurde in dem <strong>von</strong> ihm erworbenen Familiengrab<br />

auf dem nahen Friedhof <strong>von</strong> Schwabegg neben der kleinen Dorfkirche beigesetzt.<br />

Eine ganze Reihe <strong>von</strong> Mitgliedern der Familie <strong>Webern</strong> fanden hier ihre letzte Ruhe,<br />

unter ihnen drei der Schwestern des Patriarchen, sein Schwager Johann <strong>von</strong><br />

Tieffenthal (der Ehemann seiner Schwester Karolina), sein Sohn Franz und seine<br />

Schwiegertochter Amalie, die Mutter des Komponisten. Unter den Toten späterer<br />

Generationen waren Amalies erster Sohn Carl und Theo Clementschitsch, einer der<br />

Neffen des Komponisten, dessen früher Tod ihm sehr naheging. Viele der stärksten<br />

schöpferischen Impulse <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s gingen <strong>von</strong> jenem kleinen Friedhof in<br />

Schwabegg aus, zu dem er noch viele Jahre wallfahrte, auch noch nach dem Verkauf<br />

des Preglhofs durch seinen Vater.17<br />

Zu der Zeit, als Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> als der älteste Sohn das Gut im Jahre 1889 erbte,<br />

hatte er bereits eine große Karriere gemacht. Nach bestandener Matura am<br />

Klagenfurter Gymnasium studierte er Jura und Staatswissenschaften an den<br />

Universitäten <strong>von</strong> Graz und Wien und besuchte ab 1871 die Bergwerksakademie in<br />

Leoben, wo er 1874 sein Ingenieursdiplom erhielt. In Leoben lernte er auch seine<br />

zukünftige Ehefrau Amalie Geer, geboren am 13. Mai 1853 in Wien, kennen; sie<br />

war die ältere <strong>von</strong> zwei Töchtern <strong>von</strong> <strong>Anton</strong> Geer, einem Grundbesitzer und<br />

Metzgermeister, und dessen Ehefrau Amalie Elisabeth, geb. Fetzer, in deren Haus<br />

21


der Bergwerksstudent ein möbliertes Zimmer gemietet hatte. Carl und Amalie<br />

wurden in Leoben am 8. Oktober 1877 getraut trotz des Widerstrebens der Familie<br />

des Bräutigams, die der Braut als standesgemäß anzuerkennen. Ihre Vorfahren,<br />

sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits, waren ein Gemisch <strong>von</strong> Handelsleuten,<br />

unter ihnen ein Kolonialwarenhändler, ein Käsefabrikant, ein Schmied, ein<br />

Müller und ein Maurermeister. Diesem gesellschaftlichen Stigma zum Trotz war die<br />

Ehe glücklich, wenngleich sie <strong>von</strong> Amalies häufigen Krankheiten überschattet war.<br />

Als sie 45 Jahre alt war, erkrankte sie an Diabetes und starb am 7. September 1906<br />

auf dem Preglhof im Alter <strong>von</strong> 52 Jahren.<br />

Das Jahr seiner Hochzeit brachte Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> die erste einer langen Reihe<br />

<strong>von</strong> Beförderungen, die Ernennung zum Bergwerkskommissar in Olmütz. Im<br />

folgenden Jahr 1878 nahm er als Oberleutnant an der Besetzung <strong>von</strong> Bosnien und<br />

Herzegowina teil. Bei seiner Entlassung aus der Armee 1881 wurde er für<br />

außergewöhnliche Dienste und Tapferkeit vor dem Feind ausgezeichnet. 1883<br />

folgte er einer Berufung nach Wien und nach einer Tätigkeit im Landwirtschaftsministerium<br />

wurde er zum Oberkommissar für das Bergwerkswesen ernannt. Mit<br />

seiner Versetzung nach Graz 1890 war die Beförderung zum Bergwerksrat<br />

verbunden und eine weitere Versetzung nach Klagenfurt 1894 mit der Beförderung<br />

zum Oberbergwerksrat. Ein zweiter Ruf nach Wien sollte für ihn zur Krönung seiner<br />

Laufbahn werden: Mit seinem Wiedereintritt ins Landwirtschaftsministerium wurde<br />

er 1902 zum Ministerialrat und 1905 zum Chef der Bergwerksabteilung des<br />

Ministeriums ernannt. Dieselbe Position wurde ihm 1908 im Ministerium für<br />

Öffentliche Bauten zuerkannt.<br />

Zu dieser Zeit hatte Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Gesundheit durch Überarbeitung und den<br />

Schmerz über den Tod seiner Ehefrau so sehr gelitten, daß er sich entschloß, in<br />

Pension zu gehen. Nachdem er sich auf dem Preglhof zur Ruhe gesetzt hatte, erholte<br />

er sich rasch. Doch 1912 verkaufte er das Gut und verbrachte seine letzten<br />

Lebensjahre in Klagenfurt, wo er bis zu seinem Tod seinen Fachinteressen nachging.<br />

Er verlieh der Wiedereröffnung <strong>von</strong> Bergwerken und der Errichtung neuer Anlagen<br />

seinen Beistand und unterstützte damit die Anstrengungen seines Vaterlandes<br />

während des Krieges 1914-1918. Der Zusammenbruch des österreichischen<br />

Kaiserreichs und das Ende der Habsburger Monarchie, das auch die Abschaffung<br />

erblicher Titel zur Folge hatte, waren schwere Schläge für Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, der auf<br />

seine adelige Abstammung so stolz war. In tiefer Trauer über den Zerfall seiner Welt<br />

starb er am 10. August 1919 in Klagenfurt und wurde auf dem nahen Friedhof <strong>von</strong><br />

Annabichl beigesetzt.<br />

Die vielen offiziellen Ehrungen, die ihm im Verlauf seiner Karriere zuteil<br />

geworden waren18, werden in einem Nachruf aufgeführt, der in der Fachzeitschrift<br />

Montanistische Rundschau erschien. Unter Hervorhebung seiner „mit aller Hingebung,<br />

Umsicht, lobenswertestem Eifer und Fleiß geleisteten ersprießlichen Dienste“<br />

rühmt ihn der Nachruf als einen „edlen, uneigennützigen Mann, einen<br />

altösterreichischen Beamten <strong>von</strong> eisernem Fleiß und Unparteilichkeit, der stets<br />

bestrebt war, dem Staate, seinem Stande und seiner schönen Heimat zu nützen“ .19<br />

22


Das Wappen der<br />

Familie <strong>Webern</strong><br />

<strong>Josef</strong> Eduard <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>,<br />

der Urgroßvater des<br />

Komponisten<br />

Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>,<br />

der Vater<br />

des Komponisten


1. Jugend (1883-1902)<br />

Carl und Amalie <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> hatten fünf Kinder. Die beiden ältesten, die schon im<br />

frühen Kindesalter starben, waren eine Tochter, Caroline, die nicht einmal ihr<br />

zweites Lebensjahr vollendete1, und ein Sohn Carl, der am 7. Juli 1878 in Wien<br />

geboren wurde und am 4. April 1882 starb. Der Junge wurde im Familiengrab in<br />

Schwabegg beerdigt, wo auch seine Mutter Jahre später ihre letzte Ruhestätte fand.<br />

Die nächsten drei Kinder blieben am Leben: Maria wurde am 26. Oktober 1880 in<br />

Olmütz geboren, <strong>Anton</strong> am 3. Dezember 1883 in Wien und Rosa am 2. August 1885<br />

auf dem Preglhof.<br />

Im Geburtenregister steht verzeichnet, daß der Komponist in der Löwengasse<br />

53A in Wiens 3. Bezirk, der damaligen Wohnung der Familie, durch eine Hebamme<br />

entbunden worden ist. Er wurde am 9. Dezember auf die Namen <strong>Anton</strong> Friedrich<br />

Wilhelm katholisch getauft. Die Patenschaft übernahm sein Großvater mütterlicherseits,<br />

der Metzgermeister <strong>Anton</strong> Geer.<br />

Die vielerlei Positionen, die <strong>Anton</strong>s Vater im Verlauf seiner Karriere bekleidete,<br />

brachten es mit sich, daß die Familie immer wieder ihren Wohnsitz wechselte und<br />

der Reihe nach in Olmütz, Wien, Graz, Klagenfurt und wieder in Wien lebte. Zu<br />

allen Zeiten bot der Preglhof willkommene Zuflucht für Ferien und Feiertage und<br />

wurde zum Ankerplatz während der Jahre des unsteten Daseins der Familie.<br />

In Wien im Jahre 1889 begann für den jungen <strong>Anton</strong> die Grundschule, die er, als<br />

sein Vater im folgenden Jahr nach Graz versetzt wurde, dort bis 1894 besuchte.<br />

Graz, die ehrwürdige Hauptstadt der Steiermark und zweitgrößte Stadt Österreichs,<br />

war <strong>von</strong> jeher reich an Tradition und Kultur. Während der Jahre, die er in dieser<br />

malerischen Stadt verbrachte, entwickelte der für Eindrücke sehr empfängliche<br />

Junge Bindungen, die noch fortdauerten, lange nachdem die Familie nach<br />

Klagenfurt gezogen war.<br />

Der Aufenhalt in Klagenfurt <strong>von</strong> 1894 bis 1902 war der längste während der<br />

Jahre, in denen <strong>Anton</strong> heranwuchs. Wie Graz ist auch Klagenfurt <strong>von</strong> großer<br />

landschaftlicher Schönheit. Die Hauptstadt Kärntens liegt nicht weit vom Ostufer<br />

des berühmten Wörthersees. Die Familie <strong>Webern</strong> lebte zuerst in der Südbahnstraße<br />

9 (1894-1896), dann in der Bahnhofstraße 47(1896-1898) und schließlich in<br />

der Hasnerstraße 5(1898-1902), einem Patrizierhaus aus grauem Stein, wo sie eine<br />

große Wohnung im 3. Stock gemietet hatte. In Klagenfurt besuchte <strong>Anton</strong> das<br />

Bundesgymnasium während der ganzen acht Jahre seines humanistischen Studiengangs.<br />

Die 1563 gegründete Schule war schon die Alma Mater seines Vaters<br />

gewesen. Zum Lehrplan gehörten Lateinisch und Griechisch, besonderer Nachdruck<br />

wurde auf geschichtliche und kulturelle Fächer gelegt. Die Unterlagen, die<br />

über <strong>Anton</strong>s Studien, seine Leistungen und Klassenlehrer Aufschluß geben, sind<br />

24


lückenlos erhalten geblieben. Im großen ganzen war er ein befriedigender Schüler.<br />

Unter den Unterrichtsfächern hat er offensichtlich Deutsch, Lateinisch, Geographie<br />

und Geschichte bevorzugt. Seine Leistungen im Griechischen waren ungleichmäßig,<br />

die in Mathematik und Physik kaum genügend. Seine Handschrift wurde während<br />

der ersten Schuljahre mit „musterhaft“ benotet, später mit „ziemlich ordentlich“,<br />

sank aber dann während eines Semesters auf „minderordentlich“ ab. <strong>Anton</strong>s<br />

Betragen bewegte sich zwischen „befriedigend“ und „entsprechend“, während sein<br />

Fleiß zwischen „befriedigend“ und „ausdauernd“ schwankte, wobei „befriedigend“<br />

vorherrschte. Nach seinen Zeugnissen zu urteilen, scheint ihm Turnen Freude<br />

gemacht zu haben.<br />

Es ist bezeichnend, daß der junge <strong>Anton</strong> im Singen immer gute Noten hatte. Die<br />

Tradition des humanistischen Gymnasiums hat Musik <strong>von</strong> jeher als integralen<br />

Bestandteil des Lehrplans beinhaltet, und im Verlauf der zahlreichen Singstunden<br />

wurde ein großes Pensum <strong>von</strong> Chorliteratur erfaßt. Dieser Unterricht trug dazu bei,<br />

<strong>Anton</strong>s musikalische Neigungen zu fördern, die schon in seiner frühesten Kindheit<br />

zutage getreten waren, als die Familie noch in Wien lebte. Jahre später schrieb seine<br />

Schwester Rosa in ihren Erinnerungen: „Unsere Mutter war sehr musikalisch. Sie<br />

spielte sehr gut Klavier und sang auch. Wenn sie Klavier spielte, saß er als kleiner<br />

Bub neben ihr und versuchte, auch zu spielen, und sie war es auch, die dem<br />

Fünfjährigen den ersten Klavierunterricht gab. Als kleiner Bub waren seine<br />

Weihnachtswünsche nur Instrumente. So bekam er zuerst eine Trommel, dann eine<br />

Trompete und später, als er schon etwas größer war, eine Violine. Wenn seine<br />

Mutter Klavier spielte, bat er sie oft um Melodien aus der Oper ,PIänsel und Grete).1,<br />

aus ,Puppenfee1und der Oper ,Lohengrin‘. Er sang dann ganz richtig mit. Bei der<br />

,Puppenfee1freute es ihn, mit den Schwestern dazu zu tanzen.“2<br />

<strong>Anton</strong>s Mutter hatte in ihrer Jugend einen guten Musikunterricht genossen. Der<br />

Komponist verwahrte in seiner Bibliothek als vielgeliebtes Gedenkstück einen<br />

großen Manuskriptband, aus dem sie einstmals gespielt hatte. Der Band trägt den<br />

Titel „Kompositionen <strong>von</strong> Eduard Brunner für Amalie Geer, 1866“ und enthält<br />

eine Sammlung <strong>von</strong> Klavierstücken, die der Lehrer für das damals 13 Jahre alte<br />

Mädchen niedergeschrieben hatte. Brunners Kompositionen —eine Sonate, eine<br />

Phantasie und zahlreiche Salonstücke mit blumigen Titeln - legen Zeugnis ab für die<br />

beachtliche Fingerfertigkeit, über die Amalie schon damals verfügt haben muß.<br />

Seine ersten Erfahrungen im Kammermusikspiel machte der zukünftige Komponist<br />

im Familienkreis. Schwester Rosa erinnerte sich: „Seine ältere Schwester Maria<br />

spielte auch Klavier. Als sein Vater nach Klagenfurt versetzt wurde, studierte er dort<br />

bei dem Musikprofessor Dr. Komauer weiter Klavier und auch Cello. Ich spielte so<br />

halbwegs Violine, und so kam es zu unserem Geschwister-Trio. Wir verbrachten<br />

damit viele schöne musikalische Abende, bei welchen unsere Eltern uns gerne<br />

zuhörten. Auf unserem Programm standen Mozart, Schubert, auch Beethoven.<br />

Durch die höhere Ausbildung meiner Geschwister in Klavier und Cello, spielten<br />

diese später mehr allein vierhändig und Klavier und Cello. So waren in unserer<br />

Familie immer sehr schöne musikalische Abende.“<br />

Im Spiel wie in der Musik gab das Trio der <strong>Webern</strong>-Kinder ein fröhliches Gespann<br />

25


ab. An die Jugendjahre in Klagenfurt hatten sie viele glückliche Erinnerungen. Rosa<br />

entwarf da<strong>von</strong> ein lebendiges Bild: „Im Winter war es dort (in Klagenfurt) eine<br />

besondere Freude für uns, auf dem stets zugefrorenen Landkanal bis zum<br />

Wörthersee Schlittschuh zu laufen. Am Heiligen Abend wurden wir stets <strong>von</strong> den<br />

Eltern als kleine Kinder auf das Eis geschickt, während zu Hause der Christbaum<br />

geschmückt wurde.“<br />

Der Preglhof, <strong>von</strong> Klagenfurt leicht zu erreichen, nimmt in Rosas Erinnerungen<br />

einen wichtigen Platz ein: „Dort verbrachten wir immer sehr fröhlich unsere<br />

Schulferien im Sommer u. auch zu Ostern. Wir waren den ganzen Tag auf den<br />

Wiesen, Feldern und im Wald. Machten auch Ausflüge in die Umgebung mit einem<br />

kleinen Wagen, welchen wir selbst zogen und in welchem wir saßen. Mein Bruder<br />

hatte daran ebenso viel Spaß wie die anderen Kinder, welche oft bei uns zu Besuch<br />

waren.“ Ein Lieblingsplatz der Kinder war der „Huben“, eine Hochwiese, die man<br />

über einen steilen Feldweg vom Herrenhaus erreichte. Das Vieh wurde dort im<br />

Sommer auf die Weide getrieben, und die Kinder besuchten gern den Sennen, der in<br />

einer kleinen Hütte inmitten der Weiden hauste. Der Ausblick schweift über den<br />

Preglhof hinweg zum Kirchturm <strong>von</strong> Schwabegg und weiter über die Ebene zu den<br />

Bergen, die die Grenze zu Jugoslawien bilden. Diese Umgebung mit ihrem Zauber,<br />

ihrer Weitläufigkeit und Anmut war die Szenerie, wo viele der ersten musikalischen<br />

Eingebungen des jungen <strong>Webern</strong> ihre Wiege haben sollten.<br />

Rosa fährt fort mit ihrer Erzählung: „Einmal im Sommer war in Bleiburg, eine<br />

kleinere Stadt in unserer Nähe, ein großer Wiesenmarkt, zu welchem wir zu unserer<br />

Freude immer fahren durften. Dort gab es ein Ringelspiel und Kasperltheater und<br />

andere Belustigungen, bei welchen sich mein Bruder immer gut unterhielt. Toni<br />

liebte als kleiner Bub besonders die Pferde und fuhr viel mit dem Kutscher auf die<br />

Felder und weiter wohin. Seine größte Freude war es, wenn der Kutscher erlaubte,<br />

daß er selbst kutschieren durfte. F ü r,seine' Pferde trank er seinen Kaffee bitter, um<br />

für diese den Zucker zu sparen. Wenn wir die Heuernte hatten, arbeitete er fleißig<br />

mit u. fuhr hoch oben am Heuwagen sitzend nach Hause.“<br />

Der Preglhof war auch die Szene eines Zwischenfalls, dessen sich Rosa durch ihr<br />

ganzes langes Leben hindurch erinnerte: „Mein Bruder u, ich badeten einmal in<br />

einem kleinen Teich, welcher sich in der Nähe <strong>von</strong> unserem Besitz Preglhof befand.<br />

Mein Bruder saß auf der Wiese am Rande des Teiches u. ich ging allein ins Wasser<br />

und war so unvorsichtig, zu weit hineinzugehen. Dadurch verlor ich den Grund und<br />

ging im Wasser unter. Mein Bruder, welcher dies sah, war so kühn und sprang mir<br />

sofort nach u. zog mich heraus u. rettete mir das Leben. Da er erst 9 Jahre alt war,<br />

war diese Tat <strong>von</strong> ihm besonders kühn. Und meine Eltern waren natürlich sehr<br />

erfreut darüber und er wurde viel belobt u. bewundert u. beschenkt.“<br />

Rosa berichtete <strong>von</strong> einem weiteren Ereignis, das sich einige Jahre später auf dem<br />

Preglhof abspielte: „Im Alter <strong>von</strong> 17 Jahren erlebte er leider einen sehr großen<br />

Brand am Preglhof, bei welchem die ganze Sommerernte vernichtet wurde. Der<br />

Besitz war zu weit entfernt <strong>von</strong> der Feuerwehr in Bleiburg und diese daher viel zu<br />

spät eintraf und jeder, der konnte, beim Löschen mithelfen mußte. Mein Bruder half<br />

sehr fleißig mit und schüttete mit einem Schaff Wasser auf das Wohnhaus. Der<br />

26


Brand erregte ihn so sehr, daß er noch viele Nächte danach im Schlaf aufstand und<br />

mit dem Wasserkrug das Wasser auf die Wände seines Zimmers schüttete.“<br />

Zur Zeit dieser Begebenheit war sich <strong>Anton</strong> der Rolle des jungen Musikers schon<br />

durchaus bewußt geworden. Nicht nur gab ihm seine wachsende Befähigung als<br />

Pianist und Cellist verschiedentlich die Gelegenheit, sich hören zu lassen, er begann<br />

auch, sich ernsthaft mit Musiktheorie zu befassen und unternahm seine ersten<br />

kompositorischen Versuche. <strong>Webern</strong> hatte das Glück, in Edwin Komauer, einem<br />

gebürtigen Klagenfurter, einen tüchtigen und begeisterungsfähigen Lehrer zu<br />

finden; er war noch nicht 30, als <strong>Webern</strong> sein Schüler wurde. Komauer hatte seinen<br />

ersten Musikunterricht bei seinen Eltern und war acht Jahre alt, als er seine erste<br />

Sonatine komponierte. Trotz der offensichtlichen Begabung des Jungen hatte sich<br />

sein Vater, der selbst Klavierlehrer war, einer Musikerlaufbahn widersetzt und ihm<br />

stattdessen ein Jurastudium an der Universität Graz verordnet. Als 24jähriger<br />

machte Edwin denn auch seinen juristischen Doktor und verdiente daraufhin seinen<br />

Lebensunterhalt als Beamter in der Klagenfurter Finanzlandesdirektion, der<br />

obersten Finanzbehörde des Landes. Die Musik jedoch blieb seine große liebe. Da<br />

seine Bürostunden nachmittags um zwei Uhr zu Ende waren, fand er genügend Zeit,<br />

sich seiner Leidenschaft hinzugeben, und hatte eine führende Stellung im<br />

Klagenfurter Musikleben inne. Er wurde künstlerischer Leiter der dortigen<br />

Ortsgruppe des Richard-Wagner-Vereins, war Klavierbegleiter namhafter in der<br />

Stadt auftretender Künstler, wirkte regelmäßig bei Kammermusikvereinigungen<br />

mit und machte sich einen Namen als Dirigent und führender Musikpädagoge der<br />

Stadt. Darüberhinaus fand er noch Zeit für eine ganze Menge eigener Kompositionen.<br />

Unter ihnen waren mehrere Bühnenwerke (seine Oper Frau Holde, 1911<br />

uraufgeführt, erlebte sieben Aufführungen in Klagenfurt und zwei in Graz),<br />

Sinfonien, zahlreiche Chor- und Kammermusikwerke sowie Lieder und Klavierstücke.<br />

Strenger Kontrapunkt war das A und O <strong>von</strong> Komauers früher musikalischer<br />

Unterrichtung gewesen. Als Jurastudent in Graz assistierte er bei den Vorbereitungen<br />

zu Aufführungen der h-Moll-Messe <strong>von</strong> Bach und anderer Meisterwerke durch<br />

den Grazer Singverein.3 Den hierbei gemachten Erfahrungen schrieb er seine<br />

Vorliebe für die Polyphonie, und insbesondere Bach, zu und er bestand darauf, daß<br />

sich seine eigenen Schüler im Studium polyphoner Musik eine solide Grundlage<br />

aneigneten. Seine pädagogischen Prinzipien sollten auf den jungen <strong>Webern</strong> einen<br />

bleibenden Einfluß ausüben.4 Außer einem gründlichen Verständnis für Johann<br />

Sebastian Bach als dem größten Meister der musikalischen Kunst vermittelte ihm<br />

Komauer die Vertrautheit mit dem, was man damals unter moderner Musik<br />

verstand. Ohne Frage wurden die Bewunderung des Schülers für Richard Strauss<br />

und seine an Vergötterung grenzende Leidenschaft für Richard Wagner vom<br />

Enthusiasmus des Lehrers befeuert.<br />

<strong>Anton</strong>s Unterricht bei Komauer wurde aufs glücklichste ergänzt durch seine<br />

Lehrjahre als Orchestermusiker. 1898 wurde der 14jährige Schüler in die<br />

Cellogruppe des Klagenfurter Konzertvereinsorchesters aufgenommen. Hier<br />

erwarb er sich aufgrund eigener Erfahrung die Kenntnis der Orchesterliteratur und


die Routine der Probenarbeit mit einem großen Klangkörper. (Viele Jahre später<br />

schrieb er an Paul Königer, den Ehemann einer der Schwestern seiner Frau: „Im<br />

Orchester zu spielen, ist ein sehr schönes Vergnügen. Ich habe durch Jahre im<br />

Orchester gespielt. Durch 4 Jahre in Klagenfurt; und gelegentlich noch in Wien.“)5<br />

Seinem Vetter Ernst Diez berichtete er am 8. Dezember 1901: „Proben jetzt lebhaft<br />

zu Händels Oratorium ,Samson“, der an vielen Stellen <strong>von</strong> erhabener Wirkung ist.<br />

Unsere Stadtcapelle soll im Frühjahr aufgelöst werden; was dann unserem armen<br />

Reiter bevorsteht, kann ich noch nicht absehen. Das Orchester ist wirklich<br />

vortrefflich, u. ungefähr 40 Mann stark, die Bläser sehr gut besetzt, z. B. 3 Klar., 4<br />

Hörner, 3 Trompt., 3 Pos., 1 Tuba.“<br />

Ein Kaleidoskop <strong>von</strong> <strong>Anton</strong>s Tun und Treiben enthüllen seine jungenhaften<br />

Briefe an seinen Vetter ersten Grades, den ältesten Sohn seiner Tante Maria<br />

väterlicherseits. Viereinhalb Jahre älter, war Ernst Diez <strong>von</strong> früher Kindheit an<br />

<strong>Anton</strong>s engster Freund. Eine Familienanekdote, die Ernsts Tochter Doris später<br />

einmal erzählte, beschreibt, wie „Toni“ die Ankunft seines Vetters auf dem Preglhof<br />

zur Ferienzeit erwartete: „Wenn die Familie Diez zu Beginn der Schulferien aus<br />

Lölling (wo der ,Onkel Fritz1als Hüttenverwalter stationiert war) angereist kam,<br />

wurde die zweispännige ,Equipage“ zum Bahnhof nach dem acht Kilometer<br />

entfernten Städtchen Bleiburg geschickt. Toni aber wartete, vor Ungeduld zitternd,<br />

an einem Fenster, <strong>von</strong> dem aus er die Auffahrt gut überblicken konnte. Wenn dann<br />

endlich der Wagen mit den Gästen und ihrem Gepäck anrollte, stürzte der Kleine<br />

lauthals jubelnd in lebensgefährlichem Tempo die Treppen hinunter, begrüßte<br />

zuerst stürmisch seinen geliebten Ernst, dann erst die strenge (wenig beliebte)<br />

,Tante Marie“, den Onkel und die jüngeren Söhne Fritz und Heinrich. Diese beiden<br />

hätten dem Alter nach besser zu Toni gepaßt. Aber Ernst war sein selbstgewählter<br />

Freund, zu dem er aufsah, dem er alles zuliebe tat. Auch später, als bei den<br />

Heranwachsenden der Altersunterschied allmählich belanglos wurde, blieb es<br />

so.“6<br />

Während <strong>Anton</strong>s letzten Klagenfurter Jahren wurde Ernst an der Universität<br />

Graz immatrikuliert, wo er sich dem Studium der Kunstgeschichte widmete. Er<br />

liebte gute Musik, spielte selbst sehr gut Klavier, und dieses gemeinsame Interesse<br />

ermutigte seinen jüngeren Vetter, ihn über alle seine Aktivitäten auf dem<br />

Laufenden zu halten. Ein paar Auszüge aus Briefen <strong>Anton</strong>s an Ernst werfen ein<br />

Licht auf die Intensität dieser Jugendfreundschaft. Sie gab dem werdenden Musiker<br />

eine unschätzbare Gelegenheit, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, seine<br />

kritischen Ansichten zu testen und als Gegenleistung die anregenden Meinungen<br />

des älteren Vetters entgegennehmen zu können. Bezeichnend ist ein Brief vom 15.<br />

November 1900: „Am letzten Sonntag hatten wir ein Musikvereinskonzert mit<br />

einem sehr geschmacklos zusammengestellten Programm, doch ist daran nicht der<br />

Reiter sondern der Ausschuß schuld, in welchem nämlich einige Drotteln sind.* Es<br />

wurde gemacht: ,Elsas Traum“aus ,Lohengrin“, Mendelsohns Violinkonzert und -<br />

jetzt kommt der Blödsinn - einige Lieder und dann Beethovens IX. Symphonie, mit<br />

* W eberns orthographische und grammatikalische Eigenheiten werden hier wie auch im weiteren Verlauf<br />

originalgetreu wiedergegeben (siehe auch 9. Kapitel, Anm erkung 11).


Hinweglassung des Schlußsatzes, in Ermangelung <strong>von</strong> Chor und Solisten. Die<br />

einzelnen Nummern sind wie Du siehst großartig, aber schauderhaft zusammengestellt.<br />

Wie kann man vor der ,Neunten“Lieder mit Klavierbegleitung, in einem so<br />

großen Saal singen! Die ,Neunte“wurde bis auf einige kaum merkliche Unebenheiten,<br />

die nur infolge des schwachen Probebesuches nicht vertilgt wurden, gut<br />

gebracht. Ich spielte natürlich mit. Aber diese Gleichgiltigkeit unter den Leuten ist<br />

großartig. Sie müssen gar keinen Begriff haben, was das heißt, Beethovens IX.<br />

auf führen. In den Zeitungen weder vorher noch nachher eine Besprechung,<br />

Würdigung des Werkes. Die Leute gehen einfach hinein, hören zu, als ob da eine<br />

Salonpolka aufgeführt werden würde und gehen wieder hinaus, ohne jede Erregung.<br />

Wenn ein jeder das empfunden haben würde, was ich nur beim Mitspielen<br />

empfunden habe! Oft glaubte ich - ohne zu übertreiben - weinen zu müssen. Der<br />

erste Satz ist aber auch gerade zu furchtbar, diese Töne unendlichen Schmerzes mit<br />

einer kolossalen Steigerung! Dann wieder das ergreifende Adagio.7 „Und das<br />

Scherzo, so prickelnd und wieder wild wütend, da hauen die Pauken wie närrisch<br />

drein; das ist ein Höllentanz, bei dem einem ganz grauslich wird.“<br />

Dann sprach <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> der zunehmenden Begehrtheit seiner Talente: „Unlängst<br />

erhielt ich den Antrag Quartett zu spielen, mußte aber wegen der Tanzstunde<br />

absagen. Stelle Dir meinen Ärger vor, wie diese einige Tage darauf verboten<br />

werden! Ferner wurde ich vom Männergesangverein Eintracht aufgefordert, die<br />

Sänger bei den Proben zu Max Bruchs ,Frithjof‘ zu begleiten. Das habe ich<br />

angenommen. Freue mich schon darauf.“ Er berichtete Ernst auch über seine<br />

instrumentalen Fortschritte: „Übe jetzt ein Concert <strong>von</strong> Weber am Klavier und<br />

noch immer Svendsens herrliches Concert für Violoncell. Mein Lehrer ist sehr<br />

zufrieden mit mir und behauptet, daß ich einzelne Stellen im Svendsens Concert sehr<br />

schön spiele.“<br />

Ein Jahr später, am 8. Dezember 1901, konnte er rnitteilen: „Am Klavier spiele<br />

ich Clementi-Etuden, Bach, u. Beethoven, am Cello Suiten <strong>von</strong> Bach für Viol, C.<br />

allein. Herr Dr. Komauer ist scheinbar recht zufrieden mit mir. Eine Wonne ist es,<br />

mit ihm Bruckner vierhändig zu spielen (die Achte Symphonie). . . Du scheinst ja<br />

große Fortschritte am Klavier zu machen. Grieg, Gade! Himmel, ich muß mich eilen,<br />

daß Du mich nicht überflügelst. Doch darfst Du das nicht schlecht auffassen, was ich<br />

so eben geschrieben, als ob ich ein Streber wäre, und mich ärgern würde, wenn ein<br />

anderer mehr kann. Gott, wenn ich’s nur auch zu was bringen möchte. Aber ich hab’<br />

halt so kleine Hände und mein Gedächtnis ist auch schwach, lerne schwer<br />

auswendig. Das macht mir viel Sorgen und Kummer.“<br />

Schon zu Beginn dieses Jahres, am 20. Februar 1901, hatte <strong>Anton</strong> geschrieben:<br />

„Überhaupt die heurigen Klavierstunden sind für mich immer was großartiges.<br />

Komauer ist auch sehr zufrieden mit mir. - Montag singt bei uns die M. Pregi. Sie hat<br />

ein herrlich Programm u. a. 5 Wolflieder. Hoffentlich werde ich Komauer, der sie<br />

begleitet, umblättern dürfen, und so Bekanntschaft mit der Künstlerin schließen<br />

können.“ Der gleiche Brief erwähnt zum ersten Mal Gustav Mahler: „Hatte endlich<br />

Gelegenheit eine Mahlerische Symphonie kennen zu lernen, natürlich im Klavierauszug.<br />

Mir gefiel sie sehr gut. Besonders der erste Satz imponierte mir. Freilich,<br />

29


wenn man gleich drauf R. Strauss spielt oder umgekehrt, so merkt man doch einen<br />

großen Unterschied. Die Themen Straussens sind viel großartiger, genialer,<br />

kräftiger. Mahlers Musik macht förmlich einen kindlichen Eindruck, trotz des<br />

ungeheuren Orchesteraufwandes. Er verwendet z. B. zwei Orchester, nicht weniger<br />

als 10 Hörner, die Holzbläser 6~5fach besetzt. - Damisch neugierig bin ich auf seine<br />

IV. Symphonie.“<br />

Das Werk, zu dem sich der 18jährige Studiosus äußerte, war die Zweite<br />

Symphonie. In einer Tagebucheintragung vom Januar 1902 befaßte er sich<br />

ausführlicher mit Mahlers musikalischer Sprache: „Beim ersten Durchspielen,<br />

verblüffte mich das Werk; dann wurde ich allmählich nüchtern und erkannte, daß es<br />

zwar manche Schönheiten besitzt, namentlich im ersten Satze, daß aber im<br />

allgemeinen vieles gesucht und bizarr ist. Trotzdem scheinen mir diese gehässigen<br />

Kritiken, wie sie jetzt anläßlich der Erstaufführung <strong>von</strong> Mahlers IV. Symphonie sich<br />

über den Künstler erhoben haben, sehr unberechtigt, da man ganz einfach den<br />

Componisten nicht versteht oder verstehen will; vollständig lächerlich erscheint mir<br />

die Annahme, Mahler schreibe Parodien, und mache sich einen Spaß mit seinen<br />

Symphonien, oder derartige Unsinne. Mir schwebt er als ein großer, genialer<br />

Dirigent und ein ernster, tief innerlicher Componist vor Augen, zu dem ich nur mit<br />

Verehrung auf blicke, und dessen weitere Werke kennenzulernen, ich vor Begierde<br />

brenne.“<br />

Selbstgespräche wie dieses zeigen, wie unabhängiges Denken beim jungen<br />

<strong>Webern</strong> allmählich Gestalt annimmt. Ästhetische Betrachtungen und kritische<br />

Stellungnahmen finden sich in seinen beiden frühesten Tagebüchern in Hülle und<br />

Fülle. Alles in allem sind acht Notizbücher erhalten, die einen Zeitraum <strong>von</strong> 45<br />

Lebensjahren des Komponisten umspannen. Die beiden ersten Tagebücher wurden<br />

gleichzeitig geführt, wo<strong>von</strong> das eine bereits 1898 begonnen worden sein dürfte,<br />

wenn auch das erste festgehaltene Datum erst mit dem 29. Oktober 1900 in<br />

Erscheinung tritt. Diese Eintragung gibt <strong>Webern</strong>s Eindrücke <strong>von</strong> einem Kammermusikkonzert<br />

wieder und legt bereits die Prozedur fest, mit der er auch weiterhin<br />

über zahllose ähnliche Ereignisse berichtet: zuerst werden Programm und Ausführende<br />

genannt, dann folgen Kommentare über Werke und Künstler. Eingestreut in<br />

diese Aufzeichnungen findet sich eine Menge anderen Materials, wie Gedichte und<br />

Artikel, die die Phantasie des jungen Musikers bewegten. Einige der Essays, die<br />

<strong>Webern</strong> so begierig abschrieb und absorbierte, sind äußerst umfangreich: die über<br />

Wagners Rheingold und Siegfried füllen 21 eng beschriebene Tagebuchseiten, der<br />

über Don Juan <strong>von</strong> Richard Strauss aus der Grazer Tagespost (nach einer<br />

Aufführung am 26. Januar 1900) 14 Seiten. Da gibt es auch einen langen Auszug aus<br />

Felix Weingartners kritischer Betrachtung der Zweiten Symphonie <strong>von</strong> Johannes<br />

Brahms.<br />

Liedertexte, die <strong>Webern</strong> besonders beeindruckt hatten, werden im vollen<br />

Wortlaut wiedergegeben, unter ihnen O. J. Bierbaums Traum durch die Dämmerung<br />

(das erste der Drei Lieder op. 29 <strong>von</strong> Richard Strauss) oder Eduard Mörikes<br />

Gesang Weylas und Verborgenheit (zwei der berühmtesten Vertonungen Hugo<br />

Wolfs). Andere abgeschriebene Gedichte sind symptomatisch für den Geschmack<br />

30


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des jungen Studenten. Ihre Themen sind die mystischen Kräfte, die Natur und<br />

die menschliche Seele miteinander verflechten. Da gibt es Gedichte <strong>von</strong> Ferdinand<br />

Avenarius, dem Dichter, der <strong>Webern</strong>s erste Liedkomposition inspirierte,<br />

und <strong>von</strong> Hermann Ubell, sowie zwei Mörike-Gedichte: A u f das Grab <strong>von</strong> Schillers<br />

Mutter und Neue Liebe. <strong>Webern</strong>s erste Begegnung mit Stefan George fällt in<br />

diese frühen Jahre; er zitiert ausführlich aus dem Gedicht Indes deine Mutter dich<br />

stillt.<br />

Die Tagebücher enthalten auch Auszüge aus Schriften verschiedenster Philosophen<br />

und Romanciers. <strong>Webern</strong> identifizierte sich offensichtlich mit diesen Gedankengängen<br />

und die Stellen, die er abschrieb, legen Zeugnis ab <strong>von</strong> seiner eigenen<br />

Neigung zu ernster Meditation, seinem Streben nach intellektueller Durchdringung<br />

und Artikulation. Er war gebannt <strong>von</strong> Nietzsches Lehren, dessen Gedanken über<br />

Sternenfreundschaft in Fröhliche Wissenschaft die erste Eintragung in einem der<br />

Tagebücher sind. Dieses Zitat sollte sich in mancherlei Hinsicht als seltsam<br />

prophetisch erweisen für die große Freundschaft in <strong>Webern</strong>s späterem Leben, die zu<br />

Arnold Schönberg. Sonstige literarische Auszüge reichen <strong>von</strong> E. v. Wolzogens Das<br />

dritte Geschlecht und F. v. Hauseggers Essay Das Jenseits des Künstlers bis zu<br />

O. J. Bierbaums Roman Pankrazius Graunzer. Einige Zitate muten merkwürdig<br />

pessimistisch an, wie etwa ein Satz des Dichters Gustav Falke: „Glück ist Sehnsucht;<br />

Erfüllung ist Tod.“ Einen Monat nach seinem 17. Geburtstag schrieb <strong>Webern</strong> ein<br />

indisches Gebet auf: „O wenn du gnädig sein willst, Schicksal, weise mir nicht noch<br />

einmal menschliche Geburt zu! Wenn doch, dann keine Liebe, und wenn doch, dann<br />

nicht zu einem, den ich nie erlange.“ Ein langes Zitat aus Karl Hauptmanns<br />

Tagebuch ist typisch für den erotischen Impressionismus, der die literarische<br />

Phantasie der Zeit beflügelte. Die Anspielungen solcher Schriften haben den<br />

Jüngling natürlich beeindruckt, und zwei eigene poetische Versuche aus jener Zeit<br />

sind entsprechend sinnlich gefärbt. Diese Phase war allerdings rasch vorüber, und<br />

<strong>Webern</strong>s Neigungen gingen völlig in die Richtung einer emotionellen und geistigen<br />

Sublimierung.<br />

<strong>Webern</strong>s Handschrift in diesen Notizbüchern entwickelte sich rasch <strong>von</strong> sorgfältig<br />

ausgeführter Kalligraphie auf den ersten Seiten zu einer Federführung, die zur Zeit,<br />

als er siebzehn wurde, die letzten Spuren <strong>von</strong> Kindlichkeit abgelegt hatte und die<br />

endgültigen Merkmale seines reifen Stils annahm. <strong>Webern</strong> bevorzugte die gotische<br />

Schrift; ihr gegenüber erscheint sein gelegentlicher Gebrauch der lateinischen<br />

Schrift gespreizt, ja sogar mühsam. Die hervorstechendsten Züge seiner reifen<br />

Handschrift sind Sauberkeit und Klarheit; sie vermitteln den Eindruck eines<br />

hochentwickelten Sinnes für Ordnung und peinlichste Wahrung der Form.<br />

Aus diesen Tagebüchern geht hervor, daß sich die literarischen und musikalischen<br />

Interessen des jungen Künstlers vornehmlich auf die „Modernen“ seiner Zeit<br />

richteten. Alle Schriftsteller und Komponisten, die er in den Tagebüchern zitiert,<br />

sind entweder Zeitgenossen oder gehören der unmittelbar vorhergegangenen<br />

Generation an. Einige der angeführten Dichter sollten niemals einen ersten Rang<br />

einnehmen, aber ihr Stil und ihre Erlebniswelt waren durchaus typisch für das fin de<br />

siecle, und so konnte es nicht ausbleiben, daß sie einen so sensiblen jungen Mann<br />

32


eeindruckten. Es ist durchaus denkbar, daß der strenge Akademismus des<br />

Gymnasiums, der sich auf antike und bewährte Klassiker konzentrierte, als eine Art<br />

Reaktion <strong>Webern</strong>s Vorliebe für zeitgenössische Dichter und Komponisten provozierte.<br />

Unter den letzteren - das sollte man nicht vergessen - war Richard Wagner<br />

noch immer eine umstrittene Figur, und Hugo Wolf, der damals seine letzten<br />

Lebensjahre im Irrenhaus dahindämmerte, war so gut wie unbekannt. Es ist<br />

bemerkenswert, daß unter der Menge <strong>von</strong> Musikliteratur, die in den Tagebüchern<br />

abgehandelt wird, <strong>Webern</strong> stets am meisten beeindruckt war <strong>von</strong> Kompositionen,<br />

die sich seither als klassische Meisterwerke erwiesen haben, obwohl sie zu jener Zeit<br />

noch als Novitäten angesehen wurden. Sein Urteil erwies sich als gleichermaßen<br />

unfehlbar bei der Einschätzung <strong>von</strong> Komponisten, die mittlerweile in Vergessenheit<br />

geraten sind, wie etwa Lange-Müller, Bungert, Hermann und Sommer, die er<br />

entweder ignorierte oder wegen ihrer Belanglosigkeit abtat. So nannte er Heinrich<br />

Hofmanns Nomengesang für Solo, Chor und großes Orchester, das Flauptstück<br />

eines Musikvereinskonzerts am 10. März 1901, „recht schwach und ohne Effekt“,<br />

während er in Begeisterung geriet über den Trauerrnarsch aus Wagners Götterdämmerung<br />

als Musik „<strong>von</strong> unaussprechlicher Schönheit“ und auch bekannte, daß ihm<br />

Joachim Raffs Symphonie Im Walde, die im selben Programm gespielt wurde, gut<br />

gefiele, wenn auch nicht ohne Einschränkungen.<br />

Die Lebendigkeit des damaligen Musiklebens in der kleinen Provinzstadt<br />

Klagenfurt läßt sich am Angebot einer einzigen Saison (1900-1901) ablesen, wie es<br />

irn Tagebuch des jungen <strong>Webern</strong> festgehalten ist. Auch einige seiner Kommentare<br />

sind darin enthalten. Sie sind ein Beweis für seine wachsende musikalische<br />

Urteilskraft, die zweifellos gefördert wurde durch den Zwang zu kritischem D enken,<br />

eines der Grundelemente der humanistischen Erziehung des europäischen.<br />

Gymnasiums. In seiner intellektuellen Einstellung gegenüber der Musik legte<br />

<strong>Webern</strong> schon als Siebzehnjähriger eine durchaus professionelle Haltung an den<br />

Tag.<br />

Ein Kammermusikkonzert vom. 29. Oktober 1900 enthielt Werke <strong>von</strong> Beethoven,<br />

Spohr und Brahms; des letzteren Klavierquartett in g-Moll op. 25 nannte er<br />

eine „geradezu gewaltige Tondichtung“, während in der Aufführung <strong>von</strong> Beethovens<br />

Streichquartett in F-Dur op. 18, Nr. 1 nach seiner Ansicht „der Vortrag<br />

manches zu wünschen übrig ließ“ . Das Musikvereinskonzert vom 11. November, bei<br />

dem <strong>Webern</strong> selbst mitwirkte, wurde bereits in seinem anschaulichen Brief an Diez<br />

beschrieben. Am 29. desselben Monats hörte er die amerikanische Sängerin Edyth<br />

Walker und erwähnte als seine Lieblingswerke Brahms’ Waldeseinsamkeit, Schuberts<br />

Die Allmacht, vor allem aber Wolfs „wunderbar tief empfundenes“ Zur Ruh,<br />

zur Ruh, während er verschiedene Darbietungen <strong>von</strong> Massenet, Franz und<br />

Rubinstein keines Wortes würdigte. Ein gemeinsamer Abend des Geigers Franz<br />

Ondricek und des Pianisten Wilhelm Klasen am 11. Dezember begeisterte ihn;<br />

Bachs Air und Liszts Ballade in h-Moll entlockten ihm besonderes Lob. Am 16.<br />

Dezember führte der Klagenfurter Musikverein Mendelssohns Oratorium Lobesang<br />

auf, das <strong>Webern</strong> als „ein recht unbedeutendes, aber gefälliges Werk“<br />

bezeichnete. Am 15. Januar 1901 stellte er einen „mißglückten Abend“ fest, in<br />

33


dessen Verlauf Dvoräks Streichquartett op. 106 und Beethovens Septett gespielt<br />

wurden; dazwischen gab es vokale Darbietungen einer Dame, der der junge Kritiker<br />

„einige volle Töne in der Mittellage“ zugestand, „aber sonst wohl gar nichts“.<br />

Dagegen war der Liederabend <strong>von</strong> Johannes Messchaert am 25. Januar mit Brahms’<br />

Freund Julius Röntgen am Flügel „ein erlesenes künstlerisches Vergnügen“ . Hugo<br />

Wolfs Gesang Weylas, wurde als „besonders schön . . . <strong>von</strong> dem das Publicum tief<br />

ergriffen war“ verzeichnet. Am 11. Februar war er voll des Lobes über die<br />

Gesangstechnik und die meisterhafte Interpretation <strong>von</strong> Lillian Sanderson, und am<br />

1. März entzückte ein weiterer Liederabend <strong>von</strong> Lula Gmeiner gleichermaßen den<br />

jungen Hörer. Wolfs Verborgenheit berührte ihn zutiefst, und er war beeindruckt<br />

<strong>von</strong> der Schlichtheit <strong>von</strong> Strauss1 Du meines Herzens Krönelein. Dann folgte das<br />

bereits erwähnte Musikvereinskonzert vom 10. März.<br />

Gegen das Ende dieser Saison, während der Osterwoche, hatte der jugendliche<br />

Verehrer Wagners seine erste wirkliche Begegnung mit einem seiner Musikdramen.<br />

In seinem Tagebuch ist festgehalten, daß er am 2. April mit dem Zug, der in<br />

Klagenfurt „um 2h18“ abfuhr, nach Graz reiste. Diese Eintragung verrät zum ersten<br />

Mal jene eigenartige Faszination <strong>von</strong> Eisenbahnfahrplänen, die zeitlebens bei<br />

<strong>Webern</strong> anhielt. Nie übersieht er es, Abfahrt und Ankunft auf die Minute genau<br />

anzugeben, was durchaus seinen hochentwickelten Sinn für Ordnung und Genauigkeit<br />

reflektiert.<br />

Die gespannte Erregung, mit der er an jenem Tage in der Eisenbahn saß, läßt sich<br />

unschwer vorstellen. Jahrelang hatte er in der Kunst des verehrten Meisters<br />

geschwelgt. Die Grazer Aufführung <strong>von</strong> Tristan und Isolde unter der musikalischen<br />

Leitung <strong>von</strong> Weißleder mit dem berühmten Hermann Winkelmann in der Titelrolle<br />

löste bei dem jungen Wagnerianer grenzenlosen Enthusiasmus aus. In seinem<br />

Tagebuch schrieb er: „Der Eindruck, den ich da erlebte, war ein überwältigender.<br />

Wenn ich nennen soll, was am meisten auf mich wirkte, so sinds die Scene, in der sie<br />

den Liebestrank trinken, und Liebesduett, die Frage Tristans an Isolde ob sie ihm<br />

folgen wolle ins,dunkelnächtige Land“und Isoldens Antwort, und endlich der ganze<br />

dritte Akt, mit seinen furchtbaren Steigerungen. Winkelmanns,Tristan* dürfte wohl<br />

einzig dastehen; sein Spiel insbesondere im letzten Akt ist großartig.“ Nachdem<br />

er sich noch zu den anderen Sängern und dem Orchester geäußert hatte, nicht<br />

ohne kritische Vorbehalte, schloß er: „In der ersten Parquetreihe sitzend,<br />

konnte ich alles, nach gründlichem vorhergehenden Studium, wunderbar genießen,<br />

und so erlitt ich einen unaussprechlichen Eindruck, den ich wohl nie vergessen<br />

werde.“<br />

Obwohl sich <strong>Anton</strong> jetzt über seine Berufung zum Musiker durchaus im klaren<br />

war, waren seine Vorstellungen <strong>von</strong> den praktischen Aspekten dieses Berufs noch<br />

recht verschwommen. In seiner Unsicherheit vertraute er sich seinem stets<br />

verständnisvollen Vetter und Freund Ernst Diez in einem Brief vom 22. Juli 1901<br />

an, nicht lange nach jenem Tnsta«-Erlebnis: „. . .Nun komme ich mit einer Bitte.<br />

Du weißt, wie ich wegen meines künftigen Berufs in Zweifel und unschlüssig bin,<br />

wohin ich mich wenden soll. Vielleicht kannst Du nun in Erfahrung bringen, was es<br />

mit dieser sogenannten Hochschule für Musik in Berlin, oder K.Akademie der<br />

34


Tonkunst in München für eine Bewandtnis hat. Was man dort lernt, wer dort hingeht<br />

u. s. w. Das rein theoretische, wissenschaftliche Studium der Musikgeschichte<br />

interessiert mich natürlich auch sehr, aber mein Ideal ist doch praktische Betätigung,<br />

eben als Dirigent. Wahrscheinlich muß man halt in ein Konservatorium gehen und<br />

dort ein Instrument, ich z. B. Cello, - bis zur Meisterschaft lernen und dann in ein<br />

Orchester eintreten und gelingts, so wird man halt dann Dirigent. So stelle ich mir<br />

das vor. Ich möchte natürlich sofort einen solchen Weg einschlagen, aber Vater<br />

kommt mit seinen Zweifeln an meinem Talent, daß ich selbst schon zweifle.<br />

Natürlich verstehe ich unter obigen Orchestern nur große, entweder Konzert- oder<br />

Opernorchester in Dresden, München, Leipzig, Berlin und anderen großen Städten<br />

in Deutschland. Freilich kann ich mich dann nicht um die Wirtschaft am Preglhof<br />

kümmern; ich weiß überhaupt nicht, was ich mit dem anfangen soll, - verpachten?<br />

verkaufen? - Vaters Wunsch geht dahin, daß ich die Hochschule für Bodenkultur<br />

studiere und mich dann am Preglhof setze. - Du mein Gott! und die Kunst! die mir<br />

alles ist, der ich mich aufopfern würde. Gerade das stelle ich mir ja so schön vor, daß<br />

ich vielleicht anfangs nicht die glänzendste Stelle einnehme, aber doch nur der Kunst<br />

lebe und nicht <strong>von</strong> der Kunst, nur um Geld zu verdienen. Was ich da für Pläne<br />

mache, so schöne - aber vielleicht leide ich auch an Größenwahn! Ich kenn’ mich mit<br />

mir selber nicht aus . . .“<br />

Es ist auffallend, daß in <strong>Webern</strong>s Überlegungen über eine musikalische Laufbahn<br />

<strong>von</strong> Komposition nicht die Rede ist, obwohl er sich bereits als Fünfzehnjähriger<br />

schöpferisch versucht hatte. Die Entscheidung über seinen zukünftigen Beruf wurde<br />

für ein Jahr vertagt, in dessen Verlauf er seine Gymnasialbildung abzuschließen<br />

hatte. Dieses letzte Jahr in Klagenfurt brachte höchste schulische Anforderungen<br />

mit sich, aber <strong>Anton</strong>s Hauptinteresse blieb trotzdem die Musik. Trotz seiner<br />

künstlerischen Neigungen und Ziele hatte dieser junge Musensohn nichts Geziertes<br />

oder gar Effeminiertes an sich. Er genoß das Leben in allen seine Äußerungen in<br />

vollen Zügen, nahm am gesellschaftlichen Tun seiner Mitschüler teil und legte einen<br />

herzhaften Appetit auf Frohsinn an den Tag mit dem dazugehörigen Interesse am<br />

anderen Geschlecht. Ernst Diez wird bei einigen seiner Abenteuer ins Vertrauen<br />

gezogen. Am 15. November 1900, ein paar Wochen vor seinem 17. Geburtstag,<br />

schrieb <strong>Anton</strong>: „Traurige Zeiten, sehr traurige! Um 2lh h. wurde ich im Kaffeehaus<br />

<strong>von</strong> Professoren erwischt, es war nach der Tanzstunde. Folgen: 4 Stunden Carcer<br />

und ■- jetzt kommt was furchtbar trauriges —ich darf nicht mehr in die Tanzstunde<br />

gehen. Mein Leidensgenosse ist mein lieber Supersperg. Meine Stimmung ist<br />

fürchterlich. Du darfst nicht glauben, daß ich gerade so sehr am Tanzen hänge, aber<br />

die Stanzi; bin ganz vernarrt in sie. Sie ist ein reizendes Mädel, voll Rasse. Jetzt<br />

werde ich wohl sehr wenig mit ihr zusammen kommen. Der Gedanke macht mich<br />

wahnsinnig! Gestern tanzte ich noch so fröhlich, unterhielt mich großartig mit ihr, sie<br />

ist mir auch ziemlich gewogen —bis jetzt ist nämlich das zu constatieren; habe schon<br />

einen so herrlichen Anfang gemacht und jetzt soll alles aus sein. Verflucht sei dieses<br />

Caffeehaus! In dieser meiner letzten Tanzstunde hatte ich auch das Vergnügen mit<br />

Frieda Hibler zu tanzen. Herrgott! Schneidig ist die; wenn sie nur ein bißchen<br />

hübscher wäre. Aber voll Rasse, mit den Füßen haut sie nur so herum, steckt jeden


an, kurz elegant.“ Nachdem er mit einiger Ausführlichkeit zu verstehen gegeben<br />

hatte, daß Frieda ihr Interesse an Ernst bekundet habe, drängte er seinen Vetter:<br />

„Wenn Dir die Frieda nicht zu schiach ist, so rathe ich Dir unbedingt, sie zu nehmen,<br />

aber die Stanzi mußt Du mir lassen. Doch genug <strong>von</strong> den Weibern. Es ist ja so alles<br />

aus. - Sei herzlichst gegrüßt <strong>von</strong> Deinem tief traurigen und unglücklichen Vetter<br />

Toni.“<br />

Es sieht nicht so aus, als ob Emsts Vorsprung an Jahren und Vernunft ihn da<strong>von</strong><br />

abgehalten hätte, dem Vorschlag seines jungen Vetters zu folgen; wenn es aber<br />

wirklich ein verliebtes Abenteuer gegeben haben sollte, war alles bis zum 20.<br />

Februar 1902 vorüber, als <strong>Anton</strong> auf Friedas Ersuchen schrieb, daß alle ihre Briefe<br />

und ihr Foto vernichtet oder ihr zurückgegeben werden mögen. Nachdem er<br />

nunmehr die Hälfte seines letzten Jahres auf dem Gymnasium hinter sich gebracht<br />

hatte, ließ er einen Bericht über seine gesellschaftlichen Umtriebe folgen: „Den<br />

heurigen Fasching habe ich sehr lustig zugebracht. War auf 3 Unterhaltungen, auf<br />

denen ich mich sehr gut unterhielt und immer die ganze Nacht durch drehte. Bin<br />

jetzt fürs Walzerdrehen sehr begeistert. So nach dem Fledermaus-Walzer zu walzen<br />

ist einfach herrlich. Nun werde ich wieder sehr brav und ernst sein. Muß es<br />

wohl. — “<br />

Abgesehen <strong>von</strong> solchen Eskapaden verzeichnet die Korrespondenz zwischen<br />

<strong>Anton</strong> und Ernst einen laufenden Austausch ihrer Ideen im kulturellen Bereich,<br />

wobei ein jeder an den Nachrichten des anderen ebenso interessiert ist wie daran,<br />

über sich selbst zu berichten. Die Briefe ergänzen aufs glücklichste die Tagebücher<br />

des jungen <strong>Webern</strong>, die ohnehin nur einige wenige Eintragungen ausschließlich<br />

persönlicher Art enthalten. Eine <strong>von</strong> ihnen betrifft die Hochzeit seiner älteren<br />

Schwester Maria mit Paul Clementschitsch am 19. Januar 1901.8 Der ausführliche<br />

Tagebuchbericht über die Festivitäten gipfelt in <strong>Anton</strong>s Geständnis, daß er dem<br />

Champagner, mehr als für ihn gut war, zugesprochen habe. Er registrierte: „Folge:<br />

Rausch“ .<br />

Anfang 1902 erging an <strong>Webern</strong>s Vater eine Berufung an das Landwirtschaftsministerium<br />

in Wien. Um den neuen Haushalt zu etablieren, verbrachte die ganze<br />

Familie die Osterferien in der Hauptstadt. Der Aufenthalt bescherte <strong>Anton</strong> zwei<br />

große musikalische Erlebnisse. Das erste war eine Aufführung der Götterdämmerung<br />

am Palmsonntag. In einem langen Tagebuchbericht beglückwünschte sich der<br />

junge Musiker dazu, das Werk in einer Starbesetzung gehört zu haben. Zu den<br />

Mitwirkenden gehörten Erik Schmedes (Siegfried), Anna <strong>von</strong> Mildenburg (Brünnhilde)<br />

und Edyth Walker (Waltraute). Franz Schalk dirigierte. Seine Orchester-<br />

Crescendi und -Decrescendi werden als „einfach wundervolle Leistungen“<br />

beschrieben. Mit glühendem Enthusiasmus erklärte <strong>Webern</strong> Götterdämmerung zu<br />

seinem Lieblingsstück des Rings, Er war hingerissen <strong>von</strong> den rein orchestralen<br />

Partien des Musikdramas wie dem ersten Sonnenaufgang nach der Nornen-Szene,<br />

Siegfrieds Rheinfahrt und dem Trauermarsch. Die Schlußszene, „etwas so<br />

ungeheueres übergewaltiges“, überwältigte ihn. Er bekannte, daß er „stets mit<br />

tiefem inneren Beben diese Musik zu spielen beginne, mich überhaupt nicht würdig<br />

haltend, solche Musik spielen zu dürfen“ .<br />

36


Hand in Hand mit dieser grenzenlosen Verehrung für Wagner ging eine stetig<br />

wachsende Bewunderung für einen anderen Meister. Im Verlauf derselben Woche<br />

besuchte der junge <strong>Webern</strong> eine Aufführung <strong>von</strong> Franz Liszts Oratorium Christus<br />

durch den Singverein unter Ferdinand Löwe. „Das Werk ist <strong>von</strong> großartiger<br />

Schönheit“, schreibt er im Tagebuch. „Nun bin ich erst recht <strong>von</strong> Liszt begeistert,<br />

und ideal stelle ich es mir vor, diesen großen Meister im Volke zu verbreiten, und<br />

ihm allgemeine Anerkennung zu verschaffen, die ihm merkwürdigerweise noch<br />

nicht zu teil wird. Das Blut steigt einem zum Kopfe, wenn man sagen hört, Liszt habe<br />

keine Erfindung besessen, nur schön zu instrumentieren habe er verstanden. Zum<br />

Teufel! Nehme man doch nur z. B. den Marsch der Heiligen drei Könige aus obigen<br />

Oratorium. Herr, welch überaus herrliche Melodie erblüht einem da, oder die ganz<br />

unvergleichlichen ,Seligpreisungen1. Mit ganz unvergleichlichem Genie hat Liszt die<br />

Elemente der alten Kirchenmusik in seinem Oratorium verwoben. Das ganze Werk<br />

ist <strong>von</strong> überaus christlicher Innigkeit durchglüht und hinterläßt einen gewaltigen<br />

Eindruck.“<br />

Diese Osterreise brachte auch ein Erlebnis ganz anderer Art mit sich, mit dem der<br />

Keim zu einer entscheidenden Wende gepflanzt wurde, die <strong>Webern</strong>s Leben nehmen<br />

sollte: Zum ersten Mal schaute er mit den Augen eines jungen Mannes auf seine<br />

Kusine Wilhelmine, die in Wien wohnte. Ihre Mutter Maria, die Schwester <strong>von</strong><br />

<strong>Anton</strong>s Mutter, war mit dem Notar Gustav Mörtl verheiratet. Sie hatten fünf<br />

Kinder, zwei Söhne und drei Töchter, deren jüngste Wilhelmine war. Geboren am 2.<br />

Juli 1886 in Raabs in Niederösterreich, war sie zweieinhalb Jahre jünger als <strong>Anton</strong><br />

und noch nicht 16, als sie ihren Vetter in Wien wiedersah. Ihre Begegnung gab zu<br />

einer tiefen Bindung Anlaß, die in späteren Jahren zu Liebe und Heirat erblühen<br />

sollte. Eine sehnsüchtige Tagebucheintragung, die ein paar Wochen später während<br />

der Pfingstferien auf dem Preglhof zu Papier gebracht worden ist, lautet: „Die<br />

Bäume blühen zwar, aber vom Frühling ist nicht viel zu spüren. Es regnet immer -...<br />

und ich freute mich doch so. Alles erregt hier in mir eine süße Wehmut, eine<br />

unbeschreiblich süße Wehmut. So liebe, traute Bilder steigen vor meiner Seele auf,<br />

und immer ist es mir als grüße mich ein holdes, liebes Angesicht aus weiter, weiter<br />

Ferne. — “<br />

Als die Familie <strong>Webern</strong> in jenem Mai nach Wien übersiedelte, blieb <strong>Anton</strong> als<br />

„Koststudent“ in Klagenfurt zurück, um die letzten Monate seiner Gymnasialzeit zu<br />

beenden. Seine Tage waren jetzt völlig mit den intensiven Vorbereitungen für das<br />

Abschlußexamen ausgefüllt. Nur wer um die unnachgiebige Strenge und die<br />

furchteinflößenden akademischen Anforderungen dieser Institutionen Bescheid<br />

weiß, kann den Erregungszustand des Kandidaten verstehen. Die Angst, nicht zu<br />

bestehen, wird noch verschärft durch das Wissen, daß ein Durchfallen gesellschaftliche<br />

Schande über die ganze Familie bringen würde. Manch ein glückloser Schüler<br />

wurde zu Verzweiflungstaten getrieben, zu Flucht oder sogar Selbstmord (Alban<br />

Berg versuchte, seinem Leben ein Ende zu bereiten, z. T. weil er seine Hauptprüfung<br />

beim ersten Anlauf nicht bestand). So gesehen, kann man den Überschwang sehr<br />

wohl verstehen, der sich in <strong>Anton</strong>s Tagebuchnotiz mitteilt, der eine volle Seite<br />

eingeräumt ist, als ob der große Augenblick gefeiert werden müsse.


Plötzlich befreit <strong>von</strong> den Fesseln des klösterlichen Gymnasiums, konnten er und<br />

die anderen Abiturienten, die das „Zeugnis der Matura zum Besuch der<br />

Universität“ ausgehändigt bekamen, die Vorfreude auf ein Studentenleben im<br />

gelobten Land der Freiheit genießen. Die jubelnde Tagebucheintragung lautete:<br />

„Am 11. Juli 1902 vormittag<br />

Matura glücklich bestanden.<br />

Hurrah!<br />

Endlich frei!<br />

Es lebe das Leben u. die Zukunft!“<br />

38


2. Universitätsjahre I (1902-1904)<br />

Als der junge <strong>Webern</strong> sein erstes akademisches Ziel erreicht hatte, wartete auf ihn<br />

eine schnelle Belohnung, obgleich seine Leistungen im letzten Gymnasial jahr nicht<br />

gerade glänzend waren.1Sein Vater hatte sich, trotz seiner eigenen Wunschvorstellungen<br />

für <strong>Anton</strong>s Zukunft, den künstlerischen Neigungen des Jungen gegenüber<br />

stets tolerant gezeigt und erfüllte jetzt <strong>Anton</strong>s brennendsten Wunsch: einen Besuch<br />

Bayreuths, des Heiligtums aller Wagnerianer.<br />

Anscheinend war die Reise schon seit geraumer Zeit geplant gewesen. Schon<br />

1901 hatte <strong>Webern</strong> drei ganze Seiten seines Tagebuchs den Bayreuther Festspielplänen<br />

dieses Jahres gewidmet, einschließlich der Namen <strong>von</strong> Sängern und<br />

Dirigenten. Die Notizen für die bevorstehende Pilgerfahrt waren sogar noch<br />

ausführlicher bis hin zu Fahrplänen und Fahrpreisen. „Meine erste Bayreuther<br />

Reise“ ist <strong>Anton</strong>s umfangreicher Tagebuchbericht überschrieben. Ein musikalisches<br />

Motto ist ihm vorangestellt, ein Zitat des Liebesmahlspruchs aus Parsifal. Die<br />

Reise, die am 29. Juli 1902 begann, wurde in Begleitung <strong>von</strong> Ernst Diez<br />

unternommen. <strong>Webern</strong> vertraute seinem Tagebuch die Erregung an, die ihn die<br />

ganze vorangegangene Nacht wach gehalten hatte. Die herrliche Landschaft des<br />

Salzkammerguts, die er zum ersten Mal vom Zugfenster aus sah, fesselte ihn. Bei<br />

Passau betraten die Reisenden deutschen Boden, und <strong>Webern</strong>, an das stille<br />

Klagenfurt gewohnt, rief aus: „O herrliches Baiern! Da gibt’s noch Leben! Das<br />

herrliche Bier, billiges Essen, die gemütlichen Leute, der riesige Verkehr, all’ das<br />

entzückte mich für dieses Land.“<br />

Als die mühselige Bahnfahrt sich ihrem Ende näherte, konnte <strong>Webern</strong> seine<br />

Ungeduld kaum noch zügeln: „Je länger die Fahrt wurde, je höher schlug mein Herz.<br />

Endlich - Endlich — Bayreuth!“ Am Nachmittag desselben Tages, am 31. Juli,<br />

erklommen die Vettern den Hügel zum Festspielhaus. <strong>Webern</strong> war äußerst<br />

beeindruckt <strong>von</strong> der Menge der Besucher, die aus allen Teilen der Welt gekommen<br />

waren, um an dem Wagner-Kult teilzuhaben. Von der Fanfare (das LiebesmahL<br />

Motiv aus Parsifal, dem Werk des Abends) zum Einnehmen der Plätze aufgefordert,<br />

fand er sich bald <strong>von</strong> der Aufführung in Ekstase versetzt: „Für solche Eindrücke<br />

Worte zu finden, ist ein unmögliches! Nur still u. stumm kann man vor solcher<br />

Herrlichkeit in die Knie sinken und beten.------ “<br />

<strong>Webern</strong>s Bericht über das Erlebnis ist beredt und anschaulich. Karl Muck<br />

dirigierte, Erik Schmedes (Parsifal) und Theodor Reichmann (Amfortas) waren die<br />

Hauptdarsteller des Musikdramas. Gleichermaßen enthusiastisch berichtete<br />

<strong>Webern</strong> über die Aufführung des Fliegenden Holländers am nächsten Tag, der die<br />

Freunde beiwohnten, nachdem sie mittags der Villa Wahnfried und Wagners Grab<br />

einen ehrfurchtsvollen Besuch abgestattet hatten. In dieser Aufführung sangen<br />

39


Theodor Bertram die Titelrolle und Emmy Destinn und Ernestine Schumann-Heink<br />

die beiden weiblichen Partien. Die Augen weit offen für die Bühneneffekte und die<br />

Ohren für die Musik, gibt <strong>Anton</strong> eine anschauliche Beschreibung einer der Szenen:<br />

„Namentlich der Schluß des ersten Aufzuges ist genial! Lustig bläht der Südwind die<br />

weißen Segel des norwegischen Schiffes; unter dem Jauchzen seiner Mannschaft<br />

sticht es in die See, ein herrlich blauer Himmel wölbt sich darüber.“<br />

Die beiden Festspielaufführungen steigerten die Wagner-Verehrung des jungen<br />

<strong>Webern</strong> zu ihrem Höhepunkt. Die Tagebucheintragung gipfelt in einem leidenschaftlichen<br />

Ausbruch: „Daß Bayreuth schon zur Mode geworden ist, sah ich<br />

deutlich. Schier unmöglich erscheint es mir, daß die Damen mit ihrem Pomp, den<br />

ewig lächelnden Gesichtern, diese Herren in Lackstiefeln und mit den kostbarsten<br />

Cravatten auch nur die geringste Ahnung haben wo eigentlich sie sich befinden, was<br />

die ungeheure Bedeutung Bayreuths ist! Dieses Publikum ist ungezogen, wie das in<br />

einer Provinzstadt. Denn, nicht einmal im Festspielhaus still zu sein, während schon<br />

die Musik begonnen hat, oder während sie noch spielt, der Vorhang aber schon<br />

zusammen geschlagen wurde, ist wohl empörend. Kaum ist die Menge aus dem<br />

Tempel heraus gekommen, so geht das Gelächter, Gedratsche wieder los, da besieht<br />

man die Toiletten der ändern, und tut, als ob man gar nicht Dinge erlebt hätte, die<br />

unsereinen <strong>von</strong> dieser Welt weg heben. Und dann! Applaus gab’s auch! Wenn man<br />

nach Schluß des ,Parsifal* zu klatschen beginnt, so ist das doch ein Ausfluß der<br />

größten Roheit. Man wird doch etwa nicht dadurch beweisen wollen, daß man<br />

gnädigst Gefallen gefunden hatte an der Aufführung! Das ist doch riesig lächerlich!<br />

Doch weg mit diesen Gedanken!“<br />

Der folgende Tag, der 2. August wurde in München verbracht, wo die Vettern im<br />

Besuch <strong>von</strong> drei Galerien schwelgten; in der Neuen Pinakothek machte eine<br />

Landschaft <strong>von</strong> Segantini einen besonderen Eindruck auf <strong>Webern</strong>. Am Abend<br />

sahen sie im Prinzregententheater Schnitzlers Liebelei, die den Tagebuch-Kommentar<br />

veranlaßte: „Ein an die Nerven gehendes Stück!“ Nach einer Bahnfahrt, die die<br />

ganze Nacht und den darauffolgenden Tag dauerte, kam <strong>Anton</strong> gegen Abend auf<br />

dem Preglhof an. Er gab zu, daß er „ganz hin“ war, kam aber zu der<br />

Schlußfolgerung: „So hab ich’s nun erreicht, was so unerreichbar mir schien! Nun<br />

wieder der banale Alltag. Doch, daß ich zeitlebens an diese meine erste Bayreuther<br />

Pilgerfahrt denken werde, das steht fest.“<br />

Nach diesem stimulierenden Erlebnis erschien das sommerliche Einerlei auf dem<br />

abgelegenen Preglhof in der Tat eintönig und banal. Zu der Zeit jedoch, als die<br />

Ernte eingebracht war, war auch eine wichtige Entscheidung gefallen: <strong>Webern</strong>s<br />

Vater gab seine Zustimmung zur Musiklaufbahn. Doris Brehm-Diez erzählt in ihren<br />

Erinnerungen: „Es war dies keineswegs selbstverständlich. Der Vater und die ganze<br />

Familie wollten natürlich, daß der einzige männliche Erbe die Hochschule für<br />

Bodenkultur absolvieren sollte, um dann die Verwaltung des Preglhofs zu<br />

übernehmen. Aber Toni war fest entschlossen, nur der Kunst zu leben. Er [<strong>Anton</strong>]<br />

setzte es durch, daß sein Vater einige ,musikverständige1Bekannte zu Rate zog, die<br />

den Achtzehnjährigen auf dem Preglhof einer Art Prüfung unterzogen, und denen<br />

er vor allem etwas Selbstkomponiertes Vorspielen mußte. Später hat er dem Freund<br />

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Ernst Diez anvertraut, daß er bei dieser ,Komposition* einige ins Ohr gehende<br />

Melodien verwendete, um ganz sicher zu sein, daß es den Herren auch gefallen<br />

würde . . . Jedenfalls bestand er die Probe und erhielt die Erlaubnis zur<br />

Musikerkarriere - unter der Bedingung, daß er an der Wiener Universität<br />

Musikgeschichte studierte.“<br />

Als der Sommer zu Ende ging, kehrte die Familie <strong>Webern</strong> nach Wien zurück. Ihre<br />

Wohnung befand sich im 3. Stock des Hauses Ferstelgasse 6 in der Nähe der<br />

Votivkirche und nur fünf Gehminuten <strong>von</strong> der Universität. Ihr musikwissenschaftliches<br />

Institut wurde <strong>von</strong> Guido Adler geleitet, dem großen Gelehrten, unter dessen<br />

Führung die Musikwissenschaft zu einer geachteten akademischen Disziplin<br />

geworden war. Der gesamte Studiengang, für den sich der junge <strong>Webern</strong><br />

immatrikulieren ließ, ist dokumentarisch belegt. Der größte Teil seiner Unterweisung<br />

wurde <strong>von</strong> Adler selbst überwacht. Zu den Fächern gehörten allgemeine Kurse<br />

wie „Musikalische Stilperioden“ und Spezialthemen wie „Richard Wagner“ . Mit<br />

den ausschließlich musikalischen Studien ging eine breite Skala <strong>von</strong> Vorlesungen<br />

über Philosophie und Literatur einher, bei denen bemerkenswerterweise die<br />

führenden Erscheinungen der deutschen Geisteswissenschaft im Vordergrund<br />

standen. Wie umfassend die Unterrichtung war, läßt sich ablesen an Themen wie<br />

„Kant, Herder, Schiller, Schopenhauer, Nietzsche und die Musik“ oder „Albrecht<br />

Dürer und seine Zeit“ , während individuelle Übungen Goethe, Schiller und<br />

Grillparzer gewidmet waren. <strong>Webern</strong>s Seminar in „Erklären und Bestimmen <strong>von</strong><br />

Kunstwerken“ setzte sich über drei oder vier Jahre fort.<br />

Als Assistenten des Institutsvorstands für die intensive technische Ausbildung der<br />

Studierenden wirkten zwei namhafte Komponisten: Hermann Graedener, der 1899<br />

als Lektor für Musiktheorie an die Universität berufen wurde, und Dr. Karl Navrätil,<br />

ein tschechischer Komponist <strong>von</strong> Opern und sinfonischen Werken, der selbst bei<br />

Adler und Franz Qndficek studiert hatte. Nach der recht rudimentären Einweisung<br />

in die Geheimnisse des musikalischen Handwerks durch Edwin Komauer widmete<br />

<strong>Webern</strong> sich jetzt systematischen Studien der Harmonielehre bei Graedener und des<br />

Kontrapunkts bei Navrätil. Zunächst verwirrte ihn die Vielfalt der auf ihn<br />

zukommenden Aufgaben. Von den drei Übungen, die er bei Adler belegt hatte, fand<br />

er ein Seminar ganz besonders anspruchsvoll. In einem ausführlichen Bericht an<br />

Ernst Diez vom 5. November 1902, kurz nach Beginn des Herbstsemesters,<br />

beschrieb er dieses Seminar: „Im Institut befinden sich zumeist ältere Leute, 2<br />

Doktoren und sonst alte Semester. Junge sind 3. Die älteren erstatten nun Referate<br />

über Theoretiker aus dem 13., 14. u. 15. Jahrhundert. Sie bekommen Stellen aus<br />

Werken derselben zu übersetzen und müssen sie dann erklären. Wir Jungen tun halt<br />

mit, so gut es eben geht. Meine Aufgabe besteht vorläufig darin, die Mensuralnotationen<br />

und ein Werk Riemanns über diese alte Musik in meinen Schädel so schnell als<br />

möglich hineinzupfropfen. Eine entsetzlich trockene und mühvolle Arbeit. Denn,<br />

was es da Regeln gibt, da<strong>von</strong> hast Du keine Ahnung.“<br />

Den Druck seiner akademischen Pflichten empfand der junge <strong>Webern</strong> umso<br />

stärker, weil er nach seinem beschaulichen Dasein in Klagenfurt sich unversehens<br />

mit einem kosmopolitischen Gemisch <strong>von</strong> Fremden konfrontiert sah. „Die<br />

41


Mitglieder des Institutes setzten sich zusammen aus 7 Juden, einer Jüdin, 4 Polen,<br />

und 4 Deutschen“, schrieb er in jenem aufschlußreichen Brief an Diez, in dem er<br />

bekannte: „Als ich das erste mal ins Institut kam, da schauderte mir vor den vielen<br />

Schwierigkeiten, ich wollte am liebsten wieder raus, die Juden waren alle so<br />

unfreundlich u. s. w. Nun habe ich mich schon hineingewöhnt.“<br />

Man muß derartige Bemerkungen im Zusammenhang mit der Einstellung<br />

verstehen, die damals gang und gäbe war, wie auch mit <strong>Webern</strong>s früherer<br />

Lebenserfahrung, die so gut wie keinen gesellschaftlichen Kontakt mit Juden<br />

gekannt hatte. Schon nach den ersten paar Monaten sind solche Hinweise aus<br />

<strong>Webern</strong>s Briefen und Tagebüchern verschwunden, und jüdische Kommilitonen wie<br />

Heinrich Jalowetz und Karl Horwitz wurden bald zu guten Freunden.<br />

<strong>Webern</strong> nahm seinen privaten Cello- und Klavierunterricht wieder auf, als er in<br />

die Universität eintrat. Seine Lehrer waren <strong>Josef</strong> Hasa, zweiter Solocellist des<br />

Konzertvereinsorchesters („ein junger, sehr netter Musiker“, wie er Diez am 5.<br />

November schrieb)2, und eine junge Amerikanerin, eine Schülerin <strong>von</strong> Leschetizky<br />

und selbst eine ausgezeichnete Pianistin (ihr Name wurde nicht genannt). Sie beriet<br />

die Familie <strong>Webern</strong> beim Kauf eines Dörr-FIügels, den <strong>Anton</strong> seinem Vetter als<br />

„ein sehr sorgfältig gearbeitetes Klavier, ich glaube auch mit englischer Mechanik,<br />

und mit einem sehr angenehmen Ton“ beschrieb.<br />

Am 14. November berichtete er Diez über seine Klavierstunden: „Muß zum<br />

zweiten Mal ganz umlernen. Handgelenk tief, Hand hohl, Knöchel heraus u. die<br />

Bewegungen der Hand bei Arpeggien u. s. w. möglichst natürlich, - eine sehr<br />

vernünftige Methode, die Leschetizkys. Aber bis man sich das alles wieder<br />

angewöhnt hat. Meine Meisterin ist ein sehr liebes, nicht gerade hübsches, aber doch<br />

anmutiges Mädchen, die sich mit mir sehr viel Mühe gibt. Sie bildet sich zur<br />

dramatischen Sängerin aus.“<br />

<strong>Webern</strong> verbrachte den größten Teil des Tages im musikwissenschaftlichen<br />

Institut, wo er eine gute Bibliothek und einen „prachtvollen Bösendorfer“ zur<br />

Verfügung hatte. Die eigentlichen Studien wurden durch das Konzert- und<br />

Opernleben der Metropole ergänzt; das Ergebnis war eine überaus förderliche<br />

Mischung <strong>von</strong> akademischer Ausbildung und künstlerischer Erfahrung. Der junge<br />

<strong>Webern</strong> stürzte sich mit Enthusiasmus in das tausendfache Angebot, wobei er jedes<br />

Ereignis gewissenhaft in seinem Tagebuch festhielt. Aber schon nach ein paar<br />

Wochen machte er seinem Unmut Luft: „Nun braust die Hochflut der Concertsaison<br />

mit furchtbarer Gewalt. Zu viel, zu viel! Jeden Tag gibts mindestens 3 Concerte.<br />

Violinvirtuosen, Klaviervirtuosen, Sänger - Sängerinnen, Orchesterkonzerte u. s. w.<br />

Meist elende Programme! Hie und da eine Recension über eine Aufführung - jedes<br />

Concert mit Menschen vollgepfropft, die nach jeder Nummer klatschen, ob sie gut,<br />

oder schlecht ist kümmert sie nicht. Wahrscheinlich - nein gewiß können ja die<br />

Leute keinen Unterschied mehr wahrnehmen. Durch die Überfülle des Gehörten<br />

wird ihre Aufnahmefähigkeit immer mehr und mehr verringert, durch die elenden<br />

Programme und Hexenkünste der Virtuosen ihr Geschmack stetig verdorben. Eine<br />

scharfe, geißelnde Kritik gibt’s auch nicht . . . . Wenn das so fort geht?“ <strong>Webern</strong><br />

gab den musikalischen Führungskräften der Stadt die Schuld an diesem Zustand und<br />

42


plädierte für eine Reduzierung des Angebots: „Das könnten die Concertdirektoren<br />

bewirken. Ein solcher Concertdirektor müßte ein künstlerisch gebildeter Mensch<br />

sein. Kommt so ein Virtuose mit einem schrecklichen, stillosen Programm - dann<br />

hinaus mit ihm. Was soll man dazu sagen, wenn ein Sänger wie Th. Bertram in sein<br />

Programm zwischen Schumann u. Schubert Lieder, nein das sind keine Lieder -<br />

Schmachtfetzen voll ekelerregender Sentimentalität <strong>von</strong> Bohm aufgenommen hat.<br />

Gibts denn keine Kritik die sich gegen so ein - Verbrechen zornerfüllt erhebt?“<br />

<strong>Webern</strong>s Einstellung ist nur dann so kompromißlos, wenn sein Geschmack auf<br />

derart üble Weise beleidigt wird. Er ist rasch bei der Hand mit begeisterter<br />

Zustimmung, wenn ihn die Musik oder die Aufführung überzeugt haben: „Ein heller<br />

Punkt in unserer Nacht des Concertlebens, war letzthin, das Concert Siegfrieds<br />

[Wagner], Mit welcher Wärme und Liebe dirigierte er Beethovens 7. und Liszts<br />

grandiosen ,Mazeppa‘. B. 7. hörte ich zum erstenmal. Diese Fröhlichkeit und<br />

Anmut! Wie wohl und warm muß sich Beethoven in seinem Innern gefühlt haben!<br />

Das ist eine Symphonie aus dem Reich der Freude.“ In rascher Folge hörte <strong>Webern</strong><br />

mehrere andere Symphonien <strong>von</strong> Beethoven, keine jedoch hinterließ einen tieferen<br />

Eindruck als die Neunte: „O, göttlicher Beethoven! Es war die weihevollste Stunde<br />

meines bisherigen Lebens!“ frohlockte er in seinem Tagebuch am 25. Januar 1903<br />

und am 18. Februar schrieb er an Diez: „Auch Bayreuth hat nicht so auf mich<br />

gewirkt, wie der letzte Satz der IX.“ Im gleichen Brief pries er auch Bruckners<br />

Neunte Symphonie, deren Uraufführung er gerade beigewohnt hatte: „Das Werk ist<br />

dem ,lieben Gott1gewidmet. Mit dem Adagio nahm Bruckner Abschied <strong>von</strong> der<br />

Welt - und wirklich wenn Du so recht schön zuhörst, bildest Du Dir ein, am Schluss<br />

des Adagios, der wunderbar mild und verklärt ist, zu sehen, wie der liebe Mann,<br />

immer weiter und höher in den Himmel hinaufsteigt, bis sich ihm mit dem letzten,<br />

leisesten, lang, lang ausgehaltenen E dur Accord der Tuben (5) und Hörner der<br />

Himmel erschließt----------Es kann kaum was schöneres geben als dieses Adagio.1‘<br />

Die Uraufführung <strong>von</strong> Bruckners Neunter war mit seinem Te Deurn gekoppelt, in<br />

dem mehrere Wiener Chöre, unter ihnen der Akademische Richard-Wagner-<br />

Verein, sangen. <strong>Webern</strong> war dort bereits am 30. Oktober 1902 zum Saisonbeginn<br />

eingeführt worden. Die freundliche Aufnahme, die ihm zuteil geworden war, hatte<br />

ihm wohlgetan, und die Anwesenheit <strong>von</strong> Siegfried Wagner bei seinem ersten<br />

Besuch war für ihn ein Ereignis. Die Wiener Ortsgruppe des Vereins, nicht zuletzt<br />

durch Guido Adlers Bemühungen während seiner eigenen Studienzeit ins Leben<br />

gerufen, sollte dem jungen <strong>Webern</strong> viele Anregungen bieten. Die Zusammenkünfte<br />

bestanden aus Chorproben, an denen er bald teilnahm, sowie aus einer Vielzahl <strong>von</strong><br />

Musikprogrammen.<br />

In dieser ersten Saison wurde <strong>Webern</strong> mit sinfonischer und Kammermusikliteratur<br />

vertraut, die ihm bislang unbekannt war. Am 5. Januar 1903 erlebte er ein<br />

Konzert unter Felix Weingartner, auf dessen Programm Berlioz’ Symphonie<br />

fantastique und Liszts Dante-Symphonie standen. „Die beiden Werke sind<br />

kollossal“, heißt es in seinem begeisterten Bericht an Diez vom 18. Februar. „Die<br />

Interpretation wird kaum zu überbieten sein. Du wirst ja in Grazer Blättern darüber<br />

gelesen haben; vielleicht hast Du sie selbst gehört. Liszt ist wohl einer der Größten,<br />

43


für mich geht die Linie <strong>von</strong> Beethoven weiter über Liszt, Bruckner. Wagner als<br />

Dramatiker steht ja ganz abseits.“<br />

<strong>Webern</strong>s Passion für Wagner kam in dieser Saison voll auf ihre Kosten. Er hörte<br />

nicht nur den gesamten Ring, sondern auch Aufführungen <strong>von</strong> Tannhäuser, dem<br />

Fliegenden Holländer, Tristan und Isolde und den Meistersingern. Die letzteren sah<br />

er fünf Mal innerhalb der ersten vier Monate. Nach seinem ersten Besuch am 28.<br />

September 1902 war er so hingerissen, daß er in seinem Tagebuch einen langen<br />

Essay zu Papier brachte, der mit einem Musikzitat des Chors ,,Wach‘ auf! Es nahet<br />

gen den Tag“ aus dem letzten Akt begann. „Das reißt einen weg <strong>von</strong> dieser Erde.<br />

Mit brüllen möchte man, nun das Wettsingen, und endlich der Schluß . . . O Gott,<br />

ich finde keine Worte mehr . . .“, schrieb er, und in seinem Brief an Diez vom 5.<br />

November 1902 rief er aus: „Ernst, diese Meistersinger, zum verrückt werden<br />

schön.“<br />

Allerdings waren nach dem herrlichen Bayreuth-Erlebnis die Wiener Aufführungen<br />

eine Enttäuschung. <strong>Webern</strong> war nicht bereit, andere Maßstäbe zu dulden. In<br />

demselben Novemberbrief an Diez heißt es: „Die Oper hier kommt mir einfach<br />

scheußlich vor. Einen solchen Unterschied habe ich doch nicht erwartet. Wie<br />

eckelhaft nur der ganze pompöse Raum, das sichtbare Orchester u. s. w. wirken.<br />

Dann die schändlichen Aufführungen. Ich dachte immer weiß Gott was für<br />

Herrlichkeiten ich da erleben würde, nun solche Enttäuschungen.“ Bereits am 14.<br />

September hatte er nach Götterdämmerung in sein Tagebuch geschrieben: „Die<br />

Phrase: ,man hört es ja anderswo z. B. in der Wiener Oper auch so schön als in<br />

Bayreuth1ist ein Blödsinn“, und eine Aufführung des Fliegenden Holländers in der<br />

folgenden Woche erzürnte ihn ganz besonders: „Soll das der ,Holländer1gewesen<br />

sein?!!! Er war auf den Bayreuther ,Holländer1 kaum zu erkennen. Du lieber<br />

Himmel! Gibts denn in Wien keine Kritik, die gegen so was Stellung nimmt?“ (20.<br />

September 1902)<br />

Andere Erlebnisse besänftigten bald wieder den jugendlichen Rebellen. Zwei<br />

Werke aus einem dreiteiligen Abend am 4. Oktober entzückten ihn: Mozarts Zaide<br />

(„Echter Mozart, lieblich und zart, so klar und einfach wie ein heller Sommertag.<br />

Solche Musik tut so wohl, man wird wunschlos.“) und Bizets Djamileh („Eine in<br />

orientalische Glut getauchte Musik, genialer Rhythmus steckt drinnen, die<br />

Instrumentation bezaubernd. Gustav Mahler dirigierte. Ich sah den Mann zum<br />

ersten Male. Ein Künstler! Schwarzes, langes Haar, rasiert, Brillen. Wie der das<br />

Orchester leitet. Alles holt er aus der Partitur heraus.“) Lediglich das den Abend<br />

beschließende Ballett, Harlekin als Elektriker <strong>von</strong> Joseph Hellmesberger, mißfiel<br />

ihm („Ein Blödsinn erster Güte. Langweilig, die Musik hat wenig Reiz. Warum der<br />

Schmarren noch angehängt wurde?“). Dann hörte er Opern <strong>von</strong> Gluck und Weber,<br />

die ihn vollends in ihren Bann schlugen. Im Tagebuch beschreibt er Glucks Orpheus<br />

und Eurydike: „Das ist eine grandiose Musik <strong>von</strong> unnahbarer Größe. Ich stelle das<br />

Werk neben die herrlichsten Schöpfungen Wagners u. Beethovens.“ In seinem Brief<br />

an Diez vom 5. November 1902 schwärmte er über Edyth Walker, die den Orpheus<br />

sang: „Ich glaube nicht, daß es auf der ganzen Welt ein Weib gibt die eine schönere<br />

Stimme besitzt.“ Gleichermaßen entzückt war er <strong>von</strong> Berta Foerstrovä-Lauterovä


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in der Titelpartie <strong>von</strong> Webers Euryanthe, eine Oper, die er als „prachtvoll schön“<br />

preist und als Vorbotin Wagnerscher Ideen: „Wir finden in ,Euryanthe‘ schon die<br />

motivische Behandlung gewisser besonders prägnanter ausdrucksvoller Tonreihen,<br />

indem diese mit den verschiedenen Personen aufs innigste verknüpft sind. Die<br />

Musik ist rein dramatisch, doch reich an lyrischen Schönheiten.“ Im selben Atemzug<br />

klagte der jugendliche Kritiker, daß das „verfluchte Textbuch“ die Oper wohl<br />

niemals einen bedeutsamen Platz im Repertoire finden lassen werde.<br />

Nur flüchtig erwähnt wird ein Großteil des Standardrepertoires jenes Winters,<br />

<strong>von</strong> Wilhelm Kienzl zu den Exponenten des italienischen Verismo; <strong>Webern</strong> war<br />

jedoch begeistert <strong>von</strong> Marie Gutheil-Schoders Auftreten in Bizets Carmen und<br />

Nicolais Die lustigen Weiber <strong>von</strong> Windsor. Er war ein unersättlicher Opernbesucher,<br />

trotz seines kargen Wechsels: „Ich bin meistens auf der IV. Gallerie und stell mich<br />

immer an“ , schrieb er an Diez am 28. Dezember 1902. „Diese Drückerei ist<br />

großartig, manchmal geht’s einem ans Leben, dann der Wettlauf bis zum IV. Stock!<br />

Mir machts ein Vergnügen. Beim Anstellen hört man interessante Gespräche, die<br />

einem mit der Zeit ecklig werden. Jedes Judendirndl wagt über die größten Künstler<br />

zu urteilen. Es ist oft wirklich unglaublich was die Leute zusammenreden. Jeder<br />

Sänger, jede Sängerin wird hergenommen u. wie auf Tod und Leben kritisiert. . .<br />

Jeder Schusterbub kennt ja hier das ,Preislied‘. Natürlich gibts auch solche, - wie<br />

neulich beim Anstellen, einer hinter mir sagte - die nur den Winkelmann kennen,<br />

und nicht den Tannhäuser. Aber unlängst war ein Judenbub hinter mir im Queu, der<br />

war schon 30 mal drinnen [in den Meistersingern]!“<br />

Am 21. Februar 1903 besuchte <strong>Webern</strong> eine Neuinszenierung <strong>von</strong> Tristan und<br />

Isolde unter der Leitung <strong>von</strong> Gustav Mahler. Die Aufführung inspirierte einen<br />

langen und farbigen Tagebuchbericht, der die ganze Gefühlswelt des Musikdramas<br />

nachempfindet. Am Tag darauf starb Hugo Wolf nach jahrelangem Leiden.<br />

<strong>Webern</strong>s Beschreibung der Totenmesse in der Votivkirche am 24. Februar endet mit<br />

den Schlußworten des Faust: „Es kann die Spur <strong>von</strong> seinen Erdentagen nicht in<br />

Äonen untergehen.“<br />

Während der junge <strong>Webern</strong> Hugo Wolf erst an der Bahre nahekam, war es ihm<br />

vergönnt, zwei andere große Komponisten seiner Zeit, Gustav Mahler und Richard<br />

Strauss, wiederholt am Pult zu erleben. Der letztere dirigierte seine Tondichtungen<br />

Aus Italien und Tod und Verklärung am Ende der Saison, was <strong>Webern</strong> am 4. März<br />

1903 zu dem Kommentar veranlaßte: „Straussens Werke sind herrlich, geniale<br />

Schöpfungen eines echten Genies.“<br />

Die Liste der Aktivitäten des Studenten während seines ersten Wiener Jahres<br />

verzeichnete neben der Vielzahl musikalischer Ereignisse auch eine Reihe <strong>von</strong><br />

Stücken im altehrwürdigen Burgtheater und Besuche <strong>von</strong> Museen und Galerien der<br />

Stadt. Die Tagebucheintragungen für die nächste Saison (1903-1904) fallen<br />

spärlicher aus, sei es, daß <strong>Webern</strong> weniger Ereignisse wahrnahm, oder daß er<br />

weniger Zeit oder Ansporn fand, seine Notizen auf dem jeweils neuesten Stand zu<br />

halten. Immerhin enthalten sie eine vollständige Auflistung der Konzerte der<br />

Philharmoniker, die so berühmte Dirigenten wie Muck, Nikisch und Schuch ins Feld<br />

führen konnten. <strong>Webern</strong> versah so ziemlich jedes Stück mit kritischen Randbemer­<br />

46


kungen, <strong>von</strong> denen hier ein paar Kostproben folgen sollen. Über die Instrumentierung<br />

einer Orgeltoccata <strong>von</strong> Bach: „Ich bin ein Feind solcher Experimente, wie die<br />

Instrumentation einer Bachschen Orgelcomposition. Es ist doch gar keine Notwendigkeit<br />

dazu vorhanden.“ Zur Ouvertüre Der römische Carneval <strong>von</strong> Berlioz: „ein<br />

hinreißendes sinnverwirrendes Stück, voll Geist u. Feuer“ . Nur ein einziges Wort<br />

über Schumanns Vierte Symphonie: „Langweilig“ . Über Mozarts Jupiter-Symphonie:<br />

„eines der größten Kunstwerke aller Zeiten“ . Und zu Webers Konzertstück:<br />

„Über Webers Konzertstück sind wir wohl schon hinaus. Schließlich die Zeiten ändern<br />

sich, auch die Ansprüche des Menschen, und was nichts großes ist, das geht halt<br />

unter.“ Zu einem russischen Programm: „Glazunows Musik ist glatte gefällige<br />

Musik, durchaus nichts besonders russisches. Skriabins Reverie ist schmachtender<br />

Treck. Rimsky-Korsakov: Scheherezade ist eine genial instrumentierte Tondichtung.<br />

Eine ganz merkwürdige Musik, so verträumt.“ Über ein Konzert, in dem<br />

Nikisch die Dritte Symphonie <strong>von</strong> Brahms und die Faust-Ouvertüre <strong>von</strong> Wagner<br />

dirigierte, zusammen mit Beethovens Achter: „Brahms und Wagner sind mal zwei<br />

Männer die nicht auf ein Programm gehören. Der Gegensatz. B. Symphonie so<br />

zurückhaltend, kalt ohne besondere Eingebung, alles vergrübelt, wie ein frostiger<br />

Novembertag, schlecht instrumentiert, - grau und grau. - Wagners Ouvertüre, voll<br />

tiefster Leidenschaft, voll versengender Glut, voll aufwühlender Macht.“ Und zu<br />

Schuberts C-Dur-Symphonie: „Schuberts Symphonie erstrahlte in vollster Wärme<br />

und herrlichstem Glanz. Diese Pracht der melodischen Erfindung, diese gesunde<br />

Sinnlichkeit; bald ein süßes Träumen, bald wieder hellster, freudigster Jubel. So echt<br />

,wienerisch1.“<br />

Das stete Reifen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Kritikverrnögen wurde gefördert durch seine<br />

rapiden Fortschritte in seinen musikalischen Studien. Schon im ersten Jahr, am 18.<br />

Februar 1903, konnte er Diez berichten, daß er mit seinen „blühenden und<br />

gedeihenden“ Kontrapunktstudien sich mit Erfolg der Aufgabe entledigt habe, Jean<br />

Brassarts Sacris solemnis aus der Mensuralnotation zu übertragen3, und daß die<br />

Transkription „so schön“ ausgefallen sei, daß sie „veröffentlicht wird, nämlich in<br />

den Denkmälern der Tonkunst in Österreich. Kannst Dir denken, wie mein Mut<br />

gestiegen ist, - denn leicht wars nicht.“<br />

Das wachsende Selbstvertrauen des jungen Musikers in sein Handwerk ermutigte<br />

ihn auch, sich erneut eigenem Komponieren zuzuwenden. Er hatte zwar schon seit<br />

fünf Jahren sporadisch komponiert, aber im Sommer 1904, am Ende seines zweiten<br />

Jahres auf der Universität, wagte er sich an sein erstes ambitioniertes Stück: die<br />

Orchesteridylle Im Sommerwind.


Der Preglhof<br />

Familientreffen auf dem Preglhof<br />

(17. Mai 1887). In der Mitte, sitzend,<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, der Großvater des<br />

Komponisten, zu seinen Füßen der junge<br />

<strong>Anton</strong>. Die Eltern, Carl und Amalie,<br />

befinden sich rechts oben und unten,<br />

<strong>Webern</strong>s Mutter mit seiner jüngeren<br />

Schwester Rosa auf dem Schoß. Seine<br />

ältere Schwester Maria steht zur Rechten<br />

des Familienpatriarchen. Der zweite <strong>von</strong><br />

links in der vorderen Reihe ist <strong>Webern</strong>s<br />

Vetter Ernst Diez. Die Eltern Diez,<br />

Friedrich und Maria, stehen hinter Ernst,<br />

seine Mutter mit seinem jüngeren Bruder<br />

Heinrich im Arm.<br />

48


3. Frühe Kompositionen I (1899-1904)<br />

In diesem und den späteren Kapiteln, die den Kompositionen <strong>Webern</strong>s gewidmet<br />

sind, soll eine Chronik der Entstehung seiner Werke vorgelegt werden. Die<br />

Geschichte einer jeden Arbeit soll nach Möglichkeit <strong>von</strong> den Originalmanuskripten,<br />

Briefen und anderen Urquellen nachgezeichnet werden.1Detaillierte Analysen sind<br />

nicht beabsichtigt. Nützliche Information mag jedoch für die Forschung aus den<br />

Angaben gewonnen werden, die sich auf das Werden einer Komposition beziehen.<br />

In einigen Fällen wird auf Geschehnisse Bezug genommen, die bereits in den<br />

biographischen Kapiteln behandelt worden sind; dies führt bisweilen zu geringfügigen,<br />

jedoch unvermeidlichen Wiederholungen. Zu jeder „Werkbiographie‘‘<br />

werden die Daten <strong>von</strong> Uraufführung und Veröffentlichung angegeben, soweit sie zu<br />

Lebzeiten des Komponisten stattfanden; andernfalls sind sie im Werkverzeichnis<br />

(Seite 645) zu finden.<br />

Es ist ein glücklicher Umstand, daß <strong>Webern</strong> die meisten seiner Kompositionen<br />

mit einem Datum versehen hat, sodaß die Reihenfolge und oft auch die örtlichen<br />

Gegebenheiten ihrer Entstehung feststellbar sind. Die ersten Skizzen zu seinen<br />

Arbeiten sind weitgehend erhalten geblieben und gestatten Einblicke in seine<br />

Arbeitsweise und die Genese der einzelnen Kompositionen. In diesen umfassenden<br />

Überblick wurden auch Werke auf genommen, die wegen Verlustes <strong>von</strong> Manuskriptteilen<br />

in den Wirren, die das Ende des Zweiten Weltkriegs begleiteten, nur<br />

fragmentarisch überlebt haben. Entwürfe zu Projekten, die niemals ausreiften,<br />

werden ebenfalls untersucht; auch sie tragen dazu bei, das Bild <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Gesamtschaffen abzurunden, das vormals für sehr viel begrenzter gehalten worden<br />

ist.<br />

Die frühesten bekannten Kompositionen <strong>Webern</strong>s, die erst 1965 entdeckt<br />

wurden, sind zwei Stücke für Violoncello und Klavier. Beide sind Langsam<br />

überschrieben, sind aber sonst ohne Titel und stehen in den Tonarten F-Dur und G-<br />

Dur. Auf dem Manuskript des zweiten Stückes steht „Preglhof, 17. Scheiding<br />

[September] 1899“ als Entstehungsort und -datum, während das F-Dur-Stück<br />

lediglich „1899“ bezeichnet ist. Die Stücke, deutlich gleicher Prägung, sind zart<br />

empfundene Monologe des Soloinstruments, zu denen das Klavier eine simple<br />

Akkordbegleitung beisteuert. Die Musik kennzeichnen stille Anmut und Verhaltenheit;<br />

sie ist romantisch, jedoch frei <strong>von</strong> Sentimentalität. Der 15jährige Komponist<br />

hat die Cellostimmen getrennt ausgeschrieben, und man kann sich im Geiste<br />

ausmalen, wie er diese ersten Versuche mit seiner Mutter oder Schwester am Klavier<br />

in der idyllischen Atmosphäre des Preglhofs spielte.<br />

Alle folgenden Kompositionen der Klagenfurter Zeit waren Lieder mit Klavierbegleitung.<br />

Das erste <strong>von</strong> ihnen auf das Gedicht Vorfrühling <strong>von</strong> Ferdinand


Avenarius wurde mehrfach niedergeschrieben. Ein Exemplar ist „Klagenfurt 1899“<br />

bezeichnet, ein anderes „Klagenfurt, 12. Januar 1900“ . Diese Duplikation <strong>von</strong><br />

Manuskripten, nicht selten mit nachfolgenden Kompositionen, deutet darauf hin,<br />

daß <strong>Webern</strong> an ihre Aufführung dachte, wozu Sänger und Pianist je ein Exemplar<br />

benötigten. Aus den Tagebüchern geht hervor, daß <strong>Webern</strong> schon sehr früh eine<br />

betonte Affinität zur lyrischen Muse <strong>von</strong> Avenarius an den Tag legte; nicht weniger<br />

als sieben Liedervertonungen legen Zeugnis ab <strong>von</strong> seiner anhaltenden Begeisterung.<br />

Vorfrühling könnte durchaus als Motto gelten für Geist und Gestalt des<br />

musikalischen Kosmos, mit dem man heute <strong>Webern</strong> assoziiert. Das kurze Gedicht<br />

erwies sich für den Komponisten als ideales Vehikel:<br />

V o r f r ü h l in g<br />

Leise tritt auf -<br />

Nicht mehr in tiefem Schlaf,<br />

In leichtem Schlummer nur<br />

Liegt das Land.<br />

Und der Amsel Frühruf<br />

Spielt schon liebliche Morgenbilder<br />

Ihm in den Traum.<br />

Leise tritt auf —<br />

Der Zartheit des Textes entspricht seine musikalische Realisation. <strong>Webern</strong>s<br />

Konzept ist klar <strong>von</strong> der allerersten Bezeichnung Durchwegs zart an. Die Dynamik<br />

erhebt sich vom pianissimo des Anfangs nie über ein piano, nach dem sie sofort<br />

wieder auf ein ppp zurückgeht, so überaus charakteristisch für <strong>Webern</strong>s Sprache.<br />

Das Lied, das so zart wie möglich schließt, hat kein instrumentales Nachspiel und<br />

verlischt in einem Aufschwung der Singstimme wie ein Hauch in der reinen Luft des<br />

Vorfrühlings. Die knappe Diktion und die Zusammendrängung der Form in diesem<br />

ersten Lied (es besteht aus ganzen 22 Takten) sind Vorwegnahme..und in der Tat<br />

auch schon Erfüllung des Stilideals, für das <strong>Webern</strong> berühmt werden sollte.<br />

Eines der Manuskripte <strong>von</strong> Vorfrühling enthält den Entwurf zu einer Begleitung<br />

durch Oboe, 2 Hörner und Harfe. Wenn auch der Versuch nach vier Takten<br />

aufgegeben ist, zeigt er doch bereits in diesem frühen Stadium <strong>Webern</strong>s Vorliebe für<br />

die Kombination der Singstimme mit einer kleinen, aber farbigen Gruppe <strong>von</strong><br />

Soloinstrumenten. Daß ein solches Konzept <strong>von</strong> Anfang an vorhanden war, darauf<br />

deutet schon die allererste Bleistiftskizze des Liedes hin.<br />

Vorfrühling ist nur das erste in einem Zyklus <strong>von</strong> Gedichten, den Avenarius unter<br />

diesem Titel veröffentlichte. <strong>Webern</strong> machte sich auch an die Vertonung des zweiten<br />

Gedichts2, das mit den Worten beginnt: „Doch schwer hinschnaubend durchs<br />

dampfende Marschland“ . Der Bleistiftentwurf ist vollständig. Er ist undatiert,<br />

entstand aber zweifellos bald nach dem ersten Lied.<br />

50


Eine weitere Vertonung eines Gedichts <strong>von</strong> Avenarius, Wolkennacht, trägt das<br />

Datum „Klagenfurt 1900“ . Es handelt sich hierbei um das erste <strong>von</strong> nur zwei<br />

Liedern <strong>Webern</strong>s, mit Klavierbegleitung, die ausdrücklich für eine Männerstimme<br />

gedacht waren, wie aus der Verwendung des Baßschlüssels hervorgeht. Das vierte<br />

Lied <strong>Webern</strong>s auf Gedichte <strong>von</strong> Avenarius ist Wehmut; es wurde am 15. Juli 1901<br />

auf dem Preglhof skizziert. Drei Monate vorher, am 21. April, hatte er in Klagenfurt<br />

das Lied Tief <strong>von</strong> Fern komponiert, das erste einer Gruppe <strong>von</strong> acht Vertonungen,<br />

angeregt durch Gedichte <strong>von</strong> Richard Dehmel. Wie Avenarius ist auch Dehmel ein<br />

unübertrefflicher Schilderer der Herrlichkeiten und Geheimnisse der Natur, doch ist<br />

er sinnlicher und leidenschaftlicher. Auf dem Feld sensitiver Wortmalerei hat er<br />

nicht seinesgleichen; seine Gedichte beschwören Stimmungen herauf, die <strong>von</strong><br />

Melancholie und Sehnsucht bis zu Freude und heiterer Gelassenheit reichen. Tief<br />

<strong>von</strong> fern, wie schon Vorfrühling, ist ein Naturbild, auf acht kurze Zeilen<br />

zusammengedrängt, und der junge Komponist, zweifellos <strong>von</strong> der Kapselform des<br />

Gedichts angezogen, entsprach ihr mit einem Lied <strong>von</strong> nur 18 Takten.<br />

Daß der jugendliche Musiker um diese Zeit begann, sich ganz bewußt als<br />

Komponist zu fühlen, zeigt eine Tagebucheintragung mit der Überschrift „Op. 1, 4<br />

Lieder“ . Es folgen dann in der Reihenfolge ihrer Entstehung: „1. Vorfrühling (Es-<br />

Dur) 2. Wolkennacht (Des-Dur) 3. Tief <strong>von</strong> fern (E-Dur) 4. Wehmut (B-Dur)“.<br />

Diese Eintragung in Tinte wird ergänzt durch einen Zusatz in Bleistift: „5. Fromm<br />

(Es-Dur)“ . Dieses letztere Lied wurde am 11. September 1902 auf dem Preglhof<br />

komponiert, fast 14 Monate nach Wehmut. Der Dichter <strong>von</strong> Fromm ist Gustav<br />

Falke, dessen Band Mit dem Leben eines der Lieblingsbücher <strong>Webern</strong>s war. Das<br />

achtzeilige Gedicht entsprach wiederum dem, was anscheinend das hauptsächlichste<br />

Anliegen des Komponisten war, nämlich ein Maximum an expressiver Kraft auf ein<br />

Minimum an Ausdehnung zu konzentrieren. In zartesten dynamischen Nuancen<br />

beginnend und endend, ist Fromm <strong>von</strong> hymnischer Würde und Feierlichkeit<br />

getragen. Wenn man bedenkt, daß der Komponist erst 18 Jahre alt war, ist die Reife,<br />

die sich in der Kraft und Sicherheit der musikalischen Projektion manifestiert,<br />

bemerkenswert.<br />

Fromm, das am Ende der Sommerferien und unmittelbar vor <strong>Webern</strong>s Eintritt in<br />

die Wiener Universität entstand, setzt den Schlußstrich unter die Klagenfurter Jahre<br />

mit den ersten Versuchen selbständigen Komponierens. Ernst Diez, diese frühen<br />

Bemühungen vor Augen, schenkte seinem jungen Vetter zu seinem 18. Geburtstag<br />

einen Band ausgewählter Gedichte <strong>von</strong> Richard Dehmel und schrieb auf das<br />

Vorsatzblatt: „S/1. Toni für Compositionsversuche“ . Angesichts der Beanspruchung<br />

durch Schularbeiten während seines letzten Jahres auf dem humanistischen<br />

Gymnasium bedankte sich <strong>Anton</strong> für das Geschenk in einem Brief vom 8. Dezember<br />

1901 mit der Bemerkung: „Was die Compositionsversuche angeht, aus denen wird<br />

nichts. Leider bringe ich nichts fertig.“ Als aber <strong>Webern</strong> gegen das Ende seines<br />

ersten Universitätsjahres wieder anfing zu komponieren, waren es zwei Gedichte<br />

<strong>von</strong> Dehmel, die er als Vorlage für die Vertonungen verwendete. Das erste,<br />

Nachtgebet der Braut, entstand auf dem Preglhof und trägt das Datum „Charfreitag,<br />

10. April 1903“. (Ein zweites Manuskript ist „Wien 1903“ datiert.) <strong>Webern</strong> machte<br />

52


dann das Lied zum Mittelstück eines Zyklus, den er Drei Gedichte betitelte; er<br />

wählte Vorfrühling zur Eröffnung der Gruppe und Fromm als Abschluß. Nachtgebet<br />

der Braut, mit 75 Takten <strong>Webern</strong>s längstes Einzellied, steht in starkem Kontrast zu<br />

den Gefährten im Zyklus. Während die Gedichte <strong>von</strong> Avenarius und Falke innig<br />

und nachdenklich sind, ist Dehmels Text voller Leidenschaft und löste bei <strong>Webern</strong><br />

eine gleichermaßen stürmische Vertonung aus. Sehr erregt und leidenschaftlich<br />

überschrieben, setzt die Musik fortissimo ein und ist voll <strong>von</strong> dynamischen<br />

Höhepunkten, die erst ganz zum Schluß nachlassen, als ob sich diese unnachgiebige<br />

Heftigkeit erschöpft hätte. Die außergewöhnlichen Anforderungen an die Singstimme<br />

schließen ein hohes cis ein sowie ständiges Singen im fortissimo. Wenn das<br />

Lied in seiner Stellung zwischen den stillen und introspektiven Vorfrühling und<br />

Fromm wenig charakteristisch für <strong>Webern</strong>s sonstige expressive Tendenzen anmutet,<br />

dann liegt die Erklärung hierfür vielleicht darin, daß er soeben eine Phase intensiver<br />

Auseinandersetzung mit dem übermächtigen Genie Richard Wagner durchgemacht<br />

hatte, die ihn veranlaßt haben mag, für sich selbst die expressiven Grenzen der<br />

menschlichen Stimme zu erproben.<br />

Am 12. August 1903, während seines sommerlichen Aufenthalts auf dem<br />

Preglhof, komponierte <strong>Webern</strong> Aufblick, ein weiteres Lied nach einem Gedicht<br />

Dehmels. Die Stimmung ist mit Klagend bezeichnet und die Traurigkeit der Musik<br />

wird durch starke Chromatik gesteigert. Am 7. September desselben Jahres,<br />

ebenfalls auf dem Preglhof, vertonte <strong>Webern</strong> Sommerabend, ein Gedicht <strong>von</strong><br />

Wilhelm Weigand, in dem der Friede der Landschaft und der inbrünstige<br />

Gemütszustand des Komponisten Ausdruck finden. Datiert „Preglhof 1903“ und<br />

vermutlich ebenfalls während dieses Sommers entstanden, ist das Lied Gebet nach<br />

einem Text <strong>von</strong> Ferdinand Avenarius, <strong>von</strong> dem er noch zwei weitere Gedichte<br />

Anfang 1904 vertonte: Freunde am 6. Januar und Gefunden am 5. April. Gefunden,<br />

das <strong>Webern</strong> gegen Ende seines zweiten Universitätsj ahres und noch viele Monate<br />

vor seiner Begegnung mit Schönberg komponierte, ist bemerkenswert wegen seiner<br />

harmonisch progressiven Züge. Das Lied nimmt in seiner bewußten Anwendung<br />

tonaler Dualität ein Gefühl für Tonartenfunktion vorweg, das weit über das<br />

traditionelle Konzept hinausgeht.<br />

Ein hoher Grad <strong>von</strong> harmonischer Unruhe, der sich in häufigen Modulationen<br />

manifestiert, kennzeichnet Heimgang in der Frühe, komponiert am 2 1. November<br />

1903 in Wien. Das Gedicht ist <strong>von</strong> Detlev <strong>von</strong> Liliencron, und seine schwelgerische<br />

Romantik wird <strong>von</strong> der Musik nachvollzogen. Mit 66 Takten ist es eines der längsten<br />

Lieder <strong>Webern</strong>s. In scharfem Gegensatz hierzu steht Der Tod, der nur drei Tage<br />

später entstand. Der Text ist dem Wandsbecker Boten <strong>von</strong> Matthias Claudius<br />

entnommen, einem kleinen Bändchen, das <strong>Webern</strong> in seiner Bibliothek überaus<br />

schätzte. Die düstere und packende, im Gedicht auf ganze vier Verszeilen<br />

zusammengedrängte Erzählung wird in einer hochdramatischen Vertonung <strong>von</strong> nur<br />

14 Takten projiziert. In Wien am 24. November 1903 skizziert (die fertige<br />

Komposition trägt das Datum 1904), ist dieses Lied das kürzeste aller frühen Werke<br />

<strong>Webern</strong>s, Jahre vor seiner „aphoristischen“ Periode. In Der Tod erzeugt der<br />

wirkungsvolle Kontrast zwischen einer Oktave des tiefen C im Klavier, die vom<br />

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Anfang bis zum Ende ständig als Orgelpunkt wiederholt wird, und den schrillen<br />

Klängen in den Oberstimmen schneidende harmonische Spannungen. Ein weiteres<br />

kurzes Lied, Blumengruß, ist „Wien 1903“ datiert. Faszinierend in ihrer Klarheit<br />

und ihrem romantischen Gefühlsausdruck ist es die erste <strong>von</strong> einer Dichtung<br />

Goethes inspirierte Komposition <strong>Webern</strong>s.<br />

Aus dem Jahre 1904, ohne Monats- und Tagesbestimmung, datiert eine<br />

Vertonung des Gedichts Heiter <strong>von</strong> Nietzsche, ein unbeschwertes Liedchen des<br />

sonst so ernsten deutschen Philosophen. <strong>Webern</strong>s Realisierung, Anmutig gehend<br />

überschrieben und im trällernden 6/8-Takt gehalten, fängt in 19 Takten die<br />

Stimmung des Gedichts ein. Nur zwei Takte länger ist das Lied Bild der Liebe nach<br />

einem Gedicht <strong>von</strong> Martin Greif aus der Sammlung Neue Lieder und Mären. Die<br />

Komposition, datiert „Preglhof, 11. September 1904“, ist einer der letzten, die<br />

<strong>Webern</strong> vor seiner Verbindung mit Schönberg schrieb. Dieses Lied, ein Inbegriff<br />

<strong>von</strong> Lieblichkeit, teilt mit vielen anderen aus jener Frühzeit die Merkmale <strong>von</strong><br />

Chromatik, ausgeschriebenen oder angedeuteten Orgelpunkten und statischer<br />

Harmonik. Undatiert, aber wahrscheinlich in zeitlicher Nachbarschaft <strong>von</strong> Bild der<br />

Liebe, ist die Vertonung eines anderen Gedichts <strong>von</strong> Martin Greif mit dem Titel<br />

Hochsommernacht für Vokalduett mit Klavierbegleitung. Die Behandlung der<br />

Stimmen ist kanonisch, und ihre geschickte Führung vermittelt jenen wohlklingenden<br />

Effekt, der an die melodischen Echolieder der Alpenlandschaft erinnert. Dieser<br />

Vokalkanon ist der erste einer Form, deren sich <strong>Webern</strong> in späteren Jahren mit<br />

einzigartiger Meisterschaft bedient hat. Zwei Bleistiftskizzen geben Aufschluß über<br />

vorbereitende Überlegungen zu diesem Projekt.<br />

Erhalten geblieben ist auch der Rohentwurf zur Vertonung des' Gedichts<br />

Liebeslied <strong>von</strong> Hans Böhm. Datiert am 24. April 1904, ist das Lied zwar vollständig<br />

skizziert, aber doch nicht soweit zu Ende geführt, daß es aufführbar wäre. Drei<br />

weitere Liederprojekte, die nur unfertig oder fragmentarisch vorliegen, verwenden<br />

Gedichte, die mit den Worten beginnen „Du bist mein, ich bin dein“ (Minnelied,<br />

etwa 12. Jahrhundert), „Du träumst so heiß im Sommerwind“ (Quelle unbekannt)<br />

und „Im Sessel du und ich zu deinen Füßen“ . Das letztgenannte Gedicht,<br />

Dämmerstunde <strong>von</strong> Theodor Storm, findet sich unter den vielen, die <strong>Webern</strong> in<br />

seinen jugendlichen Tagebüchern abgeschrieben hat.<br />

Eines dieser Tagebücher enthält auch <strong>Webern</strong>s erstes eigenes Gedicht. Bei seiner<br />

Vorliebe für Lyrik war es nur natürlich, daß er sich auch selbst im Dichten versuchen<br />

würde. Diese frühen Gedichte verraten jugendliche Sensibilität und den Drang, das<br />

Universum kraft seines Erlebens der Natur zu umfassen. Wie alle, die die Natur noch<br />

in ihren kleinsten Erscheinungen verehren, spürte er, daß der Mensch nur ein<br />

Teilchen des Kosmos ist und daß er sich in diesen Urquell ständiger Verjüngung<br />

versenken muß. <strong>Webern</strong>s Gedichte, die alle kurz sind, künden <strong>von</strong> seiner<br />

unstillbaren Sehnsucht mitzuteilen, was er im tiefsten Inneren erlebte. Obwohl der<br />

Preglhof nur in einem <strong>von</strong> ihnen besonders erwähnt wird, waren sie doch alle <strong>von</strong> der<br />

Schönheit und Abgeschiedenheit dieses geliebten Zufluchtsorts inspiriert.<br />

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S o n n e n a u f g a n g<br />

Herrlich strahlt sie empor,<br />

die Siegerin,<br />

wie unter Jauchzen<br />

<strong>von</strong> millionen Stimmen.<br />

Ja, nun taucht sie in leuchtende Flut<br />

die Welt.<br />

Gewichen das Dunkel -<br />

Licht, überall Licht!<br />

W a l d w e g<br />

Auf grünem Moos mein T ritt. . .<br />

Der Waldbäume und Eriken Duft<br />

wogt weich um meine Glieder.<br />

Die Sonne ist schon versunken,<br />

ihr letztes Rot<br />

leuchtet<br />

durch die dunklen Stämme,<br />

die wie im Traum ihre Wipfel wiegen.<br />

Meine Seele ist ruhig.<br />

A n d e n P r e g l h o f<br />

Irgendwo,<br />

ganz fern,<br />

liegt ein liebes, liebes Haus.<br />

Hohe, schlanke Pappeln<br />

umsäumen es.<br />

So lieblich schaut es in die Welt,<br />

die selber wieder lieblich.<br />

Weich weht der Wind dort,<br />

dort ist die Ruhe.<br />

Tiefer Friede herrscht.<br />

Mein Herz sehnt sich dorthin,<br />

über die Berge hin bis zu<br />

jenen Pappeln, jenen<br />

hohen, schlanken,<br />

die das liebe Haus umsäumen.<br />

----- ——Irgendwo.....- ~ ■-<br />

Ganz fern--------—<br />

Zwei weitere jugendliche Gedichte entspringen <strong>Webern</strong>s Sehnen, dem er des<br />

öfteren in seinen Briefen an Ernst Diez Ausdruck verleiht, daß eine Frau seine Muse<br />

werden möge. Auch diese scheuen Blüten einer erwachenden Erotik werden<br />

sublimiert in der Bildhaftigkeit, die der Schönheit der Natur entlehnt ist, die für<br />

<strong>Webern</strong> Zeit seines Lebens etwas Gottgegebenes bedeutet. Eines dieser Gedichte,<br />

Traum betitelt, ist <strong>von</strong> sinnlicher Leidenschaft erfüllt. Es schildert eine Frau, die<br />

nackt auf einer einsamen Waldwiese steht; ihr trauriges Lied ist an den Mond<br />

gerichtet, während die Welt im Schlaf versunken ist. Während sich dieses Gedicht<br />

unfertig und unbeholfen liest, ist das zweite wesentlich gereifter. Es lautet:


F r a u e n -S c h ö n h e it<br />

Wie weicher Mondesglanz<br />

auf duftenden Rosen,<br />

wie ein träumender Brunnen<br />

unter einer Trauerweide<br />

in heller Sommernacht,<br />

wie die Frühlingssonne<br />

am strahlenden Morgen,<br />

wie ein Duft <strong>von</strong> blauen<br />

Veilchen, die im Frühling träumen . . .<br />

Ach, wie das unsagbare<br />

Wehen <strong>von</strong> weichen Palmendüften,<br />

So, so bist du, Frauenschönheit.<br />

Im Gegensatz zu anderen kurzen Gedichten, die <strong>Webern</strong> 10 Jahre später schrieb,<br />

hat er keinen einzigen dieser frühen lyrischen Versuche vertont. Die Quellen seiner<br />

Inspiration fand er vor allem im reichen Fundus der deutschen Literatur. Seine<br />

Arbeiten blieben jedoch nicht lange auf Vokalmusik beschränkt. Unter der<br />

Unterweisung <strong>von</strong> Graedener und Navrätil an der Universität schrieb er Instrumen ­<br />

talmusik in einem weiten Bereich, wie eine Menge erhalten gebliebener Manuskripte<br />

beweist. Neben formalen Übungen im Kontrapunkt gibt es zahlreiche<br />

Klavierstücke, die aus kurzen selbständigen Sätzen und Studien in der Variationenform<br />

bestehen. Eine der letzteren umfaßt 21 numerierte Variationen, und eine<br />

andere über das Volkslied Der Winter ist vergangen, ichseh’ den Maienschein wurde<br />

nicht nur für Klavier sondern auch noch für Streichquartett skizziert. In dieser<br />

Gattung übte sich <strong>Webern</strong> ausgiebig mit Entwürfen einer großen Vielfalt <strong>von</strong><br />

Sätzen. Einer <strong>von</strong> ihnen ist ein Scherzo und Trio in a-Moll, das in zwei sorgfältig in<br />

Tinte geschriebenen Fassungen vorliegt. Der fleißige Student wagte sich bald an<br />

größere Ensembleformen. Zu seinen Aufgaben gehörten, neben Versuchen in<br />

eigener Komposition, Instrumentationen <strong>von</strong> Werken der großen Meister wie<br />

Beethoven, Schubert und Wolf.<br />

Von den Schubert-Transkriptionen <strong>von</strong> bekannten Liedern sind die folgenden<br />

fünf erhalten geblieben: Romanze (aus Rosamunde), Ihr Bild, Der Wegweiser (aus<br />

Die Winterreise), Du bist die Ruh und Thränenregen (aus Die schöne Müllerin).<br />

<strong>Webern</strong> instrumentierte die Klavierbegleitung für je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten,<br />

Fagotte und Hörner sowie übliche Streicher. Diese Instrumentation, die dem<br />

typischen Schubert-Orchester folgte, lenkt durchaus nicht <strong>von</strong> der Intimität der<br />

Lieder ab, sondern intensiviert ganz im Gegenteil ihren Charme und vertieft ihre<br />

dramatische Wirkung.<br />

Dieselbe Orchesterbesetzung wurde für drei Klaviersonaten <strong>von</strong> Schubert<br />

herangezogen, <strong>von</strong> denen die Partituren jedoch nur bruchstückweise erhalten<br />

geblieben sind. Es handelt; sich hierbei um Takt 1-52 des zweiten Satzes der<br />

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Klaviersonate a-Moll op. 42, Takt 1-36 des dritten Satzes der Sonate Es-Dur op.<br />

122 (das Menuett ohne das Trio) sowie Takt 1-13 des zweiten und Takt 1-53 des<br />

dritten Satzes der Sonate D-Dur op. 147. Diese frühzeitigen Erfahrungen im<br />

Instrumentieren sollten <strong>Webern</strong> Jahre später gute Dienste leisten, als er 1931 den<br />

Auftrag erhielt, eine Gruppe <strong>von</strong> wiederentdeckten Deutschen Tänzen <strong>von</strong><br />

Schubert für Orchester zu bearbeiten.<br />

Außerdem liegen noch drei Arrangements <strong>von</strong> Liedern Hugo Wolfs vor. Die<br />

Instrumentation <strong>von</strong> zwei <strong>von</strong> ihnen deckt sich mit der für Schubert verwendeten.<br />

Leider fehlt die Anfangsseite <strong>von</strong> Lebe wohl und auch das Manuskript <strong>von</strong> Der<br />

Knabe und das Immlein ist in fragmentarischem Zustand. Denk es, o Seele jedoch ist<br />

vollständig. Hier ist der Orchesterapparat wesentlich größer mit 2 Trompeten, 3<br />

Posaunen, Harfe und Schlagzeug zusätzlich zur „Schubert-Besetzung“ . Das<br />

Manuskript trägt das Datum „Preglhof, 16. April 1903“ . <strong>Webern</strong> arbeitete die<br />

Instrumentierung während der Osterferien aus, noch frisch unter dem Eindruck der<br />

Beisetzungsfeierlichkeiten für Hugo Wolf am 24. Februar und eines Gedächtniskonzerts<br />

am 29. März.3 (Durch das letztere sollten die Mittel für ein würdiges<br />

Grabdenkmal aufgebracht werden.) Die Orchesterbearbeitung <strong>von</strong> Denk es, o Seele<br />

war <strong>Webern</strong>s Hommage an den Meister, dessen Musik zu seinen frühesten und<br />

stärksten Impulsen gehört hatte.<br />

Noch im selben Jahr vollendete <strong>Webern</strong> die Komposition <strong>von</strong> Siegfrieds Schwert<br />

und versah das Manuskript mit dem Datum „Preglhof, 25. September 1903“ . Das<br />

Werk, eine Ballade für Singstimme und Orchester, benützt den wohlbekannten Text<br />

<strong>von</strong> Johann Ludwig Uhland, dem Dichter der deutschen Romantik, der die<br />

Mehrzahl seiner Werke in seiner Jugend schrieb. Eines <strong>von</strong> diesen war Siegfrieds<br />

Schwert, eine Mischung <strong>von</strong> Naivem und Heroischem, und <strong>Webern</strong>s Vertonung ist<br />

ebenso überschwenglich wie die Vorlage. Wenn man bedenkt, welchen Grad <strong>von</strong><br />

Reife der junge Komponist bereits erreicht hatte, muß die Naivität und die<br />

Unkompliziertheit der Musik als ein beabsichtigter Versuch angesehen werden, dem<br />

essentiellen Charakter des Gedichts musikalische Entsprechung zu verleihen. Dem<br />

balladesken und volksliedartigen Ton der Melodik entspricht ein einfacher<br />

harmonischer Tonika-Dominante-Hintergrund, in dem es kaum eine Dominant-<br />

Septime gibt, nicht einmal in den Kadenzen, und die formale Schlichtheit deckt sich<br />

mit der simplen Struktur des Gedichts. Die Singstimme, im Violinschlüssel notiert<br />

und der Lage eines männlichen oder weiblichen Sängers angepaßt, erzählt die<br />

poetische Sage recht geradlinig mit der Anfangsbezeichnung Frisch und keck,<br />

ziemlich lebhaft. Die Partitur verwendet ein umfangreiches Instrumentarium mit je<br />

zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotten und Kontrafagott, vier Hörnern, drei<br />

Trompeten, drei Posaunen, Pauken, Triangel, Becken und die übliche Streicherbesetzung.<br />

In der Nachzeichnung des Charakters der Dichtung hat die Musik eher<br />

Händelsche Züge als Hinweise auf <strong>Webern</strong>s eigenständige Persönlichkeit.<br />

Ein anderer recht enigmatischer Orchestergesang, der vermutlich später entstand,<br />

trägt die Überschrift Zum Schluß. Leider hat nur ein vierseitiger Torso <strong>von</strong> 22<br />

Takten überlebt. Der Text des nicht zu identifizierenden Gedichts beginnt mit den<br />

Worten: „Wen’ge sinds, die mich verstehen / die mich nehmen, wie ich bin / die das<br />

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Wort mir nicht verdrehen, / das ich sprach mit leichtem Sinn.“ Die Textur des Satzes<br />

ist in hohem Grade kontrapunktisch und das tonale Idiom progressiv. Die<br />

Besetzung, noch umfangreicher als die <strong>von</strong> Siegfrieds Schwert, sieht vor je zwei<br />

Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte und Trompeten wie auch Englischhorn,<br />

Baßklarinette, Kontrafagott, vier Hörner, drei Posaunen, Baßtuba, Pauken, Harfe<br />

und große Streicherbesetzung. Auf der Rückseite des Manuskripts der Partitur<br />

findet sich eine aus 26 Takten bestehende Skizze zu einem Streichquartettsatz.<br />

Dieser undatierte Entwurf in B-Dur mit der Bezeichnung Schwer strebt weg <strong>von</strong><br />

einer fixierten Tonalität und trägt, wie Zum Schluß, kanonische Züge.<br />

Außer den frühen Übungen im Streichquartettsatz, die bereits Erwähnung<br />

fanden, haben sich andere Kompositionen auf dem Gebiet <strong>von</strong> Kammer- und<br />

Orchestermusik in großer Zahl erhalten. Die meisten sind unvollständig, einige<br />

Fragmente sind jedoch recht umfangreich, wie etwa zwei Sätze für großes Orchester<br />

in F-Dur (Kräftig bewegt) und D-Dur (Sehr bewegt), Orchestervariationen in D-Dur<br />

- d-Moll sowie ein Satz für Streichorchester in d-Moll, dessen Partitur <strong>von</strong> 142<br />

zusammenhängenden Takten in Tinte ausgearbeitet ist. Unter den Kammermusikprojekten<br />

finden sich zahlreiche Quartette und Quintette in verschiedenen<br />

Instrumentalkombinationen. Dieses ganze Feld <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s jugendlichem schöpferischen<br />

Nachlaß harrt noch immer eingehenderer Sichtung.4 Es gibt, abgesehen<br />

<strong>von</strong> rein musikalischen Aspekten, Einblick in den erstaunlichen Fleiß des<br />

angehenden Komponisten, eine Eigenschaft, die ihm während der ganzen Jahre<br />

seines Werdegangs treugeblieben ist.<br />

Da die Datierungen fehlen, muß die Entstehungsgeschichte dieses großen<br />

Komplexes <strong>von</strong> Kompositionen Vermutung bleiben. Keine Ungewißheit gibt es<br />

jedoch hinsichtlich des letzten dieser schöpferischen Versuche <strong>Webern</strong>s, bevor er<br />

Schönberg begegnete. Dieses Werk war die sinfonische Dichtung Im Sommerwind<br />

mit dem Untertitel „Idylle für großes Orchester“ nach einem Gedicht <strong>von</strong> Bruno<br />

Wille. Wille, ein Zeitgenosse <strong>Webern</strong>s, war ein norddeutscher Schriftsteller, der als<br />

sozialer Philosoph und liberaler Denker weithin bekannt war. Das Gedicht Im<br />

Sommerwind stammt aus seinen Offenbarungen des Wacholderbaums, damals eines<br />

der Lieblingsbücher <strong>Webern</strong>s. Die zweite, 1903 veröffentlichte Auflage befand sich<br />

in <strong>Webern</strong>s Bibliothek, und aus ihr schrieb er mehrere Stellen in seinem Tagebuch<br />

ab, wobei er ein Zitat als Motto für ein Streichquartett aus dem Jahr 1905 benutzte.<br />

Das umfangreiche Gedicht Im Sommerwind findet sich in Willes Essay Erkenne<br />

dich selbst eingeschoben, einem der hauptsächlichsten Bestandteile des Buches. Es<br />

ist ein Päan auf die Natur, eine impressionistische Schilderung eines Sommertags in<br />

Wald und Flur. Die wechselnden Stimmungen und Empfindlingen des Gedichts<br />

werden nicht in einem quasiprogrammatischen Sinne nachvollzogen, sondern ihr<br />

lockerer Ablauf wird in recht dichter sinfonischer Struktur umgeformt, die einzig<br />

und allein den Gesetzen der musikalischen Proportion unterworfen ist. Die<br />

Hauptmotive, durch organische Transformation zueinander in Beziehung gebracht,<br />

werden <strong>von</strong> verschiedenen Soloinstrumenten vorgestellt, eine Verfahrensweise, die<br />

den späteren Stil des Komponisten vorausahnen läßt. Die Themen treten in<br />

Kombinationen auf, die bereits <strong>Webern</strong>s beträchtliches kontrapunktisches Können<br />

58


ezeugen. Ein paar dünne Stellen im Orchestersatz legen die Vermutung nahe, daß<br />

die Partitur nicht völlig zu Ende geschrieben ist; dem steht gegenüber eine Fülle<br />

ausführlicher Aufführungshinweise, <strong>von</strong> der eröffnenden Tempobezeichnung Ruhig<br />

bewegt bis zur letzten dynamischen Anweisung Bis zu gänzlicher Unhörbarkeit.<br />

<strong>Webern</strong> schrieb das sinfonische Gedicht während eines Sommerferienaufenthalts<br />

auf dem Preglhof. Ein erster Entwurf in Particell wurde am 5. August 1904<br />

vollendet. Unter den vorbereitenden Skizzen findet sich ein Entwurf des Koda-<br />

Abschnitts in Bleistift auf Notenpapier im Taschenformat, und man kann sich<br />

durchaus den jungen Komponisten vors teilen, wie er seine Einfälle zu dieser<br />

schönen Musik auf seinen Wanderungen durch die Wiesen und Wälder festhielt, die<br />

den idyllischen Landsitz umgeben. Die Partitur benötigte noch einiger zusätzlicher<br />

Wochen für ihre Vollendung; ihre Datierung am Schluß lautet: ,,16. September<br />

1904“ . Ein großer Orchesterapparat findet Verwendung: 3 Flöten, 2 Oboen,<br />

Englischhorn, 4 Klarinetten, Baßklarinette, 2 Fagotte, 6 Hörner, 2 Trompeten,<br />

Pauken, Triangel, Becken, 2 Harfen und eine Streichergruppe, die eine Unterteilung<br />

in 16 Stimmen gestattet. Bemerkenswert ist die Besetzung mit 6 Hörnern, um<br />

so mehr als Posaunen und Tuba ausgespart sind. Koloristische Solopassagen<br />

alternieren mit choralartigen Abschnitten im Blech und massiven Tutti-Höhepunkten.<br />

Trotz einiger idiomatischer Anklänge an Liszt, Wagner und Strauss hinterläßt<br />

Im Sommerwind durchaus den Eindruck einer selbständigen Schöpfung, die bereits<br />

die charakteristischen Züge des heranreifenden künstlerischen Profils <strong>Webern</strong>s<br />

trägt. Als seine eigene Hymne an die Natur ist das Werk durchdrungen <strong>von</strong> den<br />

dominierenden Merkmalen seiner musikalischen Persönlichkeit: Aufrichtigkeit und<br />

Eigenständigkeit.<br />

Für den jungen Komponisten, der soeben seine Universitätsstudien zur Hälfte<br />

hinter sich gebracht hatte, war Im Sommerwind sicherlich mehr als nur eine Übung<br />

im Orchestersatz, vielmehr ein bewußtes schöpferisches Anliegen, das als solches<br />

konzipiert wurde, und deshalb entsprechend gewertet werden sollte. Obwohl<br />

<strong>Webern</strong> das Werk niemals in einer Aufführung gehört hatte und ihn seine<br />

ästhetische Entwicklung sehr bald zu neuen Horizonten führen sollte, ist bekannt,<br />

daß er das Manuskript in späteren Jahren oft seinen Schülern zeigte als Beweis für<br />

seine eigene auf der Tradition fußende Entwicklung. Im Sommerwind stellt den<br />

Höhepunkt in seiner bis zu jenem Zeitpunkt durchlaufenen formalen Ausbildung<br />

dar. Die Lehrjahre bei Arnold Schönberg mit ihren so entscheidenden Folgen<br />

standen gerade bevor. So ist diese Komposition ein Markstein wegen ihrer Stellung<br />

am Wendepunkt <strong>von</strong> konservativen und progressiven Einflüssen.<br />

59


Amalie <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

mit ihren Kindern Rosa,<br />

<strong>Anton</strong> und Maria<br />

Wilhelmine Mörtl,<br />

<strong>Webern</strong>s Kusine und<br />

zukünftige Ehefrau<br />

(Juli 1901)<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

(Stettin, Oktober 1912)<br />

60


4. Arnold Schönberg —Universitätsjahre II<br />

(1904-1906)<br />

<strong>Webern</strong>s wachsender Schaffensdrang manifestiert sich in der stetig zunehmenden<br />

Zahl seiner Kompositionen während des Jahres 1903. Er wurde sich seiner Sendung<br />

mit solcher Bestimmtheit bewußt, daß er begann, sich nach einem Meritor<br />

umzusehen, der ihm bei dem entscheidenden Prozeß der Findung seiner künstlerischen<br />

Identität helfen könnte. Akademiker wie Graedener und Navrätil, die nur<br />

routinemäßig eine standardisierte Schulausbildung vermittelten, waren keine<br />

Antwort auf dieses Problem. Es gab damals in Wien nur einen einzigen Mann, der<br />

ihn hätte inspirieren können: Gustav Mahler. Aber Mahler war zu sehr absorbiert in<br />

seinen Aufgaben als Direktor der Hofoper und seinen eigenen gigantischen<br />

schöpferischen Vorhaben, als daß er noch Energien für eine Tätigkeit als Lehrer<br />

hätte erbringen können.<br />

Andere überragende Persönlichkeiten des Tages waren Richard Strauss und Hans<br />

Pfitzner. Die Musik des letzteren war der <strong>Webern</strong>s zu jener Zeit wesensmäßig<br />

durchaus verwandt, eine Affinität, die ihn tatsächlich bewog, sich darum zu<br />

bemühen, Schüler dieses Meisters zu werden. Wie ihr Zusammentreffen verlief,<br />

wurde später <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> Polnauer, einem der engsten Freunde <strong>Webern</strong>s, geschildert.<br />

Seinem Bericht zufolge1reisten <strong>Webern</strong> und Heinrich Jalowetz, ein Studienkollege<br />

an der Universität, im Spätfrühling 1904 zusammen nach Berlin, um sich Pfitzner<br />

vorzustellen. Zunächst erkundigte sich der Meister bei den beiden jungen Männern<br />

nach ihren Kenntnissen in der Musikliteratur. Als sie aber dann die Namen <strong>von</strong><br />

Mahler und Strauss nannten, machte er abschätzige Bemerkungen. Wie jedoch<br />

<strong>Webern</strong> seine Idole angegriffen sah, wurde er so wütend, daß er vorn Stuhl<br />

aufsprang, Jalowetz beim Arm nahm und aus dem Zimmer stampfte, womit das<br />

Interview ein abruptes Ende fand. Wenn man die Weitschweifigkeit vors Pfitzners<br />

musikalischer Rhetorik bedenkt, kann man nur darüber Vermutungen anstellen, in<br />

welcher Richtung sich <strong>Webern</strong>s Stil entwickelt haben könnte, wäre er tatsächlich<br />

Pfitzners Schüler geworden.<br />

Im Herbst desselben Jahres fand die entscheidende Begegnung mit Arnold<br />

Schönberg statt. Die Wiener Zeitungen brachten Inserate für Kurse, die Schönberg<br />

in der Schwarzwaldschule abzuhalten gedachte, einem Privatgymnasium in der<br />

Regierungsgasse, das <strong>von</strong> Frau Dr. Eugenie Schwarzwald gegründet worden war,<br />

der Ehefrau eines hohen Beamten. Sie war eine weithin bekannte Philantropin und<br />

selbst eine eminente Pädagogin, die urn sich einen Kreis führender Künstler und<br />

Wissenschaftler geschart hatte. Die Räumlichkeiten der Schule wurden für<br />

außerplanmäßige Vortragsreihen und Spezialkurse zur Verfügung gestellt. Durch<br />

Jahre hindurch kam ihr anregender Freundeskreis jeden Sonntagabend zusammen.<br />

Zu ihm zählten so prominente Persönlichkeiten wie der Maler Oskar Kokoschka<br />

61


und der Architekt Adolf Loos. Auf Empfehlung <strong>von</strong> Alexander Zemlinsky, der an<br />

der Schule musikalische Formenlehre und Instrumentation unterrichtete, bot Frau<br />

Dr. Schwarzwald Schönberg die Schirmherrschaft ihres Instituts an zur Abhaltung<br />

<strong>von</strong> Kursen in Harmonielehre und Kontrapunkt.<br />

<strong>Webern</strong> griff die öffentliche Ankündigung auf, um die Gelegenheit wahrzunehmen,<br />

den Komponisten persönlich kennenzulernen, dessen Musik sein Interesse<br />

bereits wachgerufen hatte. Schon während seines ersten Jahres an der Universität<br />

hatte ein älterer Kommilitone, Karl Weigl, die Partitur <strong>von</strong> Pelleas und Melisande<br />

ins Musikwissenschaftliche Institut mitgebracht. Schon der erste Einblick hatte<br />

<strong>Webern</strong> fasziniert. „Weiß der Teufel“, schrieb er später an Schönberg (am 2.<br />

September 1907), „die Sache hat mich nicht mehr losgelassen, ich mußte immer nur<br />

denken, wie etwa diese Musik sei; ich weiß ganz genau, wie ich den darauffolgenden<br />

Sommer fast ausschließlich <strong>von</strong> diesem Gedanken beherrscht war.“ Während der<br />

Konzertsaison 1903-1904 hörte er außer einigen Liedern <strong>von</strong> Schönberg auch sein<br />

Streichsextett Verklärte Nacht. „Der Eindruck da<strong>von</strong> war einer der größten, die ich<br />

erlebt hatte“, erinnerte er sich im selben Brief. „Das folgende Jahr dann wollte ich ja<br />

nach Berlin gehn zu Pfitzner, aber kaum war ich in Berlin, ist es mir ganz klar<br />

geworden, daß dies ein großer Unsinn sei und daß ich nach Wien zurückmüsse, um<br />

Ihr Schüler zu werden.“2<br />

Schönberg stand um diese Zeit selbst an der Schwelle seiner Karriere. In Wien am<br />

13. September 1874 geboren, hatte er gerade die dreißig überschritten. Sein<br />

Aufstieg als Musiker war langsam und schwierig gewesen; eine Zeitlang hatte er<br />

seinen Lebensunterhalt durch Arbeit in einer Bank verdienen müssen. Seine ersten<br />

Kompositionsversuche waren die eines Autodidakten. Dann eignete er sich gewisse<br />

Grundbegriffe aus Diskussionen mit drei seiner Freunde an: Oskar Adler, David<br />

<strong>Josef</strong> Bach und vor allem Alexander <strong>von</strong> Zemlinsky, der ihm bei den theoretischen<br />

und praktischen Aspekten des Handwerks beratend zur Seite stand. Das war<br />

Schönbergs ganze Ausbildung, aber sein brillanter Intellekt versetzte ihn in die<br />

Lage, sich auch ohne formale Unterrichtung rasch als schöpferischer Musiker zu<br />

entfalten. Ein Streichquartett aus dem Jahre 1897 fand bei einer Aufführung im<br />

Wiener Tonkiinstlerverein eine positive Aufnahme. Zwölf Lieder (Op. 1-3)<br />

entstanden zwischen 1898 und 1900; die abweisende Reaktion auf eine Aufführung<br />

einiger dieser Lieder im Dezember 1900 leitete die Auseinandersetzungen ein, die<br />

sich um Schönbergs Werk zeit seines Lebens abspielen sollten. Das Streichsextett<br />

Verklärte Nacht auf ein Gedicht <strong>von</strong> Richard Dehmel wurde innerhalb <strong>von</strong> drei<br />

Wochen im September 1899 geschrieben. Es wurde am 18. März 1902 durch das<br />

Rose-Quartett uraufgeführt (<strong>Webern</strong> hörte es zum ersten Mal bei einer Wiederaufführung<br />

im Herbst 1903). Im März 1900 begann Schönberg mit seinen Gurreliedern,<br />

einer Kantate <strong>von</strong> gigantischen Ausmaßen; das Werk wurde zwar im Verlauf eines<br />

Jahres skizziert, seine Instrumentierung wurde jedoch erst 1911 vollendet. Nach<br />

seiner Heirat mit Zemlinskys Schwester Mathilde irn Jahre 1901 ging Schönberg auf<br />

der Suche nach einem besseren Auskommen nach Berlin. Er fand aber dort nur<br />

Gelegenheitsarbeit als Dirigent <strong>von</strong> Operetten und billigen Revuen sowie als<br />

Kopist. Und doch war es in dieser Zeit (1902-1903), daß er, ermutigt durch das<br />

62


Interesse, das Richard Strauss ihm entgegenbrachte, die durch Maeterlincks Drama<br />

inspirierte sinfonische Dichtung Pelleas und Melisande, op. 5, komponierte<br />

(anscheinend war ihm <strong>von</strong> der Existenz <strong>von</strong> Debussys Oper [1902] über das gleiche<br />

Thema nichts bekannt). 1903 kehrte Schönberg in seine Geburtsstadt Wien zurück.<br />

Während des folgenden Jahres arbeitete er an der Komposition <strong>von</strong> Liedern und<br />

einem Streichquartett. Das war die Situation, als <strong>Webern</strong> ihm erstmals im Herbst<br />

1904 begegnete, kurz nachdem er selbst Im Sommerwind vollendet hatte. Es ist<br />

wichtig, dessen eingedenk zu sein, daß Schönbergs musikalische Konzepte jener<br />

Zeit noch völlig innerhalb der Grenzen des Hergebrachten lagen. Das anfängliche<br />

Festhalten an der Tradition, die langen, tastenden Versuche, andere Ausdrucksmöglichkeiten<br />

zu finden, die Krise und der schließliche Durchbruch zu neuen<br />

Sphären, all das war noch <strong>von</strong> Schönberg und seinem Schülerkreis, in dem <strong>Webern</strong><br />

eine der Hauptantriebskräfte sein sollte, Schritt für Schritt gemeinsam zu<br />

bewältigen.<br />

Daß Schönberg zu einer Zeit, zu der sich sein Ruf auf einer bloßen Handvoll<br />

Werke gründete, überhaupt Anhänger um sich scharen konnte, zeugt <strong>von</strong> der Stärke<br />

und der Anziehungskraft seiner Persönlichkeit. So unmittelbar und dynamisch war<br />

sein Eindruck auf <strong>Webern</strong>, daß dieser sich im Herbst 1904 entschloß, sein Schüler zu<br />

werden, obwohl Schönberg nur neun Jahre älter war als er und keine der üblichen<br />

akademischen Würden vorweisen konnte. <strong>Webern</strong> war vermutlich der erste<br />

Privatschüler Schönbergs in Wien. Ihm folgten bald seine Freunde Karl Horwitz und<br />

Heinrich Jalowetz. Einige Zeit später, noch im Verlauf desselben Herbstes,<br />

schlossen sich Alban Berg und Erwin Stein der kleinen Schar an. Im Oktober 1905<br />

wurde auch Egon Wellesz auf Veranlassung <strong>von</strong> Horwitz einer der Schüler. Um<br />

diese Zeit hatte Schönberg bereits aufgehört, in der Schwarzwaldschule zu<br />

unterrichten, und sich ein Studio in seiner Wohnung in der Liechtensteinstraße<br />

68-70 eingerichtet.<br />

Jedes Mitglied dieser ersten Gruppe <strong>von</strong> Schönberg-Jüngern brachte es irn<br />

Verlauf der Zeit zu großem Ansehen auf seinem eigenen Gebiet. Horwitz, nur um<br />

ein paar Wochen jünger als W ebern und ihm in diesen frühen Jahren besonders eng<br />

verbunden, stand selbst am Anfang einer vielversprechenden Karriere als Komponist;<br />

er zeichnete sich aus als Organisator <strong>von</strong> Donaueschingen und anderen<br />

zeitgenössischen Musikfesten.3 Jalowetz und Stein sollten als äußerst erfolgreiche<br />

Dirigenten an verschiedenen deutschen Opernhäusern wirken. 1924 wurde Stein<br />

künstlerischer Berater der Universal Edition in Wien, eine Position, die er bis 1938<br />

innehatte; als der Anbruch des Nazi-Regimes ihn zwang, nach London zu<br />

emigrieren, trat er in das Verlagshaus Boosey & Hawkes ein. Wenn er auch selbst<br />

wenig komponierte, so erwarb er sich große Verdienste als Schriftsteller und<br />

Herausgeber. Egon Wellesz, der sich 1904 als Jurastudent immatrikulierte, folgte<br />

bald seiner wahren Neigung und trat in das Musikwissenschaftliche Institut der<br />

Universität ein. Er wurde sowohl ein überragender Musikwissenschaftler als auch<br />

einer der führenden Komponisten Österreichs. Wellesz’ Einfluß ist bis auf den<br />

heutigen Tag in der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik präsent, deren<br />

Grundkonzeption und Organisation 1922 <strong>von</strong> ihm in Zusammenarbeit mit Rudolph<br />

63


Reti geschaffen worden war. Wellesz lernte <strong>Webern</strong> im Oktober 1904 an der<br />

Universität kennen. Er erinnerte sich später: „Wir spielten immer wieder die Dritte<br />

Symphonie <strong>von</strong> Mahler, deren Aufführung in dieser Saison bevorstand, zusammen<br />

auf dem Klavier. Wir gingen miteinander in alle <strong>von</strong> Mahler geleiteten Proben zu<br />

dieser Symphonie und in späteren Jahren zu denen der Fünften und Sechsten. In<br />

Professor Adlers Seminar spielten wir Beethovens letzte Quartette auf dem Klavier<br />

und analysierten sie. Die gemeinsame Arbeit, der Besuch derselben Konzerte und<br />

Opernaufführungen, vor allem aber das Studium bei Schönberg - all das führte zu<br />

einer Bindung, die die Universitätsjahre und unsere so verschiedenen Lebenswege<br />

überdauern sollte.“4<br />

Alban Berg stieß auf die Initiative seines älteren Bruders Charly hin zu<br />

Schönberg. Dieser hatte dasselbe Zeitungsinserat, das auch <strong>Webern</strong>s Aufmerksamkeit<br />

erregte, aufgegriffen und Schönberg einige der Kompositionen Albans<br />

vorgelegt. Berg war Autodidakt, und da seine Eltern ihn für nicht talentiert genug<br />

hielten für eine Karriere als Musiker, war er als unbezahlter Volontär in den<br />

Staatsdienst eingetreten. Die Begegnung mit Schönberg wurde zum Wendepunkt in<br />

seinem Leben. Er und <strong>Webern</strong>, der 14 Monate älter war, stellten sehr bald enge<br />

persönliche Bindungen her. Ihre Freundschaft, gegründet auf gleichen Geschmack<br />

und gleiche Sympathien, aber auch auf sich ergänzende Temperamente, sollte <strong>von</strong><br />

Dauer sein.<br />

Alle Schüler Schönbergs teilten eine enthusiastische, ja sogar fanatische Loyalität<br />

gegenüber ihrem Führer. Solche Einhelligkeit war Vorbedingung für eine Bewegung,<br />

die dazu ausersehen war, den Weg der Musik des 20. Jahrhunderts zu<br />

bestimmen. Die Gruppe trat zur rechten Zeit in Erscheinung: das firt de siede hatte<br />

in alle Gebiete der Kunst Unruhe gebracht, und Aufruhr gegen die etablierten<br />

Werte begann zu brodeln. Die junge Generation erhob unüberhörbar ihre Stimme<br />

auf der Suche nach neuen Horizonten, und der Konflikt mit den „Philistern“ war die<br />

unausbleibliche Folge.<br />

Eine der ersten öffentlichen Taten Schönbergs in Wien war besonders dazu<br />

angetan, die Unterstützung aufstrebender Komponisten zu gewinnen. Zusammen<br />

mit Zemlinsky, Karl Weigl, Rudolf St. Hoffmann und anderen gründete er die<br />

Vereinigung schaffender Tonkünstler, deren erklärtes Ziel die Förderung zeitgenössischer<br />

Musik war. Gustav Mahler war Ehrenpräsident. Ein umfangreiches<br />

Rundschreiben, das die Bestrebungen der Gesellschaft erläuterte, wurde im März<br />

1904 veröffentlicht, und es war wahrscheinlich dieses Manifest, das weitgehend das<br />

Interesse der Studenten der Universität wachrief, die später den Nukleus der<br />

Anhängerschaft Schönbergs bildeten. Der Gesellschaft war nur eine einzige aktive<br />

Saison beschieden, in deren Verlauf sie fünf äußerst erfolgreiche Konzerte<br />

veranstaltete. In einem <strong>von</strong> ihnen, am 25. Januar 1905, dirigierte Schönberg die<br />

Uraufführung seines Pelleas und Melisande. Ein Liederabend, der vier Tage später<br />

stattfand, war Gustav Mahler gewidmet und enthielt Lieder aus dem Wunderhorn-<br />

Zyklus, die Kindertotenlieder und andere Lieder auf Gedichte Friedrich Rückerts.<br />

Am 3. Februar 1905 folgte der Wiederholung dieses Mahler-Abends ein<br />

geselliges Zusammensein im Annahof. <strong>Webern</strong> wurde das Privileg zuteil, in Mahlers<br />

64


Nähe zu sitzen und ihn seine Ansichten vortragen zu hören. Die Ernsthaftigkeit, mit<br />

der jedes Wort aufgesogen wurde, fand ihren Niederschlag in einer langen<br />

Tagebucheintragung: „Diese in seiner Gegenwart verbrachten Stunden werden mir<br />

stets als überaus glückliche in Erinnerung sein, war es doch zum erstenmal, daß ich<br />

unter der unmittelbaren Einwirkung einer wahrhaft großen Persönlichkeit stand.<br />

Fast alle seine Worte, die ich hören konnte, sind mir in Erinnerung geblieben, und so<br />

will ich sie in diesem mir so lieben Buch aufzeichnen. Anfangs sprach man über<br />

Rückerts Lyrik. Mahler sagte: ,Nach Des Knaben Wunderhorn konnte ich nur mehr<br />

Rückert machen - das ist Lyrik aus erster Hand, alles andere ist Lyrik aus zweiter<br />

Hand.1 Er erwähnte auch, daß er nicht alles in den Wunderhornliedern verstehe.<br />

Man kam auf die Contrapunktik zu sprechen, da Schönberg sagte, Contrapunkt<br />

könnten nur die Deutschen. Mahler weist auf die alten französischen Komponisten,<br />

Rameau u. s. w. hin, und läßt als größte Contrapunktiker der Deutschen nur Bach,<br />

Brahms und Wagner gelten.,Muster in dieser Sache ist uns die Natur. Wie sich in ihr<br />

aus der Urzelle das ganze All entwickelt hat, über die Pflanzen, Thiere und<br />

Menschen hinaus bis zu Gott, dem höchsten Wesen, so sollte sich auch [in] der<br />

Musik, aus einem einzigen Motiv, ein größeres Tongebäude entwickeln, aus einem<br />

einzigen Motiv, in dem der Keim zu allem, was einst wird, enthalten ist.1 Bei<br />

Beethoven finde man in der Durchführung fast regelmäßig ein neues Motiv. Er sollte<br />

aber aus einem einzigen die ganze Durchführung bestreiten; in diesem Sinne sei<br />

eben Beethoven kein großer Contrapunktiker. Die Variation sei der wichtigste<br />

Faktor in der musikalischen Arbeit. Ein Thema müsse ganz besonders schön sein,<br />

etwa einige <strong>von</strong> Schubert, um seine unveränderte Wiederkehr erquicklich zu finden.<br />

Mozarts Streichquartette seien für ihn beim Doppelstrich zu Ende. Aufgabe der<br />

modernen schaffenden Tonkünstler ist es die Contrapunktik Bachs mit der Melodik<br />

Haydns und Mozarts zu verbinden.“<br />

Diese Erinnerungen wurden eingeleitet <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s ausführlicher und gelegentlich<br />

kritischer Beurteilung der Lieder, die im Konzert des Abends erklungen waren.<br />

Merkwürdigerweise werden, abgesehen <strong>von</strong> dem kurzen Hinweis im vorangegangenen<br />

Bericht, weder Schönberg selbst noch seine Musik jemals in dem Tagebuch<br />

erwähnt, das bis Weihnachten 1906, also noch weit ins dritte Jahr <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Bekanntschaft mit Schönberg, weitergeführt wird. Nur eine einzige Eintragung<br />

(eine früheren Datums) erscheint während der Saison 1904-1905, als die<br />

Anforderungen der kombinierten Universitäts- und Privatstudien nur noch die Zeit<br />

zur Aufzeichnung der denkwürdigsten Eindrücke finden ließen. <strong>Webern</strong> beschreibt<br />

ein Philharmonikerkonzert vom 6. November 1904, in dem Felix Mottl Mozart,<br />

Pfitzner und Beethoven dirigierte. Seine umfangreichen Ausführungen über die<br />

Eroica werden in diesem persönlichen Bekenntnis zusarnmengefaßt: „Immer klarer<br />

offenbart sich mir der Genius Beethovens, gibt mir eine hohe Kraft, die Erfahrung,<br />

die letztliche Erfahrung, wo ein Schleier nach dem ändern zerreißt und immer<br />

strahlender sein Genie mir leuchtet - und eines Tags wird der Augenblick da sein,<br />

wo ich seine Göttlichkeit unmittelbar in hellster Reinheit empfange--------Er ist der<br />

Trost meiner Seele, die nach Wahrheit sucht, schreit. Ich sehne mich nach einem<br />

Künstler in der Musik, wie’s Segantini in der Malerei war5, das müßte eine Musik<br />

65


sein, die der Mann einsam, fern allen Weltgetriebes, im Anblick der Gletscher, des<br />

ewigen Eises u. Schnees, der finsteren Bergriesen schreibt, so müßte sie sein wie<br />

Segantinis Bilder. Das Brechen des Alpensturmes, die Wucht der Berge, das<br />

Leuchten der Sommersonne auf den Blumenwiesen, das alles müßte in der Musik<br />

sein - eine unmittelbare Geburt der Alpeneinsamkeit. Der Mann wäre dann der<br />

Beethoven unserer Tage. Es müßte wieder eine Eroica kommen, eine die um 100<br />

Jahre jünger ist.“<br />

Acht Monate nach der Niederschrift dieser Zeilen begann <strong>Webern</strong> mit der Arbeit<br />

an einem Streichquartett, zu dem ein Gemälde <strong>von</strong> Segantini tatsächlich den<br />

Vorwurf abgab (vgl. 5. Kapitel). Dieses Quartett war nur eines aus einer Vielzahl<br />

<strong>von</strong> Werken, die in dieser Periode eines schöpferischen Ausbruchs entstanden, der<br />

zweifellos <strong>von</strong> Schönberg inspiriert war. Schönbergs Lehrmethode mag am besten in<br />

<strong>Webern</strong>s eigenen Worten beschrieben werden, die 1912 für eine Sammlung <strong>von</strong><br />

Zeugnissen zu Papier gebracht wurden: „Man ist der Meinung, Schönberg lehre<br />

seinen Stil und zwinge den Schüler, sich diesen anzueignen. Das ist ganz und gar<br />

falsch. Schönberg lehrt überhaupt keinen Stil; er predigt weder die Verwendung<br />

alter noch die neuer Kunstmittel. Er sagt: ,Was hat es also für Sinn, die Bewältigung<br />

alltäglicher Fälle zu lehren? Der Schüler lernt etwas anwenden, was er nicht<br />

anwenden dürfte, wenn er Künstler sein will. Aber das Wichtigste kann man ihm<br />

nicht geben: den Mut und die Kraft, sich so zu den Dingen zu stellen, daß alles, was er<br />

ansieht, durch die Art, wie er es ansieht, zum außergewöhnlichen Fall wird.1Dieses<br />

Wichtigste aber ist es, das der Schüler Schönbergs erhält. Schönberg verlangt vor<br />

allem, daß dieser in den Arbeiten für die Stunden nicht beliebige Noten zur<br />

Ausfüllung einer Schulform schreibe, sondern daß er diese Arbeiten aus einem<br />

Ausdrucksbedürfnis heraus leiste. Also, daß er tatsächlich schaffe; gleich in den<br />

primitivsten Anfängen musikalischer Satzbildung. Was dann Schönberg an der<br />

Hand <strong>von</strong> dessen Arbeiten erklärt, ergibt sich alles organisch aus dieser; <strong>von</strong> außen<br />

trägt er keinen Lehrsatz dazu. So erzieht Schönberg tatsächlich im Schaffen. E r folgt<br />

mit höchster Energie den Spuren der Persönlichkeit des Schülers, sucht sie zu<br />

vertiefen, ihr zum Durchbruch zu verhelfen, kurzum dem Schüler ,den Mut und die<br />

K raft1zu geben, ,sich so zu den Dingen zu stellen, daß alles, was er ansieht, durch die<br />

Art, wie er es ansieht, zum außergewöhnlichen Fall wird.“Dies ist eine Erziehung zur<br />

äußersten Wahrhaftigkeit gegen sich selbst. Sie ergreift neben dem rein-musikalischen<br />

auch alle anderen Gebiete des menschlichen Lebens. Ja wahrlich, man erfährt<br />

bei Schönberg mehr als Kunstregeln. Wessen Herz offen steht, wird hier den Weg<br />

des Guten gewiesen.“6<br />

Dieser enthusiastische Tribut läßt die Ausstrahlung ahnen, die Schönbergs<br />

Persönlichkeit und sein Vermögen, ethische und ästhetische Perspektiven zu<br />

eröffnen, ausgeübt hat. Es war dieses ethische Konzept <strong>von</strong> der künstlerischen<br />

Sendung, das die kleine Bruderschaft in ihrem Pionierdrang zusammenband, ein<br />

Weg, der bedroht war <strong>von</strong> Widerstand, Hohn und manch einem öffentlichen<br />

Skandal.<br />

Das Frühjahr 1905 bescherte <strong>Webern</strong> ein persönliches Erlebnis <strong>von</strong> bleibender<br />

Bedeutung. Während der Pfingstferien unternahm er mit seiner Kusine Wilhelmine<br />

66


einen fünftägigen Ausflug, der sie in das Waldviertel führte, eine malerische Gegend<br />

in Niederösterreich. Von der Bahnstation Rosenburg wanderte das junge Paar<br />

durch das Kamptal nach Zwettl und weiter nach Allentsteig. <strong>Webern</strong>s Tagebuchbeschreibung<br />

der Reise war ekstatisch. Er schwelgte in der Schönheit der Landschaft,<br />

bestaunte die alten Schlösser und Klöster und begeisterte sich an der Pracht des<br />

Frühlings. Er schrieb: „Leuchtend blau der Himmel! So immer zwischen Blumen hin<br />

zu wandeln, die Liebste neben sich, sich so ganz mit dem All verwachsen zu fühlen,<br />

sorglos frei, wie die Lerche droben im Äther, o welche Herrlichkeit!“<br />

Offenen Sinnes trank der junge Mann alles Schöne, was die Natur ihm bot. Am<br />

Abend des zweiten Tages berichtete er: „Nach einem kurzen Regen spannte ein<br />

Regenbogen sein leuchtendes Farbenband voll Frieden über die Landschaft. Den<br />

ganzen Tag waren wir gewandert; wieder durch Saatengrün u. Wiesen, durch<br />

duftende Wälder, an stillen Dörfern vorbei und träumenden Mühlen. Und<br />

leuchtender Sonnenglanz über allem!“ Das Tagebuch fuhr fort: „Den nächsten Tag<br />

war’s trübe draußen, der Himmel weinerlich, mir aber lachte das Herz. Ich<br />

verbrachte am Vormittag herrliche Stunden . . . Als es Nacht war, da weinte der<br />

Himmel bitterlich, doch ich wanderte auf einer Straße mit ihr. Ein Mantel schützte<br />

uns beide. Unsre Liebe stieg auf in unendliche Höhen und erfüllte das All! Zwei<br />

Seelen waren trunken!“<br />

Ein Gefühl der Erfüllung spricht aus dem Bericht des folgenden Tages: „Den<br />

nächsten Tag wanderten wir durch Wälder. - Ein Märchen war’s! Hohe Stämme<br />

ringsum, ein grünes Licht dazwischen und da und dorten Goldfluten am grünen<br />

Moos. Die Waldessymphonie erklang! O, unendliche Schönheit der Natur, - ,und<br />

alles war nun mein und ich war sein, heimlich gehegt ein süßer Herzensschatz.1Als es<br />

Abend wurde, klärte sich der Himmel mehr und m eh r- und dann kam der Mond, die<br />

traumversunkene Welt erhellte er silbern - ein Traum war’s was jetzt kam - ein<br />

Traum. Ein W andern im Mondeslicht auf blumigen W iesen-----Dann die Nacht<br />

.....- - —,was die Nacht mir gab, wird mich lang durchbeben1.. -....- Zwei Seelen<br />

hatten sich vermählt!“7<br />

Ungetrübtes Glück spricht aus den folgenden Tagebuchseiten und in jeder<br />

Eintragung wird <strong>Webern</strong>s junge Liebe eins mit seiner Naturverbundenheit. Er<br />

beschreibt hingerissen, und offensichtlich mit literarischen Ambitionen, die<br />

Abgeschiedenheit einer Waldwiese bei Mödling. Er schrieb die fröhlichen Verse <strong>von</strong><br />

Ging heut morgen übers Feld, dem zweiten der Lieder eines fahrenden Gesellen <strong>von</strong><br />

Mahler ab sowie mit großer Sorgfalt drei lange Gedichte <strong>von</strong> Falke, die<br />

offensichtlich seine eigenen Gefühle während dieser romantischen Periode seines<br />

Lebens widerspiegelten. Im Juli komponierte er den Langsamen Satz für Streichquartett,<br />

eine reine, Überschwang verströmende Liebesmusik. Als das Studienjahr<br />

zu Ende ging und <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> Wien auf den Preglhof fahren mußte, vertraute er<br />

seinem Tagebuch sehnsüchtig den bittersüßen Schmerz der Trennung <strong>von</strong> der<br />

Geliebten an:<br />

67


„Nun wieder ein Jahr zu Ende.<br />

Vieles und Bedeutendes hat es mir gebracht.<br />

Ich hab mein Glück gefunden.--------<br />

Alle Wonne, alle Pein, die ich erlitt, erstrahlen<br />

nun im Lichte unserer Liebe - - -<br />

Nun bin ich getrennt <strong>von</strong> ihr.<br />

In Waldes- u. Bergeseinsamkeit bin ich und meine<br />

Seele sehnt sich nach ihr, nach ihrer Liebe.<br />

O, wenn die Schwingen meiner Sehnsucht die<br />

meine zu ihr tragen könnten!<br />

Wie tut das Scheiden weh!“ (10. Juli 1905)<br />

Auf dem Vorsatzblatt eines Bändchens der Essays <strong>von</strong> John Ruskin8, das er<br />

Wilhelmine in jenem Sommer schenkte, schrieb <strong>Webern</strong> als Widmung ein Zitat aus<br />

dem Buch: „Es gibt keinen ändern Reichtum als Leben; Leben, das alle Kräfte<br />

einschließt. Liebe, Freude, Bewunderung . . .“ Die Liebesbeziehung zu Wilhelmine<br />

ist, nach allem, was bekannt ist, die einzige, die <strong>Webern</strong> gehabt hat, doch es<br />

sollte noch sechs Jahre dauern, bis die Romanze in der Heirat ihre Erfüllung fand.<br />

Gegen das Ende des Sommers, in dessen Verlauf <strong>Webern</strong> ein umfangreiches<br />

Streichquartett schrieb, reiste er nach Salzburg und München. Ein eigenes<br />

Notizbuch, das Wilhelmine gewidmet ist, enthält viele Vignetten zu dieser Reise, die<br />

bis in den September hinein dauerte. <strong>Webern</strong>, der Salzburg zum erstenmal sah,<br />

beschrieb anschaulich einen bezaubernden Morgen auf der Feste hoch über der<br />

Stadt und besuchte das Mozart- und das Paracelsus-Haus. Dann folgen ausführliche<br />

Berichte über seine Erlebnisse in München. Da Kunstgeschichte <strong>Webern</strong>s zweites<br />

Studienfach an der Universität war, ließ er den wichtigen Museen, Galerien und<br />

Ausstellungen ganz besondere Aufmerksamkeit zuteil werden. Seit 1903 Mitglied<br />

der Albrecht-Dürer-Gesellschaft, war er überaus beeindruckt <strong>von</strong> dem Selbstporträt<br />

des Künstlers in der Alten Pinakothek; in seiner langen Beschreibung nannte er<br />

es „das Idealbild des deutschen M annes“ . In der Internationalen Kunstausstellung<br />

im Glaspalast waren nur Gemälde <strong>von</strong> Ferdinand Kodier und zwei weiteren<br />

Künstlern nach dem Geschmack des jungen Kritikers, der im übrigen diese<br />

Ausstellung ablehnte: „Ganze Säle voll der grauenhaftesten Bilder, vor denen man<br />

mit Entsetzen flieht, das soll Kunst sein?“ In der Neuen Pinakothek gefielen ihm nur<br />

Gemälde <strong>von</strong> Böcklin, Kalckreuth, Schwind und Segantini, während nach seinem<br />

Urteil alles andere „minderwertig oder gar Schund“ war. In einer Lenbach-<br />

Ausstellung fand <strong>Webern</strong> die Porträts hervorragend und neben Werken <strong>von</strong> Böcklin<br />

und Feuerbach bewunderte er vor allem Schwinds Des Knaben Wunderhorn; diesem<br />

Gemälde widmete er eine lange Beschreibung, die mit dem Satz schließt: „Man kann<br />

sich nichts lieblicheres denken als dieses Bild.“ In einer Kunstgewerbeausstellung<br />

interessierten ihn Modelle eines privaten Musikzimmers und einer Hausbibliothek.<br />

Jedes Detail wurde in dem Tagebuch festgehalten, zweifellos für Wilhelmine<br />

gedacht im Hinblick auf ihren zukünftigen Haushalt.<br />

68


Während seines Aufenthalts in der bayerischen Hauptstadt wohnte <strong>Webern</strong> einer<br />

Aufführung der Meistersinger im Prinzregententheater bei. Er fand sie recht<br />

unbefriedigend und machte dafür, neben anderen Mängeln, die Akustik des Hauses<br />

und Arthur Nikischs Dirigieren verantwortlich, der alle Tempi „unglaublich rasch“<br />

nahm. Für ihn bedeutete Bayreuth noch immer Vollendung, jedoch fand er sich nach<br />

der Münchener Aufführung den Darbietungen der Wiener Hofoper gegenüber<br />

freundlicher gestimmt.<br />

Ein weiteres Theatererlebnis während seines Münchener Aufenthalts war Frank<br />

Wedekinds Hidalla im Schauspielhaus. <strong>Webern</strong> setzte sich ausführlich mit dem<br />

Stück auseinander, um in die gewichtigen Probleme einzudringen, die in ihm<br />

aufgeworfen wurden. Wedekind, ein Dramatiker mit revolutionären Ansichten,<br />

dessen Stellung durchaus umstritten war, war ein Vorläufer der Expressionisten;<br />

seine Tragödien geißelten die bestehenden gesellschaftlichen Konventionen und<br />

setzten sich für eine neue Sexualmoral ein. Die Aufführung <strong>von</strong> Hidalla löste bei<br />

<strong>Webern</strong> das Bedürfnis aus, seine eigenen Gedanken über die Beziehung zwischen<br />

den Geschlechtern zu formulieren. In dieser Auseinandersetzung legte der junge<br />

Mann mit seinen 21 Jahren Verantwortungsbewußtsein und kompromißlosen Eifer<br />

an den Tag, so wenn er zum Angriff überging auf „die größten Barbarismen unserer<br />

Kultur: a) die alte Jungfrau (Was kann es häßlicheres geben als eine alte Jungfrau,<br />

einzig aus dem Grund weil sie im höchsten Grade unnatürlich ist?) b) die große<br />

Wertschätzung der Jungfräulichkeit vor der Ehe c) die verachtete und gehetzte<br />

Dim e.“ Die Tirade gipfelte in einem hitzigen Angriff auf die Bourgeoisie: „Wie ich<br />

sie hasse, diese Philister, die über ihre verdammte Gewohnheit nicht hinauskornmen<br />

und sich darauf noch was einbilden. In kürzester Zeit ist ihr Enthusiasmus vorbei,<br />

aus ist’s mit ihrer Begeisterung, dann geben sie das Suchen u. Ringen auf, begnügen<br />

sich mit einem geringeren, heiraten u. ersticken in Faulheit und Philistern; diese<br />

Bauern deren Bosheit stinkt wie ein A as! Wo ist einer der sein Leben opferte für eine<br />

gute Tat. Faul, unbeweglich, voll Stumpfheit, ohne Erregen, ohne Begeisterung,<br />

ohne Mut siechen sie dahin und sehen die Schönheit nicht.“9<br />

Auf der Rückreise <strong>von</strong> München nach Wien machte W ebern in Bad Aussee halt.<br />

Drei Tage lang entdeckte er das herrliche Salzkammergut, eine Landschaft der Seen<br />

und Berge. Am letzten Morgen stand er vor Sonnenaufgang auf dem Gipfel des<br />

Lösers, und ein überschwenglicher Tagebuchbericht beschreibt die G eburt des<br />

neuen Tages in der klaren Atmosphäre <strong>von</strong> Felstürmen und Gletschern. Das<br />

Reisetagebuch schließt mit einem Tribut an die Schönheit der Alpenwelt und die<br />

Herrlichkeit der Natur.<br />

Mit dem Wintersemester 1905/6 begann für <strong>Webern</strong> die Schlußphase seiner<br />

Universitätsstudien. Sein Hauptfach Musikwissenschaft wurde ergänzt durch<br />

Studien in Kunstgeschichte und Philosophie unter den Professoren Dvorak, Müllner<br />

und Wickhoff. Bis zum Juni 1906 hatte <strong>Webern</strong> seine Dissertation eingereicht und<br />

bereitete sich gründlich auf die umfangreichen mündlichen Prüfungen vor. Als der<br />

Zeitpunkt des gefürchteten Rigorosurns näherrückte, nahm auch seine Nervosität<br />

zu. Am 11. Juni reiste Wilhelmine zu einem dreimonatigen Aufenthalt nach Genf,<br />

um ihre Französischkenntnisse zu vertiefen. Zwei noch vorhandene Briefe, die<br />

69


<strong>Webern</strong> über mehrere Tage hinweg schrieb, geben einen tagebuchartigen Bericht<br />

über seine Gedanken und Tätigkeit während dieser Zeit. D er erste, datiert 11.-16.<br />

Juni, spricht <strong>von</strong> seiner Niedergeschlagenheit über die Abreise der Geliebten. Er<br />

erinnert an die Stunde ihres traurigen Abschiednehmens; er besucht ihre Wohnung<br />

und sitzt voller Sehnsucht in ihrem Zimmer, bevor er Leopoldine, ihrer jüngeren<br />

Schwester, ihre Klavierstunde gibt; er folgt ihr in Gedanken zu den verschiedenen<br />

Stationen ihrer Reise. Dann sagt er ihr: „Wenn ich Dir schreibe, dient mir jedesmal<br />

die Tristan Partitur als Unterlage . . . Wenn ich an Dich denke, werd’ ich den<br />

Augenblick nie wissen was du jetzt machst. Nur wenn die Nacht da ist, um 11h,<br />

da werd ich wissen was Du tust und ich werd denken vielleicht siehst Du mich<br />

im Traum. Der liebe Traum, vielleicht bringt er Dich heut Nacht zu mir, mein<br />

Minnerl!“<br />

In diesem Brief berichtet <strong>Webern</strong> auch über seine konzentrierte Vorbereitung auf<br />

das Schlußexamen. Er befaßt sich mit Raffael, Tizian und Michelangelo und liest<br />

Biographien <strong>von</strong> Gluck und Mozart. „Als Mozart den ,Figaro1und ,Don Giovanni1<br />

schuf, ließ man ihn verhungern. Es ist schon so in diesem Leben, daß die Großen der<br />

Menschheit solang sie leben, verachtet werden, weil die schäbigen Menschen es<br />

nicht vertragen, daß einer über ihnen ist <strong>von</strong> denen, die mit ihnen leben. Dann<br />

freilich, wenn er todt ist, dann gönnen sie ihm Mitleid so wie sie nach einer<br />

überstandenen Gefahr gern an sie zurückdenken, während dieser aber zittern sie -<br />

gerade so kommt mir das vor. Und trotz aller Kümmernisse, wandelte Mozarts Seele<br />

ruhig seine Sternenbahn. Das ist das Wunderbare!“<br />

Doch dann gab es eine unerwartete Komplikation: „Etwas unangenehmes hab’<br />

ich heute hören müssen. Du weißt ja, daß meine Dissertation <strong>von</strong> Adler und<br />

Wickhoff aprobiert sein muß, nun will Wickhoff nicht, er sagt er verstehe nichts<br />

da<strong>von</strong>, das unterschreibe er nicht.10 Die Folge da<strong>von</strong> ist, daß die ganze Angelegenheit<br />

vors Ministerium kommt, damit Adlers alleinige Begutachtung genüge. Wenn<br />

sich nur nicht mein Prüfungstag dadurch hinausschiebt; sonst ist mir das ganze sehr<br />

gleichgültig. Ich habe Vater gebeten ins Ministerium zu gehn und die Sache zu<br />

beschleunigen. Es ist merkwürdig, daß mir’s immer anders gehen muß, als ändern.<br />

Im Grunde ein sehr löbliches Prinzip, nur hie und da weniger günstig.“<br />

<strong>Webern</strong>s Dissertation wurde am 20. Juni angenommen, nachdem sie Professor<br />

Dr. Wickhoff dann doch gegengezeichnet hatte. Die Termine für die mündlichen<br />

Prüfungen wurden festgesetzt. In seinem nächsten Brief an Wilhelmine, der sich<br />

wiederum über mehrere Tage hinzog, 22.-24. Juni, nähert sich die Nervosität des<br />

Kandidaten dem Fieberpunkt. Er verbringt seine ganze Zeit im Musikwissenschaftlichen<br />

Institut und wiederholt, was er gelernt hat; an den Abenden repetiert sein<br />

Vetter Ernst mit ihm die verschiedenen Gebiete der Kunstgeschichte. Sein<br />

Selbstvertrauen festigt sich und er kann Wilhelmine berichten: „Und das weißt Du<br />

ja auch, daß mir die Professoren gut gesinnt sind - zu mal Adler.“ Ein Talisman wird<br />

ihn begleiten, ihm bei der Prüfung Mut zu machen: „Unmittelbar zuvor schon auf<br />

der Universität, dort im Stiegenaufgang <strong>von</strong> der Universitätsstraßen her will ich<br />

noch Dein Bild anschauen, daß wo Du im Preglhofergarten sitzt und zu mir<br />

herschaust, nicht das wo Du im Buch liest. Dort im Stiegenaufgang ist’s immer ganz<br />

70


still und leer, da wird mich niemand sehn, dort werde ich Dir auch die Karte<br />

schreiben, auf der ich Dir mitteile, wie’s mir ergangen.“<br />

<strong>Webern</strong>s mündliche Prüfung in Musikwissenschaft wurde am 26. Juni unter den<br />

Professoren Adler, Wickhoff und Jodl abgehalten, die das Wissen des Kandidaten<br />

für „ausreichend“ befanden. Als er dann auch die Abschlußprüfung in den<br />

Nebenfächern am 10. Juli bestanden hatte (Prüfer waren die Professoren Jodl und<br />

Müllner), war die letzte Hürde genommen und „<strong>Anton</strong>ius de <strong>Webern</strong>“ (wie er im<br />

lateinischen Text des Diploms genannt war) wurde die Würde eines Doktors der<br />

Philosophie verliehen.<br />

Die Universitätsjahre hinter sich, aber immer noch mit brummendem Schädel <strong>von</strong><br />

den Abschlußexamina, zog sich <strong>Webern</strong> für den Sommer auf den Preglhof zurück.<br />

Schönberg, der am Tegernsee Ferien machte, beglückwünschte ihn zu seinem<br />

akademischen Erfolg. <strong>Webern</strong>s Antwort vom 29. Juli 1906 ist der erste erhaltene<br />

Brief einer Korrespondenz, die im Verlauf der Jahre riesige Ausmaße annehmen<br />

sollte. „Sie ermahnen mich zur Arbeit“, schrieb er. „Ja, ich möchte den ganzen Tag<br />

arbeiten, aber ich kann nicht. Mein Schädel macht solche Geschichten, daß ich mich<br />

möglichst schonen muß, sonst hab’ ich mich bis September gar nicht erholt. Ich lebe<br />

hier so gesund als nur möglich und es nützt nichts, im Gegenteil. Und wenn ich in<br />

diesem Zustande nach Wien komme, so kann ich dann im Winter am Ende nicht so<br />

arbeiten, wie ich’s mir vornehme. Untätig bin ich ja jetzt nicht. Ich harmonisiere<br />

täglich einen Choral, spiele Klavier, lese u. s. w. Lesen tu ich Kants ,Metaphysik der<br />

Sitten“- etwas ganz wunderbares. Kants erhabene Philosophie beglückt mich täglich<br />

mehr und mehr. Ich weiß nicht, ob und wie viel Sie sich schon mit diesem Manne<br />

beschäftigt haben, aber ich wünsche nur, daß Sie es täten . . .“<br />

Die Sommertage auf dem Preglhof wurden überschattet <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s wachsender<br />

Sorge über den Gesundheitszustand seiner Mutter. Sie litt schon seit längerer Zeit an<br />

Diabetes, und vor der Entdeckung des Insulins konnte die Krankheit nicht<br />

eingedämmt werden, <strong>Webern</strong> kehrte trotzdem Anfang September nach Wien<br />

zurück, wurde aber fast sofort wieder auf den Preglhof zurückgerufen. Amalie <strong>von</strong><br />

W ebern starb am 7. September 1906 im Ä lter <strong>von</strong> 53 Jahren. Sie wurde im<br />

Familiengrab auf dem nahen Dorffriedhof <strong>von</strong> Schwabegg beigesetzt.<br />

W ebern, der seine M utter über die Maßen liebte, hörte nie auf, um sie zu trauern.<br />

Sechs Jahre später, am 17. Juli 1912, schrieb er an Schönberg: „Ich möchte Dir auch<br />

noch sagen, daß der Schmerz um meine M utter in mir nur immer wächst. In der<br />

Erinnerung an sie sind fast alle meine Kompositionen entstanden. Es ist immer<br />

dasselbe, was ich ausdrücken will. Ich bringe es Ihr als Opfer dar. Die Mutterliebe ist<br />

das Flöchste; die Liebe der M utter.“ (Eines der Werke, auf das W ebern hier<br />

anspielt, sind die Sechs Stücke für Orchester op. 6, die er zum Gedächtnis seiner<br />

Mutter schrieb.) Sooft er konnte, besuchte er ihr Grab. Zuerst, fassungslos vor<br />

Schmerz, beschloß er, sein ganzes Schaffen ihrem Angedenken zu widmen, aus<br />

seiner Trauer ein Denkmal ihres Geistes zu erbauen. Diese Resolution gab ihm<br />

Trost in den kommenden Monaten und Jahren und fand auch Wilhelmines volle<br />

Unterstützung. Weihnachten 1906 schrieb sie ihm: „Meine Liebe kann Dir nicht die<br />

M utter-Liebe ersetzen, aber helfen wird sie Dir, das Leben schön zu gestalten. Und<br />

71


Dir zu helfen, daß Du als Mensch und Künstler das Höchste erreichst ist mein<br />

schönster Lebensinhalt. Das Andenken an die Mutter will ich Dir wahren.“<br />

In Wilhelmine hatte <strong>Webern</strong> seine getreueste Bundesgenossin gefunden in der<br />

Einsamkeit der künstlerischen Sendung, die für ihn bestimmt war. In der<br />

Vorausahnung dieses Geschicks schrieb er an diesem Weihnachtsfest eine letzte<br />

Eintragung in das Tagebuch, das so viele Eindrücke aus den Jahren seines<br />

Werdegangs enthält. Seine Gefühle, die aus tiefster Verzweiflung kamen, bekräftigten<br />

seinen feierlichen Entschluß: „Was ich hier aufschreiben kann, ist ja nichts - und<br />

was soll ich auch schreiben; und doch will ich in diesem Buche etwas da<strong>von</strong><br />

vermerken. Klar ist mir folgendes: Daß meine Jugend im engeren Sinne vorüber ist<br />

und daß vor mir ausschließlich ein Leben des ununterbrochenen Ringens nach dem<br />

Höchsten liegt, und die erste Beziehung immer die sein wird, das Andenken an die<br />

Mutter immer heiliger zu wahren.-----Damit sei dieses Buch abgeschlossen.“<br />

Als ob er sich stärken wollte für die Zukunft beim Verlassen des Landes seiner<br />

Jugend, fügte <strong>Webern</strong> ein Postskript hinzu, das zum Motto für sein Leben werden<br />

sollte: „Durch unsere große, tiefe Liebe werden wir zu vollkommenen Menschen<br />

werden, die nur ihrer Innerlichkeit leben u. ihre Seelen hüten u. pflegen.“<br />

72


5 Mühe Kompositionen II —Opus 1—2<br />

(1905—1908)<br />

Zum vollen Verständnis der Technik und des Stils <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s eigenem Schaffen<br />

muß man sich mit <strong>Webern</strong>s Dissertation befassen, der Herausgabe des zweiten<br />

Bandes <strong>von</strong> Heinrich Isaacs Choralis Constantinus} Dieser niederländische<br />

Polyphonist wurde um 1450 in Brabant geboren und starb 1517 in Florenz.<br />

W ährend seiner Laufbahn, die in der Stellung eines Hofkomponisten Maximilians I.<br />

in Wien ihren Flöhepunkt hatte, nahm Isaac die musikalischen Strömungen der<br />

verschiedenen Länder, in denen er lebte, in sich auf, und seine Musik reflektiert<br />

demnach die niederländischen, italienischen und deutschen Stile, die damals eine<br />

Blütezeit erlebten. Unter seinen Werken sind Messen, Motetten, Psalmen und<br />

weltliche Lieder. Die Krone <strong>von</strong> Isaacs Schaffen war der dreibändige Choralis<br />

Constantinus, eine monumentale Sammlung <strong>von</strong> Offizien in polyphoner Vertonung.<br />

Der zweite Teil des Werkes, den <strong>Webern</strong> herausgab, enthält 25 Gradualien für zwei<br />

bis sechs Stimmen a cappella.<br />

In seiner langen Einleitung weist <strong>Webern</strong> auf einige der hervorstechendsten Züge<br />

der Musik des alten Meisters hin: „Wir erleben hier jene wunderbare Wirkung<br />

polyphoner Tonkunst, die dadurch erzielt wird, daß die Stimmen wohl ganz<br />

gleichberechtigt nebeneinander hergehen, aber daß doch immer die, welche in ihrer<br />

Entwicklung an Bedeutung gewinnt, in den Vordergrund tritt, und daß während der<br />

Abnahme dieser bereits eine andere hervorzutreten beginnt, kurz durch feine<br />

Gliederung im Nebeneinander der Stimmen. . . Das Ideal lebendigster und<br />

selbständigster Stimmführung hat er in wunderbarer Weise erfüllt. Jede Stimme hat<br />

ihre eigene Entwicklung und ist ein vollständig in sich geschlossenes, aus sich heraus<br />

verständliches, wunderbar beseeltes Gebilde. . . Dem Ideale, die einzelnen<br />

Stimmen als selbständige, höchst individuelle Wesen hinzustellen, weiht Heinrich<br />

Ysaac alle Künste des Kontrapunktes, und aus diesem Ideale ergeben sich die<br />

Kühnheiten seiner Satzweise. . . Kanonische Künste verwendet Ysaac im zweiten<br />

Teile seines ,Choralis Constantinus4in ausgiebigster Weise: Zweistimmige Kanons<br />

im Einklang, Ober- und Unterquart, Quint und Oktav oder in der Duodezime. Dann<br />

kommt es vor, daß eine Stimme derart aus einer anderen folgt, daß sie diese, zugleich<br />

mit ihr einsetzend, in doppelt so großen Weiten imitiert, oder ebenfalls gleichzeitig<br />

beginnend, die andere in die Oberterz transponiert. . . Weiters bildet Ysaac<br />

dreistimmige Kanons, einen vierstimmigen, drei Doppelkanons und endlich zwei<br />

Krebskanons. Längere oder kürzere Imitationen, Engführungen, Vergrößerungen,<br />

Verkürzungen finden sich fort und fort in allen Offizien; die Imitation bildet den<br />

Ausgangspunkt jeder Stimme. . . Bewunderungswürdig ist, wie verschiedenartige<br />

klangliche Wirkungen Heinrich Ysaac mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln<br />

erzielt. Dazu tritt noch die feinste Beobachtung der Klangfarben der verschiedenen<br />

73


Register bei den menschlichen Stimmen hinzu. Dies bildet mit eine Ursache der oft<br />

so gänzlichen Verschränkung der Stimmen und ihrer sprunghaften Führung. . .<br />

Festzuhalten ist also, daß sich durch Ysaacs Musik des ,Choralis Constantinus4<br />

fortwährend der Choral hindurchschlingt, dem Vergleichenden trotz aller Veränderungen<br />

immer erkennbar, für den Hörer freilich durch die innige Vermählung mit<br />

den anderen Stimmen nur selten unterscheidbar. Wunderbar ist es eben, wie<br />

Heinrich Ysaac den Geist des Chorals mit größter Innerlichkeit erfaßt und so in sich<br />

aufnimmt, daß der Choral innerhalb der Musik des Meisters nicht als etwas ihr<br />

Wesensfremdes, sondern zu höchster Einheit mit ihr verschmolzen erscheint - ein<br />

herrliches Zeugnis für die Größe seiner Kunst.“<br />

Die Erkenntnisse, die <strong>Webern</strong>, der Musikwissenschaftler, aus Isaacs 400 Jahre<br />

alter Kunst gewann, wurden <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, dem Komponisten, angewandt. Schon als<br />

22jähriger hatte er die Schwierigkeiten der kontrapunktischen Disziplin in solchem<br />

Grade gemeistert, daß er zur Herausgabe eines Werkes befähigt war, das in Isaacs<br />

Tagen einer polyphonen Enzyklopädie gleichkam. Es gab kaum noch Lücken in<br />

seiner Beherrschung des elementaren musikalischen Flandwerks. Bereits im Herbst<br />

1904, als er zum ersten Mal zu Schönberg kam, war er sicherlich kein Novize mehr,<br />

der noch der Unterweisung in den Grunddisziplinen bedurft hätte. Schönbergs<br />

Hauptrolle im Leben <strong>Webern</strong>s war die eines Anregers und Überwachers, und später<br />

die eines Kollegen und Freundes.<br />

Allem Anschein nach riet Schönberg <strong>Webern</strong>, als er mit der soeben vollendeten<br />

sinfonischen Dichtung Im Sommerwind zu ihm kam, für eine gewisse Zeit <strong>von</strong><br />

großdimensionierten Orchesterwerken Abstand zu nehmen und zunächst einmal in<br />

der klassischen Disziplin des Streichquartetts zu schreiben. Die zahlreichen Stücke,<br />

die alsbald in diesem Medium entstanden, können als erster schlüssiger Hinweis auf<br />

Schönbergs Unterweisung angesehen werden. Viele erhalten gebliebene Streichquartettstudien,<br />

unter denen sich eine Reihe <strong>von</strong> kurzen in sich abgeschlossenen<br />

Sätzen befindet, dienten offensichtlich als Schrittsteine zum Langsamen Satz., dem<br />

ersten größeren Werk dieser Anfangsperiode.<br />

Die M anuskriptpartitur <strong>von</strong> Langsamer Safe trägt das Datum „Juni 1905“ . Außer<br />

der Partitur existiert ein Satz Stimmen in der Handschrift des Komponisten, ein<br />

Hinweis, daß das Stück wahrscheinlich im Schönberg-Kreis gespielt wurde.2 Das<br />

Werk, in Wien am Ende <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s drittem Universitätsjahr geschrieben, strahlt<br />

das Flochgefühl des jüngsten Pfingstausflugs aus, auf dem er sich in seine Kusine<br />

Wilhelmine verliebt hatte. Die Musik verströmt rührende Lieblichkeit, <strong>von</strong> Glück<br />

erfüllte Heiterkeit schwillt in der Koda zu triumphierender Ekstase an. Das Quartett<br />

ist in seinem Aufbau traditionell. Die motivische Arbeit zeigt Brahms’sche<br />

Einflüsse, dessen Technik Schönberg lange Zeit als Modell diente. Das Hauptthema<br />

wird teilweise im zweiten Thema gespiegelt; durch tonartliche und rhythmische<br />

Veränderungen erscheint es in völlig neuer und durchaus kontrastierender Gestalt.<br />

Unmittelbar nach der Komposition <strong>von</strong> Langsamer Satz begann <strong>Webern</strong> mit der<br />

Arbeit an einer weiträumigeren und anspruchsvolleren Studie im gleichen Genre.<br />

Ein detaillierter formaler Aufriß mit dem Datum „Preglhof, 13. Juli 1905“ geht den<br />

ersten Skizzen voraus. Aus der Überschrift des Entwurfs auf Notenpapier im<br />

74


Kleinformat, das der Komponist bequem in seiner Tasche bei seinen Spaziergängen<br />

auf dem Gut mit sich führen konnte, geht hervor, daß*er sich <strong>von</strong> Segantinis<br />

Triptychon Werden-Sein- Vergehen’ inspirieren ließ. Seit er Segantinis Alpenlandschaft<br />

1902 in München gesehen hatte, fühlte sich <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> der Thematik und<br />

dem Symbolismus der düsteren Welt des Malers stark berührt. Eine Eroica-<br />

' Aufführung am 6. November 1904 gab den Anstoß zu einer langen Tagebuchbetrachtung,<br />

seiner Vision eines Komponisten <strong>von</strong> Segantinis expressiver Kraft als der<br />

Beethoven des 20. Jahrhunderts. Jetzt, acht Monate später, fand er in Segantinis<br />

Triptychon die Inspiration zu einem breit angelegten Streichquartett. Die vollendete<br />

Partitur trägt das Datum vom 25. August 1905; eine Änderung im Schlußteil, die<br />

nach <strong>Webern</strong>s Rückkehr <strong>von</strong> München in Vordemberg, dem Elternhaus <strong>von</strong> Ernst<br />

Diez, vorgenommen wurde, ist mit 12. September datiert.<br />

Dieses einsätzige Werk, das lediglich „Quartett“ betitelt ist, stimmt mit seinen<br />

drei deutlich unterscheidbaren Abschnitten in seiner Struktur mit der malerischen<br />

Vorlage überein. Harmonisch führt die reiche Chromatik gelegentlich zur Lockerung<br />

traditioneller tonaler Konzepte. Das ist auch der Grund, weshalb das Werk als<br />

der eigentliche Beginn der „Atonalität“ verkündet worden ist.4 Ohne Zweifel zeigt<br />

die Komposition in jeder Hinsicht eine bemerkenswerte Progressivität verglichen<br />

mit der Idylle Im Sommerwind, die nur ein Jahr früher geschrieben ist. Die<br />

dreitönige Eröffnungsphrase erinnert an das M uß es sein? —Motiv in Beethovens<br />

Quartett op. 135; <strong>Webern</strong>s frühere Tagebucheintragung läßt darauf schließen, daß<br />

die Bezugnahme auf Beethoven wohl ebenso beabsichtigt war wie die auf Segantinis<br />

Gemälde. Nach der romantischen Stimmung des Langsamen Satzes stürzt sich der<br />

Komponist nunmehr in tiefes Brüten. Hader und Ringen weichen erst im Finale,<br />

wenn Frieden die Düsterheit vertreibt wie Sonnenstrahlen, die nach einem<br />

Berggewitter durch die Wolken brechen.<br />

Um seinem geistigen Engagement in diesem W erk Ausdruck zu verleihen, stellt<br />

W ebern der fertigen Partitur ein Zitat aus den Schriften des deutschen Mystikers<br />

Jacobus Boehme (1575-1624) voraus. Es ist derselbe Auszug, den Bruno Wille als<br />

Motto für seinen Roman Offenbarungen des Wacholderbaums verwendete und der<br />

dem Komponisten jetzt als passende literarische Formulierung <strong>von</strong> all dem erschien,<br />

das seine Musik, <strong>von</strong> Segantinis Kunst angeregt, zu vermitteln suchte: „Was aber da<br />

für ein Triumphieren im Geiste gewesen, kann ich nicht schreiben oder reden; es läßt<br />

sich auch mit nichts vergleichen, als nur mit dem, wo mitten im Tode das Leben<br />

geboren wird, und vergleicht sich mit der Auferstehung der Toten. In diesem Lichte<br />

hat mein Geist alsbald durch alles gesehen und an allen Kreaturen, selbst an Kraut<br />

und Gras, Gott erkannt, wer er sei und wie er sei, und was sein Wille ist.“<br />

Neben den beiden Streichquartetten <strong>von</strong> 1905 und zwei Werken, die noch zu<br />

erörtern sein werden - das Quintett <strong>von</strong> 1907 und fünf Vertonungen <strong>von</strong> Gedichten<br />

Dehmels, die zwischen 1906 und 1908 geschrieben wurden —existiert noch eine<br />

Vielzahl undatierter Kompositionen aus dieser Zeit. Die Reihenfolge ihrer<br />

Entstehung muß Vermutung bleiben; man kann aber mit Sicherheit annehmen, daß<br />

die meisten dieser Werke erst nach dem Sommer 1906 entstanden sind, nachdem<br />

das letzte Jahr des Universitätsstudiums W ebern zu sehr beansprucht hatte, als daß<br />

75


ihm noch Zeit zu eigener schöpferischer Aktivität verblieben wäre. Seine bereits<br />

wiedergegebenen Bemerkungen Schönberg gegenüber lassen keinen Zweifel, daß<br />

seine Kräfte der Regeneration bedurften, als er sich für den Sommer zum<br />

Ausspannen auf den Preglhof zurückzog. <strong>Webern</strong>s einzige kompositorische<br />

Betätigung während dieses Sommers war das Harmonisieren deutscher Choräle,<br />

eine Aufgabe, die Schönberg ihm und Horwitz für die Ferien gestellt hatte. Am 29.<br />

Juli fragte er Schönberg: „Soll ich die Choräle einfach harmonisieren oder auch<br />

kontrapunktisch bearbeiten? Ich habe Sie so verstanden, daß ich die Choralmelodien<br />

in der Weise, wie etwa die Choräle in der ,Matthäuspassion1sind, bearbeiten<br />

soll; vierstimmig mit ein paar Durchgangsnoten. Was aber Horwitz meint ist im<br />

Sinne <strong>von</strong> Bachs Choralvorspielen: in einer Stimme der Choral, in den anderen<br />

Canones oder Durchführungen eines oder mehrerer Themen.“ Nicht weniger als 18<br />

solcher Harmonisationen liegen in beiden Ausführungen vor. Mit der Ausnahme<br />

des kanonischen K omm heil’ger Geist, du Tröster mein, das in Tinte in Partitur<br />

ausgeschrieben ist, sind sie nur als Bleistiftskizzen erhalten, wobei die vier Stimmen<br />

auf zwei Notenzeilen notiert sind. Alle Sätze sind stark chromatisch und lassen die<br />

traditionellen Melodien in dem harmonischen Idiom erscheinen, zu dem <strong>Webern</strong> bis<br />

zu jenem Zeitpunkt fortgeschritten war. Unter den alten Melodien, die er auswählte,<br />

waren einige der bekanntesten wie Christ lag in Todesbanden, Nun kom m, der<br />

Heiden Heiland, Wenn wir in höchsten Nöthen sein und Nun ruhen alle Wälder.5<br />

Die Krise, die für die herkömmlichen harmonischen Konzepte als Folge des<br />

kompromißlosen Sondierens durch Schönberg und seinen Kreis nunmehr angebrochen<br />

war, läßt sich am besten in <strong>Webern</strong>s eigenen Worten beschreiben. Ein<br />

Vierteljahrhundert später sagte er in einem Vortrag: „Wir wollen uns heute der<br />

Betrachtung des Zustandes zuwenden, in welchem die Tonalität in den letzten<br />

Zügen lag! Ich will Ihnen den Beweis erbringen, daß sie wirklich gestorben ist. Wenn<br />

dieser Beweis erbracht ist, dann ist es zwecklos, sich mit einer toten Sache zu<br />

beschäftigen.“ Nachdem er die bevorstehende „K atastrophe“ erläutert hatte, fuhr<br />

er fort: „Die Beziehung zu einem Grundton wurde immer lockerer. Dadurch ist der<br />

Zustand eingetreten daß man den Grundton schließlich streichen konnte. . . Wir,<br />

Berg und ich, haben das alles am eigenen Leibe erlebt. - Ich sage dies nicht, damit es<br />

in meine Biographie komme, sondern weil ich zeigen will, daß es eine in heißen<br />

Kämpfen errungene Entwicklung ist, die entschieden notwendig war.“<br />

Die nunmehr folgenden Bemerkungen sind <strong>von</strong> besonderer Bedeutung im<br />

Hinblick auf die posthum entdeckten Manuskripte <strong>Webern</strong>s: „1906 ist Schönberg<br />

vom Landaufenthalt mit der Kammersymphonie zurückgekommen. Der Eindruck<br />

war kolossal. Ich hatte sofort das Bestreben: ,So was mußt du auch machen!‘ - Unter<br />

dem Einfluß dieses Werkes schrieb ich schon am nächsten Tag einen Sonatensatz. In<br />

diesem Satz war ich an die äußerste Grenze der Tonalität gekommen. . . Schönberg<br />

und ich haben gefühlt, daß ich mit jenem Sonatensatz den Einbruch zu einer Materie<br />

durchgeführt hatte, für die die Situation noch nicht gegeben war. Ich habe den Satz<br />

zu Ende geschrieben - er war noch auf eine Tonart bezogen, aber auf sehr<br />

merkwürdige Art. Dann sollte ich einen Variationensatz schreiben, habe aber ein<br />

Variationsthema gefunden, das eigentlich schon in keiner Tonart war. Schönberg<br />

76


ief Zemlinsky zu Hilfe, der die Sache in negativem Sinne erledigte. Sie haben nun<br />

einen Einblick in das Ringen um diese Sache. Es war nicht aufzuhalten. Ich habe<br />

dann zwar wieder ein Quartett geschrieben, das in C-Dur war - aber nur<br />

vorübergehend. Die Tonart, der gewählte Grundton, ist sozusagen unsichtbar -<br />

,schwebende Tonalität1! Alles hatte aber noch Beziehung zu einer Tonart, vor allem<br />

am Schluß, um den Grundton herzustellen. Der Grundton selbst war aber nicht da -<br />

er war im Raume schwebend, unsichtbar, nicht mehr notwendig. Es hätte umgekehrt<br />

bereits gestört, wenn man sich wirklich auf den Grundton bezogen hätte.“6<br />

Die Hinweise, die diese Ausführungen geben, könnten auf eine ganze Reihe der<br />

posthum entdeckten Kompositionen <strong>Webern</strong>s anwendbar sein. Eine jede <strong>von</strong> ihnen<br />

reflektiert die brodelnde Atmosphäre der Zeit und den Gärungsprozeß innerhalb<br />

der harmonischen Konzepte, der sehr bald zum Sturz der traditionellen Tonalität<br />

führte. Eine innere Beweisführung muß noch die endgültige Chronologie aller<br />

dieser musikalischen Essays erstellen. Zwei kurze Klavierstücke, das eine Langsam<br />

und das andere Schnell überschrieben, entstammen zweifellos einer früheren<br />

Periode. Fortschrittlicher gibt sich ein Klavierstück in c-Moll, <strong>von</strong> dem ein<br />

einseitiger Abschnitt in endgültiger Fassung in Tinte vorliegt. Dann finden sich drei<br />

weitere umfangreiche Kompositionen für Klavier solo. Eine <strong>von</strong> ihnen, Satz für<br />

Klavier, folgt der klassischen Form des Sonaten-Allegros und enthält einen<br />

harmonisch turbulenten Durchführungsteil. Dieses Stück ist seit 1956 bekannt<br />

durch eine Manuskriptkopie, die Friedrich Wildgans <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Autograph<br />

anfertigte, das zuletzt im Besitz <strong>von</strong> Wildgans war und jetzt verschollen ist.<br />

Immerhin konnten <strong>Webern</strong>s Originalskizzen, die 1965 entdeckt worden sind, in<br />

Verbindung mit der Kopie <strong>von</strong> Wildgans zu einer Veröffentlichung der Komposition<br />

herangezogen werden.<br />

Ebenfalls 1965 wurde ein M anuskript in Tinte und Bleistift eines weiteren<br />

umfangreichen Klavier-Satzes aufgefunden. Die Titelseite des Autographs trägt die<br />

Beschriftung Sonatensatz für Klavier. Diese mit Tinte geschriebene Namensgebung<br />

wurde später mit Bleistift in Rondo abgeändert. Die formale Anlage des Stücks<br />

entspricht <strong>Webern</strong>s zweiter Bezeichnung. Verschiedene harmonische Aspekte<br />

dieses Werkes reflektieren wiederum das tastende Denken der Epoche.<br />

Die frühesten Skizzen zum Sonatensatz (Rondo), wie das Stück im Einklang mit<br />

den beiden Titeln <strong>Webern</strong>s jetzt heißt, finden sich auf derselben Seite wie der Schluß<br />

eines ausgedehnten Klavierstücks in F-Dur. Die Musik, in dreiteiliger Liedform,<br />

sich rankend wie eine romantische Barkarole oder ein Intermezzo, ist melodisch und<br />

harmonisch bezaubernd. Sie kontrastiert mit der aggressiven Stimmung des Satzes<br />

für Klavier und der impulsiven Dramatik <strong>von</strong> Sonatensatz (Rondo), Sätzen, die trotz<br />

ihrer Chromatik nach dem tonalen Mittelpunkt C hin orientiert sind. Das<br />

Auftauchen der ersten Ideen zum Sonatensalz (Rondo) unmittelbar nach dem<br />

Entwurf zu diesem unbetitelten lyrischen Satz legt die Vermutung nahe, daß<br />

<strong>Webern</strong> an eine dreisätzige Sonate gedacht haben mag, deren Anfang der Satz für<br />

Klavier durchaus hätte sein können.<br />

Erhalten hat sich auch ein umfangreicher Torso eines Satzes für Violine und<br />

Klavier. 113 Takte sind vollständig in Tinte ausgearbeitet, darüber hinaus sind viele<br />

77


Bleistiftskizzen vorhanden. Er steht im 3/4-Takt, die Tempobezeichnung ist Sehr<br />

lebhaft und die Tonart e-Moll. Diese Tonalität, auf die das Eröffnungsmotiv<br />

schließen läßt, ist im weiteren Verlauf nicht mehr zu definieren; da die extreme<br />

Chromatik sehr bald das Ohr verunsichert, verbietet sich eine konventionelle<br />

harmonische Analyse.<br />

Das am Wendepunkt stehende „Quartett“, das in C-Dur stand - „aber nur<br />

vorübergehend“ -, das <strong>Webern</strong> in seinem Vortrag erwähnte, mag sehr wohl mit<br />

einem Streichquartett identisch sein, <strong>von</strong> dem 45 Seiten Skizzen 1965 aufgefunden<br />

wurden. Unter ihnen ist ein Entwurf <strong>von</strong> 82 zusammenhängenden Takten in<br />

Partitur, die Alla breve beginnen und mit Sehr bewegt bezeichnet sind. Obwohl sich<br />

die harmonische Entfaltung zunächst ganz deutlich an einer C-Tonika orientiert,<br />

nimmt sie sehr bald den Verlauf einer „schwebenden Tonalität“, und es sind vor<br />

allem die Schlußakkorde, auf die <strong>Webern</strong>s Beschreibung zutreffen dürfte. Sicherlich<br />

spricht aus dem ganzen Werk die Auflehnung gegen die Hegemonie der Tonart.<br />

Eine Vielzahl <strong>von</strong> Triolen im Gegenrhythmus steigert die Turbulenz. Auf einer der<br />

Seiten findet sich ein langer schematischer Aufriß: er zeigt, wie der Komponist den<br />

Verlauf des musikalischen Geschehens schon im voraus plante, wobei er die Details<br />

<strong>von</strong> Struktur und Harmonik mit seinem inneren Ohr vorwegnahm.<br />

Es gibt noch ein weiteres Streichquartett ohne Tonartenvorzeichen, das ebenfalls<br />

das <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> beschriebene Werk sein könnte. Allerdings schließt dieses Quartett<br />

unverkennbar in a-Moll, wenngleich die Tonartenbeziehungen in den Themen und<br />

ihrer Verarbeitung voller Zweideutigkeiten sind und sich einer Definition widersetzen.<br />

Dieses Werk wurde zu Ende komponiert und für eine Aufführung eingerichtet,<br />

wie aus der Reinschrift der Stimmen der 2. Violine und des Cellos hervorgeht, die<br />

vom Komponisten angefertigt und mit Probenziffern versehen wurden. Leider sind<br />

die Stimmen der 1. Violine und der Bratsche abhandengekommen, sie könnten<br />

jedoch weitgehend nach den Skizzen der Partitur rekonstruiert werden, die bis auf<br />

68 <strong>von</strong> insgesamt 269 Takten erhalten geblieben sind.7 Das Quartett ist einsätzig.<br />

U nter seinen bemerkenswert fortschrittlichen Zügen sind motivische Konzentration,<br />

komplexe rhythmische Reihungen und ungewöhnliche Klangeffekte. Stetiges<br />

Weiterentwickeln ist das vorherrschende strukturelle Prinzip in diesem dichten,<br />

hochgradig dramatischen Stück mit seiner vorwiegend dissonanten Physiognomie.<br />

Die ganze fruchtbare und erregende Phase des Experimentierens ist in dieses Werk<br />

eingegangen. Daß die neuen Ideen nicht ohne zähes Ringen formuliert werden<br />

konnten, beweisen fünf erhaltene Entwürfe des Eingangsteiis.<br />

Was den <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> erwähnten „Variationensatz“ anbelangt, den er auf<br />

Zemlinskys negative Beurteilung hin verworfen hat, so könnte das möglicherweise<br />

eine weitere Streichquartett-Studie sein, <strong>von</strong> der der Entwurf eines 15taktigen<br />

Themas, drei vollständige Variationen sowie weitere Skizzen vorhanden sind.<br />

Obgleich sowohl die Vorzeichnung wie auch der Schluß der Themenaufstellung sie<br />

der Tonart <strong>von</strong> cis-Moll zuordnen, schließen Melodik und harmonische Chromatik<br />

eine wirkliche Orientierung nach einer bestimmten Richtung hin aus. Diese<br />

Komposition, die mit Sicherheit späteren Ursprungs ist als die bereits besprochenen<br />

Streichquartette, entstand wahrscheinlich im Verlauf des Jahres 1907. Ob es sich<br />

78


hierbei um den <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Mentoren verworfenen Streichquartettsatz handelt<br />

oder nicht: es stellt einen kühnen Griff nach dem Unbekannten dar.<br />

Weniger wagemutig als die Musik dieses Fragments ist ein anderes Werk für<br />

Streichquartett, das den Titel Rondo trägt. Zusammen mit dem Autograph ist ein<br />

vollständiger Satz Stimmen in der Handschrift des Komponisten erhalten, wiederum<br />

ein Indiz dafür, daß innerhalb des Schönberg-Kreises Kompositionen des öfteren<br />

auf ihren tatsächlichen Klang getestet wurden. Obwohl das Rondo, nach Merkmalen<br />

wie Vorzeichen oder Schlußtonalität zu urteilen, vermutlich in d-Moll steht, bewegt<br />

es sich hart an der Grenze der Tonalität, wobei seine extreme Chromatik eine<br />

geradezu beängstigende Intensität heraufbeschwört.<br />

Nicht im gleichen Ausmaß gezeichnet <strong>von</strong> dem zielstrebigen Drang, aus der<br />

überkommenen Klanglichkeit auszubrechen, ist das Quintett für zwei Violinen,<br />

Bratsche, Cello und Klavier. Vor den Wiederentdeckungen, die 1961 ihren Anfang<br />

nahmen, wurde dieses Werk allgemein als <strong>Webern</strong>s einzige repräsentative frühe<br />

Komposition angesehen. Es war als erster Satz eines vermutlich längeren Werkes<br />

konzipiert (das Programm der Uraufführung bezeichnet es ausdrücklich als ,,I.<br />

Satz“), und seine großräumige Struktur hält sich an das traditionelle Muster des<br />

Sonaten-Allegros. Eine weit ausholende Cello-Melodie leitet die Exposition ein,<br />

dem Anfang des Trios op. 8 <strong>von</strong> Brahms nicht unähnlich. Die bravouröse<br />

Behandlung des Klavierparts, gewisse rhythmische Züge sowie die Rhetorik und<br />

Klanglichkeit im allgemeinen weisen gleichermaßen auf diesen deutschen Meister<br />

hin, wenngleich spezifische Streichereffekte, wie das tremolo sulponticello, das den<br />

Durchführungsteil eröffnet und beschließt, mit ihren unheimlichen Klangwirkungen<br />

bereits die Fünf Sätze für Streichquartett op. 5, die nur ein paar Jahre später (1909)<br />

komponiert wurden, vorausahnen lassen.<br />

Das Quintett, dessen Autograph das Datum „Frühjahr 1907, W ien“ trägt,<br />

brachte W ebern seine erste Kritik als Komponist ein. Am 7. November 1907 war das<br />

Quintett im Gremiumsaal der Wiener Kaufmannschaft Bestandteil eines Programms,<br />

das Kompositionen <strong>von</strong> acht Schönberg-Schülern (Alban Berg, Kar!<br />

Horwitz, O. de Ivanov, Heinrich Jalowetz, Erwin Stein, Wilma <strong>von</strong> Webenau,<br />

W ebern und Rudolf Weirich) vorstellte. <strong>Webern</strong>s Q uintett wurde <strong>von</strong> E tta Jonasz<br />

(Klavier), Dr. Oskar Adler (1. Violine), Dr. Georg Heim (2. Violine), Heinrich<br />

Jalowetz (Bratsche) und Heinrich Geiger (Cello) aufgeführt. (Der Satz Stimmen,<br />

der für diese Aufführung angefertigt worden war, ist erhalten geblieben; er weist<br />

sowohl musikalische Änderungen auf wie auch zusätzliche interpretatorische<br />

Anweisungen in <strong>Webern</strong>s Handschrift.) Nur geladene Gäste wurden zu dem<br />

Konzert zugelassen, unter ihnen der Kritiker Gustav Grube. Sein Bericht, der noch<br />

im selben November in der Neuen Zeitschrift fü r M usik (Leipzig) erschien,<br />

verurteilte im allgemeinen Schönbergs „verderblichen Einfluß“, zeigte jedoch<br />

Spürsinn genug, die schöpferischen Talente <strong>von</strong> W ebern und Berg herauszustellen:<br />

„Es ist zwar gar nicht gebräuchlich, daß Schülerkonzerte an dieser Stelle besprochen<br />

werden. In diesem Falle handelt es sich aber um etwas so Absonderliches, daß ich<br />

nicht umhin kann, doch einiges darüber zu berichten. Die Arnold Schönbergsche<br />

Kompositionsschule kann mit vollem Recht auch die ,hohe Schule der Dissonanzen1<br />

79


enannt wei'den, da eben auf diesem Gebiete Haarsträubendes, vom ,Meister1<br />

sowohl als <strong>von</strong> den Schülern, geleistet wird. Wenn ich nach kurzen Themen urteilen<br />

will, so waren <strong>von</strong> den acht Schülern zwei, denen ich Talent zusprechen möchte. Es<br />

waren dies Alban Berg und Dr. A. <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>. So wie bei allen Schülern, machte<br />

sich auch bei diesen beiden der verderbliche Einfluß der Schönbergschen<br />

Kompositionen geltend. Das, nicht schlecht erfundene, Hauptthema des ,Klavierquintetts“<br />

(1. Satz) <strong>von</strong> Dr. <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> verlor sich sehr bald in einem wüsten<br />

Durcheinander. Hier und da schienen sich die Spieler, wie durch einen Zufall zu<br />

finden, so daß man erleichtert aufatmete und sich sagte ,na, endlich1. Leider waren<br />

derlei,Lichtblicke“in diesem Chaos kurz und selten. Das hier <strong>von</strong> Dr. <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

Gesagte gilt, was die Kompositionsweise betrifft, auch <strong>von</strong> allen ändern.“<br />

Sogar in späteren Jahren war das Urteil des Komponisten über seinen<br />

Quintettsatz noch so positiv, daß er an seine Veröffentlichung dachte. Dessen<br />

eingedenk übergab seine Witwe das Werk 1949 Kurt List, einem der Schüler<br />

<strong>Webern</strong>s, der im Auftrag des amerikanischen Verlages Boelke-Bomart mit ihr<br />

Verbindung aufgenommen hatte. Der daraufhin erfolgten Veröffentlichung lag<br />

<strong>Webern</strong>s Autograph zugrunde. Letzteres enthält eine Anzahl <strong>von</strong> Hinweisen in<br />

Schönbergs Handschrift. So spärlich diese Anmerkungen auch sind, so stellen sie<br />

den einzigen sichtbaren Beweis <strong>von</strong> Schönbergs Aufsicht dar; es gibt kaum ein<br />

anderes Manuskript, das Eintragungen <strong>von</strong> Vorschlägen oder Korrekturen auf weist.<br />

Wenn Schönberg als Lehrer schon ganz allgemein auf die didaktische Auferlegung<br />

seiner Ansichten verzichtete, hatte er in <strong>Webern</strong> offensichtlich einen mit fundierten<br />

Kenntnissen so gut ausgestatteten und talentierten Schüler, daß Kommentare,<br />

insofern sie notwendig waren, wohl mündlich gemacht werden konnten.<br />

Die drei letzten, noch in der Tonalität verankerten Werke <strong>Webern</strong>s sind die Fünf<br />

Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Richard Dehmel, die Passacaglia für Orchester op. 1 und<br />

der Chor Entflieht auf leichten Kähnen op. 2. D er Dehmel-Zyklus für Singstimme<br />

und Klavier verkörpert den Höhepunkt des geistigen Gleichklangs mit dem<br />

deutschen Lyriker, <strong>von</strong> dem W ebern drei Gedichte bereits vorher vertont hatte.<br />

Seine schon früh erwachte Vorliebe für die Welt Dehmels war durch Schönbergs<br />

Beschäftigung mit diesem Dichter zweifellos noch vertieft worden. Aus '<strong>Webern</strong>s<br />

Katalog seiner Bibliothek geht hervor, daß er nicht weniger als zehn Bände der<br />

Werke Dehmels besaß. Von den für die Fünf Lieder verwendeten Gedichten ist<br />

Nächtliche Scheu der Sammlung Aber die Liebe entnommen, alle anderen Weib und<br />

Welt. Die Texte beschäftigen sich weitgehend mit der Naeht und ihren Mysterien; sie<br />

sind düster in ihrer Stimmung und durchtränkt <strong>von</strong> einer großen, wenn auch<br />

verhaltenen Intensität der Empfindung.<br />

Obgleich die Lieder über eine Spanne <strong>von</strong> mehreren Jahren hinweg entstanden,<br />

hatte <strong>Webern</strong> ganz offensichtlich beabsichtigt, sie zu einem Zyklus zu formen, indem<br />

er ihre Anordnung auf einer eigenen Manuskriptseite festhielt: Ideale Landschaft,<br />

A m Ufer, Himmelfahrt, Nächtliche Scheu und Helle Nacht. Das am Anfang stehende<br />

Lied Ideale Landschaft wurde Ostern 1906 in Wien komponiert. Nächtliche Scheu,<br />

das vierte Lied im Zyklus, entstand 1907. Die drei anderen Lieder sind 1908 datiert,<br />

dem Jahr <strong>von</strong> Passacaglia und Entflieht auf leichten Kähnen. Die Dehmel-Lieder,<br />

80


deren Komposition sich zum Teil mit der der Stefan-George-Liederzyklen<br />

überschneidet, die die „atonale“ Periode in <strong>Webern</strong>s Oeuvre einleiten, nehmen eine<br />

entscheidende Position an der Schwelle zu einer grundlegenden Veränderung der<br />

harmonischen Konzepte ein. Unerklärlicherweise kamen sie erst 1961 ans<br />

Tageslicht, haben aber seither jener Epoche <strong>von</strong> Krise und Übergang eine neue<br />

Dimension hinzugefügt. Ganz abgesehen <strong>von</strong> ihrer historischen Bedeutung, stellen<br />

die Dehmel-Lieder einen nicht zu übersehenden Beitrag zur Musikliteratur dar,<br />

weisen sie doch <strong>Webern</strong> als einen hervorragenden Exponenten des Genres des<br />

deutschen Liedes aus. Sie sind auch deshalb bedeutsam, weil sie sogar in diesem<br />

frühen Stadium des Zusammenwirkens mit Schönberg und Berg ganz deutliche<br />

stilistische Unterschiede zur Musik dieser beiden Kollegen erkennen lassen. Bei<br />

Vermeidung <strong>von</strong> Wiederholung zielt der Komponist auf Gedrängtheit; er zieht<br />

Transparenz der Textur der Opulenz vor. Mit einer betonten Tendenz zur Askese in<br />

der formalen Rhetorik und im harmonischen Idiom löst sich <strong>Webern</strong>, früher noch als<br />

Schönberg oder Berg, <strong>von</strong> den Rückständen des spätromantischen Stils. Die<br />

Singstimme, in <strong>Webern</strong>s früheren Liedern noch manchmal unbeholfen geführt in<br />

ihrer Beziehung zur Klavierbegleitung, ist jetzt voll integriert, so daß die drei<br />

Klangebenen - Gesang, oberer und unterer Klavierpart - abstrakt als ein komplexes<br />

Gebilde zu sehen sind. Alle Lieder sind <strong>von</strong> der Textur her kontrapunktisch, und das<br />

Schlußlied des Zyklus, Helle Nacht, entfaltet in der kunstvollen Verarbeitung <strong>von</strong><br />

doppeltem, ja dreifachem Kontrapunkt <strong>Webern</strong>s meisterhafte Beherrschung dieser<br />

Technik.<br />

Derselbe hohe Grad kontrapunktischen Könnens zeichnet die schon seit langem<br />

als <strong>Webern</strong>s Opus 1 und 2 bekannten Werke aus, die in der Form der Passacaglia<br />

und des Doppelkanons angelegt sind. Die Passacaglia ist <strong>Webern</strong>s erstes größeres<br />

Werk im orchestralen Medium seit Im Sommerwind. Allerdings gibt es eine Anzahl<br />

früherer Entwürfe für Orchester. Unter ihnen befinden sich drei kurze, jedoch in<br />

sieh abgeschlossene Sätze in a-Moll über einem Ostinato im 2/


Zurückhaltung in der Dynamik und letztlich: die Pause als strukturelles Element.<br />

Diese Pause wird zum integralen Bestandteil des achttaktigen Passacaglia-Themas,<br />

das unisono im pizzicato vorgestellt wird:<br />

Sehr massig Tempo I ( J = 42)<br />

\ con sord.<br />

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Eine analytische Werkbeschreibung steuerte der Komponist zur Düsseldorfer<br />

Aufführung im Jahr 1922 bei.8 <strong>Webern</strong> weist zunächst darauf hin, daß sein Thema<br />

mit seinem 2/4~Takt vom traditionellen Dreiermetrum abweicht. Dann gibt es einen<br />

Aufriß der Form, die nach der eröffnenden Vorstellung des Themas 23 Variationen<br />

beinhaltet, 11 in Moll, 4 in Dur, dann 8 weitere in Moll, gefolgt <strong>von</strong> einer<br />

durchführungsartigen Koda. Diese allgemeinen Hinweise werden durch detailliertere<br />

Erläuterungen vervollständigt: „Die erste Variation bringt die grundlegende<br />

Harmonisierung des Hauptthemas und ein Gegenthema. Damit sind die beiden<br />

Grundgestalten des Stückes gegeben. Alles was folgt, ist <strong>von</strong> diesen abgeleitet. So<br />

stellt sich gleich in der 2. Variation die Melodie der Klarinette als eine Umbildung<br />

des Gegenthemas dar. Sie wird zum Thema der Variationen 3-5 und zu einem der<br />

wichtigsten Faktoren des weiteren Verlaufes. Das Letztere gilt auch <strong>von</strong> einer aus<br />

dem Hauptthema gebildeten Gestalt, die in der nächsten (6.) Variation auftritt, die<br />

überleitenden Charakter hat. Ihr entspringt gleich in der folgenden (7.) Variation<br />

ein Thema im Allegrotempo, das in der Coda reprisenartig wiederkehrt. In der 8.<br />

Variation erklingen gleichzeitig: die Urform des Hauptthemas (Violinen), eine nun<br />

oft wiederkehrende Umbildung der im Notenbeispiel (s. oben) angeführten Gestalt<br />

(Bässe) und im Blech eine Variation des Gegenthemas, welche thematisch <strong>von</strong><br />

großer Bedeutung wird. Die Variationen 9-11 leiten zu den D-Dur-Variationen<br />

über und verarbeiten die in der 8. gebildeten Motive und Kombinationen.<br />

Die erste Dur-Variation hat einleitenden Charakter. In der zweiten erscheint die<br />

Clarinettenmelodie in neuer Form, womit das Thema der dritten und vierten Dur-<br />

Variation gegeben ist. Die noch folgenden 8 Moll-Variationen bauen sieh in<br />

kanonischen und imitatorischen Bildungen der Hauptsache nach auf einer Veränderung<br />

des Hauptthemas auf. Den Gipfel der hier stattfindenden Steigerung bildet die<br />

letzte (23.) Variation, welche eine Wiederholung der achten in veränderter Form<br />

darstellt. Die Coda beginnt, als Einleitung eine Mollform der ersten Dur-Variation<br />

benutzend, in der Haupttonart, verläßt sie hierauf und verarbeitet durchführungsartig<br />

das in der zweiten Dur-Variation aufgestellte Thema. In gradliniger Steigerung<br />

führt es zu einer veränderten Wiederholung der 7. Variation. Gestalten der 8.<br />

beschließen das Stück.“<br />

<strong>Webern</strong> gibt keinen Kommentar zum Hauptthema selbst, das bei den Theoretikern<br />

beträchtliche Kontroverse ausgelöst hat. Einige entdecken an ihm strukturelle<br />

Charakteristiken des reifen <strong>Webern</strong>, andere verneinen dies und ordnen die<br />

Passacaglia eher der Beethoven-Brahms-Tradition zu. Für den Komponisten selbst<br />

bedeutete die Passacaglia sicherlich einen Schritt weiter in einer sich fortsetzenden<br />

82<br />

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Evolution, einem Prozeß, bei dem das Alte stets Neues gebiert und die Zukunft fest<br />

in der Vergangenheit verankert ist. <strong>Webern</strong>s Musik gibt dem Theoretiker <strong>von</strong> den<br />

frühen Werken an viele Rätsel auf, sie muß aber immer unter dem Gesichtspunkt<br />

des Prinzips einer progressiven Tradition verstanden werden.<br />

Mit ihren 269 Takten, vorwiegend in gemäßigtem Zeitmaß gehalten, ist die<br />

Passacaglia einer der längsten Einzelsätze in <strong>Webern</strong>s Schaffen. Nur das Quintett<br />

(1907) mit 369 Takten und das Streichquartett (1905) mit 280 Takten übertreffen<br />

sie an Ausdehnung. (Im Sommerwind zählt vergleichsweise nur 253 Takte.) Nach<br />

der Passacaglia entwickelte sich <strong>Webern</strong>s Stil sehr rasch zu einer immer mehr<br />

zunehmenden Verdichtung der Form.<br />

Das Werk ist mit je drei Holzbläsern, vier Hörnern, drei Trompeten, drei<br />

Posaunen und einer Baßtuba, Pauken, Schlagzeug, Harfe und üblichen Streichern<br />

besetzt. Ein Orchesterapparat <strong>von</strong> dieser Größe rückt bereits in die Nachbarschaft<br />

<strong>von</strong> Richard Strauss, reicht aber nicht an das riesige instrumentale Aufgebot der<br />

Achten Symphonie <strong>von</strong> Mahler oder der Gurrelieder <strong>von</strong> Schönberg heran, Werke,<br />

die in derselben Epoche entstanden sind. Aus den Skizzen ist zu ersehen, daß die<br />

Passacaglia nur schrittweise ihre endgültige Gestalt erhielt; es finden sich viele<br />

Änderungen, die oft die Neuschrift ganzer Seiten zur Folge hatten. Das genaue<br />

Entstehungsdatum des Werks läßt sich weder anhand der ersten Entwürfe noch der<br />

fertigen Partitur feststellen. Es kann jedoch angenommen werden, daß es im späten<br />

Frühjahr 1908 vollendet wurde. Im selben Sommer, bevor er nach Bad Ischl ging,<br />

um sein erstes Engagement als Dirigent anzutreten, hatte <strong>Webern</strong> bereits ein<br />

Opernprojekt in Angriff genommen, und das dürfte den Schluß nahelegen, daß die<br />

Passacaglia abgeschlossen war. Da außerdem die Uraufführung des Werks für den<br />

Herbst vorgesehen war, wäre kaum noch genügend Zeit geblieben für die<br />

Herstellung der Orchesterstimmen, hätte <strong>Webern</strong> die Partitur nicht schon zu einem<br />

früheren Zeitpunkt beendet gehabt.<br />

Die Passacaglia wurde zum ersten Mal in einem Nachmittagskonzert am 4.<br />

November 1908 der Öffentlichkeit vorgestellt. Schönbergs Schüler, die im Vorjahr<br />

ihre Kompositionen vor einem geladenen Publikum aufgeführt hatten, wagten sich<br />

diesmal in den ehrwürdigen Großen Musikvereinssaal. Für die orchestralen<br />

Nummern, die nur die Hälfte des Programms ausmachten, wurde das Tonkünstler-<br />

Orchester verpflichtet, und <strong>Webern</strong> selbst trat als Dirigent seines Werks in<br />

Erscheinung. Alban Berg war mit seinen Z w ölf Variationen und Finale über ein<br />

eigenes Thema für Klavier vertreten; unter den anderen Schönberg-Schülern, deren<br />

Kompositionen bei diesem Anlaß gespielt wurden, befanden sich Karl Horwitz, O.<br />

de Ivanov, Viktor Krüger, Erwin Stein und Wilma <strong>von</strong> Webenau. In Ivanovs Suite<br />

für Klavier vierhändig, dem Eröffnungsstück des Konzerts, waren die Partner am<br />

Flügel <strong>Webern</strong> und Etta Jonasz-Werndorff.<br />

Die Musikkritik war eingeladen und berichtete fast einmütig in ablehnendster<br />

Form. Der Kritiker des Wiener Illustrierten Extrablatts (5. November) sprach vom<br />

überwiegend vorherrschenden Schönberg-Einfluß: „Wie ihr Meister suchen die<br />

Herren Erwin Stein und <strong>Anton</strong> v. <strong>Webern</strong> die Verwirrung, den Schlechtklang um<br />

jeden Preis, Dissonanzen nicht der Notwendigkeit halber, sondern aus Vergnügen.<br />

84


An ihrem Kontrapunkt kann man sie erkennen. In der Regel kommt er <strong>von</strong> außen,<br />

fliegt des Orchestereinfalles halber an. Herr Stein schreibt ein Streichquartett-<br />

Scherzo ohne Humor, Herr v. <strong>Webern</strong> eine Passacaglia, die den Namen kaum mehr<br />

rechtfertigt. Formrespekt ohne Inhalt.“ Die einzige rühmliche Ausnahme unter den<br />

negativen Beurteilungen war ein Bericht <strong>von</strong> Elsa Bienenfeld im Neuen Wiener<br />

Journal (9. November), der bei weitem den größten Raum <strong>Webern</strong>s Werk widmete:<br />

„Die Begabungen der jungen Komponisten sind in Stärke und Art verschieden.<br />

Allen gemeinsam ist eine ganz außerordentliche Sicherheit in der kompositorischen<br />

Technik. Als der Bedeutendste und Reifste erschien <strong>Anton</strong> v. <strong>Webern</strong>, <strong>von</strong> dem eine<br />

Passacaglia für Orchester aufgeführt wurde. Das Werk besteht aus einer Reihe <strong>von</strong><br />

Variationen über ein achttaktiges Thema, die, ähnlich gebaut wie der vierte Satz der<br />

E-Moll-Symphonie <strong>von</strong> Brahms, eine ununterbrochene, zum Schluß in eine<br />

Durchführung mündende Form hat. Die Technik <strong>Webern</strong>s ist infolge der eigenartigen<br />

melodischen Erfindung, der freien Harmonik, der vielfach verschlungenen<br />

Kontrapunktik ungemein kompliziert. Die Komposition, durch Merkwürdigkeiten<br />

der Zusammenklänge und deren Fortführungen überraschend, überzeugt aber<br />

dennoch durch die Tiefe der Stimmungen. Es erscheint nichts zufällig, nichts aus<br />

Originalitätssucht herbeigezerrt, am allerwenigsten etwas konventionell nachgeahmt.<br />

Die Stimmungen sind empfunden, die Klänge gehört. Besonders charakteristisch<br />

ist die Instrumentierung, deren originelle Färbungen, neuartige Mischungen<br />

<strong>von</strong> im wesentlichen solistisch verwendeten Instrumenten darauf hinweisen, daß<br />

alles orchestral erfunden, nicht eine Klavierskizze zur Partitur instrumentiert ist.“<br />

Die Passacaglia wurde erst 1922 veröffentlicht, zusammen mit den ersten Werken<br />

<strong>Webern</strong>s, die <strong>von</strong> der Universal Edition Wien unter Vertrag genommen wurden.9<br />

D er Komponist hatte jetzt seine Technik und seine ästhetischen Vorstellungen zu<br />

einem derart fortgeschrittenen Stadium entwickelt, daß ihm mehr daran gelegen<br />

war, die auf sein „Opus 1“ folgenden W erke herauszubringen, als die vorangegangenen,<br />

wie das Q uintett oder die fünf Dehmel-Lieder. Wie sich noch zeigen wird, blieb<br />

<strong>Webern</strong>s Bestimmung der Opuszahlen seiner Kompositionen Veränderungen<br />

unterworfen, bis sie durch ihre Veröffentlichung endgültig wurden.<br />

Ende 1918 bearbeitete der Komponist die Passacaglia für zwei Klaviere zu sechs<br />

Händen, um sie in Schönbergs neu gegründetem Verein für musikalische Privataufführungen<br />

spielen zu lassen. <strong>Webern</strong> hielt das in Aussicht genommene Datum in<br />

seinem Notizbuch als den 26. Januar 1919 fest, änderte es dann jedoch in 2. Februar.<br />

Die Bearbeitung wurde am 6. Juni 1919 öffentlich gespielt und zwar im Programm<br />

des letzten <strong>von</strong> „Vier Propaganda-Abenden‘ ‘, den der Verein als Abschluß seiner<br />

ersten Saison veranstaltete. Paul A. Pisk, der an der Vorbereitung mitarbeitete,<br />

berichtete später: „Eduard Steuermann saß am ersten Klavier allein. Grundsätzlich<br />

sollte er die Hauptstimme spielen und es war ihm ausdrücklich ein größeres Maß an<br />

Freiheit des Phrasierens und Interpunktierens zugesprochen worden als den<br />

Begleitstimmen, die auf dem zweiten Klavier zusammengefaßt wurden. Emst<br />

Bachrich und ich, die auf dem zweiten Klavier vierhändig spielten, folgten und<br />

richteten uns nach den Melodiestimmen wie wirkliche Begleiter. Die Einrichtung<br />

war <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> selbst, der auch die Proben leitete.“ 10


Bedauerlicherweise ist das Manuskript dieser Fassung der Passacaglia später<br />

verschwunden, aber <strong>Webern</strong>s Geschick als Arrangeur ist durch viele andere<br />

Transkriptionen übergenug belegt. Unter ihnen findet sich die einer Komposition,<br />

über die als nächste zu sprechen sein wird, der A-cappella-Chor Entflieht auf leichten<br />

Kähnen op. 2. 1907 hatte Schönberg bereits ein Werk für dasselbe Medium<br />

geschrieben, Friede auf Erden op. 13, nach Worten <strong>von</strong> C. F. Meyer. <strong>Webern</strong> kannte<br />

nicht nur die Partitur, er schrieb sie sogar für sich selbst ab. Sein Manuskript trägt das<br />

Datum „September 1908“ . Dieser Vorgang mag durchaus seinen ersten Versuch im<br />

Chor-Idiom ausgelöst haben; wenn das der Fall ist, dann wäre sein Chor gegen Ende<br />

dieses Jahres entstanden. <strong>Webern</strong>s eigenes Werkverzeichnis erwähnt lediglich<br />

„1908 Wien“ .<br />

Der <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> verwendete Text erscheint im Zyklus Traurige Tänze <strong>von</strong> Stefan<br />

George und ist Teil des Bandes Das Jahr der Seele. George war zum Haupt der<br />

Auflehnung gegen den Realismus in der deutschen Literatur geworden. Bei der<br />

Formulierung seiner Ästhetik war er weitgehend beeinflußt <strong>von</strong> Baudelaire,<br />

Mallarme und anderen französischen Symbolisten. Georges Gedichte, stets voller<br />

Schönheit und Melodik, wenn auch oft esoterisch und streng gemessen, gaben dem<br />

klassizistischen Denken eine neue Dimension. Sie wirkten auf eine ganze<br />

Generation <strong>von</strong> Dichtern ein, unter denen Rainer Maria Rilke der bemerkenswerteste<br />

war. Um 1907 waren die meisten der größeren Zyklen Georges veröffentlicht,<br />

einschließlich Das Jahr der Seele und Der siebente Ring. In diesem Jahr hatte<br />

Schönberg sein Zweites Streichquartett in fis-Moll, op. 10 begonnen. Als er den<br />

Streichern in den beiden letzten Sätzen eine Sopranstimme hinzufügte, wählte er als<br />

Texte zwei Gedichte Georges, Litanei und Entrückung. Die Anfangszeilen des<br />

letzteren, „Ich fühle Luft <strong>von</strong> anderen Planeten“, waren prophetisch. In diesem Satz<br />

bleiben die Harmonien in der Schwebe und auf lange Strecken ohne Auflösung,<br />

womit die Diktate traditioneller harmonischer Funktion unbefolgt bleiben. Gleichzeitig<br />

wird der Übergang angekündigt <strong>von</strong> der „erweiterten Tonalität“, wie<br />

Schönberg sie nennt, zum Zeitaltar der „A tonalitäf“ , dessen Anbruch gerade<br />

bevorstand.<br />

<strong>Webern</strong>, der mit Schönberg bei der Erforschung des neuen tonalen Idioms Schritt<br />

hielt, ja sich ihm sogar gelegentlich voraus wagte, teilte mit seinem Lehrer die<br />

Inspiration, die <strong>von</strong> Stefan Georges Dichtung ausging. Alles in allem vertonte er<br />

nicht weniger als 16 George-Texte, den letzten (für Singstimme und Orchester)<br />

1914. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das eine oder andere seiner 14 George-<br />

Lieder für Singstimme und Klavier schon vor dem besprochenen Chorstück<br />

entstand. (Das ist auch der Grund, weshalb es dahingestellt bleiben muß, welches die<br />

letzte Komposition <strong>Webern</strong>s ist, die noch mit Vorzeichen versehen ist: dieser Chor,<br />

das George-Lied Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße oder eines der drei<br />

Dehmel-Lieder aus dem Jahre 1908, die alle noch das traditionelle Emblem der<br />

Tonalität aufweisen.)<br />

Die melodiöse Bildhaftigkeit des Wortes in dem Gedicht Entflieht auf leichten<br />

Kähnen war geradezu prädestiniert, musikalische Ideen heraufzubeschwören. Wie<br />

der Text, so gliedert sich auch <strong>Webern</strong>s Komposition in drei Teile. Sowohl der<br />

86


hythmische Antrieb, 6k Metrum, wie auch das Tempo, Zart bewegt, suggerieren eine<br />

Barkarole. Das Stück ist in die Form eines strengen Doppelkanons gegossen, der<br />

anspruchsvollsten aller kontrapunktischen Künste. Es beginnt zweistimmig, wobei<br />

die paarweise geführten Ober- und Unterstimmen alternierend in Terzen und<br />

Sexten gedoppelt werden. Im Mittelteil (der wegen der Beschleunigung des Tempos<br />

nicht nur die zweite Strophe des Gedichts sondern auch die ersten beiden Zeilen der<br />

dritten verwendet) treten die Chorpartien im vierstimmigen Kanon auf. Die Reprise<br />

des ersten Teils, in der die beiden letzten Zeilen des Gedichts verarbeitet sind, stellt<br />

auf geniale Weise die Proportion durch eine Anzahl <strong>von</strong> Wiederholungen der<br />

Phrasen wieder her, die aus diesen beiden Zeilen gebildet sind. Indem er sich der<br />

strengen Disziplin des kanonischen Satzes unterwirft, erbringt <strong>Webern</strong> in diesem<br />

Chorwerk einen glänzenden Nachweis für seine Schulung in der Musik der frühen<br />

Niederländer. Seine Vorliebe für derartige kontrapunktische Formeln überdauerte<br />

die verschiedenen harmonischen Phasen seines Schaffens - Tonalität, Atonalität<br />

und Serialität - bis zum Ende. Der Schlußsatz seiner Zweiten Kantate op. 31 ist ein<br />

Choral in Form eines Kanons. Im 5. Satz des gleichen Werks wiederholt sich die in<br />

Opus 2 gehandhabte Chorbehandlung in parallelen Intervallen, außer daß hier die<br />

Intervalle zu großen Septimen geworden sind.<br />

Ganz abgesehen <strong>von</strong> solchen theoretischen Betrachtungen ist die Musik des<br />

Chores <strong>von</strong> berückender Schönheit, sie atmet dieselbe sanfte Melancholie, die auch<br />

die Verse auszeichnet. Der abschließende tonische Akkord in reinem G -D ur kommt<br />

überraschend, wie er sich aus dem äußerst chromatischen Stimmengeflecht<br />

herausschält. Diese Chromatik gab derartige Intonationsschwierigkeiten auf, daß<br />

Chöre der damaligen Zeit kaum bereit waren, sich an ihnen zu versuchen. So konnte<br />

<strong>Webern</strong> erst zwei Jahrzehnte später unter dem Datum vom 10. April 1927<br />

festhalten: „Premiere Opus 2 Entflieht. . . in Fürstenfeld“. Am 3. Mai schrieb<br />

<strong>Webern</strong> an Emil Hertzka, den Direktor der Universal Edition: „Ein ganz junger<br />

Mensch, namens Franz Wiefler, der hier an der Technik studiert..also nicht ein Mal<br />

ein Berufsmusiker - hat diese Tat - so muß ich in Anbetracht der Umstände wohl<br />

sagen - vollbracht. . . Er berichtete mir über diese höchst Erfreuliches (daß sein<br />

Chor mein Werk m it,Begeisterung1gesungen hätte, u. s. w.).“<br />

D er Komponist war bei dieser Uraufführung, die in „einem kleinen Nest in der<br />

Oststeiermark“ stattfand, nicht zugegen, wie er Emil Hertzka am 6. Dezember des<br />

gleichen Jahres schrieb. In diesem Brief an seinen Verleger machte W ebern auf ein<br />

Gastspiel des Hugo Holle-Chors am darauffolgenden Tag aufmerksam, und am<br />

Abend des 7. Dezembers verzeichnete er in seinem Tagebuch: „Entflieht auf<br />

leichten Kähnen <strong>von</strong> Stuttg. Madrigalvereinigung zum 1. Male in Wien aufgeführt.<br />

Ich hörte den Chor zum ersten Male nach fast 20 Jahren! Auff. nicht gut.“<br />

Wenn auch die Qualität der Wiedergabe den Komponisten enttäuschte, so<br />

wärmten ein paar freundliche W orte <strong>von</strong> Alban Berg sein Herz. Am Tag nach dem<br />

Konzert schrieb Berg: „So will ich Dir schnell schriftlich sagen, wie sehr mich Dein<br />

Chor - trotz der mittelmäßigen Aufführung - entzückt hat. Was ist das für eine<br />

herrliche Melodie!! und wie schön ist das, wenn bei der Wiederholung des fis des<br />

1. Soprans vorerst ausgewichen wird, um dann mit rätselhafter Gewalt (ppp) bei Zif­<br />

87


fer 5 nachgeholt zu werden. Gar nicht zu reden vom tiefen G der Bässe. Da hat’s<br />

mich direkt erschauert vor diesem Mysterium der Natur - nein: Deiner Kunst!“<br />

Die Tatsache, daß der Chor in der Veröffentlichung der Universal Edition <strong>von</strong><br />

1921 eine Reihe <strong>von</strong> Jahren gedruckt vorlag, bevor sich jemand an eine Aufführung<br />

heranwagte, beleuchtet die Intonationsprobleme, <strong>von</strong> denen bereits die Rede war.<br />

Schönberg hatte sich in einer ähnlichen Situation befunden mit seinem A-cappella-<br />

Chor Friede auf Erden vor der Wiener Uraufführung unter Franz Schreker am 9.<br />

Dezember 1911, und um die Schwierigkeiten zu umgehen, hatte er ein Ensemble<br />

stützender Instrumente hinzugefügt (je zwei Holzbläser und Hörner sowie<br />

Streicher). Diese ad lib. gedachte orchestrale Hilfe war allerdings nur als Krücke für<br />

die Sänger vorgesehen, wie Schönberg in seinem Vorwort zu dem Werk mit allem<br />

Nachdruck klarstellte. Im Frühjahr 1914 war <strong>Webern</strong> dazu bereit, eine ähnliche<br />

Stützung für seinen Chor vorzunehmen, als er ihn auf Schönbergs Anregung hin<br />

Franz Schreker, dem Direktor des Wiener Philharmonischen Chors, vorlegte. Voller<br />

Optimismus über die Aussicht auf eine Aufführung hatte <strong>Webern</strong> Schönberg am 4.<br />

Juni geschrieben: „Die Abschrift für Schreker enthält auch einen Auszug für<br />

Klavier. Ich sagte ihm auch, daß ich eventuell eine Instrumentalstütze dazu setzen<br />

würde.“ Obwohl <strong>Webern</strong> Schreker ihm „freundlich geneigt“ glaubte, kam das<br />

Projekt niemals der Verwirklichung nahe. Trotzdem machte sich <strong>Webern</strong> daran, die<br />

Instrumentierung vorzunehmen. Diese erst lange nach dem Tod des Komponisten<br />

entdeckte Partitur verwendet eine Gruppe <strong>von</strong> Soloinstrumenten: Violine, Bratsche,<br />

Cello, Harmonium und Klavier. Das kleine Ensemble, ganz im Gegensatz zu<br />

Schönbergs eher umfangreichen Orchestrierung, ist dem verhaltenen Charakter <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>s Chor angepaßt. Anstatt die Vokallinien während des ganzen Ablaufs<br />

nachzuziehen, beschränken sich die Instrumente auf kurze stützende Abschnitte.<br />

Diese Fragmente, die sukzessive <strong>von</strong> verschiedenen Spielern getragen werden,<br />

bilden einen höchst transparenten und farbigen Hintergrund. Die delikate Behandlung<br />

erhebt <strong>Webern</strong>s Arrangem ent weit über ihren praktischen Zweck, und auch<br />

diese Partitur ist ein weiteres Zeugnis des schöpferischen Geistes, mit dein der<br />

Komponist jede zu bewältigende Aufgabe in Angriff nahm.<br />

Das Autograph des Arrangements ist eines der exquisitesten <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s vielen<br />

auffallend schönen Manuskripten. Schon das Schriftbild seiner Partituren steht für<br />

ein Gütezeichen seiner Kunst: sorgfältigstes Handwerk, formale Ausgewogenheit,<br />

Klarheit und Ausgefeiltheit.<br />

Der Chor Entflieht auf leichten Kähnen ist als <strong>Webern</strong>s letztes unter Schönbergs<br />

Aufsicht komponiertes Werk anzusehen, nicht die Passacaglia, die allgemein als sein<br />

Gesellenstück abgestempelt worden ist. Dieser Sachverhalt wird vom Komponisten<br />

selbst belegt. Am 10. Juni 1914, als Schönberg auf <strong>Webern</strong>s Anfrage, ob er den Chor<br />

noch immer für gut genug halte, um ihn Schreker vorzulegen, im positiven Sinne<br />

antwortete, schrieb ihm <strong>Webern</strong>: „Liebster Freund, wie soll ich Dir danken für<br />

Deine so überaus schönen und lieben Worte über meinen Chor. Ich muß sie immer<br />

und immer wieder lesen. Das ist zu schön. Sie freuen mich unendlich. Ich bin<br />

überglücklich. Ich danke Dir tausendmal. Wie stärken Deine W orte meine<br />

Zuversicht auf mein Komponieren. Ich kann es nicht sagen, wie glücklich mich sie


machen. Ich habe den Chor vor 6 Jahren geschrieben in dem Jahr da ich zuletzt in<br />

Deine Stunden kam, unter Deiner direkten Anleitung. Ich möchte Dir wieder sagen,<br />

wie schön für mich die Erinnerung an jene Zeiten ist. Ich glaube, ich kann mich noch<br />

jedes Deiner Worte entsinnen. Ich glaube ich kann mich an jede einzelne Stunde<br />

erinnern. Es ist unermeßlich für mich, was Du mir alles gesagt hast. Wie hast Du mir<br />

alles entschleiert. Ich erfuhr durch Dich ,wie es sich wirklich verhält1. Und was<br />

immer mir im Leben passiert, ich stelle sofort mein Gewissen ein auf Dich. So wird es<br />

bleiben für immer. Du bist aufgerichtet in meinem Herzen als höchstes Vorbild, das<br />

ich immer mehr liebe, dem ich immer mehr ergeben bin.“<br />

89


6. Bescheidene Anfänge (1906-1910)<br />

<strong>Webern</strong>s Verbindung mit Schönberg war nicht ohne tiefgehende psychologische<br />

Auswirkungen geblieben. Er, der vorher durchaus selbstsicher und unabhängig<br />

gewesen war, überantwortete sich völlig Schönbergs übermächtiger Persönlichkeit,<br />

sobald er sich in die Rolle des Jüngers begeben hatte. Er befolgte jede Anregung<br />

Schönbergs. Sogar nachdem er seinen musikwissenschaftlichen Doktor gemacht<br />

hatte, konnte er es einrichten, seinen Privatunterricht bei dem erwählten Mentor<br />

fortzusetzen. Im Sommer 1907, als die Einberufung zum Wehrdienst drohte und mit<br />

ihr die Unterbrechung seiner Unterrichtsstunden, besprach er dieses Problem mit<br />

Schönberg, als er ihn in seinem Ferienasyl am Traunsee besuchte. Am 2. September<br />

schrieb er ihm: „Und jetzt steh’ ich vielleicht am Ende meiner regelmäßigen<br />

Lernzeit bei Ihnen?. . . Ich müßte, weils Sie es mir erlaubt haben, immer dann<br />

kommen, wenn ich schon ziemlich was gearbeitet habe. . . Ich fühle so, daß jetzt der<br />

Zeitpunkt da ist, den ich benützen muß, um Ihnen zu danken, W orte weiß ich keine;<br />

ich möchte nur, daß Sie mir’s auch wirklich glauben, wie dankbar ich Ihnen bin - ich<br />

kann sagen in jeder Beziehung; es gibt für mich nichts auf der Welt, darin ich nicht<br />

<strong>von</strong> Ihnen gelernt hätte und was Sie mir sind, das kann ich überhaupt nicht sagen,<br />

empfinden thu’ ich’s ganz klar.“<br />

Derartige Bekenntnisse sollten für <strong>Webern</strong>s Verhältnis zu Schönberg, den er bis<br />

zur äußersten Unterwürfigkeit idolisierte, charakteristisch werden. E r war ebenso<br />

bemüht, ihm zu Gefallen zu sein, wie er sich scheute, sich dern Mann zu widersetzen,<br />

den er liebte und fürchtete. Seine persönliche Abhängigkeit vertiefte sich mit den<br />

Jahren und nahm gelegentlich nahezu pathologische Formen an. Die Erkenntnis,<br />

daß er Schönberg die entscheidenden Anstöße und Anleitung als schöpferischer<br />

Künstler verdankte, wie auch den Ansporn, seine eigene, individuelle Bahn<br />

abzustecken, verband ihn mit dem Lehrer für immer in Dankbarkeit und Treue. Es<br />

erscheint paradox, daß <strong>Webern</strong>, je eigenwilliger er in seine musikalische Sprache<br />

hineinwuchs, desto überschwenglicher seine persönliche Dankesschuld dem Manne<br />

gegenüber zum Ausdruck brachte, der ihm den Weg seiner künstlerischen<br />

Bestimmung gewiesen hatte.<br />

Nach dem Abschluß seines Universitätsstudiums hatte <strong>Webern</strong> eigentlich die<br />

Dirigentenlaufbahn einschlagen wollen. Aber abgesehen <strong>von</strong> ein paar vagen<br />

Hinweisen in seinen Briefen an Schönberg gibt es keinen greifbaren Beleg für eine<br />

Tätigkeit auf diesem Gebiet bis zum Sommer 1908. Wenn er irgend eine<br />

Verbindung mit dem Theater vor diesem Zeitpunkt hatte, dann wahrscheinlich nur<br />

als Repetitor-Assistent an der Volksoper, dem zweiten Wiener Opernhaus nach der<br />

Hofoper. Dieses Institut wird in den Briefen wiederholt erwähnt, und die Tatsache,<br />

daß Schönbergs Schwager Zemlinsky dort 1906-1908 Erster Kapellmeister war,<br />

90


spricht für die Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit <strong>Webern</strong>s. Welche Verbindung<br />

auch immer er während seiner letzten zwei Studienjahre bei Schönberg mit dem<br />

Theater gehabt haben mag, sie war ganz sicher auf gelegentliche Arbeit beschränkt.<br />

Die Flut <strong>von</strong> Kompositionen, die während dieser Zeit aus seiner Feder floß, deutet<br />

darauf hin, daß er in der Hauptsache schöpferisch absorbiert war.<br />

Im Sommer 1908 erhielt <strong>Webern</strong> ein Angebot für ein Engagement in Bad Ischl,<br />

einem eleganten Kurort.1Seine Funktionen waren die eines Repetitors, Chordirektors<br />

und Hilfsdirigenten sowie des Zweiten Kapellmeisters des Kur Orchesters. Kurz<br />

auf den Beginn der Arbeit folgte die Ernüchterung, und mit größtem Abscheu<br />

schrieb <strong>Webern</strong> Ernst Diez am 17. Juli: „Es wäre mir außerordentlich recht wenn<br />

Du kämst. Du erleichtertest mir den Aufenthalt in dieser Hölle. Meine Tätigkeit ist<br />

schrecklich. Ich finde keinen Ausdruck für so ein Theater. Aus der Welt mit solchem<br />

Treck! Welche Wohltat wäre der Menschheit getan, vernichtete man sämtliche<br />

Operetten, Possen, Volksstücktheater, dann fällt niemanden mehr ein, daß er um<br />

jeden Preis ein derartiges ,Kunstwerk“zustand bringen muß. Wenn man, so wie ich,<br />

den ganzen Tag mit diesem Zeugs zu thun hat, kann man wahnsinnig werden. Aber<br />

durch die Hölle ins Fegefeuer und schließlich in den Himmel. So muß ich diesen Weg<br />

gehn. Ich habe sehr viel zu thun. Vom Komponieren ist also keine Rede. Dirigiert<br />

habe ich noch nicht. Das besorgt der ,erste“. Aber vielleicht komme ich bald einmal<br />

dazu.“<br />

<strong>Webern</strong>s Reaktion auf sein erstes nachweisbares professionelles Engagement<br />

wirft bereits modellartig die Schatten voraus auf das, was sich im Verlauf der<br />

nächsten fünf Jahre abspielen sollte. Sein Idealismus, seit frühester Jugend genährt<br />

und durch die enge Verbindung mit Schönberg intensiviert, mußte für immer mit<br />

den harten Realitäten des Theatergeschäfts kollidieren. Wie es ihm im weiteren<br />

Verlauf seiner Tätigkeit in Bad Ischl ergangen ist, ist nicht bekannt; aber im Herbst<br />

war er wieder zurück in Wien, um die Uraufführung seiner Passacaglia vorzubereiten.<br />

Am 4. November trat er ans Dirigentenpult im Großen Musikvereinssaal, um<br />

sein Werk aus der Taufe zu heben. Im Herbst desselben Jahres entschloß sich<br />

W eberns Vater mit Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit, seine hohe<br />

Position im Ministerium aufzugeben; bald danach löste er seinen Wiener Haushalt<br />

auf und zog sich auf den Preglhof zurück. So wurde es für seinen Sohn unumgänglich,<br />

auf eigenen Füßen zu stehen. Um seine Chancen für eine Anstellung zu verbessern,<br />

reiste <strong>Webern</strong> nach Berlin. Am 8. Dezem ber berichtete er Schönberg: „Gestern war<br />

ich bei einem Agenten. Natürlich nichts, kaum eine Aussicht. Er sagte, hier laufen<br />

bekannte Dirigenten ohne Engagement herum. —Wegen Braunschweig weiß ich<br />

auch noch nichts.“<br />

Wenn W ebern auch im eigentlichen Zweck seiner Reise keinen Erfolg hatte,<br />

dämpfte das seinen Eifer nicht, jeder kulturellen Anregung nachzugehen, die sich<br />

ihm in der deutschen H auptstadt bot. Seine Tage in Berlin waren angefüllt mit<br />

Konzerten, Opern und Schauspielen. E r beschrieb Schönberg in allen Einzelheiten<br />

so verschiedenartige Eindrücke, wie eine Probe der Königlichen Kapelle unter<br />

Richard Strauss, das Plüsch-Interieur der Kammerspiele oder eine Meistersinger-<br />

Aufführung unter Leo Blech. Sein größtes Erlebnis jedoch war Debussys Oper<br />

91


unglückselige Affäre mit keinem Wort. Das ist typisch für <strong>Webern</strong>s Reagieren auf<br />

alle schicksalhaften Erlebnisse in seinem Leben. Er verdrängte sie aus seinem<br />

Bewußtsein, er vermied es, jemals wieder über sie zu sprechen. Allerdings hat er 17<br />

Jahre später (am 14. Dezember 1926) die Innsbrucker Episode wiedererwähnt, als<br />

er seinen Schüler Ludwig Zenk in einem Brief beschwor, die verhaßte Position am<br />

Theater <strong>von</strong> Znaim nicht aufzugeben: „Ich bitte Sie, was immer Vorkommen mag:<br />

durchhalten. Ich jammerte einst <strong>von</strong> Innsbruck aus Schönberg vor; da schrieb er mir<br />

Strindbergs Devise: ,Durchstreichen u. weitergehn.‘ Ich folgte nicht, d.h. strich so<br />

gründlichst durch, daß ich mich eines Nachts da<strong>von</strong> machte. Drum glauben Sie mir:<br />

machen Sie nur das nicht nach. Die halbe Saison ist ja bald vorüber. Ärgern Sie sich<br />

nicht zu viel. Und wenn Sie das Schlafen und Essen aufgeben, es wird kein<br />

anständiger Tenor aus dem Individuum, das Sie da haben, oder aus dieser o. jener<br />

Sängerin. Es nützt nichts. Erinnern Sie sich, was ich Ihnen <strong>von</strong> Mahler erzählte. Als<br />

einst der Bassist Kraus in der Zauberflöte gastierte, nahm der alle Tempi viel<br />

langsamer als Mahler es wollte. Da fand dieser den Ausweg, die ganze Oper<br />

langsamer zu musizieren. Das mußte ein Mahler an der Hofoper in Wien thun. Und<br />

der Herr Demuth, der nicht den neuen <strong>von</strong> Roller entworfenen Bart des Wotan<br />

tragen wollte, behielt auch recht, u. s. w. Da ist nichts zu machen. Was hat Mahler in<br />

Hamburg unter Pollini zu leiden gehabt durch viele Jahre. Also Geduld, Geduld!“<br />

Die Weisheit, die <strong>Webern</strong> seinem früheren Schüler predigen konnte, hatte er aus<br />

den bitteren Erfahrungen vieler Jahre gelernt. Zur Zeit seiner Flucht aus Innsbruck<br />

jedoch empfand er nur zornige Verbitterung. Bezeichnenderweise begab er sich, um<br />

sein seelisches Gleichgewicht wiederzuerlangen, auf eine Bergtour, sein Leid der<br />

reinigenden Höhenluft der Alpen zu überantworten. Wieder auf den Preglhof<br />

zurückgekehrt, harrte seiner eine weitere Widerwärtigkeit: die Aussichten auf eine<br />

Stellung in Mannheim waren plötzlich entschwunden. „Jetzt sitze ich wieder in der<br />

Tinte“, schrieb er Schönberg am 28. Juli, nur drei Tage nach seinem verzweifelten<br />

Aufschrei aus Innsbruck. „Der Direktor aus Mannheim ist seiner Stellung enthoben<br />

und somit sämtliche Mitglieder und auch ich. Also wieder ohne Stelle. Jetzt kann der<br />

Treck <strong>von</strong> vorn angehn. . . Ich bin heute vom Hochobir4 heruntergekommen. Und<br />

jetzt diese blödsinnige Nachricht. Wenn man ins Tal steigt; droben soll man<br />

bleiben.“<br />

Trotz des Debakels in Innsbruck und seiner fortgesetzten hektischen Bemühungen,<br />

für die kommende Spielzeit eine Stellung zu finden, machte W ebern den<br />

Sommer 1909 zu einem schöpferisch äußerst fruchtbaren; sein Drang zu komponieren<br />

überwog offensichtlich jegliche Sorgen um seine Zukunft. Den Fünf Sätzen für<br />

Streichquartett folgten mehrere Liedvertonungen <strong>von</strong> Texten <strong>von</strong> Stefan George<br />

und der vollständige Entwurf der Sechs Stücke für Orchester. <strong>Webern</strong>s Hochstimmung<br />

über seine künstlerische Fruchtbarkeit wurde nur durch das Auf und Ab bei<br />

der Jagd nach einer Anstellung gedämpft. Mehrere Agenten versorgten ihn mit<br />

Hinweisen auf Theater in Troppau und Marburg an der Drau, und sein Freund<br />

Jalowetz mit einem weiteren auf Koblenz. Schönberg war beunruhigt über <strong>Webern</strong>s<br />

Schwierigkeiten, sich zu etablieren, und als er <strong>von</strong> der Vakanz in Koblenz erfuhr,<br />

machte er ihm harte Vorwürfe, daß er es versäumt habe, sich telegrafisch zu<br />

94


ewerben. Überempfindlich gegenüber jeglichem Tadel <strong>von</strong>seiten seines Meisters,<br />

verteidigte sich <strong>Webern</strong> umständlich. Eine siebenseitige Epistel vom 30. August<br />

1909 zeugt <strong>von</strong> seinem zwangvollen Bedürfnis, Schönbergs Ärger zu zerstreuen; um<br />

das zu erreichen, ging er buchstäblich vor ihm in die Knie. Ein unterwürfiges<br />

Postskript lautet: „Glauben Sie mir Herr Schönberg, dies eine bemüh’ ich mich<br />

immer: Distanz halten, Achtung, nichts ist selbstverständlich. Ehrerbietung<br />

Die Bemerkungen untersteichen die autokratische Stellung, die Schönberg im<br />

Kreis seiner Schüler einnahm. Als Gegenleistung für ihre bedingungslose Verehrung<br />

und Loyalität konnten seine Jünger jeglichen Nutzen daraus ziehen, der<br />

Umgebung eines Mannes anzugehören, der den führenden Köpfen der Epoche<br />

verbunden war. So war es <strong>Webern</strong> vergönnt gewesen, schon im ersten Jahr seiner<br />

Studien bei Schönberg mit Gustav Mahler, mit dem Schönberg intim befreundet<br />

war, persönliche Bekanntschaft schließen zu können.<br />

Als Mahler am 9. Dezember 1907 nach Amerika ging, half <strong>Webern</strong>, eine<br />

improvisierte Abschiedsdemonstration zu organisieren, nachdem die Llofoper es<br />

unterlassen hatte, einen offiziellen Akt zu Ehren ihres scheidenden Direktors nach<br />

einem Jahrzehnt künstlerischer Triumphe unter seiner Leitung zu arrangieren. Ein<br />

Komittee unter <strong>Webern</strong>s Vorsitz ließ die folgende Einladung an einen ausgewählten<br />

Personenkreis ergehen:<br />

Euer Hochwohlgeboren!<br />

Die Verehrer Gustav Mahlers versammeln sich zum Abschied am Montag, d. 9.<br />

vor ’/?. 9 Uhr früh am Perron des Westbahnhofs und laden Sie ein, dort zu<br />

erscheinen und Gleichgesinnte da<strong>von</strong> zu verständigen. Da Mahler mit dieser<br />

Kundgebung überrascht werden soll, erscheint es dringend geboten, Personen,<br />

die der Presse nahestehen, nicht ins Vertrauen zu ziehen.<br />

Dr. <strong>Anton</strong> v. <strong>Webern</strong><br />

Dr. Paul Stefan<br />

Dr. Karl Horwitz<br />

Heinrich Jalowetz<br />

Diese Einladung gab den Anstoß, daß sich an die 200 Verehrer Mahlers, unter ihnen<br />

viele führende Persönlichkeiten der geistigen und künstlerischen Kreise Wiens, auf<br />

dem Bahnhof einfanden, um ihm ihre Huldigung darzubringen. Diese Kundgebung<br />

<strong>von</strong> Loyalität mußte herzerwärmend auf Mahler gewirkt haben, nachdem er seine<br />

mächtige Position aufgrund lange schwelender Intrigen aufgegeben hatte.<br />

Mahler kehrte regelmäßig für die Sommerferien in seine Heimat zurück. Bei<br />

einem dieser Besuche trug sich eine Episode zu, für die Willi Reich Alban Berg als<br />

Zeugen anführt. Mahler, so wird berichtet, lud eines Abends Zemlinsky und<br />

Schönberg ein, ihn im Grinzinger Gasthof „Zum Schutzengel“ zu treffen und auch<br />

die „jungen Leute“ mitzubringen, da es ihm Freude machte, mit ihnen zusammen zu<br />

sein. „Sie kamen“, schreibt Willi Reich, „fanden ein abgesondertes Zimmer und<br />

lauschten. Denn Mahler sprach, sprach fast allein; und kaum traute sich einer, ein<br />

Wort einzuwerfen. Es dauerte nicht lange, da war er bei seinem verehrten<br />

Dostojewskij. Aber es zeigte sich, daß er nicht recht verstanden wurde, denn die<br />

wenigsten kannten Dostojewskij genauer. Und er: ,das müssen Sie ändern,<br />

95


Schönberg! Lassen Sie Ihre Schüler Dostojewskij lesen, das ist wichtiger als<br />

Kontrapunkt!“- Stille. - Dann hob <strong>Webern</strong> die Hand wie ein kleiner Volksschüler<br />

und sagte ganz zart:,Bitte, wir haben ja den Strindberg.1Allgemeines Gelächter.“5<br />

<strong>Webern</strong> hielt es für seine Pflicht, Schönberg zu Hilfe zu kommen, selbst wenn das<br />

bedeutete, einem Mann wie Mahler öffentlich zu widersprechen. Daß er Strindberg<br />

als literarisches Idol hochhielt, war das Ergebnis seiner intensiven Beschäftigung mit<br />

dem Werk dieses Autors. 1908 hatte er in einem Brief an Ernst Diez vom 17. Juli mit<br />

glühenden Worten seine Entdeckung „dieses wundervollen Dichters“ beschrieben,<br />

der eine so „wundervolle Intelligenz“ besaß, dessen „unerhörtes Blaubuch, etwas<br />

ganz großartiges!“ er gerade las, nachdem er Das rote Zim mer und Schwarze Fahnen<br />

in sich aufgesogen hatte. Während des Sommers 1909 las er Gespenstersonate und<br />

Ein Traumspiel und berichtete Schönberg <strong>von</strong> dem ungeheueren Eindruck, den sie<br />

auf ihn gemacht hatten. Sein Enthusiasmus für Strindberg sollte noch viele Jahre<br />

andauern.<br />

Der schwedische Schriftsteller war nur einer aus einer Reihe zeitgenössischer<br />

Autoren, die die Sympathien der musikalischen Avantgarde der Zeit auf sich zogen.<br />

Schönberg unterhielt enge Beziehungen zu dem brillanten Essayisten und Dichter<br />

Karl Kraus, einer der führenden Persönlichkeiten der Wiener Intelligenz, und es war<br />

Schönberg, der <strong>Webern</strong> mit Kraus bekannt machte. <strong>Webern</strong> verdankte es ebenfalls<br />

Schönberg, daß er mehrere Maler kennenlernte, die später Weltruhm erlangen<br />

sollten. Schönberg selbst betätigte sich als M aler und erzielte in diesem Medium<br />

einen Stil und eine expressive Kraft, die eine eigene charakteristische Note trugen.<br />

Sein Schaffen hatte bereits einen solchen Umfang angenommen, daß eine<br />

Ausstellung seiner Arbeiten Anfang Oktober 1910 in der Buchhandlung Hugo<br />

Heller gezeigt werden konnte. Zur Eröffnung spielten die Roses Schönbergs<br />

Streichquartette op. 7 und 10. Bei diesem Anlaß kaufte Gustav Mahler, dem<br />

Schönbergs finanzielle Notlage bekannt war, drei der Gemälde, bat sich aber aus,<br />

daß sein Name nicht genannt werden dürfe. (Erst nach Mahlers Tod enthüllte<br />

<strong>Webern</strong> Schönberg das Geheimnis.) Fest überzeugt vom künstlerischen Niveau<br />

seiner Arbeiten, verkehrte Schönberg mit Malern wie Gustav Klimt, Oskar<br />

Kokoschka, Egon Schiele und Emil Stumpp, die auch <strong>Webern</strong> alle näher<br />

kennenlernte. Die drei letztgenannten wurden auch tatsächlich <strong>Webern</strong>s Porträtisten,<br />

W ebern war auch mit dem Maler Max Oppenheimer („Mopp“)6 befreundet -<br />

sie duzten sich sogar- und als Mopp ihm im Frühjahr 1909 ein Bild schenkte, schrieb<br />

ihm <strong>Webern</strong> am 28. April auf seine charakteristische Art: „Ich bin immer auf’s<br />

Heftigste bemüht, eine Kunstleistung zu würdigen. Es ist mir kaum etwas ekelhafter<br />

als die Selbstverständlichkeit, die der Philister einem Kunstwerk entgegenbringt.<br />

Also bitte: glaub in dieser traurigen, verlogenen Welt an meine Aufrichtigkeit.“<br />

Eine derartige Loyalitätserklärung einem Künstlerkollegen gegenüber reflektierte<br />

den Geist der Gruppe. Alle ihre Mitglieder verstanden sich als Kampfgefährten<br />

gegen die erbitterte Opposition, die ihre avantgardistischen Bestrebungen so oft<br />

hervorriefen. Die Solidarität der Gruppe teilten Männer verschiedenster Couleurs<br />

wie Adolf Loos, der Architekt, oder Peter A ltenberg7, der Dichter, der besonders<br />

Alban Bergs Freund war.<br />

96


Am 30. August 1909 schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg, daß er um die Septembermitte<br />

nach Wien zurückkehren werde. Nach diesem Brief bricht die Korrespondenz bis<br />

zum Frühjahr ab. So sind Daten über <strong>Webern</strong>s Aktivitäten während des Winters<br />

1909/10 dünn gesät. Der Theaterband 1909 der Wiener Volksoper führt seinen<br />

Namen zusammen mit dem Alexander <strong>von</strong> Zemlinskys, gibt aber keinen Aufschluß<br />

darüber, worin seine Tätigkeit bestand. Wahrscheinlich assistierte er als Korrepetitor.<br />

Nachdem seine Familie die Wiener Wohnung aufgegeben hatte, mußte <strong>Webern</strong><br />

zum ersten Mal für sich allein leben. Ein Brief seines Vaters vom 2. Januar 1910<br />

enthüllt, daß er seinen Sohn finanziell unterstützte. Dieses Weihnachten konnte<br />

<strong>Webern</strong> wegen seiner Theaterdienste nicht wie gewohnt die Feiertage auf dem<br />

Preglhof verbringen. Besorgt um sein Wohlergehen, gab ihm sein Vater den Rat:<br />

„Ich bitte Dich aber auch dringendst, stets auf Deine Gesundheit bedacht zu sein,<br />

d. h. Dich ordentlich zu nähren u. zu kleiden und Dich nicht zu sehr anzustrengen!<br />

Wenn der Direktor so schmutzig ist und Dir nichts zahlt, dann sollst Du Dir<br />

wenigstens den Dienst etwas erleichtern. Ich möchte ihm z. B. sagen, daß Du nicht<br />

jeden Abend bei der Vorstellung sein kannst, da Du genötigt bist, Dir anderwärts<br />

etwas zu verdienen u. hierfür mindestens 3 Abende in der Woche benötigst. Sollen<br />

die ändern Korrepetitoren Bühnendienst machen, die dafür bezahlt werden, Du<br />

leistest ja genug, wenn Du bei Tag die Proben haltest! Wenn Du gefragt wirst, wie<br />

Du Dir etwas verdienen kannst, so sage: durch Stunden geben. . . . Wenn Du die<br />

Kapellmeisterstelle an der Volksoper in Berlin erhalten würdest, wäre es wohl sehr<br />

schön. Wäre es nicht gut, wenn Dir der Zemlinsky ein Zeugnis über Deine<br />

gegenwärtige Verwendung ausstellen möchte?“<br />

Am 14. Januar 1910 wirkte <strong>Webern</strong> in einem Konzert mit, das unter dem Patronat<br />

des Vereins für Kunst und Kultur veranstaltet wurde. Das Programm des Abends<br />

brachte die ersten öffentlichen Aufführungen <strong>von</strong> Schönbergs Drei Klavierstücken<br />

op. 11, des Liederzyklus’ Das Buch der hängenden Gärten op. 15 nach Gedichten<br />

<strong>von</strong> Stefan George und einer Klaviereinrichtung eines Ausschnitts der noch immer<br />

unvollendeten Gurrelieder, (Dieses gigantische, 1900 begonnene Vorhaben war<br />

1903 beiseite gelegt worden; dann aber ermutigte der Erfolg der Aufführung des<br />

Ausschnitts den Komponisten, noch im kommenden Sommer die Vollendung der<br />

Partitur in Angriff zu nehmen.) Schönberg hatte <strong>Webern</strong> die Reduzierung (für zwei<br />

Klaviere achthändig) des Orchester Vorspiels und der Zwischenspiele anvertraut.<br />

Das war die erste in einer Reihe <strong>von</strong> Transkriptionen, die er ihm im Lauf der Jahre<br />

übertrug. Die Pianisten der historischen Aufführung waren außer W ebern selbst<br />

Etta Werndorff, Dr. Rudolf Weirich und Arnold Winternitz.<br />

M ehrere Monate nach dem Konzert, am 10. April, schickte <strong>Webern</strong> Schönberg<br />

seine erste schriftliche Nachricht seit dem vorangegangenen Sommer. Zusammen<br />

mit der Ankündigung seines Besuchs für den kommenden Abend bemerkte er<br />

geheimnisvoll: „Ich muß Ihnen viel erzählen. Für mich ist ein Tag schrecklicher<br />

als der andere.“ Die Klage mag vielleicht mit seiner Theaterarbeit zu tun gehabt<br />

haben.<br />

Wenig später erhielt W ebern ein Engagement als Zweiter Kapellmeister am<br />

Stadttheater in Teplitz, einem bekannten Kurort in Nordböhmen, Schauplatz der<br />

97


erühmten Begegnung zwischen Beethoven und Goethe im Jahr 1812. Er fand den<br />

Badeort wunderschön und sein Quartier im Haus <strong>von</strong> Johann Korb am Stephansplatz<br />

14 sehr hübsch. Aber in seinem Brief an Schönberg vom 13. Mai schätzte er<br />

seine Aussichten für die Zukunft recht trübe ein: „Es kommt mir immer<br />

unwahrscheinlicher vor, daß ich beim Theater bleiben soll. Es ist alles so schrecklich.<br />

. . . Ich kann auch kaum in der Fremde sein.“ Die darauffolgende Postkarte vom<br />

19. Mai zeigte eine deutliche Besserung seiner Gemütsverfassung. Es waren ihm<br />

mehrere Dirigate zugeteilt worden, darunter Leo Falls Geschiedene Frau und<br />

Dollarprinzessin. Er rechnete auch mit der Leitung der Fledermaus <strong>von</strong> Strauß und<br />

freute sich ganz besonders darauf, Schumanns Bühnenmusik zu Byrons Drama<br />

Manfred dirigieren zu dürfen.<br />

Alles stand zum Besten, als <strong>Webern</strong> am 25. Mai wieder schrieb. Er hatte sein<br />

Dirigentendebüt in der Geschiedenen Frau hinter sich und die Presse lobte seine<br />

„feinsinnige, liebevolle Leitung“ der Operette. „Beim Dirigieren ist es mir sehr gut<br />

gegangen“, berichtete er. „Mir ist gar nichts passiert. Samstag habe ich den<br />

,Walzertraum‘ [Oscar Straus].Das Orchester ist gut, nur sehr klein. Im Sommer<br />

bewilligt die Stadt nur 22 Mann. . . Ich bin nur neugierig, was mit den Opern sein<br />

wird . . . Denn mit der Besetzung führe ich keine Puccini-Oper auf. Die Sänger<br />

sollen engagiert sein. Von Juli bis August. Nächste Woche habe ich ,Dollarprinzessin*<br />

und geschiedene Frau1. Dann ,Luxemburg1 [Der Graf <strong>von</strong> Luxem burg <strong>von</strong><br />

Franz Lehar], Bis zum Herbst werde ich schon viel Routine haben. Wenn man<br />

einmal dirigiert, ist das probieren auch ganz anders. Die Verantwortlichkeit erhöht<br />

die Lust. Das Personal ist sehr nett und macht alles was ich will. Ich habe den Winter<br />

wieder viel gelernt. Ich bin unbedingt schon oben auf.“<br />

Eine Postkarte an Alban Berg vom gleichen Tag zeigt W ebern ebenfalls in bester<br />

Stimmung, die nicht einmal sein Pensum schaler Operetten beeinträchtigen konnte.<br />

Aber seine Erwartung, daß er seine Fälligkeiten bald an größeren Aufgaben werde<br />

erproben können, wurde über Nacht zunichte gemacht; denn das Engagement in<br />

Teplitz, wie das in Innsbruck, endete in plötzlichem und völligem Fiasko, ln seinem<br />

Brief an Schönberg <strong>von</strong> Klagenfurt am 14. Juni kommt <strong>Webern</strong> alsbald zum Thema:<br />

„Die Sache in Teplitz war die: Ich habe mit einem Gast aus Berlin die<br />

,Dollarprinzessin1gehabt. Tags darauf hat er sich beim Direktor beschwert, ich gebe<br />

ihm keine Einsätze und wenn ich die nächste Vorstellung (,geschiedene Frau1)<br />

dirigiere, müsse er eine Orchesterprobe haben. Nun war aber diese Operette mir<br />

zugeteilt; ich hatte sie schon vorher dirigiert. Da aber am Tage der Aufführung keine<br />

Orchesterprobe (und vorher auch nicht) möglich war, so hat mir der Direktor die<br />

Operette weggenommen. Das ist doch kein Vorgehn eines Direktors. Entweder ist<br />

dem Gast der Kapellmeister recht oder er wird hinausgeworfen. Der Direktor ist<br />

doch für den Kapellmeister den er engagiert hat, verantwortlich. Und dieser Mensch<br />

sagt mir ohne weiteres, als wie wenn das selbstverständlich wäre, da müsse ich<br />

zurückstehn. Ohne jede weitere Erklärung. Das hat mich so in die Wut gebracht, daß<br />

ich da<strong>von</strong> bin. Ohne jede weitere Auseinandersetzung. Dabei war die Aufführung<br />

der ^ollarprinzessin1<strong>von</strong> meiner Seite aus ganz tadellos und auch sonst für die<br />

kurze Zeit der Proben ganz gut. Die Kritik hat wieder ganz besonders mich<br />

98


hervorgehoben. Also dieses Benehmen des Direktors war ganz grundlos. Außerdem<br />

hat man mir <strong>von</strong> zwei Seiten erzählt, daß das Orchester so gut <strong>von</strong> mir spricht. Und<br />

die Sänger waren ja begeistert <strong>von</strong> mir und jemand hat mir erzählt, daß die Sänger<br />

alle mich dem anderen vorgezogen haben. Und dann dieses Vorgehn vom Direktor.<br />

Scheußlich!. . . Wenn ich ein gutes Winterengagement bekomme, ist ja nichts<br />

verloren. Im Gegenteil: jetzt kann ich im Sommer arbeiten. Glauben Sie mir: den<br />

Sommer über auch nicht arbeiten zu können, das war mir etwas ganz furchtbares.“<br />

Die Affäre <strong>von</strong> Teplitz ist ein weiteres Glied in der Kette <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s glücklosen<br />

Erfahrungen mit dem Theater. Bereits in demselben Brief, in dem er sein jüngstes<br />

Unglück schildert, bittet <strong>Webern</strong> Schönberg völlig unbeirrt um seinen Beistand bei<br />

einem Engagement ans Hoftheater in Mannheim als Chordirektor (Schönbergs<br />

Freund Artur Bodanzky war Generalmusikdirektor des Theaters und Zemlinsky<br />

war <strong>von</strong> Wien dorthin gegangen). Während <strong>Webern</strong> auf eine Vakanz wartete, hatte<br />

er sich für einen weiteren produktiven Sommer auf dem Preglhof niedergelassen.<br />

Am 23. Juni berichtete er Schönberg: „Ich habe hier schon etwas gearbeitet: einen<br />

Cyklus <strong>von</strong> 4 Stücken für Violine und Klavier.“ Die Genugtuung, wieder zu<br />

komponieren, entschädigte ihn für sein Versagen in Teplitz. „Oft betrübt’s mich,<br />

daß ich dort durch bin,“ fährt er fort, „aber ich bin doch froh, daß ich hier arbeiten<br />

und auf diesem Wege wieder weiter denken kann.“ Der Ertrag dieses Sommers<br />

waren, außer den Vier Stücken für Geige und Klavier op. 7, zwei Orchesterlieder<br />

nach Gedichten <strong>von</strong> Rilke op. 8. Es entstanden auch Skizzen zu einer Oper nach<br />

Maeterlincks Sieben Prinzessinnen. <strong>Webern</strong>s Arbeit an diesem Vorhaben wurde<br />

jedoch unterbrochen durch einen Auftrag <strong>von</strong> Schönberg, der ihn bat, einen<br />

Klavierauszug seiner Sechs Orchesterlieder op. 8 anzufertigen. (Alle diese Werke<br />

werden im folgenden Kapitel besprochen werden.)<br />

Daß W ebern seine Musik als integral mit seinem Ethos verbunden verstand,<br />

machen einige Bemerkungen an Schönberg deutlich, die am 10. August in<br />

Klagenfurt zu Papier gebracht wurden. Kurz vor dem Aufbruch zu einer Bergtour<br />

mit seinem Schwager Paul Clementschitsch schrieb <strong>Webern</strong>: „Ich werde den Triglav<br />

in Krain besteigen, ein sehr hoher Berg und ziemlich schwierig. Vielleicht finden sie<br />

es lächerlich, daß ich so was thue, aber: das seltsame auf den Höhen der Berge,<br />

dieses zarte und reine, das zieht mich. Das Gehen ist ja fad - aber oben! Eine Gefahr<br />

besteht für mich: ich entrinne mehr und mehr - dem T heater8, dem Umgang mit<br />

Menschen überhaupt. Ich bin so unangenehm berührt, daß ich <strong>von</strong> unserm Gut weg<br />

bin; im Zug dieser Menschen. Ich verstehe das alles kaum mehr oder nur zu gut. Die<br />

Einsamkeit und das Ringen mit Gott. Allen Treck abstreifen. Wie ich an meine<br />

W erke gedacht habe, ist mir wohler geworden. Es ist mir bewußt geworden, daß sie<br />

gut sind. Ich meine gut auch in anderer Beziehung. Aber vielleicht ist es nur<br />

Täuschung. Es ist noch viel schlechtes an mir. A ber da ich es bereits merke, wird es<br />

wohl bald verschwunden sein.“<br />

Diese Bergtour (bei der der Gipfel erreicht wurde) war die einzige Unterbrechung<br />

<strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Aufenthalt auf dem Preglhof in diesem Sommer. Die ländliche<br />

Abgeschiedenheit erlaubte es ihm, sich in Musik, Literatur und Philosophie zu<br />

versenken. Das Buch Über die letzten Dinge <strong>von</strong> O tto Weininger9 beschäftigte ihn<br />

99


ganz besonders und veranlaßte ihn, Schönberg am 23. Juni zu fragen: „Sagen Sie,<br />

kann man überhaupt Denken und Fühlen als etwas gänzlich verschiedenes<br />

bezeichnen? Ich kann mir keinen großartigen Intellekt ohne die Glut der<br />

Empfindung vorstellen. Bei Weininger ist doch das gewiß so; und bei Strindberg,<br />

Plato, Kant, Kraus?10 Das kommt halt aus dem Menschen heraus, unmittelbar . . .<br />

Ich denke jetzt immer an folgende Männer: Sie, Kokoschka, Mahler, Kraus,<br />

Weininger.“<br />

Bei dem Versuch, seine philosophischen Gedankengänge auf Mahlers Musik<br />

anzuwenden, spekulierte <strong>Webern</strong> zwei Wochen später in einem weiteren Brief an<br />

Schönberg: „Wenn man sein Leben nicht wüßte, man könnte es aus den<br />

Symphonien reconstruieren. Sie müssen doch im engsten Zusammenhang stehen<br />

mit seinen inneren Erlebnissen. Ich sehe auch eine Entwicklung <strong>von</strong> höchster<br />

Naturverehrung zu immer geistigeren, entrückteren Inhalt. Das drängt sich mir<br />

immer wieder auf. Ganz wurst, ob’s stimmt. Aber mir ist dieses unmaterielle am<br />

Kunstwerk wichtiger als etwa die Beobachtung der technischen Fertigkeit. Und bei<br />

Richard Strauss kann ich nur die machen. Bei Mahler kommt sie mir niemals in Sinn.<br />

Dort liegt wohl ebenso der Mensch, wie hier; aber dieses ist das ethisch höhere. Oder<br />

nicht? Aber der Unterschied besteht doch. Ist es kein Wert-Unterschied?“<br />

Mahler war in diesem Sommer 1910 in Toblach und als <strong>Webern</strong> ihm zu seinem 50.<br />

Geburtstag gratulierte, erhielt er eine freundliche Antwort. Auch das wurde, wie<br />

alles andere, was ihn bewegte, mit Schönberg geteilt. Letzterer zog seinerseits<br />

<strong>Webern</strong> in zunehmendem Maße in sein Vertrauen, er hielt ihn auf dem laufenden<br />

über den Fortschritt seiner Harmonielehre und schickte ihm das soeben vollendete<br />

Libretto zu seiner Oper Die glückliche Hand, das vor ihm nur Zemlinsky hatte lesen<br />

dürfen. Er gab auch <strong>Webern</strong> sofort Nachricht, als er in diesem Sommer einen<br />

Lehrauftrag für Komposition an der W iener Akademie erhielt.<br />

Am 27. Juli schrieb W ebern voller Aufregung an Schönberg über „ein fabelhaft<br />

schönes Prosa-Buch <strong>von</strong> Rilke (eben erschienen)“ [Die Aufzeichnungen des Malte<br />

Laurids BriggeJ. Eine Woche später beschrieb er hingerissen das Werk und nahm<br />

Bezug auf einen Absatz, der damals eine tiefe Bedeutung für ihn hatte: „E r macht<br />

z. B. die Unterscheidung zwischen Schicksal und Leben und verbindet den Mann mit<br />

jenem und die Frau mit diesem. . . . Immer übertrifft die Liebende den Geliebten<br />

weil das Leben größer ist als das Schicksal. Ihre Hingabe will unermeßlich sein: dies<br />

ist ihr Glück. Das namenlose Leid ihrer Liebe aber ist immer dieses gewesen: daß<br />

<strong>von</strong> ihr verlangt wird, diese Hingabe zu beschränken.“<br />

Der Eindruck <strong>von</strong> Rilkes Buch auf <strong>Webern</strong> war so unmittelbar und so<br />

übermächtig, daß er spontan zwei kurze, in die Erzählung eingeflochtene Gedichte<br />

vertonte. Diese Verse trafen seine persönliche Situation in dieser Zeit auf<br />

einzigartige Weise. Während der Sommerwochen des Jahres 1910 erreichten seine<br />

Liebesbeziehungen zu Wilhelmine einen kritischen Punkt. Ihre intime Gemeinsamkeit<br />

hatte zu Folgen geführt, die eine Heirat unumgänglich machten. Ihrer beider<br />

Eltern widersetzten sich jedoch einer Verbindung auf das Entschiedenste. Die<br />

Mütter <strong>von</strong> <strong>Anton</strong> und Wilhelmine waren Schwestern, und die Katholische Kirche<br />

untersagte die Heirat <strong>von</strong> Vettern ersten Grades.<br />

100


Die beiden Rilke-Gedichte sind voller Anspielungen auf die Notlage, in der die<br />

jungen Leute sich befanden. So wie die Dinge lagen, gehörten sie einander völlig,<br />

wenn auch eine Vereinigung vor den Augen der Welt unmöglich war. Rilkes Verse<br />

drücken dieses Paradoxon größten Sich-Nahe-Seins in unüberwindbarer Entfernung<br />

aus. Die Gedichte berührten deshalb <strong>Webern</strong> ganz besonders, da er sein<br />

eigenes Dilemma in ihnen reflektiert sah. Und wie jeder wahre Künstler suchte er<br />

Befreiung <strong>von</strong> seinen Nöten in schöpferischer Arbeit.<br />

101


7. Opus 3—8 —Zwei Opernprojekte<br />

(1908-1910)<br />

Am 17. Juli 1908 schrieb W ebern an Ernst Diez <strong>von</strong> Bad Ischl: „D aß Du mir ein<br />

Opernbuch schreiben willst freut mich sehr. Ich glaube, ich habe Dir schon einmal<br />

geschrieben, daß ich mit der Komposition <strong>von</strong> Maeterlincks ,Alladine und<br />

Palomides‘ begonnen habe. Dies wird meine erste Oper. Schönberg ist sehr<br />

zufrieden. Dein Opernbuch kann ja dann die zweite Oper werden. Ich stelle aber<br />

folgende Bedingungen: kein Aufzug, kein Kampf, alles weg was nur irgendwie der<br />

,Illustration“bedarf. Nichts als ein paar Menschen brauche ich. Nur kein Theaterstück.<br />

Maeterlinck schreibt ja bis zu einem gewissen Grade so. Aber noch mehr. Nur<br />

weg <strong>von</strong> dem, was jetzt Theater heißt. Das Entgegengesetzte. Verstehst Du mich?<br />

Wird Dein Buch so, dann ist es mir recht. Alles andere widerstrebt mir im höchsten<br />

Grade.“<br />

Während keinerlei Hinweise vorhanden sind, ob Diez die Anregungen seines<br />

Vetters aufnahm, gibt es Belege für ein O pernprojekt Alladine und Palomides,<br />

dessen Text das zweite der Drei mystischen Spiele <strong>von</strong> Maeterlinck darstellt. (Diese<br />

Triologie <strong>von</strong> Kurzdramen beginnt mit den Sieben Prinzessinnen, denen sich<br />

<strong>Webern</strong> zwei Jahre später zuwandte.) Die mystischen und metaphysischen Schriften<br />

des Belgiers Maurice Maeterlinck übten auf das fin de siede einen großen Einfluß<br />

aus. U nter seinen Werken befinden sich viele kritische Essays, berühmt wurde er<br />

aber in erster Linie durch seine symbolistischen Dramen, <strong>von</strong> denen Pelleas et<br />

Melisande eines der bekanntesten ist. Nachdem Schönberg und Debussy dieses<br />

Sujet bereits verwendet hatten, sah sich W ebern nach einem anderen Maeterlinck-<br />

Text um. Bezeichnenderweise wählte er das kurze Stück Alladine und Palomides -<br />

ein Drama, dessen Substanz und Symbolismus mit Pelleas et Melisande eng<br />

verwandte Züge aufweist, jedoch zwei Jahre früher entstanden ist.<br />

Nach <strong>Webern</strong>s optimistischem Bericht an Diez zu schließen, schien das Vorhaben<br />

schon ziemlich weit gediehen zu sein. Doch hat nur ein einziges Skizzenblatt mit<br />

einem kurzen Vorspiel und dem Anfang des Monologs des Ablarnore, mit dem der I.<br />

Akt beginnt, überlebt. Das Szenarium deckt sich mit Maeterlincks Stück. Angaben<br />

über die Instumentation (Oboe, gedämpfte Posaune, Pauken) erscheinen bereits in<br />

der verkürzten Partitur. Die Skizze trägt die Tonartenvorzeichnung <strong>von</strong> drei<br />

Kreuzen, ein erwähnenswertes Detail, nachdem das Jahr 1908, in dem sie<br />

entstanden ist, die Periode der „Atonalität“ einleitet, über die bald zu sprechen sein<br />

wird. Andere Werke dieses Jahres - drei der fünf Dehmel-Lieder, die Passacaglia<br />

und das Chorstück Entflieht auf leichten Kähnen —verwenden ebenfalls noch<br />

Vorzeichen, während die George-Lieder mit Ausnahme <strong>von</strong> einem keine mehr<br />

haben. Jahre später (in einem am 12. Februar 1932 gehaltenen Vortrag) sagte<br />

<strong>Webern</strong> selbst <strong>von</strong> dieser Phase des Übergangs, daß das Vorhandensein oder Fehlen<br />

102


<strong>von</strong> Vorzeichen aufgehört hatte, ein Kriterium für eine bestimmte Tonalität zu sein.<br />

„Es haben sich“, so führte er aus, „in dieser musikalischen Materie neue Gesetze<br />

geltend gemacht, die es ausgeschlossen haben, ein Stück als in der oder jener Tonart<br />

stehend zu bezeichnen.“ 1<br />

Mit den 14 Vertonungen <strong>von</strong> Gedichten <strong>von</strong> Stefan George für Singstimme und<br />

Klavier überschritt <strong>Webern</strong> bewußt die Grenzlinie, die die funktionelle Tonalität<br />

<strong>von</strong> der noch unerforschten Domäne der „Atonalität“ trennte. Dieser kontroverse<br />

Terminus, wenngleich als Fehlbezeichnung erkannt, wurde ganz allgemein, wenn<br />

auch widerstrebend, angewandt, wenn es galt, die harmonische Situation zu<br />

bestimmen, die sich ergab, sobald sich die üblichen Praktiken der traditionellen<br />

Harmonie als zunehmend überholt darstellten. (Schönbergs Vorschlag des Begriffs<br />

„Pantonalität“ fand keine Gegenliebe.) Der auffallendste Zug der Atonalität war,<br />

nach einem <strong>von</strong> Schönberg geprägten Ausdruck, die „Emanzipation der Dissonanz“,<br />

die die Einführung der Dissonanz als einen neuen Bestandteil, wenn nicht<br />

sogar als Prinzip des Klanges herausstellte. Diese Entwicklung kam eher einem<br />

allmählichen Übergang gleich als einem plötzlichen Einbruch. Eine Tendenz zur<br />

Atonalität kündigte sich bereits in der Musik Alexander Skrjabins und den<br />

Spätwerken Max Regers an und tritt ebenfalls in den Frühwerken Bela Bartöks in<br />

Erscheinung. Es war aber das vereinte Bemühen <strong>von</strong> Schönberg, <strong>Webern</strong> und Berg,<br />

das eine völlige Bewußtwerdung und die hiermit verbundene Artikulation des neuen<br />

harmonischen Konzepts beschleunigte. Zu seinen Merkmalen gehörte eine gleitende<br />

Chromatik sowie das Fehlen <strong>von</strong> Dreiklängen, was zur Folge hatte, daß<br />

Analyse im konventionellen Sinne nicht länger anwendbar war.<br />

In einem anderen Vortrag (am 15. Januar 1932) gibt <strong>Webern</strong> eine anschauliche<br />

Beschreibung dieser Phase der Transformation und ihrer Folgen: „Dadurch, daß<br />

man die Kadenzen immer reicher gestaltete, daß man statt der Akkorde der vierten,<br />

fünften und ersten Stufe immer mehr und mehr deren Stellvertreter nahm und diese<br />

dann auch noch alterierte, kam es zur Sprengung der Tonalität. Die Stellvertreter<br />

wurden immer selbständiger. Es war die Möglichkeit gegeben, da oder dort in eine<br />

andere Tonalität hineinzukommen. Die Stellvertreter wurden so beherrschend, daß<br />

das Bedürfnis verschwand, wieder in die Haupttonart zurückzukehren. ‘‘ '<strong>Webern</strong><br />

ging dann auf das Grundproblem ein: „Wohin man zu gehen hat, und ob man<br />

überhaupt noch zurück soll in die durch die traditionelle Harmonik gegebenen<br />

Verhältnisse? - solche Betrachtungen haben uns das Gefühl gegeben: ,Wir<br />

brauchen diese Verhältnisse nicht mehr, unser Ohr ist befriedigt auch ohne<br />

Tonalität!1- Die Zeit war einfach reif für das Verschwinden der Tonalität. Das war<br />

natürlich ein heißer Kampf, da waren Hemmungen der fürchterlichsten A rt zu<br />

überwinden, eine Angst: ,Ist denn das möglich?“- Und so kam es, daß allmählich<br />

fest und bewußt ein Stück dann nicht mehr in einer bestimmten Tonalität<br />

geschrieben wurde. Hier redet einer, der alle diese Dinge erlebt und mitgekämpft<br />

hat. Alle diese Ereignisse überstürzten sich, ereigneten sich für uns unbewußt und<br />

intuitiv. Und noch nie ist in der Musik ein solcher Widerstand geleistet worden, wie<br />

gegen diese Dinge. Es ist natürlich unsinnig, m it,sozialen“Einwänden zu kommen.<br />

Warum verstehen die Leute das nicht? Es war für uns ein Vorstoß, der gemacht<br />

103


werden mußte, ein Vorstoß, wie er eben noch nie da war. Wir müssen eben mit jedem<br />

Werk anderswohin gelangen - jedes Werk ist etwas anderes, etwas Neues.“2<br />

Bei der Erforschung einer terra incognita ließen sich die Musiker <strong>von</strong> den<br />

Dichtern inspirieren. Als Schönbergs Liederzyklus nach Georges Buch der<br />

hängenden Gärten erstmals 1910 in Wien aufgeführt wurde, räumte der Komponist<br />

in seiner Programmnotiz ein, daß die Gedichte dazu verholfen hätten, ihm neue<br />

Ausblicke zu eröffnen. Stefan George war auch <strong>Webern</strong>s literarisches Vorbild.<br />

Auszüge aus den Zyklen Das Jahr der Seele, Der siebente Ring und Das Buch der<br />

Sagen und Sänge lieferten die Texte zu insgesamt 16 Vertonungen. Außer dem Chor<br />

Entflieht auf leichten Kähnen und dem Orchesterlied Kunfttag III <strong>von</strong> 1914<br />

entstanden 14 Lieder mit Klavierbegleitung in den Jahren 1908 und 1909. Von<br />

diesen waren nur 10 vor 1965 bekannt: Fünf Lieder aus Der siebente Ring, op. 3 und<br />

Fünf Lieder op. 4.3 Die anderen vier posthum aufgefundenen Lieder wurden 1970<br />

unter dem Titel Vier Stefan George-Lieder veröffentlicht.4<br />

<strong>Webern</strong>s ursprüngliche Absichten mit diesen 14 Vertonungen für Singstimme und<br />

Klavier gehen aus zwei Titelseiten hervor, die bei den Manuskripten lagen. Zuerst<br />

plante er, sieben Lieder zu seinem Opus 2 (sic) zusammenzustellen mit der<br />

Reihenfolge:<br />

1. Eingang<br />

2. Dies ist ein Lied<br />

3. Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße<br />

4. Im Windesweben<br />

5. Kunfttag I<br />

6. Kahl reckt der Baum<br />

7. Im Morgentaun<br />

Das andere Vorhaben, „Sieben Lieder, Op. 4 “ betitelt, sollte folgendermaßen<br />

aussehen:<br />

1. Trauer I<br />

2. Ja Heil und Dank dir<br />

3. Noch zwingt mich Treue<br />

4. A n Bachesranft<br />

5. Das lockere Saatgefilde<br />

6. So ich traurig bin<br />

"1. Ihr tratet zu dem Herde<br />

Mehrere nachfolgende Änderungen in den Titellisten bezeugen <strong>Webern</strong>s ständige<br />

Beschäftigung mit der Gruppierung der Lieder. Eine Bezeichnung lautet „Neun<br />

Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Stefan George“. Dieser Überschrift fügte der<br />

Komponist in Bleistift „Op. 6“ hinzu, gab aber nicht die Einzeltitel an, aus denen<br />

diese Gruppe bestehen sollte. In die rechte obere Ecke der Seite schrieb <strong>Webern</strong><br />

,,100-150-200 Exemplare“, ein Hinweis darauf, daß er Pläne für eine Veröffentlichung<br />

machte. Das ganze Konzept wurde dann aber durchgestrichen, und ein<br />

späterer Vermerk auf derselben Seite lautet: ,,5 Lieder, Op. 4.“ Auch die<br />

104


Manuskripte der Lieder selbst enthalten Nachweise für Revisionen und Umstellungen.<br />

So trägt eines der Exemplare <strong>von</strong> Noch zwingt mich Treue die Bezeichnung<br />

„Op. 3, No. 5“ . Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße wurde als „Op. 5, No. 2<br />

ausgewiesen und Im Morgentaun als „Op. 3, No. 6“ .<br />

Als die Zyklen dann endlich mehr als ein Jahrzehnt nach ihrer Komposition<br />

veröffentlicht wurden, entfielen zwei Lieder <strong>von</strong> jeder der ursprünglich aufgestellten<br />

Titellisten. Mehrere der anderen zehn Lieder wurden ausgetauscht und ihre<br />

endgültige Anordnung ergab als Opus 3: 1. Dies ist ein Lied 2. Im Windesweben<br />

3. A n Bachesranft 4. Morgentaun 5. Kahl reckt der Baum, und als Opus 4: 1. Eingang<br />

2. Noch zwingt mich Treue 3. Ja Heil und Dank dir 4. So ich traurig bin 5. Ihr<br />

tratet zu dem Herde. Für die vier posthum veröffentlichten Lieder wurde die<br />

originale Reihenfolge des Komponisten beibehalten: 1. Erwachen aus dem tiefsten<br />

Traumesschoße 2. Kunfttag ! 3. Trauer 1 4. Das lockere Saatgefilde. <strong>Webern</strong> schrieb<br />

die beiden letzteren Lieder in voller Notation für Aufführungszwecke aus, ein<br />

Beweis dafür, daß er sie als gültig anerkannte. Sollte er das auch für die beiden<br />

anderen gemacht haben, dann sind die Manuskripte verschollen.<br />

Besondere Bedeutung kommt des Komponisten eigener Datierung „1908-09“<br />

seines Zyklus Opus 3 zu, da sie zu der in der Literatur als ,,1907-08“ gegebenen im<br />

Widerspruch steht. Das letzte Lied im Zyklus Opus 4 trägt am Ende die Beschriftung<br />

,,1908-09“, womit offensichtlich die ganze Gruppe gemeint ist. In einem späteren<br />

handschriftlichen Werkverzeichnis, das <strong>von</strong> Opus 1-22 reicht, bestätigte <strong>Webern</strong><br />

zusätzlich die Entstehungszeit für die beiden Zyklen als „1908 und 1909“ . Das<br />

Verzeichnis gibt auch darüber Aufschluß, daß die Lieder teils in Wien und teils auf<br />

dem Preglhof geschrieben wurden. Keines der einzelnen Lieder trägt ein Datum.<br />

Der einzige Hinweis auf ihre Entstehung findet sich in <strong>Webern</strong>s Briefen an<br />

Schönberg, in denen er drei als während des Sommers 1909 komponiert erwähnt. Er<br />

nennt jedoch keine Titel und bemerkt lediglich am 20. August zu den beiden letzten,<br />

daß sie „wieder ganz anders als vorher“ geworden seien.<br />

Bei der Untersuchung der Entstehungsgeschichte der 14 George-Lieder sollte<br />

stets daran gedacht werden, daß sie als ein einziger Komplex geschrieben wurden<br />

und daß die Inhalte der drei Druckausgaben nicht chronologisch gehalten sind. Man<br />

möchte vermuten, daß Erwachen aus dem tiefsten Traumesschoße als erstes Lied<br />

entstanden ist, da es das einzige ist, das noch Vorzeichen verwendet. Allerdings sind<br />

die vier vorgezeichneten Kreuze (die in der Druckausgabe fortgelassen wurden)<br />

kaum <strong>von</strong> Bedeutung.<br />

Im Mai 1912 erschien Ihr tratet zu dem Herde (später als Schlußlied des Zyklus<br />

Opus 4 eingeordnet) zusammen mit Liedern <strong>von</strong> Schönberg und Berg im Blauen<br />

Reiter, den die Maler Kandinsky und Marc, beide Freunde Schönbergs, herausgaben.<br />

Dieser Sammelband, eine literarische Plattform im Dienste eines neuen<br />

ästhetischen Glaubensbekenntnisses, war geradezu prädestiniert, auch die musikalische<br />

Avantgarde ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu rufen. Das Lied, damals noch<br />

als „Op. 2“ ausgewiesen, war die zweite <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Kompositionen, die im Druck<br />

erschien (das erste der Vier Stücke op. 7 war zwei Monate früher veröffentlicht<br />

worden).<br />

105


1919 wurden die Fünf Lieder op. 3 bei Waldheim Eberle in Wien gedruckt,<br />

offiziell unter dem Patronat des Vereins für musikalische Privataufführungen, in<br />

Wirklichkeit hat aber zweifellos <strong>Webern</strong> die Kosten selbst getragen.5 Kurz darauf<br />

schloß die Universal Edition ihren ersten Vertrag mit <strong>Webern</strong> ab, und Opus 3 und<br />

Opus 4 kamen 1921 und 1923 unter ihrem Impressum heraus. Bis zum Zeitpunkt<br />

der Veröffentlichung arbeitete der Komponist noch an Revisionen. Eine der<br />

Titelseiten enthält den Vermerk: „Op. 4 (5 Lieder), endgültige Fassung 1920“ .<br />

Dieses Werk ist Werner Reinhart gewidmet, einem Schweizer Kunstmäzen, der<br />

<strong>Webern</strong> um diese Zeit wiederholt finanziell unter die Arme griff. (Die Variationen<br />

für Orchester op. 30 sind ebenfalls ihm gewidmet.)<br />

„Einige Lieder nach George-Texten“ wurden einer kurzen Besprechung im<br />

Merker zufolge, einem Wiener Journal für Kunst und Musik6, Anfang 1910<br />

zusammen mit <strong>Webern</strong>s Fünf Sätzen op. 5 uraufgeführt. Nähere Angaben über das<br />

Konzert werden nicht gemacht, aber das genaue Datum - 8. Februar - wurde im<br />

Musikbuch aus Österreich, Jahrgang 1911, festgehalten.7 Die erste öffentliche<br />

Wiedergabe des kompletten Zyklus Opus 3 fand am 6. Juni 1919 statt im letzten der<br />

„Vier Propaganda-Abende“, die Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen<br />

veranstaltete. Die Sängerin war Felicie Hiini-Mihacsek, der Pianist Eduard<br />

Steuermann. Das Konzert schloß mit den Liedern, die auf eine Klavierfassung <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>s Passacaglia folgten.<br />

Was den Zyklus Opus 4 anlangt, so fand die erste bekannte Aufführung des<br />

vierten Liedes So traurig ich bin am 18. Januar 1925 in der New Yorker Aeolian Hall<br />

unter der Ägide der Franco-American Musical Society statt. <strong>Webern</strong>s Lied,<br />

gekoppelt mit Alban Bergs Dem Schmerz sein Recht erschien in einem Programm,<br />

auf dem auch Werke <strong>von</strong> Debussy, Strawinsky und Charles Griffes standen. Die<br />

Ausführenden waren Greta Torpadie und Rex Tillson. Derartige Pionieraufführungen<br />

<strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Kompositionen gab es selten und wenn, dann in großen<br />

Abständen. Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre stellte Ruzena Herlinger<br />

einzelne Lieder in Konzerten in Paris und London vor. Die erste nachweisbare<br />

Aufführung des kompletten Zyklus Opus 4 fand in Gegenwart des Komponisten am<br />

10. Februar 1940 in einem Konzert der Basler Sektion der Internationalen<br />

Gesellschaft für Neue Musik statt. Marguerite Gradmann-Lüscher sang mit Erich<br />

Schmid am Flügel. In einem Brief an Willi Reich vor dem Konzert hatte <strong>Webern</strong><br />

empfohlen, ausgewählte Lieder aus den verschiedenen Zyklen aufzuführen: sein<br />

Vorschlag war eine Gruppe, bestehend aus Opus 3, Nr. 1 und 5, Opus 4, Nr. 5 oder 1<br />

und Opus 12, Nr. 1 und 4, in dieser Reihenfolge. Diese Anregung vom Komponisten<br />

selbst verdient besondere Beachtung, nachdem es zur festen Praxis geworden ist, die<br />

Liederzyklen in ihrer Gesamtheit aufzuführen. Im gleichen Brief vom 20. Oktober<br />

1939 hatte <strong>Webern</strong> festgestellt, So ich traurig bin, „das ist noch nie gesungen<br />

worden“ . Er hatte offensichtlich die New Yorker Aufführung 15 Jahre vorher<br />

vergessen, die er in seinem Tagebuch festgehalten hatte.<br />

Mit den George-Liedern überschritt <strong>Webern</strong> die Schwelle <strong>von</strong> der konventionellen<br />

Tonalität, um die expressiven Dimensionen eines neuen Idioms zu erforschen.<br />

Die neue musikalische Sprache verlangte nach ihrer eigenen Form, und das Ergebnis<br />

106


f M M i'l<br />

W E B E R N<br />

I UNI IJI !>!'(-?<br />

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„DER SIEBENTE RING“<br />

VON<br />

^■UlANOtOtfOE<br />

FÜR EINE SINGSTIMME UND KLAVIER<br />

OP. 15<br />

PREIS K3.60<br />

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war die Entwicklung einer Technik neuer Klangeinheiten. In der Struktur wie auch<br />

der harmonischen Behandlung wurden die Grundsätze und Modelle der Vergangenheit<br />

drastischen Veränderungen unterworfen. Die Verwendung der Sequenz wird<br />

jetzt vermieden. Das vormalige Konzept der Symmetrie, das das Zusammenschweißen<br />

der verschiedenen strukturellen Elemente bestimmte, wird durch die Vermeidung<br />

der Wiederholung ausgeschaltet. Motivische Arbeit hat die konventionelle<br />

thematische Entwicklung ersetzt. Die Motive selbst werden weitgehend aus den<br />

Komponenten <strong>von</strong> Akkorden hergeleitet: Klangräume werden umgemünzt in Zeit,<br />

Vertikale werden Horizontale. Hervorstechend unter den zur Anwendung gelangenden<br />

dissonanten Intervallen ist die kleine Sekunde, ein stets präsentes<br />

<strong>Webern</strong>sches Siegel, die der Erhöhung der Spannung dient. Gesangs- und<br />

Klavierstimme sind voll integriert in gegenseitigem Zeugungsprozeß. Die Singstimme<br />

wird rezitativisch behandelt und bewegt sich ohne Umschweife und<br />

zielstrebig auf die natürlichen Höhepunkte zu, wie sie sich aus den Texten ergeben.<br />

Syllabische Synchronisation <strong>von</strong> Wort und Ton wird nur in Momenten <strong>von</strong><br />

emphatischer Bedeutung <strong>von</strong> melismatischen Wendungen abgelöst. Die elementare<br />

Triebkraft, die dem Fluß des musikalischen Geschehens innewohnt, wird im<br />

Gleichgewicht gehalten durch die Wahrnehmung der solchen Höhepunkten<br />

zugeordneten Bestimmung. Die großen vokalen Intervallsprünge, die für <strong>Webern</strong>s<br />

späteren Stil so charakteristisch sind, kündigen sich bereits an. In ihrer Verhaltenheit,<br />

Atmosphäre und Transparenz sind diese Lieder ein Destillat reinsten<br />

Lyrismus“.<br />

Noch vor der Komposition der letzten George-Lieder entstand ein Instrumentalwerk<br />

in dem neuen atonalen Idiom. Am 16. Juni 1909 berichtete <strong>Webern</strong> Schönberg<br />

vom Preglhof: „Ich habe bereits ein ganzes Streichquartett geschrieben. Es hat 5<br />

Sätze: D er erste schnell, der zweite sehr langsam, der dritte sehr schnell, der vierte<br />

langsam, der fünfte langsamer 6k Takt. Die Sätze sind alle kurz. . . 'Wenn ich Sie<br />

noch lange nicht sehen kann, dann möchte ich Ihnen gern mein Q uartett schicken.“<br />

Das solchermaßen angekündigte Werk ist heute als die Fünf Sätze op. 5 bekannt.<br />

<strong>Webern</strong> designierte es zunächst als „Opus 3“ und erweiterte dieses Opus 1911 und<br />

1913 um zwei Folgen <strong>von</strong> Streichquartettsätzen. Diese letzteren Bestandteile<br />

wurden schließlich zu den Sechs Bagatellen op. 9 zusammengefaßt und das Quartett<br />

in seiner ursprünglichen Form zum „Opus 5“ deklariert. Auf die Rückseite einer der<br />

Titelseiten schreibt der Komponist: ,,z. 2. VII. 1909“ (Wilhelmines Geburtstag).<br />

Mit Ausnahme einer früheren Version des ersten Satzes, die nach sechs Takten<br />

abbricht, scheint das Werk in einem Anlauf geschrieben worden zu sein, wobei es<br />

<strong>von</strong> Anfang an seine endgültige Gestalt annahm.<br />

Auf Schönbergs Anregung schrieb <strong>Webern</strong> die Stimmen heraus und schickte sie<br />

Anfang September an Arnold Rose. Es war aber dann doch nicht das Rose-Quartett<br />

sondern ein anderes, wahrscheinlich ad hoc zusammengestelltes Ensemble8, das das<br />

Werk in einem Konzert am 8. Februar 1910 uraufführte. Die bereits erwähnte Notiz<br />

im Merker vom Februar 1910, die die Aufführung des Quartetts zusammen mit<br />

einer Auswahl aus den George-Liedern berichtete, verzeichnet nicht die Namen der<br />

Künstler. In einem Brief an Alban Berg vom 20. September 1910 bemerkte<br />

108


i<br />

<strong>Webern</strong>, daß sich Partitur und Stimmen wieder beim Rose-Quartett befänden.<br />

<strong>Webern</strong>, Berg und Horwitz planten damals, ein Konzert mit eigenen Werken selbst<br />

zu finanzieren. Dieses Konzert fand am 24. April 1911 unter dem Patronat des<br />

Wiener Vereins für Kunst und Kultur statt und auf dem Programm standen die Fünf<br />

Sätze. Zur großen Enttäuschung des Komponisten war jedoch das Rose-Quartett<br />

nicht in der Lage mitzuwirken, und ein Ersatzensemble, bestehend aus Fritz<br />

Brunner, Oskar Holger, Bernhard Buchbinder und <strong>Josef</strong> Hasa, mußte herangezogen<br />

werden. Das Rose-Quartett führte das Werk dann aber doch in einem Konzert<br />

in Wien am 29. Juni 1912 auf. In der Saison 1919-20 des Vereins für musikalische<br />

Privataufführungen wurde das Werk (jetzt als „Fünf Stücke“ angekündigt und nicht<br />

als „Fünf Sätze“) vom Feist-Quartett gespielt. 1922 lösten die Fünf Sätze anläßlich<br />

einer Aufführung während des IGNM-Festes in Salzburg einen handfesten Skandal<br />

aus (vgl. 15. Kapitel). Gleichzeitig mit der Salzburger Aufführung veröffentlichte<br />

die Universal Edition die Partitur, sowohl im Großformat als Spielpartitur wie auch<br />

als Taschenpartitur.<br />

Wenn sich das Quartett als schwer zugänglich erwies, sogar für ein Publikum<br />

gewiegter Musiker 13 Jahre nach seiner Entstehung, dann war das hauptsächlich auf<br />

die überraschende Kürze einiger Sätze (der dritte dauert nur 35 Sekunden) und ihre<br />

motivische Konzentration zurückzuführen. Das tonale Gewebe ist so engmaschig,<br />

daß sich hieraus eine hochgradig verdichtete Struktur ergibt; die Kompliziertheit der<br />

Textur, gehörmäßig kaum erfaßbar, kann nur durch Analyse voll verstanden<br />

werden. Paradoxerweise wurde dieser aphoristische Stil inmitten der üppigen und<br />

überdimensionalen Manifestationen der spätromantischen Epoche geboren. Trotz<br />

aller Emanzipation <strong>von</strong> strukturellen Modellen lassen sich im ersten Satz die<br />

Umrisse der Form des Sonaten-Allegros nachzeichnen. In seiner Behandlung der<br />

Streichinstrumente bedient sich W ebern, der ja selbst Cellist war, einer großen<br />

Vielfalt <strong>von</strong> Spieltechniken: häufiger Wechsel <strong>von</strong> arco und pizzicato, umfangreiche<br />

Verwendung <strong>von</strong> col legno und sul ponticello, Flageolett und Tremolo. Alle diese<br />

Spielweisen gewinnen Bedeutung als strukturelle Bauteile, und jeder Ton wird so<br />

zum Bauelement innerhalb winziger Zellen, die die Gesamttextur bilden. Hauptmerkmale<br />

dieser Stücke sind die äußerst individuellen Klangschattierungen sowie<br />

dynamische und rhythmische Differenzierung. Das harmonische Gewebe stellt ein<br />

kontrapunktisches Kaleidoskop dar, reich an Imitationen und Inversionen. Die<br />

motivische Anwendung dissonanter Intervalle intensiviert die Vermittlung dram atischer<br />

Spannung.<br />

Beinahe zwei Jahrzehnte nach der Komposition der Fünf Sätze entschloß sich<br />

W ebern zu einer Transkription für Streichorchester. E r benutzte als Vorlage die<br />

gedruckte große Partitur des Quartetts und bezeichnete die Veränderungen mit<br />

roter Tinte und Tintenstift; auf dem Umschlag vermerkte er: „Erster Entwurf,<br />

Sommer 192,8“ . Abgesehen <strong>von</strong> ein paar Oktav-Verdoppelungen in den hohen<br />

Streichern betraf das Arrangem ent hauptsächlich die Cellopartie, die zum Teil den<br />

neu hinzugekommenen Kontrabässen zugeordnet wurde. Außerdem finden sich<br />

Hinweise auf eine Aufspaltung in Solo- und Tutti-Passagen.<br />

Diese erste Fassung wurde durch eine weitere ersetzt, deren Manuskriptskizzen<br />

109


mit „Zweiter Entwurf, Januar-Februar 1929“ beschriftet wurden. Der Grund für<br />

die Revision findet sich in einem Brief an Schönberg vom 19. Februar 1929: „Ich<br />

hatte mich anfangs Jänner schon sehr intensiv an meine neue Arbeit [das Quartett<br />

op. 22] gemacht. Dann aber wurde mir plötzlich sehr klar, daß die Bearbeitung<br />

meines ersten Streichquartettes für Streichorchester, die ich im Sommer <strong>1928</strong><br />

vorgenommen u. bereits der U. E. übergeben hatte, nicht das Richtige ist - ein böses<br />

Gewissen hatte ich schon die ganze Zeit - u. so nahm ich sie wieder zurück u. mache<br />

jetzt eine neue, völlig andere. Die Arbeit - in Kürze werde ich fertig sein - befriedigt<br />

mich sehr. Nun wird es erst ein richtiger Orchestersatz - ich benütze das Original<br />

lediglich als Partiturskizze: ich lege die motivische Arbeit bloß (komme so des<br />

öfteren bis zu 14 Systemen) u. glaube damit den Beweis zu erbringen, daß ich Deine<br />

bisherige Bearbeitung <strong>von</strong> Bach-Werken verstanden habe. Ich freue mich sehr<br />

darauf, Dir diese Arbeit zu zeigen. (Das Partiturbild wird sehr gut.)“9 Nach der<br />

Beendigung der Transkription schrieb <strong>Webern</strong> an <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>, den mit ihm<br />

befreundeten Bildhauer, am 4. März 1929: „Was mir aber gelungen ist, auf das bin<br />

ich sehr stolz.“<br />

Die Uraufführung des Arrangements, die <strong>Webern</strong> in seinem Tagebuch vermerkte,<br />

fand am 26. März 1930 statt. Sie wurde <strong>von</strong> der Philadelphia Chamber<br />

String Sinfonietta unter Fabien Sevitzky im Ballsaal des Bellevue-Stratford Hotels<br />

in Philadelphia gespielt. Ein Jahr später, am 8. Mai 1931, dirigierte <strong>Webern</strong> selbst<br />

seine Transkription in einem BBC-Konzert in London. Der erste Satz wurde wegen<br />

zu knapp bemessener Probenzeit weggelassen. Als Willi Reich 1944 versuchte, eine<br />

Aufführung in der Schweiz zustande zu bringen, schrieb ihm der Komponist am 23.<br />

Februar: „Sie muß <strong>von</strong> einem möglichst großen Streicherchor gespielt werden [in<br />

einem früheren Brief vom 10. Januar hatten W ebern ,etwa 80 .Spieler* vorgeschwebt,<br />

er fügte aber hinzu ,aber natürlich geht es auch anders1] damit die<br />

fortwährenden Teilungen (Tutti, Hälften, Solis) sich klanglich auch gut abheben. Es<br />

ist ja was völlig Neues geworden! In klanglicher Hinsicht! Ich kann nur sagen: was<br />

sich doch die Herren Dirigenten entgehen lassen!.- Daß Du nun dafür die Initiative<br />

ergreifen willst, freut mich sehr! Ich glaube, man wird staunen!“ <strong>Webern</strong>, der <strong>von</strong><br />

der Qualität seiner Transkription so überzeugt war, hat ihre Veröffentlichung nicht<br />

mehr erlebt. Erst 1961 gab die Universal Edition die gedruckte Partitur heraus.<br />

Mit demselben Brief (16. Juni 1909), in dem W ebern Schönberg die Vollendung<br />

der Fünf Sätze für Streichquartett mitgeteilt hatte, kündigte er auch seine Absicht<br />

an, nach ein paar Liedern ein Orchesterwerk zu komponieren. „Ich kann es kaum<br />

erwarten“, meinte er. Das mit so viel Vorfreude in Aussicht genommene Projekt<br />

wurde durch die Ereignisse dieses Sommers, die mit dem unseligen Erlebnis am<br />

Innsbrucker Theater Ende Juli ihren Höhepunkt erreichten, wiederholt hinausgeschoben.<br />

Aus diesem deprimierenden Fiasko flüchtete sich <strong>Webern</strong> in schöpferische<br />

Arbeit. Am 20. August meldete er Schönberg: „Mittlerweile habe ich zwei Lieder<br />

und zwei Orchesterstücke geschrieben. Die Lieder wieder ganz anders als bisher.<br />

Natürlich auch die Orchestersachen.11 Am 30. August konnte er berichten: „Ich<br />

habe jetzt schon 5 Orchesterstücke fertig. Das 5. noch nicht fertig instrumentiert<br />

(die ändern schon). Morgen mach’ ich’s fertig. . . Ich schreibe einen Zyklus <strong>von</strong><br />

110


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Brief an Arnold Schönberg (Stettin, 13. Januar 1913)<br />

111


Orchesterstücken, d.h. es ist halt so geworden. 6 Stücke werden’s. In der<br />

Instrumentation fast nur reine Farben. Wie’s halt kommt.“<br />

Bevor <strong>Webern</strong> in diesem Jahr vom Preglhof nach Wien zurückkehrte, war der<br />

Entwurf zu seinen Sechs Stücken op. 6 fertig.10 In der ersten Fassung des Werks ist<br />

der vierte Satz Langsam, marcia funebre überschrieben. Diese programmatische<br />

Bezeichnung ist, obgleich sie später fallengelassen wurde, insofern bedeutungsvoll,<br />

als in dem tragischen Charakter des Mittelstücks des Zyklus alles das enthalten ist,<br />

was sich an innerer Spannung und Melancholie über das ganze Werk ausbreitet. Die<br />

stets gegenwärtige Trauer, die den Komponisten mit dem Tod der Mutter im Jahre<br />

1906 überkam, wurde des öfteren <strong>von</strong> ihm erwähnt, und viele seiner Kompositionen<br />

sind gezeichnet <strong>von</strong> dem Schatten dieses elementaren Erlebnisses. Am 13. Januar<br />

1913, einige Wochen vor der Uraufführung der Sechs Stücke, beschrieb <strong>Webern</strong> in<br />

einem Brief an Schönberg die seelischen Zustände und Begebenheiten, die den<br />

jeweiligen Sätzen zugrunde liegen: „Das erste Stück will meine Stimmung<br />

ausdrücken als ich noch in Wien war, bereits das Unglück ahnend, aber doch noch<br />

immer hoffend, die Mutter noch lebend anzutreffen. Es war ein schöner Tag, eine<br />

Minute lang glaubte ich ganz sicher, es sei nichts geschehn. Erst auf der Fahrt nach<br />

Kärnten, es war der nämliche Tag, am nachmittag, erfuhr ich die Tatsache.11 Das 3.<br />

Stück ist der Eindruck des Duftes der Eriken, die ich an einer für mich sehr<br />

bedeutungsvollen Stelle im Walde pflückte und auf die Bahre legte.12 Das vierte<br />

Stück habe ich nachträglich marcia funebre überschrieben. Noch heute verstehe ich<br />

nicht meine Empfindung, als ich hinter dem Sarge zum Friedhof gieng. Ich weiß nur,<br />

daß ich den ganzen Weg hoch aufgerichtet gieng, vielleicht um in weitem Umkreis<br />

alles niedrige zurückzubannen. Ich bitte Dich, verstehe mich recht, ich versuche mir<br />

klar zu werden über diesen eigentümlichen Zustand. Ich habe zu niemanden noch<br />

darüber gesprochen. Der Abend nach dem Begräbnis war wunderbar. Ich gieng mit<br />

meiner Frau13 nochmals hinunter am Friedhof und ordnete dort die Kränze u.<br />

Blumen am Grabhügel. Ich hatte immer das Gefühl einer körperlichen Nähe meiner<br />

M utter, ich sah sie freundlich lächeln, es war auf Augenblicke eine selige<br />

Empfindung. Zwei Sommer darauf [in Wirklichkeit waren es drei] war ich endlich<br />

andauernd wieder auf unserem Besitz, damals als ich Ende des Sommers diese<br />

Stücke schrieb. Ich war täglich gegen Abend am Grabe. Oft schon in tiefer<br />

Dämmerung.“<br />

Im Jahre 1933, als <strong>Webern</strong>s Opus 6 auf das Programm des 63. Tonkünstlerfests<br />

des Allgemeinen Deutschen Musikvereins gesetzt wurde, das im Juni in Dortmund<br />

veranstaltet wurde14, stellte der Komponist einen kurzen Kommentar zur Verfügung,<br />

der in der Zeitschrift fü r M usik erschien: „Die Stücke op. 6 sind im Jahre 1909<br />

entstanden. . . Sie stellen kurze Liedformen dar, meist im dreiteiligen Sinne. Ein<br />

thematischer Zusammenhang besteht nicht, auch nicht innerhalb der einzelnen<br />

Stücke. Diesen nicht zu geben, war sogar bewußt angestrebt: in dem Bemühen nach<br />

immerfort verändertem Ausdruck. Um den Charakter der Stücke - sie sind rein<br />

lyrischer Natur - kurz zu beschreiben: das erste drückt die Erwartung eines Unheils<br />

aus, das zweite die Gewißheit <strong>von</strong> dessen Erfüllung; das dritte die zarteste<br />

Gegensätzlichkeit; es ist gewissermaßen die Einleitung zum vierten, einem<br />

112


Trauermarsche; fünf und sechs sind ein Epilog: Erinnerung und Ergebung. - Die<br />

Stücke erhielten im Jahre <strong>1928</strong> eine neue instrumentale Fassung, die der<br />

ursprünglichen gegenüber eine wesentliche Vereinfachung darstellt und einzig<br />

gelten soll.“15<br />

Die Uraufführung der Sechs Stücke op. 6 fand am 31. März 1913 unter<br />

Schönbergs Leitung in Wien statt. (Die dramatischen Umstände des Konzerts, das in<br />

einem Aufruhr endete, der das Einschreiten der Polizei notwendig machte, werden<br />

im 10. Kapitel geschildert werden.) <strong>Webern</strong> richtete es so ein, daß 200 Exemplare<br />

der Partitur auf seine Kosten und unter seinem Impressum („Im Selbstverlag des<br />

Komponisten“) zur Uraufführung herausgegeben wurden und zwar durch die<br />

Druckerei Straube. Damals bezeichnete er das Werk als „Opus 4“ und widmete es<br />

„Arnold Schönberg, meinem Lehrer und Freund in höchster Liebe“ .161961 wurde<br />

anhand dieser schönen Erstausgabe <strong>von</strong> der Universal Edition eine Taschenpartitur<br />

herausgegeben.<br />

Wie <strong>Webern</strong> in seinen Anmerkungen <strong>von</strong> 1933 erwähnte, wurde die Instrumentation<br />

der Originalfassung <strong>1928</strong> vom Komponisten erheblich reduziert. (Die<br />

Orchesterbesetzungen der beiden Fassungen sind im Werkverzeichnis, Anhang I,<br />

angegeben.) Aus seinen Tagebucheintragungen geht hervor, daß er mit der<br />

Neuinstrurnentierung Anfang August begann und sie am 4. September abschloß; er<br />

übergab die Revision der Universal Edition drei Tage später zusammen mit der<br />

Partitur seiner gerade vollendeten Symphonie op. 21. Die Reduzierung betraf vor<br />

allem die Bläser. <strong>Webern</strong> hatte sich der Aufgabe, das Ensemble zu beschneiden, als<br />

einer echten Herausforderung unterzogen und gab seiner Befriedigung mit dem<br />

Resultat am 20. August in einem Brief an Schönberg Ausdruck: „Nun fällt alles<br />

Extravagante (Altflöte, 6 Posaunen für ein paar Takte u. s. w.). Jetzt kann ich Alles<br />

viel einfacher darstellen. Ich hatte mich vorher mit Hertzka [dem D irektor der<br />

Universal Edition] besprochen: er war sehr erfreut über meine Absicht (die<br />

absonderliche Orchesterbesetzung war ja vielleicht auch mit ein Grund der seltenen<br />

Aufführung dieser Stücke.) u. wird die Neuausgabe noch im Herbst erscheinen<br />

lassen.“ Am gleichen Tag schrieb W ebern Alban Berg, daß er glaube, es sähe jetzt<br />

„wie eine alte H aydn-Partitur“ aus. Die endgültige Instrumentierung nahm<br />

beträchtlich mehr Zeit in Anspruch, als er gedacht hatte, und erst am 4. September<br />

konnte er Berg ihre Vollendung mitfeilen. Er hatte zwar keine einzige Note<br />

verändert, nahm aber andere Überarbeitungen vor, die gewisse musikalische<br />

Zusammenhänge verdeutlichten. E r bekannte Berg gegenüber, daß ihn die Arbeit<br />

eine Menge Nachdenkens gekostet habe, da er sich dazu zwingen mußte, seine<br />

Ausdrucksweise <strong>von</strong> vor 20 Jahren wieder neu nachzuvollziehen. Immerhin hatte er<br />

gerade in einer Ausgabe der Briefe Goethes an Schiller gelesen, daß Goethe<br />

Wochen darauf verwandte, den Versfluß seiner kurzen Gedichte zu glätten. Es war<br />

diese A rt <strong>von</strong> „Prosodie“ im übertragenen Sinne, <strong>von</strong> der <strong>Webern</strong> meinte, daß sie<br />

ihn in seinen Stücken so ausgiebig beschäftigt habe. D er Komponist selbst wollte<br />

diese revidierte Fassung als die einzig gültige angesehen wissen. Datum und Ort der<br />

Uraufführung konnten nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Eine Taschenpartitur<br />

wurde erst 1956 <strong>von</strong> der Universal Edition veröffentlicht.<br />

113


Unter den Resten <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Bibliothek, die 1965 in Perchtoldsdorf bei Wien<br />

entdeckt wurden, befanden sich die vom Komponisten und Alban Berg ausgeschriebenen<br />

Stimmen zu einem Kammerorchester-Arrangement der Sechs Stücke. Es ist<br />

instrumentiert für Flöte, Oboe, Klarinette, Violine I und II, Viola, Cello,<br />

Harmonium, Klavier, große Trommel, Triangel, Tamtam und Glocken. Die Cellostimme,<br />

auf die sich Stichnoten in anderen Stimmen beziehen, fehlte, konnte jedoch<br />

anhand der Partitur <strong>von</strong> 1909, nach der <strong>Webern</strong> seine Transkription vorgenommen<br />

hatte, rekonstruiert werden. Die Wahl der Instrumente folgte im großen ganzen dem<br />

als „Pariser Ensemble“ bekannten Modell, einem weit verbreiteten Orchesterersatz,<br />

der auch in Schönbergs Verein für musikalische Privataufführungen des öfteren<br />

herangezogen wurde (vgl. 14. Kapitel). <strong>Webern</strong>s Kammer-Arrangement der Sechs<br />

Stücke wurde in den Ankündigungen des Vereins erwähnt, es ist aber fraglich, ob es<br />

jemals gespielt wurde. Am 6. Januar 1921 erwähnt <strong>Webern</strong> kurz in einem Brief an<br />

Schönberg, daß sich das Arrangement im Probenstadium befände, und in den<br />

Stimmen der Musiker finden sich auch viele Bleistifteinzeichnungen. Aber<br />

Persönlichkeiten, die mit den Geschicken des Vereins eng verbunden waren, wie<br />

Paul A. Pisk, <strong>Josef</strong> Polnauer und <strong>Josef</strong> Rufer, konnten sich an eine tatsächliche<br />

Aufführung nicht erinnern.<br />

Die Sechs Stücke sind alle kurz. Ihre Gesamtspieldauer beträgt nur wenig mehr als<br />

neun Minuten. Das dritte Stück, das aus nur elf Takten besteht, ist das kürzeste und<br />

läuft in 50 Sekunden ab. Innerhalb dieses engen Bogens erfolgen nicht weniger als<br />

acht Taktwechsel. Das vierte Stück ist mit 40 Takten das längste und dauert etwa 3 V.t<br />

Minuten. Wegen seiner Kürze und der Konzentration, die dem Zuhörer abverlangt<br />

wird, ist das Werk oft zweimal hintereinander in demselben Konzertprogramm<br />

gespielt worden.<br />

<strong>Webern</strong>, der diese Stücke nur zwei Monate nach den Fünf Sätzen für<br />

Streichquartett schrieb, wendete das neue Konzept <strong>von</strong> Konturen und Farben zum<br />

ersten Mal bei einem großen Orchesterapparat an. Und in der Tat, er selbst<br />

erachtete die Stücke als „eine Ergänzung zu dem, was im Streichquartett gesagt<br />

wurde“ (wie er Schönberg am 31. Mai 1911 schrieb). Zu den Elementen <strong>von</strong><br />

Atonalität, motivischer Verschränkung, bis zum äußersten differenzierten Nuancen<br />

und dynamischen Kontrasten trat jetzt noch eine weitere Dimension: die Klangfarbenmelodie.<br />

Bei diesem Stilmittel wird eine einzige melodische Linie einer Mehrzahl<br />

verschiedener Instrumente zugeordnet. Nur ganz wenige aufeinander folgende<br />

melodische Komponenten, manchmal sogar nur ein einziger Ton, werden jeweils<br />

einem Spieler zugeteilt. Das Ergebnis ist ein dementsprechend farbiges. Die<br />

Klangfarbenmelodie (die auch in der harmonischen Dimension wirksam werden<br />

kann) läßt sich auch als kontinuierliche Kette vielfach gefärbter Glieder verstehen.<br />

Am 23. Mai 1909 hatte Schönberg seine Fünf Orchesterstücke op. 16 vollendet, in<br />

denen diese Technik zum ersten Mal angewendet wurde. <strong>Webern</strong>, der mit<br />

Schönbergs Experimenten durchaus vertraut war (er verfertigte später <strong>von</strong><br />

Schönbergs Pionierwerk Opus 16 einen Auszug für zwei Klaviere), griff das neue<br />

Ausdrucksmittel mit Enthusiasmus auf. Es manifestiert sich bereits in der<br />

Eröffnungsphrase seiner Sechs Stücke: im Verlauf <strong>von</strong> nur drei Takten wird die<br />

114


Melodie abwechselnd <strong>von</strong> 1. Flöte, 1. Trompete, dann wieder 1. Flöte und<br />

schließlich 3. Horn übernommen. Harmonischer Hintergrund und Timbres werden<br />

<strong>von</strong> zwei zarten Celesta-Akkorden beigesteuert, denen drei weitere, <strong>von</strong> gedämpften<br />

Bratschen und Celli gespielte A kkorde folgen. Die Blechbläser spielen<br />

durchweg mit Dämpfer. Hand in Hand mit der Abdämpfung der den Blechbläsern<br />

eigenen Lautstärke werden ungewöhnliche Tonfärbungen und neuartige Mixturen<br />

erzielt, wie etwa gedämpfte Trompete mit tiefer Flöte. Trotz des massiven<br />

Orchesterapparates läßt <strong>Webern</strong> die Einzelstimmen sich auf kammermusikalische<br />

Weise entfalten, wobei die Instrumente in kleineren Gruppierungen oder sogar<br />

solistisch spielen. Im Gegensatz zu den verdickten Texturen früherer sinfonischer<br />

Literatur mit ihren häufigen Stimmenverdopplungen und dichten Klangschichten<br />

der Innenstimmen wird jetzt Transparenz zum obersten Gesetz. Die neuen<br />

ästhetischen Ideale sind Klarheit und Knappheit der musikalischen Aussage.<br />

Dem Winter 1909/10 scheinen keine greifbaren Resultate beschieden gewesen zu<br />

sein außer <strong>Webern</strong>s Einrichtung des Vorspiels und der Zwischenspiele <strong>von</strong><br />

Schönbergs Gurreliedern für zwei Klaviere zu acht Händen. Das M anuskript des<br />

Arrangements ist 1910 datiert, da aber die Transkription bereits am 14. Januar<br />

aufgeführt wurde (vgl. 6. Kapitel), muß <strong>Webern</strong> seine Aufgabe irgendwann im<br />

Herbst 1909 ausgeführt haben. Die Skizzen zweier undatierter eigener Klavierstücke,<br />

die posthum aufgefunden wurden, fallen möglicherweise ebenfalls in dieses<br />

Jahr. Beide stehen im 3/4-Takt und sind atonal gehalten; die eine Skizze erstreckt sich<br />

über 19 Takte, die andere über sieben.<br />

<strong>Webern</strong>s schöpferische A rbeit des Sommers 1910 begann mit der Komposition<br />

der Vier Stücke für Geige und Klavier. Sie wurden auf dem Preglhof geschrieben,<br />

den er Ende Mai aufsuchte, nachdem er dem Theaterengagement in Teplitz so<br />

abrupt den Rücken gekehrt hatte. Als er Schönberg das neue Opus am 23. Juni<br />

ankündigte, war die Komposition bereits abgeschlossen. Die Stücke stellen das erste<br />

in einer Reihe <strong>von</strong> musikalischen Experimenten dar, in denen <strong>Webern</strong> den<br />

aphoristischen Stil bis ins Extrem entwickelt. Wenn seine Musik ganz allgemein<br />

schon jegliche Rhetorik vermeidet, dann repräsentieren die W erke dieser Periode<br />

bis hin zum Opus 11 die Verwirklichung seines Streberis nach der äußersten<br />

Konzentration in Substanz und Form. Das erste Stück ist nur 9 Takte lang, die<br />

anderen 24, 14, und 15 Takte. Das Werk stellt ein wahrhaftes Kaleidoskop<br />

geigerischer Effekte vor, sowohl was Expressivität wie auch Virtuosität betrifft.<br />

Große Intervallsprünge, häufige Tempowechsel und plötzliche Veränderungen der<br />

dynamischen Grade erfordern vom Spieler volle Beherrschung der Technik. Die<br />

Abfolge der Sätze sorgt für ein Maximum an Kontrasten: die langsamen,<br />

verhaltenen ersten und dritten Stücke alternieren mit den dramatischen, dynamisch<br />

explosiven zweiten und vierten. Die Motive sind komprimiert in die kürzest<br />

mögliche Gestalt. Manchmal übernehmen sogar Einzeltöne eine unabhängige,<br />

expressive Funktion.<br />

Mehrere Originalmanuskripte des Werks, das jetzt als <strong>Webern</strong>s Opus 7 bekannt<br />

ist, sind mit „Op. 6, No. 1“ bezeichnet. Anscheinend scheute sich der Komponist,<br />

ein so kurzes Werk als selbständiges Opus zu deklarieren (dieses Zögern war noch<br />

115


ein Jahrzehnt später existent).17 Eine der Titelseiten der Vier Stücke trägt in Bleistift<br />

den Vermerk „Endgültige Fassung, Sommer 1914“, ein Hinweis auf die fortgesetzten<br />

Revisionen durch den Komponisten. Zu dieser Zeit ergab sich eine Aussicht auf<br />

eine Veröffentlichung durch die Universal Edition, aber der Erste Weltkrieg kam<br />

dazwischen, und das Werk erschien erst 1922. Tatsächlich wurde das erste der Vier<br />

Stücke bereits im März 1912 veröffentlicht und zwar als Beilage zum zweiten Heft<br />

der kurzlebigen Zeitschrift Der Ruf, einem Organ des Akademischen Verbands für<br />

Literatur und Musik in Wien. Das war das erste Mal, daß ein Stück <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

gedruckt erschien.<br />

Die Uraufführung der Vier Stücke fand am 24. April 1911 in Wien statt in einem<br />

Konzert, in dem <strong>Webern</strong>, Berg und Horwitz eigene Werke vorstellten. Arnold Rose,<br />

der die Premiere spielen sollte, sagte kurz vor dem Konzert ab und Fritz Brunner,<br />

der Primgeiger des für das Konzert rekrutierten Ersatzquartetts, sprang für ihn ein.<br />

Der Komponist selbst übernahm den Klavierpart. Rose spielte die Stücke dann doch<br />

noch in Wien am 29. Juni 1912, wieder mit <strong>Webern</strong> am Flügel (vgl. 10. Kapitel). Im<br />

Verlauf des Jahres 1919 erschien das Werk, nunmehr als „Op. 7, No. 1“, in<br />

mehreren Ankündigungen des Vereins für musikalische Privataufführungen mit Dr.<br />

Oskar Adler und Eduard Steuermann als Ausführenden. Es stand auch auf dem<br />

Programm des Konzerts des Vereins am 23. Oktober 1919, das zu Ehren Maurice<br />

Ravels veranstaltet wurde, der persönlich anwesend war. Bei dieser Gelegenheit<br />

wurde das Werk <strong>von</strong> Rudolf Kolisch und Eduard Steuermann gespielt.<br />

Am 10. Juli 1910 schrieb <strong>Webern</strong> an Berg, daß er „an einem großen Vorhaben“<br />

arbeite. Vier Tage zuvor hatte er Schönberg berichtet: „Ich schreibe etwas fürs<br />

Theater. Es ist ein Maeterlinck. Wenn ich weit damit bin dann schreibe ich Ihnen was<br />

es ist.“ Am 16. Juli verriet er sein Geheimnis: „Ich habe ,die sieben Prinzessinnen'<br />

<strong>von</strong> M aeterlinck angefangen. Es geht gut vorwärts.“ Schönbergs Ersuchen um einen<br />

Klavierauszug seiner Sechs Orchesterlieder op. 8 kam dazwischen, doch erwähnte<br />

W ebern seine O per wieder, als er Schönberg am 10. August schrieb: „Ich mußte im<br />

Juli solange ich die Auszüge machte, aussetzen mit meiner Arbeit. Dann habe ich sie<br />

wieder in der Weise aufgenommen, daß ich, was <strong>von</strong> der O per fei •tig war, zu<br />

instrumentieren begann, um so wieder ganz hereinzukommen. Plötzlich mußte ich<br />

aber ein Lied für Orchester schreiben nach einem Text <strong>von</strong> Rilke. Das war so<br />

zwingend, dieses Gedicht, ganz meinen Gedanken gemäß. Ich habe es rasch<br />

komponiert u. instrumentiert. Wenn ich zurückkomme, gehe ich wieder an der Oper<br />

weiter.“ <strong>Webern</strong>s Bericht wurde am 30. August fortgesetzt: „Ich habe jetzt noch ein<br />

Lied mit Orchester geschrieben (Rilke). Es gehört zum ersten dazu. Wegen meiner<br />

Oper bin ich neuerdings in Zweifeln. Ich werde mit Ihnen darüber sprechen.“<br />

Skizzen dieser geplanten Oper, die, wie die <strong>von</strong> 1908, nie vollendet wurde, sind nicht<br />

vorhanden. <strong>Webern</strong> spricht immer noch <strong>von</strong> ihr, als er Schönberg am 9. November<br />

1910 <strong>von</strong> Danzig schrieb: „Neulich habe ich mir meine Oper angesehn; es war mir<br />

schrecklich, daß ich nicht arbeiten kann.“ Viel später erwähnte er in einem Brief an<br />

Berg vom 12. Juli 1912, daß er „mehrere Szenen“ fertig habe.<br />

Der Auftrag Schönbergs, der den Fortschritt an der Oper im Juli aufgehalten<br />

hatte, wurde in aller Eile ausgeführt. Innerhalb <strong>von</strong> zwei Wochen waren die<br />

116


Klavierauszüge der sechs Lieder bereits unterwegs an ihren Komponisten. In einem<br />

Brief an Schönberg vom 27. Juli 1910 hielt <strong>Webern</strong> Sehnsucht für das beste seiner<br />

Arrangements und ließ sich aus über die unvermeidbaren pianistischen Schwierigkeiten<br />

in Das Wappenschild. Zwei Wochen später ließ Schönberg die Manuskripte,<br />

mit seinen kritischen Bemerkungen versehen zurückgehen. Auf den Umschlag <strong>von</strong><br />

Natur schrieb er die sarkastische Bemerkung, das Lied sei besser als der Arrangeur<br />

zu glauben scheine. <strong>Webern</strong>, zutiefst verletzt, entgegnete in seinem Brief vom<br />

15. August: „Das war ein harter Schlag. Ich verstehe nicht, wie konnte ich Ihnen zu<br />

so einer Bemerkung Anlaß geben. Mir das! Ich staune alle Tage diese Dinge an; ich<br />

wollte alles so schön als möglich machen.“ Zu seiner Verteidigung bezog er sich auf<br />

Schönbergs ausdrückliche Auflage, die Arrangements so einfach und leicht spielbar<br />

wie möglich zu machen. Trotz der erlittenen Kränkung machte sich <strong>Webern</strong> sogleich<br />

an die vorgeschlagenen Revisionen und brachte sogar noch ein paar eigene an.<br />

Bereits am 22. August waren die Arrangements wieder zurückgeschickt und fanden<br />

nunmehr die Billigung des Meisters. Zu Beginn des folgenden Jahres (1911) brachte<br />

die Universal Edition die Klavierbearbeitungen in Einzelausgaben heraus (die<br />

gedruckte Partitur erschien erst 1913). Abgesehen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Herausgabe <strong>von</strong><br />

Isaacs Choralis Constantinus, seiner 1909 veröffentlichten Doktorarbeit, waren die<br />

Bearbeitungen <strong>von</strong> Schönbergs Sechs Orchesterliedern op. 8 die ersten gedruckten<br />

Noten, auf denen <strong>Webern</strong>s Name erschien.<br />

Die Arbeit des Sommers 1910 gipfelte in den Zwei Liedern nach Gedichten <strong>von</strong><br />

Rainer Maria Rilke op. 8. Wie <strong>Webern</strong> Schönberg schrieb, wurde das erste am 10.<br />

August und das zweite am 30. August vollendet. Die Lieder wurden unter dem<br />

unmittelbaren Eindruck <strong>von</strong> Rilkes eben erst veröffentlichten Aufzeichnungen des<br />

Malte Laurids Brigge komponiert. Dieses Werk, das als die bedeutendste<br />

Prosaschöpfung des Dichters gilt, nahm um Jahrzehnte die Schriften der Existentialisten<br />

vorweg. Der Held des Buches sieht sich mit den Grenzsituationen der<br />

menschlichen Existenz konfrontiert: Einsamkeit, Ekel, Angst, drohender Irrsinn.<br />

Die klinische Analyse der Angst im besonderen macht dieses Werk zu einem<br />

Bahnbrecher in der Literatur zu einer Zeit, als sich die Psychoanalyse noch im<br />

Pionierstadium befand.<br />

Die beiden Liebesgedichte, die <strong>Webern</strong> so unmittelbar berührten, sind in Rilkes<br />

Prosaerzählung eingeschoben als Bestandteil der Handlung, in deren Verlauf ein<br />

Mädchen „ein unbekanntes deutsches Lied“ singt. D er Dichter selbst legt den<br />

Schauplatz fest und steuert die Stimmung der Szene. E r gibt Hinweise auf den<br />

Charakter der Singstirnrne, beschreibt die Art der Wiedergabe, ja sogar den genauen<br />

Zeitpunkt der Pause. Sein Kommentar ist nichts mehr und nichts weniger als eine<br />

Anweisung zur musikalischen Realisierung. Nach Rilke klingt die Stimme des<br />

Mädchens „stark, voll und doch nicht schwer; aus einem Stück, ohne Brach, ohne<br />

Naht“ . Das erste Lied wird „merkwürdig einfach, wie etwas Notwendiges“<br />

wiedergegeben. Wenn die Singstimme das zweite Mal aus dem Schweigen<br />

heraustritt, ist sie „entschlossen, breit und gedrängt“ . Es konnte nicht ausbleiben,<br />

daß derart präzise Anweisungen für die Interpretation der Gedichte <strong>Webern</strong>s<br />

musikalische Gestaltung beeinflußten.<br />

117


Der fieberhafte Drang, durch den sich der Komponist getrieben fühlte, sich durch<br />

diese beiden Rilke-Gedichte Ausdruck zu verschaffen, entsprang seiner Selbstidentifizierung<br />

mit ihrem Inhalt. Diese Gedichte, so rätselhaft sie für andere sein<br />

mochten, für ihn spiegelten sie sein eigenes Dilemma wider - das Dilemma eines<br />

Mannes, der eine Frau unendlich liebt, die er aber vor der Welt nicht sein eigen<br />

nennen kann. Während dieses Sommers hatte <strong>Webern</strong>s schon Jahre bestehendes<br />

Verhältnis zu seiner Kusine Wilhelmine ein kritisches Stadium erreicht. Die<br />

auferzwungene Heimlichkeit hatte die Liebenden in quälende Hoffnungslosigkeit<br />

versetzt, und es waren die Gedichte Rilkes, in denen <strong>Webern</strong> das Medium fand,<br />

seine schmerzlichen Emotionen zu sublimieren.<br />

„Gibt es nicht heftige Bewegungen der Seele, die doch sehr leise sind?“ sinnierte<br />

<strong>Webern</strong>, als er Schönberg am 10. August 1910 die Komposition des ersten Rilke-<br />

Liedes meldete, die aus einem schöpferischen Impuls erfolgte, der so zwingend war,<br />

daß er sein Opernprojekt beiseite legen mußte. Dieser rhetorischen Frage fügte er<br />

hinzu: „Was das Orchester für Ausdrucksmöglichkeiten hat ist unbegrenzt.“ Das für<br />

die Rilke-Vertonungen verwendete „Orchester“ ist in Wirklichkeit ein Ensemble<br />

<strong>von</strong> Soloinstrumenten: Klarinette (auch Baßklarinette), Horn, Trompete, Celesta,<br />

Harfe, Violine, Bratsche und Cello. Mit sparsamsten Mitteln, was Umfang und<br />

Instrumentation betrifft, ist das Ensemble <strong>von</strong> höchster Subtilität und eine<br />

vollkommene Ergänzung der Gesangspartie. Als Liebeslieder sind <strong>Webern</strong>s<br />

Vertonungen Bekenntnisse, die in ihrer Dichte nicht zu überbieten sind. Nichts ist<br />

übriggeblieben <strong>von</strong> der Sinnlichkeit und Überschwenglichkeit, die man sonst mit<br />

diesem Genre assoziiert, und die Lieder haben nichts mehr gemein mit der<br />

bittersüßen Melancholie der Texte. In Gestik und Diktion erscheinen sie knapp und<br />

in sich gekehrt, ja in solcher Weise distanziert, daß sie wie unbeteiligt wirken. Und<br />

doch glüht hinter der asketischen Fassade eine heiße Intensität, eine fast<br />

verzweifelte Dringlichkeit. Wie Rilkes Verse strahlt die Musik zugleich Wärme und<br />

Kühle aus und scheint damit gleichzeitig sehr nahe und doch sehr entrückt zu sein.<br />

Die Singstimme rezitiert die Texte schlicht und völlig frei <strong>von</strong> Sentimentalität, und<br />

dennoch könnte die Keuschheit des Vortrags nicht inniger und eindringlicher sein.<br />

Zur Erleichterung des Studiums der Gesangspartie stellte W ebern einen<br />

(unveröffentlichten) Klavierauszug der Partitur her, ein Verfahren, das er bei allen<br />

seinen späteren W erken für größere Instrumentalensembles beibehielt. Bevor die<br />

Partitur 1926 <strong>von</strong> der Universal Edition veröffentlicht wurde, unterzog <strong>Webern</strong> das<br />

Werk wiederholten Revisionen, deren Einzelheiten auf den Titelseiten der<br />

jeweiligen Autographe festgehalten wurden. Das mit der Aufschrift „1. Fassung“<br />

wurde als „Op. 7, No. 1“ deklariert und spezifiziert den Vokalpart als „für eine<br />

tiefere Stimme“. In einem anderen Manuskript wurde dies in „mittlere Stimme“<br />

abgeändert und die Opuszahl 8 etabliert. Datierungen späterer Revisionen lauten:<br />

„1921 Frühjahr neu instrumentiert (3. Fassung)“ und „Januar 1925 neuerdings<br />

umgearbeitet; für Drucklegung 4. Fassung“ . Die zahlreichen Änderungen und<br />

Zutaten sind umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, daß diese Lieder als ein<br />

wahrhafter Ausbruch der Inspiration entstanden sind. Das Datum der Uraufführung<br />

des Werkes ist unklar. In seinem Brief an Hertzka vom 28. Januar <strong>1928</strong> bezog sich<br />

118


W ebern auf sie als „unm ittelbar bevorstehend“ und zwar in Brüssel. Das Datum<br />

„14. III. 28“ ist <strong>von</strong> fremder Hand am Briefrand hinzugefügt. Das Archiv der<br />

Universal Edition verzeichnet lediglich „etwa 1927, Brüssel??“ und ein anderes<br />

Datum war nicht in Erfahrung zu bringen.<br />

Um die radikalen Neuerungen, die in den Vier Stücken op. 7 und in den Zwei<br />

Liedern op. 8 zutage treten, in ihrer Gänze zu ermessen, muß man diese Werke<br />

gegen den Hintergrund der allgemeinen musikalischen Szene des Jahres 1910 sehen.<br />

Strawirisky hatte seinen Feuervogel und Richard Strauss den Rosenkavalier beendet;<br />

Mahlers Achte Symphonie und Massenets Don Quixote erlebten ihre Uraufführungen.<br />

Solange solche Mächte das Feld beherrschten, schien W eberns schöpferische<br />

Richtung zum Scheitern verurteilt. Und doch war er, wie manch ein anderer<br />

wagemutiger und kompromißloser Pionier, dazu ausersehen, zum Propheten einer<br />

neuen Ä ra zu werden.<br />

119


W eberns Geburtshaus<br />

in Wien,<br />

Löwengasse 53 A<br />

Die Wohnung in Mödling,<br />

Neusiedlerstraße 58<br />

Das Heim in<br />

M aria Enzersdorf,<br />

Im Auholz 8


8. Danzig (1910/11)<br />

„D er Sommer ist leider vorbei. Für mich ist es immer die schönste Zeit und die<br />

reichste“, schrieb <strong>Webern</strong> an Schönberg vom Preglhof am 30. August 1910.<br />

Immerhin bedeutete die Rückkehr nach Wien auch die Wiederaufnahme des<br />

täglichen Kontakts mit dem Freund, den er in den Monaten der Trennung so vermißt<br />

hatte. Da sich noch immer keine festen Aussichten auf eine Anstellung für die<br />

kommende Saison abzeichneten, nutzte <strong>Webern</strong> die Zeit des Wartens, einen lange<br />

gehegten Plan zu verwirklichen —eine Reise nach München zur Premiere <strong>von</strong><br />

Mahlers Achter Symphonie, die am 12. September unter der Leitung des<br />

Komponisten vorgesehen war. Nach der Generalprobe sandte er Schönberg einen<br />

begeisterten Bericht, in dem er in allen Einzelheiten die Schönheiten der Symphonie<br />

pries und die folgende Bemerkung Mahlers zitierte: „Diese Stelle bei accende lumen<br />

sensibus —da geht die Brücke hinüber zum Schluß des ,Faust1. Diese Stelle ist der<br />

Angelpunkt des ganzen Werkes“ .<br />

Die Tage in München gaben <strong>Webern</strong> seine letzte Gelegenheit, mit Mahler zu<br />

sprechen, der sich dem jüngeren Musiker gegenüber stets äußerst freundlich gezeigt<br />

hatte. Einer der kostbarsten Schätze <strong>Webern</strong>s war ein Manuskript, das ihm der<br />

Meister als Andenken und Ansporn geschenkt hatte. Unter dem Titel Lob der Kritik<br />

ist diese dreiseitige Tintenskizze eine frühe Fassung des Liedes Lob des hohen<br />

Verstandes}<br />

W ebern war erst ein paar Tage wieder in Wien, als sich ganz plötzlich die Aussicht<br />

auf eine Vakanz in Danzig eröffnete. Heinrich Jalowetz war 2. Kapellmeister arn<br />

dortigen Stadttheater und W ebern verdankte es seiner Intervention, daß ihm die<br />

Position eines Kapellmeister-Assistenten angeboten wurde. E r fuhr sofort nach<br />

Danzig. Zunächst gaben ihm die Neuartigkeit der Landschaft und die an ihn<br />

gestellten beruflichen Anforderungen Vitalität und Selbstvertrauen. „Danzig ist<br />

eine schöne große Stadt, mit viel Leben“ , schrieb er Schönberg am 24. September<br />

und fügte hinzu: „D er erste Anblick des M eeres ist fast erschreckend. Diese<br />

ungeheuere Wasserfläche. Nur schade, daß der Blick nicht weiter dringt. Ich wohne:<br />

Pfefferstadt 52, Pension Arendt.“ Er bedauerte lediglich, daß er infolge des in<br />

solcher Eile zustande gekommenen Engagements Wien gerade zu dem Zeitpunkt<br />

verlassen mußte, als Arnold Rose, dem er seine Fünf Sätze für Streichquartett am<br />

Klavier vorgespielt hatte, Interesse an einer Aufführung des Werks bekundete.<br />

Optimismus und Zufriedenheit sprachen noch immer aus dem Brief an Schönberg<br />

vom 8. Oktober: „Ich dirigiere morgen zum erstenmale hier. Die Operette<br />

Försterchristi [<strong>von</strong> Jarno George], Die Generalprobe heute ist ganz gut ausgefallen.<br />

H ier ist es schon was anders: 5 Prim, 5 Sekund, 3 Bratschen, 3 Celli, 3 Bässe. M ehr<br />

haben sie in der Volksoper bei O peretten auch nicht. Die Leute sind sehr willig.<br />

121


Allerdings haben sie keine Ahnung <strong>von</strong> f und p. Die Operette ist auch fast ganz mit<br />

Opernkräften besetzt. Das ist auch ganz gut. Der Direktor ist ganz entzückt <strong>von</strong><br />

Jalowetz und mir. . . Ich dirigiere jede Woche ein paar Mal. Gott sei dank, daß ich<br />

endlich im richtigen Fahrwasser bin. Jetzt wird es rasch vorwärts gehn.“ In einem<br />

anderen Brief an Schönberg am 16. Oktober berichtete <strong>Webern</strong>, daß es ihm<br />

„halbwegs gut“ gehe in Danzig. Mit einer Dichterlesung <strong>von</strong> Richard Dehmel,<br />

einem Orchesterkonzert unter Richard Strauss, der Reihe regulärer Sinfoniekonzerte,<br />

die mit einem Brahms-, Bruckner- und Beethoven-Programm eröffnet wurde,<br />

räumte er ein, daß die Stadt „nicht ganz aus der Welt“ sei. Zur gleichen Zeit hatte<br />

er aber schon Heimweh, und Ernüchterung war offenkundig in seinen Briefen<br />

an Berg, dem er schon am 13. Oktober anvertraute, er sei „oft völlig verzweifelt,<br />

völlig“ .<br />

Am 31. Oktober wurde Schönbergs Pelleas und Melisande in Berlin in Gegenwart<br />

des Komponisten aufgeführt. <strong>Webern</strong> konnte sich <strong>von</strong> seinen Theaterdiensten<br />

beurlauben lassen und machte sich auf die siebenstündige Bahnfahrt in die deutsche<br />

Hauptstadt. Das Ereignis erfüllte ihn mit neuer Zuversicht, wenn auch seine<br />

Hoffnung auf ein ausführliches Gespräch mit dem Freund nicht in Erfüllung ging.<br />

Als <strong>Webern</strong> Schönberg am 9. November wieder schrieb, sagte er ihm zunächst, daß<br />

ihn keine Musik außer der <strong>von</strong> Beethoven und Mahler so bewege wie die seine.<br />

Dann ging er unvermittelt dazu über, sich über eine Reihe <strong>von</strong> gesundheitlichen<br />

Mißlichkeiten auszulassen, ein Schlimmes verheißender Auftakt zum plötzlichen<br />

Hervorbrechen seiner restlosen Enttäuschung über seine Situation. Im selben<br />

Atemzug zeichnete er die Umrisse dessen, wie sein Leben wirklich verlaufen sollte:<br />

„Ich stehe fast schon unerschütterlich auf dem Standpunckte, daß ich meine Arbeit<br />

ausschließlich meiner Composition widmen möchte. Ich könnte ganz verzichten auf<br />

jede äußere Stellung. Wenn ich nur halbwegs mein Auskommen bei irgend einer<br />

Arbeit finden könnte, die mich nicht Monate ganz und gar der Composition<br />

entzieht . . . So hat man nur abzutöten was hervor will. Das ist das Schwere, und das<br />

macht mich in hohem Grade unglücklich.“<br />

W eberns grundsätzlicher Widerstand gegen jegliche länger währende Beeinträchtigung<br />

seiner schöpferischen Absichten nahm sehr bald die Form eines heftigen<br />

Widerwillens gegen Danzig und die dort herrschende Mentalität an. Arn 13.<br />

November, gerade sechs Wochen nach seinem hoffnungsvollen Einstand, schrieb er<br />

Schönberg: „Wenn ich beim Theater bleibe, möchte ich doch nicht gern hier bleiben.<br />

Es ist ein sehr unverläßliches Orchester hier und überhaupt ein grauenvolles<br />

Publicum. Ich habe immer geglaubt in den deutschen Provinzen sei es anders als in<br />

unsern, besser. Ganz im Gegenteil. . . Die Bevölkerung hier ist mir im höchsten<br />

Grade unsympathisch.“<br />

Seine Antipathie wuchs <strong>von</strong> Tag zu Tag, und eine Woche später schrieb <strong>Webern</strong><br />

Berg, wie sehr er ihn darum beneide, daß er den Klavierauszug der Gurrelieder<br />

machen könne. Für eine solche Gelegenheit würde er nur zu gern das ganze<br />

Theatergeschäft aufgeben, das er mehr und mehr hasse. Er bekannte, daß er, um<br />

seiner schöpferischen Arbeit weiter nachgehen zu können, auf jede Stellung<br />

verzichten würde. „So bin ich in einem ewigen Zwiespalt, der mich aufreibt“, klagte<br />

122


er. „H ier in dieser fremden Stadt, die ich so hasse.“ Er fand zwar, daß seine Lage<br />

„kaum auszuhalten“ sei, möchte aber doch „nicht mehr durchgehen“ . Wie die<br />

Dinge standen, lebe er „nur halb hier“ und seine Nerven würden „immer<br />

m iserabler“ . Das Schlimmste war, daß er sich nicht mit Schönberg aussprechen<br />

könne, mit dem er so viele schöne Stunden auf gemeinsamen Spaziergängen<br />

verbracht habe, besonders im vergangenen September. „W enn ich beim Theater<br />

bleibe, kommt es ja nie mehr dazu“ , meinte er besorgt.<br />

Das Bedauern darüber, <strong>von</strong> Schönberg und den alltäglichen Ereignissen in Wien<br />

abgeschnitten zu sein, zieht sich wie ein Leitmotiv durch <strong>Webern</strong>s Briefe. Berg<br />

versorgte ihn regelmäßig mit ausführlichen Berichten <strong>von</strong> zuhause, aber seine<br />

begeisterten Schilderungen der mit Schönberg verbrachten Stunden oder teilnahmsvolle<br />

Bemerkungen wie: „Wie magst Du wieder traurig sein, fern <strong>von</strong> all diesen<br />

Göttlichkeiten weilen zu müssen“ , trugen nur dazu bei, <strong>Webern</strong>s Sehnsucht zu<br />

nähren. Eine Zeitlang kreisten alle seine Hoffnungen um Schönbergs Plan eines<br />

Volkskonservatoriums, dessen Kodirektoren er und Berg werden sollten. Das<br />

Projekt, das bis in alle Einzelheiten ausgearbeitet worden war, fiel in sich zusammen,<br />

als Schönberg in persönliche Schwierigkeiten verwickelt wurde, die ihn dazu<br />

bewogen, im nächsten Sommer Wien den Rücken zu kehren. Mittlerweile ließen die<br />

bloßen Aussichten auf eine so enge Zusammenarbeit in <strong>Webern</strong> den Entschluß<br />

reifen, seine Position in Danzig sofort aufzugeben, sollten sie sich verwirklichen. Es<br />

ging ihm darum, sich dem zu widmen, was er als seine Lebensmission und seine<br />

Bestimmung erkannt hatte. „Es gibt wohl für den Producierenden nur eines das<br />

wichtig ist, immer wieder hervorzubringen, was dann damit ist, ist fast Nebensache“,<br />

schrieb er an Schönberg am 4. Dezember. „Ich will nur unausgesetzt, mein Leben<br />

lang das ausdrücken, was mich erfüllt. Was anderes will ich nicht. Und wenn ich es<br />

nicht kann, werde ich krank. So wie ich es jetzt schon bin. Sie haben mir einmal<br />

gesagt, daß Mahler sich geäußert hat, ich sollte nicht zum Theater gehn, ich fände<br />

keine Zeit zürn komponieren. Das geht mir nicht aus dem Kopf. . . Ich denke es mir<br />

wunderschön in Wien zu bleiben und nur durch Stundengeben, schriftstellerische<br />

und andere Arbeiten mein Auskommen zu finden. Ich kann so nicht existieren. Ich<br />

komme zu keinem Gedanken, zu nichts ernstem. Und ich habe doch ganz anderes,<br />

oder möchte ganz anderes irn Kopf haben als was jetzt meine Gedanken ausfüllt. . .<br />

Glauben Sie, daß sich mir irgend eine Arbeit bietet in der nächsten Zeit, die etwas<br />

einbringt? Es ist vor allem wegen meinem Vater. Kann ich die Auszüge Ihrer<br />

Orchesterstücke machen und einen <strong>von</strong> der Kammersymphonie?“<br />

Die Dringlichkeit dieser Bitte entsprang nicht allein künstlerischen Überlegungen,<br />

wie Schönberg inzwischen erfahren hatte. <strong>Webern</strong>s Lage war überaus schwierig<br />

geworden durch Sorgen so intimer Art, daß er zunächst sich gescheut hatte, sich<br />

irgend jemandem anzuvertrauen. Als Heinrich und Johanna Jalowetz, die alles<br />

taten, ihm in Danzig ihre Freundschaft zu erweisen, Eltern einer Tochter wurden,<br />

hatte W ebern Schönberg am 13. November geschrieben: „Es muß ganz schön sein,<br />

Vater zu sein. Ich werde das wohl nie erleben.“ Und doch wußte <strong>Webern</strong> bereits,<br />

daß Wilhelmine in anderen Umständen war. Gegen Ende des Sommers war sie nach<br />

Paris gegangen, um Französisch zu studieren, in der Hoffnung, es später<br />

123


unterrichten zu können. Ein Briefwechsel aus dieser Zeit gibt Einblick in das<br />

Ungemach, dem die Liebenden sich ausgesetzt sahen. Diese zwei Briefe2, voller<br />

Innigkeit, sind rührend in ihrem fast kindlichen Ton. Am 30. Oktober, einem<br />

Sonntag Abend, kurz bevor er ins Theater zum Dirigieren ging, beginnt <strong>Webern</strong><br />

seine tagebuchartige Epistel. Er erzählt <strong>von</strong> seinen Gedanken und seinem Tun an<br />

jenem Abend und am folgenden Vormittag, als er zur Aufführung <strong>von</strong> Pelleas und<br />

Melisande nach Berlin reiste. Rilkes Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, die<br />

<strong>Webern</strong> so viel bedeuteten, dienten als Schreibunterlage während der Bahnfahrt.<br />

Zum Schluß spielte er auf Wilhelmines Lage an: „Ich weiß ja übrigens so ziemlich<br />

wie es mit Dir steht. Daß das kommen mußte. Ich denke immer an Dich.“<br />

Während dieser Herbstwochen versuchte Wilhelmine verzweifelt, wegen ihres<br />

Zustandes etwas Drastisches zu unternehmen, aber alle ihre Versuche schlugen fehl.<br />

Mit der unentrinnbaren Wirklichkeit konfrontiert, schüttete <strong>Webern</strong> endlich<br />

Schönberg sein Herz aus. In einem langen Brief vom 28. November beschrieb er die<br />

Agonie, die Wilhelmine so gefaßt ertrug, und erklärte seine Absicht, bald zu<br />

heiraten, komme was wolle. Trotz seiner Abneigung gegen eine Heirat <strong>von</strong><br />

Verwandten, sei diese Entscheidung ihm durch die Umstände aufgezwungen.<br />

Wilhelmine, die ebenfalls bereit war, dem Unvermeidbaren ins Auge zu sehen,<br />

hatte noch ihre Familie zu informieren, deren Reaktionen sie in hohem Grade<br />

fürchtete. Am 30. November schrieb sie dem zukünftigen Vater, der ihr zur<br />

Rückkehr nach Wien geraten hatte: „Meine Eltern würden das nie wollen, weil sie<br />

zuviel darauf achten, was die Leute über sie sprechen. Und dann werden sie es<br />

immer als eine Schande empfinden wenn ich auch verheiratet sein werde, daß das<br />

geschehen ist. Und diese Schande werden sie unbedingt vor den Leuten verbergen<br />

wollen. Ich kenne da meine Eltern zu genau, u. weiß daß dies für sie das<br />

schrecklichste sein würde, wenn die Mitmenschen über sie u. mich sprechen<br />

würden.“ Trotz aller ihrer Sorgen sah Wilhelmine der G eburt des Kindes mit großer<br />

Freude entgegen und vertraute darauf, daß ihre M utter aufgrund ihrer eigenen<br />

mütterlichen Gefühle im Laufe der Zeit versöhnt werden könne.<br />

Das Paar hatte gehofft, Anfang Dezember in Wien heiraten zu können, doch trat<br />

eine Verzögerung ein, bedingt durch die Vorschrift der Katholischen Kirche, daß für<br />

eine Heirat <strong>von</strong> Vettern ersten Grades ein besonderer päpstlicher Dispens erteilt<br />

werden müsse. Ein Antrag wurde sofort gestellt, aber Woche auf Woche verging,<br />

ohne daß ein Bescheid der Kirchenämter einging. Auch die Eltern beider Seiten<br />

widersetzten sich als strenggläubige Katholiken einer Heirat außerhalb der Kirche.<br />

Schließlich mußte die Hochzeit - nur sechs Wochen verblieben bis zur Niederkunft -<br />

doch vor dem Standesamt vollzogen werden. Sie fand am 22. Februar 1911 in<br />

Danzig statt mit Heinrich und Johanna Jalowetz als Trauzeugen. (Die Verbindung<br />

wurde <strong>von</strong> der Kirche erst 1915 solemnisiert, nachdem bereits drei Kinder geboren<br />

worden waren.)<br />

Was Wilhelmine in allen diesen Monaten durchgemacht hat, kann man nur ahnen.<br />

Von Paris ging sie nach Berlin, <strong>von</strong> da nach Danzig zur Hochzeit, um dann wieder<br />

nach Berlin zurückzukehren und dort auf ihre Entbindung zu warten. Inzwischen<br />

zerschlugen sich alle Hoffnungen <strong>Webern</strong>s auf eine baldige Rückkehr nach Wien.<br />

124


W r:<br />

Die Adventszeit, sonst Wochen froher Erwartung, fiel in diesem Jahr traurig und<br />

beklemmend aus. Nachdem er zuhause nicht willkommen war, schrieb er seiner<br />

jüngeren Schwester Rosa einen nostalgischen Weihnachtsbrief, in dem er seiner<br />

schmerzlichen Sehnsucht nach Wien Ausdruck verlieh. Er gedachte des Fensters der<br />

Wohnung, das auf das Haus blickte, in dem Beethoven starb. Beim Gedanken an<br />

Schubert und Beethoven sagte er: „In dieser milden, herrlichen Luft, in diesem<br />

Zauber der Landschaft sind solche Erscheinungen möglich, wo anders nicht. So<br />

reich an ganz großen Künstlern ist nur W ien.“<br />

Am Heiligen Abend teilte <strong>Webern</strong> Schönberg mit, daß er die durchgesehenen<br />

Korrekturabzüge seines Klavierauszugs der Sechs Orchesterlieder op. 8 <strong>von</strong><br />

Schönberg an die Universal Edition zurückgeschickt habe, nachdem er wegen seiner<br />

langen Theaterdienste die Arbeit nur spät nachts erledigen konnte. E r berichtete<br />

ferner, daß ihm Berg mit seinen Photographien einiger Schönberg-Gemälde, die er<br />

ihm als Weihnachtsüberraschung geschickt hatte, eine große Freude bereitet habe.<br />

Über diesen Freund hatte <strong>Webern</strong> kurz zuvor, am 28. November, Schönberg<br />

geschrieben: „Er wird mir immer lieber. Er ist ein ganzer Mensch; die<br />

ä n d e rn -------- Ich habe nur noch Jalowetz so lieb. Wenn die Menschen im Erwerb<br />

stehen und mit den äußeren Dingen zu thun haben, dann bekommen sie alle<br />

inwendig ein Loch. Es ist nicht mehr diese leidenschaftliche Hingabe da. Aber bei<br />

mir, ich versichere Sie, wird die immer größer; ich komme stündlich schwerer mit<br />

allem über Ort.“<br />

Solche persönlichen Bekenntnisse wechselten sich in <strong>Webern</strong>s Briefen ab mit<br />

ausführlichen musikalischen Erörterungen, Tagesneuigkeiten und Polemiken. Die<br />

letzteren reichten <strong>von</strong> einer Beschreibung der Siebenten Symphonie <strong>von</strong> Mahler, die<br />

kürzlich in Berlin eine feindselige Aufnahme gefunden hatte, bis zu einem Bericht<br />

über den Sensationserfolg des Rosenkavaliers <strong>von</strong> Richard Strauss und der<br />

beispiellosen Karriere des 13jährigen Erich Wolfgang Korngold. „Verleger,<br />

Aufführungen, alles hat der Bub. Ich werde alt werden“ , kommentierte <strong>Webern</strong><br />

verdrießlich in seinem Brief vorn 13. November. E r war voller Neugierde über<br />

Delhis, der sich allmählich einen Narnen machte, und erkundigte sich nach der<br />

Lebensmesse dieses Komponisten wie auch nach Zemlinskys neuestem W erk Psalm<br />

und seiner Oper Kleider machen Leute. Sein Enthusiasmus für Balzacs Seraphita,<br />

seine damalige Lektüre, wurde nur noch <strong>von</strong> dem für Schönbergs Zweites<br />

Streichquartett übertroffen, das auch weiterhin Gegenstand seiner ekstatischen<br />

Bewunderung blieb.<br />

Als das Jahr 1911 anbrach, gab es noch immer keine Anzeichen für ein Einlenken<br />

der Familien. Am 17. Januar teilte er Schönberg mit: „Ich darf nicht nachhaus<br />

wegen des verfrühten Kindes.“ Schon weil dieser Ausweg für den Augenblick<br />

versperrt war, erschien das Leben in Danzig vorübergehend erträglicher. <strong>Webern</strong>s<br />

Stimmung besserte sich auch durch eine Aufführung seiner Passacaglia am 10.<br />

Januar im dritten Sinfoniekonzert der Danziger Saison. D er Erste Kapellmeister des<br />

Theaterorchesters hatte den Komponisten großzügig eingeladen, das Werk selbst zu<br />

leiten und räumte ihm vier Proben hierzu ein. W ebern war mit dem Ergebnis<br />

zufrieden und schrieb Berg am 18. Januar, daß die Aufführung „recht gut<br />

125


herausgekommen ist. Erstaunlich.“ Während die Streicher den Anforderungen<br />

nicht ganz entsprochen hätten, wären die Bläser recht ordentlich gewesen. Er habe<br />

die erneute Überzeugung gewonnen, daß das Stück noch immer gut sei. Am Abend<br />

nach der Aufführung ließ er Schönberg wissen: „Ich habe mehr herausgebracht als<br />

in Wien. Es war wirklich recht gut.“ Als Schönberg sich daraufhin nach der<br />

Aufnahme des Werks erkundigte, antwortete <strong>Webern</strong> am 19. Februar; „Publicum<br />

war ja keines vorhanden: eine Handvoll Leute. Es war kein Widerspruch. Die Kritik<br />

hat mich für irrsinnig erklärt und behauptet, als Dirigent sei ich den Danzigern ,lieb<br />

und wert4geworden, als Komponisten müßten sie mich vollständig ablehnen.“ In<br />

diesem Programm, das zeitgenössische Komponisten herausstellte, erschienen auch<br />

Werke <strong>von</strong> Debussy und Thuille sowie Mahlers Kindertotenlieder.<br />

Als Dirigent <strong>von</strong> Theateraufführungen war <strong>Webern</strong> während seiner Danziger<br />

Tätigkeit sehr stark beschäftigt. Als er seinen Posten im April aufgab, hatte er mehr<br />

als 60 Vorstellungen geleitet. Abgesehen <strong>von</strong> der Oper Der Waffenschmied <strong>von</strong><br />

Lortzing, die ihm Freude machte, wurde ihm das leichte Standard-Repertoire<br />

übertragen, wie Der Zigeunerbaron und Die Fledermaus (J. Strauß), Die schöne<br />

Helena (Offenbach), Die Geisha (Sidney Jones), Die lustige Witwe (Lehar) und<br />

Flotows Bühnenmusik zu Shakespeares Wintermärchen. Außerdem hatte er sich mit<br />

einer Reihe minderwertiger Operetten und Possen abzufinden. Jalowetz dagegen in<br />

seiner Position als 2. Kapellmeister konnte Aufführungen dirigieren wie Mozarts<br />

Zauberflöte, Wagners Meistersinger, Webers Freischütz, Rossinis Barbier <strong>von</strong> Sevilla<br />

(ein Werk, das W ebern sehr gern mochte), Thom as’ Mignon, Flotows Martha,<br />

Lortzings Zar und Zimmermann, Halevys Jüdin, Meyerbeers Hugenotten, Gounods<br />

Margarethe und Offenbachs Hoffmanns Erzählungen (ein weiteres Werk, das<br />

W ebern entzückte).<br />

Offensichtlich war die Danziger Theatersaison eine recht lebendige und bot<br />

W ebern reichlich Gelegenheit, vielerlei Erfahrungen zu sammeln. Trotzdem blieb<br />

seine Einstellung dein Theater gegenüber, <strong>von</strong> zeitweiligen Schwankungen abgesehen,<br />

negativ. E r sah in ihm die notwendige Quelle für ein festes Einkommen, wenn<br />

er jemals <strong>von</strong> der Unterstützung durch seinen Vater unabhängig 'werden wollte.<br />

Gleichzeitig aber lehnte sich jede Fiber seines Wesens gegen die damit verbundene<br />

Routine auf. E r hatte keine Illusionen über den Konflikt zwischen ökonomischen<br />

Imperativen und seinen reinen Idealen, und da er ihn als unlösbar erkannte, erlitt er<br />

viele seelische Qualen und Verwirrungen. Seine Briefe lesen sich wie Monologe, in<br />

denen er nach einem Ausweg aus diesem Dilemma suchte. Die bloße Tatsache, daß<br />

er sich die Zeit nahm, eine lange Epistel nach der ändern zu Papier zu bringen, wenn<br />

das Theater alle seine Kräfte für tagelange Proben, abendliche Dirigate oder<br />

Bühnendienste erforderte, ist bezeichnend für seine nervliche Verfassung. Er<br />

bezieht nacheinander Positionen, die in sich selbst widersprüchlich sind, wie in<br />

seinem Brief an Berg vorn 18. Januar, in dem er zugibt, daß er augenblicklich „etwas<br />

milder gestimmt“ sei. Gerade weil ihn die Tätigkeit im Theater in so hohem Maße<br />

beanspruchte, stimulierte sie tatsächlich sein Interesse. Solange er sich in diesem<br />

„Wirbel“ befand, war es „entweder oder“ . Und dennoch verlangte es ihn danach,<br />

frei zu werden, um sich ausschließlich auf seine „eigenen Sachen“ konzentrieren zu<br />

126


können. Und was diese anlangt, sah er seinen Weg genau vorgezeichnet. „Ich will<br />

keine Biographie leben - aber denk’ an Beethoven. Ich bin nur wieder verwirrt -<br />

vom Ehrgeiz beeinflußt - Ehrgeiz, eben dieses irdische Streben muß ich lassen.<br />

Stehe ich aber auf diesem Standpunkte, dann muß ich das Theater lassen.“<br />

Drei Wochen später, am 7. Februar, schrieb W ebern an Berg in zunehmender<br />

Entmutigung, daß Schönberg sich kürzlich geweigert habe, ihm zu- oder abzuraten,<br />

und daß er tun solle, was er tun oder nicht tun müsse. Das führte dazu, daß er sich<br />

völlig verunsichert fühlte, und die Ungewißheit machte ihn krank. „Ach Gott, oft<br />

möchte ich aus der H aut fahren“ , rief er aus. Allein der Gedanke, er müsse die<br />

Spielzeit bis zu Ende durchstehen, lag auf ihm „wie Blei, wie ungeheures Gewicht“ .<br />

A ber was nachher? Es würde wieder und wieder dieselbe Geschichte sein. „Soll ich<br />

so alle Jahre verbringen, jeden Abend erlöst, daß ein Tag wieder vorüber ist? Hat<br />

das einen Sinn?“ Er konnte „gar nichts Helles“ an seiner Lage finden, nichts, was ihn<br />

trösten könnte. „U nd das macht vor allem, daß ich zur Unfruchtbarkeit gezwungen<br />

bin. Ich werde alt und bin nichts und habe nichts und leiste nichts, oder besser, kann<br />

nichts leisten“ , so führte er bittere Klage.<br />

In <strong>Webern</strong>s Briefen an Schönberg spiegelt sich der gleiche Konflikt. „Ich arbeite<br />

mich fest hinein in den Gedanken beim Theater gutes zu leisten“, schrieb er am 19.<br />

Februar. „Ich hole alles herbei, was mich seit je in diesem Punkte bewegt hat; dann<br />

komme ich in eine befestigende Aufregung; aber auf einmal gibt es mir einen Riß<br />

und dann spüre ich nur das schreckliche des unbefriedigten Schaffens.“<br />

Obwohl <strong>Webern</strong> bereits entschlossen war, seine Danziger Position aufzugeben,<br />

und trotz Wilhelmines Zuspruchs, dem Theater für immer den Rücken zu kehren,<br />

ließ ihn die Aussicht, bald für eine Familie sorgen zu müssen, sich anderswo<br />

bewerben. E r nahm konkrete Verhandlungen mit dem Stadttheater Plauen auf, wo<br />

der Posten eines 2. Kapellmeisters freigeworden war, und bewarb sich außerdem um<br />

den des 1. in Klagenfurt. Die letztere Position reizte ihn sicherlich besonders, nicht<br />

nur weil er dort auf die Gelegenheit hoffte, Wagners Musikdramen zu dirigieren,<br />

sondern auch wegen seiner heimatlichen Bindungen an Kärnten. Während er noch<br />

diesen Aussichten weiter nachging (keine sollte zu einem Ergebnis führen),<br />

kündigte er seine Danziger Stellung auf das Frühjahr. E r begründete sein Vorgehen<br />

mit dem Hinweis auf seine eingeengte Tätigkeit, die ihm weder eine Erhöhung<br />

seiner Gage einbrachte, noch die Hoffnung zuließ, in der kommenden Spielzeit<br />

anderes dirigieren zu können als nur Operetten. Erwin Stein wurde an seiner Statt<br />

engagiert.<br />

Am 9. April wurde Wilhelmine in Berlin <strong>von</strong> einer Tochter entbunden. „Als das<br />

Kind zur Welt kam “ , schrieb '<strong>Webern</strong> Schönberg am Tag darauf, „begann der<br />

Morgen des Palmsonntag. Es war ein wunderschöner, warmer Tag; außerdem<br />

zunehmender Mond und Frühling. Das nehme ich als Zeichen einer günstigen<br />

Entwicklung des Kindes.“ W ebern sah seine Tochter zum ersten Mal 10 Tage später,<br />

als er <strong>von</strong> Danzig nach Berlin kam. Das Mädchen wurde zum Andenken an <strong>Webern</strong>s<br />

M utter Amalie getauft. Das frohe Ereignis hatte die Aussöhnung der Familie Mörtl<br />

zur Folge; Wilhelmines Mutter kam <strong>von</strong> Wien, um an der Seite ihrer Tochter zu sein.<br />

Auch <strong>Webern</strong>s Vater akzeptierte die vollendeten Tatsachen; ein paar Wochen<br />

127


vorher hatte er selbst die Initiative ergriffen, indem er Vermählungsanzeigen<br />

drucken und verschicken ließ.<br />

Von Berlin reiste <strong>Webern</strong> nach Wien weiter, um an den Proben zu dem Konzert<br />

teilzunehmen, das er selbst, Berg und Horwitz finanziert hatten und dessen<br />

Programm aus ihren eigenen Kompositionen bestand. Es fand am 24. April 1911 im<br />

Ehrbar-Saal statt unter dem Patronat des Vereins für Kunst und Kultur, zu dessen<br />

Direktoren <strong>Webern</strong>, Jalowetz und Horwitz gehörten. Arnold Rose und sein<br />

Quartett waren zur Mitwirkung verpflichtet worden, und ihr Ruf bedeutete ein gutes<br />

Omen für einen Erfolg. Doch fünf Tage vor dem Konzert sagten sie ihre Teilnahme<br />

ab, und ein Ersatzensemble <strong>von</strong> Berufsmusikern mußte in aller Eile zusammengestellt<br />

werden mit Fritz Brunner, Oskar Holger, Bernhard Buchbinder und <strong>Josef</strong><br />

Hasa. Auf dem Programm standen Bergs Klaviersonate op. 1 (gespielt <strong>von</strong> Etta<br />

Werndorff) und sein Streichquartett op. 3, ein Streichquartett <strong>von</strong> Horwitz und<br />

<strong>Webern</strong>s Fünf Sätze für Streichquartett op. 5 sowie die Vier Stücke für Geige und<br />

Klavier op. 7. Das Resultat scheint weniger als befriedigend ausgefallen zu sein,<br />

denn <strong>Webern</strong> schrieb am 7. Mai an Berg, wie sehr er es bedauerte, daß Rose nicht<br />

spielte. Er war überzeugt, daß es „doch ganz was anderes geworden wäre“ . Das<br />

Ereignis gab Anlaß zu einem Bericht im Wiener Extrablatt, in dem der Kritiker Dr.<br />

Paul Stäuber Schönberg als den Lehrer der drei Komponisten mit derartigen<br />

Beleidigungen angriff, daß Schönbergs Anhänger gemeinsam einen Protestbrief an<br />

die Vereinigung Wiener Musikkritiker adressierten.<br />

Als <strong>Webern</strong> bei diesem Anlaß Schönberg in Wien wiedersah, geschah das mit<br />

großer Beklemmung. Einige Wochen vorher hatte er durch Jalowetz erfahren, daß<br />

Schönberg daran Anstoß genommen habe, daß er es versäumte, einen Brief mit<br />

persönlichen Ratschlägen, um die <strong>Webern</strong> ihn gebeten hatte, mit der gebotenen<br />

Pünktlichkeit zu beantworten. Schönberg, der im allgemeinen seinen Schützlingen<br />

gegenüber die Rolle des wohlwollenden Vaters spielte, konnte mitunter recht<br />

jährzornig sein. Wenn er sich <strong>von</strong> allen Seiten <strong>von</strong> Feindseligkeiten umstellt sah,<br />

tendierte er dazu, sich in brütende Isolation zurückzuziehen. Ein unabsichtlicher<br />

Mangel an Aufmerksamkeit <strong>von</strong>seiten eines seiner Schüler oder auch nur das<br />

geringste Mißverständnis konnten seinen Argwohn wecken und seinen Zorn über<br />

ihn kommen lassen. <strong>Webern</strong>, Berg, Stein wie auch andere aus der Schar hatten der<br />

Reihe nach derartige Widerwärtigkeiten durchzustehen. A ber immer endeten<br />

solche Episoden in Versöhnung, sobald der Missetäter ausgiebig bereut und<br />

Schönberg seiner unverbrüchlichen Ergebenheit versichert hatte.<br />

„Ich bin so froh, daß Sie wieder ganz gut zu mir sind. Die ersten Tage in Wien war<br />

ich sehr unglücklich“, schrieb <strong>Webern</strong> an Schönberg am 1. Mai <strong>von</strong> Berlin, wohin er<br />

zurückgekehrt war, um mit seiner Frau und seiner Tochter zusammen zu sein. Er<br />

berichtete, daß seine kleine Familie vorübergehend in einer Wohnung in der<br />

Habsburgerstrasse 11 untergekommen sei, komplett mit Pianino und Schönbergs<br />

Selbstportrait auf dem Schreibtisch. Horwitz begleitete ihn auf seinen täglichen<br />

Agentenrunden, und Bewerbungen wurden verschickt für Positionen in Braunschweig,<br />

Zittau, Luzern, Aachen und Münster. Durch Vermittlung <strong>von</strong> Schönberg<br />

und Zemlinsky wurde auch die Möglichkeit eines Engagements in Prag weiterver­<br />

128


folgt. Nachdem er gerade wieder bei Schönberg in Gnaden aufgenommen worden<br />

war, befleißigte sich <strong>Webern</strong> peinlichster Genauigkeit, den Meister über jeden<br />

seiner Schritte und Gedanken zu informieren; nicht weniger als neunmal schrieb er<br />

ihm im Verlauf der fünf Berliner Wochen. Ein ausführlicher Bericht war Max<br />

Reinhardts Produktion <strong>von</strong> Goethes Faust gewidmet. „Es gibt wohl nichts<br />

annähernd so wunderbares in der Dichtkunst. Am Schluß habe ich fortwährend<br />

Mahlers Musik gehört“, brach es aus <strong>Webern</strong> in seinem Brief vom 1. Mai hervor. In<br />

dem vom 4. Mai ereiferte er sich über eine Aufführung <strong>von</strong> Mozarts Don Giovanni<br />

unter Leo Blech: „Es war schrecklich. . . An Mahlers Aufführung darf man gar<br />

nicht denken, sonst müßte man vergehn vor Zorn.“<br />

Als <strong>Webern</strong>s Gedanken sich immer wieder seinem Idol zuwendeten, lag Mahler<br />

selbst todkrank in einem Sanatorium in der Nähe <strong>von</strong> Paris. Nach der schmählichen<br />

Behandlung durch die Direktion der New York Philharmonie Orchestra Society war<br />

er nach Europa zurückgekehrt, gebrochen in Geist und Gesundheit. Von Paris<br />

wurde er nach Wien gebracht, der Stadt, die so viele seiner Triumphe und Drangsale<br />

gesehen hatte. Er starb am 18. Mai 1911. <strong>Webern</strong>, der wie alle anderen Mitglieder<br />

des Schönberg-Kreises dem M eister während seiner letzten Krankheit geschrieben<br />

hatte, war zutiefst erschüttert. E r eilte zur Beisetzung nach Wien, die auf dem<br />

kleinen Friedhof <strong>von</strong> Grinzing stattfand. Da in der Kapelle nur wenig Platz war,<br />

mußte die Teilnahme auf Inhaber besonderer Berechtigungsscheine beschränkt<br />

werden. Als privilegierte Freunde befanden sich Schönberg und seine Jünger im<br />

Trauerzug, der dem Sarg das Geleit zum Grab gab.<br />

Zurück in Berlin, schrieb W ebern sofort wieder an Schönberg. Sein am 24. Mai<br />

datierter Brief gipfelt in einer Adresse <strong>von</strong> Loyalität und Vertrauen. „D er Tod<br />

Mahlers macht mich <strong>von</strong> Tag zu Tag trauriger. Aber es war sicher so vorausbestimmt.<br />

Sie sagen ja auch, daß Sie den Eindruck haben, Sein Werk sei völlig<br />

abgeschlossen. Ich habe das Gefühl, das Mahler weiß wie wir um Ihn trauern. Ich<br />

muß immer an den Friedhof da oben denken, wo jetzt sein Leichnam ruht. Ist Ihnen<br />

diese rätselhafte Stille gegenwärtig als sein Sarg in die Erde gesenkt wurde? Nie<br />

mehr Ihn sehn! Damals in München, als der Zug fortfuhr, hat er noch lange durchs<br />

Fenster zu uns geschaut.3 Es war das letzte Mal, daß ich Ihn gesehn habe. . . Ihre<br />

unsäglich lieben Worte zu mir nach Mahlers Begräbnis bewahre ich für immer in<br />

meinem Herzen. . . Die vergangenen Tage sind für mich <strong>von</strong> ungeheurer<br />

Bedeutung: Mahlers Tod und die Gewißheit, daß ich für immer Ihre Freundschaft<br />

besitze. Gustav Mahler und Sie. Da sehe ich ganz deutlich meinen Weg. Ich werde<br />

nicht ab weichen, Gottes Segen über Sie.“<br />

Auf Schönbergs Anregung versuchte <strong>Webern</strong>, ein Essay über Mahler zu<br />

verfassen, mußte aber am 5. Juni zugeben: „Ich werde immer ängstlicher und nichts<br />

kommt mir gut genug vor. Ich bin sehr unsicher im Schreiben. Ich kann mich nicht<br />

recht drüberstellen. Einmal denke ich es ist gut, was ich geschrieben habe, einmal<br />

kommt es mir ganz blöd vor.“<br />

Er war gleichermaßen unzufrieden mit seinem ersten Entwurf zu einem Essay<br />

über Schönberg selbst für eine Reihe <strong>von</strong> Zeugnissen, die im kommenden Jahr in<br />

Buchform unter dem Titel Arnold Schönberg erscheinen sollten. Das Projekt, das<br />

129


Schönberg selbst initiiert hatte und das zum ersten Mal in den Tagen <strong>von</strong> Mahlers<br />

Beisetzung erörtert worden war, sollte dazu dienen, Schönbergs Ansehen als Lehrer<br />

zu mehren, <strong>von</strong> dem sein Lebensunterhalt abhängig war. Zu diesem Zweck sollten<br />

seine Schüler Zeugnis da<strong>von</strong> ablegen, was Schönberg für sie bedeutete. Zunächst<br />

bloß als Pamphlet gedacht, nahm das Heft sehr bald die Ausmaße eines kleinen<br />

Buches an (vgl. 9. Kapitel).<br />

Befreit <strong>von</strong> den Fesseln seiner Theaterarbeit, warf sich W ebern auf diese<br />

literarischen Projekte und wandte sich wieder eigenem Komponieren zu. E r schrieb<br />

die Partitur seiner Passacaglia um, wobei er geringfügige Änderungen in der<br />

Instrumentation anbrachte, die auf den Erfahrungen beruhten, die er jüngst in<br />

Danzig beim Dirigieren des Werkes gemacht hatte. E r verfertigte auch eine<br />

Reinschrift seiner Sechs Stücke für Orchester, um sie Schönberg zu schenken, der<br />

zugestimmt hatte, daß das Werk ihm gewidmet wurde. Neben diesen Arbeiten und<br />

der Suche nach einem Engagement ging W ebern tatkräftig allen Möglichkeiten<br />

nach, die sich für Schönberg in Berlin bieten könnten, um dort den dauernden<br />

Anfeindungen zu entgehen, denen er in seiner Vaterstadt ausgesetzt war. Für<br />

W ebern stand es <strong>von</strong> vornherein fest, daß Schönberg in der deutschen Hauptstadt<br />

großen Erfolg haben würde. <strong>Webern</strong> hatte vor kurzem Edward Clark kennengelernt,<br />

einen 21jährigen Engländer, der so enthusiastisch über Schönbergs Musik<br />

war, daß er vorhatte, als sein Schüler nach Wien zu gehen. Clark war eng befreundet<br />

mit dem einflußreichen Dirigenten Oskar Fried, den W ebern verschiedentlich<br />

besuchte, um ihn zu Aufführungen der Werke Schönbergs zu drängen; Fried<br />

wiederum stand Ferruccio Busoni nahe, einem der wahren Potentaten des Berliner<br />

Musiklebens. Diese Persönlichkeiten wie auch der Pianist Egon Petri versprachen<br />

ihre Unterstützung bei einer Propaganda-Kampagne mit Anzeigen in der Presse und<br />

in der Zeitschrift Pan. Unterrichtshonorare konnten recht ansehnlich sein (30 Mark<br />

pro Stunde), Ausgaben waren gering und die Lebensbedingungeil in den westlichen<br />

Vororten, wo <strong>Webern</strong> selbst lebte, durchaus attraktiv. Diese verheißungsvollen<br />

Berichte führten zu Schönbergs Entschluß, ein paar Monate später nach Berlin zu<br />

übersiedeln.<br />

W ährend seiner letzten Wochen in Berlin reichte <strong>Webern</strong> beim Dreililien Verlag,<br />

dem Verleger Schönbergs, seine Fünf Sätze für Streichquartett, die Vier Stücke für<br />

Geige und Klavier sowie zehn seiner George-Lieder ein. Der Sommer stand vor der<br />

Tür. So gem <strong>Webern</strong> in Berlin war, so freute er sich doch unendlich darauf, die<br />

Berge wiederzusehen, und war glücklich über die Einladung seines Vaters, seine<br />

neue Familie auf den Preglhof mitzubringen. D ort richtete sich das Paar zu seinen<br />

verspäteten Flitterwochen ein und bezog ein Häuschen entlang der Straße nicht weit<br />

vom Herrenhaus. Der Sommer bescherte eine der längsten Schönwetterperioden,<br />

die Europa seit Jahren erlebt hatte. W ebern genoß die Schönheit und Abgeschiedenheit<br />

des Guts, und bald folgte ein Ausbruch schöpferischer Tätigkeit. „Ich bin<br />

auch froh, wieder arbeiten zu können“ , schrieb er Schönberg am 9. Juli.4 Die Ernte<br />

dieses Sommers waren zwei Gruppen <strong>von</strong> Kompositionen, die beide 1913 erweitert<br />

wurden und ihre endgültige Gestalt erst mehr als ein Jahrzehnt später erhalten<br />

sollten. Zuerst entstanden sieben Stücke für Orchester, <strong>von</strong> denen zwei später dem<br />

130


Opus 10 einverleibt wurden, und dann das „II. Streichquartett“, vier kurze Sätze,<br />

die Bestandteil <strong>von</strong> Opus 9 wurden (vgl. 12. Kapitel).<br />

W ährend des Sommers las W ebern auch die Korrekturen zu Schönbergs Pelleas<br />

und Melisande. Die Arbeit regte ihn dazu an, Schönberg die Anfertigung eines<br />

Klavierauszugs der umfangreichen Partitur vorzuschlagen, sollte keines der<br />

erhofften Theaterengagements zustande kommen. Im Hamburg, Prag und Graz<br />

boten sich Chancen. D er D irektor des Grazer Theaters offerierte die Position eines<br />

Korrepetitors und Assistenten des 1. Kapellmeisters zu einer Jahresgage <strong>von</strong> 150<br />

Kronen pro M onat5 (mit einem M onat bezahltem Urlaub), jedoch mit der Auflage,<br />

am 1. August anzutreten und zuzusagen, den ganzen folgenden Sommer über zu<br />

bleiben. Mit der Begründung, daß die Definition seiner Dirigierverpflichtungen zu<br />

vage sei, lehnte <strong>Webern</strong> ab. Wahrscheinlicher ist es jedoch, daß sein Entschluß <strong>von</strong><br />

seinem W iderstreben herrührte, seine neugewonnene Freiheit schon so bald wieder<br />

aufzugeben. Ende Juli hatte er ein Rendezvous mit Jalowetz und Horwitz in Veldes,<br />

<strong>von</strong> wo das Trio zu einer Bergtour auf brach. Anschließend kam Jalowetz zu einem<br />

Besuch auf den Preglhof. Als Nächstes nahm <strong>Webern</strong> eine Einladung auf den<br />

Berghof an, das Besitztum der M utter Alban Bergs am Ossiachersee.<br />

Im Juni und Juli hatte Berg Schönbergs Zorn zu spüren bekommen, nachdem er es<br />

unterlassen hatte, den M eister unverzüglich <strong>von</strong> seiner Anwesenheit in Wien nach<br />

seiner vorübergehenden Rückkehr vom Lande in Kenntnis zu setzen. W ebern, der<br />

sich zur selben Zeit auf der Durchreise durch Wien befand, hatte <strong>von</strong> Diez erfahren,<br />

daß er Berg auf der Straße in Hietzing gesehen habe. Nichtsahnend hatte er<br />

Schönberg die Neuigkeit weitererzählt, der aufgebracht über das, was er als schwere<br />

Pflichtverletzung Bergs ihm gegenüber ansah, reagierte. Völlig niedergeschlagen<br />

schüttete Berg <strong>Webern</strong> sein Herz aus, der es übernahm, eine Wiederversöhnung mit<br />

Schönberg herbeizuführen. Das war erreicht zu der Zeit, als W ebern Berg besuchte;<br />

denn der letztere hatte soeben das Vorwort zu Schönbergs gerade vollendeter<br />

Harmonielehre erhalten. Dieses Werk, das Gustav Mahler gewidmet ist, war lange in.<br />

A rbeit gewesen und seit Monaten hatte sich W ebern eingehend nach seinem<br />

Fortschritt erkundigt. Als er das Vorwort gelesen hatte, in dem Schönberg seiner<br />

Dankbarkeit seinen Schülern gegenüber als Quelle zu seiner Inspiration Ausdruck<br />

verlieh, verlor er keine Zeit, dein A utor schon am 19. August in einer Anwandlung<br />

<strong>von</strong> Rührung zu schreiben: „Sie danken uns?! Was ich bin, alles, alles durch Sie; ich<br />

lebe erst durch Sie. Daß Sie an uns sich bestätigen konnten, war ja unser grenzenloses<br />

Glück, ein grenzenloser Segen für uns.“<br />

Die fanatische Loyalität und Solidarität der Schüler Schönbergs wurden in den<br />

kommenden Wochen ganz besonders auf die Probe gestellt. Ende Juli hatte<br />

Schönberg W ebern gegenüber Andeutungen <strong>von</strong> großen persönlichen Schwierigkeiten<br />

gernacht. W ährend er des öfteren auf professionellem Gebiet der Gehässigkeit<br />

der Kritik ausgesetzt war, sah er sich jetzt auch als Opfer antisemitischer Hetze<br />

<strong>von</strong>seiten eines Mannes, der im selben Mietshaus (Hietzinger Hauptstraße 113)<br />

wohnte. Die Animosität dieses Individuums (eines Ingenieurs namens Wouwermans)<br />

wuchs <strong>von</strong> Tag zu Tag und endete in offener Feindseligkeit. A ußer sich über<br />

die fortwährenden Schmähungen und Drohungen, entschloß Schönberg sich<br />

131


schließlich, die Stadt zu verlassen und vorübergehend Zuflucht bei seinem Schwager<br />

Zemlinsky zu suchen, der am Starnbergersee Ferien machte. Im Augenblick der<br />

Abreise verhinderte nur die Anwesenheit <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> Polnauer eine handgreifliche<br />

Attacke des rabiaten Nachbarn.<br />

Schönberg war derart enerviert, daß er nicht mehr nach Wien zurückkehren<br />

wollte. Er bedurfte unmittelbarer finanzieller Hilfe, da er <strong>von</strong> seiner Hauptverdienstquelle,<br />

dem Unterrichten, jetzt abgeschnitten war. „Seien Sie versichert, wir<br />

werden Ihnen helfen“, schrieb ihm <strong>Webern</strong> am 11. August. „Wenn ich nur etwas<br />

Geld zur Verfügung hätte, so gäbe ich es Ihnen. Aber Sie wissen ja, ich lebe <strong>von</strong> dem,<br />

was mir mein Vater monatlich gibt. . . Vertrauen Sie nur auf uns. Möchte es Ihnen<br />

nicht lächerlich erscheinen, was ich jetzt sage: ich glaube die Jünger Christi können<br />

nicht mehr mit ihrem Herrn gefühlt haben, wie wir mit Ihnen.“ Noch am selben Tag<br />

begann <strong>Webern</strong> seine Freunde zu Schönbergs Rettung zu mobilisieren. Eine Summe<br />

Geldes, zu der er und Jalowetz je 200 Kronen beisteuerten, wurde sofort geschickt.<br />

In seiner Rolle als Schatzmeister schrieb <strong>Webern</strong> an Berg, Horwitz und Stein und bat<br />

sie um Beiträge in ähnlicher Höhe; der Fond erreichte bald die Summe <strong>von</strong> 1000<br />

Kronen. Diese erste Hilfsaktion nahm bald größere Ausmaße an. Im September<br />

erließ Berg einen dringenden Aufruf, den er als gedrucktes Rundschreiben an mehr<br />

als hundert mögliche Spender verschickte. E r trug 48 Unterschriften, darunter<br />

neben den Schülern und engeren Freunden Schönbergs auch so bekannte Namen<br />

wie Guido Adler, Peter Altenberg, Hermann Bahr, Julius Bittner, Artur Bodanzky,<br />

Engelbert Humperdinck, Wilhelm Kienzl, Gustav Klimt, Julius Korngold, Karl<br />

Kraus, Adolf Loos, Arthur Schnitzler, Franz Schreker, Richard Strauss und Bruno<br />

Walter. Als dann diese Aktion Erfolge tätigte, hatte Schönberg sieh bereits<br />

entschlossen, Wien den Rücken zu kehren und nach Berlin zu gehen.<br />

132


i<br />

<strong>Webern</strong> mit Heinrich und Johanna Jalowetz (Danzig 1.911)<br />

Alban Berg und <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> W ebern<br />

(Frühjahr 1912)<br />

Arnold Schönberg


9. Berlin (1911/1912)<br />

Als W ebern den Preglhof in der ersten Septemberwoche des Jahres 1911 verließ,<br />

konnte er nicht ahnen, daß das ein Abschied für immer werden sollte, daß die Zeiten<br />

so vieler glücklicher Ferien auf dem idyllischen Gut zu Ende gegangen waren. Mit<br />

Frau und Kind ging er nach Wien und wohnte vorübergehend bei seinen<br />

Schwiegereltern in der Ruckergasse 12. Nach der Abgeschiedenheit seines<br />

ländlichen Asyls hatte er wieder seine Freude am Angebot des W iener Musiklebens.<br />

Am 8. September schrieb er an Schönberg: „Ich war neulich bei ,Pelleas und<br />

Melisande‘ in der Oper und habe neuerdings einen ganz starken, wunderbaren<br />

Eindruck <strong>von</strong> der Sache gehabt. Dagegen gefällt mir der ,Rosencavalier‘ immer<br />

weniger. Ich bin oft geneigt, das härteste Urteil darüber zu fällen, aber andererseits<br />

existiert doch tatsächlich bei Strauss diese immense Virtuosität in allem, die z. B.<br />

Pfitzner, Reger nicht besitzen. Mehr als die ist er doch jedenfalls.“<br />

Den ganzen Sommer über hatte sich W ebern um eine Theaterposition in Prag<br />

bemüht, er bot sogar seine Dienste an ohne Rücksicht auf die Gage. Als ihn<br />

Zemlinsky dann einlud, als sein persönlicher Assistent dorthin zu kommen, war er<br />

nicht mehr so sicher, ob er gehen wollte, nachdem Schönbergs Pläne noch immer in<br />

der Luft hingen. Um seine psychologische Verteidigung aufzubauen, hatte er<br />

Schönberg am 23. August mitgeteilt: „Allerdings ist es mir schrecklich daran zu<br />

denken, daß wieder ein W inter ohne eigene Production kommen wird. Wirklich,<br />

wenn ich nicht spüre, wie da etwas in mir arbeitet, was neues entsteht und dann auch<br />

geboren wird, existiere ich nicht.“ Trotz solcher Vorbehalte reiste <strong>Webern</strong> am 13.<br />

September nach Prag, um dann Schönberg ganze fünf 'Tage später za seiner<br />

Rechtfertigung zu informieren: „Ich bin wieder in Wien. Erschrecken Sie nicht, ich<br />

habe mich nicht unanständig benommen. Ich habe einen schweren Kampf gehabt.<br />

Die Stellung, die ich in Prag bekommen hätte, wäre ganz schön gewesen. Ich hätte<br />

sogar 100 Kr. Gage gehabt. Aber wie noch nie hat mich die Idee erfaßt, das Theater<br />

zu lassen. Ich habe mich Herrn Zemlinsky vollständig erklärt. Ich bin in Prag<br />

stundenlang herumgelaufen und habe überlegt und überlegt. Ich weiß nicht was das<br />

war. . . Und dann vor allem: ich möchte bei Ihnen sein. Ich denke mir den Winter<br />

so: ich werde in der Stadt sein, wo Sie sind und werde vor allein die Auszüge Ihrer<br />

Werke machen.1 Natürlich möchte ich so viel als möglich komponieren. Was Sie<br />

wohl sagen werden dazu, daß ich wieder in Wien bin. Herr Schönberg, leicht waren<br />

diese Stunden in Prag nicht. Herr <strong>von</strong> Zemlinsky war äußerst lieb gegen mich. Es<br />

thut mir leid, daß ich ihn bei der Sache so in Anspruch genommen habe. Ich hoffe<br />

nur, daß er nicht schlecht <strong>von</strong> mir denken wird.“<br />

In Anbetracht des Ansehens des Deutschen Landestheaters in Prag und der <strong>von</strong><br />

Zemlinskys Anwesenheit gewährten Protektion, ganz zu schweigen <strong>von</strong> den<br />

134


finanziellen Überlegungen, ist es schwer zu verstehen, daß W ebern <strong>von</strong> dieser<br />

Gelegenheit keinen Gebrauch machte. Nachdem Schönbergs Zukunft zu diesem<br />

Zeitpunkt noch immer ungeklärt war, erscheint seine Entscheidung umso unbedachtsamer.<br />

Nur sein blinder Glaube an Schönbergs Sendung und seine persönliche<br />

Abhängigkeit <strong>von</strong> ihm können eine Erklärung sein für seine Bereitschaft, sein Los<br />

mit dem M eister zu teilen, ganz gleich, was es sein mochte.<br />

Während jenes kritischen Monats September folgten <strong>Webern</strong>s Briefe an<br />

Schönberg rasch aufeinander; er schrieb jeden zweiten oder dritten Tag, manchmal<br />

sogar zweimal täglich. Die Korrespondenz enthielt alle laufenden Ereignisse. Auf<br />

eine Aufforderung <strong>von</strong> Alfred Kerr hin, dem Herausgeber <strong>von</strong> Pan, schickte ihm<br />

W ebern den dritten Satz seines Opus 6 und das erste Stück <strong>von</strong> Opus 7. E r begann<br />

mit der Arbeit an einer biographischen Skizze Schönbergs, einschließlich Analysen<br />

der W erke und einer Darlegung <strong>von</strong> Schönbergs ästhetischen Lehren. Das Essay<br />

war <strong>von</strong> Dr. Gerhard Tischer, dem Musikverleger und Herausgeber der Rheinischen<br />

M usik- und Theaterzeitung bestellt worden. W ebern erhielt Zutritt zu Schönbergs<br />

aufgegebener W iener Wohnung, damit er die Musik unmittelbar anhand der<br />

Manuskripte studieren könne.<br />

Gegen Ende September hatte Schönberg eine ihm zusagende Wohnung in Berlin<br />

gefunden, und W ebern beschloß, ihm sofort zu folgen. Fieberhafte Aktivität setzte<br />

ein. <strong>Webern</strong>, Berg, Horwitz und Polnauer halfen zusammen bei der Auflösung <strong>von</strong><br />

Schönbergs W iener Wohnung. Sie benötigten m ehrere Tage, seine Bibliothek, die<br />

Bilder und den Hausrat zu verpacken. Schönbergs und W eberns Besitztümer<br />

wurden zusammen in zwei Möbelwagen transportiert, jedoch erst, nachdem eine<br />

noch im letzten Augenblick aufgetretene Komplikation aus dem Wege geräumt war:<br />

Schönbergs Miete mußte noch bis zum kommenden Februar beglichen werden,<br />

bevor der Hauswirt bereit war, die erforderlichen Ablösungsdokumente zu<br />

unterschreiben.<br />

W ebern traf am 6. Oktobe/r in Berlin ein und 'wohnte zunächst bei Schönberg, der<br />

ein ganzes Stockwerk in der geräumigen Villa Lepcke gemietet hatte, einem<br />

feudalen Wohnsitz in einem parkähnlichen Anwesen mit Teich im Vorort<br />

Zehlendorf. „Es ist wunderbar“, schrieb er an Berg am 10. Oktober, „Ich bin<br />

überglücklich wieder bei Schönberg zu sein. Hier ist es total am Land, im Wald. So<br />

wie am Berghof, nur eben natürlich.“ Ein paar Tage später bezog W ebern eine<br />

eigene Wohnung, ebenfalls in Zehlendorf (Wannseebahn, Hauptstraße 7, Gartenhaus,<br />

3. Stock). Wilhelmine und das Kind folgten bald nach. „Ich wohne hier sehr<br />

schön. Ich kann mich absolut nicht beklagen. . . Schönberg ist gut gelaunt. Leider<br />

wohnen wir doch ziemlich weit <strong>von</strong>einander. 20’ Gehzeit. Fahrgelegenheit ist fast<br />

keine“ , berichtete er am 17. O ktober Paul Königer, einem anderen W iener Freund<br />

(einem Schönbergschüler, der nunmehr bei Berg studierte), und fügte hinzu: „Ich<br />

habe schon eine Korrepetitionsstunde; 5 M ark pro Stunde. Wenn ich noch welche<br />

dazu bekomme, verdiene ich ganz schön.“ Diese Aussichten schlugen sich in der<br />

sofortigen Anschaffung eines Flügels nieder, eines kleinen schwarzen Ibachs, das<br />

erste und einzige Klavier, das <strong>Webern</strong> jemals sein eigen nennen konnte.2 Schönberg<br />

war bei der Wahl behiflich. D er Kaufpreis <strong>von</strong> 1400 M ark wurde bar bezahlt, Beweis<br />

135


genug dafür, daß es <strong>Webern</strong> dank der Mitgift, die er <strong>von</strong> Wilhelmines Eltern<br />

bekommen hatte, finanziell recht gut ging. Die Erwerbung entzückte <strong>Webern</strong>.<br />

„Eingeweiht habe ich den Flügel mit Schönbergs 2. Klavierstück [aus Opus 11]“ ,<br />

teilte er Berg am 24. Oktober mit, nachdem er ihm eine begeisterte Beschreibung<br />

<strong>von</strong> seinem Einkauf gegeben hatte.<br />

Briefe an so intime Freunde wie Berg und Königer (der bald Wilhelmines ältere<br />

Schwester Maria heiraten sollte, vormals die Ehefrau des Malers Commerlohr)<br />

geben ein anschauliches Bild <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Berliner Zeit. Es waren sie, denen<br />

gegenüber er zuerst sein Heimweh nach seiner Vaterstadt eingestand. Am 1.<br />

November schrieb er Berg, er sei nur wegen Schönberg nach Berlin gekommen und<br />

würde jedenfalls so lange wie der Meister dortbleiben. Aber unter anderen<br />

Umständen würde er nicht eine Minute länger ausharren. Er fand alles so wenig<br />

sympathisch, daß er die meiste Zeit zuhause bliebe, wo er sich noch am wohlsten<br />

fühle. Der Stoßseufzer: „Ach, wie beneide ich Dich, daß Du in Wien sein kannst“<br />

war Ausdruck seines ganzen Fiihlens.<br />

Für eine Weile wurde <strong>Webern</strong>s Heimweh durch ein aufregendes Ereignis<br />

beschwichtigt. Die Uraufführung <strong>von</strong> Mahlers Lied <strong>von</strong> der Erde war in München<br />

für den 20. November unter Bruno Walters Leitung vorgesehen, und <strong>Webern</strong><br />

überredete Berg und Königer, ihn in München zur Premiere zu treffen. Der<br />

Aufenthalt in München wurde zu einem der Höhepunkte in seinem Leben. Er traf<br />

vor den Freunden ein, nahm Quartier im Peterhof und wohnte mehreren Proben bei,<br />

die der Aufführung vorausgingen. Die Briefe, die W ebern seinen Freunden gleich<br />

nach den Münchner Tagen schickte, waren überschwenglich und ekstatisch in ihrer<br />

Verehrung <strong>von</strong> Mahlers Genius. Am 23. November schrieb er an Königer: ,, ,Das<br />

Lied <strong>von</strong> der Erde1ist das wunderbarste das es gibt. Wenn einer im Sterben ist, dann<br />

sollen Bilder seines Lebens vorbeiziehn an seiner Seele; so ist dieses Werk. Es ist<br />

unsagbar. Welche Macht wirkt hier.“ Am gleichen Tag verfaßte W ebern einen<br />

langen Brief an Berg, in dem er bei verschiedenen Einzelheiten der Partitur<br />

verweilte, um dann zu bekennen, daß er beim ersten Anhören einer bestimmten<br />

Phrase bei der Probe am liebsten den Geist aufgegeben hätte. (Er meinte die<br />

Kontrafagott-Stelle bei „Aus tiefstem Schauen lauscht’ ich auf“ .) Hingerissen <strong>von</strong><br />

der Schönheit des Werkes, fühlte er sieh so voller Dernut, daß er sieh fragte, ob sie es<br />

wirklich verdienten, so etwas überhaupt hören zu dürfen. Doch faßte er den<br />

Entschluß, daß' es eines für sie gebe, nämlich „danach zu streben, daß wir es<br />

verdienen“. Um das zu erreichen, müßten sie „hineingreifen ins Herz“ und sich<br />

lossagen <strong>von</strong> allem, was unrein ist. „Hinauf, ,sursum corda1 sagt die christliche<br />

Religion. So hat Mahler gelebt, so Schönberg“, schloß er triumphierend.<br />

Am Tag, bevor <strong>Webern</strong> den Freunden schrieb, hatte er Schönberg Das Lied <strong>von</strong><br />

der Erde auf dem Klavier vorgespielt. Schönberg verzeichnete am 22. November in<br />

seinem Tagebuch, daß sie beide zutiefst bewegt waren: „Wir konnten nicht<br />

sprechen.“ Obschon Schönberg <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> und seinen Freunden eingeladen<br />

worden war, auf ihre Kosten mit ihnen nach München zu kommen, konnte er nicht<br />

annehmen, da er gerade mit einer Vorlesungsreihe in Berlin begann.3 Unter dem<br />

Titel „Ästhetik und Kompositionslehre“ fand der Kurs am Stern’schen Konservato­<br />

136


ium statt. Die Vorlesungen sollten dazu dienen, Schönbergs Position in Berlin zu<br />

festigen. Obwohl seine Ankunft in Berlin unter einem guten Stern stand —mehrere<br />

Kunstmäzene hatten ihm ein opulentes Willkommengeschenk <strong>von</strong> 2000 Mark<br />

überreicht und zwei Propaganda-Artikel waren planmäßig erschienen - fanden sich<br />

Privatschüler nur recht zögernd ein. Jetzt konnten auch die Vorlesungen nach einem<br />

Anfangserfolg keine ausreichende Zuhörerschaft anlocken; an einer <strong>von</strong> ihnen<br />

nahmen nur fünf Personen teil.<br />

Auf Zureden <strong>von</strong> W ebern hatte Schönberg am 7. November seine gigantische<br />

Gurrelieder-Partitur beendet. Doch dann verfiel er in eine Depression, die bis ins<br />

neue Jahr hinein andauerte und ihm zeitweilig die Kraft zu schöpferischer Arbeit<br />

nahm. W ebern besuchte ihn täglich und versuchte, ihm auf jede erdenkliche A rt und<br />

Weise beizustehen. In jedem seiner Briefe drängte er Berg, einen Weg zu finden, der<br />

es Schönberg ermöglichen würde, nach Wien zurückzukehren, sei es als Dirigent der<br />

Singakademie (ein Posten, den Bruno W alter erwartungsgemäß aufgeben wollte)<br />

oder als Mitglied des Lehrkörpers der Musikakademie (wo Fuchs und Graedener<br />

vor der Pensionierung standen). Die im September begonnene W iener U nterstützungskampagne<br />

wurde fortgesetzt, und W ebern machte alle erdenklichen Vorschläge,<br />

wie man mögliche Geldgeber interessieren könnte.<br />

In der Hauptsache jedoch befaßte sich die Korrespondenz mit Berg mit der<br />

literarischen Hommage an Schönberg, die in den Tagen <strong>von</strong> Mahlers Tod konzipiert<br />

worden war. Die Überlegungen über das Projekt wuchsen zu einem kaum<br />

vorstellbaren Volumen an, wobei Berg einmal einen 30seitigen Brief schrieb. Für<br />

die ganze Durchführung fungierten <strong>Webern</strong> und Berg als Herausgeber, wenn auch<br />

schließlich auf <strong>Webern</strong>s Drängen keine Namen genannt wurden. Die ungeheuren<br />

Mühen, die in den kleinen Band investiert wurden, dauerten den ganzen Winter<br />

hindurch an. Gleichzeitig mühte sich <strong>Webern</strong> ab mit seinem Schönberg-Essay für die<br />

Rheinische M usik- und Theaterzeitung. Ein erster Entwurf wurde zur Gänze<br />

verworfen, und der Artikel wurde neu geschrieben und gefeilt, bis er Schönbergs<br />

Billigung fand. „Ich bin unglücklich, daß alles was ich aus mir herausbringe, so wenig<br />

ist gegen das, was ich zu spüren, zu fühlen glaube. G ar natürlich, wenn es sich um<br />

sprachliches handelt. D a bringe ich nichts heraus“ , schrieb W ebern in gedrückter<br />

Stimmung an Königer am 13. Januar 1912, als der Artikel endlich zum Druck<br />

gegangen war. <strong>Webern</strong>s Zeit und Energien waren im Verlauf dieses Winters derart<br />

absorbiert <strong>von</strong> seinen Bemühungen um Schönberg, daß der Berliner Aufenthalt,<br />

<strong>von</strong> dem er sich so zuversichtlich eine fruchtbare Zeit für sein Komponieren erhofft<br />

hatte, paradoxerweise ohne die Entstehung auch nur eines einzigen neuen Werkes<br />

vorüberging.<br />

Ende November erkrankte W ebern an einer schweren Bronchitis. Kopfschmerzen<br />

und hohes Fieber fesselten ihn für mehr als eine Woche ans Bett, und seine<br />

Genesung machte nur langsame Fortschritte. Schönberg besuchte ihn jeden Abend.<br />

Bei einem seiner Besuche brachte er das erste Exemplar der soeben erschienenen<br />

Harmonielehre mit. <strong>Webern</strong>s Enthusiasmus kannte keine Grenzen, „Seit Wagner ist<br />

in der deutschen Sprache so etwas nicht geschrieben worden. Vielleicht sogar seit<br />

Schopenhauer“, begeisterte er sich in seinem Brief an Berg vom 8. Dezember. Bald<br />

137


darauf schickte er Berg als Weihnachtsgeschenk Kants Briefe und schrieb ihm am<br />

21. Dezember: „Man muß bedenken: nach fast 2000 Jahren wird die Nacht, da ein<br />

großer Mensch geboren wurde, noch <strong>von</strong> fast allen Menschen dieser Erde gefeiert,<br />

als ein Augenblick, in dem man sich nur Liebes sagt und jedem Gutes thun möchte.<br />

Das ist doch wunderbar. Sollte man nicht auch Beethovens Geburtstag so feiern?“<br />

<strong>Webern</strong> fuhr fort, seiner Vorliebe für metaphysische Wechselbeziehungen nachzugehen:<br />

„Es ist merkwürdig, einerseits Beethoven und Kant und andererseits Wagner<br />

und Schopenhauer lebten ungefähr gleichzeitig. Ich spüre da immer eine geistige<br />

Gemeinschaft. Der Einfluß Schopenhauers auf Wagner existierte ja tatsächlich in<br />

hohem Maße. Und bei dem anderen erlauchten Paar spüre ich eine Übereinstimmung,<br />

obwohl ein Einfluß Kants auf Beethoven gar nicht existiert, im Sinne wie bei<br />

dem anderen Paar. Und Strindberg und Mahler? Maeterlinck und Schönberg? Auch<br />

Strindberg und Schönberg! Ausstrahlungen Gottes.“<br />

Berg schenkte <strong>Webern</strong> an diesem Weihnachten ein Werk <strong>von</strong> Baudelaire, und<br />

Schönberg gab ihm ein mit einer herzlichen Widmung versehenes Exemplar seiner<br />

Harmonielehre. <strong>Webern</strong> revanchierte sich mit Platos Staat. Zum Jahreswechsel war<br />

Schönbergs Gemütsverfassung auf einem Tiefpunkt angelangt, und <strong>Webern</strong><br />

beschwor Berg in einer Flut <strong>von</strong> eindringlichen Briefen, den Weg für die Rückkehr<br />

des Meisters in seine Vaterstadt zu ebnen. Ohne einen offiziellen Ruf würde<br />

Schönberg diesen Schritt unter keinen Umständen in Erwägung ziehen, nachdem<br />

der Mangel an künstlerischem Verständnis zusätzlich zu seiner finanziellen Notlage<br />

und der antisemitischen Hetze ihm seine Vaterstadt gründlich verleidet hatten. In<br />

seinem Brief an Berg vom 11. Januar 1912 stellte W ebern fest, daß er mehr denn je<br />

durchdrungen sei <strong>von</strong> Schönbergs „überragender Bedeutung“ und daß er sich nach<br />

einer glücklicheren Zeit sehne, „das ist eine in der es Schönberg gut geht“ . Wie<br />

kaum jemals zuvor sehnte er den Frühling herbei in der Hoffnung, er werde Licht in<br />

„diese Finsternis“ bringen. Man habe ja auch Beethoven zu seiner Zeit schlecht<br />

behandelt und Mahler abgelehnt. Aber es sei „schrecklich“, das in solcher Nähe<br />

mitmachen zu müssen. Es sei genug, „vor Zorn und Wut zu vergehn“ .<br />

Nur ein paar Tage später kam die Wende zum Besseren. Nachdem Hertzka<br />

Schönbergs Fünf Orchesterstücke op. 16 zur Veröffentlichung durch die Universal<br />

Edition abgelehnt hatte, wurden sie C. F. Peters, dem namhaften Leipziger<br />

Verlagshaus, angeboten. Das Werk wurde angenommen und eine Vorauszahlung<br />

<strong>von</strong> 600 Mark sofort angewiesen. Die Partitur wurde unverzüglich für die<br />

Herausgabe eingerichtet, und der Verlag ersuchte um einen vierhändigen Klavierauszug.<br />

Schönberg regte eine Einrichtung für zwei Klaviere an und übertrug auch<br />

sogleich W ebern die Aufgabe. Am Sonntag, dem 4. Februar 1912, war <strong>Webern</strong><br />

einer der Mitwirkenden bei einer Aufführung des Werks in Berlin in einer<br />

Transkription für zwei Klaviere zu acht Händen nach einem früheren Arrangement<br />

<strong>von</strong> Erwin Stein. Sie war Teil einer Matinee im Harmonium-Saal, deren Programm<br />

aus Werken Schönbergs bestand. Eduard Steuermann, den sein Lehrer Busoni zu<br />

Schönberg zum Theorie-Unterricht geschickt hatte, übernahm ein Klavier zusammen<br />

mit Louis Closson, ebenfalls einem Busoni-Schüler. W ebern teilte das zweite<br />

Klavier mit einem weiteren Busoni-Schüler, dem Amerikaner Louis Gruenberg, der<br />

138


noch im gleichen Jahr mit den Berliner Philharmonikern debütierte. Zur Aufführung<br />

gelangten nur der erste, zweite und vierte Satz. .Schönberg dirigierte.4 W ebern<br />

konnte Berg am 5. Februar berichten, daß alles sehr gut verlaufen sei. Die<br />

vorgesehene Uraufführung <strong>von</strong> Schönbergs Herzgewächsen op. 20 mußte allerdings<br />

abgesagt werden, da die Sängerin, Martha Winternitz-Dorda, „für die Höhe nicht<br />

genügend disponiert war“ . W ebern war ganz besonders enttäuscht, da er mit der<br />

Partie des Harmoniums betraut worden war.5 E r hatte gewissenhaft auf dem<br />

Instrument geübt und fand es „delikat“ und daß es „die wunderbarsten Klangfarben<br />

hergibt“ , wie er Berg schrieb.<br />

W ahrend dieses Konzert ohne negative Reaktionen auf Schönbergs Musik<br />

verlief6, nicht zuletzt dank der Anwesenheit sympathisierender Kollegen wie Busoni<br />

und Oskar Fried7 und zahlreicher persönlicher Freunde und Anhänger im Publikum,<br />

rief eine Aufführung <strong>von</strong> Pelleas und Melisande in Prag, die am 29. Februar<br />

stattfand, den Widerspruch der Zuhörer hervor. W ebern, der Schönberg eine<br />

Woche vor dem Konzert nach Prag begleitet hatte, wohnte den langen und<br />

anstrengenden Proben bei, die im Ständetheater abgehalten wurden, wo Mozart die<br />

Uraufführung seines Don Giovanni dirigiert hatte. W ebern wohnte zunächst bei<br />

Horwitz, der die Prager Theaterposition angenommen hatte, die W ebern abgelehnt<br />

hatte, zog aber dann ins Hotel Blauer Stern um. Als die Aufführung näher rückte,<br />

fanden sicli auch Berg, Königer, Linke und Polnauer ein, sowie das Schwesternpaar,<br />

die Frauen <strong>von</strong> W ebern und Königer. D er Anlaß wurde zu einer Wiedervereinigung<br />

des Schönberg-Kreises „wie in den alten W iener Tagen“ , wie Berg seiner Frau<br />

Helene schrieb, die Krankheit daran gehindert hatte, mitzukommen. In der ersten.<br />

Programmhälfte dirigierte Schönberg eine Bach-Suite (arrangiert <strong>von</strong> Mahler nach<br />

zwei der Orchestersuiten <strong>von</strong> Bach) und dann seine eigene 50.minii.tige sinfonische<br />

Dichtung. Das letztere Werk, eine Novität für das Prager Publikum, löste<br />

Demonstrationen aus, die sich die ganze Pause hindurch fortsetzten. Nur unter<br />

einigen Schwierigkeiten konnte mit dern Rest des Programms begonnen werden. Es<br />

enthielt Cellokonzerte <strong>von</strong> Haydn und Saint-Saens <strong>von</strong> Casals gespielt mit<br />

Zemlinsky als Dirigenten.<br />

Bei diesem Anlaß überreichte die kleine Bruderschaft der Schüler dem Meister<br />

das erste, eigens in blauem Leder gebundene Druckexemplar ihres literarischen<br />

Tributs Arnold Schönherg.8 E r war hauptsächlich dazu bestimmt, der Musikwelt die<br />

Augen zu öffnen für den Rang Schönbergs als Komponist und Lehrer, ein<br />

Propagandaschritt, der wegen der überaus feindseligen Haltung der Presse als<br />

notwendig erachtet wurde. W ebern war die treibende Kraft hinter der Produktion<br />

des Bandes gewesen, der <strong>von</strong> R. Piper in München veröffentlicht wurde. Sein Essay<br />

„Schönbergs Musik“ , das beinahe ein Drittel der 90 Seiten des Buchs füllte, war bei<br />

weitem der umfangreichste Beitrag. Das Buch enthielt außerdem Artikel <strong>von</strong><br />

Jalowetz („Die H arm onielehre“ ), Kandinsky („Die Bilder“) und Gütersloh<br />

(„Schönberg der M aler“) wie auch einen Teil „D er Lehrer“ in dem Schönbergs<br />

Schüler9 sich mit einer Reihe <strong>von</strong> Zeugnissen zusammentaten. Eine kurze<br />

biographische Skizze, die auch auf Schönbergs gespanntes Verhältnis zur Wiener<br />

Akademie hinwies, gefolgt <strong>von</strong> einem Verzeichnis <strong>von</strong> Schönbergs Kompositionen<br />

139


is einschließlich Opus 19 und einer Einführung <strong>von</strong> Karl Linke, eröffneten das<br />

Bändchen. Diese Beiträge gingen <strong>Webern</strong>s Essay voraus, das, so gut wie<br />

unverändert unter dem Titel „Ü ber Arnold Schönberg“ gerade in der Rheinischen<br />

Musik- und Theaterzeitung10 erschienen war. In seiner Studie gab W ebern einen<br />

Überblick über die bis zu jenem Zeitpunkt erschienenen Hauptwerke und sagte<br />

über die künstlerische Perzeption seines Meisters: „Seine Empfindung ist <strong>von</strong><br />

versengender Glut; sie schafft völlig neue Ausdruckswerte, also braucht sie auch<br />

neue Ausdrucksmittel. Inhalt und Form sind ja nicht zu trennen.“ <strong>Webern</strong>s<br />

Bemerkungen zu Opus 10, 15, 16 und 19 könnten ohne weiteres als Kommentare<br />

dienen zu seinen eigenen Kompositionen aus derselben Periode.11<br />

Diese Hommage war mit Reproduktionen einiger Gemälde <strong>von</strong> Schönberg<br />

illustriert. In diesem Frühjahr erschien auch eines seiner Bilder - zusammen mit<br />

Meistern wie Cezanne, Gauguin, Matisse, Picasso und van Gogh - im Blauen Reiter,<br />

dem <strong>von</strong> den avantgardistischen Malern Kandinsky und Marc herausgegebenen<br />

Sammelband. Kandinsky war äußerst interessiert an Musik und stellte Theorien auf,<br />

die Farben zu Klängen in Verbindung brachten. (Der Band enthielt auch eine<br />

Analyse <strong>von</strong> Skrjabins Prometheus, einem Werk, das in dieser Sphäre experimentierte;<br />

es fand <strong>Webern</strong>s strikte Ablehnung.) Um die Parallelen des Fortschritts in<br />

Musik und Kunst aufzuzeigen, lud Kandinsky die Komponisten Schönberg, Berg<br />

und <strong>Webern</strong> ein, Beispiele aus ihrem Schaffen beizusteuern. Die drei Kompositionen,<br />

die in Form <strong>von</strong> Beilagen erschienen, waren Schönbergs Herzgewächse op. 20,<br />

Bergs Warm die Lüfte op. 2, Nr. 4 und <strong>Webern</strong>s George-Lied Ihr tratet zu dem Herde<br />

op. 4, Nr. 5. Hiermit erschien zum zweiten Mal ein Werk <strong>Webern</strong>s im Druck. Der<br />

Dreililien Verlag, dem er einige Manuskripte im Juni 1911 angeboten hatte, hatte<br />

sie „mit B edauern“ zurückgehen lassen. Zu Beginn seines Berliner Aufenthalts<br />

hatte er auf Ersuchen <strong>von</strong> Dr. Tischer dem Verlag Tischer & Jagenburg mehrere<br />

seiner Kompositionen eingereicht, darunter neun George-Lieder, die Fünf Sätze<br />

op. 5 und die Vier Stücke op. 7. Auch diese Hoffnung trug keine Früchte. Enttäuscht<br />

schrieb W ebern an Dr. Tischer arn 2. Januar 191.2: „Es tut mir sehr leid, daß Sie<br />

meine Kompositionen nicht in Ihren Verlag aufnehmen. Vielleicht befreunden Sie<br />

sich doch einmal damit.“<br />

Als das Frühjahr kam, war Schönbergs Stern merklich im Steigen begriffen.<br />

Aufführungen <strong>von</strong> Pelleas und Melisande wurden in so weit <strong>von</strong>einander entfernten<br />

Städten wie Amsterdam und St. Petersburg angekündigt. Irn Februar hatte er einen<br />

mit 1500 Mark dotierten Kompositionsauftrag <strong>von</strong> der begabten Schauspielerin<br />

Albertine Zehme erhalten; bis Ende März war bereits das erste Lied des Pierrot-<br />

Lunaire-Zyklus fertig. Schönbergs Position in. Berlin festigte sich; als dann endlich<br />

im späten Frühjahr ein Ruf der Wiener Akademie für eine Lehrtätigkeit an ihn<br />

erging, lehnte er ab. <strong>Webern</strong> dagegen sah sich in zunehmendem Maße gezwungen,<br />

die Sicherheit einer festen Anstellung zu suchen. Und noch einmal überwand er sich<br />

zu eben demselben Schritt, der sich in der Vergangenheit als so unbefriedigend<br />

erwiesen hatte. „Ich kehre wieder zum Theater zurück“, schrieb er Königer am 11.<br />

Januar 1912. „Es nützt nichts. Ich muß dirigieren! Seit ich denke, will ich es. Ich<br />

kann nicht entsagen. Ich muß Schönberg u. Mahler und alles was heilig ist<br />

1.40


aufführen.“ Wieder strebte er eine Position in Prag an und wandte sich an<br />

Zemlinsky, wobei er sich gleichzeitig erbot, den Celesta-Part in einer Aufführung<br />

<strong>von</strong> Mahlers Achter Symphonie zu übernehmen, die in Prag für Ende März<br />

vorgesehen war.<br />

Im gleichen Monat war das Werk bereits zweimal in Wien gegeben worden.<br />

<strong>Webern</strong> kam am 6. März angereist und blieb für mehr als zwei Wochen.12 E r hatte<br />

schon vorher mit Königer vereinbart, Karten zu den beiden Aufführungen für seinen<br />

Vater und seine Schwester zu kaufen. Königer sollte den Plan jedoch geheimhalten,<br />

da sich <strong>Webern</strong>s Vater mit Sicherheit einer solchen Verschwendung widersetzen<br />

würde, dasselbe Werk zweimal zu hören, wenn die Karten so teuer wären. <strong>Webern</strong><br />

gab zu, daß er hoffte, seinen Vater durch die Großartigkeit <strong>von</strong> Mahlers Symphonie<br />

der Tausend so sehr beeindrucken zu können, daß er ihn damit überzeugen würde,<br />

die <strong>von</strong> ihm erwählte Musikerkarriere sei doch das Richtige für ihn.<br />

Von Wien begab sich <strong>Webern</strong> nach Prag zu den Proben und zwei Aufführungen<br />

der Achten Symphonie unter Zemlinskys Stabführung. Auch Schönberg kam, um<br />

einen Vortrag über Mahler zu halten. Am 29. März drückte <strong>Webern</strong> Berg gegenüber<br />

sein Bedauern aus, daß sie nicht zusammen in Prag sein konnten. Die Aufführung sei<br />

„unvergleichlich schöner“ gewesen als die in Wien, und er freute sich besonders<br />

über seine Mitwirkung an der Celesta. Im gleichen Brief machte er Berg Mitteilung<br />

<strong>von</strong> einer plötzlichen Wende, die in ihm „1000 widersprechende Gefühle“ ausgelöst<br />

habe. „Ich bin verwirrt, beängstigt, erfreut, begeistert, alles in jeder Secunde.“ Er<br />

hatte soeben eine Dirigentenstelle in Stettin angenommen, die er bereits am 1. Juli<br />

anzutreten hatte.13 Die Aussicht, daß er wiederum Seite an Seite mit Jalowetz<br />

arbeiten würde, hatte seinen Entschluß zwar etwas leichter gemacht, aber seine<br />

Vertragsunterzeichnung war dennoch <strong>von</strong> gemischten Gefühlen begleitet gewesen,<br />

die vorn Bedauern, wieder einen Sommer schöpferischer Tätigkeit zu verlieren, bis<br />

zur Trauer darüber, die W iener Premiere <strong>von</strong> Mahlers Neunter Symphonie nicht<br />

miterleben zu können, reichten.<br />

Bei seiner Rückkehr nach Berlin gab es einen Schwarm <strong>von</strong> Besuchern, (erst die<br />

Königers, dann <strong>Webern</strong>s Vater und Schwester), aber dann konnte am 10. April die<br />

Arbeit an der Einrichtung <strong>von</strong> Schönbergs Fünf Orchesterstücken op. 16 für zwei<br />

Klaviere vierhändig ernsthaft in Angriff genommen werden. Sie wurde bis zu ihrer<br />

Vollendung kurz vor W eberns Abreise <strong>von</strong> Berlin M itte Mai nicht mehr liegen<br />

gelassen. Die einzige Unterbrechung erfuhr sie durch eine Reise nach Stettin zürn<br />

Mieten einer „wirklich sehr schönen Wohnung. - Wohl über meine Verhältnisse“ ,<br />

wie er sie Berg beschrieb. Als die Berliner Episode ihrem Ende entgegenging, wurde<br />

das Abschiednehmen schwer. „H ier in Zehlendorf ist es jetzt herrlich“, schrieb<br />

<strong>Webern</strong> an Königer am 5. Mai. „U nter meinem Fenster viele blühende Bäume. Die<br />

Luft <strong>von</strong> Wohlgeruch erfüllt. D er Weg zu Schönberg zwischen blühenden<br />

Obstgärten. In der Nacht singen die Nachtigallen. Das habe ich auch noch nie<br />

gehört. Kurzum, es ist wundervoll hier. . . Ich bin täglich mit Schönberg<br />

beisammen.“<br />

W ährend der M onate in Berlin wurde <strong>Webern</strong>s Freundschaft mit Schönberg<br />

durch das Angebot des familiären „Du“ durch den Älteren, das <strong>von</strong> nun an in allen<br />

141


ihren Briefen Verwendung fand, offiziell besiegelt. (Dieses Privileg wurde Alban<br />

Berg erst sechs Jahre später zuteil.) Wie um den ständigen persönlichen Kontakt<br />

über Neuigkeiten und Ideen nicht abreißen zu lassen, sandte W ebern Schönberg<br />

nicht weniger als 12 Briefe während des einen Monats, den er in Österreich<br />

verbrachte, bevor er nach Stettin ging. Dieses Mal führte ihn die Heimkehr nicht auf<br />

den Preglhof. Carl <strong>von</strong> W ebern hatte Anfang des Jahres das Gut verkauft. E r nannte<br />

die hohen Betriebskosten und die steuerliche Belastung als Gründe für diesen<br />

Schritt, wahrscheinlicher aber war es die Einsicht, daß sein Sohn nie in der Lage sein<br />

würde, das Besitztum zu verwalten. Diese Gewißheit war mit den Jahren immer<br />

deutlicher geworden und hatte sich jetzt verfestigt, nachdem A nton die Verantwortung<br />

für eine Familie auf sich genommen hatte und dabei immer noch <strong>von</strong> der<br />

finanziellen Unterstützung seines Vaters abhängig war. Es sah kaum so aus, als ob<br />

sich dieser Zustand in absehbarer Zukunft ändern würde. Ohne Zweifel war der<br />

Entschluß, das geliebte Gut aufzugeben, für den Patriarchen äußerst schmerzlich.<br />

Nach Abschluß des Verkaufs übermachte Carl <strong>von</strong> W ebern jedem seiner drei<br />

Kinder den Betrag <strong>von</strong> 50 000 Goldkronen.14 Die Aussicht auf diese Zuwendung<br />

veranlaßte <strong>Webern</strong>, einige seiner Kompositionen auf eigene Kosten drucken zu<br />

lassen, ein Vorhaben, zu dem ihm auch Schönberg und Berg zuredeten. „Ich bin<br />

neulich zum drittenmale <strong>von</strong> Verlegern abgewiesen worden“ , hatte er an Königer<br />

am 29. Februar 1912 geschrieben und ihm zugleich mitgeteilt, daß er plane, seine<br />

Passacaglia, das erste Streichquartett (op. 5) und „die älteren 6 Orchesterstücke“<br />

(op. 6) herstellen zu lassen. Die Reproduktion sollte im Straube-Druckverfahren<br />

erfolgen, unter deren Impressum Schönbergs Zweites Streichquartett erschienen<br />

war. Das Veröffentlichungsprogramm war bald zum Teil ausgeführt: innerhalb eines<br />

Jahres lag die Partitur der Sechs Stücke für Orchester vor, gleichzeitig mit der<br />

Uraufführung des Werks in Wien. Die Partitur wurde in der Folgezeit einer Reihe<br />

prom inenter Dirigenten zugeschickt, was dazu verhalf, <strong>Webern</strong>s Namen einzuführen.<br />

So versetzte der Verkauf des Preglhofs W ebern in die Lage, sein Anwalt in<br />

eigener Sache zu werden zu einer Zeit, als die Verleger die Bedeutung seines<br />

Schaffens noch nicht erkannten.<br />

Der Preglhof war der Bezugspunkt <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Jugend gewesen. Zukünftige<br />

Sommer würden der Schönheit und Unbeschwertheit der langen auf Wiesen und in<br />

Wäldern verbrachten Wochen entbehren, auch des Friedens, der für <strong>Webern</strong>s<br />

schöpferisches Wesen so notwendig war. Aus Schmerz über diesen Verlust schrieb<br />

W ebern am 17. Juli 1912 <strong>von</strong> Stettin einen wehmütigen Brief an Schönberg: „Ich<br />

habe gerade früher einen Brief an Dich geschrieben, ich muß Dir aber noch sagen,<br />

wie mich gerade jetzt im Sommer die Sehnsucht nach unserem Gute fast täglich<br />

einfach überwältigt. Ich traure um diesen Besitz wie um einen teuren Verstorbenen.<br />

Ich möchte oft hinfahren und ihn wieder zurückerwerben. Ich sehe jetzt alles in<br />

einem verklärten Lichte. Und in der Erinnerung erscheint es mir wie ein verlorenes<br />

Paradies. Ich kann es mir nicht vorstellen, daß ich nie mehr dort leben, dort<br />

komponieren soll. Es überkommt mich, wenn ich mir das alles dort jetzt so im<br />

Sommer vorstelle, eine übergroße Rührung. Mein täglicher Weg zum G rabe meiner<br />

Mutter. Diese unendliche Milde der ganzen Gegend dort, alle diese tausend Dinge<br />

142


dort. Alles vorbei. . . Wenn Du nur einmal das alles gesehen hättest. Diese<br />

Abgeschiedenheit, diese Stille, das Haus, die W älder, der Garten, der Friedhof. Um<br />

diese Zeit hatte ich immer fleißig komponiert.“<br />

Nach dem Verkauf des Preglhofs mietete Carl <strong>von</strong> W ebern eine stattliche Villa in<br />

Klagenflirt. Er teilte das Haus in der Schiffgasse 14 mit seiner älteren Tochter Maria<br />

und ihrer Familie sowie mit seiner noch immer unverheirateten Tochter Rosa.<br />

<strong>Webern</strong>, der entzückt war <strong>von</strong> dem Haus und seinem großen Garten, verbrachte drei<br />

Wochen dort, nachdem er Berlin verlassen hatte. E r genoß die Herrlichkeiten des<br />

Frühlings und unternahm eine Bergtour, nur um die blühenden Narzissenwiesen zu<br />

sehen. „Für mich ist das eine geistige Angelegenheit“, schrieb er an Berg am 4. Juni,<br />

am Vorabend seines Ausflugs. „Ich muß <strong>von</strong> Zeit zu Zeit diese Luft athmen, die<br />

dünne Höhenluft. Liegt in diesen Worten nicht alles? Durchsichtig, klar, rein, die<br />

Höhe. Das hat alles was zu bedeuten. Ich muß diese Gegenden <strong>von</strong> Zeit zu Zeit<br />

auf suchen.“<br />

Berg war vorher vom Berghof zu einem Besuch nach Klagenflirt gekommen.15<br />

Die bekannte Fotografie, die die beiden Freunde zeigt, wie sie auf einer Wiese<br />

stehen, wurde um diese Zeit aufgenommen, (vgl. Abbildung S. 133) Während des<br />

Besuchs <strong>von</strong> Berg probierten die beiden W eberns soeben vollendetes Arrangement<br />

<strong>von</strong> Schönbergs Fünf Orchesterstücken für zwei Klaviere aus. Ihr Zusammensein<br />

diente weitgehend den Erörterungen eines ganz besonderen Projekts, das gerade<br />

seiner Verwirklichung entgegenging: zwei Konzerte, die als inoffizielles Pendant zu<br />

den ersten der jährlich stattfindenden Wiener Festwochen für den 25. und 29. Juni<br />

geplant waren. Die Programme, die zuerst in einem Gespräch zwischen Schönberg<br />

und <strong>Webern</strong> konzipiert wurden, sollten ein „Gegen-Festival“ darstellen, da das<br />

Direktorium der Festwochen Werke lebender österreichischer Komponis*"”<br />

ignoriert hatte. (Immerhin enthielten die Festwochen die posthume Ural<br />

<strong>von</strong> Mahlers Neunter Symphonie unter Bruno W alter.) Die beiden<br />

wurden unter dem Patronat des Akademischen Verbandes für Literatur u<br />

organisiert und sollten Werke <strong>von</strong> Schönberg, Schreker, Zemlinsky, Nova«.. ,-hik<br />

Berg und "<strong>Webern</strong> enthalten. Das Rose-Q uartett sagte seine Mitwirkun;<br />

Streichquartetten <strong>von</strong> Schönberg und Zemlinsky zu. Arnold Rose hatte £<br />

vor, <strong>Webern</strong>s Vier Stücke für Geige und Klavier op. 7 zu spielen, nachdem er die<br />

Uraufführung im Jahr vorher hatte absagen müssen.<br />

Eine 32seitige Broschüre, die die beiden Programme enthielt, wurde <strong>von</strong> den<br />

Veranstaltern unter dem Titel Das musikfestliche Wien veröffentlicht. Der<br />

Herausgeber Paul Stefan beschrieb in seinem Artikel „Die ,Toten* und die<br />

,Lebenden““ die kuriose Situation, die sich aus der offensichtlichen Konkurrenz<br />

zum offiziellen Fest ergeben hatte. W eitere Beiträge steuerten Franz Schreker und<br />

Stefan Zweig bei. Von besonderem Interesse war ein Essay „A nton <strong>von</strong> W ebern und<br />

Alban Berg“ , die erste kritische Studie, die den beiden Komponisten gewidmet war.<br />

Karl Linke, ein Freund aus dem Schönberg-Kreis, hatte sie mit Sympathie und<br />

Verständnis verfaßt. In seiner Erwähnung des Artikels fand W ebern in seinem Brief<br />

an Schönberg vom 7. Juli 1912, daß die Unterscheidung zwischen dem vornehmlich<br />

introvertierten Charakter seiner Musik und der extrovertierteren Qualität derjeni­<br />

143


gen Bergs doch etwas „construiert“ sei, daß er aber im großen ganzen damit<br />

zufrieden sei. Obwohl das Essay zu einem Zeitpunkt geschrieben war, zu dem beide<br />

gerade am Anfang ihrer Karriere standen, haben sich Linkes Erkenntnisse als ganz<br />

besonders zutreffend erwiesen, haben sie doch ihre Gültigkeit bis zum heutigen<br />

Tage behalten.<br />

Von Klagenfurt begab sich <strong>Webern</strong> nach Wien. Alles sträubte sich in ihm gegen<br />

seine vertragliche Verpflichtung, in Stettin sein zu müssen, noch bevor die beiden<br />

Konzerte stattfanden. Eine Zeitlang hoffte er, daß Steuermann in seinen Vier<br />

Stücken für Geige und Klavier mitwirken würde, jedoch zerschlug sich diese<br />

Aussicht, da es der Etat nicht zuließ, einen Pianisten <strong>von</strong> so weit her wie Berlin<br />

kommen zu lassen. <strong>Webern</strong> erarbeitete das Werk mit einem Ersatzpianisten,<br />

Richard Goldschmied17, was ihn am 13. Juni zu der beunruhigenden Bemerkung<br />

Schönberg gegenüber veranlaßte: „Der hat vorläufig noch keine Ahnung da<strong>von</strong>. Ich<br />

bin etwas besorgt wegen Rose. Wenn er nur meine Stücke spielen möchte.“ Inmitten<br />

dieser Befürchtungen mußte <strong>Webern</strong> Wien verlassen. Nach seiner Ankunft in Berlin<br />

am 19. Juni verbrachte er kostbare Stunden mit Schönberg (er übernachtete<br />

zweimal in seiner Wohnung) und bereitete den Transport seines Haushalts nach<br />

Stettin vor. Dort traf er mit Frau und Kind am 21. Juni ein, einen Tag, bevor eisernen<br />

Dienst anzutreten hatte.<br />

144


»<br />

! 10. Stettin (1912/13)<br />

<strong>Webern</strong>s Stettiner W ohnung befand sich im 3. Stock des Hauses Dohrnstraße 1. Ihre<br />

Geräumigkeit war sehr nach seinem Geschmack, und sie sollte in den schweren<br />

Monaten, die ihm bevorstanden, ein wahrer Ort der Zuflucht für ihn werden.<br />

Sein Einstand war durchaus vielversprechend: Der Direktor des Theaters<br />

gewährte seinem neuen Mitarbeiter auf Arnold Roses Ersuchen großzügig einen<br />

Urlaub, um bei dem Konzert am 29. Juni in Wien mitzuwirken, trotzdem er noch<br />

kaum in Erscheinung getreten war und am 30. Juni als Dirigent des Walzertraums<br />

(Oscar Straus) vorgesehen war. Schönbergs Zuspruch bewirkte, daß er rasch alle<br />

Skrupel beiseite schob, seinen neuen Posten schon bald wieder zu verlassen. Am 28.<br />

Juni schrieb er dem Freund eine Postkarte vom Gasthof Himrnelhof im Wiener<br />

Distrikt Ober-St. Veit. Er erzählte ihm, daß er am Nachmittag mit Berg und<br />

Jalowetz die Partitur <strong>von</strong> Mahlers „unsagbar schöner“ Neunter Symphonie (deren<br />

Uraufführung am 26. Juni er nicht hatte miterleben können) durchgespielt habe.<br />

Das Programm des Konzerts am 29. Juni bestand aus Schönbergs Zweitem<br />

Streichquartett, in dem Martha Winternitz-Dorda die Gesangspartie übernommen<br />

hatte, Bergs Klaviersonate, die Richard Goldschmied spielte, und W eberns Vier<br />

Stücken mit Arnold Rose und dem Komponisten am Flügel. <strong>Webern</strong>s Vater, der<br />

beruflich in Wien zu tun hatte, war anwesend. Das Konzert war ein großer Erfolg,<br />

und bei dem nachfolgenden geselligen Beisammensein war alles in Hochstimmung.<br />

<strong>Webern</strong> schrieb Schönberg voller Überschwang: „Liebster Freund, wenn Du nur da<br />

wärst! Es war wunderbar, herrlich!“ Alma Mahler fügte hinzu: „Ja! Ja! Ja!“,<br />

während Oskar Kokoschka die sicherlich aufrichtige, wenn auch undiplomatische<br />

Bemerkung machte: „Ich habe heute zum erstenmal an Sie geglaubt“ ,1 dem Frau<br />

Winternitz-Dorda ihr Bekenntnis hinzufügte: „Ich glaube immer!“ . Die Postkarte<br />

wurde herumgereicht, bis so ziemlich alle Angehörigen des inneren Kreises<br />

unterschrieben hatten.<br />

W ieder zurück in Stettin schrieb W ebern an Schönberg zwei lange Briefe am 3.<br />

und 7. Juli, in denen er in großer Ausführlichkeit über den Verlauf des Abends und<br />

seine eigenen Eindrücke berichtete. Sein Kommentar im ersten Brief war fast<br />

ausschließlich Schönbergs Q uartett gewidmet, das mit Bravorufen aufgenommen<br />

wurde, dieses Mal ohne jegliche Anzeichen <strong>von</strong> Ablehnung. Von der Aufführung<br />

seines eigenen Werkes konnte er das nicht in gleichem Maße sagen: „Die Frau<br />

Schrecker war es, die, in der ersten Reihe sitzend, während meiner Stücke Laute<br />

verhaltenen Lachens <strong>von</strong> sich gab. Sonst w ar’s ruhig. Am Schluß soll Loos2 irgend<br />

jemand die Thüre gewiesen haben. Ich hab’ nichts gehört. Rose hat meine Stücke<br />

wundervoll gespielt, und es thut mir nur so leid, daß ich nicht besser war. In der<br />

Probe vormittags ist es so gut gegangen. Ich bin noch jetzt sehr deprimiert darüber.<br />

145


Ich war schrecklich aufgeregt. Ich habe mich bei Rose entschuldigt, er sagte wir<br />

werden schon noch Gelegenheit haben, die Stücke wieder zu spielen. Hoffentlich.“<br />

Im zweiten Brief bemerkte <strong>Webern</strong>: „Meinen Vater hat Dein Quartett tief ergriffen.<br />

Auch Bergs Sonate gefiel ihm. Meine Sachen sind ihm zu ,nervös1. Es ist immer<br />

wieder aus, sagt er.“<br />

Der Berg und ihm gewidmete Leitartikel im Programmheft Das musikfestliche<br />

Wien gab <strong>Webern</strong> in seinem Brief an Schönberg vom 13. Juli Anlaß zur<br />

Nachdenklichkeit: „Alle diese Ehren, die einem da widerfahren, sind deprimierend.<br />

Ich bin mehr unglücklich als froh über so etwas. Ich spüre bei solchen Gelegenheiten<br />

um so deutlicher, wie wenig ich selber dafür kann, wenn ich wirklich etwas gutes<br />

hervorbringen sollte. Ich bin nur das Werkzeug einer höheren Macht. Ich selber bin<br />

für nichts.“ Drei Tage danach schrieb er an Berg, daß es für ihn wunderbar sei zu<br />

glauben, daß Berg <strong>von</strong> seinen Werken so denke wie <strong>von</strong> seinen eigenen. Deshalb<br />

werde auch der Eindruck, den ihre Werke auf die anderen Menschen machten, nie<br />

„verstimmend“ auf einen <strong>von</strong> ihnen wirken.<br />

Nach dem erhebenden Erlebnis der Wiener Tage hatte die eintönige Routine in<br />

Stettin einen geradezu schockartigen Effekt. „Ich muß den ganzen Tag im Theater<br />

sein. Was hab’ ich <strong>von</strong> meiner schönen Wohnung“, klagte er Schönberg am 3. Juli,<br />

schon am dritten Tag nach seiner Rückkehr. Die tägliche Plackerei, Musik<br />

einstudieren zu müssen, die er nur verabscheuen konnte, ließ ihn sich auflehnen, und<br />

er begann, über physische Störungen zu klagen: „Mir geht’s auch gesundheitlich so<br />

schlecht wie noch nie. Ich weiß wirklich nicht ob ich es aushalten kann. Ich gerate in<br />

eine derartige Erschlaffung, daß ich mich nicht rühren kann. Dann schmerzen mich<br />

die Füße rasend, so daß ich kaum gehen kann. Ich kann nichts mehr denken, gar<br />

nichts. Ich lebe wie ein Vieh. Ich habe mir schon öfters gedacht, ich werde das<br />

Theater einfach deswegen aufgeben müssen, weil ich die Strapazen nicht aushalte.<br />

. . Ich sehe Frau u. Kind nicht und hocke da in einer Schmiere schrecklichster<br />

A rt unter einem Auswurf der Menschheit. Sei nicht bös, daß ich Dir das alles<br />

schreibe. Ich bin täglich verzweifelter und meine Frau bereits mit mir, obwohl sie mir<br />

immer aufhilft.“<br />

Diese Litanei <strong>von</strong> Klagen, die gleich zu Beginn der Stettiner Monate einsetzte,<br />

wird zu einem sich fortlaufend wiederholenden Thema mit Variationen. Am 4. Juli,<br />

dem Tag, nach dem er Schönberg sein Herz ausgeschüttet hatte, schrieb er Berg in<br />

der gleichen Tonart. Er beschwerte sich bitter darüber, daß er sich mit „albernster<br />

Musik“ abgeben müsse und stöhnte: „Ich ersticke!“ Wäre er nicht durch die<br />

Jahresmiete <strong>von</strong> 1300 Mark für seine Wohnung gebunden, würde er unverzüglich<br />

abreisen und Erwin Stein als Nachfolger kommen lassen.<br />

Am Sonntag, dem 7. Juli, gab <strong>Webern</strong> sein Stettiner Debüt als Dirigent in einer<br />

Nachmittagsvorstellung der populären Operette Der Vogelhändler des Wieners<br />

Karl Zeller. Berg gegenüber räumte er ein, daß das Stück „ganz nett“ sei. Trotz<br />

seiner Ablehnung des Genres der Operette war er dennoch der leichten Muse nicht<br />

völlig abgeneigt. Zwei Werke, die im weiteren Verlauf der Spielzeit in Stettin<br />

herauskamen, riefen seinen uneingeschränkten Enthusiasmus hervor. Das eine war<br />

Eine Nacht in Venedig („Das ist eine so feine, zarte Musik. Ich glaube jetzt, daß<br />

146


Johann Strauß ein M eister ist“ , meinte er zu Schönberg am 6. O ktober); das andere<br />

war Lortzings Zar und Zimmermann, das eines seiner Lieblingsstücke bleiben sollte.<br />

O peretten wie Ein Walzertraum dagegen erregten seinen Abscheu („W enn diese<br />

Musik nur nicht so zum Kotzen wäre“, war sein Kommentar an Schönberg am 12.<br />

Juli). Was er aber ganz besonders verachtete, waren billige Possen, wie er Berg am<br />

15. August schrieb, als er gerade dabei war, ins Theater zu gehen, um „etwas<br />

scheußliches, eine Berliner Posse, die heißt - erbrich Dich nicht - ,Autoliebchen*<br />

“3, zu dirigieren. „Aber alles geht vorüber“, war sein einziger Trost. Einen<br />

Monat vorher, am 19. Juli, hatte er Berg mitgeteilt: „Ich würde doch als<br />

Unbeteiligter so ein Theater, wie dieses, wo ich jetzt bin, fliehen wie einen Pestort,<br />

und jetzt muß ich selber in der Sauce mit umrühren. Ich geniere mich oft, ich komme<br />

mir wie ein Verbrecher vor. Bei diesem übelsten Fleck der Menschheit noch<br />

mitzuthun. Ich kann die Erlösung aus diesem Sumpf kaum mehr erwarten.“<br />

<strong>Webern</strong>s Widerwille gegen seine Arbeit mußte sich früher oder später in seinen<br />

persönlichen Beziehungen innerhalb des Theaters auswirken. „Der Direktor ist ein<br />

Kretin sondergleichen. Ein Mensch ohne alles Verständnis. Ein Geck. Er scheint vor<br />

allem darauf zu sehn, daß die Kapellmeister immer gut rasiert sind“, hatte <strong>Webern</strong><br />

Schönberg am 17. Juli geschrieben, gerade zwei Wochen nach Antritt seines<br />

Engagements. E r hatte sich erboten, den Walzertraum, eine Operette, die er bereits<br />

kannte, ohne Probe zu dirigieren. Alles ging gut, aber <strong>Webern</strong> fühlte sich vom<br />

Direktor geringschätzig behandelt: „Zuerst sagte er immer, j a werden Sie wohl<br />

nicht schmeißen?4Nun da ich nicht,geschmissen1habe, hätte er wohl seine Zweifel<br />

durch irgend ein W ort gut machen können. Nein keine Spur, er sagte bloß nach dein<br />

II. A kt ,Na, Kleiner, wie fühlen Sie sich?1E r ist nämlich sechsmal so groß wie ich.<br />

Aber gewiß unzähligemale dümmer als ich. Überhaupt ein so talentloses, gemeines<br />

Personal habe ich noch nie gesehen. A ber ich rege mich nur vorübergehend mehr<br />

über solche Sachen auf. Ich habe mir fest vorgenommen, ich schaue nicht rechts u.<br />

nicht links und thu meine Pflicht, sollen sie <strong>von</strong> mir denken was sie wollen.“ Solche<br />

Entschlossenheit war zweifellos durch Schönbergs väterliche Ermahnungen gestärkt<br />

worden. In seiner Besorgnis hatte er in W ebern gedrängt, seine Stellung nicht aufs<br />

Spiel zu setzen, bedeutete sie doch ein Auskommen, wenn schon sonst nichts.<br />

Während seiner zweimonatigen Tätigkeit im Sommertheater dirigierte <strong>Webern</strong><br />

alles in allem 30 Aufführungen. Er setzte seine ganze Hoffnung darauf, daß ihm<br />

befriedigendere Aufgaben zufallen würden, wenn die eigentliche Spielzeit im<br />

Stadttheater am 15. September begann. In der Zwischenzeit fuhr er fort, seinem<br />

Mißmut in häufigen und langen Episteln Luft zu machen. Alban Berg war es vor<br />

allem, der ihm teilnahmsvoll zuhörte, und in seinen Briefen an ihn beschwor <strong>Webern</strong><br />

alles das, dessen er sich jetzt beraubt fühlte. E r träumte <strong>von</strong> den Bergeshöhen, denen<br />

er grenzenlose Macht über Körper und Seele beimaß und nach denen ihn mit jeder<br />

Fiber seines lehs verlangte. So lebhaft waren die Bilder seiner Phantasie, daß man<br />

mit ihm die strahlende Sonne im Widerschein der Gletscher, die Farbenspiele der<br />

blühenden Wiesen miterlebt, den Duft der W älder nach dem Regen einatmet, aus<br />

den klaren Gebirgsbächen trinkt oder die reine Höhenluft auf sich wirken läßt.<br />

Während dieser M onate im Flachland des Nordens saugte <strong>Webern</strong> die Werke Peter<br />

147


Roseggers in sich auf, mit dem ihn eine elementare Liebe zur Einsamkeit der Berge<br />

verband und dessen naive Philosophie eine nachhaltige Anziehungskraft auf ihn<br />

ausübte.<br />

Auch Schönberg vertraute <strong>Webern</strong> seine Träume an. Er hatte die Vision eines<br />

Zufluchtsorts in den Bergen, eine gewisse Stelle in Sicht des Preglhofs, Vh<br />

Wegstunden <strong>von</strong> der Bahnstation: „Dort möchte ich mir ein Haus bauen und den<br />

größten Teil des Jahres dort oben sein“, schrieb er am 23. Juli. „Ich male mir alles bis<br />

in die kleinsten Details aus. Der Grund wäre dort billig, das Leben noch billiger, so<br />

käme ich mit meinem Geld und dem meiner Frau aus. Diesen äußersten Gegensatz<br />

zu meinem jetzigen Leben zu denken, ist mir jetzt das höchste Labsal. Du wirst mich<br />

zusammen schimpfen. Aber ich kann nicht anders.“<br />

In diesem Sommer verbrachte Schönberg seine Ferien in Carlshagen, einer<br />

Sommerfrische an der Ostsee, etwa drei Stunden <strong>von</strong> Stettin entfernt. Ende Juli<br />

konnte <strong>Webern</strong> einen kurzen Urlaub bekommen, der es ihm erlaubte, 24 kostbare<br />

Stunden mit dem Freund zu verbringen. Auch Jalowetz und Stein hatten sich<br />

eingefunden, die zur Feier der Wiedervereinigung ein „Champagner-Gelage“<br />

gaben. „Es war wundervoll. Er war sehr gut aufgelegt. . . Wir haben im Meer<br />

gebadet und nachmittags eine Segelfahrt gemacht. Am nächsten Morgen bin ich mit<br />

Schönberg am Strand spazieren gegangen“, berichtete <strong>Webern</strong> Berg am 2. August in<br />

allen Einzelheiten.<br />

Während dieses Besuchs wurde <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> Schönberg ermuntert, einige seiner<br />

Kompositionen beim Verlag Simrock einzureichen. Er wählte die Passacaglia, die<br />

Fünf Sätze für Streichquartett und die Vier Stücke für Geige und Klavier aus (auch<br />

eine Auswahl aus den 14 George-Liedern zog er in Betracht). Der Schritt, der<br />

Anfang August erfolgte, sollte ergebnislos verlaufen, obwohl Schönberg am 4.<br />

August einen Empfehlungsbrief an Simrock geschrieben hatte: „W ebern. . . ist<br />

mein Schüler. Wer tiefer eindringt, sieht bald, daß es sich hier um ein ganz großes,<br />

ganz hervorragendes, selbständiges Talent handelt, das in vielem über meine<br />

Errungenschaften hinausgellt, und deutlich ein neuer origineller Künstler ist.“4<br />

<strong>Webern</strong> war mit neuen Kräften <strong>von</strong> Carlshagen zurückgekehrt, versank aber bald<br />

in noch tiefere Depressionen als vorher. „Die Verhältnisse am Theater werden<br />

immer schauderhafter“, klagte er Schönberg am 31. Juli, dem zweiten Tag nach<br />

seiner Rückkehr. E r spielte auf persönliche Spannungen an: „Von vornherein denke<br />

ich doch <strong>von</strong> niemand schlecht, will absolut allen wohl. Warum ist man so grob mit<br />

mir? Ich thue ja niemand etwas. Also was will man <strong>von</strong> mir? Mir ist das noch nie<br />

passiert. Aber es wird vergehn.“<br />

Zwei Wochen später war <strong>Webern</strong> wieder in bester Stimmung, als Schönberg und<br />

seine Familie die Rückreise nach Berlin in Stettin unterbrachen. Das gab <strong>Webern</strong><br />

und seiner Frau eine Gelegenheit, den Schönbergs die Gastlichkeit zu erwidern, die<br />

ihnen stets zuteil geworden war. Schönberg konnte <strong>Webern</strong> bei einer Aufführung<br />

<strong>von</strong> Falls Dollarprinzessin am Pult beobachten, und er verband sein Lob mit<br />

praktischen Ratschlägen.<br />

Weitere Ermunterung verschaffte ihm, daß ihm für die kommende Wintersaison<br />

künstlerisch lohnendere Aufgaben in Aussicht gestellt wurden. Mitte August wurde<br />

148


<strong>Webern</strong> die Choreinstudierung <strong>von</strong> Fidelio übertragen. Für die Aufführung selbst<br />

war Jalowetz als Dirigent vorgesehen, der in Stettin die Erfolgsserie seines Wirkens<br />

in Danzig fortsetzte. Unter den Opern, die er in dieser Spielzeit leitete, waren<br />

Figaros Hochzeit, Ariadne auf Naxos, Der fliegende Holländer und Tannhäuser. Bei<br />

der Vorbereitung dieser Werke lernte <strong>Webern</strong> eine ganze Menge als Solokorrepetitor<br />

und Chordirigent und erwarb sich zusätzliche Erfahrung durch Bühnendienste<br />

bei Aufführungen. Seine Hoffnungen auf bessere Dirigieraufgaben gingen allerdings<br />

noch nicht in Erfüllung. Die einzige Oper, die ihm bis Weihnachten anvertraut<br />

wurde, war Lortzings Waffenschmied. Sogar diese Aufführung am 16. November,<br />

auf die er so große Erwartungen gesetzt hatte, brachte ihm Enttäuschung ein. In<br />

einem Brief an Schönberg am darauffolgenden Tag erwähnte er die Tatsache, daß er<br />

nur eine Probe gehabt hatte, und er machte vor allem dem Orchester Vorwürfe:<br />

„Das ist aber schon ganz elend. Von einer Unfähigkeit sondergleichen. . . In<br />

Danzig war die Vorstellung viel netter. Und darum war ich dort, obwohl ich damals<br />

viel unsicherer war in Stimmung und hier gar nicht. Im Gegenteil, ich sehnte das<br />

Ende herbei; ich war direkt gelangweilt, weil ich mir schon vor jeder Nummer<br />

dachte, wie elend werden sie das wieder spielen. Ich war sehr deprimiert und bin es<br />

noch.“<br />

Bei der strengen Disziplin am Theater machte <strong>Webern</strong> seine große Sensibilität<br />

ganz besonders verwundbar gegenüber jeglicher persönlichen Konfrontation. Am<br />

19. Oktober erregte ihn ein Vorfall so sehr, daß er Berg sein Herz ausschüttete:<br />

„Mein lieber, guter Freund, ich danke Dir tausendmal für das Bild <strong>von</strong> Mahlers<br />

Grab. Ich war gerade nach Hause gekommen vom Theater, in tiefstem Ekel. Ein<br />

Operettenregisseur hatte mich angeschnauzt wie einen Hund. Weil ich ein paar<br />

Minuten zu spät auf die Probe kam. Siehst Du, auch solche Sachen passieren. Und<br />

nun kam Dein Brief und das Bild. Du hast mich damit tief, tief beglückt. Du denkst<br />

an mich, Du liebst mich. Ich bin doch kein Hund. Morgen geh ich zum Arzt, ich lasse<br />

mich beurlauben, und dann weg, weg.“<br />

<strong>Webern</strong>s Verzweiflung hatte sich durch einen besonderen Anlaß noch gesteigert:<br />

die Uraufführung <strong>von</strong> Schönbergs Pierrot Lunaire (dem vorletzten Werk aus der<br />

Periode der freien Atonalität des Komponisten) am 16. Oktober, Obwohl er sich der<br />

Chance begeben mußte, Das Glöckchen des Eremiten, die Oper <strong>von</strong> Louis Maillart,<br />

zu dirigieren, reiste W ebern zu dem großen Ereignis nach Berlin. Die Uraufführung<br />

- vom Komponisten dirigiert und in 40 Proben vorbereitet - kam einer Sensation<br />

gleich und beseitigte jeglichen Zweifel darüber, daß sich trotz einer gewissen<br />

Opposition im Publikum und der einstimmigen Ablehnung durch die völlig<br />

konsternierte Musikkritik Schönbergs Stern im Steigen befand. <strong>Webern</strong>s Glaube an<br />

den Meister begann sich zu erfüllen. Nicht nur strömten Schönberg neue Schüler zu,<br />

es ergaben sich für ihn auch bald zahlreiche Aufführungen seiner Werke und<br />

Verpflichtungen zu Dirigaten und Vorlesungen.<br />

Der Eindruck, den Pierrot Lunaire hinterließ, war derart überwältigend, daß<br />

<strong>Webern</strong> nach seiner Rückkehr nach Stettin nur <strong>von</strong> dem einen Gedanken besessen<br />

war, nämlich der - wie er es nannte - „Wüste“ seiner eigenen Existenz zu entfliehen<br />

in die Höhen des Geistes, die Schönbergs Welt verkörperten. Der Sommer war für<br />

149


ihn stets eine besonders fruchtbare Zeit fürs Komponieren gewesen, und er<br />

bedauerte es schmerzlichst, daß dieses Jahr keinerlei musikalische Ideen heranreifen<br />

und Früchte tragen sollten. Alles, was er bei der fortwährenden Belastung durch<br />

die Theaterarbeit bewerkstelligen konnte, war das Korrekturlesen seines Arrangements<br />

<strong>von</strong> Schönbergs Fünf Orchesterstücken für zwei Klaviere (die gedruckte<br />

Ausgabe erschien im September). <strong>Webern</strong> litt sehr unter seiner Unproduktivität.<br />

Am Tag nach der Uraufführung des Pierrot Lunaire schrieb er Schönberg: „Am<br />

liebsten ginge ich einen Monat auf Erholung und dann nach Berlin, um zu<br />

komponieren, endlich wieder, seit Vh Jahren fast.“<br />

Seit dem Antritt seines Stettiner Engagements gab es kaum einen Brief <strong>Webern</strong>s,<br />

in dem er sich nicht bei seinen häufig auftretenden Indispositionen aufgehalten<br />

hätte. „Du denkst vielleicht, ich bin ein Hypochonder, aber das bin ich nicht“, hatte<br />

er Schönberg bereits am 23. Juli geschrieben. „Mir geht es bestimmt sehr schlecht.“<br />

Am 12. September vertraute er ihm an: „Ich bin oft in heller Verzweiflung über<br />

mich, über meine Begabung, über meinen Charakter, über alles. Ich habe gerade in<br />

letzter Zeit Stunden tiefster Depression mitgemacht.“ Am 2. Oktober war <strong>Webern</strong>s<br />

Moral auf einem Tiefpunkt angelangt: „Ich habe zwei schreckliche Nächte hinter<br />

mir. Und mir graut vor der heutigen! Durch Strindberg überzeugt kann ich mir nichts<br />

anderes denken, als daß ich bestraft werde. Oft denk ich mir, ich habe mich doch<br />

wirklich nicht zu beklagen: ich habe keine materiellen Sorgen, ich wohne hier so<br />

schön u. glücklich mit meiner Familie; vor allem: ich weiß mich im Besitze Deiner<br />

wunderbaren Freundschaft und Anerkennung. Und daß ich als Kapellmeister noch<br />

nichts bin, daran bin ich ja vor allem selbst Schuld. Es ist nur meine verteufelte<br />

Nervenschwäche, oder was es ist. Du weißt, schon als ich bei Dir lernte, hatte ich zu<br />

leiden an constantern Kopfschmerz. Nun hat es meinen ganzen Körper erfaßt. Kopf,<br />

Arm, Beine schmerzen mich schrecklich. Und jetzt hat mich wieder die Schlaflosigkeit<br />

gepakt. Ich kann nicht liegen. Ich muß aufstehn, auf u. abgehen. Mein lieber<br />

Freund, Du kannst Dir denken, daß ich in solchen Momenten mir nur Ruhe ersehne<br />

oder eine Situation die mich <strong>von</strong> meinem blödsinnigen Leiden befreit. Ich möchte<br />

mich wo in den Bergen verkriechen und erst als anständiger Mensch wieder zum<br />

Vorschein kommen.“ Drei Wochen später, am 23. Oktober, fuhr <strong>Webern</strong> in seiner<br />

Niedergeschlagenheit fort: „Ich war neulich bei einem Arzt. D er sagte mir ich solle<br />

mir meine Zustände ausreden, dann würde ich geheilt. Wenn das so einfach wäre.<br />

Was hatte ich heute wieder für eine Nacht.“<br />

D er gleiche Brief enthielt eine bittere Tirade gegen Stettin und sein „skandalöses“<br />

Musikpublikum. Nach der Berliner Premiere <strong>von</strong> Pierrot Luriaire ging Schönberg<br />

mit dem Werk auf Tournee nach Wien, Breslau und Hamburg, aber Aufführungen,<br />

die in Stettin und Danzig vorgesehen waren, mußten wegen des ungenügenden<br />

Vorverkaufs abgesagt werden. „Ach wäre ich nicht hier. Verdammt!“, erboste sich<br />

<strong>Webern</strong>.5 In seinem erregten Gemütszustand geriet er bald in eine Auseinandersetzung<br />

mit dem Direktor des Theaters, der ihm drohte, seine Dirigierverpflichtung für<br />

Waffenschmied rückgängig zu machen, indem er ihm vorwarf, er habe sich nicht<br />

ausreichend um ein anderes Stück gekümmert, die Bühnenmusik zu einem<br />

Schauspiel. „Das stimmt aber gar nicht. Ich war so empört, daß ich am liebsten alles<br />

150


hingeschmissen hätte“, schrieb W ebern an Schönberg am 16. November, als er ihm<br />

den Vorfall erzählte, in dessen Verlauf er tatsächlich dem Direktor nahelegte, ihn<br />

doch zu entlassen.<br />

Bei seiner Niedergeschlagenheit und seinem übermächtigen Verlangen, Stettin<br />

den Rücken zu kehren, zeigte sich <strong>Webern</strong> recht unbesorgt hinsichtlich seiner<br />

materiellen Zukunft, obwohl seine Frau wieder in anderen Umständen war, und ihn<br />

der noch nicht abgelaufene Mietvertrag und die Kosten eines erneuten Umzugs<br />

teuer zu stehen kommen würden. Offensichtlich verließ er sich völlig auf seinen<br />

Anteil vom Verkauf des Preglhofs. Kein Wunder, daß sein Vater —ein hart<br />

arbeitender, praktischer und konservativ denkender Mann - in höchstem Grade<br />

beunruhigt war. Er beschwor seinen Sohn, seine Karriere nicht zu zerstören und,<br />

wenn Stettin so unbefriedigend war, sich ein anderes Engagement zu suchen.<br />

Tatsächlich unternahm <strong>Webern</strong> während der folgenden Wochen die üblichen<br />

Schritte und ließ einen Berliner Agenten Bewerbungen nach Düsseldorf, Dortmund<br />

und Bochum schicken. Eine Vakanz in Riga wollte er nicht einmal in Betracht<br />

ziehen, nachdem dort nur Operetten gefragt waren. Am Ende hatte keine dieser<br />

Bewerbungen Erfolg. Mittlerweile fanden auch die Anzeichen der verlorenen<br />

Schlacht, die <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> Anfang an in Stettin gekämpft hatte, Eingang in seine<br />

Korrespondenz. Schon am 24. Oktober teilte er Paul Königer mit: „Ich werde<br />

immer mißmutiger, u. der Punkt, wo ich ausspringe ist nicht mehr fern.“<br />

Ende November ging <strong>Webern</strong> für zwei Tage nach Zehlendorf, um sich mit<br />

Schönberg auszusprechen, bevor letzterer nach Holland reiste, wo Aufführungen<br />

<strong>von</strong> Pelleas und Melisande in Amsterdam und Den Haag bevorstanden. Für den<br />

folgenden Monat wurde Schönberg nach St. Petersburg eingeladen, um das Werk<br />

dort zu dirigieren. W ebern verfolgte die Erfolge des Freundes mit Begeisterung. Er<br />

selbst war <strong>von</strong> Berlin in positiverer Einstellung zurückgekehrt und hatte vorübergehend<br />

aus dem guten Verlauf seiner zweiten Waffenschmied-Vorstellung neuen Mut<br />

geschöpft. „Die war viel besser als die erste“ , schrieb er Schönberg am 4. Dezember.<br />

„Und diesmal hatte ich große Freude. Ich hatte den ersten Konzertmeister am Pult<br />

und da war das Orchester wie ausgewechselt. So konnte ich wirklich musicieren und<br />

kam immer mehr in Stimmung.“<br />

Am 13. Dezember jedoch war es wieder so weit, daß er nur Widerwärtiges zu<br />

berichten hatte: „Ich liege schon wieder krank im Bett. Meine Nervenzustände<br />

spitzen sich immer mehr zu. Ich habe jetzt einige Nächte nahezu nicht geschlafen;<br />

die vorletzte Nacht fieberte ich sogar. Ich bin dadurch so erm attet, daß ich mich<br />

gestern gegen A bend ins Bett legte, anstatt den ,Waffenschmied1zu dirigieren. So<br />

ein Pech habe ich.“ D er Arzt verordnete ihm Schlafmittel, Fichtennadelbäder<br />

dreimal die Woche und Massagen. E r war immerhin so überzeugt vom Ernst des<br />

Zustandes seines Patienten, daß er ihm zu einem Krankenurlaub riet. „D u siehst,<br />

mein Jammern war nicht unbegründet“ , heißt es weiter in W eberns Brief. „Jetzt ist<br />

es eben so weit, daß ich kaum mehr kann. Ich glaube es hat keinen Sinn noch weiter<br />

die Sache übertuschen zu wollen. Das habe ich durch viele Jahre gethan. A ber jetzt<br />

geht es nicht m ehr.“ Ein paar Tage später kam Mathilde Schönberg mit ihren zwei<br />

Kindern zu Besuch und bestätigte <strong>Webern</strong>s angegriffene Gesundheit in einem Brief<br />

151


an ihren Mann, der auf Konzertreise in Rußland war: „Er schaut furchtbar aus und<br />

ist <strong>von</strong> einer unglaublichen Schwäche. Wenn er über die Stiegen geht, muß er sich<br />

mit beiden Händen am Geländer anhalten, durch ein Zimmer schwankt er <strong>von</strong><br />

einem Sessel zum anderen.“<br />

In seiner seelischen und körperlichen Pein hatte <strong>Webern</strong> begonnen, jeden<br />

widrigen Vorfall mit übernatürlichen Ursachen in Verbindung zu bringen. Am 17.<br />

Oktober, nachdem der fallende Vorhang am Ende der Vorstellung seine Brillengläser<br />

zertrümmert und ihn geringfügig verletzt hatte, bemerkte er zu Schönberg: „Es<br />

sind fortwährend so merkwürdige Sachen. Krankheit und Mißgeschick.“ Als er<br />

denselben Vorgang Berg schilderte, interpretierte er ihn als „Omen“ dafür, daß er<br />

überhaupt nicht im Theater arbeiten sollte. In der Hoffnung, die Moral seines<br />

Sohnes aufzubessern, kam Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> in Begleitung seiner Tochter Rosa zum<br />

Weihnachtsfest nach Stettin. Während seines Besuchs hatte <strong>Webern</strong>s Vater die<br />

Genugtuung, ihn im Waffenschmied und bei der Musik zu einem Weihnachtsmärchen<br />

als Dirigenten zu erleben.<br />

Am Neujahrstag des Jahres 1913, das in <strong>Webern</strong>s Leben eine entscheidende<br />

Rolle spielen sollte, verfaßte er einen nachdenklichen Brief an Königer, in dem er<br />

eine Bestandsaufnahme seiner selbst vornahm: „Es hat immer einen eigenen Reiz<br />

für mich, an Dein Leben zu denken. Es beruhigt mich. Ich fliehe aus dem Übermaß<br />

<strong>von</strong> Ablenkung (das mir die Ärzte immer als Cur anempfehlen, während ich doch<br />

daran fast zu Grunde gehe) in Gedanken in ein Leben, das äußerlich ruhiger aber<br />

dafür mehr Bewegung auf der anderen Seite hat. Es ist sonderbar, ich trockne ein in<br />

dieser Flut <strong>von</strong> Musik, Aufregung u.s.w. Mahler schreibt einmal er braucht diesen<br />

Betrieb, vielmehr das Dirigieren, Aufführen fremder Werke, um ein Gegengewicht<br />

zu haben gegen seinen inneren Aufruhr. Ich ersticke dabei. Ich bin so zerrissen ohne<br />

Concentration. Ich fühle mich nicht wohl. Ich jammere schon wieder. Ich schreibe<br />

Dir, mir scheint, immer dasselbe. Ich weiß selbst nicht mehr, was ich will. Und ich bin<br />

immer krank. Ich habe immer weniger W iderstandskraft in mir. Und so denke ich<br />

gern an Dein äußerlich so ruhiges Leben.“<br />

Bis zum Ende der Spielzeit waren es nur noch vier Monate, aber <strong>Webern</strong>s<br />

Indispositionen hatten sich in solchem Ausmaß gehäuft, und seine Gemütsverfassung<br />

war so verzweifelt geworden, daß Vater und Schwester zur Überzeugung<br />

gelangten, daß er eine Ruhepause brauchte. Nicht einmal die Aussicht, Boieldieus<br />

Weiße Dame und Verdis Troubadour im Januar dirigieren zu können, milderte seine<br />

Depressionen. Völlig erschöpft, reichte er am 17. Januar um Krankenurlaub ein; das<br />

beigelegte Attest seines Arztes verordnete vollständige Ruhe für einen Monat.<br />

<strong>Webern</strong> mußte eine Woche auf die Genehmigung des Theaterdirektors warten, der<br />

verreist war. In der Zwischenzeit wurde er vom Dienst befreit und hütete das Bett.<br />

Sein Vater und seine Schwester reisten am 20. Januar <strong>von</strong> Stettin ab; Grippeerkrankungen,<br />

die der feuchten und milden Witterung zugeschrieben wurden, hatten eine<br />

Verlängerung ihres Aufenthaltes notwendig gemacht.<br />

Am 24. Januar teilte <strong>Webern</strong> Schönberg mit, daß er am folgenden Tage auf dem<br />

Weg nach dem Semmering, wohin er für einen Monat zur Kur zu gehen gedachte, in<br />

Berlin eintreffen werde. (An seinem letzten Tag in Stettin hatte er noch, einer<br />

152


Anregung Schönbergs folgend, eine Auswahl seiner George-Lieder bei Cadow in<br />

Hildburghausen eingereicht in einem weiteren erfolglosen Versuch, einen Verleger<br />

an seinem Werk zu interessieren.) Nachdem sein Krankenurlaub genehmigt war,<br />

fühlte er sich unendlich erleichtert, jedoch gleichzeitig sehr deprimiert. Er hatte die<br />

feste Absicht, innerhalb eines Monats wieder auf seinen Posten zurückzukehren.<br />

Wilhelmine, die ihr zweites Kind im Februar erwartete, blieb zurück.<br />

Der Semmering ist ein mondäner Kurort in den Bergen, nicht weit <strong>von</strong> Wien. Am<br />

1. Februar schrieb <strong>Webern</strong> an Berg vom Sanatorium Dr. Vecsey, wo er Aufnahme<br />

gefunden hatte, daß es dort „herrlich“ sei und er sich blendend fühle. Er hoffe, daß<br />

er rechtzeitig wieder hergestellt sein werde, um an der Uraufführung <strong>von</strong><br />

Schönbergs Gurreliedern teilnehmen zu können, die am 23. Februar in Wien<br />

bevorstand. In der kräftigenden Luft <strong>von</strong> Wäldern und Bergen schien sich sein<br />

Zustand zunächst zu bessern. Doch bald verlor er Vertrauen in die Behandlungsmethode.<br />

In seinen häufigen Briefen an Berg klagte er immer wieder über die gleichen<br />

Symptome, die ihn „schon fast 10 Jahre“ quälten. Berg, dessen Gesundheit schon<br />

immer labil war, zeigte Sympathie und erkundigte sich in seiner Antwort vom 25.<br />

Februar, ob <strong>Webern</strong>s Krankheit wirklich ,,nur(!) <strong>von</strong> den Nerven“ herrühre. Er<br />

spekulierte, daß es auch die Organe sein könnten, die Seele und Leib verbänden, was<br />

auch erklären würde, daß man so wenig da<strong>von</strong> wisse, fast so wenig wie <strong>von</strong> der Seele<br />

selbst. Berg empfahl eine völlige Ruhepause <strong>von</strong> sechs Monaten, und dieser<br />

Ratschlag deckte sich mit <strong>Webern</strong>s eigener Entscheidung, die er Ende Februar<br />

gefaßt hatte, nämlich überhaupt nicht mehr nach Stettin zurückzukehren und nach<br />

seiner Entlassung seine Familie nach Wien kommen zu lassen. Zur Familie gehörte<br />

inzwischen die zweite Tochter Maria, die am 17. Februar in Stettin zur Welt<br />

gekommen war.<br />

Im Sanatorium Dr. Vecsey herrschten strenge Vorschriften, und die Patienten<br />

waren angewiesen, absolute Ruhe zu halten. W ährend die Ärzte nicht der Ansicht<br />

waren, daß <strong>Webern</strong>s Gesundheitszustand seine Entlassung rechtfertigte, gaben sie<br />

seinen Bitten nach, daß es ihm gestattet sei, der Uraufführung der Gurrelieder am<br />

23. Februar beizuwohnen, einem Ereignis, das für ihn <strong>von</strong> größter Wichtigkeit war.<br />

D er Aufführung waren Spannungen zwischen dem Komponisten und den Konzertveranstaltern<br />

vorausgegangen. Noch am 6. Februar hatte Schönberg in seiner<br />

Gereiztheit dem W iener Philharmonischen Chor nahegelegt, das ganze Vorhaben<br />

fallen zu lassen.6 Die Schwierigkeiten konnten jedoch überwunden werden, und die<br />

Aufführung unter Franz Schrekers Leitung wurde ein triumphaler Erfolg, dessen<br />

Höhepunkt die Überreichung eines Lorbeerkranzes an den Komponisten darstellte.<br />

Das Aufgebot des Werkes erforderte 400 Mitwirkende auf dem Podium und rückte<br />

damit den Dimensionen der Achten Symphonie <strong>von</strong> Mahler nahe. Dazu gehörten<br />

ein Orchester <strong>von</strong> 140 Musikern, ein Solistenensemble7 sowie vier Chöre.8<br />

Voller Inspiration kehrte <strong>Webern</strong> in seine Einschließung auf dem Semmering<br />

zurück. Während seines Aufenthalts im Sanatorium legte er letzte Hand an seine<br />

Partitur der Sechs Stücke op. 6 für ihre Uraufführung Ende März. Im vorangegangenen<br />

Herbst hatte Schönberg zum ersten Mal die Idee eines „Novitätenkonzertes“ in<br />

Wien entwickelt, das Kompositionen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> und Berg enthalten sollte. Von<br />

153


seiner Rußlandreise hatte er <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> seiner Absicht geschrieben, die Sechs<br />

Stücke selbst zu dirigieren. Auf Schönbergs Anregung hin gab <strong>Webern</strong> die<br />

Vervielfältigung der Partitur im Straubeschen Faksimileverfahren in Auftrag,<br />

nachdem er noch ein paar Änderungen im 3. und 5. Satz vorgenommen hatte. (Er<br />

bestellte 200 Exemplare zum Stückpreis <strong>von</strong> 80 Pfennigen.) In seinem Brief an<br />

Schönberg zu Weihnachten 1912 verweilte er bei der Bedeutung, die dieses Werk<br />

für ihn besaß: „Liebster Freund, erlaube, daß ich Dir diesmal das Buch Roseggers<br />

,Waldheimat1 unter den Weihnachtsbaum lege. Es handelt <strong>von</strong> der Jugend<br />

Roseggers. Das letzte Kapitel heißt ,Von meiner Mutter1. Da drin stehn diese für<br />

mich unsagbar schönen Worte: ,. . . Endlich kam die Thräne. Die Thräne, die uns<br />

einst das Mutterherz mitgegeben auf die Welt zur Linderung im Leid und zum<br />

einzigen Trost in der Stunde, wo kein anderes Heil der Seele naht, wo die Freunde<br />

uns nicht verstehen können und das Mutterherz gebrochen ist. O sei gegrüßt, du<br />

reiches, ewiges Erbe!1Ich bitte Dich, wenn mir wirklich das unerhörte Glück zu Teil<br />

werden sollte, daß Du meine Orchesterstücke dirigierst, dann an diese Worte zu<br />

denken.“<br />

Am 9. März wurde <strong>Webern</strong> aus dem Sanatorium entlassen. Sobald er aus der ihm<br />

auferlegten Abgeschiedenheit ins Getriebe Wiens zurückkehrte, machten ihm seine<br />

angegriffenen Nerven sofort wieder zu schaffen. „Alles irritiert mich gleich im<br />

höchsten Grad“, klagte er Schönberg am 13. März. Seine Depression wurde durch<br />

seine Einsamkeit noch verstärkt. „Es liegt wie ein Baum auf mir“, meinte er zu<br />

Schönberg vier Tage später. „Es ist die lange Trennung <strong>von</strong> meiner Familie, die ich<br />

merkwürdigerweise gerade jetzt, wo sie zu Ende geht, furchtbar empfinde, wie ein<br />

Verbrechen. Nie mehr im Leben mache ich das. Ich möchte Vergehn vor Verlangen<br />

nach meiner Mali [seine kleine Tochter Amalie]. Am Mittwoch früh kommen sie.11<br />

Das Datum des Konzerts war auf den 31. März festgesetzt. Die Vorbereitungen<br />

für die Aufführungen der Sechs Stücke warfen einige Probleme auf: der Kopist, der<br />

zunächst für die Orchesterstimmen in Aussicht genommen war, fand, daß ihn die<br />

Arbeit überforderte, und gab die Partitur zurück, nachdem wertvolle Zeit<br />

verlorengegangen war. Doch W ebern gelang es, einen anderen zu finden. Am 17.<br />

März berichtete er Schönberg: „Für das Konzert ist alles in Ordnung. Die<br />

Instrumente werden alle beschafft; auch die Alt-Flöte. Die kommt aus Deutschland,<br />

und einer <strong>von</strong> der Oper wird sie spielen. Ein solcher Aufwand wegen der paar T akte!<br />

Ich habe fast Gewissensbisse, aber ich freue mich doch sehr.“ Für das 'Konzert, das<br />

unter dem Patronat des Akademischen Verbandes für Literatur und Musik<br />

veranstaltet wurde, war der Große Musikvereinssaal gemietet worden. Sechs<br />

Orchesterproben waren vorgesehen mit der Schlußprobe am Vormittag des<br />

Konzerts. Schönberg, der zu der ersten Probe aus Berlin eintraf, übernahm die<br />

Leitung des gesamten Programms. Es bestand aus <strong>Webern</strong>s Sechs Stücken, gefolgt<br />

<strong>von</strong> Zemlinskys Vier Orchesterliedern nach Gedichten <strong>von</strong> Maeterlinck, Schönbergs<br />

Kammersymphonie, das zweite und vierte <strong>von</strong> Bergs Fünf Orchesterliedern<br />

nach Ansichtskartentexten <strong>von</strong> Peter Altenberg und Mahlers Kindertotenliedern.<br />

Das Konzert löste einen der größten Skandale der gesamten Musikgeschichte aus.<br />

(Zwei Monate später, am 29. Mai, sollte es bei der Uraufführung <strong>von</strong> Strawinskys Le<br />

154


Sacre du printemps in Paris zu ähnlichen Tumulten kommen.) Provoziert wurde er<br />

<strong>von</strong> einer offensichtlich organisierten Clique <strong>von</strong> Reaktionären, die <strong>von</strong> Anfang an<br />

Unruhe verbreitete. Ein Berichterstatter beschrieb in einem Zeitungsartikel mit der<br />

Überschrift „Tumult im Großen Musikvereinssaal“ die Ereignisse folgendermaßen:<br />

„Das gestrige Konzert des akademischen Verbandes für Literatur und Musik artete<br />

zum beispiellosen Skandal aus. Bei einer turbulenten Vorstadt-Wählerversammlung<br />

kann es nicht schlimmer zugehen, können die Gegensätze der feindlichen<br />

Parteien nicht brutaleren Ausdruck finden als im gestrigen Konzerte, welches<br />

Arnold Schönberg dirigierte. Sofort nach dem ersten Teile des Programmes, einem<br />

Orchesterstücke <strong>von</strong> <strong>Anton</strong> v. <strong>Webern</strong>, lieferten sich die Beifallspender und Zischer<br />

einen minutenlangen Kampf, der sich freilich noch in Grenzen bewegte, welche <strong>von</strong><br />

anderen Schönberg-Veranstaltungen her sattsam bekannt sind. Nach dem zweiten<br />

Orchesterstücke ging ein Lachsturm durch den Saal, der <strong>von</strong> den Anhängern der<br />

nervenabspannenden und provokanten Musik mit donnerndem Applaus übertönt<br />

wurde. Auch die übrigen vier Stücke - die Komposition besteht aus sechs kleinen<br />

namenlosen Stücken - trugen dazu bei, daß die Stimmung im Saale das Schlimmste<br />

befürchten ließ. Vier schöne Orchesterlieder <strong>von</strong> Alexander v. Zemlinsky nach<br />

Gedichten <strong>von</strong> Maeterlinck - wir behalten uns eine kritische Besprechung aller<br />

Darbietungen vor - beruhigten scheinbar die erhitzten und kampflustigen Gemüter.<br />

Nach dem Op. 9 <strong>von</strong> Schönberg, seiner schon vor einigen Jahren abgelehnten<br />

Kammersymphonie, mischten sich leider in das wütende Zischen und Klatschen<br />

auch die schrillen Töne <strong>von</strong> Hausschlüsseln und Pfeifchen, und auf der Galerie kam<br />

es zur ersten Prügelei des Abends. Von allen Seiten wurde nun in wüsten<br />

Schreiereien Stellung genommen und schon in dieser unnatürlich langen Zwischenpause<br />

gerieten die Gegner hart aneinander. Zwei Orchesterlieder nach Ansichtskartentexten<br />

<strong>von</strong> Peter Altenberg <strong>von</strong> Alban Berg raubten aber auch den<br />

Besonnenen die Fassung. Das erste Gedicht lautet: ,Sahst du nach dem Gewitterregen<br />

den W ald?!? Alles rastet, blinkt und ist schöner als zuvor — - Siehe Fraue, auch<br />

du brauchst Gewitterregen!“Die 'Musik zu diesem lustig-sinnlosen Ansichtskartentext<br />

überbietet alles bisher Gehörte, und es ist nur der Gutmütigkeit der Wiener<br />

zuzuschreiben, daß sie sich bei ihrem Anhören mit herzlichem Lachen begnügen<br />

wollten. Dadurch aber, daß Schönberg inmitten des Liedes abklopfte und in das<br />

Publikum die W orte schrie, daß er jeden Ruhestörer mit Anwendung der<br />

öffentlichen Gewalt abführen lassen werde, kam es neuerlich zu aufregenden und<br />

wüsten Schimpfereien, Abohrfeigungen und Forderungen. H err <strong>von</strong> W ebern schrie<br />

auch <strong>von</strong> seiner Loge aus, daß man die ganze ,Bagage“ hinausschmeißen sollte, und<br />

aus dem Publikum kam pünktlich die Antwort, daß man die Anhänger der<br />

mißliebigen Richtung der Musik nach Steinhof [Wiener Irrenhaus] abschaffen<br />

müßte. Das Toben und Johlen im Saale hörte nun nicht mehr auf. Es war gar kein<br />

seltener Anblick, daß irgend ein H err aus dem Publikum in atemloser Hast und mit<br />

affenartiger Behendigkeit über etliche Parkettreihen kletterte, um das O bjekt seines<br />

Zornes zu ohrfeigen. D er einschreitende Polizeikommissär konnte in diesem Chaos<br />

wild aufgepeitschter Leidenschaften nichts ausrichten. Wollte er in irgend einem<br />

Rudel Raufender intervenieren und Ruhe schaffen, so hörte man zu gleicher Zeit<br />

155


<strong>von</strong> allen Seiten das Aufklatschen <strong>von</strong> Ohrfeigen. Endlich betrat der Präsident des<br />

Akademischen Verbandes das Dirigentenpodium und bat, man möge Mahlers<br />

Andenken ehren und seine ,Kindertotenlieder‘ anhören. Diese Fehlbitte - denn<br />

Mahler wäre an diesem Abend nur zu Schanden gekommen und nicht geehrt worden<br />

- reizte irgend jemand zu einer gemeinen Beschimpfung, die der H err Präsident<br />

wiederum mit Ohrfeigen quittierte. Alle möglichen Leute stürmten nun auf die vor<br />

Aufregung schreckensbleichen und zitternden Musiker ein und beschworen sie, das<br />

Podium zu räumen und das Konzert zu beenden. Trotzdem dauerte es noch<br />

vielleicht eine halbe Stunde, bis die letzten Krakehler tobend den Saal verließen.<br />

Mahler war geehrt und nicht aufgeführt worden.“9<br />

Der Skandal hatte ein ziemlich ernüchterndes Nachspiel vor einem Wiener<br />

Zivilgericht. Zwei der Rädelsführer wurden mit je 100 Kronen Strafe belegt;<br />

niedrigere Bußen wurden über eine Reihe anderer verhängt. Die sensationellen<br />

Aspekte waren natürlich nach dem Geschmack der Presse. Ein Zeitungsartikel ging<br />

so weit, zu behaupten, Schönberg habe die Werke <strong>Webern</strong>s und Bergs nur deshalb<br />

aufgeführt, weil die Komponisten ihn finanziell unterstützt hätten. Wütend schrieb<br />

Berg <strong>Webern</strong> Anfang April, das Ganze sei so scheußlich, daß er am liebsten „weit<br />

entfliehen“ möchte. Gerade das tat <strong>Webern</strong>. Am 7. April antwortete er Berg <strong>von</strong><br />

Portorose an der Adria, daß er sich „fast erlöst <strong>von</strong> den ekligen Dingen“ fühlte, daß<br />

es sich seiner Meinung nach wirklich nicht um einen „Kunstkampf“ handelte und die<br />

Urheber des Skandals „doch keine Gegner sind. Der Zeitung ist doch der Anlaß<br />

wurst, sie will einfach das Publikum ergötzen durch die Schweinerei; und je größer<br />

die Schweinerei, desto befriedigender ist sie. Unsere Werke und Personen sind ihr<br />

ganz nebensächlich.“ Er selbst habe sich wieder ganz beruhigt, und er forderte Berg<br />

auf, nicht mehr an diese Geschichte zu denken sondern vielmehr an die schöne Zeit<br />

der Proben, an die Kammersymphonie, an den „herrlichen A bend“ mit Altenberg,<br />

an die Loos-Villa. „Am besten ist, wir arbeiten gleich bessere Sachen. Was geht uns<br />

der Treck an?“<br />

156


11. Wien —Krankheit (1913/14)<br />

Als W ebern seinen Posten in Stettin aufgab, hatte er nicht die Absicht, seiner<br />

Theaterlaufbahn für immer zu entsagen. W ährend seines Aufenthalts im Sanatorium<br />

auf dem Semmering korrespondierte er mit Zemlinsky über Aussichten am<br />

Deutschen Landestheater in Prag. Im März einigte man sich darauf, daß W ebern mit<br />

Beginn der neuen Spielzeit ein Engagement antreten sollte. Mit diesem Ziel vor<br />

Augen, beschloß er, die ihm noch verbleibenden Monate auf die Wiederherstellung<br />

seiner Gesundheit zu verwenden.<br />

Unmittelbar nach dem tumultuarischen Konzert des 31. März begab sich <strong>Webern</strong><br />

mit Frau und Kindern nach Portorose, einem Seebad bei Triest. Dort fanden sie<br />

Unterkunft in der Villa Hansi. Der Kurort, bekannt durch seine heißen Salzwasserbäder,<br />

war <strong>Webern</strong> empfohlen worden, und die Kur unter der Aufsicht eines Arztes<br />

erwies sich als gesundheitsfördernd. <strong>Webern</strong>s Hoffnungen, sich in der Sonne des<br />

Südens aalen zu können, erwiesen sich jedoch als trügerisch. Das Wetter war so kalt<br />

und regnerisch, daß er seinen Aufenthalt am 23. April abbrach und mit seiner<br />

Familie nach Klagenfurt zu einem längeren Verweilen im Hause seines Vaters ging.<br />

Dort verbrachte er den größten Teil des Tages damit, im Garten zu arbeiten, was ihm<br />

viel Freude bereitete, da er sich so der Natur nahe fühlte und seine Nerven sich<br />

entspannten. Wenn er auch eine Besserung feststellen konnte, dann sollte sie nur<br />

vorübergehend sein. Am 15. Mai schrieb er Schönberg: „M ir geht’s in der letzten<br />

Zeit wieder schlechter. Manchmal nicht viel anders als in Stettin. Was soll ich nur<br />

machen? Gleich bin ich in Prag. Und dort? Ich bin oft verzweifelt.“ Am Tag darauf<br />

berichtete Berg, daß das Konzept für eine neue Komposition irn Geiste „bereits<br />

ziemlich ausgereift“ sei, aber er habe noch nicht „die rechte Kraft, sie <strong>von</strong> mir zu<br />

geben“, da er sich seit geraumer Zeit wieder recht krank fühle. Bereit, alles zu<br />

versuchen, gab W ebern, ein passionierter Raucher, die Zigaretten auf, aber auch<br />

dieses Opfer brachte keine Linderung.<br />

Da der unruhige Haushalt seines Vaters, der aus m ehreren Familien bestand, ihm<br />

nicht die notwendige Stille bot, sah sich <strong>Webern</strong> andernorts nach einem Sommerquartier<br />

um. Auf einem Ausflug nach Niederndorf im Pustertal in Tirol fand sich<br />

nichts Geeignetes. Dann aber erbrachte eine Einladung nach Mürzzuschlag in der<br />

Steiermark die Lösung, und er fuhr Anfang Juni dorthin. <strong>Webern</strong> hatte es die<br />

Umgebung dieses beliebten Sommerfrischenorts, zu dessen Besuch ihn Familienbande<br />

des öfteren veranlaßt hatten, schon <strong>von</strong> jeher angetan. Im Haus Wienerstraße<br />

104 hatte der Großvater seiner Frau väterlicherseits eine Metzgerei betrieben.<br />

<strong>Webern</strong> hatte des öfteren <strong>von</strong> ihm mit der größten Verehrung gesprochen, so in<br />

einer Bemerkung Berg gegenüber am 23. Mai, daß man zwar zu sagen pflege, „der<br />

benimmt sich wie ein Fleischhauer“, daß aber dieser Metzger „wie ein Weiser“ sei.<br />

157


Das Haus und das Geschäft hatte <strong>Webern</strong>s Tante Leopoldine Schmid geerbt, die<br />

nunmehr ihre Gastfreundschaft für die kommenden zwei Monate anbot. Da aber<br />

<strong>Webern</strong> für seine schöpferische Arbeit Zurückgezogenheit benötigte, mietete er für<br />

sich ein Mansardenzimmer in einer Villa hoch oben am Berghang. Er verbrachte<br />

einen Großteil des Tages in seiner Klause über der Komposition der Drei Stücke für<br />

Streichquartett (vgl. 12. Kapitel).<br />

„Seit ich mich intensiv beschäftige, ist mir wohler. Oft bin ich wohl recht müd“,<br />

schrieb <strong>Webern</strong> an Schönberg am 28. Juni, als er ihm über den Fortschritt der<br />

Komposition berichtete. Sie sollte das einzige schöpferische Produkt dieser Ferien<br />

sein, in deren Verlauf er zahlreiche Ausflüge unternahm wie als Ausgleich für den<br />

tristen Sommer des Vorjahres. Zusammen mit Jalowetz und Stein erklomm er die<br />

Rax am 5. Juni. Im Juli wiederholte er die Bergtour in Begleitung seines Vaters. Die<br />

Rax blieb eines der bevorzugten Bergziele <strong>Webern</strong>s; es verging kaum ein Jahr, ohne<br />

daß er ihre Hochwiesen besucht hätte, die im Sommer ein Wunderland alpiner Flora<br />

waren. <strong>Webern</strong> unternahm auch lange Spaziergänge in der Umgebung. Einmal<br />

pilgerte er zur Geburtsstätte Peter Roseggers (einer Bauernhütte, die „in der<br />

unerhörtesten Einsamkeit hoch oben am Berg“ lag) und zu der Schule, die der<br />

Schriftsteller in der gleichen Einöde gegründet hatte. <strong>Webern</strong> liebte es, auf den<br />

Pfaden seiner Idole zu wandeln. Im Mai hatte ihn eine weitere Wallfahrt <strong>von</strong><br />

Klagenfurt aus zum ehemaligen Sommerhaus Gustav Mahlers am Wörthersee<br />

geführt. Von der Villa unternahm er den zehnminutigen Aufstieg zu dem kleinen<br />

Steinhaus, wohin sich der Komponist zur Arbeit zurückzog. <strong>Webern</strong> blickte durch<br />

das Fenster in den einzigen Raum der Hütte. Tisch und Stuhl befanden sich noch an<br />

derselben Stelle, wo Mahlers Inspiration ihren gigantischen Höhenflug vollführt<br />

hatte.<br />

In seinen Mußestunden verschaffte sich W ebern geistige Anregung durch<br />

Beschäftigung mit literarischen Dingen. W ährend eines kurzen Aufenthalts in Wien<br />

Anfang Juni war er zutiefst beeindruckt <strong>von</strong> Frank Wedekinds Schauspiel Francisca,<br />

in dem der A utor selbst eine Rolle übernommen hatte. W ebern las u. a.<br />

Maeterlincks Vom Tode und ein halbes Dutzend Bücher <strong>von</strong> Strindberg. In einem<br />

Brief vom 18. Juni teilte er Schönberg einige seiner Gedanken hierzu mit: „Wie<br />

wunderbar ist die ,Fröhliche Weihnacht1. Kaum jemals war mir Strindbergs Denken<br />

klarer als bei diesem Stück. Dadurch, daß er die irdischen Angelegenheiten <strong>von</strong><br />

solcher Höhe betrachtet, werden sie so verklärt. . . Ich kann mir nicht helfen, wenn<br />

Strindberg <strong>von</strong> Dienstboten spricht, wird man unendlich gehoben, und wenn<br />

Maeterlinck <strong>von</strong> der Ewigkeit spricht, wohl gar nicht.“ <strong>Webern</strong>s Abneigung gegen<br />

Maeterlinck war neueren Datums, war er doch einst <strong>von</strong> ihm so inspiriert gewesen,<br />

daß er zwei seiner Stücke vertonen wollte. Seine in Vom Tode dargelegten<br />

Ansichten <strong>von</strong> Atheismus und Materialismus standen jedoch in so unüberbrückbarem<br />

Gegensatz zu seinen eigenen Vorstellungen über die Ewigkeit, daß sie ihm „fast<br />

wie eine Lästerung“ vorkamen, wie er Berg am 23. Mai schrieb.<br />

In diesem Sommer machten sich die beiden Freunde große Sorgen über<br />

Schönberg, der wieder einmal in eine Reihe <strong>von</strong> Schwierigkeiten verwickelt war.<br />

Siegfried Ochs, der Gründer und Dirigent des berühmten Berliner Philharmoni-<br />

158


sehen Chors, hatte ihn im Verlauf einer finanziellen Auseinandersetzung im<br />

Zusammenhang mit einer geplanten Aufführung der Gurrelieder zutiefst beleidigt.<br />

.Schönberg teilte W ebern alle Einzelheiten des Zwists mit, der sie auch prom pt und<br />

indigniert an Berg weitergab. Zur gleichen Zeit war Schönberg in einen Rechtsstreit<br />

in Wien verwickelt. Als er sich zu Beginn des Jahres dort aufhielt, hatte der Vater<br />

seines früheren Schülers Paul Königer einen Prozeß gegen ihn angestrengt, der nicht<br />

nur die Konfiskation persönlichen Eigentums zur Folge hatte, sondern ihn auch des<br />

größten Teils der Einnahmen aus der Uraufführung der Gurrelieder verlustig gehen<br />

ließ. Die sich lange hinziehenden Verhandlungen erhitzten die Gemüter und<br />

brachten Schönberg finanziell in Bedrängnis. <strong>Webern</strong>, der in seinem Brief vorn 28.<br />

Juni <strong>von</strong> „dieser alles übersteigenden, schändlichsten, verbrecherischsten Gemeinheit“<br />

schreibt, bittet den Freund, ihm beistehen zu dürfen. Das Angebot wurde<br />

angenommen, und am 1. Juli schickte <strong>Webern</strong> einen ungenannten Geldbetrag. Fn<br />

seinem Begleitbrief rief er aus: „Ich danke nur Gott, daß ich Dir helfen kann und<br />

darf!“<br />

Die idyllischen Tage in Mürzzuschlag kamen zu einem jähen Ende, gerade als<br />

<strong>Webern</strong> Berg in Trahütten besuchen wollte. Nachdem die Beschaulichkeit dieser<br />

Wochen viel dazu beigetragen hatte, <strong>Webern</strong>s Nerven wiederherzustellen, wurde er<br />

zutiefst erschüttert durch einen Schicksalsschlag, der die Familie seiner älteren<br />

Schwester Maria und ihres Mannes Paul Clementschitsch traf. Das Paar hatte drei<br />

Söhne, deren ältester, Theo, <strong>Webern</strong>s Liebling war. Während eines Ferienaufenthalts<br />

in einem italienischen Seebad an der Adria starb der zwölfjährige Junge<br />

plötzlich an einem Blinddarmdurchbruch trotz einer vorgenommenen N otoperation.<br />

„Mir ist schrecklich weh; ich hab das Kind so gern gehabt“, schrieb W ebern an<br />

Schönberg am 17. Juli vom Haus seines Vaters in Klagenfurt. „H euer zu Pfingsten<br />

hab ich ihn zur Firmung geführt. E r wäre schon in die 3. Gymnasialklasse<br />

gekommen. Er war sehr begabt. A u s..es ist nicht zu fassen.“<br />

Als ob der Schock über den plötzlichen Tod des Neffen nicht genug gewesen wäre,<br />

trugen auch die Umstände, die der Beisetzung vorausgingen, dazu bei, <strong>Webern</strong>s<br />

Erschütterung und Niedergeschlagenheit zu steigern, und das zu einem Zeitpunkt,<br />

wo er der Kraft und Zuversicht für seine neue Position in Prag so dringend bedurft<br />

hätte. Am 20. Juli, nach seiner Rückkehr nach Mürzzuschlag, gab er Schönberg<br />

einen deprimierten Bericht: „Fast eine Woche war ich weg, eine schreckliche Zeit.<br />

Das war eine solche Aufstappelung <strong>von</strong> Aufregungen, daß es fast nicht mehr zu<br />

ertragen war. Die Ungewißheit beim Hinfahren, die Nachricht, dann das W arten auf<br />

meine Schwester, endlich ihre Ankunft. Dann wieder das W arten auf die Leiche und<br />

das Begräbnis. Was die armen Eltern des Burschen nur rein an Entsetzlichem<br />

durchzumachen hatten, bis die Leiche heroben war. Diese Italiener! Ich bitte Dich,<br />

Zoll mußte gezahlt werden für ein todtes Kind, 300 Lire. Man weigerte sich die<br />

Leiche aus dem Haus zu tragen, wenn nicht so u. so viel an Trinkgeld gezahlt wurde,<br />

u. s. w. Ich hab’ ein Grausen vor diesem Land. Die Papiere wurden verzettelt, so daß<br />

der Bub nicht über die Grenze durfte, oder war es ein anderer Grund. Kurz, es<br />

dauerte endlos. Es war schrecklich und ist schrecklich. Mir ist so furchtbar zu Mute,<br />

daß der Bursch sterben mußte. Dazu, noch meine blöden Nerven, ich bin ganz todt.“ 1<br />

159


<strong>Webern</strong>s Zustand verschlimmerte sich noch dadurch, daß er jetzt seiner<br />

unmittelbaren Zukunft ins Auge sehen mußte. „Der Sommer ist schon vorbei für<br />

mich. Das an sich stimmt mich, wie jedes Jahr, traurig, und gar dieser Abschluß“,<br />

schrieb er Berg am 24. Juli und bekannte ihm zugleich, daß es ihn manchmal so<br />

überkomme, daß er überhaupt nicht mehr wisse, wo er hingehöre. Ob es noch einen<br />

Sinn habe, daß er nach Prag ginge? D er Sinn seines Lebens könne sich nur in<br />

Produktivität erfüllen. Er flehte Berg an, das nicht als Anmaßung aufzufassen: „Ich<br />

bilde mir nichts ein. Es ist eine Notwendigkeit, der ich gehorchen muß.“<br />

Am 25. Juli begaben sich <strong>Webern</strong> und seine Familie <strong>von</strong> Mürzzuschlag nach Wien.<br />

Drei Tage später informierte er Schönberg aus Prag, daß er nach langem Suchen eine<br />

Wohnung gefunden habe. Sie war zwar nicht nach seinem Geschmack, es blieb ihm<br />

aber keine andere Wahl. Sein Engagement sollte erst am 4. August beginnen. Er<br />

wußte immer noch nichts Genaueres über sein zukünftiges Aufgabengebiet, aber<br />

Anfang Juni hatte ihm Zemlinsky mitgeteilt, daß er bei den Proben zu einer<br />

Einstudierung des Parsifal zu assistieren haben werde und daß ihm die Gesamtvorbereitung<br />

eines Bühnenwerkes anvertraut werden könnte. Über die Maßen ermüdet<br />

kehrte <strong>Webern</strong> nach Wien zurück, um den sofortigen Transport seiner Möbel in die<br />

Wege zu leiten. Alles war für den Umzug und die Eröffnung eines neuen Kapitels in<br />

seinem Berufsleben bereit. Gerade dann wurden alle seine Pläne auf dramatische<br />

Weise über den Haufen geworfen. Am 31. Juli, nur zwei Tage nach seinem Brief aus<br />

Prag, schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg in höchster Verzweiflung. Kränker und niedergeschlagener<br />

als je zuvor, fühlte er sich außerstande, seinen Posten am folgenden<br />

Montag anzutreten und flehte den Freund um Rat an: „Was soll ich denn nur thun?<br />

Ich bitte Dich, was soll ich thun? . . . Soll ich noch einmal so was durchmachen wie<br />

in Stettin? Alle 8 Tage ins Bett. Ich kann das nicht. Ich bitte Dich was soll ich thun?“<br />

Ohne <strong>Webern</strong>s Wissen hatte seine Frau, außer sich vor Sorge, Schönberg ein<br />

Telegramm geschickt und ihn um seinen Beistand in dieser unseligen Situation<br />

gebeten. Schönberg telegrafierte zurück, daß W ebern nicht nach Prag gehen dürfe,<br />

solange es ihm nicht wieder gut gehe, und daß er einen führenden Spezialisten<br />

aufsuchen solle.<br />

Während der ersten Augusttage machte <strong>Webern</strong> die Runde bei einer Reihe <strong>von</strong><br />

Wiener Ärzten. Auf Empfehlung <strong>von</strong> Dr. Werndorff sah er Dr. Gross, einen<br />

Nervenarzt, der ihn aufs gründlichste untersuchte, um dann zu dem Befund zu<br />

gelangen, daß er keinerlei Störungen des Nervensystems oder irgendwelcher<br />

anderer Organe feststellen könne. Der Rat, den er dem Patienten gab, war, sich<br />

selbst zu helfen durch Einhaltung strikter Selbstdisziplin. Bestürzt ging <strong>Webern</strong> zu<br />

Dr. Werndorff zurück. In diesem Moment kam zufällig Dr. Oskar Adler vorbei, und<br />

die beiden Ärzte einigten sich darüber, daß vielleicht nur die neue Methode der<br />

Psychoanalyse den Symptomen <strong>Webern</strong>s auf den Grund kommen könne. „Es gäbe<br />

in Wien nur zwei Ärzte, die für mich in Betracht kämen, Freud und ein gewisser<br />

Adler“, berichtete <strong>Webern</strong> Schönberg in einem langen Brief am 5. August. „Dieser,<br />

ein befreundeter <strong>von</strong> Werndorff, wurde sofort angerufen, und ich konnte noch um<br />

7h abends gestern zu ihm. Der begann, nachdem ich ihm alles erzählt hatte, sofort<br />

mit Fragen über alles, über alles. Er meinte er könnte mich heilen, ich müßte aber<br />

160


circa einen M onat lang täglich zu ihm kommen. Manches was er sagte, war ja<br />

allerdings frappierend, und es kommt mir auch so vor, als ob man durch Analogien<br />

wirklich Zusammenhänge ausfindig machen könne, die die Ursache aufdecken.<br />

Allerdings ich habe noch immer Bedenken und eine starke Antipathie . . . Ich will<br />

vorläufig ein par Mal zu dem Menschen gehn; ich werde ja sehn was wird. Ich kann<br />

noch immer ausspringen.“<br />

Jener „gewisse Adler“ war Dr. Alfred Adler, der als Begründer der Schule der<br />

Individualpsychologie berühmt geworden ist. Im Gegensatz zu Freud, dessen<br />

Theorien weitgehend durch den Sexualtrieb bestimmt waren, vertrat Adler die<br />

Ansicht, daß alle Persönlichkeitsprobleme ihre Wurzeln in einem Gefühl der<br />

Inferiorität haben, das <strong>von</strong> physischen Behinderungen oder einem Konflikt mit der<br />

Umgebung herrühre, wodurch das individuelle Bedürfnis nach Macht und Selbstbehauptung<br />

eingeschränkt werde. E r hielt Verhaltensstörungen für eine Überkompensation<br />

<strong>von</strong> Mangelerscheinungen. <strong>Webern</strong>s Behandlung ist ein klassisches<br />

Beispiel für Dr. Adlers Methode. Der Patient enthüllte selbst Schritt für Schritt seine<br />

Krankheitsgeschichte in einer Reihe <strong>von</strong> Briefen an Schönberg. Am 6. August<br />

schrieb er: „Ich war also gestern zum zweiten Male bei dem ,Psychoanalytiker1. Ich<br />

kenn’ mich gar nicht aus, was er will. Gestern hat er durch tausenderlei Fragen viel<br />

Weibisches an mir feststellen wollen. Ach, was hat das alles für einen Sinn. Ich gieng<br />

dann zu Adler [Oskar Adler], ihn wieder zu fragen, ob denn wohl dabei was<br />

herauskommen könne, und wie ich denn dabei gesund werden soll. E r meinte, ich<br />

solle jedenfalls die Sache ausprobieren. E r glaube daran; wenn man nämlich den<br />

Grund meiner Zustände durch solche ,Analysen1gefunden habe, sei ich fast schon<br />

geheilt. D er Grund oder die Ursache würde sich als etwas läppisches herausstellen.<br />

Diese Erkenntnis genügte, die Heilung herbeizuführen. Nein, ich verstehe das alles<br />

nicht. E r konnte es auch nicht deutlich sagen. Ich fragte ihn wieder nach einem<br />

anderen Arzt, ob er einen Franzosen oder Amerikaner wisse ~ ich sprach <strong>von</strong> Deiner<br />

Idee .. er wisse keinen, sei außerdem überzeugt, daß auch diese Leute die<br />

Freudmethode ausüben. Und tatsächlich in Stettin wollte mich einer auch so<br />

behandeln, in Portorose auch, hier auch schon der dritte. Nichts als Psychoanalytiker.“<br />

Zunächst widersetzte sich W ebern instinktiv Dr. Adlers Methode. Im gleichen<br />

Brief an Schönberg brachte er Argumente vor, die seine ausgesprochene Neigung zu<br />

metaphysischen Deutungen reflektierten: „Ich glaube nicht, daß das selbsterzeugte<br />

Schmerzen sind, sondern verhängte.“ E r zitierte die philosophischen Formulierungen<br />

<strong>von</strong> Strindberg und Swedenborg und stellte die Behauptung auf, daß sämtliche<br />

Widrigkeiten in seiner Dirigentenlaufbahn sowie seine häufigen Krankheiten alle<br />

vorbestimmt gewesen seien: „Schau, als ich das erste Mal zum Theater gieng, ist<br />

meine M utter gestorben, als ich das zweite Mal die Sache in Angriff nahm, mein<br />

Vater so erkrankt, daß er in Pension gehen mußte. Als ich nach Danzig gieng, mußte<br />

ich meine Frau damals vor der Mali im Stich lassen; sie in Paris, ich in Danzig. Ich<br />

machte dort furchtbare Stunden durch.“ W ebern fuhr fort, alle die bösen<br />

Vorzeichen seiner Stettiner Zeit aufzuzählen: die Geschichte mit dem Vorhang, die<br />

andauernde Krankheit seiner Tochter, seine eigenen Nervenzustände, die zu seinem<br />

161


Krankenurlaub führten, die Trennung <strong>von</strong> seiner Frau, kurz bevor sie <strong>von</strong> ihrem<br />

zweiten Kind entbunden wurde, den Tod seines Neffen zu dem Zeitpunkt, als er<br />

selbst vor dem Antritt seines Engagements in Prag stand, und schließlich seine<br />

Erkrankung im Augenblick seiner dortigen Ankunft.<br />

So sehr sich <strong>Webern</strong> gegen Dr. Adlers Therapie sträubte, ließ er sich dennoch<br />

dazu überreden, sich der Behandlung zu unterwerfen. Am 13. August versuchte er,<br />

Schönberg das diagnostische Vorgehen des Arztes zu schildern: „Ich laufe täglich zu<br />

Dr. Alfred Adler. Ich muß ihm alles, einfach alles erzählen, es gibt nicht mehr viel in<br />

meinem Leben, was er nicht schon wüßte. Aus allem schließt er immer das gleiche:<br />

meine Zustände seien eine Verlegung des Kampfplatzes aus der wirklichen Welt auf<br />

die der Krankheit. Ich brauchte seit jeher etwas, um Entscheidungen hinauszuschieben.<br />

Unbewußt erzeuge zu diesem Zwecke der Körper die Schmerzen und erlange<br />

darin eine hohe Virtuosität. Das scheint auch zu heißen, daß mein Körper nicht die<br />

geringste Überlegung oder Sorge vertrüge. Wenn ich mir denke, wie wird das wohl<br />

sein, werde ich krank und so kann das gar nicht sein, wegen dessen ich mich sorgte<br />

. . . Manches erscheint mir gewaltsam und nach einem Schema zu sein. Aber ich<br />

glaube doch, daß ein Sinn dahinter steckt. Es ist sehr interessant mit Adler zu reden.<br />

Wenns nur nicht um meine Person gienge, das ist mir schon entsetzlich fad.“<br />

Nur allmählich gelang es Dr. Adler, <strong>Webern</strong>s Skepsis zu überwinden und ihn zu<br />

voller Mitarbeit zu gewinnen. Am 21. August gab <strong>Webern</strong> Schönberg einen<br />

weiteren Bericht über seine Fortschritte: „Nach allem, was ich ihm <strong>von</strong> meinen<br />

Zuständen u. aus meinem Leben <strong>von</strong> der Kindheit an erzählt habe, ist er zu<br />

folgendem Resultat gekommen: Die Ursache liege an einem zu tendenziösen<br />

Streben, ,oben‘ zu sein, in einer Sucht mich absolut nicht führen zu lassen. Ich habe<br />

mir ein hohes Ziel gesteckt auf allen Gebieten, in meiner Carriere, im Eheleben<br />

u. s. w. aber andererseits schrecke ich aus einer in der Kindheit bereits beginnenden<br />

Ängstlichkeit, ja Weichlichkeit, übergroßen Empfindlichkeit vor Entscheidungen<br />

zurück. Um diese hinauszuschieben, erzeuge mein Körper diese Krankheitserscheinungen,<br />

um gleichsam eine Legitimation zu geben für mein Zurück weichen. Da ich<br />

mich nun <strong>von</strong> niemanden führen lassen wolle, so natürlich auch <strong>von</strong> ihm [Adler]<br />

nicht. Und der Höhepunkt der Kur, ihr Ziel sei, wenn ich nun auch das überwände,<br />

mich überzeuge, daß er Recht habe. Die Erkenntnis dieser Ursachen schließe bereits<br />

die Heilung in sich. Ich kann das alles höchstens theoretisch begreifen, im Gefühl<br />

habe ich’s noch nicht. Ich spüre noch nicht, wie sich diese Heilung vollziehn könnte.“<br />

Am Monatsende war <strong>Webern</strong> so weit, daß er der Theorie genügend Vertrauen<br />

schenkte, um zur Durchführung der Behandlung entschlossen zu sein. Sie sollte<br />

ganze drei Monate dauern. Die Belastung durch die täglichen Sitzungen strapazierte<br />

seine Geduld, aber die wachsende Einsicht, daß er, organisch gesund, in die Lage<br />

versetzt werden könne, seine nervösen Störungen zu überwinden, stärkte seine<br />

Entschlossenheit. Am 10. September bemerkte er zu Schönberg: „Ich bin schon<br />

imstande meine Zustände, wenn sie kommen, so zu ignorieren, daß die Beschwerde<br />

abnimmt.“ Am selben Tag konnte <strong>Webern</strong> berichten, daß er seine schöpferische<br />

Arbeit wiederaufgenommen habe und die Gewißheit, daß er wieder komponieren<br />

könne, überzeugte ihn vollends. „Ich glaube jetzt unbedingt an die Möglichkeit<br />

162


einer Heilung durch solch eine K ur“ , schrieb er Schönberg am 16. September und<br />

berichtete gleichzeitig über Dr. Adlers Diagnose seines Falls: „Von der frühesten<br />

Kindheit her ein zu principielles Streben nach einem fast abstrakten Ziel, und wo ich<br />

anstoße in Wirklichkeit die Neigung, mich zurückzuziehn und um dieses Zurückweichen<br />

möglich zu machen, zu legitimieren, erzeugt der Körper die Krankheit. Ein ganz<br />

konkretes Beispiel dafür ist ja d ie ,Platzangst1, zu welcher ich, wie der Arzt sagt, bald<br />

gekommen wäre. In meinem Bestreben alles was ich mache am besten auszuführen,<br />

zeige ich dort, wo ich glaube es könnte vielleicht nicht so werden (ohne daß das<br />

stimmen müßte) das Bestreben auszuweichen und um das zu können u. mein<br />

Gewissen sozusagen zu beruhigen, werde ich krank. Das bezieht sich nun auf alles<br />

was in meinem Leben vorkommt. Und die Heilung: Die Furcht vor den ,blauen<br />

Flecken“wie der Arzt sagt, abzuschütteln, die Kraft zu haben, zu riskieren und ohne<br />

die ,Versicherung“der Krankheit zu gehn . . . D er Arzt leitet mein Bestreben, alle<br />

Situationen zu beherrschen oder besser gesagt mit Hülfe meiner Krankheit nur<br />

solche Situationen aufzusuchen, in denen ich ,herrsche“, <strong>von</strong> meiner Sucht als Kind,<br />

die ältere Schwester zu überflügeln, ab. D ort müsse ich alle diese ,Kunstgriffe“, wie<br />

er sagt, gelernt haben. Das komme wohl bei Jedem vor, aber der Erwachsene müsse<br />

eben die Kunstgriffe ablegen und sein Ziel ohne die erreichen.“<br />

Am 29. September konnte W ebern Schönberg melden, daß er sich „fast<br />

ausgezeichnet“ fühle. Die wenigen Hinweise auf Dr. Adlers Therapie, die noch<br />

folgten, klangen gleichermaßen positiv, und am 30. O ktober konnte er den<br />

Abschluß der Behandlung verkünden: „Ich bin seit Dienstag beim Arzt fertig. Ich<br />

glaube er hat mir sehr geholfen. Es geht mir gut.“ <strong>Webern</strong>s Lebensgeister erwachten<br />

wieder, und er stürzte sich mit neuer Kraft in konstruktive Aktivität. Die<br />

Transformation <strong>von</strong> Leib und Seele hatte einen solchen Grad <strong>von</strong> Gesundung<br />

angenommen, daß er sogar daran dachte, seine Theaterarbeit wiederaufzunehmen.<br />

Anfang August hatte er, nicht ohne große Betretenheit, krankheitshalber um<br />

Beurlaubung <strong>von</strong> seinen vertraglichen Verpflichtungen in Prag nachgesucht,<br />

versehen mit dem erforderlichen Attest <strong>von</strong> Dr. Oskar Adler. Zemlinsky, der in<br />

enger Fühlungnahme mit Schönberg stand, hatte ihm damals nahegelegt, die ganze<br />

Spielzeit zu pausieren und nicht nur die zwei oder drei Monate, um die er<br />

nachgesucht hatte. <strong>Webern</strong> war zutiefst gerührt <strong>von</strong> so viel Verständnis und dankte<br />

Schönberg überschwenglich für seine Vermittlerrolle, indem er ihn den „Schutzengel“<br />

seines Lebens nannte. Als er dann die Beurlaubung in eine offizielle Kündigung<br />

umwandelte, drückte der Prager Theaterdirektor höflich die Hoffnung aus, ihn zu<br />

einem späteren Zeitpunkt als Mitglied des Ensembles zu sehen.<br />

Jetzt, drei Monate nachher, stellte sich W ebern erneut auf eine Laufbahn als<br />

Dirigent ein. Schließlich war es stets sein Ehrgeiz gewesen, die Meisterwerke der<br />

Literatur vom Pult aus leiten zu können. Darüberhinaus hatte er dank Dr. Adlers<br />

klinischer Analyse seiner Nervenstörungen so viel Selbstvertrauen gewonnen, daß<br />

er sich die Bewältigung der Anforderungen des Theaterberufs zutraute. So<br />

konzentrierte er sieh auf die Aussichten, im nächsten J ahr nach Prag zu gehen. In der<br />

Zwischenzeit fühlte er bei Jalowetz vor wegen der Möglichkeit, wieder nach Stettin<br />

zu gehen trotz aller Widrigkeiten, die ihm dort das Leben schwer gemacht hatten. In<br />

163


der positiven Verfassung, in der er war, warf er sich auf das Studium <strong>von</strong><br />

Opernpartituren. Charpentiers jüngstes Werk, Julien, machte ihm einen guten<br />

Eindruck. Und er entdeckte eine neue Liebe: „Neuerdings bin ich <strong>von</strong> Verdi<br />

begeistert“, meinte er am 12. Oktober zu Schönberg. Und dennoch, als Steuermann<br />

<strong>Webern</strong> auf eine Vakanz in Aachen aufmerksam machte, konnte er sich doch nicht<br />

zu der erforderlichen raschen Entscheidung durchringen. Schönberg gegenüber<br />

rechtfertigte er sein Zögern mit den verschiedensten Begründungen. Vor allem<br />

fühlte er sich bei Zemlinsky im Wort, der in Anbetracht zu erwartender personeller<br />

Veränderungen in Prag <strong>Webern</strong> zu verstehen gegeben hatte, daß ihm dort<br />

regelmäßige Operndirigate übertragen werden könnten. Außerdem war er darüber<br />

verstimmt, daß seine Bewerbung in Aachen vor zwei Jahren nicht einmal in<br />

Erwägung gezogen worden war. Dann gab es Überlegungen finanzieller Art<br />

einschließlich erneuter Umzugskosten und des Vorhandenseins eines Mietvertrags,<br />

den er soeben in Wien abgeschlossen hatte.<br />

Das Prager Mißgeschick Ende Juli war <strong>Webern</strong> teuer zu stehen gekommen: drei<br />

Monatsmieten für eine Wohnung, die er nie bezogen hatte, ganz zu schweigen <strong>von</strong><br />

der Entsendung eines Möbelwagens mit seinem Hausrat, der einen ganzen Monat<br />

eingelagert werden mußte für 7 Kronen pro Tag. Als <strong>Webern</strong> mit seiner Familie <strong>von</strong><br />

Mürzzuschlag in Wien eintraf, wohnten sie zunächst bei seinen Schwiegereltern in<br />

der Ruckergasse 12. Ende August, als die lange Behandlung durch Dr. Adler die<br />

Familie dazu zwang, eine eigene Bleibe zu finden, mietete <strong>Webern</strong> eine Wohnung im<br />

1. Stock eines Neubaus in der Kremsergasse 1 im Bezirk Flietzing, nicht weit vom<br />

Fleim Paul Königers und seiner Frau, Wilhelmines älterer Schwester. Die Wohnung<br />

war klein (zwei Zimmer, Küche und Bad), doch die Familie wußte ihre<br />

Unabhängigkeit zu schätzen nach all den M onaten, die sie bei Verwandten verlebt<br />

hatte. W ebern vor allem war glücklich, sich wieder in seinen eigenen vier Wänden<br />

einrichten zu können. E r liebte es, seine Partituren und Bücher mit dein Flügel als<br />

M ittelpunkt seines Sanktuariums um sieh zu haben. All das beflügelte ihn, bald<br />

wieder schöpferisch tätig zu werden. Zwischen September und Dezember komponierte<br />

er eine Reihe <strong>von</strong> Orchesterstücken einschließlich eines Orchesterliedes, und<br />

im O ktober schrieb er Tot, ein Bühnenstück in 6 Szenen. Die Woge wiedergewonnener<br />

Schaffenskraft trug ihn zu einer Vielzahl weiterer Projekte während der ersten<br />

Monate des Jahres 1914.<br />

Die Feststellung ist bemerkenswert, daß <strong>Webern</strong>, obwohl er frei war <strong>von</strong><br />

beruflichen Verpflichtungen und finanziell unabhängig, diesmal seiner oft zum<br />

Ausdruck gebrachten Sehnsucht, an Schönbergs Seite nach Berlin zu eilen, nicht<br />

nachgab. Sein Entschluß, in Wien zu bleiben, war ohne Zweifel <strong>von</strong> Dr. Adler mit<br />

besimmt worden. Der Psychiater, dem die dominierenden Einflüsse im Leben seines<br />

Patienten nicht verborgen geblieben waren, versuchte sicherlich, ihm den Weg zum<br />

völligen Selbstvertrauen aufzuzeigen. Jedenfalls unterhielt <strong>Webern</strong> mit Schönberg<br />

wie eh und je eine intensive Korrespondenz. Die Briefe umfassen alle Bereiche<br />

seiner Erlebnisse, Gedanken und Empfindungen. Wieder einmal nahm er, wenn<br />

auch nur als Konsument, am reichhaltigen Wiener Konzert- und Theaterleben als<br />

der kritischste aller Beobachter teil. Er prangerte den schlechten Geschmack an, mit<br />

164


dem ein neuer Konzertsaal ausgestaltet worden war (zu dessen Eröffnung Richard<br />

Strauss ein Festliches Präludium geschrieben hatte), und er war außer sich darüber,<br />

daß der 16 jährige Erich Wolf gang Korngold seine Sinfonietta <strong>von</strong> den Philharmonikern<br />

unter Weingartner aufgeführt bekam. („Die Hunde, die niemals eine Note <strong>von</strong><br />

Dir spielten“, tobte er in seinem Brief vom 30. November.) Dagegen gab eine<br />

Aufführung der Vierten Symphonie <strong>von</strong> Mahler am 11. Dezember den Anstoß zu<br />

einem begeisterten Bericht am gleichen Tag („Mein bestimmtester Eindruck dabei<br />

wie bei allen W erken so höchster Art ist: das ist diktiert. Und ich möchte vergehn vor<br />

Liebe und Ehrfurcht für den, der so begnadigt ist.“)<br />

Am 30. November schickte <strong>Webern</strong> Schönberg eine Postkarte <strong>von</strong> seinem<br />

Lieblingsberg: „Ich bin heute früh ganz allein auf die Rax gestiegen. Hier heroben ist<br />

schon tiefer Winter. Es ist unbeschreiblich schön.“ An Weihnachten gab es ein<br />

Familientreffen, zu dem <strong>Webern</strong>s Vater und Schwestern <strong>von</strong> Klagenfurt kamen. Der<br />

Tod <strong>von</strong> Marias Sohn Theo überschattete noch das Zusammensein während den<br />

Feiertagen, sonst aber klang das Jahr, das so viele Prüfungen kennzeichneten,<br />

friedlich aus. Für <strong>Webern</strong>, der gerade sein 30. Lebensjahr überschritten hatte, war es<br />

eine Zeit größter Spannungen gewesen. „Die böse Zahl 1913 ist bald vorüber“,<br />

schrieb er Schönberg am 30. Dezember, als er ihm seine Neujahrswünsche<br />

übermittelte. Der Brief gab auch seiner Freude darüber Ausdruck, daß Schönberg<br />

die neuen Orchesterstücke, die er ihm kurz vorher zugeschickt hatte, so gut fand,<br />

daß er sie aufführen wollte.<br />

Am Mittag des Neujahrstages besuchte <strong>Webern</strong> Alma Mahler, die in den<br />

folgenden M onaten ihn und seine Frau mehrere Male zum Tee oder Abendessen<br />

einlud. „Ich weiß eigentlich nicht“, bem erkte er in einem späteren Brief (am 9. Juni<br />

1914) an Schönberg, „wie ich dazu kom m e“ . „Mich freut aber dieser Verkehr vor<br />

allem auch deswegen, weil es so schön ist, in dem Raum zu sein, wo noch soviel <strong>von</strong><br />

Mahler ist, seine Bücher, Noten, sein Klavier und vieles andere.“<br />

Die Liebesaffaire zwischen der jungen Witwe und Oskar Kokoschka (der sie als<br />

seine „Windsbraut“ gemalt hatte) war um diese Zeit Stadtgespräch. <strong>Webern</strong> war es<br />

nicht entgangen, daß der Künstler beim Neujahrsempfang in Alma Mahlers Salon<br />

durch Abwesenheit glänzte, daß die berühmte Schöne abgezehrt und blaß aussah<br />

und daß die Romanze wohl ihr Ende gefunden habe. Berg gegenüber bemerkte<br />

W ebern einmal, daß er für Kokoschka „eine gigantische Sympathie“ empfinde. Er<br />

wußte sehr wohl die künstlerische Größe des Malers zu schätzen trotz aller<br />

Sensationsmache, die sein Privatleben umgab. Das gute Einvernehmen mit<br />

Kokoschka führte dazu, daß <strong>Webern</strong> ihm für zwei Porträts saß, eine Tuschzeichnung<br />

1912 und ein Ölbildnis 1914.2 Beide Porträts sind kühn expressionistisch konzipiert.<br />

Alma Mahler war zugegen, als Erwin Stein am 12. Januar die Erste Symphonie<br />

ihres Mannes dirigierte. Bei diesem Anlaß war <strong>Webern</strong> sehr beeindruckt vom<br />

Können seines ehemaligen Studienfreundes. Stein sollte <strong>Webern</strong>, Berg und Königer<br />

nach Prag zu einem Wiedersehen mit Schönberg begleiten, dessen Sechs Orchesterlieder<br />

op. 8 <strong>von</strong> Zemlinsky auf das Programm eines Konzerts am 29. Januar gesetzt<br />

worden waren.3 <strong>Webern</strong>, der mit der Partitur durch die Anfertigung des Klavierauszugs<br />

bis in alle Einzelheiten vertraut war, brannte darauf, das Werk zu hören. Vor<br />

165


allem aber freute er sich auf die Stunden mit Schönberg, den er ganze zehn Monate<br />

nicht gesehen hatte. Doch dann verdarb ihm Krankheit den Aufenthalt. „<strong>Webern</strong> ist<br />

sehr krank: die Tage vorher furchtbares Fieber, sodaß er heimfahren wollte. Und<br />

jetzt Angina. E r kann sich kaum schleppen“, schrieb Berg am 27. Januar in einem<br />

seiner langen Berichte, die er stets seiner Frau gab, wenn sie getrennt waren.4<br />

Wieder in Wien, erholte sich <strong>Webern</strong>. Er übernahm alsbald die Initiative für eine<br />

Hilfsaktion für Schönberg, dessen finanzielle Lage nach wie vor angespannt war<br />

trotz seines wachsenden internationalen Rufs (am 17. Januar hatte er sein Londoner<br />

Debüt als Dirigent seiner Fünf Orchesterstücke op. 16 gegeben). Vorkehrungen<br />

wurden getroffen für eine monatliche Zuwendung <strong>von</strong> 500 Kronen für die Dauer<br />

<strong>von</strong> zwei Jahren und möglicherweise darüber hinaus. Die Höhe <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Anteil<br />

geht aus der Korrespondenz nicht hervor, es ist jedoch mehr als wahrscheinlich, daß<br />

sein Beitrag einen wesentlichen Bestandteil der Gesamtgarantie ausmachte.<br />

Obwohl <strong>Webern</strong> zu dieser Zeit nichts verdiente, machte er es möglich, diese<br />

Zahlungen in seinem begrenzten Etat unterzubringen. Eine Steuererklärung, die<br />

das Datum 5. Mai 1914 trägt, gibt sein Jahreseinkommen mit 3 820 Kronen an.5<br />

Da<strong>von</strong> kamen 1 900 Kronen als Zinsen eines Sparkontos <strong>von</strong> 40 000 Kronen. Der<br />

Rest war ein Monatswechsel über 160 Kronen, den <strong>Webern</strong>s Schwiergervater, der<br />

Notar Gustav Mörtl, der Familie ausgesetzt hatte.<br />

Anfang Februar bot sich <strong>Webern</strong> zum ersten Male eine Gelegenheit, Mahlers<br />

nachgelassene Neunte Symphonie zu hören. Mit der Partitur schon seit langem<br />

vertraut, wohnte er allen Proben und der Aufführung unter der Leitung <strong>von</strong> Oskar<br />

Nedbal bei. Sein begeisterter Bericht an Schönberg vom 16. Februar endete mit<br />

einer Beschreibung des Schlusses der Symphonie: Er ist „ja wie ein Gruß <strong>von</strong> oben.<br />

Da war Mahler schon weit, weit <strong>von</strong> uns.“ Ein paar Tage später entsetzte sich<br />

<strong>Webern</strong> über eine Parn/a/-Aufführung in der Hofoper: „Musikalisch war es<br />

niederträchtig. Ich übertreibe nicht. Eine Schmach für dieses Institut,“ In der ersten<br />

Märzhälfte hatte Schönberg seine Gurrelieder in Leipzig und die Fünf Orchesterstücke<br />

in Amsterdam zu dirigieren. <strong>Webern</strong> und Stein begleiteten ihn auf der<br />

Konzertreise. Während des Leipziger Aufenthalts, wo die Freunde am 28. Februar<br />

eintrafen, wohnte <strong>Webern</strong> im Haus <strong>von</strong> Albertine Zehrne6 (die Pierrot Lurtaire in<br />

Auftrag gegeben und die Uraufführung gesungen hatte). Die zweiwöchige Reise mit<br />

Aufenthalt in Berlin vermittelte <strong>Webern</strong> viele neue Eindrücke, darunter den des<br />

ersten Anblicks des Atlantischen Ozeans.7 Am 15. März, dem Tag seiner Rückkehr<br />

nach Wien, faßte er seine musikalischen Eindrücke in einem langen Brief an<br />

Schönberg zusammen: „Die Gurrelieder und die Orchesterstücke —10 Jahre Deines<br />

Lebens trennen sie. In 10 Jahren eine solche Umwälzung der musikalischen<br />

Sprache. Ich glaube, das war noch nie da.“<br />

Gerade zu dieser Zeit liefen die Proben zu einer weiteren Aufführung der<br />

Gurrelieder in Wien unter Franz Schreker. Wie immer waren Schönbergs Jünger bei<br />

den Proben zugegen. Während einer <strong>von</strong> ihnen fand sich <strong>Webern</strong> im Mittelpunkt<br />

<strong>von</strong> „einem schauerlichen Krach“, wie er Schönberg in allen Einzelheiten am 26.<br />

März berichtete. Aus irgendeinem Grunde eröffnete der Orchesterdirektor<br />

Höllriegl, dessen Namen <strong>Webern</strong> mit „H öll.“ abkürzt, Berg, daß seine und seiner<br />

166


Freunde Anwesenheit bei der Probe nunmehr „überflüssig“ sei, nachdem die<br />

Orchesterstimmen jetzt korrigiert seien. Berg und Stein befanden sich im Korridor<br />

außerhalb des Saales, als <strong>Webern</strong> eintraf. <strong>Webern</strong> und Stein ignorierten das Verbot;<br />

sie gingen hinein und postierten sich auf einer Seite des Podiums. Nach der Pause<br />

forderte Schrecket' <strong>Webern</strong> auf, doch vom Parterre aus zuzuhören. Dort setzten sich<br />

Berg und Königer zu ihnen. „Da kurz vor Schluß“, berichtete <strong>Webern</strong>, „erscheint<br />

ganz oben bei den Contrabässen jener Flerr u. schreit, die Probe störend, ungefähr:<br />

,Das ist doch unerhört, ich hab doch die Herrn ersucht fortzugehn u. sie sind wieder<br />

da.“Da bekam ich einen Wutanfall u. schrie, übers ganze Orchester ihm zu, daß Prof.<br />

Schrecker uns ersucht habe, im Parterre zu sitzen. Er darauf: wir sollen gehn o. er<br />

werde einen Diener schicken. Wir bleiben; der Diener kommt zaghaft. Dem sage<br />

ich, das wir über Aufforderung Schreckers hier sind. Er geht, kommt mit der selben<br />

Botschaft. Da ruft Schrecker ihm zu, er soll Ruh geben. Da erscheint wieder der H.<br />

in der Thür zum Parkett u. ruft uns zu, zu gehn. Das Orchster hat inzwischen<br />

angefangen unruhig zu werden. Ich eile zu Höll . . . und sage ihm immer wieder<br />

dasselbe. Die ändern folgen mir u. so waren wir richtig draußen.“ D er Streit ging<br />

weiter. Der Orchesterdirektor war <strong>Webern</strong> zufolge „weiß vor Zorn“ . <strong>Webern</strong> tobte<br />

Schönberg gegenüber weiter: „Ein solches Schwein!“ . In Wut gebracht, konnte er<br />

recht ausfallend werden. „Wir entschuldigten uns dann bei Schrecker, er sich bei<br />

uns. Aber das ganze war abscheulich. Wie war man in Leipzig und Amsterdam gegen<br />

uns! Ich hatte mich so schrecklich aufgeregt u. bin noch außer mir.“<br />

Dieser unerquickliche Zwischenfall tat <strong>Webern</strong>s restloser Befriedigung über die<br />

Aufführung der Gurrelieder am 27. März keinen Abbruch. Nur ein paar Tage später<br />

dirigierte Franz Schreker ein weiteres Monumentalwerk der Chor-Orchesterliteratur,<br />

Mahlers Achte Symphonie. <strong>Webern</strong>, der 1910 die Uraufführung unter der<br />

Leitung des Komponisten erlebt hatte, war aufs Neue hingerissen <strong>von</strong> dem Werk. In<br />

seiner Beschreibung der sich mehr und mehr steigernden Ekstase des ersten Satzes<br />

hielt <strong>Webern</strong> in seinem Brief an Schönberg vom 8. April ein interessantes Detail<br />

fest: „Schrecker hat folgende ihm durch Frau Mahler vermittelte Idee Mahlers<br />

ausgeführt: er hat das große Baßsolo im II. Theil (pater profundus) mehrfach<br />

besetzt! Das war äußerst merkwürdig. Zuerst wußte ich nicht, daß diese Idee <strong>von</strong><br />

Mahler selbst ist, aber es war mir sofort klar: das ist eine ausgezeichnete, großartige<br />

Idee. Man hörte jede sechzehntel Note, alles war so klar, und ein eigentümlich<br />

rauher, aufregender Klang.“<br />

W ebern, bislang dem erfolgreichen Opernschaffen Schrekers gegenüber äußerst<br />

kritisch, begann seine Ansichten zu mildern: „Ich bin dem Schreker in dieser letzten<br />

Zeit viel näher gekommen“, bemerkte er im gleichen Brief an Schönberg. „W er ist<br />

sonst jetzt in Wien, der so etwas macht wie diese zwei Aufführungen?“ Diese neu<br />

aufgekommene Sympathie ermutigte <strong>Webern</strong>, Schönbergs Anregung auszuführen,<br />

Schreker seinen Chor Entflieht auf leichten Kähnen vorzulegen. Als Intonationshilfe<br />

fügte er ein Ensemble <strong>von</strong> Stützinstrumenten hinzu.<br />

Abgesehen <strong>von</strong> der Fertigstellung dieses Arrangements komponierte <strong>Webern</strong> in<br />

diesem Frühjahr mehrere Orchesterlieder sowie Stücke für Cello und Klavier.<br />

Außerdem skizzierte er einen Chor für Frauenstimmen auf einen Text aus<br />

167


Strindbergs Gespenstersonate. W eberns wachsende Bewunderung für den schwedischen<br />

Schriftsteller klingt in vielen seiner Briefe an. Im Februar hatte er Frau Margit<br />

gesehen, eines der frühen Dramen Strindbergs, und im Mai besuchte er Nach<br />

Damaskus. Kurz vorher war er in einer Aufführung <strong>von</strong> Ibsens Peer Gynt gewesen.<br />

In seiner lebhaften Parteinahme stellte er sein Idol Strindberg weit über Ibsen. In<br />

einem Brief an Schönberg vom 23. Mai meinte er, Ibsens Symbolismus sei „unklar“<br />

und „verwirrend“ verglichen mit dem Strindbergs, dessen Gestalten „die einfachsten<br />

Dinge [sagen] und es enthüllt sich Unerhörtes“ . Andere literarische Einflüsse,<br />

die <strong>Webern</strong>s Phantasie in diesem Frühjahr anregten, waren Karl Kraus und Hans<br />

Bethge. <strong>Webern</strong> verfolgte auch das dramatische Schaffen Frank Wedekinds mit<br />

größtem Interesse, wobei er sein jüngstes Stück, Simson (in dem der Autor<br />

wiederum als Schauspieler mitwirkte), als „etwas ganz außergewöhnliches“<br />

bezeichnete.<br />

Zur Osterzeit verbrachten <strong>Webern</strong> und seine Familie zwei Wochen im Hause<br />

seines Vaters in Klagenfurt. Er arbeitete im Garten und fühlte sich wie neugeboren<br />

nach seiner langen und quälenden Krankheit. Wie immer, wenn er Kärnten<br />

besuchte, pilgerte er auch dieses Mal zum Grab seiner Mutter und zum Preglhof,<br />

dem glücklichen Zufluchtsort seiner Jugend. Er begleitete auch seinen Vater auf<br />

einer Schürftour, die sie für mehrere Tage in die Berge führte (trotz seiner offiziellen<br />

Pensionierung hielt Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> auch weiterhin Ausschau nach abbauwürdigen<br />

Mi neralvor kommen).<br />

Am 23. April unterschrieb <strong>Webern</strong> einen Vertrag mit dem Stettiner Theater, der<br />

sein Wiederengagement bestätigte. Die Verhandlungen waren seit Januar im Gange<br />

gewesen, als W ebern durch Jalowetz erfahren hatte, daß der Posten des Zweiten<br />

Kapellmeisters frei würde. Zunächst klammerte sich W ebern an die Aussicht, unter<br />

Zemlinsky in Prag zu arbeiten. Da aber die dort zu erwartende Position auch<br />

weiterhin nur vage umrissen blieb, riet Schönberg dringend dazu, die Gelegenheit in<br />

Stettin wahrzunehmen. <strong>Webern</strong> hätte seinen Dienst bereits im Juni antreten sollen,<br />

konnte aber den Direktor des Theaters dazu bewegen, den Beginn auf den 20.<br />

August zu verschieben. Dafür wurde ihm auferlegt, eine Vertretung für den Sommer<br />

zu finden. Im Einvernehmen mit Schönberg, den er bei jeder Gelegenheit um Rat<br />

fragte, schlug er Stein vor. Nach einigem Hin und Her jedoch engagierte der<br />

Theaterdirektor einen Mann seiner Wahl.<br />

Es war in diesem Frühjahr, daß Emil Hertzka anregte, einer der Schönberg-<br />

Jünger solle einen Artikel über die außergewöhnliche dirigentische Befähigung des<br />

Meisters schreiben. <strong>Webern</strong>, noch unter dem Eindruck der Konzertreise nach<br />

Leipzig und Amsterdam, war sofort dazu bereit, sich der Aufgabe zu unterziehen.<br />

Nach vielen Umarbeitungen war sein Artikel „Über Arnold Schönberg als<br />

Dirigent“ im Mai fertig und der Zeitschrift Die Musik eingereicht. Gleichzeitig<br />

schickte <strong>Webern</strong> eine Kopie an Schönberg. Möglicherweise fand Schönberg den<br />

Artikel zu polemisch und lehnte seine Veröffentlichung ab.8 Trotz dieser Enttäuschung<br />

hatte <strong>Webern</strong> allen Grund, sich Schönberg gegenüber verpflichtet zu fühlen,<br />

nachdem dieser begonnen hatte, sich für die Verbreitung seiner Kompositionen<br />

einzusetzen. Nach dem Besuch in Amsterdam hatte <strong>Webern</strong> die gedruckte Partitur<br />

168


seiner Sechs .Stücke op. 6 Wilhelm Mengelberg geschickt, dem Dirigenten des<br />

Concertgebouw Orchesters. Als Schönberg im Juni nach Amsterdam zurückkehrte,<br />

um eine Einstudierung der Gurrelieder vorzubereiten (er hatte aus diesem Anlaß<br />

<strong>Webern</strong> gebeten, noch Korrekturen in den Orchesterstimmen vorzunehmen), ließ<br />

er wissen, daß gute Aussichten für Aufführungen der Sechs Stücke nicht nur in<br />

Holland sondern auch in London bestünden, wo er Sir Henry Wood, den Dirigenten<br />

der Promenadenkonzerte, dafür interessieren konnte. W ebern war außer sich vor<br />

Freude: „Oft kommt’s mir vor: das träume ich ja nur. O wie ist das lieb <strong>von</strong> Dir, daß<br />

du mir das erwirkt hast“, schrieb er Schönberg am 2. Juli, als er ihm mitteilte, daß er<br />

das Orchestermaterial noch in derselben Woche an Sir Henry schicken wollte. Ein<br />

weiterer Kontakt, den Schönberg anbahnte, war zu dem amerikanischen Geiger<br />

Arthur Hartmann, der um diese Zeit in Paris war; ihm schickte <strong>Webern</strong> außer der<br />

gedruckten Partitur der Sechs Stücke für Orchester auch eine Manuskriptkopie der<br />

Vier Stücke für Geige und Klavier (eine Arbeit, mit der er Karl Kornfeld, einen<br />

bekannten professionellen Kopisten, beauftragte).<br />

Die wichtigste aller zu dieser Zeit ausgesprochenen Empfehlungen Schönbergs<br />

war wohl die an Emil Hertzka, den Direktor der Universal Edition. Bei seinem<br />

Besuch wurde <strong>Webern</strong> aufs freundlichste empfangen und ihm die Veröffentlichung<br />

mehrerer Kompositionen für das folgende Jahr als so gut wie sicher in Aussicht<br />

gestellt. Hertzka wollte auch den Vertrieb und die Propaganda für die Sechs Stücke<br />

op. 6 übernehmen. Es setzte indes <strong>Webern</strong>s Freude keinen Dämpfer auf, daß<br />

Hertzka seine Zusagen mit der üblichen Klausel einschränkte, daß nichts U nvorhergesehenes<br />

dazwischenkomme. Zu irgendwelcher Besorgnis schien es keinen Anlaß<br />

zu geben. Europas Kulturleben wurde auf einer Woge noch nie dagewesenen<br />

Wohlstands emporgetragen, und die Zukunft erschien friedlich und ungetrübt.<br />

Doch dann machten am 28. Juni die Schüsse <strong>von</strong> Sarajevo die überall herrschende<br />

Sorglosigkeit zunichte. Das A ttentat auf Erzherzog Franz Ferdinand, den Thronerben<br />

Kaiser Franz Josephs, leitete die internationale Krise ein, der einen Monat<br />

später der Ausbruch des Krieges folgte.<br />

Ende Juni gab die Familie W ebern ihre W iener Wohnung auf in Erwartung des<br />

Umzugs zurück nach Stettin. <strong>Webern</strong>, mit gemischten Gefühlen mit Packen<br />

beschäftigt, nahm die Gelegenheit wahr, eine detaillierte Bestandsaufnahme aller<br />

seiner Bücher und Noten zu machen. Seine Bibliothek enthielt nicht nur die<br />

Standardwerke der klassischen und zeitgenössischen deutschen Literatur, zum Teil<br />

in Gesamtausgaben, sondern auch eine große Auswahl aus dem Schrifttum anderer<br />

Nationen, darunter W erke <strong>von</strong> Balzac und Baudelaire, Emerson und Thoreau,<br />

Dostojewski und Tolstoi, Stendhal und Swedenborg, Dickens und Wilde. Seine<br />

Notensammlung wies einen ähnlich weitgefächerten Umfang auf.9 Besonders<br />

angeführt als Manuskripte waren die Klavierauszüge <strong>von</strong> Bergs Altenberg-Liedern<br />

op. 4 (Nr. 2, 3, 4 und 5), Schönbergs Alle welche dich suchen op. 22, Nr. 2 10 und<br />

Mahlers Lob der Kritik.<br />

„Der Sommer ist eine herrliche Sache. Jetzt da ich gesund bin, nehme ich mit<br />

Begeisterung diese Wärme und alles, alles in mich auf“, schrieb <strong>Webern</strong> in bester<br />

Stimmung an Schönberg am 24. Juni. E r hatte den M ietvertrag für eine Wohnung<br />

169


unterschrieben, die Jalowetz für ihn in Stettin gefunden hatte, und der Möbelwagen<br />

für seinen Haushalt stand abfahrtbereit. Am 5. Juli fuhren <strong>Webern</strong> und seine<br />

Familie zu einem letzten Besuch nach Klagenfurt, bevor das neue Arbeitsjahr<br />

begann. Vater und Sohn unternahmen eine weitere Schürfreise in die Berge. Ihr<br />

Verhältnis war mit den Jahren immer enger geworden. In der Einsamkeit der Berge<br />

dachte <strong>Webern</strong> über das innerste Wesen des Mannes nach, dessen Leben ihm so<br />

„furchtbar tragisch“ erschien und dessen Ethos ihn mit Ehrfurcht erfüllte. „Das<br />

Pflichtbewußtsein meines Vaters ist ein so unendlich hohes, daß ich mir wie ein<br />

Verbrecher daneben vorkomme“, schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg am 13. Juli in einem<br />

langen, bewegenden Brief. Er versuchte, sich über seine Gefühle seinem Vater<br />

gegenüber klar zu werden und schloß mit den Worten: „Ich weiß nur das eine: ich<br />

bin ihm vollständig ergeben und glaube bedingungslos an ihn.“<br />

Am 20. Juli schickte <strong>Webern</strong> Schönberg einen Kartengruß <strong>von</strong> der Klagenfurter<br />

Hütte, wo er nach einer Besteigung des Hochstuhls (2 236 m) eingekehrt war.<br />

Angeregt <strong>von</strong> dem erhebenden Erlebnis schrieb er: „Und einer meiner sehnlichsten<br />

Wünsche ist mit Dir einmal so was zu sehn. Vielleicht geht es diesmal in Murnau.“<br />

Dieses Städtchen im bayerischen Alpenvorland, wo Kandinsky lebte, war der Ort<br />

eines für Anfang August geplanten Rendezvous. Kandinsky hatte Schönberg<br />

eingeladen, den Sommer bei ihm zu verbringen. Jalowetz, Stein und <strong>Webern</strong> hatten<br />

vor, sich ebenfalls dort einzufinden. <strong>Webern</strong> träumte <strong>von</strong> einer Besteigung der<br />

mächtigen Zugspitze, um Schönberg so richtig in die Wunder der Alpenwelt<br />

einzuführen. Von Murnau wollte W ebern Schönberg zurück nach Berlin begleiten,<br />

bevor er am 19. August nach Stettin weiterfuhr, um dort seinen neuen Posten<br />

anzutreten.<br />

Doch alle diese Pläne wurden mit einem Schlag zunichte gemacht. Am 23. Juli<br />

sandte Österreich-Ungarn ein unmißverständliches Ultimatum an Serbien. Ereignisse<br />

<strong>von</strong> großer Tragweite überstürzten sich und lähmten Millionen <strong>von</strong> Menschen,<br />

die wie W ebern ahnungslos waren, was den Ernst der Lage anlangte. Am 28. Juli<br />

erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg. Das löste eine Kettenreaktion in den<br />

Bündnissen aus, die Europa in einem prekären Gleichgewicht der Kräfte hielten.<br />

Als Rußland Truppen entlang den deutschen Grenzen aufmarschieren ließ, erklärte<br />

Deutschland am 1. August den Krieg an Rußland und zwei Tage später an<br />

Frankreich. Wie dann deutsche Armeen in Belgien einfielen und somit die<br />

Neutralität dieses Landes verletzten, trat England am 4. August in den Krieg ein.<br />

Der Weltenbrand ergriff bald so viele Nationen rund um den Erdball, daß er als der<br />

Erste Weltkrieg in die Geschichte einging.<br />

170


12. Opus 9 11 —Andere Werke —Tot<br />

(1911-1914)<br />

In einem Brief an Berg, den W ebern am 12. Juli 1912 in Stettin schrieb, ließ er<br />

einiges darüber verlauten, was ihn beim Komponieren bewegte: Eiin Erlebnis gehe<br />

ihm solange im Kopf herum, bis Musik daraus würde, „Musik mit ganz bestimmter<br />

Beziehung auf dieses Erlebnis - oft bis in Details.“ Mit Ausnahme der Violinstücke<br />

und einigen der letzten Orchesterwerke bezögen sich alle seine Kompositionen auf<br />

den Tod der M utter - die Passacaglia, das Quartett, die Mehrzahl der Lieder, das<br />

zweite Quartett, die ersten Orchesterstücke wie auch, mit einigen Ausnahmen, die<br />

zweiten. „Nur in einem Sommer, damals, als ich die Violinstücke schrieb, ist auch<br />

noch anderes in mir gewesen; da schrieb ich auch die 2 Orchesterlieder und einige<br />

Szenen einer Oper (,Die sieben Prinzessinen1).“<br />

Mit dem erstgenannten Streichquartett sind die Fünf Sätze op. 5 gemeint, mit den<br />

ersten Orchesterstücken die Sechs Stücke op. 6 und mit den beiden Orchesterliedern<br />

die Zwei Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Rilke op. 8. Ü ber das zweite Streichquartett<br />

und die zweite Gruppe <strong>von</strong> Orchesterstücken wird in diesem Kapitel noch zu<br />

sprechen sein, das sich mit den W erken befaßt, die den H öhepunkt <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

aphoristischem Stil darstellen. Beispielhaft für diesen Stil sind die Sechs Bagatellen<br />

für Steichquartett op. 9. Als ihr Entstehungsdatum wird in der Literatur allgemein<br />

das Jahr 1913 genannt. In Wirklichkeit jedoch nahm das Werk in zwei getrennten<br />

Perioden Gestalt an. Eine Gruppe <strong>von</strong> vier Stücken wurde im Sommer 1911 auf dem<br />

Preglhof komponiert. <strong>Webern</strong> nannte diese Gruppe (die die späteren Bagatellen Nr.<br />

2, 3, 4 und 5 umfaßte) „II. Streichquartett“, da er sie damals als ein in sich<br />

abgeschlossenes Werk ansah.<br />

Angesichts der Bemerkung <strong>Webern</strong>s, daß seine musikalischen Ideen Niederschläge<br />

persönlicher Erlebnisse darstellten, müßte in Verbindung mit der Komposition<br />

das Folgende Erwähnung finden: D er Sommer 1911 war ungewöhnlich heiß<br />

und trocken gewesen. Immer wieder hatte W ebern in seinen Briefen über die<br />

anhaltende D ürre geklagt. Am 7. August teilte er Schönberg mit: „Jetzt schreibe ich<br />

ein Streichquartett . . . Entsetzlich geradezu ist es, daß es nicht regnet. Alles<br />

verdorrt hier.“ Die drückende Hitze zog jederm ann in Mitleidenschaft. Sogar auf<br />

dem friedlichen Preglhof gab es große Spannungen, und als sie sich in Gewalttätigkeiten<br />

entluden, war W ebern zutiefst erschüttert. „Ich mußte es sehn, wie ein<br />

besoffener Knecht unserem M aier zwei Messerstiche in den Rücken versetzte“ ,<br />

schrieb er Schönberg am 23. August. „Es war schrecklich. Wir haben dem Armen<br />

gleich geholfen, die Wunden verbunden und ihn in die Stadt gebracht. Dort war ich<br />

wieder dabei, wie er vernäht wurde u. s. w. Die Wunden sind unglaublich tief.<br />

Hoffentlich ist das Rückenmark nicht verletzt. Er ist nämlich noch immer in den<br />

Füßen gelähmt. Jetzt bin ich schon ruhiger, aber dieser Augenblick der That! O,<br />

171


Gott, warum gibt es soviel Unglück. Ich weiß nicht, ich habe schon Angst vor dieser<br />

ewig niederbrennenden Sonne. Kein Regen, keine Kühle . . .“<br />

Im gleichen Brief tat <strong>Webern</strong> kund, daß er sein Streichquartett beendet habe, und<br />

daß er darauf brenne, es Schönberg zu zeigen. Offensichtlich sah der Komponist zu<br />

diesem Zeitpunkt das Werk als in sich abgeschlossen an. Das war noch am 23. Mai<br />

1913 der Fall, als er Berg mitteilte, er werde ihm in den nächsten Tagen sein neues<br />

Quartett schicken. Er möge sich die Instrumentierung besonders genau ansehen und<br />

sich so eine Vorstellung machen <strong>von</strong> all den Mixturen und den sich abwechselnden<br />

diversen Stricharten (col legno, sul ponticello, naturale u. s. w.).<br />

Kurz darauf, am 3. Juni, schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg <strong>von</strong> Mürzzuschlag, wohin er<br />

sich gerade mit seiner Familie zu einem längeren Ferienaufenthalt begeben hatte:<br />

„Hoffentlich habe ich bald die Kraft gewonnen, auszuführen was in meinem Kopfe<br />

schon längst bis in Details bereit liegt. Ein Streichquartett.“ Am 28. Juni konnte er<br />

melden: „Mein Streichquartett ist bald fertig. Es werden 3 Sätze oder Stücke,<br />

ziemlich kurz, aber nicht so kurz wie die letzten und überhaupt wieder ganz anders.<br />

Der mittlere mit Gesang (die Worte sind <strong>von</strong> mir).“ Am 10. Juli berichtete ihm<br />

<strong>Webern</strong>: „Mein Quartett ist schon fertig.“ Er gab dem neuen Werk den Titel Drei<br />

Stücke für Streichquartett. Aus den Ecksätzen wurden später die Bagatellen Nr. 1<br />

und 6. Der Mittelsatz blieb unveröffentlicht. Sein Vokalpart sollte teils gesungen<br />

und teils als Sprechstimme wiedergegeben werden, wie sie Schönberg in Pierrot<br />

Lunaire im Vorjahr zum ersten Mal verwendet hatte. Der Text, mit den Worten<br />

„Schmerz, immer blick nach oben“ beginnend, ist das kürzeste <strong>von</strong> drei kleinen<br />

Gedichten, die <strong>Webern</strong> im Sommer 1913 schrieb; die anderen beginnen mit „O<br />

sanftes Glühn der Berge“ und „Leise Düfte“ (<strong>von</strong> ihnen wird noch in diesem Kapitel<br />

die Rede sein). Die freie Form der Verse sowie ihre Ausdrucksintensität erinnern an<br />

gewisse poetische Äußerungen Mahlers. Die expressive Konzentration der Texte<br />

<strong>Webern</strong>s entspricht den musikalischen Gestalten, mit denen sie verschmolzen sind.<br />

Für den Herbst 1913 gab es Pläne für ein Konzert in Berlin. Es war Schönbergs<br />

Idee, daß das Programm ausschließlich aus Werken <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> und Berg bestehen<br />

sollte. In einem Brief an Schönberg <strong>von</strong> Wien vorn 7. O ktober nannte W ebern als<br />

seinen Beitrag „die 3 Folgen <strong>von</strong> Quartettsätzen, das sind a) die fünf Sätze die hier<br />

schon gespielt wurden [später Opus 5, 1909], b) 4 Stücke, die ich Dir einmal in<br />

Berlin gezeigt habe und c) 3 Stücke, das mittlere mit Gesang, die ich heuer im<br />

Sommer schrieb. Diese 3 Folgen gehören inhaltlich zusammen, und ich möchte<br />

auch, daß sie immer unmittelbar nacheinander gespielt werden. Ich habe sie als ein<br />

Opus zusammen gefaßt. Die Stücke der Folgen b) u. c) sind auch so kurz, daß es<br />

keinen rechten Sinn hätte, eine dieser Folgen allein aufzuführen.“<br />

Das Projekt kam zwar nicht zur Ausführung, die umfangreichen Vorbereitungen<br />

für das Konzert (dessen Unkosten zu Lasten <strong>von</strong> Berg und <strong>Webern</strong> gehen sollten)<br />

setzten sich jedoch noch weit bis in den Herbst fort. Am 12. November sprach<br />

<strong>Webern</strong> <strong>von</strong> einem Klavierauszug <strong>von</strong> Schmerz, immer blick nach oben für<br />

Steuermann, damit der Pianist mit der Sängerin Zlodmicka arbeiten könne. Er<br />

sandte auch eine Reinschrift der Drei Stücke an Schönberg und bat ihn um sein<br />

Urteil. Schönberg antwortete, daß er als sein einstmaliger Schüler keiner Kritik<br />

172


mehr <strong>von</strong> ihm bedürfe. <strong>Webern</strong> reagierte mit größter Erregung und flehte den<br />

Meister an, ihm nie seinen Rat zu versagen. „Mein teuerster Freund, es ist mir, als ob<br />

Du irgendwie Abschied genommen hättest <strong>von</strong> mir. Ich kann nicht allein sein. So<br />

wunderbar es mich auch berührt, daß Du mich sozusagen selbständig gemacht hast,<br />

es macht mich traurig. Ich bitte Dich inständigst, sei weiterhin mein Führer,<br />

,schimpf“ mich wieder ordentlich zusammen.“ In diesem Brief vom 24. November<br />

bekannte er: „Vielleicht ist mir das letzte Stück halbwegs gelungen. Ich möchte Dir<br />

etwas dazu sagen: zuerst ein Wort: Engel. Daher kommt die ,Stimmung“ dieses<br />

Stückes. Die Engel im Himmel. Der unfaßliche Zustand nach dem Tode. Ich komme<br />

immer mehr zum absoluten Glauben an diese Dinge: Himmel u. Hölle. Aber nicht<br />

im übertragenen Sinne: Hölle auf dieser Erde, ein Zustand in diesem Leben. Nein,<br />

erst recht nach dem Tode. Ich möchte aber ,Diesseits“und Jenseits“nicht trennen.<br />

Gar nicht. - Freilich, was nützen alle Engel, wenn mein Stück schlecht ist. Ich habe<br />

das Gefühl, daß meine Orchesterstücke, die ich jetzt schreibe, viel besser sind. Ich<br />

hoffe, daß ich da viel mehr herausgebracht habe. Mich geniert auch schon diese<br />

Kürze meiner Quartettstücke. Meine Orchesterstücke sind viel länger.“<br />

<strong>Webern</strong>, der die drei Folgen <strong>von</strong> Quartettsätzen, die zwischen 1909 und 1913<br />

entstanden waren, als ein in sich geschlossenes Werk ansah, gab ihm damals die<br />

Opuszahl 3 und designierte die einzelnen Folgen als Nr. 1, 2 und 3. Die Reinschrift<br />

der Drei Stücke, die Schönberg erhielt, wurde demnach mit „Op. 3, Nr. 3“<br />

bezeichnet. Ein frühes Faksimile der Manuskriptpartitur eines der Stücke <strong>von</strong> 1911<br />

trägt den Titel „Nr. 3 <strong>von</strong> Vier Stücken für Streichquartett“ ; es wurde im Mai 1913<br />

als Beilage zum vierten und letzten Heft der Zeitschrift Der jRm/veröffentlicht, die<br />

schon im Vorjahr das erste der Vier Stücke op. 7 der Öffentlichkeit vorgestellt hatte.<br />

D er Quartettsatz „Nr. 3“ wurde in späteren Jahren zur vierten der Sechs Bagatellen<br />

op. 9.<br />

Wann und weshalb <strong>Webern</strong> das ursprüngliche Opus 3-Konzept verworfen hat und<br />

stattdessen die jetzt als Fünf Sätze op. 5 und Sechs Bagatellen op. 9 bekannten<br />

W erkeinheiten aufgestellt' hat, wissen wir nicht. Eine Manuskriptpartitur, die den<br />

Titel „6 Sätze für Streichquartett“ trägt, enthält das letztere Werk in der endgültigen<br />

Reihenfolge, wobei das Zweite Streichquartett (1911) mit dem ersten und dritten<br />

der Drei Stücke (1913) kombiniert wird. Obgleich das M anuskript die Beschriftung<br />

„zum 2. Juli 1913“ - dem Geburtstag seiner Frau - enthält, ist es sicher, daß es zu<br />

einem späteren Zeitpunkt niedergeschrieben wurde, da an diesem Tage die drei<br />

Stücke noch in A rbeit w aren.1 Die Sechs Sätze wurden zunächst mit „Opus 3“<br />

bezeichnet. Nachfolgende Änderungen auf den Titelseiten lauteten „Opus 5“ , dann<br />

„Opus 7“ und endlich „Opus 9“ , was auf über eine lange Zeit hinweg angestelite<br />

Überlegungen schließen läßt. Die Weglassung des Vokalsatzes in den vormaligen<br />

Drei Stücken war zweifellos das Ergebnis praktischer Erwägungen. Dasselbe trifft<br />

wohl auch auf den Titel Sechs Bagatellen zu, der für die Veröffentlichung des<br />

W erkes gewählt wurde. E r könnte durchaus <strong>von</strong> Emil Hertzka angeregt worden<br />

sein, um dem Miniaturencharakter der Stücke Ausdruck zu verleihen. Für den<br />

Komponisten selbst waren jedoch diese bis zum letzten konzentrierten Essays<br />

sicherlich keine „Bagatellen“ . Wie dem auch sei, die Stücke gingen in die<br />

173


Musikliteratur als Bagatellen ein, als sie 1924 aus Anlaß ihrer Uraufführung beim<br />

Musikfest in Donaueschingen <strong>von</strong> der Universal Edition veröffentlicht wurden. Der<br />

Komponist war zugegen, als das Amar-Quartett (in dem Paul Hindemith die<br />

Bratsche spielte) das Werk in einer Matinee am 19. Juli vorstellte. Dasselbe<br />

Programm verzeichnete auch die Uraufführung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Sechs Trakl-Liedern<br />

op. 14.<br />

Zur gedruckten Partitur der Bagatellen steuerte Arnold Schönberg ein beredtes<br />

Vorwort bei, das dem besseren Verständnis der Musik <strong>Webern</strong>s dienen sollte: „So<br />

eindringlich für diese Stücke die Fürsprache ihrer Kürze, so nötig ist andererseits<br />

solche Fürsprache eben für diese Kürze. Man bedenke, welche Enthaltsamkeit dazu<br />

gehört, sich so kurz zu fassen. Jeder Blick läßt sich zu einem Gedicht, jeder Seufzer<br />

zu einem Roman ausdehnen. Aber: einen Roman durch eine einzige Geste, ein<br />

Glück durch ein einziges Aufatmen auszudrücken: zu solcher Konzentration findet<br />

sich nur, wo Wehleidigkeit in entsprechendem Maße fehlt. Diese Stücke wird nur<br />

verstehen, wer dem Glauben angehört, daß sich durch Töne etwas nur durch Töne<br />

Sagbares ausdrücken läßt. Einer Kritik halten die sowenig stand wie dieser und wie<br />

jeder Glaube. Kann der Glaube Berge versetzen, so kann dafür der Unglaube sie<br />

nicht vorhanden sein lassen. Gegen solche Ohnmacht ist der Glaube ohnmächtig.<br />

Weiß der Spieler nun, wie er diese Stücke spielen, der Zuhörer, wie er sie annehmen<br />

soll? Können gläubige Spieler und Zuhörer verfehlen, sich einander hinzugeben?<br />

Was aber soll man mit den Heiden anfangen? Feuer und Schwert können sie zur<br />

Ruhe verhalten, in Bann zu halten aber sind nur Gläubige. Möge ihnen diese Stille<br />

klingen!“<br />

Schönberg schrieb diese Sätze 1924, dem Jahr, nachdem er die M ethode der<br />

Komposition mit zwölf Tönen verkündet hatte. In seiner Musik hatten sich die<br />

Prinzipien dieses Systems schon seit 1914 angekündigt, jedoch waren <strong>Webern</strong>s<br />

Streichquartett-Stücke sogar noch früher in diese Richtung vorgestoßen. <strong>Webern</strong><br />

selbst bezog sich sehr viel später auf diese Experimente in einem Vortrag am 12.<br />

Februar 1932: „Ungefähr 1911 habe ich die ,Bagatellen für Streichquartett*<br />

geschrieben, lauter kurze Stücke, die zwei Minuten dauern; vielleicht das Kürzeste,<br />

das es in der Musik bisher gegeben hat. Ich habe dabei das Gefühl gehabt: Wenn die<br />

zwölf Töne abgelaufen sind, ist das Stück zu Ende. Viel später hin ich daraufgekommen,<br />

daß das alles im Zuge der notwendigen Entwicklung war. Ich habe in meinem<br />

Skizzenbuch die chromatische Skala aufgeschrieben und in ihr einzelne Töne<br />

abgestrichen. Warum? Weil ich mich überzeugt hatte: der Ton war schon da. Es<br />

klingt grotesk, unbegreiflich, und es war unerhört schwer. Das Gehör hat absolut<br />

richtig entschieden, daß der Mensch, der die chromatische Skala aufgeschrieben und<br />

ihr einzelne Töne abgestrichen hat, kein Narr war. (Auch <strong>Josef</strong> Matthias Hauer hat<br />

diese Dinge auf eigene Weise erlebt und erfunden.) Mit einem Wort: es bildete sich<br />

eine Gesetzmäßigkeit heraus: Bevor nicht alle zwölf Töne drangekommen sind, darf<br />

keiner <strong>von</strong> ihnen wiederkommen. Das Wichtigste ist, daß das Stück - der Gedanke -<br />

das Thema - durch die einmalige Abwicklung der Zwölf Töne einen Einschnitt<br />

bekommen hat.“2<br />

1924 schenkte <strong>Webern</strong> die gedruckte Ausgabe seiner Bagatellen Berg mit einer<br />

174


Widmung, die für die Essenz des Werkes symptomatisch ist: „ /non multa sed<br />

m ultum ‘ Wie glücklich wäre ich, könnte dieser Spruch hier Anwendung finden.“<br />

Die Genese <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Fünf Stücken für Orchester op. 10 ist nicht weniger<br />

kompliziert als die des soeben erörterten Werkes. Sie stellen letzten Endes eine<br />

Auswahl aus nicht weniger als 18 aphoristischen Stücken dar, <strong>von</strong> denen sieben<br />

1911 und elf 1913 geschrieben wurden. Die Entstehungsdaten der fünf Sätze, aus<br />

denen Opus 10 besteht, gab <strong>Webern</strong> selbst wie folgt an: I. 28 Juni 1911 II. 13.<br />

September 1913 III. 8. September 1913 IV. 19. Juli 1911 V. 6. Oktober 1913.3<br />

Die erste Erwähnung des Unternehmens findet sich in einem Brief, den <strong>Webern</strong><br />

Schönberg auf dem Preglhof am 6. Juli 1911 schrieb: „Ich habe schon zwei<br />

Orchesterstücke geschrieben. Sie sind sehr kurz. Es fällt mir nichts langes ein. Es<br />

wird eine Anzahl kurzer Stücke werden, die ich, um anzudeuten, daß sie nicht in<br />

einem großen Saal gespielt werden sollen, Kammerstücke für Orchester nennen<br />

werde. Bis jetzt ist die Besetzung sehr klein. Das hat mich auf diese Idee gebracht.<br />

Im Grunde ist sie <strong>von</strong> Ihnen. Im großen Saal wird man kaum was da<strong>von</strong> hören.“ Die<br />

erste Gruppe dieser Orchesterminiaturen wuchs bald auf sieben an. Sie war<br />

zweifellos bis Anfang August beendet, da <strong>Webern</strong> dann bereits mit der Arbeit an<br />

dem oben besprochenen „II. Streichquartett“ begonnen hatte. Letzteres war am 23.<br />

August abgeschlossen, da <strong>Webern</strong> an diesem Tage Schönberg mitteilte, daß es aus<br />

vier kurzen Sätzen bestehe: „Ihnen diese und meine 7 Orchester-,Kammerstücke‘<br />

zu zeigen, kann ich kaum erwarten. Was werden Sie dazu sagen? Es ist ein Wechsel<br />

der Farben auf Sechzehntel, Zweiunddreißigstel.“<br />

Dann trat eine Unterbrechung <strong>von</strong> zwei Jahren bei der Arbeit an den<br />

Orchesterstücken ein. W ebern hatte gehofft, sein Aufenthalt in Berlin während der<br />

Saison 1911/12 werde es ihm ermöglichen, seine schöpferischen Aspirationen zu<br />

verwirklichen. A ber alles, was er zustande brachte, war der Klavierauszug <strong>von</strong><br />

Schönbergs Fünf Orchesterstücken op. 16 für zwei Klaviere vierhändig, eine<br />

Aufgabe, mit der ihn der Komponist betraute, als das Werk <strong>von</strong> C. F. Peters Leipzig<br />

zur Veröffentlichung angenommen worden war. <strong>Webern</strong>s meisterliches Arrangement<br />

wurde Anfang April 1912 begonnen und um die Mitte des folgenden Monats<br />

vollendet. Am 7. Mai hatte er Berg gegenüber bemerkt, daß er mit größter Hingabe<br />

am Klavierauszug arbeite. Schönbergs Billigung läßt sich an <strong>Webern</strong>s Manuskriptentwurf<br />

des Arrangements ablesen, der nur geringfügige Korrekturen <strong>von</strong> der Hand<br />

Schönbergs im zweiten und fünften Satz auf weist. Der Entwurf bezeichnet die fünf<br />

Sätze lediglich mit römischen Ziffern und nicht mit den Titeln, die ihnen später<br />

beigegeben wurden: 1. Vorgefühle 2. Vergangenes 3. Farben 4. Peripetie 5. Das<br />

obligate Rezitativ. Tatsächlich hat Schönberg diese Überschriften erst auf den<br />

ausdrücklichen Wunsch seines Verlegers im Hinblick auf die Veröffentlichung des<br />

Werkes Anfang 1913 erstellt.<br />

Vom Sommer 1912 an lähmten <strong>Webern</strong>s Unzufriedenheit mit seinem Engagement<br />

am Stettiner Theater, die fortgesetzten Erkrankungen, die zu seiner<br />

Resignation führten, sowie die nachfolgenden Monate der Rekonvaleszenz weitgehend<br />

seine Schaffenskraft. Erst im Juni 1913 begann er wieder zu komponieren (die<br />

Drei Stücke für Streichquartett). Doch dann führte der schwere Rückschlag in seiner<br />

175


nervlichen Verfassung, die ihn Anfang August zu psychiatrischer Behandlung<br />

bewog, zu einer weiteren Unterbrechung. Die positiven Ergebnisse dieser Behandlung<br />

ermutigten ihn, seine schöpferische Arbeit bald wieder aufzunehmen. Am 10.<br />

September schrieb er Schönberg <strong>von</strong> Wien: „Ich komponiere wieder Orchesterstücke.<br />

Eine Art Symphonie; ich meine eine Reihe zusammengehöriger Sätze.“ Am<br />

12. Oktober berichtete er: „Ich arbeite jetzt an einem Cyklus <strong>von</strong> Orchesterstücken<br />

und bin jetzt beim 6. Das 5. ist mit Gesang. Ich habe mir wieder selber einen Text<br />

verfaßt [O sanftes Glühn der Berge], Da ich schon zu gern wissen möchte, wie Dir der<br />

vorkommt, schicke ich ihn Dir beiliegend. Ich bin vorläufig zu befangen um einen<br />

richtigen Einblick zu haben.“<br />

Im Oktober unterbrach ein literarisches Unterfangen, das Bühnenstück Tot,<br />

vorübergehend die Arbeit an den Orchesterstücken. Doch am 6. November konnte<br />

<strong>Webern</strong> Schönberg mitteilen: „Jetzt bin ich wieder an der Arbeit mit meinem Cyklus<br />

<strong>von</strong> Orchesterstücken. Ich bin bis jetzt zum VII. gekommen. Es bilden sich mir jetzt<br />

wieder verhältnismäßig längere Sätze.“ In einem anderen Brief, am 24. November<br />

datiert, erwähnte er, daß er vorhabe, den Zyklus auf neun Stücke auszuweiten. Am<br />

22. Dezember berichtete er, daß er insgesamt elf Stücke seit dem Herbst komponiert<br />

habe. Von ihnen stellt das mit dem 2. Dezember 1913, dem Tag vor <strong>Webern</strong>s 30.<br />

Geburtstag datierte, vermutlich das zuletzt geschriebene dar. Es existiert nur als<br />

Particell.<br />

An diesem Weihnachten schickte <strong>Webern</strong> Schönberg die Reinschriften <strong>von</strong> vier<br />

der Stücke, einschließlich des Orchesterliedes O sanftes Glühn der Berge. In seinem<br />

Begleitbrief vom 22. Dezember schrieb er, daß dies eine Auswahl aus der<br />

Gesamtgruppe sei: „Die anderen paßten mir nicht mehr. Aber diese 4, glaub’ ich,<br />

gehören fest zusammen.“ Schönberg war so beeindruckt <strong>von</strong> den Stücken, daß er<br />

seine Absicht bekundete, sie zu dirigieren, eine Aussicht, über die <strong>Webern</strong><br />

hocherfreut war.<br />

Die vier Stücke, die er für Schönberg herausschrieb, wurden mit „Opus 6“<br />

bezeichnet. Die rein instrumentalen Sätze, Nr. I, II und IV, konstituierten<br />

Frühfassungen der nachmaligen Nr. II, III und V der Fünf Stücke op. 10. Nr. I und<br />

IV dieses Werkes wurden aus der Gruppe der sieben 1911 komponierten<br />

Orchesterstücke ausgewählt. Der genaue Zeitpunkt, zu dem <strong>Webern</strong> seine<br />

endgültige Auswahl traf, ist ungewiß; es ist durchaus wahrscheiniich, daß er das aus<br />

Anlaß der Aufführung der Fassung für Kammerensemble in der Saison 1919/20 des<br />

Vereins für musikalische Privataufführungen tat. Alle anderen Sätze, die W ebern in<br />

seinen Briefen erwähnte, waren bis 1965 verschollen, als ein Stapel Manuskripte in<br />

Perchtoldsdorf gefunden wurde. E r enthielt außer den Entwürfen zum Orchesterlied<br />

O sanftes Glühn der Berge die in Tinte geschriebenen Partituren <strong>von</strong> vier<br />

Orchesterstücken (undatiert, jedoch III, IV, V und VI bezeichnet, Numerierungen,<br />

die später geändert wurden) und das Particell eines weiteren Satzes (2. Dezember<br />

1913 datiert, aber unnumeriert). Eine Einzelskizze zu dem mit IV bezeichneten<br />

Stück war 21. September 1913 datiert, ein eindeutiger Hinweis, daß die vier<br />

fortlaufend numerierten Stücke in jenem Herbst entstanden waren. Leider hatten<br />

die Verheerungen, denen <strong>Webern</strong>s M anuskripte am Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

176


Orchesterstück op. posth. (1913)<br />

177


anheimfielen, zur Folge, daß die Schlußtakte <strong>von</strong> zwei dieser sonst vollendeten Sätze<br />

verlorengingen. Dafür war das Particell vom 2. Dezember so eindeutig angelegt, daß<br />

es ohne weiteres ausinstrumentiert werden konnte. (Dieser Satz wie auch die<br />

ursprünglich als III, IV, V und VI numerierten sind inzwischen als Folge<br />

veröffentlicht worden.) Verschiedene Fragmente und Skizzen, die ebenfalls 1965<br />

gefunden wurden, gehören zweifellos zu den Stücken <strong>von</strong> 1911 und 1913, die in der<br />

vorausgegangenen Übersicht unerwähnt geblieben sind.<br />

Aus diesem ganzen Komplex sind die folgenden Veröffentlichungen hervorgegangen:<br />

Fünf Stücke op. 10 (Universal Edition 1923), fünf posthume Orchesterstücke<br />

(1913) (Carl Fischer 1971) und O sanftes Glühn der Berge, Nr. 3 der Drei<br />

Orchesterlieder (1913-14) (Carl Fischer 1968). Alle diese Stücke sind in der<br />

aphoristischen Kompositionsweise gehalten, deren Hauptexponent <strong>Webern</strong> in<br />

dieser Epoche war. Der vierte Satz <strong>von</strong> Opus 10 ist längst als der Kürzeste in der<br />

ganzen Orchesterliteratur bekannt. Er umfaßt ganze sechs Takte und dauert gemäß<br />

der Metronomangabe nur 19 Sekunden - ein non plus ultra formaler Komprimierung<br />

und emotioneller Konzentration, eine wahre Antithese zur expansiven<br />

Rhetorik der spätromantischen Ära. Offensichtlich spürte auch der Komponist<br />

selbst, daß er einen kritischen Punkt erreicht hatte, als er Schönberg am 6.<br />

November 1913 schrieb: „Es bilden sich mir jetzt wieder verhältnismäßig längere<br />

Sätze.“ So erstrecken sich das fünfte Stück <strong>von</strong> Opus 10, das am 6. Oktober<br />

komponiert wurde, über 32 Takte und das Orchesterlied O sanftes Glühn der Berge,<br />

dessen erste Skizzen vom 30. September datieren, über 35 Takte. Ob in Kurzform<br />

oder weiter ausgreifend, allen diesen Stücken gemein ist ein einzigartiger Reichtum<br />

neuartiger Farbenkombinationen. Geladen mit Intensität, durchmessen sie die<br />

ganze Skala <strong>von</strong> atmosphärischem Schwebezustand bis hin zu explosiver Vehemenz.<br />

Es konnte nicht ausbleiben, daß die beispiellose Kürze der Musik bei denen, die<br />

sie zum ersten Mal hörten, Betroffenheit hervorrief. W ebern dirigierte selbst die<br />

Uraufführung der Fünf Stücke op. 10 am 22. Juni 1926 auf dem vierten Fest der<br />

Internationalen Gesellschaft für Neue Musik in Zürich. Das vorn dortigen Tonhalle-<br />

Orchester gespielte Werk war die Sensation des Musikfests und brachte dem<br />

Komponisten weltweite Beachtung ein. Noch im selben Jahr, am 19. November,<br />

stellte es Koussevitzky in Amerika vor. Ein Arrangem ent der Fünf Stücke war<br />

bereits in der Konzert-Saison 1919/20 des Vereins für musikalische Privataufführungen<br />

zu hören gewesen. Sie wurden damals unter <strong>Webern</strong>s Leitung in einer<br />

reduzierten Fassung für Klavier, Harmonium, Violine, Bratsche und Cello in Wien<br />

und Prag gespielt (vgl. 14. Kapitel). In dieser vom Komponisten selbst verfertigten<br />

Fassung mit der Bezeichnung „Op. 7, No. 4“ tragen die einzelnen Stücke folgende<br />

Titel: 1. Urbild, 2. Verwandlung, 3. Rückkehr, 4. Erinnerung, 5. Seele. Diese<br />

Überschriften, die in der gedruckten Partitur nicht erscheinen, sind vermutlich<br />

durch das Beispiel <strong>von</strong> Schönbergs Fünf Orchesterstücken op. 16 angeregt worden.<br />

Willi Reich, der <strong>Webern</strong> damals sehr nahe stand, meinte zu den Titeln, daß der<br />

Komponist „damit keine programmatische Erklärung geben, sondern nur jene<br />

Stimmungen andeuten wollte, die ihn bei der Komposition der einzelnen Stücke<br />

beherrschten.“4 Aufschluß über einige dieser Stimmungen gab <strong>Webern</strong> selbst in<br />

178


einem langen und schönen Brief an Schönberg vom 23. April 1914, in dem er sich<br />

mit Wehmut über die Wahrnehmungen aufeinanderfolgender Generationen in<br />

einer Landschaft, durchtränkt <strong>von</strong> gemeinsamen Erinnerungen, verbreitet.<br />

Es war diese Landschaft mit ihrem zentralen Punkt, dem Familiengrab auf dem<br />

kleinen Friedhof der Dorfkirche <strong>von</strong> Schwabegg, die den Hintergrund abgab für sein<br />

Orchesterlied O sanftes Glühn der Berge. <strong>Webern</strong>s intensives Verhaftetsein in<br />

diesen Erinnerungen, die sich mit dem stillen Begräbnisort verbanden, befeuerte<br />

unmittelbar nach Beendigung des Liedes ein ehrgeiziges literarisches Projekt. Als<br />

<strong>Webern</strong> sich <strong>von</strong> seiner langen Krankheit im Jahre 1913, erholte, brach ein Strom<br />

schöpferischer Energie hervor. Am 30. Oktober dieses Jahres, nachdem er<br />

Schönberg vom erfolgreichen Abschluß seiner Behandlung bei Dr. Alfred Adler<br />

berichtet hatte, beschrieb er ihm ein neues Projekt: „In den letzten Tagen habe ich<br />

etwas für die Bühne geschrieben, nur in Worten. Es sind 6 Bilder. Schon seit Jahren<br />

schwebte mir etwas für die Bühne vor, ich sprach auch einmal zu Dir da<strong>von</strong>, jetzt hat<br />

das Gestalt angenommen, ist aber etwas ganz anderes geworden. Ich habe den<br />

heftigsten Wunsch, es Dir gleich zu zeigen.“<br />

<strong>Webern</strong> nannte das Stück Tot, Sechs Bilder für die Bühne. Der Datierung<br />

„Oktober 1913“ ist „in memoriam“ vorangestellt. <strong>Webern</strong> erklärte Schönberg, als<br />

er ihm das Manuskript am 6. November schickte: „Es ist entstanden aus meiner<br />

Trauer um meinen im Sommer verstorbenen Neffen.“ Da er sich vorab im Zweifel<br />

darüber war, wie Schönbergs Urteil ausfallen würde, betonte er, daß er das Werk aus<br />

einer „momentanen Eingebung“ heraus konzipiert und die erste Hälfte in einem<br />

Zug niedergeschrieben habe. Der Tod <strong>von</strong> Theo Clementschitsch vor drei Monaten<br />

hatte <strong>Webern</strong> in seinem Innersten erschüttert. Zu erleben, daß ein so junger Mensch<br />

derart abrupt dahingerafft wurde, brachte ihn Angesicht zu Angesicht mit den<br />

Problemen, die ihn seit dem Tode seiner M utter im Jahre 1906 bedrückten. <strong>Webern</strong><br />

stellte <strong>von</strong> neuem Betrachtungen an über das letztendliche Schicksal der menschli ­<br />

chen Existenz, das eine, Herausforderung darstellte an alle ethischen Gesetze und<br />

religiösen Bekenntnisse, ja eigentlich an das ganze philosophische Gebäude seines<br />

eigenen Daseins einschließlich seiner Rolle als Gatte und Vater.<br />

Das Stück bot sich ihm als Medium an für die für ihn so bedeutungsvolle<br />

Auseinandersetzung über den Sinn <strong>von</strong> Leben und Tod, es war auch ein Versuch zur<br />

Klärung und - letztlich - Katharsis. Wenn auch Tot sich durchwegs der Allegorie<br />

bedient, verkörpert es W eberns eigenes Credo, einen Verbund persönlichster<br />

Vorstellungen und strenger Dogmatik. Naiver Glaube, Pantheismus und eine<br />

Neigung zum Mystischen ~ grundlegende Züge seiner eigenen Persönlichkeitsstruktur<br />

- vereinigen sich mit den Einflüssen der katholischen Lehre und den Ideologien<br />

des Wissenschaftlers und Philosophen Emanuel Swedenborg aus dem 18. Jahrhundert,5<br />

über den <strong>Webern</strong> Schönberg am 30. Oktober schrieb: „Ich lese jetzt<br />

Swedenborg. Mir vergeht der Atem dabei. Das ist unerhört. Ich habe kolossales<br />

erwartet, aber es ist noch mehr.“ Ein langes Zitat aus Swedenborgs Vera religio, das<br />

sich hauptsächlich mit der Lehre <strong>von</strong> den ,,Entsprechungen “ befaßt, durch die sich<br />

das Göttliche auf der Welt manifestiert, ist Hauptbestandteil der Schlußszene <strong>von</strong><br />

Tot.<br />

179


Da das Stück nicht veröffentlicht wurde und es <strong>Webern</strong>s künstlerische Persönlichkeit<br />

in solcher Vollkommenheit reflektiert, erscheinen eine Beschreibung seiner<br />

Wesenszüge und eine Inhaltsangabe im Rahmen dieses Kapitels als angebracht. Die<br />

literarische Konzeption ist bis zum letzten „musikalisch“. Es gibt Anweisungen für<br />

die abgestufte Dynamik der Sprache, für die Tempi ihres Vortrags und für die<br />

Verwendung der Pause, die nicht selten als Komponente der dramatischen<br />

Entwicklung angewandt wird. Nicht weniger genau sind die Vorschriften für Szene<br />

und Beleuchtung, für Gestik und Bewegung. Mit roter Tinte geschrieben, nehmen<br />

diese Anweisungen, auf die <strong>Webern</strong> minutiöse Aufmerksamkeit verwendet, oft<br />

mehr Raum ein als die schwarz geschriebenen Sprechtexte; sie neigen dazu zu<br />

dominieren, wie auch in seinen Kompositionen oftmals das Element der Klangfarbe<br />

die anderen Komponenten der musikalischen Textur überwiegt. Es gibt Szenen, in<br />

denen der Text nur auf ein paar Worte reduziert ist, die aber dann überquellen <strong>von</strong><br />

angedeuteten Inhalten, die ihre Entsprechung in szenischer Gestaltung und<br />

Beleuchtung finden. So ist die Sprache oft nicht mehr als eine Ergänzung der<br />

Atmosphäre einer Szene. Das Drama ist psychologisch, und eine echte Handlung<br />

fehlt. Das Wenige, das an Bewegung vorhanden ist, dient nur dazu, die Symbolik des<br />

Ganzen zu unterstreichen.<br />

Der autobiographische Charakter des Stücks ist unübersehbar. Es spiegelt sich in<br />

ihm <strong>Webern</strong>s allumfassende Liebe zu jeglichen Erscheinungsformen der Natur in<br />

hochalpinen Regionen. Bezeichnenderweise ist der Schauplatz des Stücks „in den<br />

Alpen“ . Es gibt vier Personen: der Mann, die Frau, der Junge (der ihr totes Kind<br />

verkörpert) und der Engel. Wie die nachfolgende Inhaltsangabe zu vermitteln sucht,<br />

sind die sechs Szenen <strong>von</strong> unendlicher Vielfalt der Schattierungen. Die erste Szene<br />

spielt in einer Almhütte hoch oben in den Bergen. Die einzigen Worte werden <strong>von</strong><br />

dem toten Sohn gesprochen, als er den Eltern erscheint. Er erzählt <strong>von</strong> der<br />

Herrlichkeit seines neuen Zuhauses und beschwört sie: „Ihr müßt bald kommen<br />

-----Es ist ein schöner Weg.“ Das Licht, das seine Erscheinung umgibt,<br />

verlöscht allmählich, die Bühne ist dunkel.<br />

In der zweiten Szene erklimmen der Mann und die Frau einen steilen<br />

Gebirgspfad. Es ist früher Morgen im Wald. Für den Mann ist Vereinigung mit der<br />

Natur ein Ritual: „Ich spüre den Segen dieser Luft. Wenn ich mich in die Sonne<br />

stelle zu diesen Gräsern und Blüten, überkommt mich ein wunderbares Gefühl.“ Er<br />

stellt Betrachtungen an über die Heilkräfte, die der alpinen Vegetation innewohnen.<br />

Durch Versenkung in die Natur sucht das Paar die Nähe ihres verlorenen Kindes.<br />

Ergeben in Gottes Willen, tröstet der Mann die Frau: „Ob hier oder dort, wir sind,<br />

wo er jetzt ist.“<br />

In der dritten Szene ist das Paar an der Baumgrenze angelangt, und hier findet<br />

<strong>Webern</strong>s Verehrung der Natur ihren ekstatischsten Ausdruck. Die Alpenflora, in<br />

der er die Inkarnation schöpferischer Schönheit sieht, wird mit glühenden Worten<br />

gepriesen. In einer symbolischen Geste fällt der Mann auf seine Knie und vergräbt<br />

sein Haupt in einem Teppich <strong>von</strong> Alpenrosen. In die Szene klingt das ferne Geläut<br />

<strong>von</strong> Kuhglocken. Der Mann spricht vom göttlichen Ursprung allen Seins und warnt:<br />

„Die allgemeine Beliebtheit darf uns nicht irre machen.“ Eine Betrachtung über das<br />

180


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Edelweiß wird zur metaphysischen Spekulation: „Wie wundervoll, daß die Blüten<br />

der Erde, die den Sternen am nächsten sind, die Gestalt haben, in der uns diese<br />

erscheinen. Keine andere Blüte hat das nur annähernd ähnlich - .... - Der letzte,<br />

höchste Gruß der Erde nach oben, nach der H eim at--------“ Den Aussichtspunkt,<br />

auf dem das Paar steht, nennt der Mann „den menschenwürdigsten Ort“ .<br />

Aufblickend zum dunkelblauen Himmel, verkündet er: „Wir sind dem Geheimnisvollen<br />

schon näher.“<br />

Im vierten Bild rasten die beiden während ihres Abstiegs an einer Bergquelle. Es<br />

wird dunkel im Wald. Die tiefe Stille wird nur unterbrochen vom Rauschen des<br />

Windes in den Bäumen und dem Abendlied eines Vogels. Zum ersten Mal verdrängt<br />

Heftigkeit die Resignation. In einem bitteren, schrillen Monolog bekennt sich der<br />

Mann schuldig, weil er es an Liebe und Verstehen ermangeln ließ: „Man muß sich<br />

peitschen, zusammenhauen daß aller Trek [sic] aus einem fliegt, immer glauben, daß<br />

man besser ist, nein, nein, weg Herrschsucht, Hochmut, nur das Gute suchen -<br />

Demut, Demut.“ Nach diesem Ausbruch kehrt heitere Gelassenheit zurück. Der<br />

sich verfinsternde Wald wirft seine Schatten gegen den roten Himmel, und das<br />

Murmeln der Quelle vermischt sich mit den Klängen der Abendglocke, die in der<br />

Ferne geläutet wird.<br />

Der Dorffriedhof, auf dem die fünfte Szene spielt, erinnert unmißverständlich an<br />

den <strong>von</strong> Schwabegg. Es ist Allerseelen, am späten Nachmittag. In einem<br />

Selbstgespräch läßt die Mutter, jetzt allein, ihrem Gram freien Lauf. Sie kann sich<br />

Gottes Willen nicht beugen und bittet um Vergebung und Reinigung ihrer Seele.<br />

Ihre Auflehnung gegen das Schicksal alterniert mit Selbstbemitleidung. Als es Nacht<br />

wird, erscheint der Schutzengel des Jungen im fahlen Licht über dem Grab. Er ist<br />

ausgesandt, sie zu trösten, und überbringt ihr eine Botschaft vom Himmel: „Glaube,<br />

daß er in Frieden lebt und bei dir ist jederzeit.“ Die Szene schließt mit zwei Strophen<br />

eines Gedichts in freiem Versmaß, die der Finge! mit kaum hörbarer Stimme spricht.<br />

Zu Beginn der sechsten Szene, die wieder in der Almhütte spielt, liest der Mann in<br />

einem alten Buch. E r rezitiert einen umfangreichen Abschnitt aus Swedenborg, der<br />

glaubte, daß Generationen der Menschheit, die vor der Sintflut lebten, mit den<br />

Engeln im Himmel mit Hilfe <strong>von</strong> „Entsprechungen“ reden konnten; durch sie<br />

erlangten sie einen so hohen Grad <strong>von</strong> Weisheit, daß alle ihre irdischen Erfahrungen<br />

spiritueller Natur waren und sich in unmittelbarer Übereinstimmung mit dem<br />

Göttlichen befanden. Wieder <strong>von</strong> dem Buch aufblickend, gibt der Mann seiner<br />

glühenden Hoffnung Ausdruck, daß die Menschheit wieder einen so hohen Stand<br />

erreichen möge. Beim Anblick <strong>von</strong> Blumen habe er selbst stets solche Entsprechungen<br />

empfunden: „Die Blüte, das ist die unfaßbare Schönheit, Zartheit, Heiligkeit<br />

Gottes . . . Ich kam durch die Blüte zur Anschauung Gottes.“ Der Tod ihres<br />

Kindes, der Frucht der Gattenliebe, ist ebenfalls nur durch Entsprechungen zu<br />

verstehen. Die Eltern erkennen jetzt die Ewigkeit in diesem Akt der Vorsehung. Die<br />

Sonne bricht durch die Wolken, und die Szene schließt mit den leise geflüsterten<br />

Worten des Mannes: „O tiefster Sinn des Schmerzes, das größte Glück uns weisend<br />

-------- Herr, o mein Gott - Ich sehe dich.“<br />

Schönberg schrieb, daß er das Stück stellenweise „wundervoll“ fände, daß er sich<br />

182


aber frage, ob die Einführung eines so langen wörtlichen Zitats Swedenborgs ein<br />

legitimes Vorgehen für einen Autor sei. In seiner Antwort vom 10. November<br />

verteidigte <strong>Webern</strong> sein Ausleihen der Stelle damit, daß sie doch so unübertrefflich<br />

alles das bestätige, was er in den ersten fünf Szenen auszusagen versucht habe. Er<br />

bekannte, daß er ganz zufällig auf die Sätze gestoßen sei, wie durch eine glückliche<br />

Fügung, als er das Buch an genau dieser Stelle aufschlug und zu eben der Stunde, als<br />

er sich anschickte, die Schlußszene zu schreiben. Alle seine eigenen Ideen über<br />

Blumen, Pflanzen, Bergquellen und den Wind fand er bei Swedenborg bestätigt, der<br />

meinte, „daß sich also die göttlichen Dinge in der Welt in Entsprechungen<br />

darstellen“ .<br />

<strong>Webern</strong> hat Tot nicht weiter verwendet, wenn er auch Schönberg in seinem Brief<br />

vom 10. November mitteilte: „Aber jetzt weiß ich doch, daß es irgendwie bestehn<br />

kann, wenn es auch voll Fehler ist.“ Es ist wohl seiner außerordentlichen Sensibilität<br />

zuzuschreiben, die ihn alles unterdrücken ließ, was auch nur die Andeutung einer<br />

Kritik <strong>von</strong>seiten Schönbergs hervorrief.6 Die dem Stück innewohnende musikalische<br />

Bildhaftigkeit hätte prädestiniert sein können für ein Libretto. Eine erhalten<br />

gebliebene Skizze deutet jedoch eher auf ein reines Orchester- als ein Vokalwerk<br />

hin. Der einseitige Entwurf gibt einen Hinweis darauf, wie <strong>Webern</strong> die Gestalten<br />

und Ideen <strong>von</strong> Tot in eine Art sinfonisches Drama einzubringen gedachte. Das<br />

Vorhaben wurde niemals ausgeführt, doch maß <strong>Webern</strong> Tot, seinem Bühnenstück,<br />

immerhin so viel Bedeutung bei, daß er das Manuskript zeitlebens aufbewahrte.<br />

In nächster Nähe <strong>von</strong> Schauplatz und Stimmung der fünften Szene <strong>von</strong> Tot<br />

befindet sich das Orchesterlied O sanftes Glühn der Berge nach <strong>Webern</strong>s eigenem<br />

Text. In der Tat, das ganze Konzept <strong>von</strong> Tot mag seine Keimzelle in diesem Lied<br />

gehabt haben, das als eines der Gruppe der elf Orchsterstücke im Herbst 1913<br />

entstand. Die ersten Skizzen mit dem Datum 30. September unterscheiden sich<br />

erheblich <strong>von</strong> einem zweiten, undatierten Entwurf in Particell, der als Vorlage für<br />

die endgültige Partitur diente, die W ebern W eihnachten Schönberg schickte. Das<br />

Lied erhielt die No. III in der Folge <strong>von</strong> vier ausgewählten Orchesterstücken. Wenig<br />

später änderte W ebern seine Dispositionen und sonderte das Lied ab <strong>von</strong> den rein<br />

instrumentalen Sätzen, nachdem er Anfang 1914 ein neues Projekt in Angriff<br />

genommen hatte, in dem das Lied einen Platz finden sollte. Am 26. März teilte er<br />

Schönberg mit: „Ich habe mittlerweile wieder ein Orchesterlied geschrieben<br />

(eigener Text).“ Es handelte sich um Leise Düfte, <strong>von</strong> dem ein mit dem 23. März<br />

1914 datierter Entwurf vorhanden ist. Am 2. Mai schickte <strong>Webern</strong> Schönberg das<br />

fertige Manuskript des Liedes zusammen mit einem weiteren mit dem Titel Die<br />

Einsame, die er beide mit „Opus 7“ bezeichnete. (Die Einsame wurde später das<br />

zweite der Vier Lieder op. 13.) Im Begleitbrief zu den Manuskripten deutete<br />

<strong>Webern</strong> an, daß er noch ein weiteres Orchesterlied geschrieben habe. Er meinte<br />

damit Kunfttag III nach Stefan Georges Gedicht aus dem Maximin-Zyklus des<br />

Siebenten Rings. (Vor Jahren schon hatte <strong>Webern</strong> das Gedicht Kunfttag I für<br />

Singstimme und Klavier vertont.) Das Lied, das das Datum 2. April 1914 trägt, liegt<br />

nur im Particell vor, das aber genügend Einzelangaben enthält, die eine Aussetzung<br />

ermöglichen.7<br />

183


Daß der Komponist beabsichtigte, drei der hier erörterten Lieder zu einem Zyklus<br />

zusammenzufassen, geht aus der Umschlagseite <strong>von</strong> Die Einsame hervor, auf der<br />

<strong>Webern</strong> verschiedene Ideen festhielt, die ihn zu dieser Zeit beschäftigten. Ihm<br />

schwebten damals „Drei Lieder op. 9“ vor in der Reihenfolge „1. Leise Düfte 2.<br />

Kunfttag III 3. O sanftes Glühn der Berge.“8 Einem anderen, auf derselben Seite<br />

festgehaltenen Plan zufolge dachte <strong>Webern</strong> an „Fünf Orchesterlieder op. 8“, in dem<br />

dieselben drei Lieder mit seinen zwei Rilke-Vertonungen kombiniert werden sollten<br />

(die letzteren wurden dann für sich allein als Opus 8 veröffentlicht). Er gab keine<br />

Hinweise auf die <strong>von</strong> ihm beabsichtigte Reihenfolge der Lieder.<br />

Es ist schwer zu verstehen, weshalb <strong>Webern</strong> sich nicht entschließen konnte, diese<br />

ausnehmend schönen Lieder herauszugeben. Der Umstand, daß er zwei <strong>von</strong> ihnen<br />

Schönberg zuschickte, deutet darauf hin, daß er sie als vollgültige Schöpfungen<br />

ansah, und Schönbergs Reaktion war so positiv, daß schon sie allein einen Ansporn<br />

hätte bedeuten sollen. Anscheinend war er seinen eigenen dichterischen Versuchen<br />

gegenüber so kritisch (einschließlich Tot und Schmerz, immer blick nach oben), daß<br />

er sie einer breiteren Öffentlichkeit vorenthielt. In ihrer Dichte und emotionellen<br />

Intensität scheinen sie dem Ausdruck zu verleihen, was <strong>Webern</strong> bereits ein Jahr<br />

vorher, am 12. September 1912, Schönberg geschrieben hatte: „Wenn ich so Briefe<br />

<strong>von</strong> meiner Mutter lese, möchte ich vergehn vor Sehnsucht nach den Orten, wo sich<br />

das alles abgespielt hat. Wie weit zurück und wie schön. Wie unergründlich ist alles<br />

Geschehn. Oft trifft mich ein ganz milder, zarter Schein, eine überirdische Wärme;<br />

das kommt <strong>von</strong> Ihr, <strong>von</strong> meiner Mutter.“<br />

Es sind diese Empfindungen, die aus den beiden <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> selbst verfaßten<br />

Texten sprechen. O sanftes Glühn der Berge vor allem ist eine Anrufung seiner<br />

Mutter, die ihm in Gestalt der Mutter der Gnade erscheint. Die Verwendung einer<br />

flüsternden Sprechstimme und das Geläut einer Kirchenglocke verleihen diesem<br />

fesselnden Miniaturdrama gespenstische Züge. Der tranceartige Charakter wird<br />

durch die Behandlung des Orchesters noch gesteigert: die Instrumente spielen<br />

zumeist gedämpft, und die Dynamik erhebt sich nie über ein p. Hinweise wie „wie<br />

ein Hauch“, „verklingend“, „denkbar leisester Ton“, „verschwindend“ und „bis zur<br />

Unhörbarkeit“ gemahnen die Ausführenden stets an die Absicht des Komponisten,<br />

Visionäres festzuhalten. Die Wirkung ist <strong>von</strong> hypnotischer Konzentration.<br />

Leise Düfte, zart und ätherisch, beschwört ebenfalls ein Traumbild. Kunfftag III,<br />

die letzte <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s 16 Vertonungen <strong>von</strong> Texten <strong>von</strong> Stefan George, verherrlicht<br />

das Kommen des Frühlings. Die Lieder sind ein treffendes Beispiel für Erwin Steins<br />

Charakterisierung <strong>Webern</strong>s: „Ekstase war seine natürliche geistige Haltung - seine<br />

Kompositionen sollten als musikalische Visionen verstanden werden.“ Allen drei<br />

Liedern gemein sind höchste Anforderungen an die Singstimme im Hinblick auf<br />

ihren großen Umfang und die virtuosen Intervallsprünge. Die äußerst farbige<br />

Orchestrierung bezieht Instrumente ein wie Gitarre, Mandoline, Harmonium,<br />

Celesta, Harfe, Schlittenschellen und Kuhglocken.<br />

Das Harmonium findet sich wieder im Ensemble der Stützinstrumente, das<br />

<strong>Webern</strong> in diesem Frühjahr für seinen Chor Entflieht auf leichten Kähnen op. 2<br />

schrieb. Ebenfalls Anfang 1914 entstanden noch einige Lieder, die später Opus 12<br />

184


und Opus 13 zugeteilt wurden. Diese Zyklen stehen am Anfang einer längeren<br />

Periode in <strong>Webern</strong>s Werdegang, die fast ausschließlich der Vokalkomposition<br />

gewidmet ist (vgl. 16. Kapitel). Seine letzte rein instrumentale Arbeit vor dieser<br />

Schaffensperiode waren die Drei kleinen Stücke für Violoncello und Klavier op. 11.<br />

Diese Miniaturen entstanden fast zufällig. Violoncello und Klavier waren die beiden<br />

Instrumente, auf denen <strong>Webern</strong> einen gewissen Grad <strong>von</strong> Fertigkeit erlangt hatte.<br />

Schon als Gymnasiast in Klagenfurt hatte er als Cellist im städtischen Orchester<br />

mitgewirkt und später häufig in Streichquartetten gespielt. Von früh an hatte sein<br />

Vater seine Liebe zu diesem Instrument gefördert. Und es war Vater <strong>Webern</strong>, der in<br />

diesem Frühjahr 1914 den Anstoß gab zu einer Idee, über die <strong>Webern</strong> Schönberg<br />

am 26. Mai schrieb: „Ich werde jetzt eine größere Sache für Cello und Klavier<br />

schreiben. Mein Vater bat mich darum. Er hört gern Cello. Mir wird aber sein<br />

Wunsch jetzt zum Anlaß endlich wieder einen Weg zu längeren Sätzen zu finden - -<br />

Deine Idee.“<br />

Die Schlußbemerkung läßt vermuten, daß Schönberg, nachdem er die letzten<br />

Arbeiten <strong>Webern</strong>s im musikalischen Kurzstil erhalten hatte, ihm geraten hatte,<br />

wieder in ausgedehnteren Formen zu komponieren.9 Der Entwurf zu der „größeren<br />

Sache“, <strong>von</strong> der <strong>Webern</strong> spricht, trägt den Titel Cello-Sonate. Ein Satz, am<br />

abschließenden Doppelstrich 9. Mai 1914 datiert, war bis zu Ende skizziert, als<br />

<strong>Webern</strong> Schönberg am 26. Mai schrieb. Offenbar hatte er immer noch vor, an dem<br />

Werk weiterzuarbeiten. Doch dann gab er plötzlich einem anderen schöpferischen<br />

Impuls nach. Das Ergebnis waren die Drei kleinen Stücke für Violoncello und<br />

Klavier, die er seinem Vater als verspätetes Geburtstagsgeschenk überreichte.10 Da<br />

er befürchtete, Schönberg könnte darüber verärgert sein, daß er doch kein<br />

umfangreicheres Werk produziert habe, teilte er ihm am 16. Juli aus Klagenfurt mit:<br />

„Ich schicke Dir gleichzeitig eine Abschrift des zuletzt (noch in Wien) <strong>von</strong> mir<br />

Geschriebenen: drei kleine Stücke für Violoncello und Klavier. Ich bitte Dich, nicht<br />

unwillig zu sein darüber, daß es wieder etwas so Kurzes geworden ist. Ich möchte Dir<br />

sagen, wieso das gekommen ist, und versuchen, mich dadurch zu rechtfertigen. Ich<br />

hatte schon ganz deutlich die Vorstellung einer größeren zweisätzigen Composition<br />

für Cello und Klavier und begann sofort mit der Arbeit. Als ich aber schon ein gutes<br />

Stück im 1. Satz hielt, wurde es mir immer zwingender klar, daß ich was anderes<br />

schreiben müßte. Ich hatte ganz deutlich das Gefühl, wenn ich das unterdrücke,<br />

etwas ungeschrieben zu lassen. So brach ich ab, obwohl mir jene größere Arbeit gut<br />

<strong>von</strong> der Hand gegangen war, und schrieb rasch diese kleinen Stücke (d. h. das erste<br />

hatte ich ja schon vorher geschrieben, nebst einem anderen, das ich aber verwarf).<br />

So sind diese drei Dinger entstanden. Und ich habe selten so das Gefühl gehabt, daß<br />

was gutes geworden ist.“ Zwei Wochen nach der Niederschrift dieser Zeilen brach<br />

der Erste Weltkrieg aus, und der Komponist, der ebenfalls <strong>von</strong> der allgemeinen<br />

Aufregung erfaßt worden war, kam nie wieder auf sein früheres Vorhaben, die<br />

Cello-Sonate, zurück.<br />

Die drei Stücke, die das Konzept des aphoristischen Stils in seiner extremsten<br />

Form darstellen, erstrecken sich über 9, 13 und 10 Takte; ihre Gesamtspieldauer<br />

beträgt etwa 2 Minuten. Sie sind die bis zum äußersten fortgeschrittene Manifesta­<br />

185


tion <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Streben nach Verdichtung <strong>von</strong> Form und Inhalt. Die melodische<br />

Aussparung ist hier geradezu gleichbedeutend mit Askese: Die Textur besteht aus<br />

Motiven <strong>von</strong> zwei, drei, höchstens vier Tönen. Die Möglichkeit, alle 12 Töne der<br />

chromatischen Tonleiter einzubeziehen, der er erstmals in den Streichquartettsätzen<br />

nachgegangen war, wird weiter und mit zunehmender Konsequenz verfolgt,<br />

besonders im letzten der drei Stücke. Ihre Kürze, die oberflächlich betrachtet,<br />

vielleicht sogar idiosynkratisch anmutet, ist in Wirklichkeit das Resultat <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>s pionierhaften Experimenten, seines Vorstoßes zu einer neuen Technik,<br />

dem Zwölftonsystem, das ein Jahrzehnt später seine Formulierung durch Schönberg<br />

erfahren sollte.<br />

Die Drei kleinen Stücke op. 11 wurden im August 1924 <strong>von</strong> der Universal Edition<br />

herausgegeben. Am 2. Dezember desselben Jahres wurden sie zum ersten Mal<br />

öffentlich gespielt in einem Konzert der Gesellschaft für Neue Musik in Mainz; der<br />

Cellist war Maurits Frank vom Amar-Quartett und der Pianist Eduard Zuckmayer.<br />

Es ist erstaunlich, daß die Uraufführung erst ein Jahrzehnt nach der Entstehung des<br />

Werkes stattfand, und daß die Stücke sich in den Annalen des Vereins für<br />

musikalische Privataufführungen nicht auffinden, wo so viele Werke <strong>Webern</strong>s<br />

erklungen sind. Eine Aufführung in Wien fand am 10. Februar 1925 durch Maurits<br />

Frank und Friedrich Wührer statt. Alban Berg berichtete über sie dem Komponisten,<br />

der ihr nicht beiwohnen konnte (vgl. 17. Kapitel). Eine Aufführung in Berlin<br />

1926 durch Gregor Piatigorsky rief beim Publikum Gelächter hervor. Derartige<br />

Reaktionen vertieften <strong>Webern</strong>s Erkenntnis, daß die Zeit für seine Stücke noch nicht<br />

gekommen sei. Noch am 20. Oktober 1939 riet er Willi Reich bei der Vorbereitung<br />

eines in Basel geplanten Konzerts: „Ansonsten wären die Violinstücke günstiger als<br />

die Cellostücke. Die lieber gar nicht! Nicht, weil ich sie nicht gut finde. Aber sie<br />

würden ja nur ganz mißverstanden. Die Spieler und die H örer können nur schwer<br />

damit was anfangen. Nichts Experimentelles///“<br />

D er erst 1965 entdeckte Satz der Cello-Sonate erklang erstmals am 3. Juni 1970,<br />

als derselbe Gregor Piatigorsky, der fast ein halbes Jahrhundert zuvor die Pioniertat<br />

mit den Drei kleinen Stücken vollbracht hatte, ihn mit Victor Bafain im Cleveland<br />

Institute of Music spielte. Das Stück11 sprüht vor Energie und ist reich an plötzlichen<br />

Kontrasten. Seine Länge <strong>von</strong> 41 Takten (neun mehr als die Drei kleinen Stücke<br />

zusammen) lassen es zu einem Meilenstein im Werdegang des Komponisten werden.<br />

Es zeigt <strong>Webern</strong>s Entschlossenheit an, auf dem Höhepunkt jener einzigartigen<br />

Epoche des musikalischen Aphorismus, eines Genre, das er nicht nur kultiviert<br />

sondern zu seiner Vollendung geführt hat, wieder zu einer strukturellen Ausweitung<br />

zu finden.<br />

186


Nr. 1 der Drei kleinen Stücke op. 11 für Violoncello und Klavier<br />

187


■ IW »<br />

W<br />

■oldatenstreichquartett mit<br />

Vebern am Cello (Leoben 1916)<br />

Vebern während des Ersten W eltkriegs<br />

mit seiner Frau und<br />

„einen Töchtern Maria und Amalie<br />

188


13. Erster Weltkrieg —Prag —Mödling<br />

(1914-1918)<br />

Als im Hochsommer 1914 der Krieg ausbrach, ergoß sich eine Flutwelle des<br />

Patriotismus über das ganze Land. In den Tagen der Mobilmachung herrschte<br />

ungeheure Erregung. Auch <strong>Webern</strong>, <strong>von</strong> der Massenpsychose erfaßt, fühlte den<br />

Drang, sich als Freiwilliger zu stellen, als alle jungen Männer um ihn zu den Fahnen<br />

eilten. Er befürchtete nur, daß ihn seine Kurzsichtigkeit disqualifizieren könnte,<br />

nachdem er bereits bei einer früheren Musterung für „waffenunfähig“ erklärt<br />

worden war.<br />

Die sich überstürzenden Ereignisse wurden in aufgeregten Briefen an Schönberg<br />

erörtert, den <strong>Webern</strong> noch in Murnau anzutreffen hoffte. Am 1. August wurde<br />

jedoch der Telegrammdienst unterbrochen, und der zivile Eisenbahnverkehr kam<br />

wegen Truppentransporten zwischen Österreich und Deutschland zum Stillstand.<br />

Die Postzustellung in Deutschland wurde eingestellt und kam nur allmählich unter<br />

strengsten Zensurmaßnahmen wieder in Gang. Ohne <strong>Webern</strong>s Wissen hatte<br />

Schönberg Murnau bei Kriegsausbruch verlassen und war nach Berlin zurückgekehrt.<br />

Erst am 19. August stellte ein Telegramm <strong>von</strong> Schönberg den kostbaren<br />

Kontakt wieder her. In der Zwischenzeit hatte <strong>Webern</strong> immerzu geschrieben. Er<br />

bekannte sich offen zu seinen großdeutschen Gefühlen und schrieb Schönberg am<br />

11. August: „Ich weiß gar nicht m ehr wie eine Zeit des Friedens eigentlich war. Wo<br />

war dieser grauenvolle Haß versteckt bisher? . . . Ich erflehe vom Himmel den Sieg<br />

unserer u. der deutschen Armee. Es ist ja ausgeschlossen, daß das deutsche Reich u.<br />

wir mit ihm zu Grunde gehn sollen. Es ist in mir ein unerschütterlicher Glaube<br />

erwacht an den deutschen Geist, der ja fast ausschließlich die menschliche Kultur<br />

geschaffen hat.“<br />

Obwohl die ersten Verlustmeldungen auch Namen aus <strong>Webern</strong>s Bekanntenkreis<br />

enthielten, kannte sein patriotischer Enthusiasmus keine Grenzen. Beim Miterleben<br />

der häufigen Vereidigungen <strong>von</strong> Rekruten auf Klagenfurts Hauptplatz und dem<br />

Absingen der Nationalhymne durch die Volksmenge wurden seine Em otionen ins<br />

Fieberhafte gesteigert. „O, es ist so was wunderbares!“ schrieb er Schönberg am 28.<br />

August. „Ich bin so deprimiert bei dem Gedanken, ich kann nicht mitthun.“<br />

Ungezügelter Chauvinismus herrschte überall. Auch <strong>Webern</strong> war zum blinden<br />

Parteigänger geworden und betete die offizielle Propaganda der deutsch-österreichischen<br />

Koalition nach. Obwohl er einstmals der deutschen Mentalität<br />

gegenüber recht skeptisch war, vor allem der des Nordens, pries er jetzt<br />

Deutschlands Größe und verdammte alle seine Feinde. Fest überzeugt <strong>von</strong> der<br />

höheren Sendung <strong>von</strong> Europas Mittelmächten, schrieb er Schönberg am 8.<br />

September: „Ich kann meine Einberufung nicht erwarten. Mich verfolgt Tag u.<br />

Nacht der Wunsch: kämpfen zu können für diese große, hehre Sache. Nicht wahr,<br />

189


dieser ungeheure Krieg hat doch keine politischen Ursachen? Es ist der Kampf der<br />

Engeln mit den Teufeln. Denn alles was sich im Lauf dieser Wochen über die<br />

feindlichen Nationen offenbarte, zeigt doch nur das eine: daß sie Lügner, Gauner<br />

sind. Nichts wie Völkerrechtsbrüche: die offenbar längst, längst vollzogene<br />

Mobilisierung der Russen, hinterfetzigen Verhandlungen, Bestechungen untereinander,<br />

die Dum Dum Geschoße, u. s. .w., ein eckelerregender Schmutz. Dem<br />

gegenüber die klare, ehrenhafte Haltung unserer Mächte. Herrgott, gib, daß diese<br />

Teufeln zu Schanden werden. Er gibt es ja schon. Dieser Siegesmarsch der<br />

Deutschen nach Paris. Heil, heil diesem Volke; tausendmal hab’ ich in Gedanken<br />

schon Abbitte geleistet, daß ich manchmal etwas mißtrauisch war, vor allem gegen<br />

den Protestantismus. Aber ich muß sagen, ich habe in diesen Zeiten mich dem<br />

genähert. Das katholische Frankreich! Das gegen Deutsche u. Österreicher gewütet<br />

hat, wie Menschenfresser. Bei Wasser, Brot und harter Arbeit sind die Zurückgebliebenen<br />

irgendwo in Südfrankreich interniert. Und das lächerlichste was es gibt,<br />

diese Engländer! Die bis jetzt nur herumgestenkt haben u. als sie einmal in der<br />

Schlacht waren, so da<strong>von</strong>liefen, daß die Kavallerie nicht nach konnte. Vielleicht sind<br />

- da ich Dir schreibe - die Deutschen schon in Paris. Und die Russen werden auch<br />

bald verjagt sein . . . O es wird gut ausgehn alles . . . Der Todesmut u. die<br />

draufgeherische Kampfesweise unserer Soldaten sollen beispiellos sein. Könnte ich<br />

nur bald mitthun. Wie gerne.“<br />

Der Krieg machte verschiedene berufliche Aussichten <strong>Webern</strong>s zunichte. Unter<br />

ihnen war eine im August vorgesehene Aufführung seiner Sechs Stücke op. 6 unter<br />

Sir Henry Wood in London. Die unmittelbarste und schwerwiegendste Folge war<br />

aber die Kündigung seines Engagements in Stettin. Zunächst wurde das Theater<br />

völlig geschlossen, und als es Mitte O ktober wieder öffnete, wurden das Ensemble<br />

verkleinert und die Gagen gekürzt. Auf den Rat <strong>von</strong> Jalowetz hatte <strong>Webern</strong> die<br />

Direktion wissen lassen, daß er sich auch mit einer niedrigeren Entlohnung<br />

zufrieden geben würde, es wurde ihm aber dennoch mitgeteilt, daß unter den<br />

herrschenden Umständen ein W iederengagement nicht möglich sei. Diese unerwartete<br />

W ende der Dinge löste große Probleme aus. W ebern hatte seine Wiener<br />

Wohnung in der Kremsergasse 1 zu Beginn des Sommers aufgegeben. Sein, ganzer<br />

Haushalt mußte im August transportfertig eingelagert werden. In Stettin hatte er<br />

den Mietvertrag für ein ganzes Jahr unterschrieben und drei Monatsmieten im<br />

voraus bezahlt. Der Hausherr bestand jetzt auf der Erfüllung des Vertrages. Mit<br />

seinem Schwiegervater, dem Notar, als Beistand, argumentierte <strong>Webern</strong>, daß er<br />

weder eine Anstellung habe noch Österreich nach den geltenden Militärverordnungen<br />

überhaupt verlassen könne; der Wohnungseigentümer blieb jedoch hartnäckig<br />

und verlangte zumindest die Bezahlung der Miete für weitere drei Monate. <strong>Webern</strong><br />

gab schließlich nach, wobei er erhebliche finanzielle Einbußen erlitt.<br />

Nachdem aus Stettin nichts geworden war, versuchte es <strong>Webern</strong> mit Prag;<br />

Zemlinsky konnte ihm aber nur versprechen, die Augen für eine Vakanz offen zu<br />

halten. Am 2. September war <strong>Webern</strong> mit seiner Familie nach einem zweimonatigen<br />

Aufenthalt in Klagenfurt nach Wien zurückgekehrt. Da die Zukunft so unsicher<br />

aussah, zogen sie in die Wohnung der Eltern seiner Frau in der Ruckergasse 12. Mit<br />

190


seinem militärischen Status als ,,Landsturmpflichtiger“ mußte <strong>Webern</strong> jederzeit mit<br />

seiner Einberufung rechnen. Es verlangte ihn immer noch danach, sich freiwillig zu<br />

melden, doch rieten ihm sein Vater, seine Schwiegereltern und vor allem seine Frau<br />

da<strong>von</strong> ab, trotzdem sie alle glühende Patrioten waren. Die Frauen in der Familie<br />

strickten Socken, Handwärmer und Schneemützen für die Soldaten an der Front,<br />

<strong>Webern</strong>s Schwester Rosa wurde nach einer Ausbildung in Erster Hilfe Mitglied des<br />

Roten Kreuzes. <strong>Webern</strong>, zusammen mit Stein und Polnauer, nahm an einem<br />

zweiwöchigen Kurs teil, der Zivilisten als Hilfspfleger ausbildete. Außer Bettenmachen<br />

und Zimmerlüften lernte er dort die Grundelemente der Anatomie und das<br />

Anlegen <strong>von</strong> Verbänden. Kurz nachher, Anfang November, meldete er sich zu<br />

einem weiteren Zweiwochenkurs unter der Leitung eines Hauptmanns zu vormilitärischer<br />

Ausbildung.<br />

Obwohl die Feldschlachten keine Entscheidung brachten und die Fronten<br />

allmählich in Grabenkämpfen erstarrten, blieb <strong>Webern</strong>s Optimismus ungebrochen.<br />

Als Maeterlinck ein antideutsches Manifest veröffentlichte, das zur Ausrottung des<br />

preußischen Militarismus aufrief, wandte sich <strong>Webern</strong> aufs schärfste gegen ihn. Sein<br />

Wunschdenken setzte sich auch dann noch fort, als Hurrarufe und Fanfaren längst<br />

verstummt waren, als der Kampf zum Zermürbungskrieg geworden war, der volle<br />

vier Jahre dauern sollte, und als die Hoffnung auf einen glorreichen Sieg längst der<br />

bitteren Notwendigkeit des Überlebens gewichen war. Künstlerische Aspirationen<br />

schienen jeglichen Sinn verloren zu haben, solange alle Kräfte der Nation einzig und<br />

allein im Dienste der Verteidigung des Vaterlandes standen. Jeder, der dem Wiener<br />

Kreis angehörte, war betroffen. Von Altenberg, Kokoschka und Loos bis hin zu<br />

Schönberg und seinen Jüngern gab es nur ein Anliegen, nämlich die Rolle des<br />

Einzelnen im Dienste des Krieges. Als W ebern bei einer erneuten ärztlichen<br />

Untersuchung für tauglich befunden wurde, meldete er sich als Freiwilliger. So<br />

konnte er wenigstens für die <strong>von</strong> ihm bevorzugte Waffengattung optieren. Als er im<br />

Februar 1915 einberufen wurde, kam er zum Landwehr-Infanterieregiment Nr. 4,<br />

einem K ärntener Truppenteil mit H auptquartier in Klagenfurt. Am 22. Februar<br />

schrieb er Berg, daß er schon „m itten drin im richtigen Kasernenleben“ sei. Er<br />

erzählte <strong>von</strong> „so allerhand lustigen Sachen“ wie Essenfassen in einer Schüssel, die er<br />

nachher zu säubern hatte, und nicht zu Hause schlafen zu können.<br />

Am letzten Februartag wurde W ebern nach Görz verlegt, einer Stadt arn Isonzo,<br />

45 km nördlich <strong>von</strong> Triest. D ort sollte er für mehr als zwei M onate stationiert sein.<br />

Am 20. März beschrieb er Schönberg einige der harten Bedingungen bei der<br />

Grundausbildung: „Ich liege zusammengepfercht mit anderen Einjähr. arn Boden<br />

(Strohsack) in Staub u. Schmutz [Rekruten mit höherer Schulbildung hatten im<br />

allgemeinen nur eine einjährige Dienstzeit], Das ist wohl entsetzlich und wahrhaftig<br />

nicht notwendig. Denn wie leistungsfähiger wäre man, könnte man privat in<br />

Reinlichkeit leben. Aber jetzt weiß ich ein reines Bett, Zimmer u. s. w. zu schätzen<br />

. . .Strapazen sind schon jetzt große auszuhalten. Es macht mir aber nichts. . .Ich<br />

führe ja ein Leben, als ob ich seit Wochen auf einer Fußtour wäre, so ähnlich.<br />

Sonntags bringt mir meine Frau Wäsche, was zum Eissen u. s. w. Morgen ist wieder so<br />

ein Freudentag.“<br />

191


Im gleichen Brief bedankte sich <strong>Webern</strong> für ein Geschenk, mit dem ihn Schönberg<br />

soeben überrascht hatte: ein Vseitiges Manuskript, <strong>von</strong> Schönberg selbst in blauem<br />

Leinen gebunden, das das Lied Alle welche dich suchen (später als zweites der Vier<br />

Orchesterlieder op. 22 veröffentlicht) enthielt. Der Komponist widmete das Lied<br />

nach einem Gedicht aus Rilkes Stundenbuch „Meinem lieben <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“<br />

(wenn auch diese Zueignung in der veröffentlichten Partitur nicht erscheint).<br />

<strong>Webern</strong>s Freude war grenzenlos, und er gab eine ausführliche Beschreibung des<br />

Geschenks in seinem Brief an Berg vom 7. April. Er hatte gerade zehn Tage das Bett<br />

mit einer Angina hüten müssen. Sein Krankenurlaub zog sich noch über mehrere<br />

Wochen hin. Seine Frau, die wieder in anderen Umständen war, war <strong>von</strong> Klagenfurt<br />

gekommen, um ihn zu pflegen, und die kleine Familie wohnte privat bis Ende April<br />

am Corso Franz Joseph 25.<br />

Anfang Mai wurde <strong>Webern</strong> nach Windisch Feistritz verlegt, einer kleinen Stadt<br />

südlich <strong>von</strong> Marburg an der Drau. Er wurde bei Frau Troyer in der Burggasse 60<br />

einquartiert, bis er seine Ausbildung abgeschlossen hatte. Am 10. Mai berichtete er<br />

Berg, daß er zum Gefreiten befördert worden war und daß er sich an seinem neuen<br />

Standort wohler fühle als in Görz. Anfang Juni führte ihn eine neuerliche Verlegung<br />

nach Frohnleiten bei Bruck an der Mur. Am 8. Juni wurde er zum Kadett-<br />

Aspiranten ernannt, im Rang eines Feldwebels, was ihn zum Tragen des kleinen<br />

Säbels eines Offiziers der Gebirgsjäger berechtigte. Ihm wurde die Ausbildung <strong>von</strong><br />

älteren Rekruten im Alter <strong>von</strong> 37 bis 42 Jahren übertragen, und er versuchte sich mit<br />

Eifer an einer Reihe <strong>von</strong> eigenen pädagogischen Ideen. „Ich möchte es ohne<br />

Schreien u.s.w . richten“, schrieb er Schönberg am 8. Juni. „Ich benütze<br />

Erfahrungen <strong>von</strong> den Chorproben. Theater u. Militärbetrieb haben überhaupt viel<br />

Ähnlichkeit. Ich trachte durchzusetzen daß alle es so ernst als möglich nehmen.<br />

Alles sachlich erklären. Jeden scheinbaren Drill. Es steckt wirklich überall bester<br />

Sinn dahinter. Den sollen sie begreifen.“<br />

W ebern mietete eine Unterkunft an der Mauritzen 85, wohin ihm Frau und<br />

Kinder folgen konnten. Die Umgebung war herrlich, und zwei Monate lang genoß er<br />

die ländliche Idylle gegen den Hintergrund des grauenvollen Krieges. „Das Dasein<br />

hier ist für mich eine wahre Erlösung, nach dem, was bis jetzt war“, vertraute er<br />

Schönberg an. Seine Lage blieb auch weiterhin recht erträglich, als er Anfang<br />

August einen anderen Posten im nahen Niklasdorf übernahm, wo er und seine<br />

Familie angenehm im Haus Nr. 21 wohnten. Am 24. August berichtete er Schönberg<br />

über einen neuen Aspekt in seinem Soldatendasein, der wenigstens teilweise seinen<br />

Durst nach musikalischer Betätigung stillen half: „Zweimal in der Woche spielte ich<br />

bis jetzt Quartett. Auch späteren Beethoven. Es machte mir unsägliche Freude.<br />

Gestern giengen aber zwei Spieler ins Feld ab. Ich hoffe auf Ersatz. Ich habe einen<br />

Heißhunger nach Musik.“<br />

Eine Woche später wurde die Garnison in Niklasdorf plötzlich aufgelöst und<br />

<strong>Webern</strong> nach Leoben versetzt. Er fand Privatquartier für sich und seine Familie in<br />

der Krottendorfergasse 11 im Haus der Frau Sectionschef Zechner, der Frau eines<br />

Kollegen seines Vaters. Trotz allen Stolzes, einem Elite-Bataillon der Kärntner<br />

Gebirgsjäger anzugehören, wurden ihm die Grenzen seines Reservistenstatus<br />

192


immer deutlicher. Am 5. September schrieb er Schönberg: „Ich sehne mich jetzt<br />

nach einem Dienst, in dem ich, äußerlich in Ruhe, meine Gedanken wieder<br />

hinüberleiten kann zu dem, was mein Beruf eigentlich ist. Und so könnte ich dann<br />

vielleicht geduldiger das Ende [des Krieges] erw arten.“ Als zwei Soldaten des<br />

Bataillons, beide Orchestermusiker, auf Antrag des Klagenfurter Theaters freigestellt<br />

wurden, sah auch W ebern für sich selbst eine ähnliche Regelung. Er schrieb<br />

einen Eilbrief an Zemlinsky in Prag, um ihm seine Dienste anzubieten, und wäre es<br />

auch nur als Korrepetitor. Zemlinsky gewann die Unterstützung des Theaterdirektors<br />

und leitete sofort die erforderlichen Schritte ein. Eine offizielle Eingabe zur<br />

Beurlaubung <strong>Webern</strong>s wurde bei den zuständigen Militärbehörden eingereicht.<br />

<strong>Webern</strong>, der fest damit rechnete, bald wieder ins Musikleben zurückkehren zu<br />

können, fing wieder an zu üben. Am 27. September schrieb er Berg, daß er soeben<br />

ein Klavier gemietet habe und zum erstenmal seit Februar wieder spielen könne.<br />

Ende September kehrte <strong>Webern</strong>s Frau zur Entbindung ihres dritten Kindes, eines<br />

Sohnes, der am 17. Oktober zur Welt kam, nach Wien zurück. D er Junge wurde auf<br />

den Namen Peter getauft. Die Eltern hatten ihn Carl nennen wollen, kamen dann<br />

aber da<strong>von</strong> ab. „Mein Vater will nicht, daß unser Sohn nach ihm heiße“, erklärte er<br />

Schönberg am 31. Oktober. „E r sagt, es sei kein Glück bei dem Namen Carl. Es tfaut<br />

mir so weh. Ich kann ihn schon verstehn: zwei Kinder <strong>von</strong> ihm, die diesen Namen<br />

hatten, sind frühzeitig gestorben, ein Sohn u. eine Tochter Caroline.“ Die Eltern<br />

verwarfen alle Namen anderer Familienmitglieder und wählten dann aus dem<br />

christlichen Kalender denjenigen aus, der dem Geburtstag ihres Sohnes am nächsten<br />

war und ihnen am besten gefiel.<br />

W ährend W ebern auf seine Entlassung aus dem Militärdienst wartete, mußte sich<br />

Schönberg auf seine Einberufung vorbereiten. Im Verlauf der ganzen vorhergegangenen<br />

M onate war zu seinen Gunsten tatkräftig interveniert worden. In einem<br />

Schreiben an einen hohen Beamten im Ministerium hatte W ebern im Namen aller<br />

Freunde und Jünger des Meisters plädiert: „Es ist doch so klar, daß dem. Staate<br />

daran liegen müßte, die Arbeit und Schöpferkraft dieses Mannes zu schützen,<br />

gerade in dieser großen, schweren Zeit und sie nicht zu opfern einem zwar<br />

unentbehrlichen, ungeheuer segensreichen, hier aber vor einer Ausnahme stehenden<br />

Gesetze.“ 1<br />

Keiner der Petitionen, nicht einmal denen einflußreichster Persönlichkeiten, war<br />

Erfolg beschieden. Schönberg erhielt seinen Einberufungsbefehl, am 3. November<br />

zugestellt und trat am 15. Dezem ber seinen Dienst beim Deutschmeister-Regiment<br />

in Wien an. <strong>Webern</strong>, schon beim Gedanken daran, daß Schönberg den Soldatenrock<br />

anzuziehen habe, außer sich, focht bis zum letzten. Als dann das Unvermeidliche<br />

eintraf, stand er dem Freund in jeder Phase mit besorgten und praktischen<br />

Ratschlägen bei, ja sogar bei so prosaischen Dingen wie dem Beschaffen der<br />

bestmöglichen Ausrüstung: „Beim Ausrüsten in der Kaserne dem dienstführenden<br />

Feldwebel (der teilt alles aus) ein kleines Trinkgeld (2 K. etwa) geben. Denn dann<br />

bekommst Du gute Sachen“, schrieb er arn 2. Dezember.<br />

D er Antrag des Prager Theaters auf Beurlaubung <strong>Webern</strong>s vom Militär war lange<br />

Zeit. in bürokratischen Kanälen hängen geblieben. D er Eingabe, die eine weitere<br />

193


ärztliche Untersuchung erforderlich machte, war vom Kriegsministerium stattgegeben<br />

worden, aber die Order, <strong>Webern</strong> bis zum 15. April zu beurlauben, erreichte die<br />

Kommandantur in Leoben nur mit großer Verspätung. So wurde es Mitte<br />

Dezember, bis die Beurlaubung effektiv wurde.<br />

Weihnachten, wieder daheim in Wien, erhielt diesmal für <strong>Webern</strong> und seine Frau<br />

besonderen Glanz: Jetzt endlich, nachdem sie die Eltern <strong>von</strong> drei Kindern geworden<br />

waren, traf der päpstliche Dispens ein zur Solemnisation ihrer Zivilehe <strong>von</strong> 1911<br />

durch die katholische Kirche. Die Zeremonie wurde am 26. Dezember in der<br />

Pfarrkirche <strong>von</strong> Ober-St. Veit mit Gustav Mörtl und Arnold Schönberg als<br />

Trauzeugen vollzogen.<br />

Die ersten Wochen des Jahres 1916 sahen <strong>Webern</strong> wieder in Aktion als<br />

Korrepetitor am Deutschen Landestheater in Prag. Da keine passende Wohnung zu<br />

finden war, mietete er sich im Hotel Schwarzes Roß am Graben ein. Das Leben dort<br />

war so bequem und billig, daß er bald Frau und Kinder nachkommen ließ. Beruflich<br />

fühlte er sich durchaus gefordert <strong>von</strong> Aufgaben wie der Assistenz bei der<br />

Einstudierung <strong>von</strong> Mozarts Cosi fan tutte und Schumanns Faust. Über das letztere<br />

Werk schrieb er Schönberg am 16. Januar: „Vieles darin gehört jetzt für mich zum<br />

Schönsten, was ich an Musik kenne.“<br />

Für ein Sinfoniekonzert am 27. Januar beauftragte Zemlinsky <strong>Webern</strong> mit der<br />

Neuinstrumentierung einiger Passagen des Lieds der Waldtaube aus Schönbergs<br />

Gurreliedern. Ursprünglich war die Kammersymphonie vorgesehen, Schönberg<br />

hatte sich jedoch gegen die Aufführung ausgesprochen mit der Begründung, er wolle<br />

keinen Anlaß geben zu einer ästhetischen Kontroverse gerade jetzt, da der nationale<br />

Notstand alles andere in den Hintergrund drängte. „In Friedenszeiten - meinen<br />

Kriegszeiten - will ich gerne wieder meinen Buckel hinhalten und jeder heute<br />

•, Unentbehrliche soll wieder das Recht haben, sich ihn anzusehen und sich eine Stelle<br />

' auszusuchen, wo ich verwundbar bin.“2 Schönberg konnte bei dem Konzert nicht<br />

zugegen sein, dafür schickte ihm W ebern am 29. Januar einen begeisterten Bericht<br />

über den Erfolg seiner Musik. Seine W orte der Bewunderung standen in scharfem<br />

Kontrast zu seinen im selben Brief enthaltenen kritischen Bemerkungen zur<br />

Alpensym phonie <strong>von</strong> Richard Strauss, die zur Aufführung in Prag vorgesehen war:<br />

„Ich muß denken an wandgroße Kitschgemälde, wie sie in Museen zu sehn sind!“<br />

Seit Antritt seines Engagements in Prag empfand <strong>Webern</strong> Gewissensbisse über<br />

seine eigene Beurlaubung vom Militär gerade zu der Zeit, als Schönberg Soldat<br />

werden mußte. Sein Schuldgefühl über seinen zivilen Status wurde so übermächtig,<br />

daß er selbst Schritte zur vorzeitigen Beendigung seines Urlaubs unternahm. Als der<br />

A djutant seines Reservebataillons in Leoben zunächst Zweifel über eine beschleunigte<br />

Rückberufung äußerte, schrieb <strong>Webern</strong>, der sich wie ein „Ausgestoßener“<br />

fühlte, am 16. Januar an Schönberg: „Ich komme mir vor wie ein Verbrecher. Am<br />

liebsten möchte ich mich vergraben bis zum April. Es ist ein Wahnsinn jetzt Theater<br />

zu spielen - es ist entsetzlich. Und ich mache dabei mit. Damals im Herbst als ich an<br />

Zemlinsky schrieb, da hatte ich ein so übergroßes Verlangen wieder mit Musik mich<br />

beschäftigen zu können. Und dem gab ich nach. Hätte ich es nie getan!“<br />

<strong>Webern</strong>s Demarche, ohne Wissen Zemlinskys unternommen, zeitigte raschen<br />

194


Erfolg. Seine Beurlaubung wurde Ende Januar widerrufen, was zu einem offiziellen<br />

Protest des ahnungslosen Theaterdirektors führte. Anfang Februar kehrte <strong>Webern</strong><br />

auf seinen früheren Posten bei der Kommandantur in Leoben zurück. Wegen eines<br />

Ausbruchs <strong>von</strong> Pocken in der Stadt folgte seine Familie erst im März nach. Sie<br />

bezogen wieder Quartier in der Krottendorfergasse 11. In der Zwischenzeit hatte<br />

<strong>Webern</strong> im Hotel Krempl logiert, das er wegen seiner „Behaglichkeit und Küche“<br />

lobte. Sein Dienst war leicht und nahm ihn nur während der Vormittage in<br />

Anspruch. So verblieb ihm genügend Zeit, sich auf das zu konzentrieren, was er sich<br />

zum Hauptziel gemacht hatte - Schönbergs Entlassung aus der Armee zu erreichen.<br />

Verärgert darüber, daß so ziemlich jeder andere Musiker <strong>von</strong> Ruf vom Militärdienst<br />

freigekommen war, rief er in umfangreichen Briefen alle Freunde zu einer<br />

Protestaktion auf. „Der Lehar, dieses Schwein, der wurde sofort enthoben. Arnold<br />

Schönberg wird es nicht. Ja, wie soll man denn das begreifen, muß auch darin der<br />

Große leiden? Auch da keine Grenze, kein Verstehn?“ schrieb er Zemlinsky am 25.<br />

Februar. Bei Hertzka verwendete er sich am 5. März: „Reger, Pfitzner, die<br />

Komponisten, Dirigenten usw. in Wien, Berlin: kein Einziger dient. So bitte ich Sie,<br />

Herr Direktor: setzen Sie sich dafür ein, daß Schönberg enthoben w ird... Es ist ja<br />

eine Schmach, daß er überhaupt einberufen wurde: sei es, daß es in Unkenntnis<br />

seiner Persönlichkeit geschehen ist oder trotzdem. Einen solchen Mann seiner<br />

Tätigkeit zu entziehen, ist schwerste kulturelle Schädigung, die sich der Staat<br />

zufügen kann. Wenn jemand ,unentbehrlich“ ist, wahrlich dann ist es Arnold<br />

Schönberg.“3<br />

W ährend Schönbergs Freunde sich mit Nachdruck für seine Entlassung einsetzten,<br />

ertrug er selbst stoisch das Ungemach des Kasernendaseins. Auf engstem<br />

Lebensraum mit völlig verständnislosen M ännern koexistieren zu müssen, war für<br />

einen Menschen seiner ästhetischen Sensibilität und hohen Intelligenz ohnehin<br />

schon eine harte Prüfung und hatte mit seinen patriotischen Überzeugungen nichts<br />

zu tun. W ebern ließ es an Versuchen, ihn aufzumuntern, nicht fehlen. Er selbst hatte<br />

sich jetzt täglich mit einem Individuum herumzuschlagen, das er verabscheute und<br />

das mit ihm zusammen Rekruten ausbildete, „einem Mitteischulprofessor, einem<br />

höhnischen, schrecklichen Menschen, ganz unverdaulichen Kerl“, wie er Schönberg<br />

am 21. April schrieb. Mitte März war Schönberg auf eine Schule für Reserveoffiziere<br />

in Bruck an der Leitha delegiert worden. <strong>Webern</strong> schickte ihm Schachteln mit<br />

Zigaretten, die er selbst gerollt hatte, und versuchte ständig, ihm Mut zu machen mit<br />

seinem eigenen Glauben an ein baldiges Ende des Krieges, so wenig die Lage auch<br />

dazu angetan war, eine solche Hoffnung aufkomrnen zu lassen. An allen Fronten<br />

waren die Schlachten der gegnerischen Armeen zum Patt erstarrt, die lebenswichtigsten<br />

Güter gingen vor allein in den Großstädten zur Neige. Immer wieder schickte<br />

W eberns Frau Schönbergs Familie in Wien Lebensmittel, darunter einmal ein Paar<br />

„Kriegsschuhe“ (mit Holzsohlen) für Görgi, Schönbergs Sohn. Allenthalben war die<br />

Sehnsucht nach Frieden groß, doch wurde die Weitererfüllung der jeweiligen<br />

patriotischen Pflichten als unabdingbarer Imperativ hochgehalten. „Ich strebe nach<br />

schärfster, genauester Erkenntnis der jetzt notwendig gewordenen Pflichten u.<br />

danach, auch nicht einen Augenblick in Gedanken abzuweichen <strong>von</strong> dem was jetzt<br />

195


ist, alles darauf zu beziehn, in frömmster Ergebung nur dem zu leben: der Rettung u.<br />

dem Sieg unseres Vaterlandes“, schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg am 21. Juni, nachdem er<br />

ihn in Wien besucht hatte (Schönberg war Mitte des Monats Mai dorthin verlegt<br />

worden).<br />

Mit solchen Vorsätzen machte <strong>Webern</strong> sich mit der Möglichkeit vertraut, an die<br />

Front geschickt zu werden, besonders nachdem er nach einem erneuten Sehtest für<br />

„kriegsdiensttauglich“ erklärt worden war. Die nächsten drei Monate wartete er auf<br />

den Marschbefehl. Während dieser Zeit wurde er einer anderen Einheit zugeteilt, in<br />

der junge Rekruten auf den Einsatz vorbereitet wurden. „Diese jungen Soldaten<br />

interessieren mich sehr. Es ist ein schönes Arbeiten mit ihnen“, meinte er zu<br />

Schönberg am 7. Juli. Sechs Tage später beschrieb er seinen anstrengenden<br />

Dienstplan: „Innerhalb einer Woche: eine zweitägige Übung auf einen 2000-der,<br />

gleich darauf Kaserninspection, dann eine Übung auf einen 1600-der, dann eine<br />

ganztägige Übung im Tal auch mit Bergsteigen verbunden. Dazwischen am<br />

Exerzierplatz den ganzen Tag kommandieren, laufen in größter Sommerhitze. Das<br />

war etwas viel. Heute eine circa 11 stündige Übung <strong>von</strong> 2h 30' nachm. bis l h nachts<br />

circa.“<br />

Dieses intensive Training setzte sich durch den ganzen Sommer hindurch fort.<br />

<strong>Webern</strong> erwartete, im Frühherbst nach Bruck an der Leitha zu einer Maschinengewehr-Spezialeinheit<br />

versetzt zu werden, worauf er sich im Grunde freute, weil diese<br />

für den Einsatz in Gebirgskämpfen ausgerüstete Truppe zum Transport Pferde<br />

benützte. Im September erhielt er noch einen Urlaub, den er teils in Wien zur Feier<br />

<strong>von</strong> Schönbergs Geburtstag verbrachte, teils bei seinem Vater in Klagenfurt. Am<br />

1. Oktober hatte er sich im H auptquartier in Graz zu einer weiteren Untersuchung<br />

seiner Augen einzufinden. Aufs neue disqualifizierte ihn das Ergebnis vom<br />

Frontdienst wegen extremer Kurzsichtigkeit. Er wurde ab sofort wieder der<br />

Reserveeinheit zugeteilt, bei der er seine Dienstzeit in Leoben begonnen hatte. Dort<br />

nahm er an einem fortgeschrittenen Kurs für Offiziersanwärter teil; er bestand aus<br />

Patrouillengängen, Kartenlesen und der Anfertigung <strong>von</strong> G eländeskizzen..alles<br />

Dinge, die nach seinem Geschmack waren.<br />

Die Veränderung in seinem Status gewährte W ebern wiederum Freizeit im<br />

Überfluß. Sie wurde einer seiner geliebtesten Aktivitäten nutzbar gemacht. „Ich<br />

habe hier Gelegenheit öfters Kammermusik zu spielen“, schrieb er Schönberg am<br />

10. November. „Neulich das große B-dur-Trio <strong>von</strong> Beethoven. Wie verstehe ich<br />

diese Musik erst heute so recht. Immer deutlicher enthüllt sich mir dieses erhabenste<br />

Herz, dieses unsäglich hohe Denken.“ Seit <strong>Webern</strong> zuerst nach Leoben gekommen<br />

war, hatte er das Cello in einer Kammennusikgruppe gespielt, die der Bataillonsadjutant<br />

Hauptmann Hermann Hein organisierte. Dr. Hein, im Zivilleben Ministerialrat<br />

im Finanzministerium, war ein enthusiastischer Amateurmusiker, sowohl ein<br />

tüchtiger Geiger wie auch Bratscher. Er sorgte stets dafür, daß seinem Stabe<br />

brauchbare Musiker zugeteilt wurden, damit er die Freude an regelmäßigen<br />

Kammermusiksitzungen nicht entbehren müsse. <strong>Anton</strong> Anderluh, später Gymnasial-<br />

und Hochschulprofessor in Klagenfurt, gehörte ebenfalls zu der Gruppe, die<br />

zwei- oder gar dreimal wöchentlich in Dr. Heins Leobener Haus zusammenkam.<br />

196


Das Repertoire, das gelegentlich auf Quintette oder Sextette ausgedehnt wurde,<br />

reichte <strong>von</strong> Haydn, Mozart und Beethoven zu Schubert, Brahms und Hugo Wolf<br />

(des letzteren Italienische Serenade und das posthume Streichquartett standen auf<br />

der Liste). Anderluh, der im Frühjahr 1916 nach seiner Rückkehr <strong>von</strong> der Front zu<br />

der Gruppe stieß, erwähnte in seinen Memoiren <strong>Webern</strong>s besondere Vorliebe für<br />

Schubert, dessen Quartette in d-Moll und a-Moll gespielt wurden wie auch das<br />

Forellenquintett.4 Unter seinen Erinnerungsstücken befand sich eine Photographie<br />

des Leobener Kammerensembles bei der Probe mit allen seinen Mitgliedern in<br />

Uniform.5 Erst sehr viel später fand Anderluh heraus, daß <strong>Webern</strong> selbst Komponist<br />

war. Über seine eigene Musik wurde nie gesprochen, obgleich Schönberg oft<br />

Konversationsthema war.<br />

Dr. Hein war eine der Persönlichkeiten, die <strong>Webern</strong> zu einer Petition für die<br />

Befreiung Schönbergs vom Militärdienst bewog. Die konzentrierten Bemühungen<br />

so vieler hatten endlich Erfolg: am 20. Oktober wurde Schönberg auf unbestimmte<br />

Zeit beurlaubt. <strong>Webern</strong> war überglücklich. Zur gleichen Zeit aber schwanden auch<br />

seine eigenen Motivationen für einen weiteren Verbleib in der Armee. Ernüchterung<br />

und Frustrierung sprechen aus seinem Brief an Schönberg vom 7. November:<br />

„Ich habe meinen früheren Optimismus ganz verloren. Ich komme oft in so<br />

furchtbare Verstimmungen... Es ist doch so, als ob Christus nicht gewesen wäre.<br />

,Aug um Auge, Zahn um Zahn“, das alte Gesetz des alten Testamentes allein hat<br />

Geltung.“<br />

Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis auch W ebern den Wunsch äußerte, die<br />

Uniform auszuziehen. Da er den Mut nicht aufbringen konnte, Zemlinsky ein<br />

weiteres Mal in Anspruch zu nehmen, bat er Jalowetz, der jetzt auch am Deutschen<br />

Landestheater in Prag war, für ihn zu intervenieren. Während er auf das Ergebnis<br />

wartete, begann ihm sein Soldatendasein erheblich schwerer zu fallen. Ein neuer<br />

Kompanieführer setzte ihm hart zu und teilte ihn für eine ganze Menge<br />

unerquicklicher Arbeiten ein wie das Inspizieren der Uniformen nach Flecken und<br />

fehlenden Knöpfen, die Aufsicht über die Küche und Appelle seines Zuges sogar zur<br />

Nachtzeit. „Für alles, alles wird man verantwortlich gemacht“ , schrieb er Schönberg<br />

am 3. Dezember. „Lang hielte ich das nicht aus. Es wird aber nicht notwendig sein,<br />

denn mit 1. Jänner werde ich - wie ich heute höre, ganz sicher - auf 8 Wochen nach<br />

Graz kommen in einen ökon.-administr.Offiziers-Fortbildungskurs u. <strong>von</strong> dort ins<br />

Etappengebiet, wo ich dann Fähnrich werde.“<br />

W ebern schrieb diesen erwartungsvollen Brief an seinem 33. Geburtstag. Zwei<br />

W ochen später wurde die Versetzung rückgängig gemacht. W ebern war verärgert<br />

über die verlorene Chance einer Beförderung, ahnte jedoch nicht, daß die<br />

Dispositionsänderung mit seiner endgültigen Entlassung in Verbindung stand. Sie<br />

kam ganz plötzlich am 21. Dezember durch, als er wegen seines schlechten<br />

Sehvermögens als für den Militärdienst untauglich erklärt wurde. Zwei Tage später<br />

wurde er entlassen. Das Ereignis wurde als erste Eintragung in einem kleinen<br />

Notizbuch festgehalten, das <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> da an bis 1939 als Tagebuch benützte. In<br />

Leder und Brokat gebunden, war das schmucke Bändchen zweifellos ein Weihnachtsgeschenk<br />

dieses Jahres.<br />

197


Anfang Januar 1917 kehrten <strong>Webern</strong> und seine Familie nach Wien zurück und<br />

fanden eine Wohnung in der Auhofstraße 136. Zusätzlich zu der Wohnung im<br />

Obergeschoß mietete <strong>Webern</strong> einen Raum im Souterrain, der ihm als ruhiges<br />

Arbeitszimmer dienen sollte. Am Neujahrstag hatte er Schönberg geschrieben: „Ja,<br />

ich denke unausgesetzt daran, endlich wieder zu komponieren. Ich habe Ideen für<br />

ein Quartett.“ <strong>Webern</strong>s schöpferische Produktivität während der kommenden<br />

sieben Monate legt beredtes Zeugnis da<strong>von</strong> ab, wie er sein Vorhaben verwirklichte,<br />

nachdem sein Schaffen während der zwei Jahre seines Soldatendaseins so gut wie<br />

völlig stagniert hatte. Das so lange vermißte künstlerische Klima der Hauptstadt und<br />

vor allem die persönlichen Kontakte mit Schönberg und Berg waren die Stimulantien.<br />

Er hatte soeben einen ernstlichen Bruch in seiner Freundschaft mit dem<br />

letzteren heilen können, der vom Herbst 1915 bis zum Herbst 1916 angedauert<br />

hatte. Die genauen Gründe für die Entfremdung lassen sich nicht mehr feststellen,<br />

sie hatten wahrscheinlich ihre Ursache in Bergs Verärgerung über Vorwürfe, die<br />

ihm wegen seiner Laschheit bei der Vertretung der Interessen Schönbergs gemacht<br />

worden waren. (Die Sorge um die persönlichen Probleme ihres Meisters hatte in der<br />

Korrespondenz, die dem Bruch vorausging, einen breiten Raum eingenommen.)<br />

Das läßt sich daraus schließen, daß <strong>Webern</strong> nach einem vergeblichen Versuch,<br />

Weihnachten 1915 eine Versöhnung herbeizuführen, Berg am 13. Oktober 1916<br />

schrieb, daß sich seine eigene „Verstimmung“ natürlich erhöht habe, da sich auch<br />

Schönberg damals sehr über Berg geärgert habe. „Denn was ihn kränkt, das kränkt<br />

auch mich“, stellte <strong>Webern</strong> fest. Doch im Folgenden versicherte er Berg, daß er die<br />

ganze Zeit betrübt gewesen sei über das, was wie das Ende ihrer Freundschaft<br />

aussah. E r bat inständig um ihre Erneuerung. „Denn da ist ja etwas unendlich<br />

Hehres, vor dem wir wetteifern in Hingebung u. Liebe —Arnold Schönberg.“<br />

Anfang März begleitete W ebern Schönberg zu einem Konzert nach Prag.<br />

Gleichzeitig schloß er mit dem Deutschen Landestheater eine Übereinkunft ab für<br />

ein Engagement, das er im August antreten sollte. Zwei M onate später kam er kurz<br />

zurück, um eine Wohnung zu mieten. Nachdem er seinen Wiener Haushalt aufgelöst<br />

hatte, begab er sich am 24. Mai für die letzten zwei Monate vor Antritt seines<br />

Engagements zu seinem Vater nach Klagenfurt. In der Landschaft Kärntens, die ihm<br />

so vertraut war, setzte sich der Strom schöpferischen Tuns fort, und als die Zeit für<br />

seine Abreise nach Prag gekommen war, hatte er vier neue Orchesterlieder<br />

komponiert. Wenn man bedenkt, daß das eingekreiste Österreich unter schwierigsten<br />

Kriegsbedingungen zu existieren hatte, erschien das Leben in Klagenfurt noch<br />

geradezu idyllisch. Nur ein einziges Mal drang ferner Kanonendonner <strong>von</strong> der nahen<br />

italienischen Front an <strong>Webern</strong>s Ohr. Eine Zeitlang versuchte er Schönberg zu<br />

überreden, zu einem Ferienaufenthalt zu kommen, indem er ihm eine verlockende<br />

Beschreibung einer Pension gab, die nur fünf Minuten vom Haus seines Vaters<br />

entfernt war. Doch wieder einmal war Schönberg so tief in persönliche Schwierigkeiten<br />

verwickelt, daß es sich für ihn als notwendig erwies, in Wien zu bleiben.<br />

<strong>Webern</strong> und seine Familie verließen Klagenfurt am 30. Juli. Nach einer Woche in<br />

Mürzzuschlag reisten sie weiter nach Wien, wo er, seine Frau und ihr kleiner Sohn<br />

Logiergäste der Schönbergs waren, die damals in der Gloriettegasse 43 wohnten.<br />

198


Während dieses einwöchigen Besuchs sprach Schönberg viel über Die Jakobsleiter<br />

(das Oratorium, das er um diese Zeit in Arbeit hatte) und über seine Pläne für die<br />

Zukunft. Sie begeisterten W ebern so sehr, daß er Berg am 18. August <strong>von</strong> seiner<br />

Sehnsucht schrieb, „am Land ein schönes Haus, neben Schönberg“ und <strong>von</strong> seinem<br />

Verlangen, in „unmittelbarer Berührung mit der Natur“ arbeiten zu können. Dann<br />

erwähnte er Schönbergs Idee, eine „Kolonie“ zu gründen, bei der auch Berg<br />

„m itthim “ sollte. <strong>Webern</strong> konnte kaum ahnen, daß sich diese Hoffnungen noch<br />

binnen eines Jahres wenigstens teilweise erfüllen sollten.<br />

<strong>Webern</strong> traf am 12. August in Prag ein und etablierte sich im 3. Stock des Hauses<br />

Arn Riegerpark 20.6 Gerüchten zum Trotz, daß die Kohlenknappheit das Theater<br />

noch im Verlauf des Winters dazu zwingen könnte, zu schließen, liefen die Proben<br />

für die Spielzeit an. <strong>Webern</strong> hatte den Chor und die Solisten für Lohengrin und<br />

Mehuls Joseph vorzubereiten. Während des Hei'bstes kamen Don Giovanni und<br />

Parsifal dazu. Zunächst gab es so gut wie keine Aussichten auf ein Dirigat (dem<br />

Ensemble dieser Spielzeit gehörten nicht weniger als acht Dirigenten an), aber<br />

Zemlinsky versprach ihm die erste Gelegenheit, die sich böte. In einem Brief an<br />

Schönberg vom 7. Dezember beschrieb <strong>Webern</strong> sein Tagespensum: „In der Früh<br />

meist eine Stunde (auch 2) Chorprobe, dann Proben mit den Solisten. Darin teile ich<br />

mich mit dem Korrepetitor. Dann spiele ich Bühnenproben. Endlich habe ich noch<br />

den Bühnendienst über. Alles nur für die Oper. Mit der Operette habe ich nichts zu<br />

tun . . . Meine gegenwärtige untergeordnete Stellung ist nur wirklich schwer zu<br />

ertragen. Ich spüre es immer mehr.“<br />

Diese Routine setzte sich durch den ganzen Herbst hindurch fort. Endlich,<br />

erstmals am 16. Januar 1918, bekam W ebern die Gelegenheit, vier Vorstellungen<br />

<strong>von</strong> Lortzings Zar und Zim m erm annzu dirigieren. Stella Eisner, eine junge, schöne<br />

Sängerin aus Wien, die gerade ihre ersten Triumphe feierte, wirkte bei diesen<br />

Aufführungen mit.7 Anfang Dezember hatte W ebern sie in einem Liederabend<br />

begleitet, der auch mehrere Schönberg-Lieder enthielt. Er glaubte an ihre<br />

künstlerische Zukunft, und ihre musikalische Verbundenheit setzte sich auch noch<br />

fort, als sie beide nach Wien zurückgekehrt waren.<br />

Im Verlauf des Winters 1917/18 trat der lange Krieg in ein kritisches Stadium ein.<br />

Nachdem die Vereinigten Staaten <strong>von</strong> Am erika im April 1917 sich den Alliierten<br />

angeschlossen hatten, schwanden die deutschen Siegesaussichten. D er bittere<br />

Konflikt begann die Zivilbevölkerung seinen Würgegriff im selben Ausmaß spüren<br />

zu lassen wie die an den Fronten kämpfenden Armeen. Verknappung <strong>von</strong><br />

Brennstoff paralysierte das kommunale Leben. Schon Anfang Herbst 1917 hatte<br />

<strong>Webern</strong> Schönberg berichtet, daß fünf der größeren Städte Böhmens ohne Licht<br />

waren. Am 7. Dezem ber beschrieb er seine eigene mißliche Lage: „Wegen der<br />

Kohlen bin ich in großer Sorge. Ich bekam sehr schlechte Kohle u. die Wohnung<br />

heizt sich elendiglich. Wir stellten, um einen Raum zu ersparen, die ganze Wohnung<br />

um. Fenster u. Türen schließen so schlecht. Ich bin ängstlich, keine Kohle mehr<br />

nachzubekommen. Der V orrat schwindet schnell. Was soll ich machen, wenn er zu<br />

Ende ist? Ich weiß nicht, wie das werden soll. Im Theater friert man auch. D ort wird<br />

nur abends geheizt. Ich probiere im Mantel in eisigen Proberäumen.“ Lebensmittel<br />

199


wurden ebenfalls strengstens rationiert. <strong>Webern</strong> sprach <strong>von</strong> einem „verhungerten<br />

Chor“, mit dem er zu arbeiten habe. Er und seine Familie mußten mit drei Pfund<br />

Fleisch in der Woche auskommen, sie ernährten sich hauptsächlich <strong>von</strong> Brot und<br />

Stärkeprodukten, gelegentlich aufgebessert durch Lebensmittelpakete aus Klagenfurt.<br />

Trotz aller Härten des täglichen Lebens gingen kulturelle Aktivitäten weiter, da<br />

sie für die Aufrechterhaltung der zivilen Moral als unentbehrlich angesehen wurden.<br />

Im 4. Philharmonischen Konzert der Saison am 28. Februar 1918 hatte Zemlinsky<br />

Schönbergs Pelleas und Melisande als Hauptwerk des Programms angesetzt. Am<br />

vorhergegangenen Sonntag vormittag, am 24. Februar, gab Felix Adler einen<br />

Einführungsvortrag im Holzner Lyceum für Mädchen unter Mitwirkung <strong>von</strong><br />

Jalowetz und <strong>Webern</strong>, die Auszüge aus dem Werk auf dem Klavier vierhändig<br />

spielten.<br />

Als <strong>Webern</strong> Schönberg das letzte Mal in Wien sah, war der Freund in großer<br />

finanzieller Bedrängnis. Seine Mittel waren am Ende, und ihm drohte nicht nur die<br />

Zwangsräumung seiner Wohnung sondern auch eine baldige Rückbeorderung zum<br />

Militär. In zunehmender Verzweiflung hatte er <strong>Webern</strong> Anfang September in Prag<br />

antelefoniert. Mit einem leidenschaftlichen Gelübde zu helfen, wo er nur konnte,<br />

ergriff <strong>Webern</strong> wieder einmal die Initiative, um Unterstützung zu organisieren: er<br />

regte bei Alma Mahler an, die mit dem Architekten Walter Gropius wiederverheiratet<br />

war, eine laufende Zahlung an Schönberg auszusetzen und bat sie um ihre<br />

Intervention für eine beträchtliche Vorauszahlung für eine geplante Aufführung der<br />

Gurrelieder. Er forderte Berg auf, ihn bei seinen Bemühungen zu unterstützen. Er<br />

selbst stellte Schönberg sofort 1000 Kronen zur Verfügung, zu denen Jalowetz 2000<br />

Kronen beizusteuern sich bereit erklärte. Auch Stein wurde gebeten, sich zu<br />

monatlichen Zahlungen zu verpflichten, und Königer, bei einem reichen Onkel<br />

vorstellig zu werden.<br />

Es war eine Frage der Zeit, ob diese energischen Bemühungen Früchte tragen<br />

würden; Schönbergs Krise schien aber im Augenblick so ausweglos geworden zu<br />

sein, daß W ebern ernstlich erwog, sein und seiner Frau Vermögen (insgesamt 40 000<br />

Kronen in Kriegsanleihen) in einen Bauernhof zu investieren..und das so bald wie<br />

möglich. „Dann würde ich arbeiten und wirtschaften, daß Du und ich die<br />

Lebensmittel da<strong>von</strong> hätten. Vielleicht gienge es sogar daß Du dort leben könntest“,<br />

schrieb er Schönberg am 22. September und fügte drei Tage später hinzu: „Ich bin<br />

fest entschlossen mir einen Besitz zu kaufen. Ehestens. Ich habe meinem Vater<br />

schon geschrieben . . .Daich dasGlückhatteetwasGeldzubekommen,sollichesden<br />

Wucherern opfern? Wenn ich mir einen Besitz kaufe, kann ich es meinen Kindern<br />

retten.“ <strong>Webern</strong>s Überlegungen sollten sich als nur zu richtig erweisen, denn eine<br />

verheerende Inflation löschte wenig später seine finanziellen Rücklagen aus.<br />

Mitten in dieser Situation wurde Schönberg zum Militär zurückbeordert. Er hatte<br />

soeben einen Prospekt herausgegeben, der zur Einschreibung in ein Seminar einlud,<br />

das am 27. September in der Schwarzwaldschule beginnen sollte. Eine Vielfalt <strong>von</strong><br />

Themen wurde angekündigt, für Berufsmusiker wie auch für Laien. Doch bevor die<br />

erste Veranstaltung stattfinden konnte, war Schönberg schon wieder in Uniform,<br />

200


allen frenetischen Bemühungen seiner Freunde zum Trotz, die erneute Einberufung<br />

zu verhindern. Es stellte sich jedoch heraus, daß diese Dienstverpflichtung nur <strong>von</strong><br />

zwei M onaten D auer war. Für diese Zeit wurde er zum Ausstellungsorchester<br />

abkommandiert, das aufgestellt worden war, um Konzerte für Soldaten zu geben. In<br />

seinen Reihen befanden sich viele der vorzüglichsten Musiker Wiens. Anfang<br />

Dezember wurde Schönberg für immer entlassen. Er entschloß sich, nach Mödling<br />

zu ziehen, einer historischen Stadtgemeinde außerhalb Wiens, wo er in einer großen<br />

Villa in der Bernhardgasse 6 eine Wohnung fand. Diese Nachricht erfüllte <strong>Webern</strong><br />

mit unmittelbarer Sehnsucht. „Als wir das lasen, daß Du nach Mödling ziehst, da<br />

hatten wir nur den Gedanken: dort müssen wir auch hin. Möglichst bald. Seither<br />

machen wir Pläne darüber“, schrieb er am 7. Dezember.<br />

Schönberg, der <strong>Webern</strong>s Unruhe ahnte, drang in ihn, auf seinem Posten in Prag<br />

auszuharren, was <strong>Webern</strong> auch versprach. Doch steigerten Berichte <strong>von</strong> Rekordanmeldungen<br />

zu Schönbergs Seminaren, die jetzt in der Schwarzwaldschule anliefen,<br />

seine Ungeduld, an der Seite des Meisters zu sein. Blind gegenüber der relativen<br />

Sicherheit seiner Theaterposition, redete er sich und seinem Vater ein, er werde in<br />

Prag nur „ausgebeutet“ . Vater <strong>Webern</strong>, aufs höchste alarmiert über das, was er als<br />

Symptom einer drohenden Veränderung erkannte, warnte ihn davor, einen<br />

unbedachten Schritt zu tun. „Das Theater bietet Dir doch die einzige Möglichkeit<br />

eines Verdienstes!!“, schrieb er am 18. März 1918 <strong>von</strong> Klagenfurt mit kaum<br />

verhohlener Sorge. „Wo<strong>von</strong> könntest Du denn sonst mit Deiner Familie leben?<br />

Schönberg kann Dir ja auch nur hinsichtlich Deiner künftigen Bestrebungen<br />

Ratschläge geben, aber nicht in welcher A rt Du Dir ein gesichertes Einkommen<br />

verschaffen kannst, denn er hat ja leider selber keines und muß <strong>von</strong> der Gnade<br />

anderer leben. Gott behüte Dich davor!“<br />

Die Ermahnungen des Vaters fruchteten nichts. Eine Eintragung in <strong>Webern</strong>s<br />

Tagebuch am 14. April 1918 hält fest: „Entschluß gefaßt, <strong>von</strong> Prag fort zugehn.<br />

Wohnung in Mödling telegrafisch gem ietet.“ Die Entscheidung kam als Ergebnis<br />

einer Reise nach Wien kurz vorher. W ebern war dorthin gefahren wegen einiger<br />

Konzerte, die Schönberg organisiert hatte, und fand zweifellos die Wohnung in<br />

Mödling bei dieser Gelegenheit. Er zögerte noch, einen so folgenschweren Schritt zu<br />

tun und ließ mehr als zwei Wochen verstreichen, bis er am 2. Mai in sein Tagebuch<br />

schrieb: „W ohnung in Prag gekündigt.“ Die nächste Eintragung besagt: „Anfang<br />

Juni 1918 in Mödling eingezogen - Neusiedlerstraße 58.“ Die neue Wohnung, fünf<br />

Gehminuten <strong>von</strong> Schönbergs Heim entfernt, umfaßte den ganzen ersten Stock eines<br />

ansehnlichen Hauses mit weitläufigem Garten. Sie sollte das Heim der Familie mehr<br />

als 13 Jahre lang bleiben.<br />

201


14. Verein für musikalische Privataufführungen<br />

(1918-1922)<br />

Die ersten Wochen in Mödling ließen sich vielversprechend an, fast wie ein gutes<br />

Omen für die Erfüllung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s uralten Hoffnungen, die ideale Umgebung zu<br />

finden für sein kreatives Schaffen. Als ihm Berg schrieb, er habe die Arbeit am<br />

W ozzeck wiederaufgenommen, antwortete <strong>Webern</strong> am 8. August 1918, daß auch er<br />

komponiere: „Zunächst nicht sehr glücklich. Aber ich spüre, daß es bald anders<br />

werden wird.“ Nichts schien seine Glückseligkeit im Verlauf dieser Sommermonate<br />

zu trüben. „Ich bin täglich bei Schönberg. Um 5h nachmittag komme ich zu ihm. Da<br />

gehen wir spazieren oder spielen vierhändig. Nach dem Nachtmahl sind wir immer<br />

auch zusammen. Wir spielen jetzt Karten (Whist oder Tarock).“<br />

Auch Schönberg war guten Mutes. Seine finanzielle Lage hatte sich grundlegend<br />

gebessert. Im Frühjahr war ihm der Mahler-Gedächtnis-Preis (2500 Kronen)<br />

zuerkannt worden, und am Saisonende, bei der Hauptprobe zu einer Aufführung<br />

seiner Kammersymphonie, übergab ihm eine Dame einen Umschlag, der 10 000<br />

Kronen enthielt mit einem Billett <strong>von</strong> einem anonymen Spender mit dem Wortlaut:<br />

„Dem großen Künstler, ein Verehrer, ein Jude.“ Seine Situation war also momentan<br />

gesichert. Andererseits waren <strong>Webern</strong>s finanzielle Aussichten alles andere als<br />

Zuversicht einflößend. Schönberg konnte ihm lediglich eine Beteiligung als<br />

Assistent bei seinen Seminaren in der Schwarzwaldschule und beim Verein für<br />

musikalische Privataufführungen anbieten, dessen Gründung gerade bevorstand.<br />

Letzterer garantierte ihm ein Monatseinkommen <strong>von</strong> 100 Kronen. Zusätzliche<br />

Honorare für Arbeiten wie Instrumentieren <strong>von</strong> Operetten könnten nach Schönbergs<br />

Meinung <strong>Webern</strong>s Monatsverdienst auf 300-500 Kronen erhöhen.1 Derart<br />

dürftige Aussichten waren für <strong>Webern</strong> sehr beängstigend. Seine großen Ausgaben,<br />

verursacht durch seine häufigen Umzüge während der vergangenen Jahre, hatten<br />

sein Vermögen erheblich reduziert. Jetzt gaben ihm die ständig steigenden Kosten<br />

der Lebenshaltung zusammen mit der hohen Jahresmiete <strong>von</strong> 2000 Kronen für seine<br />

Wohnung in Mödling Anlaß zu echter Sorge. Immer stärker drängte sich <strong>Webern</strong> die<br />

Überlegung auf, ob er seine Prager Position nicht doch allzu leichtfertig aufgegeben<br />

habe, wie sein Vater ihn gewarnt hatte, und er begann jetzt Erwägungen darüber<br />

anzustellen, wie er diese Entscheidung wieder rückgängig machen könnte.<br />

Zunächst verbarg W ebern seine mißliche Lage vor Schönberg. Um die Septembermitte<br />

schrieb er ihm dann doch <strong>von</strong> Mürzzuschlag, wo er zu einem kurzen<br />

Ferienaufenthalt war und zweifellos auch den Rat seines Vaters einholte, was er<br />

da<strong>von</strong> hielte, wenn er es nochmals mit der Laufbahn eines Opernkapellmeisters<br />

versuchte (er hatte tatsächlich schon Jalowetz gebeten, zu seinen Gunsten in Prag zu<br />

intervenieren). Schönberg, der bereits zahllose Stunden damit verbracht hatte,<br />

Pläne für gemeinsame Aktivitäten im Herbst auszuarbeiten, war in höchstem Grade<br />

202


irritiert. E r teilte <strong>Webern</strong> recht kurz angebunden mit, daß er seine Entscheidungen<br />

nicht länger in irgend einer Weise beeinflussen wolle, nachdem er immer wieder<br />

Tage und Wochen „vertan“ habe mit Erörterungen über das Für und Wider bei der<br />

Berufslaufbahn seines Schülers. Diese schroffe Antwort hatte <strong>Webern</strong> so verletzt,<br />

daß er die Beziehungen zu Schönberg praktisch abbrach. In einer kurzen Nachricht<br />

setzte er ihn <strong>von</strong> seiner Entschlossenheit in Kenntnis, daß er ihm beweisen werde,<br />

daß seine Führung nicht „vergeudet“ war.2 Obgleich aus einem neuerlichen<br />

Engagement in Prag nichts wurde, entschloß er sich, Mödling aufzugeben und<br />

wieder nach Wien zu ziehen. Er kam mit seiner Familie bei seiner Schwiegermutter<br />

in der Schönbrunnerstraße 23 unter, während er sich nach einer Wohnung umsah.<br />

Berg, der den ganzen Zwischenfall aus nächster Nähe miterlebte, beschrieb seinen<br />

Verlauf in jeder Einzelheit in mehreren Briefen an seine Frau (sie verbrachte den<br />

Sommer auf dem Lande, während er eine Bürotätigkeit im Kriegsministerium<br />

ausüben mußte, nachdem er für den Militärdienst für untauglich befunden worden<br />

war). Als das kleine Drama seinen Höhepunkt erreichte, meinte er am 16.<br />

September zu Helene: „Also das Unglaublichste ist geschehen! Etwas, das ich nicht<br />

für so möglich gehalten hätte als etwa, daß Lord [Lloyd] George nach Berlin<br />

gefahren wäre, um Kaiser Wilhelm abzuküssen: W ebern hat dem Schönberg die<br />

Freundschaft gekündigt - ganz einfach, mit ein paar Worten gekündigt.“ Die Krise<br />

dauerte gut einen Monat. Am 23. September traf sich <strong>Webern</strong> mit Berg, der seiner<br />

Frau am folgenden Tag berichtete: „All das zu beschreiben, was wir redeten, ja<br />

selbst nur den Hauptinhalt wiederzugeben, ist sehr schwer. Tatsache ist, daß ich jetzt<br />

die Sache in einem ändern Licht sehe, ihn [<strong>Webern</strong>] im großen und ganzen für<br />

unschuldig halte. Selbst sein Brief [an Schönberg], der mir bis jetzt brüsk erschien,<br />

erscheint mir jetzt, w/o er mir darlegte, wie ihn der Brief Schönbergs schwer getroffen<br />

habe - ,wie ein Fußtritt“- und daß der seine ja nichts anderes heiße, als daß er selbst<br />

in die freigewählte Verbannung gehe, weit verständlicher. Die Gründe seines<br />

neuerlichen Entschlusses, wieder zürn Theater zu gehn, waren mir ja immer klar. Es<br />

sind rein materielle, und zwar solche dringendster Notwendigkeit, will er nicht<br />

riskieren, in einem Jahr vielleicht vor dem tatsächlichen Nichts zu stehen,“<br />

D er Bruch wurde noch verschlimmert durch das Verhalten der Frauen <strong>Webern</strong>s<br />

und Schönbergs, die, anstatt sich urn eine Aussöhnung zu bemühen, streitbar die<br />

Partei ihrer M änner ergriffen. Berg berichtete seiner Frau <strong>von</strong> einer kleinlichen<br />

Auseinandersetzung über Lebensrnittel, die Wilhelmine in Erfüllung einer früheren<br />

B itte Schönbergs <strong>von</strong> Mürzzuschlag geschickt hatte und die <strong>von</strong> Mathilde ohne<br />

Kommentar zurückgegeben wurden. „D er zweite ,Fußtritt“, wie <strong>Webern</strong> meint“ ,<br />

schrieb Berg. „Das Komische an der Sache ist, daß W ebern natürlich in Wien keine<br />

Wohnung auftreiben kann und heute wieder nach Mödling zieht. Und nicht weiß,<br />

wie er es anstellen soll, niemand <strong>von</strong> Schönberg, der ja in nächster Nähe wohnt, zu<br />

treffen. Denn das kann er sich überhaupt nicht vorstellen, jetzt und in absehbarer<br />

Zeit wieder mit ihm zusammenzukommen. E r kam bei dem Gedanken und auch<br />

sonst, bei Verteidigung seines Standpunktes, ganz in Rage. Überhaupt erschien er<br />

mir stellenweise - auch im Exterieur - viel männlicher, selbstbewußter, unnachgiebiger,<br />

härter. In Mödling will er aber nicht bleiben, sondern versucht weiterhin ein<br />

203


Engagement zu erhalten. Sollte das aber nicht gehen, so ein kleines Häuser! ganz am<br />

Land, in Steiermark, wo ihn das Leben fast nichts kostet.“<br />

<strong>Webern</strong> war es durchaus ernst damit. Eine undatierte Eintragung in seinem<br />

Notizbuch unmittelbar nach einem ausführlichen Szenarium einer Don Giovanni-<br />

Auffiihrung in der vergangenen Spielzeit in Prag zählt eine Reihe <strong>von</strong> Hausratgegenständen<br />

auf, die „nach Ettendorf“, einem kleinen Dorf südwestlich <strong>von</strong> Graz,<br />

nicht weit vom Preglhof, geschickt werden sollten. <strong>Webern</strong>s Vater scheint diesen<br />

Plan gebilligt zu haben, denn unter den aufgezählten Möbelstücken befanden sich<br />

auch ein Sofa und zwei Betten mit Nachttischen, die als aus seinem Besitz stammend<br />

ausgewiesen waren. Bevor es jedoch mit dem Umzug so weit war, konnten die<br />

Differenzen zwischen <strong>Webern</strong> und Schönberg ausgeräumt werden. Gegen Ende<br />

Oktober wurden Botschaften ausgetauscht, höchstwahrscheinlich auf Schönbergs<br />

Initiative hin, der sich bei seinen ehrgeizigen Plänen für den Verein für musikalische<br />

Privataufführungen auf <strong>Webern</strong> als auf einen seiner Hauptmitarbeiter verlassen<br />

hatte. Auch <strong>Webern</strong> zeigte sich sofort zum Einlenken bereit, und das Ende des<br />

Streits kündigte sich an, als Schönberg <strong>Webern</strong> am 1. November schrieb: „Liebster<br />

Freund, Dein Brief zeigt mir, daß Du auf dem Weg bist, den richtigen Sachverhalt zu<br />

erkennen und, was mir wichtiger ist, daß Du das Zutrauen zu meiner Freundschaft<br />

wieder gefunden hast, daß Du also wieder weißt, daß Du über alle Verletztheit<br />

hinweg Dich blind auf diese Freundschaft jederzeit hättest verlassen dürfen. Ich<br />

habe ja nicht viele Freunde, aber denen bin ich ganz Freund. Wenn ich Dir nun<br />

trotzdem sage, daß es noch einer klaren Auseinandersetzung zwischen uns bedarf,<br />

um einiges, <strong>von</strong> dem Du meines Erachtens noch nicht die richtige Auffassung hast,<br />

ebenfalls ins Reine zu bringen, so hast Du nunmehr eben gewiß wieder das Zutrauen<br />

zu mir, zu wissen, daß ich Dich nicht etwa benützen will, sondern daß ich bezwecke,<br />

den Tisch der Freundschaft gründlich zu reinigen, ehe wir uns wieder daran setzen.<br />

Ich bitte Dich also, komme so bald es Dir möglich ist zu mir. Wenn Du willst, schon<br />

h e u te..ich bin aber auch die nächsten Tage ununterbrochen in Mödling. Also auf<br />

Wiedersehen und herzlichste Grüße. Dein Arnold Schönberg.“ 3<br />

D er Wiederversöhnung folgte unmittelbar der Beginn einer bedeutsamen<br />

Unternehmung: Am 23. November 1918 wurde der Verein für musikalische<br />

Privataufführungen offiziell gegründet. Seine Geburtsstunde fiel, zusammen mit<br />

dem Ende des Krieges und dem Zusammenbruch des alten Regimes. Am 4.<br />

November, nach dem italienischen Sieg bei Vittorio Veneto, streckte Österreich die<br />

Waffen und am 11. November kapitulierte auch Deutschland und Unterzeichnete<br />

einen Waffenstillstand. Die Vorräte waren erschöpft, und der moralische Zusammenbruch<br />

machte die Länder reif für die Revolution (die Monarchien wurden<br />

gestürzt und Republiken errichtet). Wenn auch das Ende der Feindseligkeiten<br />

überall Erleichterung brachte, sollten die Folgen des vierjährigen Kampfes den<br />

besiegten Nationen noch schwere Prüfungen auf erlegen.<br />

Für Schönberg und seinen Kreis war das Kriegsende das Signal zur sofortigen<br />

Wiederaufnahme der künstlerischen Aktivität. Wien, Weltzentrum der Musik, hatte<br />

sich <strong>von</strong> jeher progressiven Tendenzen gegenüber ablehnend verhalten. Schönbergs<br />

Verein proklamierte als sein Hauptziel die systematische Pflege zeitgenössischer<br />

204


Musik, ganz besonders derjenigen Werke, die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

geschrieben worden waren. Ein am 16. Februar 1919 veröffentlichtes Manifest<br />

umriß die musikalischen Ziele des Vereins und forderte optimale Bedingungen für<br />

ihre Realisation. Es wurde ausdrücklich verlangt, daß Aufführungen „klar und gut<br />

studiert“ sein sollten, daß „oftmalige W iederholungen“ der W erke stattzufinden<br />

hätten; weiter hieß es: „D ie Aufführungen müssen dem korrumpierenden Einfluß<br />

der Öffentlichkeit entzogen werden, das heißt, sie dürfen nicht auf W ettbewerb<br />

gerichtet und müssen unabhängig sein <strong>von</strong> Beifall und Mißfallen.“<br />

Die D auer eines Programms sollte 90 M inuten nicht übersteigen. Viele Konzerte<br />

sollten <strong>von</strong> Einführungsvorträgen begleitet werden. Die Vorschrift, daß weder<br />

Billigung noch Mißbilligung zum Ausdruck gebracht werden dürfe, sollte es dem<br />

Zuhörer ermöglichen, sich eine unbeeinflußte Meinung über jedes Werk zu bilden.<br />

Gleicherweise waren kritische Berichte in der Presse verpönt, um die Spontaneität<br />

der individuellen Reaktion zu sichern. Die Zuhörerschaft sollte sich auf die<br />

eingeschriebenen Mitglieder des Vereins beschränken; sie waren dazu angehalten,<br />

ihre Mitgliedskarten bei sich zu führen, und strenge Vorschriften galten für die<br />

Einführung <strong>von</strong> Gästen. Beiträge, nach vier Kategorien gestaffelt, reichten <strong>von</strong><br />

einem Mindestbetrag zu einer Summe, deren Höhe Mitglieder selbst festsetzen<br />

konnten. Den Beiträgen entsprach die Sitzordnung im Saal. Nachdem die ersten<br />

Veranstaltungen des Vereins in der Schwarzwaldschule und im Kaufmännischen<br />

Verein abgehalten worden waren, ermöglichte es der große Zuspruch der Gruppe<br />

sehr bald, in die kleinen Säle des Musikvereins und des Konzerthauses umzuziehen.<br />

Jedes Mitglied mußte die Konzertreihe einer vollen Saison abonnieren und den<br />

wöchentlichen Zusammenkünften beiwohnen. Es wurden keine Vorankündigungen<br />

der einzelnen Konzertprogramme veröffentlicht, damit Mitglieder nicht das eine<br />

oder andere Programm vorziehen könnten.<br />

Schönbergs Autorität in der Leitung seines Vereins war absolut. Die Satzungen<br />

der Organisation sahen vor, daß die Amtszeit des Präsidenten, Schönberg, <strong>von</strong><br />

unbegrenzter Dauer sein solle.4 Ein Verwaltungsrat <strong>von</strong> 10 bis 20 Mitgliedern wurde<br />

<strong>von</strong> der Generalversammlung gewählt, bedurfte jedoch der Bestätigung Schönbergs.<br />

Alle künstlerischen und finanziellen Angelegenheiten waren seiner unm ittelbaren<br />

Kontrolle unterstellt. Schüler und Freunde, die sein Vertrauen besaßen,<br />

bildeten die Exekutive: Paul A. Pisk, <strong>Josef</strong> Rufer und Rudolf Wenzel lösten sich als<br />

Sekretäre ab, Ernst Bachrieh und <strong>Josef</strong> Travnicek als Protokollführer, und Dr.<br />

Arthur Prager versah das Amt des Schatzmeisters. <strong>Josef</strong> Polnauer bekleidete den<br />

Posten des Archivars und befehligte einen Trupp <strong>von</strong> Helfern, der die Eintrittskarten<br />

kontrollierte und für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Saale verantwortlich<br />

war.<br />

Während Schönberg selbst die Einstudierung weitgehend übernahm, verließ er<br />

sich auf die Assistenz m ehrerer musikalischer „Vortragsm eister“ , was die gründliche<br />

und werkgetreue Vorbereitung einer jeden Komposition betraf. W ebern, Berg<br />

und Eduard Steuermann waren diese <strong>von</strong> Schönberg ernannten Gehilfen <strong>von</strong><br />

Anfang an; später kamen Erwin Stein und Benno Sachs hinzu. Gemeinsam mit<br />

ihnen unterzog sich Schönberg der mühseligen Arbeit, Arrangements entweder für<br />

205


Klavier oder für kleines Kammerensemble <strong>von</strong> solchen Werken anzufertigen, deren<br />

Aufwand die Kräfte des Vereins überstieg. Auf der Sitzung des Direktoriums, die<br />

vor jedem Konzert abgehalten wurde, übernahm Schönberg die letzte Verantwortung<br />

für jede vorgesehene Aufführung. Den Vortragsmeistern stand ein Stab <strong>von</strong><br />

Vorbereitern zur Seite, die das Korrepetieren im Anfangsstadium übernahmen. Zu<br />

diesen Assistenten gehörten Ernst Bachrich, Fritz Deutsch, Olga Novakovic, Paul<br />

A. Pisk, Karl Rankl und <strong>Josef</strong> Travnicek. Wiener Komponisten, deren Werke zur<br />

Aufführung vorgesehen waren, beteiligten sich ebenfalls an den Proben. Unter<br />

ihnen fanden sich Namen wie Julius Bittner, <strong>Josef</strong> Matthias Hauer, Egon Kornauth,<br />

Carl Prohaska, Karl Weigl und Egon Wellesz.<br />

Viele tüchtige junge Interpreten stellten sich der guten Sache zur Verfügung wie<br />

die Pianisten Rudolf Serkin und Eduard Steuermann, die Geiger Gottfried Feist und<br />

Rudolf Kolisch, die Sängerinnen Stella Eisner, Marie Gutheil-Schoder und Felicie<br />

Mihacsek, der Sänger Arthur Fleischer, die Schauspielerin Erika Wagner und der<br />

Schauspieler Wilhelm Klitsch. Alle waren Professionelle mit Ausnahme des Arztes<br />

Dr. Oskar Adler, eines Jugendfreundes <strong>von</strong> Schönberg, der sich allgemeiner<br />

Achtung als ausgezeichneter Amateurgeiger erfreute. Diese Namen und noch viele<br />

andere finden sich in den beiden Notizbüchern, die <strong>Webern</strong> über die Aktivitäten des<br />

Vereins führte.5 Diese Aufzeichnungen enthalten auch in Kurzform die aufgeführten<br />

und die geplanten Programme, die Namen der Korrepetitoren, Arrangeure und<br />

Interpreten. Eine bemerkenswerte Eintragung (auf Seite 38 <strong>von</strong> Notizbuch I) legte<br />

Verfahrensfragen fest, die die Wiedergabe und Wiederholung <strong>von</strong> Werken betrafen.<br />

Diese Ausführungen sind <strong>von</strong> Schönberg und W ebern zusammen unterzeichnet.<br />

Aus heutiger Sicht erregt die ungeheure Menge an Arbeit, die in Schönbergs<br />

Verein investiert wurde, größte Bewunderung. In der Eröffnungssaison 1918/19<br />

wurden nicht weniger als 26 Konzerte veranstaltet. Sie enthielten alles in allem 45<br />

Kompositionen, <strong>von</strong> denen die Mehrzahl in Befolgung der Politik der Wiederholung<br />

mehr als einmal zu hören war. Beispielhaft für das hohe Q u a litä t" ” "1'--'” /(as der<br />

Verein mit geradezu fanatischem Eifer anstrebte, war das allererst<br />

n dein<br />

Mahlers Siebte Symphonie in einem Arrangem ent für Klavier zi<br />

;n das<br />

Hauptwerk war. Die Spieler, Bachrich und Steuermann, wurden <strong>von</strong> Schönberg in<br />

12 Proben <strong>von</strong> jeweils etwa vier Stunden einstudiert, und für jede Wiederholungsaufführung<br />

wurden zwei zusätzliche Proben für notwendig erachtet. (In diesem<br />

historischen ersten Konzert spielte Steuermann noch die 4. und 7, Sonate <strong>von</strong><br />

Skrjabin.)<br />

Wenn man sich die kompromißlos moderne Sprache <strong>von</strong> Schönbergs eigener<br />

Musik vergegenwärtigt, dann war die Programmpolitik des Vereins erstaunlich<br />

liberal. Einige aufschlußreiche Statistiken enthält Nr. 12 der in kurzen Abständen<br />

herausgegebenen „Mitteilungen“ des Vereins. Dieses Heft zählt 100 Kompositio ­<br />

nen auf, deren Aufführungen entweder bereits stattgefunden hatten oder für die<br />

Zukunft vorgesehen waren. Ihre Komponisten repräsentierten weit gefächerte<br />

Tendenzen, vom Konventionellen bis zum Progressiven: Bittner, Casella, Charpentier,<br />

Delius, Dukas, Finke, Fuchs, Häba, Janäcek, Jemnitz, Kornauth, Korngold,<br />

Labor, Lajtha, Malipiero, Marx, Milhaud, Mraczek, Mussorgski, Noväk, Ostrcil,<br />

206


VEB1IM Fft» MUSIKALISCH® PB IV A TA U FFtßEtX « EX<br />

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lÄHLEM.: #'s2ss/ SAtr&rtr »8&«j n-&-m MssstesNss Wmm


Petyrek, Pfitzner, Pijper, Pisk, Prohaska, Reti, Satie, Schmidt, Schreker, Scott,<br />

Sekles, Toch, Weigl, Weingartner und Wellesz.<br />

Weitere Statistiken erscheinen in „Mitteilungen Nr. 24“ vom April 1921. Diese<br />

Liste gibt Aufschluß darüber, daß <strong>von</strong> den insgesamt 226 bis dahin aufgeführten<br />

Kompositionen, 34 <strong>von</strong> (dem damals fast unbekannten) Reger waren, 26 <strong>von</strong><br />

Debussy, je 12 <strong>von</strong> Bartök und Ravel, 11 <strong>von</strong> Skrjabin, 10 <strong>von</strong> Mahler (zumeist in<br />

Transkriptionen), 9 <strong>von</strong> Strawinsky, je 7 <strong>von</strong> Busoni und Richard Strauss, je 6 <strong>von</strong><br />

Hauer und Szymanowski und je 5 <strong>von</strong> Suk und Zemlinsky. Aufführungen <strong>von</strong><br />

Schönberg und seiner Schule waren verhältnismäßig selten; und in der Tat,<br />

Schönberg ließ keine Wiedergabe eigener Werke zu bis gegen das Ende der zweiten<br />

Saison. Schließlich verzeichneten die Annalen 15 Titel <strong>von</strong> Schönberg, 5 <strong>von</strong> Berg<br />

und 9 <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>.<br />

Man muß dem Umstand Rechnung tragen, daß durchaus nicht alle zur<br />

Aufführung vorgesehenen Werke auch tatsächlich gespielt wurden, denn die<br />

Mitteilungen nannten bereits aufgeführte Werke gleichzeitig mit solchen, die sich<br />

noch in Vorbereitung befanden.6 Ein Beispiel hierfür ist die Aufzählung der neun<br />

oben erwähnten Werke <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, nämlich die Passacaglia op. 1 (in einer<br />

Transkription für 2 Klaviere 6-händig), Entflieht auf leichten Kähnen op. 2, Fünf<br />

Lieder op. 3, Fünf Sätze für Streichquartett op. 5 (damals noch als „Stücke“ und<br />

nicht als „Sätze“ aufgeführt), Sechs Stücke für großes Orchester op. 6 (arrangiert für<br />

Kammerensemble), Vier Stücke für Geige und Klavier op. 7 (damals noch als op. 7<br />

Nr. 1 geführt), Sechs Bagatellen op. 9 (noch unter dem Titel „Sechs Stücke für<br />

Streichquartett“), Fünf Stücke für Orchester op. 10 (arrangiert für Kammerensemble<br />

und als Op. 7 Nr. 4 bezeichnet) und Fünf Lieder nach Gedichten <strong>von</strong><br />

Georg Trakl (damals noch ohne Opus-Zahl; der endgültige Trakl-Zyklus op. 14<br />

enthält sechs Lieder). Da für die geschlossenen Konzerte des Vereins keine<br />

Einzelprogramme gedruckt wurden, ist es sehr schwer, die genauen Auffiihmngsdaten<br />

zu bestimmen oder überhaupt festzustellen, welche der vorgesehenen Werke zur<br />

Aufführung gelangten. So gibt es keinerlei schlüssige Beweise, ob <strong>Webern</strong>s<br />

Kammer-Arrangement seiner Sechs Stücke op. 6 jemals über das Probensiadium<br />

hinauskam (vgl. 7. Kapitel).<br />

Charakteristisch für die Auswahl des Repertoires des Vereins waren die<br />

Programme der „4 Propaganda-Abende“ , die am Ende der ersten Saison<br />

veranstaltet wurden, um für eine größere Mitgliedschaft zu werben. Das große<br />

Plakat, das als Ankündigung für die Öffentlichkeit gedacht war, wird auf S. 207<br />

wiedergegeben.<br />

Am 9. Juni berichtete <strong>Webern</strong> Berg, der aufs Land verreist war, über diese<br />

Konzerte: „Die Abende hatten einen steigenden Erfolg. Der letzte war überbesucht.<br />

Viele mußten fortgehen. Es war kein Platz mehr im Saal. Vollständig<br />

ausverkauft. Strawinsky war herrlich. Wunderbar sind diese Lieder. Mir geht diese<br />

Musik ganz unglaublich nahe. Ich liebe sie ganz besonders. Etwas so unsäglich<br />

Rührendes wie diese Wiegenlieder. Wie diese 3 Klarinetten klingen! Und Priboutki.<br />

Ah, mein Lieber, etwas ganz Herrliches. Diese Wirklichkeit (Realismus) führt ins<br />

Metaphysische. - Auch meine Sachen sind gut gegangen.“7<br />

208


Für <strong>Webern</strong> war die Zeit des Vereins für musikalische Privataufführungen bisher<br />

die anregendste und befriedigendste Phase seines beruflichen Daseins. In vielerlei<br />

Weise bedeutete seine führende und autoritative Position als Vortragsmeister ein<br />

Erwachsenwerden. Andererseits nahmen die dichtgedrängten Proben, Sitzungen<br />

und vielerlei übrigen Aufgaben ihn so sehr in Anspruch, daß er mit Ausnahme <strong>von</strong><br />

Transkriptionen, wie der seiner Passacaglia, zu keiner schöpferischen Tätigkeit kam.<br />

Erst im Juli 1919, während eines Urlaubs in Mürzzuschlag,8 fand er die notwendige<br />

Muße, seinem innersten Ruf zu folgen. Wie stets gab ihm die Abgeschiedenheit der<br />

Bergwelt seine Inspiration, und in rascher Folge schrieb er eine Anzahl neuer<br />

Kompositionen.<br />

In einem Brief an Berg vom 1. August artikulierte <strong>Webern</strong> die Philosophie seines<br />

persönlichen und künstlerischen Denkens: „Ich war am Hochschwab. Es war<br />

herrlich: weil mir das nicht Sport ist, nicht Vergnügen, sondern ganz was anderes:<br />

Suchen <strong>von</strong> Höchstem, Auffinden <strong>von</strong> Korrespondenzen in der Natur für alles das,<br />

was mir vorbildlich ist, was ich gerne in mir haben möchte. Und wie ergiebig war<br />

diese Tour. Diese Hochschluchten mit den Bergföhren und rätselhaften Pflanzen.<br />

Diese sind es vor allem, die mir nahe gehen. Aber nicht weil sie so ,schön‘ sind. Nicht<br />

die schone Landschaft, die schönen Blumen im üblichen romantischen Sinne<br />

bewegen mich. Mein Motiv: der tiefe, unergründliche, unausschöpfbare Sinn in allen<br />

diesen, besonders diesen Äußerungen der Natur. Alle Natur ist mir wert, aber die,<br />

welche sich dort ,oben‘ äußert, am wertesten. Ich möchte zunächst Vordringen in der<br />

rein realen Erkenntnis aller dieser Erscheinungen. Drum habe ich immer meine<br />

Botanik mit und suche nach Schriften, die mir Aufklärung geben über alles das.<br />

Diese Realität enthält alle Wunder. Forschen, Beobachten in der realen Natur ist<br />

mir höchste Metaphysik, Theosophie.“<br />

D er schöpferische Impetus dieser Sommerwochen in Mürzzuschlag fand ein<br />

plötzliches Ende. In den letzten Julitagen wurde W eberns Vater, der nun 69 Jahre<br />

alt war, mit schwerer Ruhr ins Provinzkrankenhaus eingeliefert. Am 5. August eilte<br />

W ebern nach Klagenfurt, wo er in der Bahnhofstraße 53 bei seiner Schwester Rosa<br />

wohnte, die mittlerweile Otto Warto, einen Angestellten der dortigen Sparkasse,<br />

geheiratet hatte. Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Krankheit, die inan zunächst für ein vorübergehendes<br />

Unwohlsein gehalten hatte, stellte sich als seine letzte heraus. Sein<br />

Lebenswille war durch das Ende der Habsburger Monarchie gebrochen und durch<br />

den hieraus resultierenden Niedergang der Maßstäbe und Loyalitäten, an die er<br />

während seines ganzen Lebens geglaubt hatte. Klagenfurt war bis zum 31. Juli 1919<br />

<strong>von</strong> feindlichen Truppen besetzt gewesen, und die Bergwerksgebiete, in denen er<br />

früher seinen Lieblingsbeschäftigungen nachgegangen war, gehörten jetzt zu<br />

Slowenien. Gesundheitlich und seelisch gebrochen, starb er am Abend des 10.<br />

August. Zwei Tage später wurde er auf dem Friedhof <strong>von</strong> Annabichl am Rande der<br />

Stadtgrenze <strong>von</strong> Klagenfurt beigesetzt. Er hätte sich sicher gewünscht, an der Seite<br />

seiner Frau und seines kleinen Sohnes im Familiengrab in Schwabegg, nahe dem<br />

geliebten Preglhof, seine letzte Ruhe zu finden, aber in einer Zeit allgemeiner<br />

Einschränkungen hatte man sich mit den Gegebenheiten abzufinden. Der Grabstein<br />

trägt die Inschrift: „Sektionschef Dr. mont. Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> 1850-1919.“9<br />

209


Als <strong>Webern</strong> Zemlinsky am 26. August für seine teilnehmenden Worte dankte,<br />

schrieb er: „Daß mein Vater mich so ganz frei meinen Neigungen leben ließ und<br />

niemals auch nur den geringsten Zweifel daran hatte, wiewohl ihm meine Wege nach<br />

außen hin doch ziemlich neu u. unbekannt waren, dafür muß ich ihm für immer<br />

dankbar sein.“<br />

Ein paar Tage später kehrte <strong>Webern</strong> mit seiner Familie wieder nach Mödling<br />

zurück. Ein harter Winter kündigte sich an mit der Aussicht auf äußerste Knappheit<br />

<strong>von</strong> Lebensmitteln und Brennstoff. <strong>Webern</strong>s Sorgen um den Unterhalt seiner<br />

Familie erhöhten sich noch zusätzlich durch den rapide sinkenden Kaufwert seines<br />

ihm noch verbliebenen Vermögens. Dazu hatte ein viertes Kind die Zahl der <strong>von</strong><br />

ihm Abhängigen vergrößert. Die jüngste, am 30. November 1919 geborene Tochter<br />

erhielt den Namen Christine. „Christls“ Ankunft ist die einzige Eintragung in<br />

<strong>Webern</strong>s Tagebuch während des ganzen Jahres.<br />

In diesem Winter 1919/20 wurden Hunger und Kälte zu harten Tatsachen für den<br />

größten Teil der Bevölkerung, vor allem in den Großstädten. Ein paar junge<br />

Freunde halfen der Familie <strong>Webern</strong>, wo immer sie auf bescheidene Weise konnten.<br />

Erwin Ratz, der Sohn des Besitzers einer großen Bäckerei, brachte oft Lebensmittel<br />

mit, und Kurt Manschinger, dessen Vater mit der Verwaltung der vormals<br />

kaiserlichen Jagden zu tun hatte, steuerte manchmal einen Hasen bei, eine<br />

vielgeschätzte Delikatesse. Die Lage verschlimmerte sich so sehr, daß die Eltern<br />

<strong>Webern</strong>, die ihren Kindern über die Maßen zugetan waren, keinen anderen Ausweg<br />

mehr sahen als den, über den Berg seiner Frau am 1. Februar 1920 berichtete: „Das<br />

Schicksal <strong>Webern</strong>s ist fürchterlich. Was mag das für ein Entschluß gewesen sein, sich<br />

<strong>von</strong> allen seinen Kindern (so ein Säugling zählt ja kaum) zu trennen.“ Das älteste<br />

Mädchen, Mali, und der Sohn Peter wurden nach Hennersdorf verschickt, wo sie in<br />

der Familie <strong>von</strong> Wilhelmines Schwester Maria Königer bis zum August Aufnahme<br />

fanden, Mitzi, die zweite Tochter, kam für eine ähnliche Zeitspanne zu den<br />

Verwandten in Klagenfurt. Nur der Säugling blieb in der Obhut der M utter. Die<br />

klirrende Kälte, dazu das fast völlige Fehlen jeglicher Heizmöglichkeiten (Gas und<br />

Elektrizität gab es nur wenige Stunden am Tag) zwangen <strong>Webern</strong>s sogar dazu, ihr<br />

Mödlinger Heim vorübergehend aufzugeben und bei Wilhelmines M utter in ihrer<br />

Wiener Wohnung eine Bleibe zu finden.<br />

Allen diesen Widrigkeiten zum Trotz trat der Verein für musikalische Privataufführungen<br />

in sein zweites Jahr ein. Ermutigt durch den Erfolg der Eröffnungssaison<br />

hatte Schönberg für den Sommer 1919 neun öffentliche „Propagandakonzerte“ mit<br />

großem Orchester unter seiner Leitung geplant.10 Dieses ehrgeizige Projekt ließ sich<br />

zwar nicht verwirklichen, aber dennoch konnte der Radius der Aktivitäten des<br />

Vereins in der neuen Saison beträchtlich vergrößert werden. Zusätzlich zu den<br />

planmäßigen Privatkonzerten und verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen ging<br />

eine ausgewählte Gruppe <strong>von</strong> Interpreten auf Tournee, um progressiv eingestellte<br />

Musikfreunde andernorts mit den Zielen des Vereins bekanntzumachen. Zwischen<br />

7. und 14. März 1920 wurden vier Konzerte im Mozarteumsaal in Prag veranstaltet.<br />

Steuermann und Serkin stellten Novitäten vor wie Schönbergs Drei Klavierstücke<br />

op. 11 und Debussys Suite En blanc et noir für zwei Klaviere. Am 13. März leitete<br />

210


Schönberg dort selbst seine Fünf Orchesterstücke op. 16 in einer reduzierten<br />

Fassung für Kammerensemble, und <strong>Webern</strong> dirigierte seine Fünf Stücke für<br />

Orchester op. 10 in einer Transkription für Violine, Bratsche, Cello, Harmonium<br />

und Klavier. Die erste Aufführung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Arrangement <strong>von</strong> Opus 10 hatte<br />

bereits am 30. Januar in Wien stattgefunden.11 „Meine Stücke sind gut gelungen“,<br />

hatte <strong>Webern</strong> Berg am 15. Februar in einem seiner ausführlichen Berichte über die<br />

Ereignisse im Verein geschrieben.<br />

Berg hatte Wien zu Beginn des Jahres verlassen, um nach dem Berghof, dem<br />

Besitz seiner Mutter am Ossiachersee, zu sehen. Da er für den Rest der Saison nicht<br />

zurückkehrte, erhöhten sich <strong>Webern</strong>s Aufgaben und Verpflichtungen im Zusammenhang<br />

mit seiner Wirksamkeit im Verein ins Unermeßliche. Sein Einbezogensein<br />

in Schönbergs Aktivitäten brachte auch noch die Übernahme der Hauptassistenz bei<br />

der Vorbereitung <strong>von</strong> zwei Aufführungen der Gurrelieder mit sich, die Anfang Juni<br />

in der Wiener Staatsoper im Rahmen eines dreiwöchigen Festivals stattfanden, das<br />

<strong>von</strong> David <strong>Josef</strong> Bach organisiert wurde. Schönberg dirigierte selbst und errang<br />

einen Triumph.<br />

Diesem Höhepunkt der Saison war ein anderes großes Erlebnis vorausgegangen:<br />

„Mai 1920, bei den Mahler Fest-Konzerten in Amsterdam“ lautet eine der kurzen<br />

Notizen in <strong>Webern</strong>s Tagebuch in diesem Jahr. Die Universal Edition, Mahlers<br />

Verlag, hatte „für einen Wiener Musiker“ 100 Gulden zur Verfügung gestellt als<br />

Unkostenbeitrag zum Besuch des Festes. Der Betrag wurde Schönberg angeboten,<br />

da er aber bereits als Gast zu dem Fest eingeladen worden war, schlug er <strong>Webern</strong> an<br />

seiner statt vor. Der Initiator der Festkonzerte war Willem Mengelberg, der damit<br />

sein 25jähriges Jubiläum als Dirigent des Concertgebouw-Orchesters beging.<br />

Sämtliche Werke Mahlers wurden in neun Konzerten vom 6. bis 21. Mai aufgeführt.<br />

Eine Reihe <strong>von</strong> Vorträgen über Mahler sowie fünf Kammermusikabende, die der<br />

zeitgenössischen Musik gewidmet waren, ergänzten das Festprogramm. Schönbergs<br />

Zwei Lieder op. 14 waren das einzige W erk eines W iener Komponisten, das in<br />

diesen Programmen erschien.12 (Im März hatte sich Schönberg <strong>von</strong> Prag nach<br />

Holland begeben, um drei Konzerte zu dirigieren, die auch einige eigene Werke<br />

enthielten. Sein Erfolg führte nicht nur dazu, daß er wieder zu den Mahler-<br />

Festkonzerten eingeladen wurde, sondern brachte ihm auch eine Verpflichtung <strong>von</strong><br />

sechs M onaten für die kommende Saison ein.) Für <strong>Webern</strong> bedeuteten die starken<br />

Eindrücke, die er während des Festes erhielt, einen Anstoß zu eigenem aktiven<br />

Engagement für Mahler. Nicht viel später begann er selbst mit einer Reihe<br />

denkwürdiger Aufführungen <strong>von</strong> Sinfonien M ahlers.13<br />

Ende Juni suchte W ebern wieder Erholung in den Bergen. Nach einer<br />

Überquerung des Hochschwabs schrieb er Berg am 14. Juli, daß die Wirkung, die die<br />

Natur auf ihn ausübe, nur im geistigen Bereich zu erfassen sei. Deshalb müsse seine<br />

„Raserei“ über einen Gebirgsbach, „klar bis auf den Grund“, in diesem Licht<br />

gesehen werden, ebenso sein Entzücken über den Duft der Blumen, die zarten<br />

Alpenblumen, die Formen der Bäume an der Waldgrenze, und überhaupt alles<br />

„dort oben“ . Zwei Wochen später ließ sich W ebern Berg gegenüber begeistert über<br />

die Kunst und die Persönlichkeit <strong>von</strong> Gustav Klimt aus, in dessen Werk er eine<br />

211


Entsprechung seiner eigenen Naturverehrung erkannte. Der Maler schien ihm den<br />

Glauben in „Korrespondenzen“ mit ihm zu teilen, die eine Brücke schlugen <strong>von</strong> der<br />

materiellen Welt zum Metaphysischen. <strong>Webern</strong> bekannte Berg, daß er noch nie<br />

zuvor <strong>von</strong> Bildern so berührt gewesen sei wie <strong>von</strong> denen <strong>von</strong> Klimt. Sie machten<br />

„einen nicht zu beschreibenden Eindruck“ auf ihn, „den Eindruck <strong>von</strong> einem<br />

lichten, zarten himmlischen Bezirk. Welche Seele, die zu solchen Vorstellungen <strong>von</strong><br />

Zartheit u. Licht kommt.“<br />

Das Jahr 1920 brachte eine bedeutsame Entwicklung in <strong>Webern</strong>s Karriere. Emil<br />

Hertzka Unterzeichnete jetzt endlich die Verträge zur Veröffentlichung und zum<br />

Vertrieb einiger der Werke <strong>Webern</strong>s (Opus 1, 2, 3 und 6) durch die Universal<br />

Edition, nachdem ihn der Ausbruch des Krieges da<strong>von</strong> abgehalten hatte. Diese<br />

Anerkennung durch den großen Verlag wurde zu einem Wendepunkt für den<br />

Komponisten. Aufführungen der Passacaglia waren sehr bald in mehreren größeren<br />

Städten zu hören, so in Leipzig (1921), Düsseldorf und Prag (1922), Wien und<br />

Berlin (1923). <strong>Webern</strong> wurde eingeladen, einige dieser Aufführungen zu dirigieren.<br />

Verträge für die Veröffentlichung weiterer Werke folgten rasch aufeinander.<br />

Vertreten durch die Universal Edition, war <strong>Webern</strong> jener unerquicklichen<br />

Notwendigkeit enthoben, für sich selbst Propaganda machen und Exemplare seiner<br />

Werke an Interessenten verschicken zu müssen. Die Eingänge an Aufführungsgebühren<br />

waren zunächst bescheiden, jedoch war das Prestige der Verbindung mit<br />

einem einflußreichen Verlagshaus ungleich höher einzuschätzen.<br />

Die wachsenden ökonomischen Schwierigkeiten des besiegten Landes machten<br />

tatsächlich irgendwelche Einkünfte weitgehend illusorisch. Eine Zeitlang war es aus<br />

finanziellen Gründen fraglich, ob der Verein für musikalische Privataufführungen<br />

seine dritte Saison überhaupt noch eröffnen könne. Während seines Besuchs in Prag<br />

im März fiel <strong>Webern</strong> auf, wie vergleichsweise wohlhabend diese Hauptstadt war<br />

(nach dem Krieg war die Tschechoslowakei ein autonom er Staat geworden). Auf<br />

Schönbergs Anraten hin, der für Österreich eine trübe Zukunft voraussah, hatte<br />

W ebern damals die Möglichkeit einer Rückkehr ans Prager Theater erkundet.<br />

Zemlinsky, dem nie versagenden treuen Helfer, war das Zustandekommen eines<br />

Vertrags zu danken, demzufolge W ebern seine Position am 1. September antreten<br />

sollte. Mit allen guten Vorsätzen dankte W ebern Zemlinsky am 15. Juni: „Glauben<br />

Sie mir, bitte, daß ich mir wohl bewußt bin Ihrer Riesengeduld, Ihrer liebevollen<br />

Nachsicht mir gegenüber in dieser Angelegenheit. Und ich verspreche, ich werde Sie<br />

nicht mehr enttäuschen, ich werde aushalten . . . Ich stelle mir vor und nehme mir<br />

es vor, daß ich diesmal diesen Weg betrete, um wirklich dorthin zu kommen was mir<br />

seit je als Ideales vorschwebte: ein guter Dirigent zu werden, um einmal doch die<br />

Musik, für die ich lebe, gut darstellen zu können.“<br />

<strong>Webern</strong>s heißes Verlangen, eine erfolgreiche Dirigentenlaufbahn zu machen,<br />

sollte sich tatsächlich in naher Zukunft erfüllen, jedoch nicht in der Oper. Sein<br />

Tagebuch enthält lediglich diese knappe Notiz: „Ende August - Anfang Oktober<br />

1920 in Prag am Theater.“ Diese kurze Tätigkeit sollte seine letzte Verbindung mit<br />

der Welt der Opernbühne darstellen, die einstmals der Mittelpunkt seiner<br />

jugendlichen Träume gewesen war. Eine Reihe <strong>von</strong> unvorhergesehenen Schwierig­<br />

212


keiten führte zur vorzeitigen Beendigung seines Engagements: die Notwendigkeit,<br />

Frau und Kinder wegen Visumsproblemen zurücklassen zu müssen, die Unmöglichkeit,<br />

in Prag eine Wohnung zu finden (während seines Aufenthalts mußte <strong>Webern</strong><br />

bei Jalowetz logieren) sowie die Enttäuschung darüber, daß eine Lehrstelle an der<br />

Deutschen Musikakademie (die ihm <strong>von</strong> Zemlinsky als wahrscheinlich und als<br />

notwendige Aufbesserung seiner Gage in Aussicht gestellt worden war) ihm recht<br />

unfreundlich in letzter Minute vorenthalten wurde. Schließlich ergab sich eine nicht<br />

vorhersehbare Einschränkung seiner Tätigkeit im Deutschen Landestheater,als<br />

die Tschechen das Haus für volle drei Tage in der Woche für sich in Anspruch<br />

nahmen.<br />

Nach diesem unglücklichen Zwischenspiel war <strong>Webern</strong> froh, wieder nach<br />

Mödling zurückkehren zu können. Der Verein für musikalische Privataufführungen<br />

war tatsächlich in der Lage, seine dritte Saison zu beginnen, wenn auch nur dank der<br />

loyalen Unterstützung seiner Mitglieder, die sich mit einer drastischen Erhöhung<br />

der Beiträge einverstanden erklärt hatten. In diesem Herbst 1920 übernahm<br />

<strong>Webern</strong> wiederum die Pflichten eines Vortragsmeisters zusammen mit Erwin Stein<br />

und Alban Berg. Der letztere konnte nach seiner langen Abwesenheit auf dem<br />

Lande zur Rückkehr bewogen werden und zur Übernahme der Verwaltungsaufgaben<br />

des Vereins während Schönbergs sechsmonatigem Engagement in Holland.<br />

Obwohl <strong>Webern</strong>s Tätigkeit in dieser unentwegten Gemeinde ihm kaum den<br />

Lebensunterhalt einbrachte, war wenigstens seine Arbeit künstlerisch befriedigend.<br />

Was ihm der Verein vor allem bot, waren einige denkwürdige Aufführungen seiner<br />

Werke.<br />

Eine der Attraktionen des Vereins für seine Mitarbeiter, so unterbezahlt sie auch<br />

waren im Verhältnis zu ihren enormen Opfern an Zeit und Mühen, war die<br />

Gelegenheit, mit Kollegen aus dem Ausland bei ihren Besuchen in Wien<br />

zusammenzukommen. Am 23. O ktober 1920 w arein Sonderkonzert Maurice Ravel<br />

gewidmet, der sich damals in Wien aufhielt (er war für drei Wochen bei Alma<br />

M ahler zu Gast). <strong>Webern</strong>s Vier Stücke für Geige und Klavier op. 7 standen auf dem<br />

Programm wie auch Werke <strong>von</strong> Berg und Schönberg. U nter den aufgeführten<br />

Kompositionen des Ehrengasts waren Gaspard de la nuit, Valses nobles ei<br />

sentimentales und sein Streichquartett. Es sollte nicht übersehen werden, daß Ravel<br />

zu dieser Zeit noch als Avantgarde angesehen wurde und daß sein Werk noch<br />

verhältnismäßig unbekannt war.14<br />

Jahre später erinnerte sich Eduard Steuermann einiger erregender Begebenheiten<br />

aus diesen Tagen: „Milhaud kam einmal nach Wien. Er hatte Pierrot in Paris<br />

aufgeführt, und Frau Mahler gab für ihn und Poulenc einen Empfang, bei dem ich<br />

mein Arrangement <strong>von</strong> der Kammersymphonie spielte und Schönberg Pierrot<br />

dirigierte. Milhaud revanchierte sich und dirigierte Stücke aus Pierrot, um zu zeigen,<br />

wie er ihn gemacht hatte. Meine unvergeßlichste Erinnerung war aber, wie Milhaud<br />

und Poulenc mich ins Hotel Bristol zu einem wundervollen Mittagessen einluden. Es<br />

war 1920 [in Wirklichkeit 1922], mitten in der Inflation, und es gab in Wien<br />

praktisch nichts zu essen; es war meine erste echte Mahlzeit seit Jahren! Ich traf auch<br />

Ravel in dieser Zeit [1920] und spielte sogar vierhändig mit ihm. Wir kamen im Haus<br />

213


<strong>von</strong> Frau Mahler zusammen und spielten M a M ere l’Oye und die Rhapsodie<br />

Espagnole dem Dirigenten Oskar Fried vor, der ein Ravel-Konzert plante und neue<br />

Stücke stets zuerst auf dem Klavier hören wollte. Übrigens machte <strong>Webern</strong> einmal<br />

die Mallarme-Lieder; er liebte sie, besonders das letzte, das Schönberg recht nahe<br />

kommt.“15<br />

Das Ravel-Sonderkonzert am 23. Oktober war die zweite <strong>von</strong> sechs „Propaganda“-Veranstaltungen,<br />

die der Verein in jener prekären Saison 1920/21 der<br />

Öffentlichkeit zugänglich machte in einem Versuch, seine Finanzen aufzubessern.<br />

Höhepunkte dieser Konzerte waren Mahlers Vierte Symphonie in einer Fassung für<br />

Kammerorchester <strong>von</strong> Erwin Stein, vier Aufführungen <strong>von</strong> Schönbergs Pierrot<br />

Lunaire Anfang Mai 1921, eine Lesung des Textes des Oratoriums Die Jakobsleiter<br />

durch den Schauspieler Wilhelm Klitsch (22. Mai) und ein Walzerabend (27. Mai).<br />

Der letztere, als „Außerordentlicher Abend“ angekündigt, war ausdrücklich als<br />

Benefiz-Veranstaltung gedacht angesichts der sich in katastrophaler Weise verschlechternden<br />

finanziellen Situation. Um eine möglichst zahlreiche Zuhörerschaft<br />

anzulocken, enthielt das im Festsaal der Schwarzwaldschule stattfindende Sonderkonzert<br />

vier volkstümliche Walzer <strong>von</strong> Johann Strauß in Bearbeitungen für<br />

„Salonorchester“ (Klavier, Harmonium und Streichquartett). Schönberg selbst<br />

steuerte die Arrangements <strong>von</strong> Rosen aus dem Süden und des Lagunenwalzers (aus<br />

Eine Nacht in Venedig) bei. Berg transkribierte Wein, Weib und Gesang und <strong>Webern</strong><br />

den Schatzwalzer (aus dem Zigeunerbaron). Um die persönliche Note des Abends zu<br />

unterstreichen, spielten die drei Komponisten selbst im Ensemble, das aus Eduard<br />

Steuermann (Klavier), Alban Berg (Harmonium), Rudolf Kolisch und Arnold<br />

Schönberg (1. Violine), Karl Rankl (2. Violine), Othrnar Steinbauer (Bratsche) und<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> (Cello) bestand.<br />

Am 2. Juni berichtete Alban Berg in einem Brief an Erwin Stein: „Die Walzer<br />

klangen durchwegs fabelhaft g u t. . . Schon nach meinem Walzer setzte frenetischer<br />

Applaus ein, den Schönberg zuließ, um die Stimmung zu lieben. '<strong>Webern</strong>s Walzer,<br />

der dritte im Programm, mußte wiederholt werden, und zwar mit <strong>Webern</strong> am Pult<br />

und Schönberg mit dem Cello. Die Aufführungen verliefen glänzend; selbst mein<br />

Harmoniumspiel war entsprechend.“ Am Schluß des Konzerts wurden die vier<br />

Originalmanuskripte der Walzertranskriptionen versteigert, und der Erlös kam der<br />

leeren Kasse des Vereins zugute.16 Die regulären geschlossenen Konzerte dieser<br />

dritten Saison des Vereins gingen am 8. Juni zu Ende mit einem Programm mit<br />

Werken <strong>von</strong> Busoni, Satie, Strawinsky und <strong>Webern</strong>, in dessen Vier Stücken op. 7<br />

Rudolf Kolisch der Geiger und Steuermann der Pianist waren.17<br />

Zusätzlich zu seinen anspruchsvollen Pflichten als Vortragsmeister war <strong>Webern</strong><br />

noch als Privatlehrer und Korrepetitor tätig. Kurz nachdem er sich in Mödling<br />

niedergelassen hatte, begannen drei junge Musiker bei ihm Stunden zu nehmen. Sie<br />

waren Kurt Manschinger, Ludwig Zenk und Hans Swarowsky. Manschinger, der<br />

zunächst <strong>von</strong> Zemlinsky an Schönberg empfohlen worden war, wurde <strong>von</strong> diesem an<br />

<strong>Webern</strong> verwiesen, bei dem er <strong>von</strong> 1919 bis 1926 studierte.18 Zenk, indem W ebern<br />

seinen fähigsten Schüler sah, wurde ein lebenslanger Freund, der mit dem Lehrer die<br />

Liebe zu Bergsteigen und Gartenarbeit teilte. Zenks Vetter, Hans Swarowsky,<br />

214


wurde später ein prominenter Dirigent. Zu dieser ersten Schülergruppe gehörte<br />

auch Stella Eisner, mit der <strong>Webern</strong> die Partie der Sophie im Rosenkavalierwähr&nd<br />

seiner Saison 1917/18 in Prag studiert hatte; sie engagierte ihn zu täglichen<br />

Korrepetitionsstunden in der Literatur des klassischen und modernen Liedes im<br />

Haus ihrer Mutter während des ganzen Winters 1919/20.19 Als Schönberg sich im<br />

Herbst 1920 zu seinem langen Aufenthalt nach Holland begab, schickte er drei<br />

seiner Schüler zu <strong>Webern</strong>. Sie waren Hanns Eisler, der als ausgezeichneter<br />

Komponist bekannt werden sollte, Karl Rankl, später musikalischer Leiter der<br />

Covent Garden-Oper in London, und <strong>Josef</strong> Travnicek. Mit charakteristischer<br />

Gründlichkeit sandte <strong>Webern</strong> regelmäßig Berichte über den Fortschritt seiner<br />

Schutzbefohlenen an Schönberg.<br />

Auch Schönbergs Seminare mußten während seiner Abwesenheit weitergeführt<br />

werden.20 „Im Kapellmeisterkurs machen wir je tz t,Freischütz4u. dirigieren die I.<br />

Beethoven“, berichtete <strong>Webern</strong> Schönberg am 6. Januar 1921. „Das letztere gibt<br />

mir Anlaß, viele wichtige Dinge über Vortrag u. s. w. zu sagen; vor allem u.<br />

insbesondere wie der Dirigent es mit rein musikalisch - technischen Ausdrücken,<br />

(Dynamik, Streichart u. s. w.) vermag, den Spielern anzugeben, was er sich<br />

vorstellt.“ In seinen zahlreichen Briefen nach Amsterdam konnte <strong>Webern</strong><br />

Schönberg, der dort im März eine Gurrelieder-Aufführung dirigieren sollte,<br />

versichern,daß sein eigenes vorbereitendes Studium mit den beiden Wiener<br />

Mitwirkenden, der Sängerin Bauer in der Partie der Waldtaube und Wilhelm<br />

Klitsch, wiederum als Sprecher, gute Fortschritte mache.<br />

Noch nie hatte sich ein Führer auf loyalere Gefolgsleute verlassen können als<br />

Schönberg. Trotz kläglicher finanzieller Bedingungen brachten seine Anhänger<br />

immer wieder frischen Enthusiamus und die Energie auf, wenn es galt, die Pläne<br />

ihres Meisters zu verwirklichen. Einer <strong>von</strong> ihnen betraf einen vorn Verein<br />

ausgeschriebenen W ettbewerb für eine neue Kammermusikkomposition. Ais-<br />

Mitglied der Jury machte W ebern denn auch seiner Enttäuschung darüber Luft, als<br />

er Schönberg am 3. Juli 1921 schrieb: „Leider sehr unerfreuliche Sachen. Meist ganz<br />

kindisches Zeug.“<br />

W eberns Hauptbeschäftigung während dieses Sommers war eine Fassung für<br />

Kammerorchester <strong>von</strong> Schönbergs Musikdrama Die glückliche Hand, op. 18 für eine<br />

geplante Aufführung in der nächsten Saison des Vereins. Ein weiteres Projekt für<br />

dieses vierte Jahr waren laut Mitteilungen Nr. 27 vom 18. September 1921<br />

„Ballettszenen“ mit Musik <strong>von</strong> W ebern und Berg als Bühnenaufführungen<br />

zusammen mit Balletten <strong>von</strong> Debussy und Bartök. „Leider habe ich noch keinen<br />

Stoff für ein Ballett gefunden“, schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg am 3. Juli. „Ich bin schon<br />

etwas ängstlich. Ich würde das so gern durchführen. Wenns jem and gebe, der einem<br />

so etwas schreiben würde? Es fällt mir niemand ein.“21 Berg bekannte, daß er mit<br />

dem gleichen Problem konfrontiert war. Allerdings sollte der sinkende Stern des<br />

Vereins, dessen Niedergang schon zu Beginn der neuen Saison offenbar wurde, die<br />

Freunde ihrer Aufträge entledigen.<br />

Für Schönberg hatte dieser Sommer mit einem äußerst unerfreulichen Erlebnis<br />

begonnen. Unm ittelbar nach Beendigung der dritten Saison des Vereins war er mit<br />

215


seiner Familie nach Mattsee bei Salzburg gereist, wohin er familiäre Beziehungen<br />

durch die Heirat seines Bruders mit der Tochter des Bürgermeisters hatte. Er hätte<br />

also sicher sein können, eine Atmosphäre vorzufinden, die seiner schöpferischen<br />

Arbeit förderlich sein würde (um diese Zeit war er mit der Komposition der<br />

Jakobsleiter beschäftigt), aber ein unerwarteter Vorfall zerstörte sehr bald seinen<br />

seelischen Frieden. Antisemitismus war unter der Landbevölkerung <strong>von</strong> jeher weit<br />

verbreitet, was aber die Sommerfrischen niemals daran gehindert hatte, Juden als<br />

gut zahlende Gäste willkommen zu heißen. In diesem Sommer jedoch tat der Ort<br />

Mattsee einen Schritt, der einen ominösen Präzedenzfall schuf, 12 Jahre vor Hitlers<br />

Machtergreifung in Deutschland und ganze 17 Jahre, bevor die Nationalsozialisten<br />

in Österreich ans Ruder kamen: Ein öffentlich angeschlagenes Plakat forderte alle<br />

Juden auf, Mattsee sofort zu verlassen. Schönberg war außer sich. Trotz seiner<br />

Konversion zum Protestantismus war er sich mit Stolz seiner jüdischen Abstammung<br />

bewußt. Am 30. Juni kam der Skandal in die Zeitungen. Unter diesem Datum<br />

druckte die Neue Freie Presse in der Spalte Kleine Chronik unter der Überschrift<br />

„Der Taufschein des Komponisten“ den folgenden Artikel: „Ein bezeichnendes<br />

Sommererlebnis des bekannten Komponisten Arnold Schönberg berichtet unser<br />

Grazer Korrespondent. Der Künstler hat Mattsee als Sommeraufenthalt gewählt.<br />

Dieser Tage wurde er <strong>von</strong> der dortigen Gemeindeverwaltung aufgefordert, durch<br />

Dokumente nachzuweisen, daß er kein Jude sei. Sollte dies der Fall sein, so habe er<br />

den Ort sofort zu verlassen, da infolge Gemeindebeschlusses Juden der Aufenthalt<br />

in der Gemeinde nicht gestattet sei. Obwohl Schönberg nachweisen konnte, daß er<br />

Protestant ist, hat er sich entschlossen, den Ort Mattsee zu verlassen. Es ist weiter<br />

nicht verwunderlich, daß der Künstler es vorgezogen hat, weiteren Auseinandersetzungen<br />

mit dem Gemeindeausschuß aus dem Wege zu gehen; aber die Frage bleibt<br />

offen, ob die Bundesgesetze just in M attsee im Salzburgischen in so ungenierter<br />

Weise außer Kraft gesetzt werden dürfen.“<br />

Schönberg war diese A rt <strong>von</strong> Publizität zutiefst verhaßt. Auch seine Wiener<br />

Freunde waren außer sich, und <strong>Josef</strong> Polnauer, der schon vor zehn Jahren Schönberg<br />

vor den Tätlichkeiten eines jähzornigen Antisemiten geschützt hatte, eilte an seine<br />

Seite. Man versuchte, die Angelegenheit zu vertuschen, aber die Atmosphäre in<br />

M attsee war für Schönberg derart vergiftet, daß er Mitte Juli ins nahe Traunkirchen<br />

umzog. Dort hatte ihm die verständnisvolle Baronin Anka Löwenthal ihr<br />

Sommerhaus, die Villa <strong>Josef</strong>, einschließlich Badestrand, Badehütte und Boot zur<br />

Verfügung gestellt. Dieses Arrangement erwies sich als seiner Arbeit so förderlich,<br />

daß Schönberg seinen Aufenthalt bis weit in den Herbst hinein ausdehnte.<br />

Am 16. August besuchte <strong>Webern</strong> Schönberg in Traunkirchen, und die drei Tage,<br />

die <strong>Webern</strong> dort als Schönbergs Gast verbrachte, waren der Höhepunkt seiner<br />

kurzen Ferien (16. bis 26. August). In ihnen unternahm er auch eine Besteigung des<br />

Ankogel (3246 m), eines Hauptgipfels der Hohen Tauern, und Besuche <strong>von</strong><br />

Klagenfurt und des geliebten Preglhofs. So kurz die Reise war, gab sie ihm doch so<br />

viel neue Kraft, daß er nach seiner Rückkehr nach Mödling kurz hintereinander zwei<br />

Orchesterlieder komponierte, die später in Opus 15 eingegliedert wurden. Zu<br />

Schönbergs Geburtstag am 13. September kehrte <strong>Webern</strong> kurz nach Traunkirchen<br />

216


zurück, um ihm eine Sammlung <strong>von</strong> Drucken <strong>von</strong> Klimt zu überreichen, ein<br />

gemeinsames Geschenk der Schüler.<br />

Mit dem Beginn der Herbstsaison fand sich <strong>Webern</strong> in ein Arbeitspensum<br />

eingespannt, das ihm mehr Zeit und Kraft abforderte als je zuvor. Während des<br />

Sommers hatte er die Positionen eines Chordirektors des Wiener Schubertbunds<br />

und des Mödlinger Männergesangvereins angenommen, Aufgaben, die ihn zusätzlich<br />

zu seinem Stundenplan als Privatlehrer und zu seinen laufenden Pflichten als<br />

Vortragsmeister des Schönbergschen Vereins sehr in Anspruch nahmen. Für diese<br />

Organisation begann, was sich als ihre letzte Phase heraussteilen sollte. Zunächst lief<br />

alles wie gewohnt. Am 17. Oktober 1921 hielt <strong>Webern</strong> in seinem Tagebuch mit<br />

rotem Bleistift das große Ereignis fest: ,,100. Abend“, wobei er als Programm<br />

Schönbergs Pierrot Lunaire und Bergs Streichquartett nannte. 11 Tage später<br />

schickte er den folgenden Bericht an Schönberg: „Im Verein studiere ich Reger,<br />

,Passacaglia“, mit Frl. Novacovic22 eine Klaviersolo-Nummer <strong>von</strong> Novak, für den<br />

Sonatenabend (Steuermann, Kolisch) eine Beethovensonate; mit der Eisner bereite<br />

ich einen klassischen Liederabend vor: Schumann (Frauenliebe) u. Hugo Wolf.<br />

Außerdem 5 Lieder <strong>von</strong> mir. Dann noch diverses.“<br />

Das sind die letzten Hinweise auf die Tätigkeit des Vereins in <strong>Webern</strong>s Briefen an<br />

Schönberg, bevor dieser im November nach Wien zurückkehrte. Aufführungen <strong>von</strong><br />

Pierrot Lunaire haben in diesem Herbst noch am 28. November in Prag (Dirigent<br />

Erwin Stein) und am 5. Dezember in Wien stattgefunden. Die Tatsache, daß<br />

Schönberg stets darauf bestand, daß seine Musiker für alle ihre professionellen<br />

Leistungen bezahlt wurden, führte jetzt in Verbindung mit der sich stetig<br />

verschlechternden wirtschaftlichen Lage zu einer rapiden Reduzierung des Angebots<br />

des Vereins. (Die Geldentwertung hatte derart katastrophale Ausmaße<br />

angenommen, daß sich am 1. Dezember 1921 die Empörung der Bevölkerung in<br />

einer verheerenden Straßenschlacht entlud.) Im ganzen Jahr, das dem 100. Abend<br />

des Vereins folgte, gab es einem Brief Schönbergs an Zemlinsky vom 26. Oktober<br />

192223 zufolge nur noch 12 Konzerte in Wien. D er Brief gibt einen Rückblick auf die<br />

Leistungen des Vereins: 151 Werke hatten mit insgesamt 360 Aufführungen auf<br />

dem Programm gestanden (da<strong>von</strong> waren 209 Wiederholungen). Trotz dieses<br />

eindrucksvollen Resultats wurde der Verein Opfer des allgemeinen finanziellen<br />

Zusammenbruchs. Ein genaues Datum für seine Auflösung läßt sich nicht ermitteln.<br />

Anfang 1922 wurde ein Verein nach dein W iener Vorbild in Prag ins Leben gerufen.<br />

Schönberg wurde als Ehrenpräsident vorgeschlagen, doch teilte er am 14. Januar<br />

1923 Georg Alter, dem Sekretär des Prager Ausschusses, mit, daß er glaube, alle<br />

seine Kräfte der Komposition neuer Werke widmen zu sollen. Aus dem gleichen<br />

Grunde hatte sich Schönberg schon mit Beginn des Herbstes 1922 <strong>von</strong> der aktiven<br />

Leitung der W iener Organisation zurückgezogen. Stein und <strong>Webern</strong> wurden zu<br />

Direktoren ernannt, ihre Haupttätigkeit scheint jedoch die Einstudierung <strong>von</strong><br />

Interpreten gewesen zu sein, die für die Konzerte des Prager Ablegers vorgesehen<br />

waren.24 Als die Wiener Gruppe schließlich liquidiert wurde, übernahm Stein ihre<br />

gesamte Bibliothek.<br />

Auf seinem Höhepunkt zählte der Verein nach Schönbergs eigenen Angaben<br />

217


„dreihundert Mitglieder, darunter zweihundert gute“ .25 Der Idealismus und die<br />

Leistungen der kleinen Bruderschaft, die in schwersten Zeiten zu bestehen hatte,<br />

können kaum zu hoch veranschlagt werden. Während seines kurzen Bestehens<br />

erfüllte der Verein sein Hauptziel in überreichem Maße: eine Vielzahl zeitgenössischer<br />

Komponisten vorzustellen, die laut Schönbergs Postulat „Physiognomie oder<br />

Namen“ besaßen. Er diente auch als Forum, auf dem sich Persönlichkeiten<br />

divergierender ästhetischer Überzeugungen treffen, Ideen vergleichen und Anregungen<br />

erhalten konnten. Ganz bewußt als pädagogische Institution gedacht,<br />

erbrachte der Verein allen seinen Teilhabern reiche Dividenden. Darüberhinaus<br />

sollte die Initiative, die diese Gruppe <strong>von</strong> Pionieren ergriffen hatte, weitreichende<br />

Auswirkungen haben: Der Verein war Vorläufer und Prototyp einer Reihe <strong>von</strong><br />

Organisationen, die bald darauf ins Leben gerufen werden sollten, wie die<br />

International Composers’ Guild (1921), die Internationale Gesellschaft für Neue<br />

Musik (1922) und die League of Composers (1923). Das jährliche Musikfest <strong>von</strong><br />

Donaueschingen, das 1921 zum ersten Mal abgehalten wurde, verschrieb sich<br />

ähnlichen Idealen. Claude Debussy, dessen Werke in den Programmen des Vereins<br />

einen so prominenten Platz einnahmen, hatte einmal <strong>von</strong> einer solchen „Gesellschaft<br />

für musikalische Esoterik“ geträumt, deren Anliegen „die Reinheit der<br />

Kunst“ sein solle, und die dazu „dienen möge, endlich die Wiederherstellung der<br />

Achtung vor der Kunst zu vermitteln, die <strong>von</strong> so vielen Leuten beschmutzt“ worden<br />

sei.26 Der französische Meister war am 25. März 1918 gestorben. H ätte er aber das<br />

Ende dieses letzten Kriegsjahres noch erlebt, wäre es ihm vergönnt gewesen, Zeuge<br />

da<strong>von</strong> werden zu können, wie seine Utopie Wirklichkeit wurde.<br />

218


15. Auf dem Wege zur Anerkennung<br />

(1921-1924)<br />

Mit Beginn der gleichen Saison (1921/22), die den Niedergang des Vereins für<br />

musikalische Privataufführungen erlebte, übernahm W ebern den Posten des<br />

musikalischen Leiters des angesehenen W iener Schubertbundes. Diese auf eine<br />

lange Tradition zurückblickende Männerchorvereinigung mit etwa 400 Mitgliedern<br />

hatte in dem Massenchor gesungen, der bei den beiden Gurrelieder-Aufführungen<br />

im Juni 1920 unter Schönbergs Leitung in der W iener Staatsoper mitwirkte. W ebern<br />

war damals vom Komponisten berufen worden, die Choreinstudierung für die<br />

letzten Proben zu übernehmen, was <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung war, da der<br />

Schubertbund drauf und dran war, sich in letzter Minute aus dem Vorhaben<br />

zurückzuziehen. Zu guter Letzt beugte er sich dann doch Schönbergs Beschwörungen<br />

und den Drohungen der Veranstalter, den Bund regresspflichtig zu machen, falls<br />

sein Rückzug zum Scheitern des kostspieligen Unternehmens führen sollte. Die<br />

Annalen der Vereinigung verzeichnen „die ausgezeichnete Weise“ der Durchführung<br />

der Proben durch ihren Gastdirigenten und stellen fest, daß „ohne die<br />

hervorragende Studierarbeit Dr. <strong>Webern</strong>s der Schubertbund keinen Anteil an dem<br />

überragenden Erfolg dieses großartigen Werks gehabt hätte“.1<br />

Dem guten Eindruck, den W ebern bei diesem Anlaß hinterließ, war es zu<br />

verdanken, daß sich der Schubertbund im Juli 1921 an ihn wandte, als sein Dirigent<br />

Herm ann Schmeidel zurücktrat, um einem Ruf nach Elberfeld zu folgen. Von<br />

Anfang an hatte W ebern ein ungutes Gefühl. Seine Verpflichtung erfolgte nur für<br />

ein Jahr probeweise und sah vor, daß er das Dirigentenpult für die beiden wichtigen<br />

öffentlichen Veranstaltungen der Saison einschließlich des Galakonzerts mit<br />

Orchester mit Schmeidel zu teilen habe. Dazu war das Gehalt in Anbetracht der<br />

vielen Dienstleistungen niedrig; die Vereinigung trat nicht nur in Wien auf, sondern<br />

ging auch häufig auf Tournee. Dennoch nahm <strong>Webern</strong> auf Schönbergs Anraten hin<br />

an. Zunächst hatte er Freude an der Zusammenarbeit. „Der Klang dieses Chores<br />

<strong>von</strong> ein paar Hundert Sängern ist oft außerordentlich. Und ich sehe, wie sie sich<br />

selber freuen über das, was ich da manchmal schon erziele“ , berichtete er Schönberg<br />

am 28. Oktober, wobei er die ausgezeichnete Beteiligung, den hohen Grad an<br />

Aufmerksamkeit und Ernst sowie den spontanen Beifall, der ihm nach jeder Probe<br />

gespendet wurde, erwähnte.<br />

Am 9. November gab W ebern sein Debüt. Das Konzert, als „Liedertafel“<br />

angekündigt, enhielt Chöre <strong>von</strong> Schubert, Schumann, Reger, Mair, Pilz, Kirchl und<br />

Marschner. D er Sophiensaal war überfüllt und der A bend ein großer Erfolg. Für das<br />

jährliche Galakonzert des Schubertbunds, bei dem die W iener Symphoniker<br />

mitwirkten, gab der Große Konzerthaussaal den Rahm en ab. In diesem Konzert, das<br />

am 13. Februar stattfand und zwei Tage später wiederholt wurde, teilte sich W ebern<br />

219


in der Leitung mit Ferdinand Grossmann, den Schmeidel delegiert hatte, nachdem<br />

er selbst in Elberfeld keinen Urlaub erhalten konnte. Werke <strong>von</strong> Schubert, Strauss,<br />

Othegraven, Brahms, Grieg, Volbach, Cornelius und Wolf standen auf dem<br />

Programm, das auch zwei Orchesterlieder <strong>von</strong> Mahler enthielt. Als Gast sang<br />

Hermine Kittel <strong>von</strong> der Staatsoper. Mit der herzlichen Aufnahme beim Publikum<br />

hätte <strong>Webern</strong> durchaus zufrieden sein können, doch die Annalen des Bundes<br />

berichten, daß „trotz des Erfolges in beiden Konzerten bezgl. des Dr. <strong>Webern</strong> eine<br />

gewisse Krisenstimmung ausgebrochen“ sei. Als Folge da<strong>von</strong> wurde für den 24.<br />

Februar eine außerordentliche Versammlung aller Mitglieder einberufen, auf der<br />

<strong>Webern</strong> seinen Rücktritt erklärte mit der Begründung, er habe gefühlt, daß ihm die<br />

Leitung eines Männerchores nicht liege. Es gab Anzeichen <strong>von</strong> Intrigen. <strong>Webern</strong>s<br />

fordernde Gründlichkeit und Intensität bei den Proben waren <strong>von</strong> vielen Mitgliedern<br />

als zu rigoros empfunden worden, denen Chorgesang vor allem einen<br />

erholsamen Abend bedeutete. Da <strong>Webern</strong>s Nachfolger noch am gleichen Abend<br />

eingeführt wurde, war sein Rücktritt offensichtlich schon vorher vereinbart worden.<br />

Immerhin wurden die Verdienste des scheidenden Chordirektors, der mit den<br />

Sängern nur fünf Monate lang gearbeitet hatte, durch die Verleihung der silbernen<br />

Schubert-Medaille und ein Sonderhonorar <strong>von</strong> 50000 Kronen anerkannt.2<br />

Dieser abrupte Abbruch seiner Ai'beit mit dem Schubertbund wurde <strong>Webern</strong><br />

einigermaßen leicht gemacht durch die viel glücklichere Verbindung, die er<br />

ebenfalls im Herbst 1921 mit dem Mödlinger Männergesangverein eingegangen<br />

war. Dieser Chor bestand aus etwa 60 Männerstimmen und unterhielt, trotz seines<br />

Namens, einen Sonderchor <strong>von</strong> etwa 40 Frauenstimmen. Die beiden Gruppen<br />

vereinigten sich häufig zu einem gemischten Chor, und im Laufe der Zeit erzielte<br />

<strong>Webern</strong> mit ihnen bemerkenswerte Aufführungen <strong>von</strong> M eisterwerken Schuberts<br />

und Bruckners. Von Anfang an empfand er es als beglückend, mit dieser Schar <strong>von</strong><br />

Laiensängern aus seiner eigenen Stadt zu arbeiten und sie mit dem Besten, was die<br />

Chorliteratur zu bieten hatte, bekannt zu machen. Er begann mit Kompositionen<br />

<strong>von</strong> Schubert, Schumann und Mendelssohn und ging dann daran, zu Ostern 1922<br />

eine „Brahmsfeier“ zum Andenken an die 25. Wiederkehr des Todestages des<br />

Komponisten zu veranstalten.<br />

Ebenfalls im Frühjahr 1922 erhielt W ebern sein erstes Engagement, ein<br />

Arbeitersymphoniekonzert zu dirigieren. Diese Konzerte waren 1905 <strong>von</strong> Dr.<br />

David <strong>Josef</strong> Bach ins Leben gerufen worden, der es als seine Mission ansah, der<br />

Arbeiterklasse Kultur nahezubringen. Vor der Revolution <strong>von</strong> 1918 zogen derartige<br />

Bestrebungen die Verachtung der aristokratischen und bürgerlichen Kreise auf sich.<br />

Nichtsdestoweniger hatten sich die Arbeitersymphoniekonzerte <strong>von</strong> Anfang an<br />

durch unkonventionelle Programme und sorgfältig vorbereitete Aufführungen<br />

ausgezeichnet. Neben Ferdinand Loewe, der die Mehrzahl der Konzerte leitete,<br />

dirigierten so bedeutende Persönlichkeiten wie Richard Strauss, Wilhelm Furtwängler,<br />

George Szell und Franz Schalk. 1917 war Dr. Bach zum Ressortleiter des<br />

Literatur- und Kunstteils der vielgelesenen Wiener Arbeiterzeitung ernannt worden,<br />

was ihm die Gelegenheit bot, seine Ideen einer breiten Öffentlichkeit bekanntzumachen.<br />

Als die Sozialdemokratische Partei nach dem Fall des Hauses Habsburg zur<br />

220


17. Jahr* Arbeiter-Sinfonie-Konzerte • 1921/22<br />

SAMSTAG, D E N 27. MAI, U N D MONTAG, D E N 29. MAI 1.922,<br />

A B EN D S 7 U H R , IM G R O S S E N K O N Z E R T H A U SS AAL M IT<br />

UNTERSTÜTZUNG DER GEM EINDE W IEN<br />

GUSTAV MAHLER<br />

(GEBOREN AM 18. HAI ! 860, G ESTO R B EN AM 23. Mt! 1911<br />

DRITTE SINFONIE<br />

AUSFÜHRENDE:<br />

FRAU EMILIE BITTNER (GESANG), DER PHILHARM ONISCHE<br />

C H O R , DER K N A B E N C H O R DES PROF. PETERLINI, DAS<br />

SIN FONIEO RCHESTER (KONZERTVEREIN-TONKÜNSTLER)<br />

DIRIGENT: DR. A NTO N W EBERN<br />

Preis dieses Programms 100 K r o n c n<br />

Programm eines Arbeitersymphoniekonzerts<br />

(27. und 29. Mai 1922)<br />

221


Macht kam, war die Zeit angebrochen, daß Dr. Bachs Visionen mit Nachdruck<br />

verwirklicht werden konnten. Die <strong>von</strong> der Partei geförderte Kunststelle wurde zum<br />

Mittelpunkt zahlreicher und mannigfaltiger kultureller Aktivitäten, und die<br />

Arbeiterschichten wurden jetzt an das Beste, das Kunst und Literatur zu bieten<br />

hatten, herangeführt. So wurden beispielsweise bestimmte Vorstellungen in der<br />

Oper und im Burgtheater eigens für sie reserviert. Die Zahl der Arbeitersymphoniekonzerte<br />

erhöhte sich auf durchschnittlich sechs pro Jahr, und in der Saison 1921/22<br />

konnte das hundertste stattfinden.3<br />

Bald nach diesem Jubiläumskonzert lud Dr. Bach <strong>Webern</strong> ein, eine Aufführung<br />

der Dritten Symphonie <strong>von</strong> Mahler zu dirigieren. Da die begeisterte Aufnahme<br />

dieser Konzerte in der Regel überfüllte Säle brachte, waren zwei Aufführungen, am<br />

27. und 29. Mai, im Großen Konzerthaussaal vorgesehen. Die Mitwirkenden waren<br />

Emilie Bittner als Solistin, der Philharmonische Chor, die Sängerknaben unter<br />

Peterlini und das Tonkünstlerorchester. <strong>Webern</strong> erwähnt das Ereignis nur kurz in<br />

seinem Tagebuch; wie üblich findet sich kein Kommentar über Erfolg oder<br />

Mißerfolg. Daß er in der Tat einen großen Erfolg errungen hatte, der seinen über<br />

jeden Zweifel erhabenen Ruf als Dirigent begründete, geht aus mehreren Berichten<br />

Bergs an seine Frau hervor. „<strong>Webern</strong> war wie ein König, ich habe noch nie einen<br />

glücklicheren Menschen gesehen als ihn danach“, war sein Kommentar am 24. Mai<br />

nach einer der Proben. Nach der ersten öffentlichen Aufführung schrieb er:<br />

„Gestern abend die Dritte Mahler.4 Das kannst Du Dir nicht vorstellen. Ohne<br />

Übertreibung: <strong>Webern</strong> ist der größte Dirigent seit Mahler (in jeder Hinsicht). Nach<br />

dem ersten und letzten Satz fühlte ich mich genau wie nach einer Adrenalin-<br />

Injektion. Ich konnte nicht stehen. Abends vergaß ich fast aufs Nachtmahl. Erst im<br />

Bett fiel mir’s ein, und ich holte eine Büchse Sardinen und Brot. Ich fürchte mich fast<br />

vor Montag, so aufregend war es.“<br />

Bei dieser Wiederholungsaufführung befanden sich auch Arnold und Mathilde<br />

Schönberg unter den Zuhörern. Bergs Bericht an Helene vom 30. Mai vermittelt den<br />

überwältigenden Eindruck, den <strong>Webern</strong>s Dirigieren auf alle seine Freunde machte:<br />

„In mancher Hinsicht noch schöner. Diesmal besonders die zweite Abteilung. Ich<br />

saß mit Schönberg. Er hat es nicht für möglich gehalten, <strong>Webern</strong>s Leistling ist eine<br />

derartige, daß sie nur mit der Mahlers verglichen werden kann und daß alle<br />

Bedenken, auch solche Mathildens, hinweggefegt waren, um rückhaltloser Bewunderung<br />

Platz zu machen.“ <strong>Webern</strong>s einhelliger Erfolg bei seinem Debüt unter der<br />

Ägide der Arbeitersymphoniekonzerte trug ihm Dr. Bachs unerschütterliches<br />

Vertrauen ein. Es war der Auftakt zu einer Epoche enger künstlerischer<br />

Zusammenarbeit und dauernder persönlicher Freundschaft zwischen den beiden<br />

Männern.<br />

Ein paar Tage nach diesem triumphalen Debüt war <strong>Webern</strong> auf dem Wege nach<br />

Düsseldorf, um dort seine Passacaglia auf dem Allgemeinen Deutschen Tonkünstlerfest<br />

zu dirigieren.5 Ebenfalls auf dem Programm des Festes standen die<br />

Violinsonate <strong>von</strong> Paul A. Pisk und der Orchesterlieder-Zyklus Vom Tode <strong>von</strong> Karl<br />

Horwitz, <strong>Webern</strong>s Freund aus den Universitätstagen. Pisk machte die lange<br />

Bahnfahrt in die rheinische Metropole zusammen mit <strong>Webern</strong>. Er erinnerte sich<br />

222


später noch lebhaft an W eberns Aversion gegen die Tiefebene: „Da kann ma nit<br />

atmen, dös is unterm Meeresspiegel“ .6 Obgleich er in der Gesellschaft <strong>von</strong> Freunden<br />

war, überkam ihn ein solches Stimmungstief, daß er Berg auf einer Postkarte sein<br />

Herz ausschüttete, die er am 4. Juni abschickte. Er sprach <strong>von</strong> seinem „fürchterlichen<br />

Heimweh“ , das „immer ärger“ wurde. Nie zuvor sei ihm das Herz beim<br />

Überschreiten der Grenze so schwer gewesen; nie zuvor habe er sich in einem<br />

fremden Land so unglücklich gefühlt. Und das, obwohl der Anlaß doch ein<br />

erfreulicher gewesen sei. Für ihn war es einfach „eine andere Welt“. Als ob er eine<br />

Vorahnung gehabt hätte, habe er Roseggers Som m er in den Alpen auf die Reise<br />

mitgenommen, um ihm „die Kraft“ zu geben, deren er bedurfte.<br />

Die Aufführung der Passacaglia fand am 5. Juni statt. Das Programmheft enthielt<br />

eine analytische Werkbeschreibung, die der Komponist selbst beigesteuert hatte<br />

(vgl. 5. Kapitel). In seinem Bericht an Berg vom 19. Juni bezeichnete <strong>Webern</strong> die<br />

Wiedergabe als „recht gut“ trotz ungenügender Probenzeit: „Das Stück ist ja doch<br />

sehr schwer“, und er fügte hinzu, daß die Aufnahme „recht warm“ gewesen sei,<br />

besonders auf seiten der mitwirkenden Musiker. Die gedruckte Partitur war <strong>von</strong> der<br />

Universal Edition noch rechtzeitig für das Ereignis aufgelegt worden.<br />

Bei seiner Rückkehr <strong>von</strong> Düsseldorf fand <strong>Webern</strong> einen Brief <strong>von</strong> Zemlinsky vor,<br />

der ihm eine baldige Aufführung der Passacaglia in Prag versprach, ein Vorhaben,<br />

das noch vor Jahresende zur Ausführung kam. Während des Frühsommers bahnte<br />

sich eine weitere vielversprechende Entwicklung an: Der Konzertverein, eine der<br />

wichtigsten Institutionen des Wiener Musiklebens, lud <strong>Webern</strong> ein, das Wiener<br />

Symphonieorchester (jetzt die Wiener Symphoniker) in einer Reihe seiner<br />

volkstümlichen Sonntagnachmittags-Konzerte zu dirigieren. Diese Einladung kam<br />

zustande durch <strong>Webern</strong>s jüngsten Erfolg mit Mahlers D ritter Symphonie. Das<br />

Engagement, das im September beginnen sollte, würde in eine feste Anstellung<br />

umgewandelt werden, wenn die ersten drei „Probe“ -Konzerte zufriedenstellend<br />

ausfielen.<br />

W ebern, dem diese Aussichten auf künstlerische und materielle Anerkennung<br />

großen Auftrieb gaben, wollte sich zunächst einen wohlverdienten Urlaub gönnen.<br />

Seit dem Sommer 1919, als sein Aufenthalt in Mürzzuschlag durch den Tod seines<br />

Vaters überschattet wurde, hatte er ohne längere Atempause hart gearbeitet. Die<br />

Inflation hatte ihn um seine Ersparnisse gebracht, und alles, was ihm seine<br />

Berufstätigkeit eintrug, wurde sofort wieder <strong>von</strong> den Ausgaben fürs tägliche Leben<br />

aufgezehrt. Seine finanzielle Lage war so prekär geworden, daß sich Wilhelmine<br />

gezwungen sah, die Last mit ihm zu teilen. Nicht nur verzichtete sie auf eine<br />

Haushaltshilfe, die damals für eine bürgerliche Familie mit Kindern als unerläßlich<br />

angesehen wurde, sie übernahm auch Aufträge für ein W iener Geschäft, das sich auf<br />

Strickwaren spezialisierte. Sie arbeitete jeden freien Augenblick; selbst wenn sie mit<br />

den Kindern unterwegs war, konnte man sie mit Damensweatern und anderen<br />

Kleidungsstücken beschäftigt sehen. Obwohl die Entlohnung kärglich war, machte<br />

sie diese A rbeiten m ehrere Jahre lang; 1924, als W ebern damit begann, seine<br />

Einkommensquellen in einem Kontobuch festzuhalten, waren die Einkünfte seiner<br />

Frau noch immer zusammen mit seinen eigenen geführt. W ährend der schlimmsten


Jahre der Inflation, 1922-24, sah sich <strong>Webern</strong> genötigt, <strong>von</strong> Zeit zu Zeit Schätze aus<br />

seiner Bibliothek zu opfern, um den Familienetat aufzubessern. Eine Reihe dieser<br />

Verkäufe sind im Katalog seiner Bibliothek verzeichnet - so trennte er sich 1922 <strong>von</strong><br />

einer neunbändigen Luxusausgabe <strong>von</strong> Shakespeare.<br />

Im Frühjahr dieses Jahres bekam <strong>Webern</strong> Unterstützung <strong>von</strong> Schönberg. Ihm war<br />

es ein Bedürfnis, sich für die nie versagende Hilfsbereitschaft zu revanchieren, die<br />

ihm stets in Notzeiten zuteil geworden war; so schrieb er am 9. Juni an einen Mäzen<br />

in Prag: „Darf ich mich für meinen Freund Dr. <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> an Sie wenden?<br />

. . . Es geht ihm sehr schlecht! Trotz größter Plage ist er nicht imstande zu<br />

verdienen, was man für Frau und vier Kinder heute braucht. Besonders jetzt aber<br />

steht er dem Sommer ohne Einkommen gegenüber.“7 Schönbergs Initiative war<br />

offensichtlich ein rascher Erfolg beschieden, denn schon am 19. Juni konnte <strong>Webern</strong><br />

Berg mitteilen, daß seine Sorgen für den Sommer durch die Großzügigkeit eines<br />

Mäzens8 „ganz beträchtlich verringert worden sind“. Die Spende erlaubte es ihm,<br />

sich seinen vordringlichsten Wunsch zu erfüllen: einen langen Ferienaufenthalt mit<br />

Schönberg in Traunkirchen zu verbringen. Der Meister war für den Sommer dorthin<br />

zurückgekehrt und bezog diesmal Quartier in der Villa Spaun. <strong>Webern</strong> mietete sich<br />

mit seiner Familie in einer billigen Wohnung (mit Pianino) in der Nähe ein. Sie<br />

blieben dort <strong>von</strong> Mitte Juli bis Anfang September. Die idyllische Umgebung<br />

zusammen mit den anregenden abendlichen Besuchen bei Schönberg bot eine ideale<br />

Voraussetzung für einen erfreulich produktiven Aufenthalt. In seinem Brief an Berg<br />

vom 22. Juli äußerte <strong>Webern</strong> sein Entzücken über Berge, Wiesen, das kräftigende<br />

Klima, und was für eine wiederbelebende Wirkung all das auf ihn habe. „Ja, da<br />

herin, da kann ich mich viel schneller sammeln“, meinte er zu Berg, auf eines seiner<br />

Fünf geistlichen Lieder Bezug nehmend, das er an diesem Morgen komponiert<br />

hatte.<br />

<strong>Webern</strong> unterbrach seinen Aufenthalt in Traunkirchen für fast eine Woche und<br />

begab sich nach Salzburg zu einer Aufführung seiner Fünf Sätze für Streichquartett<br />

op. 5, die bei einem internationalen Fest für zeitgenössische Musik vorgesehen<br />

waren, das vom 7.-10. August abgehalten wurde. Dieses Fest, das in sieben<br />

Matinee- und Abendkonzerten Werke <strong>von</strong> 54 Komponisten aus 15 Ländern<br />

vorstellte, wurde zum Vorbild für die in Zukunft <strong>von</strong> der Internationalen<br />

Gesellschaft für Neue Musik veranstalteten Feste, einer Organisation, die offiziell<br />

am 11. August gegründet wurde.9<br />

<strong>Webern</strong>s Fünf Sätze waren für das Konzert am 8. August vorgesehen, zusammen<br />

mit Kompositionen <strong>von</strong> Nielsen, Rangstroem, Ravel, Busoni, Szymanowski,<br />

Wellesz, Finke und Pijper. Als vorletztes Stück im Programm angekündigt, wurde<br />

das Werk vom Amar-Quartett (Licco Amar, W alter Casper, Paul Hindemith und<br />

Maurits Frank) gespielt; es löste eine Schlägerei aus, die nur durch das Einschreiten<br />

der Polizei unterdrückt werden konnte. Die Störung ging <strong>von</strong> Wilhelm Grosz aus,<br />

einem Wiener Komponisten, der in einer der ersten Reihen saß. Ihm gegenüber auf<br />

der anderen Seite des Gangs befand sich der Architekt Adolf Loos, <strong>Webern</strong>s<br />

getreuer Gefolgsmann. „Es geschah während des stillen vierten Satzes, daß ein<br />

lauter Aufschrei ,furchtbar“ zu hören war“, berichtete ein Augenzeuge, der<br />

224


Komponist und Pianist Rudolph Ganz. „Es war H err Grosz, der gegen die neue<br />

Musik protestierte. Von der anderen Seite des Ganges kam ein ebenso lautstarkes<br />

,Maulhalten‘. Grosz bestand darauf, daß er seine Eintrittskarte bezahlt und deshalb<br />

auch ein Recht auf seine Meinung habe, worauf die beiden Herren sich erhoben und<br />

aufeinander losgingen. Die Hälfte der Zuhörer verließ ebenfalls ihre Plätze und<br />

beteiligte sich aktiv am Handgemenge. Das Quartett hatte inzwischen die Flucht<br />

ergriffen, und Polizei stürmte <strong>von</strong> allen Seiten herein. . . Es gab Zischen und<br />

Klatschen bei den beiden Lagern, als auf einmal <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> oben an der<br />

Orchestertreppe erschien und sich die überwältigenden Bravos der fortschrittlich<br />

Gesinnten und aller derer anhörte, die über diesen unentschuldbaren Zwischenfall<br />

entsetzt waren. Die Beifallsschlacht währte mindestens zehn Minuten, bis vom<br />

Podium angekündigt wurde, daß das Konzert abgebrochen werde. Jedenfalls wurde<br />

die Räumung des Saals <strong>von</strong> den Ordnungshütern befohlen. . . Am darauffolgenden<br />

Tag wurden etwa 50 Musiker eingeladen, das Quartett in einer Sonderaufführung in<br />

einem kleineren Saal eine Stunde vor dem Abendkonzert zu hören. Es war eine<br />

unvergeßliche Offenbarung.“ 10<br />

In seinem eigenen Bericht an Berg, den er am 12. August nach seiner Rückkehr<br />

nach Traunkirchen abfaßte, schrieb <strong>Webern</strong> dem Freund: „Was mein Q uartett<br />

anbelangt: Aufführung (Hindemith) sehr gut. Wirklich als Musik gespielt. Doch gab<br />

es leider wieder Skandal. Die ganze Aufführung war gestört durch Lachen.<br />

Immerfort Gelächter. Herr Grosz (der,Komponist*) hat besonders dabei mitgewirkt.<br />

So daß Loos, als der Kampf zwischen Zischen u. Klatschen tobte, aufs Podium<br />

sprang u. ungefähr folgende Worte sprach: ,Dieser Mensch hat die Aufführung<br />

durch ununterbrochenes Lachen gestört, er verdient dafür öffentlich gebrandmarkt<br />

zu werden.1Das alles weiß ich nur durch Bericht. Ich bin gleich aus dem Saal. Ich<br />

mußte schließlich am Podium erscheinen. Das tat ich, um öffentlich Loos die Hand<br />

zu drücken für seine prachtvollen Worte. Mein Quartett wurde am nächsten Tag in<br />

geschlossenem Kreis wiederholt. Die anwesenden Franzosen (Honegger, Poulenc,<br />

Wiener), Engländer (Bliss) waren sehr lieb u. sagten mir viel Herzliches.“ 11<br />

Die internationale Presse verlor keine Zeit, Einzelheiten über den Skandal zu<br />

berichten. Die journalistischen Aspekte der Affaire auskostend, beschrieb der<br />

Korrespondent des Londoner Daily Telegraph (9. September 1922) <strong>Webern</strong>s<br />

Erscheinen auf dein Podium inmitten des Tumults: „Nie habe ich einen verärgerteren<br />

Mann gesehen; er ist etwa 35, dürr und hager wie <strong>von</strong> chronischer Wut<br />

gezeichnet und aufrecht wie ein Ladestock. Es war erheiternd, ihn Angesicht zu<br />

Angesicht mit seinen Scharfrichtern zu sehen, als ob er sie umbringen wollte, dann<br />

aber sich eines anderen besann, in Bitternis die Hände wand, das Publikum mit<br />

Verachtung strafte und hochaufgerichtet im Künstlerzimmer verschwand.“ Nachdem<br />

der Schreiber die fatale Geschichte in allen Einzelheiten berichtet hatte, schloß<br />

er: „Wenn es nicht diese sich ständig wiederholenden Szenen gäbe, wäre diese<br />

Schule, die außer Schönberg niemand ernst nimmt, längst im Sande zerronnen.“12<br />

Die Meinungen der meisten anderen Musikkritiker waren gleichermaßen negativ,<br />

ob sie nun die Aspekte <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Musik oder die Sensation der Affaire in den<br />

Vordergrund stellten.<br />

225


Am 11. September schrieb <strong>Webern</strong> Berg <strong>von</strong> Mödling, daß sich der Sommer für<br />

ihn als nicht sehr produktiv erwiesen habe. Die Salzburger Affaire hatte ihn<br />

„herausgebracht“ . <strong>Webern</strong> war ein paar Tage früher <strong>von</strong> Traunkirchen zurückgekehrt,<br />

um die letzten Absprachen mit dem Konzertverein hinsichtlich der<br />

anstehenden drei Probekonzerte zu treffen, die einem Engagement für die gesamte<br />

Saison vorausgehen sollten. Bei der Ausarbeitung der Programme beschränkte er<br />

sich klugerweise auf das Standardrepertoire, da für jedes Konzert jeweils nur eine<br />

Probe zur Verfügung stand. Das erste war für den 17. September vorgesehen, mußte<br />

aber wegen eines Druckerstreiks auf den 24. September verschoben werden. Am<br />

Tag darauf schrieb Berg, der die Aufführung mit Schönberg besucht hatte, an seine<br />

Frau: „Das Konzert war großartig. <strong>Webern</strong> ist der größte lebende Dirigent, seit<br />

Mahler überhaupt der größte. Was der in der einen Probe erzielt hat, ist<br />

unbeschreiblich. Dieses Meistersinger-Vorspiel war aufregend wie ein erster oder<br />

letzter Symphoniesatz <strong>von</strong> Mahler, und die Fünfte Beethoven! Der Erfolg war<br />

kolossal. Vollständig ausverkauft.“<br />

Dieses erste Programm enthielt außer den bereits erwähnten Werken noch<br />

Schuberts Unvollendete. Auch das Konzert des folgenden Sonntags ging gut. Es<br />

bestand aus Mozarts Jupiter-Symphonie, Wagners Siegfried-Idyll und Bruckners<br />

Vierter Symphonie. Für das dritte Konzert sah <strong>Webern</strong> Beethovens Coriolan-<br />

Ouvertüre und das Violinkonzert sowie die Erste Symphonie <strong>von</strong> Brahms vor. Eine<br />

Ohrenentzündung zwang ihn jedoch, nicht nur dieses bereits geprobte Konzert<br />

abzusagen, sondern auch das für den folgenden Sonntag vorgesehene. Als er dann<br />

zur Probe für das Programm des 22. Oktobers zurückkehrte, wurden seine<br />

Hoffnungen auf ein Dauerengagement (das durch den Erfolg der beiden ersten<br />

Konzerte bereits gesichert erschien) plötzlich zunichte gemacht. <strong>Webern</strong> beschrieb<br />

die Umstände seines abrupten Rücktritts in einem Brief an Heinrich Jalowetz am 16.<br />

November: „In der Probe zum nächsten Konzert nun: Schubert C-dur, Mozart<br />

Violin-K. (Kolisch) u. Bizet L ’Arlesienne-Suite kam der Skandal. Ich probierte<br />

gerade diese Bizet-Suite..sie gieng wirklich herzlich schlechtstellte den I. Geigern<br />

eins aus. D a erhob sieh der I. Posaunist u. hielt eine Rede: ich irre mich, ich sei in<br />

keiner Musikschule, ich beleidige das Orchester mit jedem Wort, das sei keine A rt<br />

zu probieren, ich solle in ein Kino gehn um mir die nötige Routine zu holen. Bitte<br />

aber, man hatte in tadellosester Ruhe bis zu diesem Augenblick probiert. Ich hatte<br />

auch nicht den Eindruck, daß das mit Widerwillen geschähe. . . Auf die Rede dieses<br />

Posaunisten antwortete ich ganz ruhig u. sachlich u. leitete die Probe zu Ende (der<br />

Vorfall war ganz zu Beginn). U nter größter Aufm erksam keit u. einer Totenstille<br />

wurde probiert. Man hatte wohl bemerkt wie schwer man mich getroffen. In der<br />

Pause kam eine Deputation des Orchesters (darunter auch der Posaunist) u.<br />

versuchte einzulenken u. sich zu entschuldigen. Aber mein Entschluß war gefaßt:<br />

nach Rücksprache mit Schönberg telegrafierte ich dem Konzert-Verein, daß ich<br />

nach diesem Vorfall das Orchester nicht mehr dirigiere u. die Konzerte (auch das<br />

nächste schon) absage.“ <strong>Webern</strong> berichtete Jalowetz, daß sich daraufhin sowohl der<br />

Konzertverein als auch der Orchestervorstand in aller Form schriftlich bei ihm<br />

entschuldigten, was aber seine verletzten Gefühle nicht beschwichtigte. „Ich konnte<br />

226


nicht mehr nach dieser alles Maß überschreitenden Flegelei. Ja, das muß ich noch<br />

ergänzen: die ersten Sätze des Redners wurden <strong>von</strong> einzelnen Mitgliedern<br />

zustimmend apostrophiert. Aber ein begeisterter Anklang war nicht da. Es wurde<br />

mir erzählt, sie hätten so viel Respekt vor mir gehabt u. warum ich denn gegangen<br />

wäre. Ach nein; die Leute wollen absolut nicht probieren. Nicht einmal diese einzige<br />

Probe hätte ich ausnützen dürfen? Nein, dann Schluß! Was dieser Mensch unter<br />

Routine versteht das hoffe ich mir nie zu erwerben, auch im Kino nicht. Gott behüte<br />

mich davor.“ 33<br />

Dieser Vorfall, der alle Freunde schockierte und in Wien viel diskutiert wurde,<br />

bedrückte <strong>Webern</strong> auf lange Zeit. Um sich abzulenken, unterzog er sich einer<br />

Aufgabe, die ihn voll in Anspruch nahm: die Einrichtung <strong>von</strong> Schönbergs<br />

Kammersymphonie op. 9 für dasselbe kleine Instrumentalensemble, das auch<br />

Pierrot Lunaire verwendet. Die Anregung kam <strong>von</strong> Schönberg während ihres<br />

gemeinsamen Aufenthalts in Traunkirchen: es sollten auf diese Weise beide Werke<br />

in ein und demselben Programm gegeben werden können.<br />

Mitte Dezember fuhr <strong>Webern</strong> mit Polnauer und Steuermann zu einer Aufführung<br />

seiner Passacaglia am 17. des Monats in Prag.14 Zemlinsky, der dirigierte, gab das<br />

Werk zusammen mit Beethovens Neunter in einem seiner regulären Sinfoniekonzerte.<br />

<strong>Webern</strong> empfand große Genugtuung über diese Auszeichnung. Nach dem<br />

Konzert sandte er eine enthusiastische Botschaft an Schönberg; ihr fügte Zemlinsky<br />

einen Nachsatz zu, der den Erfolg <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s „außerordentlichem“ Werk<br />

bestätigte. D er aktive Einsatz der Universal Edition für <strong>Webern</strong>s Kompositionen<br />

begann Resultate zu zeigen. Auch Schönberg versuchte, die Karriere seines Jüngers<br />

zu fördern. In einem Brief vom 23. August 1922 an <strong>Josef</strong> Stransky, den Dirigenten<br />

der New Yorker Philharmoniker, rühm te er sowohl Berg wie auch <strong>Webern</strong> als „zwei<br />

wirkliche Musiker - nicht bolschewistische Analphabeten, sondern musikalisch<br />

gebildete O hren!“ . Ganz besonders empfahl, er die Passacaglia, „welche wiederholt<br />

mit Erfolg ohne Widerspruch aufgeführt wurde und nicht so ,gefährlich1<br />

ist“ .15<br />

Schönbergs Einschätzung wurde anscheinend auch <strong>von</strong> Franz Schalk geteilt, der<br />

die Passacaglia am 17. Februar 1923 in einem der Konzerte der exklusiven<br />

Gesellschaft der Musikfreunde dirigierte. Es war eine Art Wiederkehr; denn im<br />

selben Großen Saal des Musikvereins war das Werk am 4. November 1908 zum<br />

ersten Mal erklungen, als eine Gruppe <strong>von</strong> Schülern Schönbergs ein Orchester<br />

mietete, um ihre Kompositionen in einem ersten Versuch, <strong>von</strong> der Öffentlichkeit zur<br />

Kenntnis genommen zu werden, vorzustellen. In den 15 Jahren, die seither<br />

vergangen waren, wurde <strong>Webern</strong>s Opus 1 nur bei wenigen Anlässen gespielt, meist<br />

nur dann, wenn er selbst am Pult stand. Es erfüllte ihn jetzt mit umso größerer<br />

Genugtuung, es <strong>von</strong> so anerkannten Meistern wie Zemlinsky und Schalk interpretiert<br />

zu hören. Diese einzigartige Ehrung durch das führende Orchester seiner<br />

Vaterstadt bedeutete ihm ein gutes Omen für eine hellere Zukunft. Auch hatte sich<br />

die Reaktion <strong>von</strong> Publikum und Musikkritik seit 1908 grundlegend verändert, als<br />

die Uraufführung der Passacaglia auf lautstarke Ablehnung gestoßen war. Jetzt, am<br />

19. Februar, schrieb der Berichterstatter des Neuen Wiener Tagblatts: . . ein<br />

227


Werk voll Wärme und Wagnis, zusammengehalten durch die Klammern der Form.“<br />

Er stellte weiter fest, daß das Stück „mit Begeisterung aufgenommen“ und „der<br />

Komponist gerufen“ wurde und fügte hinzu: „Man bedauert, daß dieses Werk ein<br />

Opus 1 blieb, daß ihm nicht sechs, zwölf solche folgten: <strong>Webern</strong> wäre an führender<br />

Stelle.“<br />

Dieser Kritiker, der lediglich die Meinung der ewig konservativen Mehrheit<br />

vertrat, wäre zweifellos in Alarm versetzt worden, hätte er <strong>von</strong> einem Ereignis<br />

Kunde erhalten, das zufällig mit der Wiener Aufführung der Passacaglia zusammenfiel.<br />

An einem Morgen jenes Februars 1923 rief Schönberg seine engsten<br />

Mitarbeiter in seinem Mödlinger Heim16 zusammen und eröffnete ihnen zum ersten<br />

Mal die Grundprinzipien seiner Methode der „Komposition mit zwölf nur auf<br />

einander bezogenen Tönen“ , einer Technik, die dem Handwerk des Komponierens<br />

eine neue Dimension verleihen sollte (vgl. 18. Kapitel). Die revolutionäre Theorie<br />

hatte sich schon seit Jahren im Stadium der Evolution befunden. Verschiedene<br />

Komponisten, unter ihnen <strong>Josef</strong> Matthias Hauer und auch <strong>Webern</strong> selbst, hatten<br />

gleichzeitig und <strong>von</strong> einander unabhängig mit derselben Idee experimentiert.<br />

(Während des Sommers 1922 hatte <strong>Webern</strong> tatsächlich im Zusammenhang mit<br />

einer seiner Kompositionen - Opus 15, Nr. 4 - eine Zwölftonreihe entwickelt mit<br />

den sich aus ihr ergebenden funktionellen Möglichkeiten <strong>von</strong> Umkehrung und<br />

Krebs sowie Umkehrung des Krebsgangs.) Die neue Methode beantwortete die<br />

Suche nach einer Ausweitung der musikalischen Organisation. Mit ihren Anpassungsmöglichkeiten<br />

an kanonische und andere kontrapunktische Techniken erwies<br />

sie sich als besonders geeignet für <strong>Webern</strong>s spezifischen Genius.<br />

Diese historische Versammlung war natürlich nur eine <strong>von</strong> vielen in Schönbergs<br />

Heim, das seinen Freunden zu jeder Stunde offenstand. Es ist sicherlich die größte<br />

Verbeugung vor dem Lehrer Schönberg, daß seine Schüler auch dann noch seine<br />

Anregung und seine Führung suchten, nachdem sie längst unabhängig geworden<br />

waren und in ihrer eigenen Karriere bereits Anerkennung gefunden hatten. Als<br />

häufige Tischgäste nahmen sie an den vielen kritischen Diskussionen teil, in denen<br />

neue Ideen auf ihre Anwendbarkeit getestet wurden. Das Hauptkriterium für die<br />

Gültigkeit solcher Ideen war ihre Verbindung mit der Tradition, wie auch das<br />

Musizieren im Hause Schönberg ebenfalls in dieser Tradition verankert war.<br />

Polnauer bestätigt das, wenn er sich an diese Tage erinnert: „Im Hause<br />

Bernhardgasse 6 wurde an jedem Sonntagnachrnittag, mit Ausnahme der Sommerferien,<br />

Kammermusik gemacht. Es wurden ausnahmslos nur Werke der klassischen<br />

Meister gespielt. Am Bratschenpult saß Arnold Schönberg, Cello spielte <strong>Anton</strong><br />

<strong>Webern</strong>. Primarius war meist Rudolf Kolisch und am Flügel Eduard Steuermann.“ 17<br />

Die ersten Monate des Jahres 1923 erbrachten <strong>Webern</strong> Genugtuung, sowohl dem<br />

Komponisten wie auch dem Dirigenten. Das Havem ann-Q uartett18, ein für seine<br />

beispielhaften Wiedergaben berühmtes Ensemble, spielte die Fünf Sätze op. 5 in<br />

mehreren Konzerten in Berlin und andernorts, ohne sich durch den Salzburger<br />

Skandal im Vorjahr noch durch den Spott, den die meisten Kritiker auch weiterhin<br />

auf das Werk häuften, abschrecken zu lassen. Als Dirigent konzentrierte sich<br />

<strong>Webern</strong> nach seinen schlimmen Erfahrungen mit dem Schubertbund und dem<br />

228


Konzertverein jetzt auf die Arbeit mit dem Mödlinger Männergesangverein. Zur<br />

Feier seines 75jährigen Bestehens bereitete er mit dem Chor Schuberts Messe Nr. 6<br />

in Es-Dur vor19 - „das Herrlichste, was es gibt“, wie Berg seiner Frau vor der<br />

Aufführung schrieb, die am Sonntagvormittag des 13. Mai in der historischen Kirche<br />

<strong>von</strong> St. Othmar in Mödling stattfand. <strong>Webern</strong> hielt das Ereignis in seinem Tagebuch<br />

fest und fügte hinzu: „Mutters 70. Geburtstag“ . 17 Jahre nach ihrem Tode ehrte er<br />

das Angedenken seiner Mutter mit dieser unvergleichlichen Gabe.<br />

Zwei Wochen später bereitete sich W ebern auf eine Reise nach Berlin vor.<br />

Heinrich Jalowetz und Paul Pella hatten dort eine österreichische Musikwoche<br />

organisiert. Jalowetz dirigierte Schönbergs Gurrelieder und Pella Mahlers Achte<br />

Symphonie in jeweils zwei Aufführungen. Für einen speziellen „Novitäten-Abend“<br />

waren Orchesterlieder <strong>von</strong> Bittner, Steuermanns Klavierbearbeitung <strong>von</strong> Schönbergs<br />

Kammersymphonie op. 9, Zemlinskys Maeterlinck-Lieder op. 13, die<br />

Uraufführung <strong>von</strong> Bergs Drei Orchesterstücken op. 6 sowie <strong>Webern</strong>s Passacaglia<br />

vorgesehen. Auf Bergs Ersuchen übertrugen die Organisatoren der Festwoche die<br />

Leitung seiner Stücke <strong>Webern</strong>, der auch die Lieder <strong>von</strong> Bittner sowie sein eigenes<br />

Opus 1 dirigieren sollte. Während seines Berliner Aufenthalts wohnte <strong>Webern</strong> im<br />

Haus <strong>von</strong> Dr. Kurt Sachs. In drei Briefen berichtete er Schönberg, der sich Anfang<br />

Juni wieder in sein Sommerasyl nach Traunkirchen begeben wollte, über die<br />

Ereignisse der Woche. Das Orchester beschrieb er als „großartig“ und „bewunderungswürdig<br />

in seiner Ausdauer, in unermüdlichem Probieren“ . <strong>Webern</strong> fand Bergs<br />

Drei Orchesterstücke „unendlich schwer“ und er setzte Schönberg (dem sie zu<br />

seinem 40. Geburtstag gewidmet waren) <strong>von</strong> einer „peinlichen Situation“ in<br />

Kenntnis, die sich ergeben hatte: „Ich werde nur 2 (1. u. 2.) machen können“,<br />

schrieb er am 3. Juni.20 „Ich wollte es durchaus nicht. Doch hat Berg selbst mich<br />

gebeten, lieber die ersten zwei so klar als möglich zu bringen, als alle 3 nicht gut. Es<br />

fehlt absolut an Zeit, alle 3 klar zu machen. Du wirst böse sein darüber. A ber es ist<br />

wirklich so. Das ist zu schwer, ein solches ganz unklares Durcheinander würde<br />

bleiben, daß Berg gar nichts da<strong>von</strong> haben würde.“ Das Konzert, das am 5. Juni in der<br />

Philharmonie stattfand, war in jeder Hinsicht ein großer Erfolg, wie aus <strong>Webern</strong>s<br />

Bericht an Schönberg am darauffolgenden Tag hervorgeht: „Berg mußte etliche<br />

Male aufs Podium. Widerspruch ganz unbedeutend“ , und mit Genugtuung fügte er<br />

hinzu: „Mein Stück ist auch sehr gut gewesen.“<br />

Mit dem Beginn des Sommers sah sich W ebern wieder einmal mit einer längeren<br />

Periode ohne irgendwelche Aussicht auf eine einträgliche Arbeit konfrontiert. Das<br />

wenige Geld, das er während der Saison verdient hatte, war der verheerenden<br />

Inflation zum Opfer gefallen, die völlig außer Kontrolle geraten war. In seiner<br />

Verzweiflung wandte er sich an Schönberg, der in einer glücklicheren Lage war.<br />

Schönberg, der sich nunmehr weitreichender Berühmtheit erfreuen konnte, bezog<br />

Einkünfte aus vielerlei Quellen, darunter auch aus Ländern,die vom Währungsverfall<br />

nicht betroffen waren. Es stellt seinem Charakter ein hervorragendes Zeugnis<br />

aus, daß ihn seine verhältnismäßig gesicherte Existenz dazu bewog, seinen Einfluß<br />

für seine weniger glücklichen Musikerkollegen geltend zu machen. Als er <strong>von</strong> der<br />

„Friends’ Relief Mission“ erfuhr, einer unter dem Patronat der Quäker stehenden<br />

229


Wohltätigkeitsorganisation, die <strong>von</strong> dem in Philadelphia ansässigen Verlagshaus<br />

Theodore Presser verwaltet wurde, schlug er Berg, <strong>Webern</strong> und Hauer als<br />

notleidende und würdige Empfänger vor. Er stellte sogar sein Honorar für einen in<br />

der Pariser Zeitschrift Courrier Musical erschienenen Artikel einem Fond zur<br />

Verfügung, den die Gemeinde <strong>von</strong> Mödling zur Unterstützung bedürftiger Künstler<br />

ins Leben gerufen hatte. Er verwandte sich ganz besonders für <strong>Webern</strong>, indem er an<br />

einem Tag (9. Juli 1923) nicht weniger als drei beredte Briefe schrieb, an Madame<br />

Renee Hentsch in Genf, eine seiner eigenen Gönnerinnen, an einen M. Boissevain,<br />

einen Kunstmäzen in Holland, und an Werner Reinhart in Winterthur.21 Der<br />

letztere, ein vermögender Geschäftsmann und hervorragender Amateur-Klarinettist<br />

(Strawinsky widmete ihm seine Stücke für Solo-Klarinette), war nicht nur<br />

tonangebend im Schweizer Musikleben, sondern betätigte sich auch aktiv bei der<br />

Förderung verdienter Künstler in anderen Ländern. Zwei der angesprochenen<br />

Mäzene, M. Boissevain und W. Reinhart, reagierten sofort, letzterer mit der<br />

Überweisung <strong>von</strong> 500 Schweizer Franken. <strong>Webern</strong>s Dankbarkeit Dr. Reinhart<br />

gegenüber fand ihren Ausdruck in der Widmung seiner Fünf Lieder op. 4, die am 23.<br />

August im Druck erschienen. (In diesem Frühjahr hatte die Universal Edition<br />

bereits die Fünf Stücke für Orchester op. 10 herausgebracht, die der Veröffentlichung<br />

<strong>von</strong> Opus 1, 5 und 7 im Vorjahr folgten.)<br />

Wegen seiner finanziellen Notlage konnte sich <strong>Webern</strong> einen längeren Urlaub,<br />

wie den im Vorjahr in Traunkirchen, nicht leisten. Erst Ende Juli nahm er seine Frau<br />

und die beiden jüngeren Kinder (die beiden älteren befanden sich noch bei den<br />

Verwandten in Vordernberg und Klagenf urt) für eine Woche mit auf die Bürgeralm,<br />

hoch über dem Dorf Aflenz an der Baumgrenze gelegen. Das Leben dort war<br />

„außerordentlich billig“, schrieb er wie als Entschuldigung an Schönberg, der<br />

gerade seine finanziellen Bemühungen für W ebern in die Wege geleitet hatte. „D u<br />

hast es vielleicht als leichtsinnig befunden, daß ich im Ungewissen es wagte, mit<br />

meiner Familie eine mehrtägige Tour zu unternehmen. Aber, bei Gott, die<br />

Mehrauslagen waren gegen den Aufenthalt zuhause ganz unbedeutend“ , meinte er<br />

am 30. Juli nach seiner Rückkehr nach Mödling. „Das wußte ich schon vorher.<br />

Trotzdem war meine Frau ganz dagegen. A ber ich wollte ihr u. den Kindern ein<br />

wenig Vergnügen bereiten, deswegen gab ich ihr nicht nach . . . Es ist gar nicht zu<br />

sagen, welchen segensvollen Einfluß der mehrtägige Aufenthalt in solcher Höhe auf<br />

uns alle genommen hat. Ohne Übertreibung: die reinste körperliche Wiedergeburt<br />

. . . Ich habe die Christel fast bis am Hochschwabgipfel getragen, über Schneefelder,<br />

im eisigsten Bergsturm. (In einer Hirten-Hütte wärmten wir am Feuer unsere<br />

erfrorenen Glieder.) Noch niemals ist es mir ,da oben“so schön vorgekommen als<br />

diesmal mit meiner Familie.“<br />

Von diesem Sommer 1923 an sammelte <strong>Webern</strong> systematisch Ansichtskarten <strong>von</strong><br />

Orten, die er besuchte. Er verzeichnete Einzelheiten über Ferienunternehmungen<br />

auf der Rückseite der Karten, die er in beschrifteten Umschlägen auf bewahrte.22 Oft<br />

wurden gepreßte Gebirgsblumen, verwahrt in winzigen, sauber beschrifteten<br />

Falzblättern, beigelegt. Diese Umschläge bildeten <strong>Webern</strong>s geliebtes Erinnerungs-<br />

„Album“. Seine Liebe zu den Bergen und ihrer Flora findet ihren Niederschlag auch<br />

230


in seinem persönlichen Tagebuch, das er <strong>von</strong> 1923 an mit größerer Regelmäßigkeit<br />

führte, nachdem er in den vorangegangenen Jahren nur sehr sporadisch Eintragungen<br />

vorgenommen hatte. Notizen über seine berufliche Tätigkeit sind verhältnismäßig<br />

selten und werden auf Höhepunkte beschränkt. Die Tagebuchseiten waren<br />

größtenteils Familienereignissen Vorbehalten und Aufzeichnungen über Bergtouren.<br />

Sie waren die Angelpunkte, um die sich <strong>Webern</strong>s privates Dasein drehte, und sie<br />

erbrachten die Inspiration für seine schöpferischen Impulse. Es finden sich<br />

Eintragungen über Familienereignisse, die Außenstehenden trivial erscheinen<br />

mögen, die für ihn aber wichtig waren, wie etwa der Tag, an dem Peter anfing zu<br />

laufen, oder die Daten, an denen die Kinder der Reihe nach zum ersten Mal zur<br />

Schule gingen, nachdem sie vorher, wie es sich gehörte, die Messe besucht hatten.<br />

Der Kauf <strong>von</strong> Lederhosen für „Peterl“ oder „Christerls“ erster Versuch im<br />

Schlittschuhlaufen, all das war wichtig genug für eine eigene Eintragung. Notizen<br />

wie diese erscheinen im Tagebuch, bis die Kinder erwachsen waren. Sie beweisen<br />

vielleicht eindeutiger als alles andere die Liebe und Fürsorglichkeit, die <strong>Webern</strong><br />

jedem Mitglied seiner Familie entgegenbrachte. Eine der rührendsten Eintragungen,<br />

im März 1924 vorgenommen, betrifft „Peps“ , den Familienhund, dem <strong>Webern</strong><br />

einen langen und innig empfundenen Nachruf widmet.23<br />

Im Sommer 1923 komponierte <strong>Webern</strong> drei seiner Fünf Canons nach lateinischen<br />

Texten op. 16. Vor dem Wiederbeginn seiner Arbeit mit dem Mödlinger Männergesangverein<br />

im Herbst begab er sich Anfang September nach Traunkirchen, um<br />

Schönberg zum Geburtstag zu gratulieren. Kurz darauf mußte Mathilde Schönberg,<br />

die schon seit geraumer Zeit kränkelte, nach Wien gebracht werden. Sie starb einen<br />

M onat später am 22. Oktober. Schönberg traf dieser Verlust äußerst hart. Sein<br />

Schwager Zemlinsky versuchte zu helfen, wo er konnte, wie es auch der ganze Kreis<br />

der Freunde und Schüler tat. A ber Schönberg blieb deprimiert, in sich zurückgezogen<br />

und reizbar. Die häusliche Situation belastete ihn schwer. Sein junger Sohn<br />

„Görgi“ benötigte noch jemanden, der ihn betreute, und seine Tochter Trude, die<br />

mit Felix Greissle verheiratet war, hatte die Verantwortung für ihren eigenen<br />

Haushalt und konnte nur begrenzt helfen. Noch vor Ablauf eines Jahres verheiratete<br />

sich Schönberg wieder am 28. August 1924. Seine zweite Frau Gertrud, die<br />

attraktive, geistvolle und begabte Tochter eines prominenten Wiener Arztes, war<br />

die Schwester <strong>von</strong> Rudolf Kolisch, seit den Tagen des Vereins für musikalische<br />

Privataufführungen einer <strong>von</strong> Schönbergs vertrautesten Freunden.<br />

Kolisch, vom Beginn seiner Karriere ein Vorkämpfer der neuen Musik, hatte<br />

W eberns Vier Stücke op. 7 in sein Repertoire auf genommen. Mit Erna Gal24 am<br />

Flügel führte er das Werk in diesem Herbst in Wien auf - „ganz famos“, wie Berg<br />

seiner Frau am 22. November 1923 schrieb. Gleichfalls in diesem Herbst erklangen<br />

<strong>Webern</strong>s Streichquartett und George-Lieder in Konzerten der Prager Sektion des<br />

Vereins für musikalische Privataufführungen. Seine Musik war in dieser Saison auch<br />

im Programm eines Zyklus für Neue Musik in Hamburg vertreten, den <strong>Josef</strong> Rufer<br />

und Hans Heinz Stuckenschmidt nach dem Vorbild des Wiener Vereins ins Leben<br />

gerufen hatten.<br />

231


Am 7. Dezember dirigierte <strong>Webern</strong> das jährliche Herbstkonzert des Mödlinger<br />

Männergesangvereins. Ein paar Tage später begann er die Zusammenarbeit mit<br />

einem weiteren Chor, dem Singverein, eine Verbindung, die sich als äußerst<br />

fruchtbar erweisen sollte. Dieser Chor war 1919 auf die Initiative <strong>von</strong> David <strong>Josef</strong><br />

Bach als eines der Sonderprojekte der Kunststelle, des Kulturträgers der Sozialdemokratischen<br />

Partei, gegründet worden. Seine Aktivitäten hatten mangels eines<br />

geeigneten Leiters zu wünschen übrig gelassen. Dr. Bach hatte die Aufführung der<br />

Schubert-Messe am 13. Mai besucht und war äußerst beeindruckt <strong>von</strong> der Leistung,<br />

die <strong>Webern</strong> mit der Mödlinger Vereinigung bereits im Verlauf seiner ersten Saison<br />

erzielt hatte. Er erkannte <strong>Webern</strong>s Fähigkeiten und nahm mit ihm Verbindung auf<br />

im Hinblick auf ein Projekt, das ihm vorschwebte: der Ausbau des ursprünglichen<br />

Singvereins zu einem großen gemischten Chor der Arbeiterklasse, einem Klangkörper,<br />

der in der Lage wäre, im Rahmen der Arbeitersymphoniekonzerte die Meisterwerke<br />

der Chorliteratur vorzustellen. Dieser ehrgeizige Plan bedingte die Gründung<br />

eines aus Sängern aus der ganzen Stadt zu rekrutierenden Chors, der es mit den<br />

großen Wiener Chorgesellschaften aufnehmen konnte, um so den Beweis zu<br />

erbringen, daß auch eine Schar <strong>von</strong> Musikliebhabern aus dem Pi'oletariat zu einem<br />

künstlerisch einwandfreien Klangkörper geformt werden könnte. Zur ersten Probe<br />

am 13. Dezember erschienen etwa 80 Sänger25 (die Zahl erhöhte sich rasch).<br />

<strong>Webern</strong>s Verbindung mit dem Chor wurde zu einer der glücklichsten Perioden<br />

seiner Interpretenlaufbahn; ein Jahrzehnt <strong>von</strong> Erfolgen erbrachte ihm reichliche<br />

Anerkennung seiner mühsamen Arbeit und seiner Ziele. Während seiner ersten<br />

Saison unter <strong>Webern</strong> machte der Singverein nur sehr zögernd seine ersten Schritte in<br />

die Öffentlichkeit. Am 10. April 1924 verzeichnete W ebern in seinem Tagebuch<br />

sein Debüt im Rahmen eines Konzerts, das im Festsaal der Hofburg vom Verein für<br />

populäre Musikkultur veranstaltet wurde, mit drei Volksliedbearbeitungen <strong>von</strong><br />

Brahms (Abschiedslied, In stiller Nacht und Schnitter Tod), In einem zweiten<br />

Gastkonzert am 4. Juni dirigierte <strong>Webern</strong> den Singverein in einem Chorarrangement<br />

der Schönen blauen Donau <strong>von</strong> Johann Strauß. Das erste abendfüllende<br />

öffentliche Konzert fand dann im März 1925 statt.<br />

<strong>Webern</strong>s Übernahme der Leitung des Singvereins bedeutete für ihn eine<br />

beträchtliche Aufbesserung seiner ökonomischen Situation. Seine Monatsgage war<br />

zwar bescheiden, erhöhte sich aber ganz wesentlich, wenn der Chor in den<br />

Arbeitersymphoniekonzerten mitwirkte. Die monatlichen Bezüge vom Mödlinger<br />

Chor waren noch niedriger, aber die beiden Einkommensquellen zusammen sowie<br />

die aus seinem Privatunterricht ermöglichten es <strong>Webern</strong>, der Sintflut standzuhalten,<br />

die zu dieser Zeit jegliche finanzielle Stabilität hinwegfegte. 1924 nahm die<br />

Geldentwertung fantastische Dimensionen an. Den Verheerungen, die die aus der<br />

Kontrolle geratene Inflation anrichtete, konnte erst dann Einhalt geboten werden,<br />

als der nationale Bankrott ausgerufen wurde. D er Wert des Geldes wurde auf neuer<br />

Basis konsolidiert, als mit Wirkung vom 20. Dezember 1924 aus einer Million<br />

Kronen 100 Schillinge wurden. Noch bis Ende Februar 1925 trägt <strong>Webern</strong> seine<br />

Einkünfte in seinem Kontobuch in Kronen ein; dann werden Schillingbeträge<br />

notiert.<br />

232


W ebern eröffnete sein Kontobuch im Januar 1924 und führte es gewissenhaft bis<br />

zum Februar 1945 fort. Jeden M onat werden alle Einnahmen detailliert festgehalten.<br />

E r verwendet durchweg Abkürzungen, doch lassen sich die Namen <strong>von</strong><br />

Personen und Organisationen leicht entschlüsseln. Mit dem Beginn im Jahre 1924<br />

erscheinen die drei Privatschüler: Eisner, Manschinger und Zenk. Manschingers<br />

und Zenks Stundenhonorare entsprachen zusammen dem Monatseinkommen durch<br />

den Singverein, nämlich 500 000 Kronen. Eisner zahlte wesentlich mehr: 800000<br />

Kronen. Dagegen erhielt W ebern vom Mödlinger Männergesangverein nur 400 000<br />

Kronen im Monat. Zu diesen Einkünften aus eigener Arbeit kamen noch<br />

Zuwendungen der Presser Foundation (<strong>Webern</strong> gibt sie in seinem Tagebuch mit 10<br />

Dollars an und nennt den Gegenwert mit 694 400 Kronen) und des Anbruch Fonds,<br />

der <strong>von</strong> Paul Stefan verwaltet wurde (350 000 Kronen). <strong>Webern</strong>s Gesamteinkommen<br />

für 1924 betrug 45 534 600 Kronen. Im Januar allein hatte er 3 744 400 Kronen<br />

verdient. Während der folgenden Monate fluktuierte die Lage je nach der Anzahl<br />

der Schüler und gelegentlichen anderen Einkünften. So erhielt <strong>Webern</strong> am 11. März<br />

1924 <strong>von</strong> dem Wiener Nervenarzt Dr. Norbert Schwarzmarm ein „Ehrenhonorar“<br />

<strong>von</strong> 3 000 000 Kronen, fast genau so viel wie ein ganzes Monatseinkommen aus den<br />

anderen Quellen. Dem Tagebuch zufolge war der Anlaß ein Abend im Haus Dr.<br />

Schwarzmanns, in dessen Verlauf seine Fünf Sätze op. 5 und Vier Stücke op. 7 <strong>von</strong><br />

Kolisch und seinen Kollegen unter Mitwirkung der Pianistin Erna Gäl gespielt<br />

wurden. Die Soiree war <strong>von</strong> Adolf Loos im Anschluß an eine Wiedergabe dieser<br />

Werke in einem öffentlichen Konzert am 3. März angeregt worden. In einem Brief<br />

an Kolisch am Tag darauf verlieh W ebern seiner Niedergeschlagenheit Ausdruck,<br />

als er <strong>von</strong> diesem Konzert und dem „scheußlichen“ Restaurant sprach, in dem man<br />

nachher zusammensaß: „Ich bin mir vorgekommen wie unter Irrsinnigen u. bin<br />

besinnungslos da<strong>von</strong>, noch heute liegt das wie ein böser Traum auf mir , . . Ich<br />

konnte gestern abend bei meinen Stücken gar nicht zuhören: vor mir die ganze<br />

Reihe bog sich vor Lachen.“<br />

Dr. Schwarzmann (dem W ebern später seine Vier Lieder op. 13 widmete) war bei<br />

seiner Unterstützung <strong>von</strong> Schönberg, Berg und <strong>Webern</strong> außerordentlich großzügig.<br />

Sein Haus in der Krugerstraße 17 war Schauplatz vieler musikalischer Soireen.<br />

Schönbergs Serenade op. 24 erklang dort am 2. Mai 1924 vor einem geladenen<br />

Publikum zum ersten Male.26 W ebern, der das Kammerensemble vorbereitet hatte,<br />

erhielt dafür ein H onorar <strong>von</strong> 6 000 000 Kronen. Im Frühjahr desselben Jahres floß<br />

W ebern zusätzliche finanzielle Hilfe zu, verbunden mit der ersten offiziellen<br />

Anerkennung seiner Stellung im Wiener Musikleben: Am 1. Mai hielt er in seinem<br />

Tagebuch fest, daß er den „Preis der Stadt Wien“ erhielt, der sich auf 10000000<br />

Kronen belief. (Im vorhergehenden H erbst hatte er sich mit etwa 500 anderen<br />

Musikern um den Preis beworben.) In der offiziellen Benachrichtigung vom 29.<br />

April 1924 hieß es, daß <strong>Webern</strong>s Wahl durch die Jury - Julius Bittner, Joseph Marx<br />

und Richard Strauss - einstimmig erfolgt sei. Da der Preis auch an Berg verliehen<br />

wurde, war die Ehrung doppelt bedeutungsvoll in ihrer offenkundigen Förderung<br />

<strong>von</strong> Repräsentanten der Avantgarde. Das Glückwunschschreiben war unterzeichnet<br />

vom Oberbürgermeister <strong>von</strong> Wien, Dr. Karl Seitz. Er gab der Hoffnung<br />

233


Ausdruck, der Preis möge <strong>Webern</strong>s schöpferischen Geist zu noch größeren<br />

Leistungen beflügeln, die nicht nur den kunstsinnigen Bürgern Wiens sondern auch<br />

der gesamten deutschen Nation und der Welt Freude bringen würden. So<br />

schmeichelhaft diese Ehrung auch war, konnte <strong>Webern</strong> doch nicht umhin, sich über<br />

die Anonymität des bürokratischen Vorgangs Gedanken zu machen. Zwei Wochen<br />

vorher hatte Berg, der dem ersten Auftreten des Singvereins beigewohnt hatte, auf<br />

die Rückseite seines Programms geschrieben: „Bei diesem Konzert wurde <strong>Webern</strong><br />

dem Bürgermeister <strong>von</strong> Wien Dr. Seitz vorgestellt, welcher ihn frug: ,Sind Sie<br />

Berufsmusiker7 “ Aus Anlaß der Preisverleihung wurde eine kleine Ausstellung<br />

veranstaltet, die Arbeiten der Preisträger der verschiedenen Sparten zeigte. <strong>Webern</strong><br />

und Berg waren mit Manuskripten, Fotos und gedruckten Partituren vertreten. Ein<br />

paar Monate später schickte der Oberbürgermeister jedem <strong>von</strong> ihnen als Andenken<br />

an das festliche Ereignis eine Faksimileausgabe der Skizzen zu Mahlers Zehnter<br />

Symphonie, die unter dem Patronat der Witwe des Komponisten hergestellt worden<br />

war.27<br />

Die Anerkennung durch seine Vaterstadt tröstete <strong>Webern</strong> einigermaßen über<br />

eine Enttäuschung hinweg, die er kurz nachher erlebte. Das Manuskript der Fünf<br />

geistlichen Lieder op. 15, das er Anfang Februar beim Berkshire Kammermusikwettbewerb<br />

eingereicht hatte, wurde zurückgeschickt, ohne placiert worden zu sein.<br />

Andererseits erfüllte es ihn mit Genugtuung, daß zwei seiner Werke, die Sechs<br />

Bagatellen op. 9 und die Sechs Trakl-Lieder op. 14 zu Uraufführung beim Musikfest<br />

in Donaueschingen im Juli angenommen worden waren. Vorher fuhr er noch nach<br />

Prag zur Premiere <strong>von</strong> Schönbergs Monodram Erwartung am 6. Juni. Als<br />

Höhepunkt eines IGNM-Fests war die Aufführung einer <strong>von</strong> mehreren Beiträgen zu<br />

Ehren Schönbergs aus Anlaß seines bevorstehenden 50. Geburtstags. Nach seiner<br />

Rückkehr <strong>von</strong> Prag konzentrierte sich W ebern auf die Einstudierung des E n ­<br />

sembles, das er bei der Donaueschinger Uraufführung seiner Trakl-Lieder<br />

dirigieren sollte. Clara Kwartin28 war die Sängerin und Rudolf Kolisch führte die<br />

Instrumentalisten.<br />

Das Musikfest <strong>von</strong> Donaueschingen wurde in diesem Jahr zwar erst zum vierten<br />

Mal begangen, war aber bereits zum bevorzugten Treffpunkt der musikalischen<br />

Elite und der internationalen Presse geworden. Das jährlich stattfindende Ereignis,<br />

für dessen Zustandekommen die Gesellschaft der Musikfreunde verantwortlich<br />

zeichnete, erfreute sich der Schirmherrschaft des Fürsten Egon <strong>von</strong> Fürstenberg, der<br />

an die teilnehmenden Künstler persönliche Einladungen ergehen ließ und sein<br />

weitläufiges Schloß zu Empfängen öffnete, die die gesellschaftlichen Höhepunkte<br />

darstellten. Die Wiener Komponisten des Jahres 1924 waren außer <strong>Webern</strong> Arnold<br />

Schönberg (dessen Serenade op. 24 zum ersten Mal öffentlich erklang) und <strong>Josef</strong><br />

Matthias Hauer.<br />

<strong>Webern</strong> begab sich am Abend des 17. Juli auf die Reise nach Donaueschingen; er<br />

fuhr die ganze Nacht und den ganzen darauffolgenden Tag. Seine beiden<br />

Kompositionen wurden in der Sonntagsmatinee vom 20. Juli aufgeführt. Die Kritik<br />

widmete seinen Werken lange Berichte und würdigte ihn einhellig als eine<br />

einzigartige musikalische Persönlichkeit. Ein Berichterstatter nannte ihn „eine Art<br />

234


musikalischer Beardsley“ (Neue Zürcher Zeitung, 25. Juli). Zu den Bagatellen hieß<br />

es, daß sie „alles Bisherige überboten durch ihre sekundenhafte Kürze und ihre<br />

klanglichen Kühnheiten . . . Ihre sozusagen aus dem Unbewußten auftauchenden<br />

Stimmen hatten, obwohl sie jenseits aller üblichen formalen Begriffe stehen, etwas<br />

seltsam Zwingendes an sich“ {Dresdner Neueste Nachrichten, 25. Juli). Ein anderer<br />

Kritiker sah in den Quartettstücken „eine Konzentriertheit des musikalischen<br />

Denkens, eine Knappheit im Ausdruck, die selbst den unvorbereiteten Zuhörer <strong>von</strong><br />

der Geistigkeit dieses inneren Musikers überzeugen“ ( Wiener Morgenzeitung, 27.<br />

Juli). Zu den Trakl-Liedern meinte ein Rezensent, daß „sie durch ihre bizarren<br />

zackigen Rhythmen und Melodien in geradezu erstaunlicher Weise die schwerblütige,<br />

breit dahinströmende, dunkel strahlende Musik der Traklschen Verse<br />

vergewaltigen. Wenn man allerdings <strong>von</strong> Trakl absieht, so machen die Lieder<br />

<strong>Webern</strong>s in rein musikalischer Hinsicht einen höchst eigenartigen Eindruck“<br />

{Deutsche Allgemeine Zeitung, 26. Juli).<br />

Kurz nach seiner Rückkehr, am 23. Juli, berichtete <strong>Webern</strong> Berg: „Die Fahrt<br />

durch Tirol und übern Bodensee - der kolossal bewegt war und groß ist wie ein Meer<br />

- wundervoll. Aufnahme in Donaueschingen sehr schön. Schönberg wohnte im<br />

Schloß, ich in einem Privathaus; ausgezeichnet. Hielten noch diverse Proben.<br />

Sonntag vormittag meine Quartettstücke und Lieder. Mit dem Hindemith-Quartett<br />

konnte ich leider nicht mehr probieren.29 Aufführung aber doch sehr gut. Nach den<br />

ersten zwei Stücken Gelächter. Dachte schon daran, meine Lieder nicht aufzuführen.<br />

Schließlich Beruhigung. Die Lieder gingen ausgezeichnet. Die Kwartin<br />

bewährte sich glänzend. Sang wirklich schön, tadellos rein und sehr überzeugend<br />

und hatte einen sehr großen Erfolg. — Sonntag abends wirklich prachtvolle<br />

Aufführung der Serenade.“30<br />

In diesem Sommer veröffentlichte die Universal Edition, <strong>Webern</strong>s wachsendem<br />

Ansehen gerecht werdend, nicht nur die Bagatellen und die Trakl-Lieder sondern<br />

auch die Drei kleinen Stücke für Violoncello und Klavier op. 11. Im Herbst folgten<br />

die Fünf geistlichen Lieder op. 15. Mit offensichtlicher Genugtuung hielt <strong>Webern</strong><br />

die Daten der Veröffentlichungen in seinem Tagebuch fest.<br />

Das Tagebuch enthält auch einen ausführlichen Bericht über einen zehntägigen<br />

Urlaub, der am 25. Juli begann und W ebern und seine Familie wieder auf die<br />

Bürgeralm führte, deren Bergeinsamkeit ihnen im V orjahr so gut gefallen hatte. Ein<br />

H öhepunkt ihres Aufenthalts war wiederum eine Besteigung des Hochschwabs, die<br />

in allen ihren Phasen ausführlich beschrieben wird. So kurz bemessen diese Zeit der<br />

Erholung auch war, so zeugen <strong>Webern</strong>s Aufzeichnungen <strong>von</strong> der Intensität, mit der<br />

er jede Stunde in der Abgeschiedenheit der Gebirgswelt genießen und Betrachtungen<br />

über die einzigartigen Erscheinungsformen der Natur an den Grenzen<br />

pflanzlichen Lebens anstellen konnte. Er besaß die seltene Gabe, eine jede derartige<br />

Unternehm ung -- und dauerte sie nur einen oder zwei Tage - zu einem Erlebnis zu<br />

machen, das sein ganzes Ich zu revitalisieren imstande war. Er war sich dieser<br />

latenten Energiequelle durchaus bewußt und suchte die Höhen, so oft er nur konnte.<br />

Vom Frühjahr bis in den Herbst ließ er kaum einen M onat verstreichen, ohne einen<br />

Ausflug zu unternehmen, und manches Mal wagte er eine Bergbesteigung sogar<br />

235


mitten im Winter. Am häufigsten besuchte <strong>Webern</strong> die Rax und die Schneealpe,<br />

Gipfel, die Wien am nächsten liegen, doch manchmal ging es zu ferneren Zielen,<br />

selbst wenn sie eine Nachtfahrt mit der Bahn erforderten. Trotz <strong>Webern</strong>s<br />

Geldknappheit stellten solche Ausflüge keinen Luxus dar, da die Kosten kaum ins<br />

Gewicht fielen. Eisenbahnfahrten waren billig, ebenso Übernachtungen auf Hütten.<br />

Als abgehärtetem Bergsteiger machte es <strong>Webern</strong> nichts aus, auf einer einfachen<br />

Matratze oder im Heu zu nächtigen. Um unabhängig zu sein, trug er, anspruchslos<br />

wie er war, alle notwendige Verpflegung in seinem Rucksack mit sich und begnügte<br />

sich mit einem Napf heißer Suppe oder einem Glas Milch, selbst dann, wenn fertige<br />

Mahlzeiten angeboten wurden. Körperliche Anstrengungen schreckten ihn nie ab,<br />

ebensowenig die Unbilden des Wetters. Nur wer selbst Bergsteiger ist, kann sich<br />

einen Begriff <strong>von</strong> dem Enthusiasmus und dem Durchhaltevermögen machen, die<br />

diese Leidenschaft erfordern. Ein volles Erfassen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Persönlichkeit ist<br />

ohne die Einbeziehung seiner Passion für die Berge, die an Besessenheit grenzte,<br />

nicht möglich. Hinter seiner stillen Sanftmut verbarg sich eine geradezu verbissene<br />

Hartnäckigkeit, eine Zähigkeit, die ihn in die Lage versetzte, bereitwillig Anstrengungen<br />

auf sich zu nehmen, die <strong>von</strong> anderen als nutzlos oder gar als ausgesprochene<br />

Torheit angesehen werden. Die Parallele zu W eberns Leben als schöpferischer<br />

Musiker ist unverkennbar.<br />

Nach seiner Rückkehr am 4. August begann <strong>Webern</strong> mit den Vorbereitungen zu<br />

einer ausgefüllten Saison. Sie begann am 10. August mit der Teilnahme des<br />

Singvereins an einer „Festakademie“ aus Anlaß des 50. Geburtstags <strong>von</strong> David<br />

<strong>Josef</strong> Bach (veranstaltet im Grünen Tor, Lerchenfelderstraße 14), in deren Verlauf<br />

<strong>Webern</strong> seinen Chor in Brahms’ Vertonung <strong>von</strong> Abschiedslied, Maiers Schatz, wo<br />

fehlt es Dir?, Strauß’ A n der schönen blauen Donau und Mozarts Scherzkanon<br />

dirigierte. „Mit meiner Arbeit ist es einstweilen aus“ , schrieb er Berg am 29. August,<br />

als er ihm mitteilte, daß seine Chorproben zu Schönbergs Die glückliche Hand zwei<br />

Tage zuvor begonnen hatten, daß sie täglich stattfanden und viele Stunden in<br />

Anspruch nahmen. (In seinem Kontobuch zählt W ebern nicht: weniger als 29 Proben<br />

in der Volksoper und 14 in der Staatsoper auf, die ihm 6 100 000 Kronen eintrugen.)<br />

Schönbergs expressionistisches Drama nach einem eigenen Libretto war in der<br />

Wiener Volksoper am 14. Oktober zur Uraufführung vorgesehen, fast elf Jahre nach<br />

Beendigung der Partitur. Fritz Stiedry dirigierte die Premiere und der Komponist<br />

eine Reprise. In seinem Bericht an Zemlinsky .. „der Erfolg war glänzend“ -<br />

erwähnte <strong>Webern</strong>, daß das Werk in einem Doppelprogramm mit Schuberts „ganz<br />

entzückender“ Oper Der häusliche Krieg unter der Leitung <strong>von</strong> Jalowetz gegeben<br />

wurde.<br />

Die Schönberg-Premiere war Teil der Festlichkeiten aus Anlaß des 50.<br />

Geburtstags des Komponisten am 13. September. An diesem Tag fand ein offzieller<br />

Festakt im Wiener Rathaus statt, bei dem Mitglieder des Staatsopernchors unter<br />

Felix Greissle den Chor Friede auf Erden op. 13 sangen und das Bläserquintett op.<br />

26, gespielt <strong>von</strong> einem Ensemble der Wiener Philharmoniker, uraufgeführt wurde.<br />

Am Vorabend gab es ein Essen im Privatkreis in Mödling,31 in dessen Verlauf<br />

<strong>Webern</strong> im Namen des um den Meister versammelten Kreises ein in Leder<br />

236


gebundenes Album überreichte, das eine große Sammlung <strong>von</strong> Fotos <strong>von</strong> Familie<br />

und Freunden enthielt. In Frankfurt wurde eine ganze Reihe <strong>von</strong> Festkonzerten zu<br />

Ehren Schönbergs veranstaltet, und in der ganzen Welt fanden zahlreiche<br />

Aufführungen seiner Werke statt. Die Universal Edition projektierte eine Arnold-<br />

Schönberg-Bibliothek für moderne Musik, die zeitgenössische Partituren für<br />

Studienzwecke verfügbar machen sollte. Die M usikblätter des Anbruch widmeten<br />

ihm ein Sonderheft mit Artikeln und Zeugnissen seiner engsten Freunde und<br />

Kollegen. <strong>Webern</strong>s kurzer Beitrag faßte seine Empfindungen in diesen Sätzen<br />

zusammen: „Zwanzig Jahre ist es gerade her, daß ich Schüler Arnold Schönbergs<br />

geworden bin. Aber, wie sehr ich mich auch bemühe, ich kann den Unterschied<br />

zwischen damals und heute nicht fassen. Freund und Schüler: immer war der eine<br />

der andere. Und dieser Anfang. . . Jubelnde: Kein Anfang und kein Ende!1(,Die<br />

Jakobsleiter*)“32<br />

Am 9. Oktober, inmitten der fieberhaften Schlußproben für die Uraufführung<br />

<strong>von</strong> Die glückliche Hand, wurden auch <strong>Webern</strong>s Fünf geistliche Lieder op. 15<br />

uraufgeführt. Das Ereignis ist im Tagebuch des Komponisten festgehalten. Die<br />

intensiven Vorbereitungen für die beiden Uraufführungen, die regelmäßigen<br />

Proben mit dem Singverein und dem Mödlinger Männergesangverein und nicht<br />

zuletzt <strong>Webern</strong>s Privatstunden könnten vermuten lassen, daß an eigenes Schaffen<br />

nicht zu denken war. Und dennoch erlebten der Zyklus der Fünf Canons op. 16<br />

sowie <strong>Webern</strong>s erste Komposition in strenger Zwölftontechnik, das Kinderstück, in<br />

diesem Herbst ihre Vollendung.<br />

237


16. Opus 12—16 —Unvollendete Projekte<br />

Bearbeitungen (1914-4924)<br />

Dieses Kapitel befaßt sich mit <strong>Webern</strong>s Schaffen <strong>von</strong> 1914 bis 1924, einer Periode,<br />

die vorwiegend der Liedkomposition gewidmet war. Im Hinblick auf die große<br />

Anzahl <strong>von</strong> Werken, vollendeten wie auch unvollendeten, die auf diese Zeitspanne<br />

entfallen, und nicht zuletzt auch wegen der ineinander übergreifenden Chronologie,<br />

erweist es sich aus Gründen der Übersichtlichkeit als zweckdienlich, diese Werke in<br />

drei Gruppen zu erörtern. Die vollendeten Liederzyklen (Opus 12 bis Opus 16)<br />

sollen zuerst beschrieben werden; danach folgen die vielen unvollendet gebliebenen<br />

Projekte und schließlich die Bearbeitungen eigener Werke wie auch solcher <strong>von</strong><br />

Schönberg.<br />

Opus 12 bis 16<br />

Die Drei kleinen Stücke für Violoncello und Klavier op. 11, die im Frühjahr 1914<br />

komponiert wurden, waren - streng genommen - <strong>Webern</strong>s letzte Verlautbarungen<br />

im aphoristischen Stil, der ihn über eine Reihe <strong>von</strong> Jahren hinweg in seinem Bann<br />

gehalten hatte. In Befolgung der Anregung Schönbergs hatte er bereits mit der<br />

Komposition einer ausgedehnteren Form einen Versuch unternommen, der Cello-<br />

Sonate, hatte sie aber um der Drei kleinen Stücke willen beiseite gelegt, nachdem er<br />

schon einen Satz entworfen hatte. Dann, im gleichen Frühjahr 1914, begann eine<br />

lange Periode vokalen Komponierens, die bis hin zu den Zwei Liedern op. 19 (1926)<br />

dauern sollte und lediglich durch ein paar instrumentale Versuche unterbrochen<br />

wurde, die nie vollendet wurden. Die Vertonung eines Gedichts kann offensichtlich<br />

nicht knapper ausfallen als der Bogen seines Texts. Wenn sich also <strong>Webern</strong> jetzt<br />

wieder dem Lied zuwandte, kam das einer selbst auferlegten Disziplinierung gleich,<br />

die ihm helfen sollte, mit seiner immer komprimierter werdenden Ausdrucksweise<br />

zu brechen und zu ausgedehnteren musikalischen Strukturen zu finden.<br />

Dank der Angewohnheit des Komponisten, seine Manuskripte zu datieren, ist es<br />

möglich, die Entstehung der vielen Lieder seit 1914 zu rekonstruieren. Es wird sich<br />

herausstellen, daß die Zyklen Opus 12 bis 15 keineswegs in chronologischer<br />

Reihenfolge Gestalt annahmen. Im Gegenteil, die einzelnen Lieder entstanden in<br />

sich überschneidenden Zeiträumen und anscheinend ohne einen vorgefaßten Plan<br />

für ihre schließliche Einordnung in ein bestimmtes Werk. So wurde Die Einsame, als<br />

erstes Lied <strong>von</strong> Opus 13 geschrieben, ein Jahr bevor <strong>Webern</strong> zwei der Lieder<br />

komponierte, die dann im Zyklus Opus 12 ihren Platz fanden. Der Doppelkanon<br />

Fahr hin, o Seel1, der später die Fünf geistlichen Lieder op. 15 beschließen sollte,<br />

wurde in Wirklichkeit als erstes komponiert (1917), während die anderen vier viel<br />

238


später entstanden (1921-22). Ein weiteres Beispiel sind die sechs 1917 geschriebenen<br />

Lieder, die dann auf Opus 12, 13, 14 und 15 verteilt wurden. Um zu einem<br />

exakten chronologischen Überblick zu gelangen, soll die Entstehung jedes einzelnen<br />

Liedes nachgezeichnet werden.<br />

Die Tendenz zu längeren Kompositionen begann mit den Drei Orchesterliedern<br />

(1913-14). Als <strong>Webern</strong> Schönberg am 2. Mai 1914 das Manuskript <strong>von</strong> Leise Düfte<br />

schickte (das Lied, das später diesen Zyklus eröffnen sollte), legte er die Reinschrift<br />

eines weiteren, soeben komponierten Orchesterliedes bei. Es war Die Einsame nach<br />

einem Text <strong>von</strong> Wang-Seng-Yu aus einer Sammlung chinesischer Gedichte, Die<br />

chinesische Flöte, in freier deutscher Übertragung <strong>von</strong> Hans Bethge. Auf einer<br />

Skizze zu Die Einsame findet sich eine Notiz <strong>Webern</strong>s, derzufolge sie in der<br />

Kremsergasse 1 in Wien im Jahr 1914 geschrieben wurde. Als Tag ist der 16.<br />

genannt, der Monat ist nicht zu entziffern. Vermutlich war es der Februar, denn am<br />

18. dieses Monats teilte <strong>Webern</strong> Schönberg mit, daß er je ein Gedicht aus der<br />

Chinesischen Flöte und Strindbergs Gespenstersonate vertone. Der letztere Text war<br />

Schien m ir’s, als ich sah die Sonne, denn er taucht in einem Entwurf auf, der „Winter<br />

1913-14“ datiert ist. <strong>Webern</strong> setzte das Strindberg-Gedicht zuerst für Chor -<br />

Sopran und Alt - mit Solopartien für Knabenstimmen unter Hinzufügung <strong>von</strong><br />

Instrumenten in Particell. Die Anregung zu dieser Kombination kam zweifellos <strong>von</strong><br />

Berg, der voller Enthusiasmus auf Strindbergs Einfügungen musikalischer Situationen<br />

in einigen seiner Dramen hingewiesen hatte und dabei besonders einen Chor<br />

erwähnte, der aus Sopran- und Altstimmen bestand und <strong>von</strong> Streichern und Harfe<br />

begleitet wurde.1 <strong>Webern</strong>s erstes Konzept <strong>von</strong> Schien m ir’s, als ich sah die Sonne<br />

bestand aus einer Skizze <strong>von</strong> nur fünf Takten; er wandelte im weiteren Verlauf diese<br />

musikalische Ausgangsidee in eine Vertonung für Singstimme und Klavier um (wie<br />

sie heute als Op. 12, Nr. 3 bekannt ist). D er Entwurf in dieser Form trägt das Datum<br />

31. Januar 1915. Im gleichen M onat hatte W ebern, ebenfalls für Singstimme und<br />

Klavier, Der Tag ist vergangen (Op. 12, Nr. 1) nach einem Volksliedtext<br />

komponiert. Die Skizzen sind 13. Januar 1915 datiert. In diese Zeit fällt auch neben<br />

unvollendeten Skizzen zu zwei Trakl-Liedern ein erster Entwurf <strong>von</strong> In der Fremde,<br />

einem Gedicht des Li Tai-po aus der Chinesischen Flöte. Die Skizzen, „Hietzing<br />

1915“ datiert (<strong>Webern</strong>s Wohnsitz, bevor er im Februar einberufen wurde), sind für<br />

Singstimme und Instrumente, doch unterscheiden sich die musikalischen Vorstellungen<br />

völlig <strong>von</strong> der Version des Jahres 1917.<br />

Die 22 Monate <strong>von</strong> W eberns Soldatenzeit - Februar 1915 bis Dezember 1916 -<br />

entbehren so gut wie jeglicher schöpferischen Aktivität, abgesehen <strong>von</strong> ein paar<br />

Anläufen, Wiese im Park, ein Gedicht <strong>von</strong> Karl Kraus, zu komponieren. Die<br />

erhalten gebliebenen Entwürfe - zwei <strong>von</strong> ihnen sind „Leoben 1916“ datiert - sind<br />

für Singstimme mit Instrumenten bzw. Singstimme und Klavier. Die Vertonungen<br />

weisen gewisse Ähnlichkeiten in der Behandlung auf, unterscheiden sich jedoch<br />

wesentlich <strong>von</strong> der endgültigen Fassung <strong>von</strong> 1917. Die Zeit in Leoben war für<br />

<strong>Webern</strong> das Ende seines Daseins in Uniform. Dort genoß er ein gewisses Maß an<br />

Privatleben und hatte ein Klavier zu seiner Verfügung, was nach vielen Monaten<br />

musikalischer Entbehrungen mehr als willkommen war. Es bot sich ihm auch eine<br />

239


Gelegenheit zum Kammermusikspiel, eine Anregung, unmittelbar nach seiner<br />

Entlassung ein Streichquartett in Angriff zu nehmen, als er Anfang Januar 1917<br />

wieder einen festen Wohnsitz in Wien hatte.<br />

Die erste vollendete Komposition dieses Jahres war Gleich und Gleich für<br />

Singstimme und Klavier nach einem Gedicht <strong>von</strong> Goethe. Der Entwurf trägt das<br />

Datum 31. März. Ein paar Tage später, am 10. April, skizzierte <strong>Webern</strong>, ebenfalls<br />

für Singstimme und Klavier, Die geheimnisvolle Flöte, ein weiteres Gedicht <strong>von</strong> Li<br />

Tai-po aus der Chinesischen Flöte. Mit diesen beiden Liedern war der Zyklus der<br />

Vier Lieder op. 12 vollständig, veröffentlicht wurde er allerdings erst im Sommer<br />

1925. Das Werk erschien in dieser Reihenfolge: 1. D er Tag ist vergangen, 2. Die<br />

geheimnisvolle Flöte, 3. Schien m ir’s, als ich sah die Sonne, 4. Gleich und Gleich. Das<br />

erste Lied erschien als Vorabdruck bereits im Mai 1922. als Beilage zu den<br />

Musikblättern des Anbruch. <strong>Webern</strong>s Exemplar dieser Veröffentlichung, das sich im<br />

Nachlaß fand, enthält zahlreiche Korrekturen und Zusätze, die dann später in der<br />

Ausgabe der Universal Edition berücksichtigt wurden. <strong>Webern</strong> schickte Berg ein<br />

Exemplar der letzteren, das am 12. Oktober 1925 die folgende Reaktion auslöste:<br />

„Es erscheint mir, als sähe ich Dich auf ganz neue Weise. Welch ein Ton in dem<br />

Strindberg-Lied. Und überhaupt, welch eine Vielfalt in den 4 Liedern. Das letzte<br />

z. Bsp.: eine solche Anmuth, die findet sich sonst in der ganzen Musikliteratur nicht<br />

wieder; so ein Lied <strong>von</strong> Dir ist für mich geradezu ein Freudenspender, ein Spender<br />

einer mein ganzes Sein überstrahlenden Freude. Wie wenn an trüben Tagen<br />

plötzlich die Sonne hervorbricht und man gar nicht weiß, warum man plötzlich froh<br />

wird. Mit dem Duft der Blumen ist es ja gerade so . . .“<br />

In seinem Tagebuch verzeichnet <strong>Webern</strong>, daß die Vier Lieder im Januar 1927<br />

uraufgeführt wurden, gibt aber keine Einzelheiten. Eine Tagebucheintragung <strong>von</strong><br />

1926 besagt: „Im Okt. holl. Sängerin Gleich und Gleich gesungen.“ Am 25. Oktober<br />

1929 führte Ruzena Herlinger mit dem Pianisten Stefan Askenase im Palais des<br />

Beaux-Arts in Brüssel eine Gruppe <strong>von</strong> Liedern auf, die den Zyklen Opus 4 und 12<br />

entnommen waren. Im gleichen Jahr waren drei der Vier Lieder in Frankfurt zu<br />

hören. <strong>Webern</strong> verzeichnete in seinem eigenen gedruckten Exemplar die Aufführungszeiten<br />

der einzelnen Lieder wie folgt: I. 2 rk-~3\ II. 3‘, III. 2 1/2%IV. V.<br />

D er Schaffensdrang, der auf <strong>Webern</strong>s Entlassung aus der Armee folgte, setzte sich<br />

in Klagenfurt fort, wohin sich der Komponist am 24. Mai 1917 begab, bevor er im<br />

August nach Prag ging. In diesen Wochen inspirierten ihn der Frühsomrner und die<br />

liebliche Landschaft Kärntens zu einer Überfülle musikalischer Ideen. <strong>Webern</strong><br />

versuchte, mit dem Streichquartett voranzukommen, aber wieder nahm die<br />

Vokalkomposition eine vorrangige Stellung ein. Am 1. Juli berichtete er Berg, daß<br />

er wieder tief im Komponieren stecke. Zuerst habe er eine Menge experimentiert.<br />

Doch „jetzt sind mir zwei Orchesterlieder, glaub ich, gut gelungen“. Eines war<br />

Wiese im Park <strong>von</strong> Karl Kraus und das andere A bendland III nach einem Gedicht<br />

<strong>von</strong> Trakl. Eine Woche vorher hatte <strong>Webern</strong> Schönberg mitgeteilt, daß er mit zwei<br />

Liedern beschäftigt sei, und er fügte hinzu: „Ich gewinne allmählich wieder Klarheit.<br />

Das verdanke ich Deinem Pierrotf“ Am 13. Juni hatte er erwähnt, daß er die<br />

Partituren <strong>von</strong> Pierrot, Erwartung und der George-Lieder2 mitgenommen habe.<br />

240


,,. . . bin fast ausnahmslos mit Deiner Musik beschäftigt“, schrieb er. „Jeden Tag<br />

spiele ich in diesen Werken.“<br />

Der Entwurf <strong>von</strong> Wiese im Park (Op. 13, Nr. 1), des Gedichts <strong>von</strong> Kraus, mit<br />

dessen erstem Kompositionsversuch <strong>Webern</strong> im Herbst 1916 in Leoben begonnen<br />

hatte, trägt das Datum 16. Juni 1917. Abendland III wurde in der folgenden Woche<br />

skizziert. Dieses Gedicht <strong>von</strong> Georg Trakl war nur eine der vielen Schöpfungen des<br />

österreichischen Lyrikers, die den Komponisten zur musikalischen Realisierung<br />

inspirierten.3 Es gab 15 Vertonungen, <strong>von</strong> denen aber nur 7 vollendet wurden;<br />

da<strong>von</strong> war Abendland III (Op. 14, Nr. 4), am 23. Juni 1917 skizziert, die erste.<br />

<strong>Webern</strong>s Tagebuch verzeichnet eine Bergtour auf die Klagenfurter Hütte am 5.<br />

und 6. Juli. Von dort schickte er Schönberg einen Gruß mit der Meldung: „Ich habe<br />

ein 3. Orchesterlied beendet.“ Diese Bemerkung bezog sich wahrscheinlich auf In<br />

der Fremde (Op. 13, Nr. 3),4 das Gedicht, an dessen Vertonung sich <strong>Webern</strong> bereits<br />

1915 versucht hatte. Am 20. Juli wurde der letzte Entwurf des Doppelkanons Fahr<br />

hin, o Seel’ (Op. 15, Nr. 5) beendet. Ihm waren zwei vorbereitende Skizzen<br />

vorausgegangen, die lediglich Klagenfurt 1917 bezeichnet sind. Auf einem Zettel,<br />

der sich später in seinem Exemplar <strong>von</strong> Strindbergs Blaubuch wiederfand, hatte der<br />

Komponist die Verse aufgeschrieben, wobei er als Quelle „P. R. Erdsegen, 13. Juni<br />

1917, Klagenfurt“ angab. (Erdsegen ist eines der Bücher <strong>von</strong> Peter Rosegger.)<br />

<strong>Webern</strong> bezeichnete zwar alle vier der während der zwei Klagenfurter Monate<br />

vollendeten Kompositionen als „Orchesterlieder“, doch bewog ihn ihre unterschiedliche<br />

Instrumentation dazu, sie auf drei Zyklen zu verteilen ( Wiese im Park<br />

und In der Fremde wurden Op. 13, Abendland III Op. M und Fahr hin, o Seel’ Op. 15<br />

zugeordnet).<br />

Am 18. August schrieb W ebern aus Prag an Berg: „Jetzt trauere ich um den<br />

Sommer, d. h. urn die Zeit, wo ich arbeiten konnte. Ich bin auf gute Wege<br />

gekommen. Schönberg bestätigte mir das. Jetzt schreibe ich schon ganz anders. Vier<br />

Orchesterlieder habe ich komponiert. Geschlossener Klang, lange Themen zum<br />

Teil, überhaupt ganz was anderes als vor dem Krieg. Ich spürte das schon lange. Jetzt<br />

wäre ich so gut im Komponieren. Da muß ich im Theater sein . . . Ja, es regt sich<br />

mein Gewissen. Wir sind verpflichtet, zu schreiben.“ Als Schönberg sich über seine<br />

letzten Produkte lobend äußerte, entgegnete <strong>Webern</strong> becheiden am 12. September:<br />

„Erst heuer wieder habe ich doch eigentlich versucht direkt Deinen Pierrot zu<br />

copieren.“ Mit Befriedigung fuhr er fort: „Daß ich gerade so was Eigenes leiste, sagt<br />

mir Dein Urteil über meine Kompositionen.“<br />

Die Hektik der Spielzeit im Prager Theater, die sieh bis Ende Mai 1918 hinzog,<br />

ließ <strong>Webern</strong> keine Muße für eigene schöpferische Arbeit. Erst nachdem er in<br />

Mödling Wohnung genommen hatte, konnte er erneut ans Komponieren denken.<br />

W ährend des Sommers und Herbstes 1918 versuchte er, verlorene Zeit wieder<br />

wettzumachen, indem er mehrere Projekte in Angriff nahm. Nach einem abermaligen<br />

Versuch mit seinem Streichquartett wandte er sich einer Reihe <strong>von</strong> Liedern zu,<br />

drei weiteren Trakl-Vertonungen: Die Sonne, Gesang einer gefangenen Am sel und<br />

Ein Winterabend. Nur die letztere wurde bis zu Ende skizziert; sie trägt das Datum<br />

10. Juli 1918. Dieses Jahr, das auch in die Druckausgabe einging, war für das Jahr<br />

241


der Fertigstellung gehalten worden. In Wirklichkeit aber wurde das Manuskript des<br />

Liedes vom Jahr 1918 mit „nicht zur Veröffentlich, bestimmt - 1922 umgearbeitet“<br />

beschriftet. Das Tintenmanuskript der Neufassung, das im März 1922 angefertigt<br />

wurde und als Vorlage für die Veröffentlichung diente, zeigt eine so radikale Überarbeitung,<br />

daß 1922 und nicht 1918 als das Datum der endgültigen Komposition<br />

anzusehen ist. Wie dem auch sei, Ein Winterabend beschließt die Reihe der<br />

Orchesterlieder, die <strong>Webern</strong> nunmehr unter dem Titel Vier Lieder op. 13<br />

zusammenfaßte. Der Zyklus wurde der Universal Edition im Februar 1925<br />

übergeben und ein Jahr später in der folgenden Reihenfolge veröffentlicht: 1. Wiese<br />

im Park, 2. Die Einsame, 3. ln der Fremde, 4. Ein Winterabend. Die beiden ersten<br />

Lieder verwenden 13 Instrumente, das dritte 9 und das letzte 10. Das Werk ist Dr.<br />

Norbert Schwarzmann, <strong>Webern</strong>s Gönner und Freund, gewidmet. Gleichzeitig mit<br />

der Partitur wurde auch der vom Komponisten stammende Klavierauszug herausgegeben.<br />

Skizzen zu dieser Bearbeitung tragen das Datum Februar 1924.<br />

In den Vier Liedern op. 13 machen sich zunehmende Verwendung <strong>von</strong><br />

Dreierrhythmen und eine sich steigernde polyphone Verdichtung bemerkbar. Das<br />

Werk erlebte seine Uraufführung am 16. Februar <strong>1928</strong> in Winterthur in einem<br />

Konzert des Musikkollegiums im Stadthaussaal. Die Sängerin war Clara Wirz-Wyss<br />

und der Dirigent Hermann Scherchen. Das Konzert, auf dessen Programm auch<br />

Schönbergs Kammersymphonie op. 9 stand, wurde anschließend in Zürich<br />

wiederholt. Zu welchem Ausmaß <strong>Webern</strong>s Musik ihrer Zeit voraus war, geht aus<br />

dem Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung vom 21. Februar <strong>1928</strong> hervor: „Zur<br />

musikalischen Lyrik ist die mit raffinierten Mitteln antönende, der Phantasie des<br />

Hörers Vieles überlassende, auf den späten Schönberg zurückzuführende Sprache<br />

nicht geeignet. . . Merkwürdig, daß W ebern nicht mehr aphoristische Gedichte als<br />

die komponierten <strong>von</strong> Kraus, Trakl und die chinesischen Texte gewählt hat. Von<br />

ihrem Gedanken- und Stimmungsgehalt kommt auch nicht das Geringste in der<br />

Musik auf. Verfehltere Lyrik kann es nicht geben.“<br />

Die Aktivitäten des Vereins für musikalische Privataufführungen, die im<br />

November 1918 ihren Anfang machten, nahmen <strong>Webern</strong>s Kräfte während der Zeit<br />

seines Bestehens so völlig in Anspruch, daß er, abgesehen <strong>von</strong> einigen A rrangements,<br />

die er ausschließlich für Aufführungen des Vereins anfertigte, keine Zeit zu<br />

schöpferischer Arbeit fand mit Ausnahme der Sommerpausen. Nach der anstrengenden<br />

ersten Saison verbrachte er einen ausgedehnten Urlaub in Mürzzuschlag, wo<br />

sein aufgestauter Schaffensdrang in einer raschen Folge <strong>von</strong> Werken Befreiung<br />

fand. Er begann mit einem Orchesterlied nach einem Gedicht <strong>von</strong> Kraus, kehrte<br />

jedoch, ohne das Projekt zu Ende zu führen, zu Trakls Lyrik zurück. Im Juli 1919<br />

vollendete er vier Vertonungen: Abendland II (7. Juli), Gesang einer gefangenen<br />

Am sel (11. Juli), Nachts (18. Juli) und Abendland I (28. Juli). (Verschiedene<br />

Entwürfe zu Gesang einer gefangenen Am sel datieren zurück bis 1917 und 1918.)<br />

<strong>Webern</strong> war so beglückt über den steten Fluß seiner Inspiration, daß er Berg am 1.<br />

August 1919 mitteilte5: „Ich habe 4 Lieder nach Trakl-Gedichten geschrieben. Mit<br />

Begleitung <strong>von</strong> Es-Klar., B-Klar., Baß-Klar., Geige und Vcl. in verschiedenen<br />

Kombinationen; bis auf eines [Gesang einer gefangenen Amsel] alle mit 3<br />

242


Instrumenten. Vor 2 Jahren habe ich schon einen Trakl in dieser A rt komponiert;<br />

das habe ich wieder aufgegriffen und so jetzt einen Zyklus <strong>von</strong> vorläufig 5 Trakl-<br />

Liedern mit dieser kleinen Besetzung fertig.“<br />

Mit der Bemerkung „vorläufig“ ließ <strong>Webern</strong> offen, ob er die Trakl-Gruppe<br />

erweitern würde. Er hatte bereits mit der Arbeit an verschiedenen weiteren<br />

Vertonungen begonnen, aber erst zwei Jahre später vollendete er Die Sonne. Das<br />

war in der Tat die erste Komposition, die er seit Juli 1919 zu Ende führte. In dem<br />

arbeitsreichen Sommer 1920 fand <strong>Webern</strong> kaum Zeit zu eigenem Schaffen.<br />

Frustriert hatte er Berg am 17. August geschrieben, daß er „nichts“ während der<br />

sonst so fruchtbaren Jahreszeit hervorgebracht habe. „Solches empfinde ich wie eine<br />

Schuld“, bekannte er. „Aber es war mir nicht möglich.“<br />

Nachdem <strong>Webern</strong> den ganzen Juli 1921 einer Kammerversion <strong>von</strong> Schönbergs<br />

Glücklicher Hand gewidmet hatte, konnte er Berg am 6. August mitteilen, daß er<br />

jetzt wieder komponiere und daß er hoffe, gut damit voranzukommen. Der Entwurf<br />

zu D ie Sonne ist mit „Mödling, 12. August 1921“ bezeichnet. (Eine frühere Skizze<br />

ist 1918 datiert.) Dann ging <strong>Webern</strong> daran, die Gruppe der sechs vollendeten Trakl-<br />

Lieder in einem Zyklus anzuordnen, wobei er Die Sonne an den Anfang stellte,<br />

gefolgt <strong>von</strong> Abendland I, Abendland II, Abendland III, Nachts und Gesang einer<br />

gefangenen Amsel. Das Werk wurde in dieser Anordnung Ende Juli 1924 <strong>von</strong> der<br />

Universal Edition unter dem Titel Sechs Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Georg Trakl op.<br />

14 veröffentlicht. Das Exemplar der Druckausgabe, das er Schönberg schickte,<br />

überschrieb <strong>Webern</strong> „post festum“, ein Hinweis auf die Uraufführung des Werks ein<br />

paar Tage zuvor, am 20. Juli, auf dem Musikfest <strong>von</strong> Donaueschingen. Diese erste<br />

Aufführung dirigierte der Komponist selbst; Clara Kwartin hatte den Vokalpart<br />

übernommen, und Rudolf Kolisch führte das Instrumentalensemble. In seinem<br />

eigenen Exemplar der gedruckten Partitur verzeichnete W ebern die Gesamtspieldauer<br />

des Werkes mit 15 Minuten, die Stoppzeiten der einzelnen Lieder fielen<br />

jedoch drei Minuten kürzer aus: I. 2' II. 2 1/?,' III. 2 ’/?/ IV. 2' V. 1' VI. 2'. U nter dem<br />

umfangreichen Quellenmaterial zu den Trakl-Liedern befinden sich auch zwei<br />

Manuskripte eines Klavierauszugs. Einer, der mir die Klavierstimme enthält, ist<br />

„Oktober-Novem ber 1923“ bezeichnet;6 der andere, der sowohl die Singstimme als<br />

auch das Klavier beinhaltet, ist undatiert.7<br />

Die bedeutsame Stellung, die <strong>Webern</strong>s Opus 14 in seiner Gesamtentwicklung<br />

innehat, kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Im Vergleich zu seinem Opus<br />

13 zeigen die Lieder sowohl in ihrer vokalen wie auch instrumentalen Behandlung<br />

einen Fortschritt, der erstaunlich ist. Die Textur, aus vier bis fünf Stimmen gewoben,<br />

ist dichter und die Verwendung des Kontrapunkts konsistenter geworden. Wenn<br />

auch diese strenge polyphone Strukturierung eine Affinität zu Pierrot Lunaire nicht<br />

verleugnet, war es doch Schönberg selbst, der anerkannte, daß <strong>Webern</strong> durchaus<br />

seine eigene Sprache gefunden habe. Stilistisch stellt die Wiedergabe der Trakl-<br />

Lieder höchste Anforderungen an die Ausführenden. „Meine Trakl-Lieder sind so<br />

ziemlich das Schwerste, was es auf diesem Gebiet gibt. Unzählige Proben wären<br />

notwendig“, schrieb der Komponist an <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> am 30. Dezember 1929, um<br />

Plänen einer Aufführung in Wien den Wind aus den Segeln zu nehmen.8<br />

243


■<br />

Nach der Komposition <strong>von</strong> Die Sonne Anfang August 1921 begab sich <strong>Webern</strong><br />

auf einen kurzen Ausflug in die Berge. Am Schluß dieser Reise besuchte er die<br />

Gräber der Eltern, und unter dem Eindruck dieses Erlebnisses nahm er unmittelbar<br />

nach seiner Heimkehr ein neues Projekt in Angriff. In rascher Folge entwarf er zwei<br />

Orchesterlieder: Das Kreuz, das m ußt’ er tragen, am Schluß 28. August datiert, und<br />

In Gottes Namen aufstehn mit dem Datum 3. September. Am 27. August ließ er Berg<br />

wissen, daß er wieder Lieder komponiere. Nach Trakl waren es jetzt „alte geistliche<br />

Gesänge“, die ihn bewegten. Nichts anderes werde er komponieren, bis er sie alle<br />

vollendet habe, da die Verse „adäquate Anschauungen“ ausdrückten, die ihn<br />

zutiefst berührten. Alles, war er jetzt brauche, sei viel mehr Zeit. Als er das<br />

Vorhaben in Angriff nahm, sei er „furchtbar verzweifelt“ und „entsetzlich<br />

bedrückt“ gewesen. Jetzt könne er aber verstehen, weshalb er „. . . gewisse Zeit<br />

brauche, vor allem jetzt unter all diesen so erschwerten Lebensverhältnissen usw.,<br />

um zu richtiger Concentration zu gelangen“, wie er Berg schrieb. „Jetzt hätte ich sie,<br />

aber schon wieder ist Schluß.“<br />

Die Tatsache, daß <strong>Webern</strong> Das Kreuz, das m ußt’ er tragen und In Gottes Namen<br />

aufstehn im Abstand <strong>von</strong> nur einer Woche komponierte, bezeugt, daß er imstande<br />

war, mit größter Schnelligkeit zu produzieren, sobald seine schöpferischen Energien<br />

nach langen repressiven Perioden wieder freigesetzt waren. Die umfangreiche Reihe<br />

<strong>von</strong> Liedern, die in kürzestem Zeitraum im Verlauf der Sommer 1917, 1919 und<br />

1921 entstanden, sind schlüssiger Beweis für diese Beobachtung. Leider mußte mit<br />

Beginn einer jeden neuen Saison der nie enden wollende Zwang, das Notwendigste<br />

für den Lebensunterhalt zu beschaffen, den Vorrang vor schöpferischen Am bitionen<br />

haben. Das Versiegen seines Schaffensdrangs beklagte er dann bitterlich. Als<br />

dieser Sommer 1921 zu Ende ging, schrieb er Berg am 6. September, er „lege eine<br />

Sammlung geistlicher Lieder an“ , um dann am 19. September resigniert zuzugeben,<br />

er sei „kaum zu einem Abschluß gelangt“ .<br />

Zu diesem Abschluß kam es erst im darauffolgenden Sommer. <strong>Webern</strong> begab sich<br />

nach Traunkirchen mit großer Vorfreude auf „die Aussicht, endlich wieder<br />

ungestört doch vielleicht 2 Monate hindurch arbeiten zu können“ , wie er Schönberg<br />

vor der Abreise schrieb.9 Am 22. Juli 1922 berichtete er Berg, es gehe ihm sehr gut,<br />

außer daß ihn viel Lärm störe. Immerhin saß er den ganzen Tag über an seiner<br />

Arbeit und hatte am gleichen Vormittag ein weiteres Lied des Zyklus der<br />

Geistlichen Lieder vollendet. Er fuhr fort: „Es beschäftigen mich eine geistliche<br />

Kantate - ich komme nicht los <strong>von</strong> solchen Texten..weiters die Idee, ein Q uartett zu<br />

schreiben (das seit ziemlich lange schon) u. Lieder.“<br />

Das Lied, das <strong>Webern</strong> an diesem Vormittag beendete, war Morgenlied nach<br />

einem Text aus Des Knaben Wunderhorn. Vier Tage später, am 26. Juli, vollendete<br />

er Mein Weg geht jetzt vorüber.10 Diese beiden Lieder sollten die einzigen<br />

schöpferischen Ergebnisse des Sommers sein; denn der Skandal, den die Aufführung<br />

seiner Fünf Sätze op. 5 bei dem Salzburger Musikfest Anfang August<br />

hervorrief, verdarb ihm die Stimmung für den Rest seines Aufenthalts in<br />

Traunkirchen. Anstatt seine Idee einer „geistlichen Kantate“ weiterzuverfolgen,<br />

beschäftigte er sich damit, die beiden im Vorjahr geschriebenen mit den zwei neuen<br />

244


Liedern und dem 1917 komponierten Fahr hin, o Seel’ zu einem Zyklus<br />

zusammenzufügen. Unter dem Titel Fünf geistliche Lieder op. 15 wurden sie in der<br />

Reihenfolge 1. Das Kreuz, das mußt’ er tragen, 2. Morgenlied, 3. In Gottes Namen<br />

aufstehn, 4. Mein Weg geht jetzt vorüber, 5. Fahr hin, o Seel’ angeordnet.<br />

Das Instrumentalensemble besteht aus Flöte, Klarinette (auch Baßklarinette),<br />

Trompete, Harfe und Violine (auch Bratsche). Die Dichte des polyphonen Gewebes<br />

und die Subtilität der rhythmischen Behandlung treten noch stärker in Erscheinung<br />

als in den Trakl-Liedern. Fahr hin, o SeeV ist ein Doppelkanon in Gegenbewegung.<br />

Ein Kanon beginnt in der Trompete und der Klarinette, ein anderer in der<br />

Singstimme und der Violine. Der Rest des Ensembles setzt später ein, indem er sich<br />

an der Aufteilung der kanonischen Bestandteile nach Art der Klangfarbenmelodie<br />

beteiligt. Dieses Stück lag dem Komponisten besonders am Herzen, was die Zahl<br />

eigenhändiger Abschriften zu erkennen gibt, die er seinen Freunden schenkte.11<br />

<strong>Webern</strong> war so fest da<strong>von</strong> überzeugt, daß er mit seinem letzten Werk einen<br />

Höhepunkt erreicht habe, daß er es ein Jahr später beim Berkshire Kompositionswettbewerb<br />

einreichte. Dieser Wettbewerb wurde im Zusammenhang mit dem<br />

jährlich stattfindenden Berkshire Chamber Music Festival veranstaltet, das unter<br />

dem Patronat <strong>von</strong> Mrs. Elizabeth Sprague Coolidge stand, die durch ihr Mäzenatentum<br />

für zeitgenössische Musik bekannt war. Der Komponist setzte große Hoffnungen<br />

auf seine Einsendung, hielt er doch in seinem Tagebuch als Absendedatum den<br />

8. Februar 1924 fest sowie den Kode C + M JrB , unter dem die Partitur eingereicht<br />

wurde. (Diese Initialen beziehen sich zweifellos auf die Heiligen Drei Könige<br />

Caspar, Melchior und Balthasar. In vielen alpenländischen Bauerngemeinden ist es<br />

Brauch, diese Buchstaben mit Kreide über die Haustüren zu malen, um so Unheil<br />

fernzuhalten.) Doch am 27. Mai registriert eine weitere Tagebucheintragung<br />

Enttäuschung: „Meine geistlichen Lieder aus Amerika zurückgekommen.‘‘ Von<br />

den 104 eingesandten Manuskripten wählte die Jury in diesem Jahr La Belle Dame<br />

sans Merci <strong>von</strong> Wallingford Riegger als preisgekrönte Komposition, Two Assyriern<br />

Prayers <strong>von</strong> Frederick Jacobi wurde mit einer lobenden Erwähnung bedacht.12 Am<br />

9. O ktober des gleichen Jahres dirigierte W ebern die Uraufführung seiner Fünf<br />

geistlichen Lieder in einem Konzert in der W iener Secession. Die Sängerin war<br />

Felicie Hüni-Mihacsek, und das Ensemble bestand aus Mitgliedern des Wiener<br />

Staatsopernorchesters. Einen M onat später brachte die Universal Edition Partitur<br />

und Stimmen heraus („prachtvoll gestochen“, wie der Komponist mit Genugtuung<br />

auf einer Postkarte an Berg am 29. August 1924 vermerkte, als er die Korrekturen<br />

las). <strong>Webern</strong>s eigener Auszug für Singstimme und Klavier harrt noch der<br />

Veröffentlichung.13<br />

Viele der Texte, die <strong>Webern</strong> zur Vertonung wählte, sind religiösen Charakters,<br />

vom Liturgischen bis zum Pantheistischen. Während die Gedichte der Fünf<br />

geistlichen Lieder gläubige, volksliedhafte Züge trugen, waren die Texte, die das<br />

nächste Werk des Komponisten inspirierten, wörtlich dem katholischen Brevier<br />

entnommen, einem Buch, das die täglichen Gottesdienste und Gebete enthält. Am<br />

30. Juli 1923, nach einem kurzen Urlaub in den Bergen, schrieb <strong>Webern</strong> an<br />

Schönberg: „Meine Arbeit ist, glaube ich, jetzt im Gange. Zuerst habe ich viel<br />

246


herumoperiert, angefangenes wieder verschmissen. Deswegen habe ich Dir auch<br />

nichts Näheres berichtet. Plötzlich wars wieder da. Es wird, so hoffe ich, ein Cyclus<br />

lateinischer, kirchlicher Gesänge. Ich habe mir dazu vom Pfarrer das ,Brevier4<br />

ausgeliehen. D a ist alles drin: Hymnen, Psalmen u. s. w. Das ist ein herrliches Buch,<br />

dieses Brevier, 4 Bände. Für jede Jahreszeit ein Band.“ W ebern wählte aus diesem<br />

Kompendium einige Textstellen aus und schrieb nach ihnen zwei kanonische<br />

Vertonungen für Singstimme, Klarinette und Baßklarinette. Crux fidelis, eine<br />

Hymne aus der Karfreitagsliturgie, wurde am 8. August beendet und Asperges me,<br />

ein Psalmvers, der gewöhnlich als Antiphon in der Sonntagsmesse gesungen wird,<br />

am 21. August. Zu diesen zwei Kanons trat Dormi Jesu; es wurde auf ähnliche Weise<br />

auf einen Volksliedtext aus Des Knaben Wunderhorn vertont, mit Sicherheit schon<br />

zu einem früheren Zeitpunkt dieses Sommers, da <strong>Webern</strong>, als er Berg am 21. Juli<br />

<strong>von</strong> seiner Arbeit in Kenntnis setzte, hinzufügte: „Eines ist schon fertig.“<br />

Am 23. August, zwei Tage nach der Vollendung <strong>von</strong> Asperges me, schrieb <strong>Webern</strong><br />

wieder an Berg, daß er durch seine körperliche Verfassung [er litt an einer<br />

Mandelentzündung und Magenbeschwerden] und „auch aus inneren Gründen . . .<br />

schwere Stunden (Tage, Wochen)“ hinter sich habe, wie er im einzelnen berichtet.<br />

„Und so ist die Ausbeute bis jetzt nicht sehr groß. Obwohl ich nicht einen<br />

Augenblick locker ließ (viel angefangen, manches mehrmals, vieles wieder stehen<br />

lassen), kann ich wohl sagen: also, die Reihe der lateinischen Lieder beträgt bis jetzt<br />

drei. Wahrscheinlich ist sie auch damit zu Ende. Ich will jetzt was anderes arbeiten.<br />

Diese drei Lieder sind nun Canons. Und zwar das erste [Dormi Jesu:] Gesang mit<br />

Klarinette (Canon in der Umkehrung); das zweite [Crux fidelis] ein dreistimmiger<br />

Canon in gerader Bewegung (Gesang, Klarinette, Baßklarinette); das dritte<br />

[Asperges me] ein zweistimmiger Canon in gerader Bewegung (Gesang und<br />

Baßklarinette). Im Ton ganz <strong>von</strong>einander verschieden. Das erste eine Art<br />

Wiegenlied (im Text) der Maria; das zweite eine Antiphon (Gesang, Gebet) an das<br />

Crucifix. Das dritte eine Anrufung (geweihtes Wasser). Das Ganze schließt sich<br />

musikalisch, glaube ich, in Form und Ausdruck. Vielleicht bleibt es also bei diesen<br />

dreien.“ Als <strong>Webern</strong> aber Schönberg einen Tag später schrieb, ließ er das Projekt<br />

offen, indem er meinte: „Vielleicht kommen noch welche dazu.“<br />

Die Verpflichtungen der Saison, die ihm noch mehr abverlangten als in den<br />

vorangegangenen Jahren und sich auch noch über den ganzen kommenden Sommer<br />

hinweg erstreckten, machten W eberns schöpferische Pläne wieder einmal zunichte.<br />

D er Entwurf zu Crucem tuam adoramus, einem Text aus der Karfreitagsliturgie,<br />

enthält den Vermerk „Angefangen August 1924“ ; es dauerte aber noch bis zum 29.<br />

O ktober —nach den Uraufführungen seiner Fünf geistlichen Lieder op. 15 und<br />

Schönbergs Glücklicher H and - bis dieser Kanon für Singstimme, Klarinette und<br />

Baßklarinette beendet war. Skizzen früherer Fassungen wurden, anscheinend im<br />

nachhinein, mit „schon Sommer 1923?“ bezeichnet. Als ob er verlorene Zeit wieder<br />

wettmachen wollte, wandte sich der Komponist alsbald einer weiteren Arbeit für die<br />

gleiche Kombination zu. Christus factus est, ein Text aus den Philippern 2, 8-9, der in<br />

der Liturgie als Gründonnerstag-Graduale Verwendung findet, wurde am 12.<br />

November 1924 vollendet. W ebern, der den Zyklus jetzt für komplett befand,<br />

247


placierte die drei im Vorjahr geschriebenen Kanons als Gruppe zwischen die zuletzt<br />

komponierten. Noch unter dem Titel „Lateinische Lieder op. 16“ im Originalmanuskript,<br />

wurde das Werk dann <strong>1928</strong> durch die Universal Edition als Fünf<br />

Canons nach lateinischen Texten op. 16 in dieser Anordnung veröffentlicht: 1.<br />

Christus factus est, 2. Dormi Jesu, 3. Crux fidelis, 4. Asperges me, 5. Crucem tuam<br />

adoramus. Eine Uraufführung zu <strong>Webern</strong>s Lebzeiten ist nicht nachzuweisen.14<br />

Die Singstimme, für hohen Sopran geschrieben, erfordert virtuose Technik und ist<br />

in so starkem Maße in die Gesamttextur integriert, daß jeder Kanon eher wie eine<br />

abstrakte instrumentale Invention wirkt als eine Vokalkomposition im herkömmlichen<br />

Sinn. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, daß jedes Kanonthema<br />

<strong>von</strong> einer der Klarinetten eingeführt wird (im Eröffnungskanon <strong>von</strong> beiden<br />

Klarinetten), bevor die Singstimme einsetzt. In ihrer extremen kontrapunktischen<br />

Verdichtung sind die Kanons alle kurz; sie zählen nur zwischen 9 und 13 Takten.<br />

Nachdem die alt-ehrwürdige Kanon-Form <strong>Webern</strong>s schöpferisches Denken schon<br />

seit den Tagen seiner Dissertation beeinflußt hatte, wurde sie allmählich zum<br />

beherrschenden Faktor seines Komponierens. Das Opus 16 darf als ein Meisterwerk<br />

dieser alten Form angesehen werden, die Komponisten aller Generationen mit ihren<br />

rigorosen Ansprüchen an Intellekt und Phantasie <strong>von</strong> jeher gefordert hat.<br />

Die Vielzahl der vorliegenden Skizzen zu den Fünf Canons legt Zeugnis ab <strong>von</strong><br />

dem hohen Grad <strong>von</strong> Konzentration, die auf sie verwendet wurde. Hinter der<br />

trügerischen Kürze verbirgt sich außergewöhnliche Beherrschung der Materie.<br />

<strong>Webern</strong> war sich seiner Leistungen als schöpferischer Künstler in hohem Maße<br />

bewußt. Arn 19. September 1923, nach Vollendung der ersten drei Kanons, schrieb<br />

er in sein Tagebuch ein Zitat aus einem Brief <strong>von</strong> Goethe an Schiller vom 20. Juli<br />

1799: „. . . daß wir ändern nichts thun sollten, als in uns selbst zu verweilen, um<br />

irgend ein leidliches Werk nach dem ändern hervorzubringen. 'Das Übrige ist <strong>von</strong><br />

Übel.“<br />

Unvollendete Projekte<br />

Die Entstehung der Liederzyklen Opus 12 bis 16 wurde immer wieder durch eine<br />

Menge anderer Projekte unterbrochen, die unvollendet geblieben sind. Mit der<br />

Ausnahme <strong>von</strong> zwei waren alle für Singstimme. Einige Kompositionen waren<br />

beträchtlich weit gediehen, andere wurden bereits im Anfangsstadium abgebrochen.<br />

Der nachfolgende Überblick beschränkt sich notwendigerweise auf die wichtigsten<br />

Angaben. Man sollte dem Umstand Rechnung tragen, daß der ganze Komplex der<br />

unvollendeten Werke aus den Jahren 1914- 1924 wegen seiner verhältnismäßig<br />

späten Wiederauffindung in seinen theoretischen Aspekten und Folgerungen noch<br />

weitgehend unerforscht geblieben ist. Eine ins einzelne gehende Untersuchung wird<br />

zweifellos das volle Verständnis dieser für den Werdegang des Komponisten so<br />

wichtigen Phase um neue Züge bereichern.<br />

<strong>Webern</strong> versah zwar seine Skizzen in der Regel mit Daten; mit Ausnahme des<br />

nachfolgend als erstes besprochenen Liedes gab er jedoch nie einen Hinweis auf<br />

Titel oder Autor eines Gedichts. So ist die Identifizierung der literarischen Quellen<br />

248


der posthum entdeckten Lieder auf beträchtliche Schwierigkeiten gestoßen. Die<br />

einzigen Hinweise waren die fragmentarischen und manchmal kaum leserlichen<br />

Textpassagen, die in den Skizzen auf tauchen. Entwürfe zu den Orchesterliedern<br />

sind alle in Particell notiert. Das entsprach <strong>Webern</strong>s normalem Vorgehen beim<br />

Komponieren.<br />

Das früheste unvollendete Projekt dieser Epoche ist ein Orchesterlied, ,,1914<br />

(Dante)“ überschrieben. Der Text, beginnend mit „In einer lichten Rose . . .“ ist<br />

der Anfang <strong>von</strong> Canto XXXI des Dritten Buchs Paradies aus der Göttlichen<br />

Komödie; die Botschaft dieser Worte weist einen engen Bezug auf zu <strong>Webern</strong>s<br />

eigenen Gedankengängen, wie sie in Tot (Oktober 1913) zum Ausdruck kommen.<br />

Der zweiseitige Entwurf umfaßt 20 Takte, <strong>von</strong> denen 14 völlig ausgearbeitet sind,<br />

komplett mit detaillierten Tempobezeichnungen und Dynamik. Die große und<br />

farbige Instrumentation bezieht die gesamte Orchesterpalette ein <strong>von</strong> Piccoloflöte<br />

bis zu Kontrabaß einschließlich Harmonium, Celesta, Gitarre, Harfe, Glockenspiel<br />

und Triangel. Dieser Reichtum an Timbres rückt die Komposition in die Nähe <strong>von</strong><br />

Die Einsame und Leise Düfte, Orchesterlieder, die Anfang 1914 entstanden.<br />

Nachdem <strong>Webern</strong> offensichtlich dieser unvollendet gebliebenen Dante-Vertonung<br />

viel Sorgfalt angedeihen ließ, ist es nur schwer erklärlich, weshalb er sie nicht zu<br />

Ende führte. Dasselbe Rätsel geben verschiedene andere Projekte auf, die im<br />

Folgenden beschrieben werden sollen.<br />

Anfang 1915, bevor W ebern sich zum Kriegsdienst meldete, wandte er sich<br />

erstmals dem Werk Georg Trakls zu. Von den 15 Vertonungen <strong>von</strong> Versen dieses<br />

Dichters sind 8 unvollendet geblieben. Die beiden ersten <strong>von</strong> ihnen wurden <strong>von</strong> In<br />

der Heimat und In den Nachmittag geflüstert inspiriert; W ebern vermerkte auf den<br />

zwei Skizzen, daß sie im W iener Bezirk Hietzing im Jahr 1915 konzipiert wurden. Inder<br />

Heimat war für Singstimme und Klavier gesetzt und wahrscheinlich für eine<br />

G ruppe <strong>von</strong> Liedern, das nachmalige Opus 12, gedacht. D er Entwurf beginnt mit<br />

der Tempobezeichnung Ruhige Bewegung und 24 Takte sind sorgfältig ausgearbeitet.<br />

Er enthält dynamische und sogar Pedalbezeichnungen. Die Singstimme wird<br />

noch vier Takte weitergeführt und damit war etwa die Hälfte des Textes vertont. Das<br />

andere Projekt, In den Nachmittag geflüstert, war als Orchesterlied gedacht mit<br />

Hinweisen auf eine Besetzung mit Englischhorn, Klarinette, Violine und Harfe. D er<br />

Entwurf, Sanft bewegt überschrieben, erstreckt sieh über 12 Takte.<br />

1917 beschäftigte sich <strong>Webern</strong> mit vier weiteren Trakl-Vertonungen, <strong>von</strong> denen<br />

nur Abendland III (op. 14, Nr. 4) zu Ende geführt wurde. Anfang des Jahres, in<br />

seiner Hietzinger Wohnung, begann er mit dem Entwurf <strong>von</strong> Mit silbernen Sohlen<br />

für große Orchesterbesetzung einschließlich Posaune, Celesta, Tamtam und<br />

Pauken. Die längere <strong>von</strong> zwei verschiedenen Skizzen erstreckte sieh über 11 Takte.<br />

Außerdem existieren fünf <strong>von</strong> einander völlig verschiedene Anfänge für eine<br />

Vertonung <strong>von</strong> Verklärung. Die Skizzen, die 4 bis 13 Takte lang sind, sehen<br />

Singstimme und Klavier wie auch Singstimme und Orchester vor. Zwei der letzteren<br />

Entwürfe sind Klagenfurt 1917 bezeichnet, was sie in die Nachbarschaft der vier in<br />

diesem Sommer vollendeten Lieder (Op. 13, Nr. 1 und 3; Op. 14, Nr. 4; Op. 15, Nr.<br />

5) rückt. D atiert 1917, aber ohne Entstehungsort, ist das dritte unvollendete Trakl-<br />

249


Projekt dieses Jahres, eine Vertonung <strong>von</strong> Siebengesang des Todes für großes<br />

Orchester. Neben ein paar kurzen Skizzen gibt es einen Entwurf <strong>von</strong> 16 Takten.<br />

1919 vertonte <strong>Webern</strong> vier weitere Gedichte <strong>von</strong> Trakl. Er befaßte sich auch noch<br />

intensiv mit den Versen dieses Dichters während des arbeitsreichen Jahres 1920,<br />

wenngleich er damals keine einzige Komposition zu Ende führen konnte. Es<br />

existieren zwei Fragmente <strong>von</strong> 6 und 8 Takten eines farbig orchestrierten Entwurfs<br />

<strong>von</strong> Die Heimkehr sowie zwei verschiedene Versionen <strong>von</strong> 4 und 9 Takten <strong>von</strong><br />

Nachtergebung, ebenfalls für Orchester. Der einzige der unvollendet gebliebenen<br />

Trakl-Versuche, der ein Instrumentalensemble ähnlich dem der Sechs Trakl-Lieder<br />

op. 14 verwendet, ist der Anfang einer Vertonung <strong>von</strong> Jahr. Datiert 1921 und<br />

bereits nach drei Takten abgebrochen, ist diese Skizze für Singstimme, Klarinette,<br />

Bratsche und Cello instrumentiert.<br />

Der deutsche Denker, der den größten Einfluß auf <strong>Webern</strong> ausübte, war Goethe,<br />

und nicht weniger als sechs seiner Gedichte inspirierten ihn zu Vertonungen. Im<br />

Frühjahr 1917 wurde Gleich und Gleich vollendet (Op. 12, Nr. 4), und um dieselbe<br />

Zeit begann <strong>Webern</strong> ein weiteres Lied, ebenfalls für Singstimme und Klavier, nach<br />

Goethes Gegenwart. Der Entwurf, „1917, Wien, Auhof Straße“ überschrieben,<br />

erstreckt sich über 38 Takte und umfaßt zwei Strophen und eine weitere Verszeile<br />

des sechstrophigen Textes. Der Baßschlüssel für die Singstimme zeigt an, daß das<br />

Lied für einen Bariton gedacht war. (Der einzige andere Sologesang in dieser<br />

Stimmlage ist. die frühe Wolkennacht <strong>von</strong> 1900.) Die vorwiegend akkordische<br />

Klavierbegleitung ist weitgehend ausgearbeitet. Hier, wie auch sonst, beweisen<br />

detaillierte dynamische Angaben, daß <strong>Webern</strong>s früheste Vorstellungen <strong>von</strong> einem<br />

Werk bereits bis ins letzte gehende Nuancierungen beinhalten. 1918, nachdem er<br />

sich in Mödling niedergelassen hatte, nahm W ebern ein weiteres Gedicht <strong>von</strong><br />

Goethe in Angriff, den C/m/s-Abschnitt aus Howards Ehrengedäehttiis. Der<br />

Komponist dachte an ein Orchesterlied in großer Besetzung, kam aber über mehrere<br />

Skizzen <strong>von</strong> 6 bis 13 Takten Länge mit unterschiedlichen musikalischen Ideen nicht<br />

hinaus. Das Projekt wurde zwar aufgegeben, <strong>Webern</strong> kam jedoch im Frühsommer<br />

1930 wieder auf den Text zurück und versuchte, ihn im Zwölftonstil zu realisieren<br />

(vgl. 25. Kapitel).<br />

Karl Kraus erregte <strong>Webern</strong>s Bewunderung nicht nur als polemischer Literat<br />

sondern auch als Dichter. Außer Wiese im Park (Op. 13, Nr. 1) nahm der Komponist<br />

noch drei weitere Orchesterlieder in Angriff, die <strong>von</strong> seinen Gedichten inspiriert<br />

waren. Die erste dieser unvollendet gebliebenen Arbeiten, Vallorbe, entstand in<br />

Mödling im Sommer 1918, ein Jahr nach Wiese im Park. Der Entwurf erfaßt mit 63<br />

Takten das ganze Gedicht und schließt mit einem Doppelstrich, hinter dem das<br />

Datum 5. August 1918 steht. Er beginnt mit der Tempobezeichnung Zart bewegt<br />

und sieht große Besetzung vor, einschließlich Instrumenten wie Celesta, Harfe,<br />

Glockenspiel und Pauken.Es existieren hierzu noch zwei, vorbereitende Skizzen, <strong>von</strong><br />

denen die eine sich auf der Rückseite eines Entwurfs zu Abendland III (Op. 14, Nr.<br />

4) befindet. In Mürzzuschlag, im Friihsommer 1919, bevor <strong>Webern</strong> die später Opus<br />

14 zugeordneten vier Trakl-Lieder komponierte, entwarf er ein weiteres Orchesterlied<br />

nach einem Gedicht <strong>von</strong> Karl Kraus, Vision des Erblindeten. Wie Vallorbe ist es<br />

250


vollständig skizziert, und zwar für eine Singstimme und ein groß besetztes<br />

Instrumentalensemble. D er mit dem 2. Juli 1919 am Schlußdoppelstrich datierte<br />

Entwurf umfaßt 39 Takte. Ein weiteres Gedicht <strong>von</strong> Kraus, Flieder, beschäftigte<br />

<strong>Webern</strong> im darauffolgenden Jahr 1920. Wieder dachte er an ein Orchesterlied und<br />

unternahm vier deutlich <strong>von</strong>einander verschiedene Versuche. Die Fragmente<br />

reichen <strong>von</strong> 8 zu 15 Takten. Zwei <strong>von</strong> ihnen sind weitgehend ausgearbeitet und<br />

sehen ein großes Instrumentalensemble vor. Einer <strong>von</strong> diesen Entwürfen ist<br />

„Mödling 1920“ beschriftet, der andere „1920 oder 1921“ .<br />

So wie <strong>Webern</strong> Texte <strong>von</strong> Trakl, Goethe und Kraus sehr viel öfter aufgriff, als<br />

seine vollendeten Kompositionen vermuten lassen, versuchte er sich auch an mehr<br />

Vertonungen aus Bethges Chinesischer Flöte als nur den aus Op. 12, Nr. 2 und Op.<br />

13, Nr. 2 und 3 bekannten. Er hatte weiterhin vor, Nächtliches Bild <strong>von</strong> Tschan-Jo-<br />

Su und Der Frühlingsregen <strong>von</strong> Thu-Fu zu komponieren. Ersteres war als Lied mit<br />

großem Orchester geplant. Zwei Skizzen, „Mödling, Herbst 1918“ beschriftet,<br />

umfassen insgesamt etwa 50 Takte. Der Frühlingsregen war sowohl als Klavier- wie<br />

auch als Orchesterlied gedacht. Datiert 1920 und Sehr fließend überschrieben,<br />

existieren <strong>von</strong> der Fassung für Singstimme und Klavier zwei Skizzen <strong>von</strong> 4 und 11<br />

Takten Länge. Jeder dieser Entwürfe, wie auch eine Orchesterskizze <strong>von</strong> 9 Takten,<br />

zeigen völlig verschiedene musikalische Konzepte.<br />

Die Lyrik Detlev <strong>von</strong> Liliencrons hatte <strong>Webern</strong> schon 1903 inspiriert, als er<br />

Heimgang in der Frühe komponierte. Eine Gesamtausgabe der Werke des Dichters<br />

befand sich in seiner Bibliothek. In den hier erörterten Zeitraum fällt eine<br />

undatierte, 9-taktige Skizze <strong>von</strong> Liliencrons Meiner Mutter für Singstimme und<br />

Klavier.<br />

Zu erwähnen wären noch einige vokale Versuche, deren Textquellen noch nicht<br />

identifiziert werden konnten. U nter ihnen befindet sich ein Lied, das mit den<br />

W orten „Mutig trägst du die Last“ beginnt und sowohl in einer Version für<br />

Singstimme und Klavier als auch für Violine, Oboe und Harmonium skizziert ist; die<br />

Entwürfe bestehen aus 5 und 10 Takten. Die Worte „In tiefster Schuld vor einem<br />

Äugenpaar“ bilden den Textanfang eines Liedfragments <strong>von</strong> 9 Takten für<br />

Singstimme, Klarinette, Violine und Harmonium. Eine weitere, 1920 datierte<br />

Skizze <strong>von</strong> 10 Takten für Singstimme und Klavier ist die Vertonung eines Gedichts,<br />

das mit „Christkindlein trägt die Sünden der Welt“ beginnt, für Singstimme und<br />

Klavier.<br />

Das letzte der unvollendeten vokalen Projekte <strong>Webern</strong>s aus dieser Periode ist<br />

zugleich eines der interessantesten. Es stammt aus dem Jahr 1924, in dem der<br />

Komponist seine Fünf Canons nach lateinischen Texten aus dem katholischen<br />

Brevier beendete. Merkwürdigerweise entnahm er zur selben Zeit dem Gesangbuch<br />

der österreichischen evangelischen Kirche einen Text, der mit den Worten<br />

„Morgenglanz der Ewigkeit“ beginnt, ein Gedicht ohne Titel <strong>von</strong> Christian Knorr<br />

<strong>von</strong> Rosenroth. Eines der drei vorhandenen Skizzenblätter trägt die Überschrift<br />

„Vorspiel zu ,Morgenglanz der Ewigkeit* “ . Das Particell mit dem Datum „Mödling,<br />

Frühjahr 1924“ umfaßt 8 Takte und sieht einen großen Instmmentalkörper vor. Die<br />

Tempoangabe Sehr breit, die auf einem anderen Entwurf <strong>von</strong> 4 Takten erscheint,<br />

251


entspricht dem choralartigen Charakter des Texts. Die musikalische Keimzelle wird<br />

in dreitönigen Akkorden (weitgehend große Septimen und verminderte Nonen)<br />

festgehalten, die unter jeder Silbe notiert sind. Immerhin erscheinen die musikalischen<br />

Ideen in jeder der drei Versionen in völlig verschiedener Gestalt. Eine <strong>von</strong><br />

ihnen ist durch große Sprünge gekennzeichnet, sowohl in der vokalen Linie wie auch<br />

in den instrumentalen Partien. Das Morgenglanz-Projekt gehört, zusammen mit<br />

dem ersten und dem letzten der Fünf Canons, zu <strong>Webern</strong>s letzten Arbeiten aus<br />

seiner prädodekaphonen Periode. Im weiteren Verlauf des Jahres verschrieb er sich<br />

der strengen Zwölftontechnik und komponierte nie wieder in einem anderen Idiom.<br />

Aufgrund <strong>von</strong> W eberns veröffentlichten Opus 12 bis 19 galt es lange Zeit als<br />

erwiesen, daß die Periode 1914 bis 1926 ausschließlich der Vokalkomposition<br />

gewidmet war. Es liegen jedoch nicht weniger als sechs rein instrumentale Werke<br />

vor, die zwischen 1917 und 1925 entstanden sind. Nur zwei <strong>von</strong> ihnen sollen hier<br />

besprochen werden, da die anderen vier als Zwölftonstücke konzipiert wurden; sie<br />

sollen im 18. Kapitel erörtert werden.<br />

Am 13. Juni 1917 schrieb <strong>Webern</strong> an Schönberg <strong>von</strong> Klagenfurt: „Ich begann ein<br />

Streichquartett. Ich komme immer wieder auf das zurück. Hoffentlich geht es jetzt<br />

vorwärts.“ Das Projekt wurde zwar wenig später zugunsten einer Reihe <strong>von</strong><br />

Vokalwerken beiseite gelegt, verschiedene Lagen <strong>von</strong> Skizzen erbringen jedoch den<br />

Nachweis, daß der Quartettplan <strong>Webern</strong> noch lange beschäftigte. Tatsächlich hatte<br />

er das Werk Anfang des Jahres begonnen: ein Abschnitt auf drei Seiten mit etwa 40<br />

Takten ist datiert „Ende Januar 1917, Wien“ . Ein anderer Entwurf enthält die Notiz<br />

„Klagenfurt 1917“ ; auf ihn bezieht sich die Mitteilung des Komponisten an<br />

Schönberg. Die Arbeit, die zweifellos durch <strong>Webern</strong>s Mitwirkung in einem<br />

Streichquartett am Ende seiner Militärlaufbahn in Leoben angeregt worden war,<br />

beschäftigte ihn erneut, als er 1918 zum ersten Mal wieder nach der Prager Spielzeit<br />

zu eigener schöpferischer Tätigkeit kam. Er nahm den früheren Entwurf wieder auf<br />

und schrieb ihn erneut aus mit der Tempobezeichnung Sanft bewegt. Ein anderer<br />

Abschnitt, Mäßig bewegt überschrieben und „Mödling, 5. Juli 1918 datiert“ , ist für<br />

12 Takte fortgeführt. U nter den verschiedenen Skizzen findet sich eine mit der<br />

Bezeichnung Lebhaft, die sich über 20 Takte erstreckt und stilistisch durchaus einer<br />

früheren Periode angehören könnte. Vier Jahre später, arn 22. Juli 1922, schrieb<br />

<strong>Webern</strong> an Berg über seine „Idee, ein Q uartett zu schreiben (das seit ziemlich lange<br />

schon)“. Allerdings liegen keine Skizzen mit dem Datum dieses Jahres vor. Die<br />

erhaltenen Teile des Quartetts sind mit Sorgfalt ausgearbeitet und machen dieses<br />

Projekt zu einem der interessantesten unter den unvollendeten Werken des<br />

Komponisten. Es gibt Aufschluß über <strong>Webern</strong>s Bemühen, eine größere formale<br />

Ausweitung auch im rein instrumentalen Rahmen zu erzielen. Er setzte hiermit die<br />

mit der Cello-Sonate <strong>von</strong> 1914 begonnenen Bestrebungen fort, aus seinem<br />

aphoristischen Stil auszubrechen.<br />

Das Datum 21. August 1920 trägt das Manuskript eines anderen Instrum entalwerks,<br />

das mit Klarinette, Trompete und Violine (in der Reihenfolge ihres ersten<br />

Einsatzes) besetzt ist. D er Satz, der 17 Takte lang ist, enthält genaueste Angaben zu<br />

Tempo und Dynamik, ein Hinweis darauf, daß der Komponist bei einer festen<br />

252


Vorstellung über das musikalische Konzept angelangt war. Die Kombination <strong>von</strong><br />

drei kontrastierenden Instrumenten und ihre individuelle Verwendung ergeben eine<br />

höchst originelle Wirkung.<br />

Bearbeitungen<br />

Zwischen 1918 und 1923 fertigte <strong>Webern</strong> sieben Bearbeitungen <strong>von</strong> Orchesterpartituren<br />

für Kammerensemble an. Den Anstoß zu diesen Arbeiten gaben Veranstaltungen<br />

des Vereins für musikalische Privataufführungen, und sie mußten den<br />

begrenzten instrumentalen Möglichkeiten des Vereins Rechnung tragen. Bei drei<br />

dieser Einrichtungen handelte es sich um eigene Werke <strong>Webern</strong>s: die Passacaglia<br />

op. 1 für 2 Klaviere 6-händig; die Sechs Stücke op. 6 für Flöte, Oboe, Klarinette, I.<br />

und II. Violine, Bratsche, Cello, Klavier, Harmonium und Schlagzeug (Baß-Trommel,<br />

Triangel, Tamtam und Glocken); und die Fünf Stücke op. 10 für Violine,<br />

Bratsche, Cello, Klavier und Harmonium. Die Bearbeitungen <strong>von</strong> Opus 1 und Opus<br />

10 waren des öfteren zu hören, während es ungewiß ist, ob die <strong>von</strong> Opus 6 jemals<br />

aufgeführt wurde.15<br />

Als seinen Beitrag zum Walzerabend des Vereins am 27. Mai 1921 arrangierte<br />

<strong>Webern</strong> den Schatzwalzer aus dem Zigeunerbaron <strong>von</strong> Johann Strauß für ein<br />

Ensemble bestehend aus Streichquartett, Klavier und Harmonium. Ungleich<br />

anspruchsvoller waren die drei Werke, deren Bearbeitungen Schönberg in diesen<br />

Jahren an <strong>Webern</strong> delegierte. In den Mitteilungen Nr. 24 (April 1921) wird eine<br />

Aufführung <strong>von</strong> Schönbergs Vier Orchesterliedern op. 22 für Singstimme und<br />

Orchester in <strong>Webern</strong>s reduzierter Fassung für Violine, Bratsche, Cello, Klavier und<br />

Harmonium angekündigt, eine Kombination, die er bereits 1914 für die Instrumentalstütze<br />

für seinen Chor Entflieht auf leichten Kähnen op. 2 verwendet hatte. Wo<br />

sich <strong>Webern</strong>s M anuskript seiner Einrichtung <strong>von</strong> Schönbergs Opus 22 befindet, ist<br />

nicht bekannt, was auch für das eines viel größeren und anspruchsvolleren Auftrags<br />

zutrifft: Den ganzen Juli 1921 nahm W eberns Einrichtung <strong>von</strong> Schönbergs<br />

Musikdrama Die glückliche Hand op. 18 für Kammerorchester in Anspruch.<br />

W ährend die erste öffentliche Aufführung des W erkes erst 1924 stattfand, war<br />

geplant, das Stück mit notwendigerweise reduziertem Orchester in der vierten<br />

Saison des Vereins (1921/22) zum ersten Mal vorzustellen, doch wurde dieses<br />

Projekt nie realisiert.<br />

M ehrere Briefe an Schönberg geben Aufschluß über Umfang und Fortschritt der<br />

<strong>von</strong> W ebern übernommenen Aufgabe. Am 3. Juli meldete er: „Ich habe mit der<br />

Bearbeitung der glücklichen Hand‘ schon begonnen. Hertzka stellte mir die Partitur<br />

leihweise zur Verfügung. Bis jetzt, etwa die ersten 3 Seiten, geht es ganz glatt. Ich<br />

wählte folgende Besetzung (nachdem ich die ganze Partitur daraufhin durchgeschaut<br />

hatte): Flöte (Piccolo), Klar. (Baß-Klar.), Trompete, Horn, Harmonium<br />

(vielleicht 2, jedenfalls gelegentlich für 2 Spieler), Klavier (ebenso), 2 Geigen, Br.,<br />

Cello u. C.-Baß.“ Am 13. Juli konnte W ebern berichten: „Mit der Bearbeitung der<br />

glücklichen Hand‘ bin ich schon ziemlich weit. Ich halte bei Takt 75. Im Ganzen sind<br />

es 255 Takte. Also ein Drittel ist beinahe schon fertig. Ich sitze den ganzen Tag<br />

dabei, d. h. die ganze freie Zeit. Ich will die Bearbeitung in einem Zug zu Ende<br />

253


führen. Sie macht mir außerordentliche Freude! Nun lerne ich endlich Dein<br />

herrliches Werk ganz genau kennen! Es geht alles sehr gut zu machen. Die<br />

Bühnenmusik setzte ich für 2 Klaviere (ä 4-Händig). Auf jeder Bühne steht ein<br />

Klavier, so erscheint mir die Beschaffung dieser Klaviere u. deren Besetzung doch<br />

als etwas viel einfacheres als die Beschaffung <strong>von</strong> separaten Bühnenmusikern<br />

(Tromp. u. s.w.). Triangel u. Becken behielt ich für alle Fälle bei. Das zusammen mit<br />

der Art wie ich die Musik für die Klaviere setzte, dürfte sehr gut die <strong>von</strong> Dir<br />

beabsichtigte Wirkung erzielen.“<br />

<strong>Webern</strong> beendete die Transkription am 31. Juli, und am 6. August schrieb er<br />

Berg, daß seine Partitur 97 Seiten umfasse. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß sein<br />

Arrangement gut ausgefallen sei und bemerkte: „Leicht ist es nicht zu spielen, wenn<br />

auch nicht schwerer als das Original.“ Wie in Pierrot könnten „nur ganz erste<br />

Solisten“ in Betracht kommen. Zehn Tage später fuhr er nach Traunkirchen zu<br />

einem dreitägigen Besuch bei Schönberg und nahm zweifellos die fertige Partitur<br />

mit. Es ist zu hoffen, daß das Manuskript doch noch vorhanden ist und eines Tages<br />

wieder ans Licht kommt.16<br />

Am 24. November 1922 schrieb <strong>Webern</strong> an Zemlinsky: „Jetzt arbeite ich an einer<br />

Bearbeitung der Schönbergschen Kammersymphonie für das Ensemble des<br />

,Pierrot1. Gleichzeitig soll es auch eine für Streichquartett u. Klavier werden.“<br />

Schönbergs Opus 9 aus dem Jahr 1906 erfordert 15 Soloinstrumente. <strong>Webern</strong>s<br />

reduzierte Fassung ist mit Flöte (oder II. Violine), Klarinette (oder Bratsche),<br />

Violine, Cello und Klavier besetzt. <strong>Webern</strong>, der mit der Arbeit am 3. November<br />

1922 begann und volle drei Monate damit beschäftigt blieb, verwandte auf sie<br />

dasselbe Maß <strong>von</strong> Sorgfalt und verantwortungsbewußter Hingabe wie auf seine<br />

eigenen Kompositionen. Am 27. Januar 1923 konnte er Schönberg mitteilen: „Ich<br />

bin seit einer Woche mit der Bearbeitung der Kammersymphonie fertig und<br />

überarbeite jetzt diesen Entwurf gründlichst. Hoffentlich gelingt es mir, das zu<br />

leisten, was Du <strong>von</strong> mir in dieser Hinsicht erwartest. Jedenfalls strebe ich es mit allen<br />

Kräften an.“ Die erhalten gebliebenen. Entwürfe liefern den Beweis für <strong>Webern</strong>s<br />

Bestreben, und das Ergebnis zeugt <strong>von</strong> seinem großen Einfühlungsvermögen und<br />

seiner Geschicklichkeit als Arrangeur. Im Zuge der <strong>Webern</strong>-Renaissance der 50er<br />

und 60er Jahre veröffentlichte die Universal Edition 1968 die Transkription. Sie<br />

stellt eine wertvolle Bereicherung der GEuvres sowohl <strong>von</strong> Schönberg als auch <strong>von</strong><br />

W ebern dar.<br />

254


17. Wachsender Erfolg (1925-<strong>1928</strong>)<br />

Am 13. und 14. März 1925 gab der Singverein sein erstes abendfüllendes Konzert<br />

unter <strong>Webern</strong>s Stabführung. Auf dem Programm standen Beethovens Weihe des<br />

Hauses, Brahms’ Nänie, Liszts Arbeiterchor, Webers Konzertstück für Klavier und<br />

Orchester und Mendelssohns Erste Walpurgisnacht. Schon dieses offizielle Debüt<br />

des Chors hatte ein positives Presseecho; ein Kritiker pries ihn als „neu in jedem<br />

Sinne, frisch, unverbraucht, durch ihn zieht die Jugend, die Freude“ (Amtliche<br />

Wiener Zeitung, 28. März 1925).<br />

Für den Anlaß hatte W ebern Liszts wenig bekannten Arbeiterchor eigens für<br />

Baßsolo, gemischten Chor und großes Orchester bearbeitet (vgl. 18. Kapitel).1Die<br />

Aussage des Textes war wie prädestiniert für ein politisches Manifest der<br />

sozialistischen Bewegung. Trotz der sozialdemokratischen Ausrichtung und Bindung<br />

des Singvereins gelang es <strong>Webern</strong>, sich aus einer tiefergehenden Identifizierung<br />

mit den Zielen und Ideologien der Partei herauszuhalten. Es tat seinen<br />

persönlichen Beziehungen zu David <strong>Josef</strong> Bach, dem er seine Position verdankte,<br />

keinen Abbruch, daß er wenig Interesse an den politischen Aspekten der<br />

Organisation bekundete. Paul A. Pisk zufolge, einem Funktionär der Kunststelle<br />

und Musikrezensenten der Arbeiterzeitung, wurde Dr. Bach gemeinhin als „Genosse<br />

Bach“ angeredet, und er selbst war der „Genosse Pisk“ . W ebern gegenüber wurde<br />

aber ein gewisser Abstand gewahrt, und es wurde <strong>von</strong> ihm nie anders als vom<br />

„D oktor W ebern“ gesprochen. (Einer Anekdote zufolge soll W ebern sich einmal<br />

gegen die Anrede „Genosse W ebern“ mit der Bemerkung verwahrt haben: „Wenn<br />

schon Genosse <strong>Webern</strong>, dann bitte Genosse v o n <strong>Webern</strong>!“) Obgleich mehrere<br />

seiner Freunde Parteimitglieder waren, wie <strong>Josef</strong> Polnauer, vermied es <strong>Webern</strong>,<br />

selbst beizutreten. So nahe er sich auch den Leuten aufgrund seiner eigenen<br />

menschlichen Sympathien und seines einfachen Lebensstils verbunden fühlte, so<br />

blieb er sich doch stets des aristokratischen Erbes seiner Familie bewußt. Fis gab<br />

sogar eine Zeit, zu der er fest an die Restauration der Monarchie glaubte. Als 1920<br />

sein Vetter Heinrich Diez (Emsts Bruder) eine W ohnung in der Hofburg zugewiesen<br />

bekam, warnte ihn <strong>Webern</strong>, daß die Habsburger wieder zurückkehren würden.2<br />

Welchen politischen Ansichten auch immer W ebern dann und wann anhing, die<br />

Grundeinstellung seines Denkens haben sie nie beeinflußt. Musik war seine<br />

Berufung, und die Ausübung dieser seiner beruflichen Tätigkeit war sein einziger<br />

Wunsch und sein einziges Ziel. Dafür erschien ihm die Ägide des sozialistischen<br />

Regimes durchaus annehmbar. Andererseits stand seine künstlerische Integrität<br />

allenthalben in so hohem Ansehen, daß die Partei <strong>von</strong> ihm kein spezielles<br />

Bekenntnis seiner politischen Solidarität verlangte. Im Gegenteil, <strong>Webern</strong>s aristokratische<br />

Abstammung wurde auch weiterhin anerkannt, besonders <strong>von</strong> Freunden<br />

255


und langjährigen Mitarbeitern. So unterschrieb Alban Berg Jahre nach der<br />

gesetzlichen Abschaffung des Adels ein Porträtfoto <strong>von</strong> sich: „Meinem lieben<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> Alban Berg, Sommer 1924.“<br />

Die Proben zu den Märzkonzerten des Singvereins fielen zusammen mit denen zu<br />

einer wichtigen Aufführung des Mödlinger Männergesangvereins: Bruckners Messe<br />

in f-Moll, ein ehrgeiziges Unterfangen für einen Laienchor. Für die Aufführung, die<br />

am Vormittag des 10. Mai in der Mödlinger St.-Othmar-Kirche stattfand, wurden<br />

Mitglieder des Volksopernorchesters engagiert. <strong>Josef</strong> Hueber, ein aufstrebender<br />

junger Baßbariton, war unter den Solisten. Im Verlauf der Jahre wurde er einer der<br />

Sänger, auf die sich <strong>Webern</strong> am meisten verlassen konnte. Über ihrer musikalischen<br />

Zusammenarbeit, bei der <strong>Webern</strong> niemals ein Entgelt für die vielen Korrepetitionsstunden<br />

nahm, entstand eine enge Freundschaft, die durch ihre gemeinsame Liebe<br />

zum Bergsteigen und zur Gartenarbeit noch gefestigt wurde.<br />

In seinen Memoiren schildert Hueber die Schwierigkeiten, denen <strong>Webern</strong> bei der<br />

Arbeit mit seinen Chören begegnete. Die meisten Mitglieder des Mödlinger<br />

Vereins, die alle der Mittelklasse angehörten, besaßen gewisse musikalische<br />

Kenntnisse, aber denen des Singvereins fehlten diese Voraussetzungen, und die<br />

Arbeit mit ihnen mußte mit der Unterrichtung in den elementarsten Dingen<br />

beginnen. „<strong>Webern</strong> mußte“, schreibt Hueber, „um das zu singende Werk bekannt<br />

zu machen, dieses auf dem Klavier Vorspielen und erklären. Und dann begann er<br />

eben Stimme für Stimme zu üben, einzelne Phrasen selbst vorzusingen, bis ein<br />

Zusammenklang der Stimmen möglich wurde. Immer wieder, Stimme für Stimme<br />

oder eine Gruppe <strong>von</strong> Sängern innerhalb einer Stimme allein und dann wieder<br />

zusammen. Bei geteilten Stimmen etwa die oberen der Tenöre zusammen mit den<br />

unteren der Soprane u. s. w., bis jede einzelne Stimmgruppe ihren P a rt,hörte“und<br />

sicher wurde. Oft waren es keine 20 Takte, die auf solche Art in knapp 2 Stunden<br />

erarbeitet werden konnten. Dazu kam die Aufgabe, die einzelnen Stimmen (meist<br />

ungeschult) zu feilen, ihnen den ihnen eben noch möglichen schönsten Klang<br />

abzufordern.“3<br />

Die erfreuliche Leistung des Singvereins bei seinem ersten Auftreten in dieser<br />

Saison sowie seine Wiedergabe <strong>von</strong> schwierigen Chorwerken in den kommenden<br />

Jahren muß im Licht dieser aufreibenden Probenumstände gesehen werden, die<br />

W ebern unermüdliche Arbeitskraft und grenzenlose Geduld abforderten. Die<br />

Sänger verspürten das Ringen ihres Leiters angesichts entmutigender Bedingungen<br />

und vergalten es ihm mit loyaler Zuneigung und gutwilliger Bereitschaft, vor jeder<br />

wichtigeren Aufführung viele zusätzliche, anstrengende Proben auf sich zu nehmen.<br />

Der gebildetere Mödlinger Männergesangverein war sich seiner Leistungen unter<br />

<strong>Webern</strong>s führender Hand gleichermaßen bewußt. Nach der Aufführung der<br />

Bruckner-Messe überraschte ihn der Verein mit einem kunstvollen hölzernen<br />

Notenpult, das ein Mitglied, Obust Kreisler, ein Meisterschnitzer, angefertigt hatte.<br />

Das Pult, das die Inschrift „Kunst ist Gottesdienst“ trug, zierte <strong>Webern</strong>s<br />

Arbeitszimmer während seines ganzen Lebens, und die Dankadresse, die das<br />

Geschenk begleitete, wurde unter seinen ihm besonders lieben Souvenirs verwahrt.<br />

Am 18. Januar 1925 hatte <strong>Webern</strong> in seinem Tagebuch festgehalten, daß das Lied<br />

256


So ich traurig bin (op. 4, Nr. 4) in einem Konzertprogramm der Franco-American<br />

Society in New York enthalten war. Am 10. Februar wurden die Drei kleinen Stücke<br />

für Violoncello und Klavier op. 11 (kurz nach ihrer Uraufführung durch Maurits<br />

Frank und Eduard Zuckmayer in Mainz) zum ersten Mal in Wien in einem Konzert<br />

der Ortsgruppe der IGNM <strong>von</strong> Maurits Frank und dem Pianisten Friedrich Wührer<br />

gespielt. <strong>Webern</strong>, der durch ein Mißverständnis erst im letzten Augenblick da<strong>von</strong><br />

erfuhr, konnte weder einer Probe noch dem Konzert beiwohnen, doch war Alban<br />

Berg zugegen und berichtete ihm am darauffolgenden Tag, wie sehr das Werk ihn<br />

beeindruckt habe. „Beim ersten Ton spürt man Dich u. Deine so ganz einzige Art u.<br />

ist dermaßen gebannt während der ganzen Dauer der Stücke, daß alle Relativität<br />

<strong>von</strong> Länge und Kürze völlig aufgehoben ist und man den beseligenden Eindruck wie<br />

<strong>von</strong> dem Duft einer Blume empfängt, bei dem man, wäre er noch so flüchtig, den<br />

Hauch der Ewigkeit spürt. Die Stücke wurden, glaub ich, nicht schlecht u. jedenfalls<br />

sehr klar gespielt; klanglich war wenigstens vieles überraschend fein hervorgebracht,<br />

besonders <strong>von</strong> Frank. An seinen Flageolette hättest auch Du Deine Freude<br />

gehabt. Ich habe noch kaum sowas gehört . . . Die Stücke wurden 2mal gespielt.<br />

Was sehr gut war, da das Publikum, das beim erstenmal nur mit ziemlichem<br />

Erstaunen folgte, das zweitemal sichtlich bew egt-ja ich bilde mir ein: ergriffen war.<br />

Das sonstige war mittelmäßig (Honegger) bis weit ««tennittelmäßig (Delius,<br />

Miaskowski), Wellesz’ Solo Cellosuite aber ein undiskutabler Skandal!“ In einem<br />

anderen Wiener IGNM-Konzert am 8. April führten Felicie Hüni-Mihacsek und<br />

Eduard Steuermann <strong>Webern</strong>s George-Zyklus op. 3 auf.<br />

So knapp <strong>Webern</strong>s Tagebucheintragungen beruflicher Art in der Regel gehalten<br />

waren, so ausführlich sind seine Berichte über Bergtouren. Am 13. April, dem<br />

Ostermontag, stieg er allein zum Rax-Plateau auf. E r traf in den höheren Regionen<br />

noch winterliche Bedingungen an und konnte den Gipfel nicht erreichen, war aber<br />

entzückt, unter der Schneedecke Erika zu finden. Ein späterer Versuch, den<br />

mächtigen Dachstein zu bezwingen, endete ebenfalls kurz vor dem Ziel. Dieser in<br />

der Begleitung <strong>von</strong> Ludwig Zenk unternommene Ausflug dauerte vom 28. Juni bis<br />

zum 3. Juli, und das Tagebuch enthält eine begeisterte Beschreibung der<br />

mannigfaltigen Erlebnisse unterwegs. Es war <strong>Webern</strong>s dritter Versuch, den<br />

majestätischen Gipfel zu besteigen, und er mißlang nur ein kurzes Stück unterhalb<br />

des Ziels infolge des trügerischen Zustands der Route und eines dramatischen<br />

Vorfalls: Ein Mitglied einer anderen Gruppe verlor an dem vereisten Hang seinen<br />

Halt und stürzte in eine Spalte. Der Mann konnte zwar unverletzt geborgen werden,<br />

das Erlebnis ernüchterte aber die beiden Gefährten dermaßen, daß sie sich zur<br />

Umkehr entschlossen. Im Gegensatz zum typischen Bergsteiger war W ebern nie<br />

darauf versessen, den höchsten Punkt um jeden Preis zu erreichen. Seine<br />

Leidenschaft ging nicht auf Eroberung aus: er wollte sich lediglich in die W under der<br />

Natur und in die Stille der Bergeshöhen verlieren. Ein anderer Ausflug im Jahr 1925<br />

vom 10. bis 15. August führte zum „Toten Gebirge“. W eberns Familienarzt Dr.<br />

Cech und seine Frau waren seine Begleiter. Es wurden zwar keine Gipfel bestiegen,<br />

aber die üblichen Beobachtungen <strong>von</strong> Blumen und anderen Naturphänornenen<br />

fanden Eingang ins Tagebuch.<br />

257


1<br />

Diese Tour begann unmittelbar nach der Vollendung eines Stücks, das posthum<br />

als Satz für Streichtrio veröffentlicht wurde. Während der Sommerpause hatte sich<br />

<strong>Webern</strong> wieder auf seine schöpferische Arbeit gestürzt. Die drei älteren Kinder<br />

waren zu Tante Poldi in Mürzzuschlag geschickt worden, und die häusliche Stille war<br />

der Konzentration förderlich. Außer dem Streichtrio-Satz, einem <strong>von</strong> zwei<br />

Versuchen in diesem Medium aus dem Jahr 1925, wurde ein Stück für Klavier<br />

skizziert (als Klavierstück op. posth. veröffentlicht), und die Arbeit an den<br />

Liederzyklen Opus 17 und 18 machte Fortschritte.<br />

Trotz der allmählich steigenden Einkünfte sah das Jahr 1925 <strong>Webern</strong> noch immer<br />

in großer finanzieller Bedrängnis. Sein Kontobuch verzeichnet mehrere private<br />

Darlehen, eine Vorauszahlung der Universal Edition sowie ein Geschenk <strong>von</strong> 500<br />

Schillingen <strong>von</strong> Werner Reinhart. Der Schweizer Mäzen war direkt <strong>von</strong> Alban Berg<br />

um Unterstützung für <strong>Webern</strong> angegangen worden, und Berg war darüber<br />

enttäuscht, daß seine Intervention nicht in einem ansehnlicheren Geldbetrag<br />

resultierte. Im Juli erscheint Wilhelmines Strickarbeit noch immer als Bestandteil<br />

des Familieneinkommens im Kontobuch, und im August und September wurde<br />

durch die Vermietung eines Zimmers in ihrem Heim ein bescheidener Erlös erzielt.<br />

Weiterhin wurden 75 Schillinge angeführt für den Verkauf verschiedener persönlicher<br />

Artikel, darunter auch Schuhe.<br />

<strong>Webern</strong>s finanzielle Lage blieb so prekär, daß er trotz seiner früheren schlechten<br />

Erfahrungen wieder einmal einen Posten am Theater in Erwägung zog. Es war ihm<br />

so ernst damit, daß er im Frühjahr 1925 Hertzka bat, ihm eine Empfehlung für eine<br />

Vakanz in Bochum zu schreiben. Doch die Aussichten zerschlugen sich, und im<br />

August erkundigte sich <strong>Webern</strong> nach der Möglichkeit, Kurse in der Universität zu<br />

geben. Guido Adler, der Vorstand des Musikwissenschaftlichen Instituts, hatte ihn<br />

gerade gebeten, den dritten Band <strong>von</strong> Heinrich Isaacs Choraiis Constantinus<br />

herauszugeben, eine Aufgabe, die so zeitraubend und finanziell so wenig lohnend<br />

war, daß <strong>Webern</strong> ablehnen mußte. Immerhin ermutigte ihn die Aufforderung dazu,<br />

seine Dienste als Lektor anzubieten, und er schlug Dr. Adler in einem Brief vom 20.<br />

August als Themen vor: ,,1.) Analyse moderner M usik (Strauss, Mahler, Reger,<br />

Schönberg) im Sinne einer A rt Formenlehre; Untersuchung der Formprincipien<br />

(musikalische Logik) des Zusammenhangs dieser mit denen der älteren Meister<br />

u.s.w. 2.) etwa Moderne Instrumentation (verbunden mit Instmmentationsübimgen).“<br />

<strong>Webern</strong>s Brief schloß: „Ich möchte noch ganz offen bekennen, daß ich nicht<br />

nur aus rein ideellen Gründen sondern auch aus rein praktischen (finanziellen) ein<br />

großes Interesse an dem Zustandekommen dieser Kurse habe. In diesem Sinne<br />

erlaube ich mir auch noch die inständige Bitte an Sie, an mich zu denken, wenn Sie<br />

Ihren Hörern bezüglich der <strong>von</strong> diesen zu wählenden Lehrer an die Hand gehn, oder<br />

wenn anders sich eine Möglichkeit ergäbe, mir einen Schüler zu schicken.“4<br />

<strong>Webern</strong> hatte guten Grund, auf Dr. Adlers Unterstützung hoffen zu können, da er<br />

wußte, daß sein früherer Professor seine Fähigkeiten sehr hoch einschätzte. Das<br />

bestätigt auch Kurt Manschinger, der Student an der Universität war und zu<br />

<strong>Webern</strong>s ersten Schülern gehörte. E r erzählte diese Anekdote über seine<br />

Aufnahmeprüfung ins Musikwissenschaftliche Institut: „Wir waren etwa 25<br />

258


Kandidaten, und unsere Prüfungsarbeiten bestanden aus einer Choralharmonisation,<br />

einem cantus firmus, einer Fugenexposition und einem bezifferten Baß. Adler<br />

sah alle Arbeiten durch und beklagte das betrübliche Resultat, denn mehr als die<br />

Hälfte war durchgefallen. Dann fragte er einige <strong>von</strong> uns, bei wem wir studiert hätten.<br />

Immer wenn ein berühmter Name fiel, kam ein ungläubiges ,Oh‘ aus dem<br />

Seminarraum. Schließlich sagte er: ,Da waren nur zwei Arbeiten, die mir wirklich<br />

gefielen; die eine ist <strong>von</strong> Zenk, die andere <strong>von</strong> Manschinger. Darf ich die Herren<br />

fragen, bei wem sie studieren?* Als wir beide antworteten, daß wir Schüler <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong> wären, strahlte er übers ganze Gesicht und sagte: ,Hier, da sehen Sie!“Er<br />

hatte eine sehr hohe Meinung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> und seinen musikwissenschaftlichen<br />

Fähigkeiten und bedauerte es, daß <strong>Webern</strong> sich privatem Stundengeben zugewandt<br />

hatte anstatt wissenschaftlich zu arbeiten.“5<br />

Obwohl <strong>Webern</strong>s Befähigung keinerlei Zweifel unterlag, sollte er nie eine<br />

Position weder an der Universität noch an einer anderen Hochschule bekleiden.<br />

Schönberg dagegen, der <strong>Webern</strong>s akademischen Grad nicht besaß, erhielt im Herbst<br />

1925 einen Ruf an die Preussische Akademie der Künste in Berlin als Lehrer für<br />

moderne Komposition.6 Die Anstellungsbedingungen waren im Hinblick auf seine<br />

schöpferische Arbeit äußerst günstig, da er nur sechs Monate im Jahr anwesend zu<br />

sein hatte. Nach den langen Jahren des Ringens um ein gewisses Maß materieller<br />

Sicherheit konnte Schönberg jetzt endlich einem auskömmlichen Dasein entgegensehen.<br />

Mehr noch, die Position brachte Anerkennung und Prestige mit sich und<br />

enthob ihn der vielen kleinlichen Intrigen und Eifersüchteleien, die ihm das Leben in<br />

seiner Vaterstadt verbittert hatten.<br />

Trotzdem sich Schönbergs Umzug nach Berlin bis zum Januar 1926 wegen einer<br />

Blinddarmoperation verzögern sollte, hatten er und seine Familie Mödling Anfang<br />

O ktober aufgegeben und sich vorübergehend in einer Pension in Wien eingemietet.<br />

So gingen die sieben Jahre, in denen Schönberg und <strong>Webern</strong> in. nächster<br />

Nachbarschaft gelebt hatten, ihrem Ende entgegen. Ihre Freundschaft war<br />

wiederholt auf die Probe gestellt worden, sie triumphierte jedoch stets über<br />

gelegentliche Trübungen. Durch zwei Jahrzehnte hindurch hatte W ebern fast<br />

ununterbrochenen Kontakt zu seinem verehrten M entor aufrechterhalten. Ihr<br />

ständiger Gedankenaustausch war <strong>von</strong> entscheidendem Antrieb bei der Evolution<br />

einer neuen Musiktheorie und -Ästhetik gewesen. Obgleich sie ausführlich<br />

korrespondierten, wann immer sie getrennt waren, fanden musikalische Probleme,<br />

Gegenstand vieler mündlicher Diskussionen, kaum jemals Niederschlag in ihren<br />

Briefen. So bedeutete Schönbergs Abreise <strong>von</strong> Mödling für W ebern den Beginn<br />

einer völligen künstlerischen Autonomie gerade zu dem Zeitpunkt, als er dabei war,<br />

das neu formulierte System der Komposition mit zwölf Tönen auszuloten. Alle seine<br />

dodekaphonischen Werke müssen im Licht dieser Tatsache gesehen werden.<br />

Während Schönberg nunmehr in Berlin im Zenith seiner Karriere stand, erlaubte<br />

es <strong>Webern</strong>s Situation in Wien ihm nie, mehr als nur begrenzten Erfolg zu erringen.<br />

Und doch eröffnete sich ihm im September 1925, kurz nach seinem ergebnislosen<br />

Vorstoß bei Dr. Adler, eine unverhoffte Einkommensquelle. Heinrich Jalowetz war<br />

aufgefordert worden, arn Wiener Israelitischen Blindeninstitut zu unterrichten. Als<br />

259


ihm aber ein erfolgreiches Gastspiel am Kölner Theater ein festes Engagement<br />

eintrug, empfahl er <strong>Webern</strong> an seiner statt für die Wiener Position. Das Institut, eine<br />

<strong>von</strong> Spenden getragene Privatschule, befand sich in einem großen Gebäude auf der<br />

Hohen Warte in der Nachbarschaft des Bezirks Grinzing. Es wurde <strong>von</strong> etwa 60<br />

Internatsschülern besucht, darunter viele aus Polen, Ungarn und anderen Ländern.<br />

Das Alter der Schüler erstreckte sich vom Vorschulalter bis zu 20 Jahren und<br />

darüber. Jeder Schüler durfte so lange bleiben, bis seine Ausbildung abgeschlossen<br />

war. Der Direktor, Professor Siegfried Altmann, war ein bekannter Goethe-<br />

Forscher. Er liebte Musik und war schon deshalb <strong>Webern</strong> zugetan; oft lud er ihn zum<br />

Abendessen in seine Privaträume ein und beriet ihn in seinen neuen und<br />

ungewöhnlichen Pflichten.<br />

Die Bezahlung war fürstlich, verglichen mit <strong>Webern</strong>s anderen Einkünften.<br />

Während sich sein Monatsgehalt vom Singverein auf 80 und das vom Mödlinger<br />

Chor auf 40 Schillinge belief, betrug das Gehalt, das er vom Institut bezog, 200<br />

Schillinge monatlich für die erste Saison und erhöhte sich auf 225 Schillinge ab<br />

Herbst 1926. Für dieses Honorar hatte <strong>Webern</strong> in der Woche zweimal mit dem Chor<br />

zu arbeiten. Er gab auch mehreren Privatschülern Klavierunterricht, wofür er<br />

zusätzlich bezahlt wurde. Zu einer Zeit, als er - wie aus seinem Kontobuch<br />

hervorgeht - keine andere Einkommensquelle neben der seiner Chöre hatte<br />

(Manschinger und Zenk, seine einzigen festen Schüler, hatten ihre Studien soeben<br />

abgeschlossen, um ihre Karriere zu beginnen), war diese unverhoffte Beschäftigung<br />

fürwahr ein materieller Segen. Sie erwies sich auch als eine menschlich bewegende<br />

Erfahrung. Am 8. Oktober 1925 schrieb er Berg, daß seine Arbeit am Institut auch<br />

drei Klavierstunden enthalte, jeweils am Montag und Donnerstag nachmittag.<br />

Unter seinen Schülern war auch ein 14jähriges Mädchen, das erst vier Monate zuvor<br />

nach einer Explosion bei einem chemischen Experiment in der Schule erblindet war.<br />

Bei seiner letzten Klavierstunde vor der Katastrophe hatte das Mädchen noch sehen<br />

können. Bei seiner ersten Stunde bei <strong>Webern</strong>, so berichtete er Berg, gab es einen<br />

„furchtbaren Schmerzensausbruch dieses ärmsten Kindes“ . E r könne das kaum<br />

aushalten und habe nur den einen Wunsch, W under wirken zu können. Immer mehr<br />

empfinde er seine Berufung ans Institut als eine Mission, als etwas für sein Leben<br />

Bedeutsames. Zudem war diese Tätigkeit sehr nach seinem Geschmack, etwas, das<br />

sich „still im Verborgenen“ abspielte. Immer dann, wenn ihn seine Situation zwinge,<br />

sich in der Öffentlichkeit zu exponieren, wolle er am liebsten incognito bleiben.<br />

„Meinen Namen z. B. auf der Straße auf einem Plakat zu lesen, das hat für mich eine<br />

ganz fürchterliche, niederschmetternde Wirkung“, gestand er Berg.<br />

Das blinde Mädchen, dessen Schicksal <strong>Webern</strong> so naheging, war Donna Zincover.<br />

Sie kam aus einer wohlhabenden Familie in Warschau.7 Noch nach Jahren erinnerte<br />

sie sich, wie gütig und geduldig er mit ihr gewesen war. Nach und nach studierte sie<br />

bei ihm neben anderer Literatur Bach, Beethoven-Sonaten und Chopin-Etüden.<br />

K. H. Lehrigstein, ein jüngerer Lehrer der Schule, beschrieb später <strong>Webern</strong>s<br />

Unterrichtsmethode: „Er lehrte nicht eigentlich Klavier zu spielen, als ein<br />

Instrument mit seinen eigenen technischen Erfordernissen, sondern es ging ihm<br />

mehr darum, wie ein bestimmtes Stück klingen sollte. Ich würde sagen, daß er eine<br />

260


Beethoven-Sonate unterrichtete, wie er eine Sinfonie dirigieren würde , . .W ebern<br />

konnte die musikalischen Aspekte wundervoll herausarbeiten, war aber nicht so<br />

unbedingt am technischen Training interessiert. Er gab seinen Schülern die richtigen<br />

Dinge zu spielen, die ihrem technischen Stand angemessen waren. Er meinte: ,Es ist<br />

nicht so wichtig, was sie spielen, wenn sie es nur gut spielen1. . . E r war der Ansicht,<br />

daß sowohl Sehende wie auch Blinde durch Üben lernen müssen, sich auf dem<br />

Klavier zurechtzufinden, und daß der Wille, sich durch Musik auszudrücken, der<br />

Stimulus und Urquell für Entschlossenheit und Ausdauer sind . . . Ich habe niemals<br />

gehört, daß Dr. <strong>Webern</strong> einen Schüler barsch oder unfreundlich korrigiert oder<br />

kritisiert hat. Mit unendlicher Geduld verbesserte und erklärte er, bis er den Schüler<br />

dahin brachte, ein Stück wenigstens so gut zu spielen, wie er dazu imstande war.“8<br />

Die Tatsache, daß <strong>Webern</strong> der Klaviertechnik zu wenig Aufmerksamkeit<br />

schenkte, wirkte sich mit der Zeit nachteilig auf das Weiterkommen seiner<br />

fortgeschritteneren Schüler aus. Es zeigte sich auch, daß er selbst in der Darstellung<br />

schwieriger Kompositionen nicht genügend erfahren war, was eine unverzichtbare<br />

Voraussetzung dafür ist, Blinden ein gehörmäßiges Erfassen der Musik zu<br />

vermitteln. So wurden seine Schüler nach und nach anderen Lehrern zugeteilt, unter<br />

ihnen auch Steuermann, so daß er <strong>von</strong> <strong>1928</strong> an nur noch für das Training des<br />

Schulchors verantwortlich war. Auf diesem Gebiet standen seine Fähigkeiten außer<br />

Frage. Der Chor bestand aus etwa 30 Sängern verschiedenster Nationalitäten, und<br />

Hochdeutsch war die gemeinsame Unterrichtssprache. <strong>Webern</strong>s ausgesprochen<br />

wienerischer Akzent erschwerte die Verständigung zuweilen, aber der Chor liebte<br />

ihn, weil er sich stets freundlich und nicht selten voller Hum or zeigte, wenn es darum<br />

ging, seine Intentionen zu vermitteln. Studiert wurden u. a. Werke <strong>von</strong> Mendelssohn,<br />

Schumann und Strauß. Bei den Proben zog W ebern keinen Klavierbegleiter<br />

hinzu, obwohl D irektor Altmann ihm einen angeboten hatte. E r zog es vor, selbst zu<br />

spielen, weil er meinte, er könne so engeren Kontakt zu seinen Sängern halten und<br />

ihnen seine Absichten unm ittelbarer nahebringen. Lehrigstein, der selbst blind war,<br />

wußte <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s geradezu hypnotischer Kraft bei der Projektion des Inhalts<br />

einer Komposition zu berichten. E r beschrieb eine Episode nach einer Probe, als<br />

<strong>Webern</strong>, eine Zigarette anzündend, sich ans Klavier setzte und den Choral Wenn ich<br />

einmal soll scheiden aus Bachs Matthäuspassion zu spielen begann: „Diesen Choral<br />

kannte ich natürlich sehr gut. Doch ich stand dabei und war zutiefst bewegt. Ich<br />

konnte mir so gut vorstellen, wie er geklungen haben mochte, wenn ihn ein Chor<br />

nach seiner wunderbaren Vision gesungen hätte. Ich konnte einen Zug seiner<br />

Persönlichkeit sehen, den ich vorher noch nicht erkannt hatte, daß <strong>Webern</strong> ein <strong>von</strong><br />

Grund auf religiöser Mensch war.“<br />

Lehrigstein erzählte noch eine Reihe anderer Anekdoten. Als Kollegen einmal<br />

über eine Aufführung einer Bruckner-Symphonie unter Bruno Walter diskutierten<br />

und einer der Lehrer an der Interpretation etwas auszusetzen hatte, erwiderte<br />

W ebern gereizt: „Genau gesagt, gibt es so etwas nicht, wie man Bruckner dirigieren<br />

soll. Es gibt nur eine richtige oder eine falsche Manier.“ Dazu meinte Lehrigstein:<br />

„Das war für <strong>Webern</strong> bezeichnend. Er war durch und durch da<strong>von</strong> überzeugt, daß es<br />

stets, zumindest in der Musik, nur einen Weg gebe, etwas zu bewerkstelligen. Er<br />

261


konnte keinerlei Konzessionen machen und er war fest da<strong>von</strong> überzeugt, daß nur die<br />

Schönberg-Schule den richtigen Weg wußte, wie Musik zu verstehen, aufzuführen,<br />

ja sogar zu komponieren sei. Dabei war <strong>Webern</strong> bemüht, anderen gegenüber so<br />

tolerant wie möglich zu sein. Schließlich konnten sie ja nichts dafür, daß sie es nicht<br />

besser wußten. Sie hatten nicht die rechte Unterweisung gehabt, und das war es<br />

eben, was ihnen fehlte.“ Ein andermal, als die Berufung eines neuen Präsidenten für<br />

die Wiener Musikakademie das Gesprächsthema war, fragte <strong>Webern</strong> sarkastisch:<br />

„Warum nehmen sie nicht einfach den letzten Laufburschen und machen ihn zum<br />

Direktor?“ Dazu bemerkte Lehrigstein: „Wer könnte hier die Verachtung und<br />

Verbitterung, die aus dieser Bemerkung sprechen, überhören?“ Er differenziert<br />

auch die weitverbreitete Meinung, <strong>Webern</strong> sei „scheu und bescheiden“ gewesen:<br />

„Scheu - das möchte ich nicht bestreiten. Aber bescheiden würde ich ihn schon gar<br />

nicht nennen. Im Gegenteil, ich würde soweit gehen, ihn einen Kämpfer zu nennen.<br />

Er mußte es sein. Er fühlte sich so vielen Persönlichkeiten in der Musikwelt<br />

überlegen.“<br />

<strong>Webern</strong>s Selbstverständnis wurde <strong>von</strong> vielen seiner Freunde geteilt. Die<br />

einflußreichen unter ihnen bemühten sich, ihm eine Position zu vermitteln, die<br />

seinen Fähigkeiten angemessen wäre. Anfang 1926 empfahl ihn Dr. Bach für den<br />

Posten des Chordirektors der Wiener Staatsoper. Etwa um dieselbe Zeit bedeutete<br />

Hertzka <strong>Webern</strong>, daß er als Chefdirigent der Konzerte des Konzertvereins im<br />

Gespräch sei. Entzückt über die Leistungen des Singvereins bei seinem Debüt,<br />

dachte Dr. Bach an Konzerte, die Ende Mai in Moskau und Leningrad hätten<br />

durchgeführt werden können. <strong>Webern</strong> berichtete Schönberg ausführlich über diese<br />

Projekte, <strong>von</strong> denen keines zustande kam.<br />

Und doch sollte die Saison 1925/26 einen der Höhepunkte <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Dirigentenkarriere erleben. Nach -dem Oktoberkonzert, das W erken <strong>von</strong> Johann<br />

Strauß gewidmet war, verwandte der Singverein seine ganze Kraft auf ein Projekt<br />

erster Ordnung, einer Aufführung der Achten Symphonie <strong>von</strong> Mahler, der<br />

„Symphonie der Tausend“ , mit der das 200. Arbeitersymphoniekonzert begangen<br />

werden sollte. Zur Mitwirkung wurden m ehrere andere Chöre gewonnen: die<br />

Chorvereinigung Freie Typographia, der Philharmonische Damenchor und ein ad<br />

hoc zusammengestellter Chor <strong>von</strong> Arbeiterkindern. Sogar eine Gruppe <strong>von</strong> Sängern<br />

des Israelitischen Blindeninstituts nahm teil. Außerdem wurden 20 Männerstimmen<br />

des Opernchors engagiert.<br />

Viele Monate vergingen mit mühseligen Vorbereitungen. Von Anfang März an<br />

hielt <strong>Webern</strong> mit den einzelnen Chorgruppen jede Woche vier Abendproben ab.<br />

Am 31. März berichtete er Schönberg: „Gestern hatte ich die erste Gesamtprobe<br />

(mit Klavier). Jetzt noch die Kinder dazu u. die 7 Solisten! Ich muß gestehen, ich bin<br />

in nicht geringer Aufregung! Und leider durch die vielen Proben momentan schon<br />

sehr abgespannt. Nein, seit Wochen nahezu jeden Tag abends (nach vielstündiger<br />

Arbeit) noch tief in die Nacht hinein eine anstrengende Chorprobe zu halten - jetzt<br />

dann noch die Fahrt nach Mödling, erst nachtmahlen u .s.w .-e s wird meistens 2hbis<br />

ich zur Ruhe komme - das ist schon recht aufreibend. Die Chöre sind mit<br />

Begeisterung u. unermüdlich dabei.“<br />

262


Die beiden öffentlichen Aufführungen am 18. und 19. April 1926 fanden im<br />

Großen Konzerthaussaal statt und trugen <strong>Webern</strong> einen außergewöhnlichen<br />

persönlichen Triumph ein.9 Unter frenetischem Beifall wurde er immer wieder aufs<br />

Podium gerufen. Schließlich nahm er, überwältigt <strong>von</strong> den Ovationen, mit einer<br />

spontanen Geste die dicke Partitur vom Dirigentenpult, wandte sich zum Publikum<br />

und hielt sie hoch über sein Haupt, als ob er damit zum Ausdruck bringen wollte, daß<br />

der Dank der Zuhörer weniger ihm als vielmehr Mahler gebühre.<br />

In der Erinnerung vieler, die zugegen waren, war das die erregendste Aufführung<br />

der 8. Symphonie, die sie jemals gehört hatten. Trotz des eindeutigen Erfolges<br />

waren einige wenige Kritiker in ihrem Urteil zurückhaltend. Die Mehrzahl jedoch<br />

überbot sich mit begeisterter Zustimmung. „M it dieser Leistung hat sich Dr.<br />

<strong>Webern</strong>, bisher nur als einer der lautersten und unentwegtesten Führer modernen<br />

Schaffens bekannt, auch als Dirigent in die allererste Reihe gestellt“, kommentierte<br />

die Wiener Zeitung (21. April), und die Arbeiterzeitung (20. April) bezeichnete<br />

<strong>Webern</strong>s Führung als „fanatisch“ und schloß hintersinnig: „Mit dieser Aufführung<br />

der Achten Symphonie würde <strong>Webern</strong> anderswo ein berühmter Dirigent geworden<br />

sein, aber hier in W ien-----<br />

Für <strong>Webern</strong> war das Presseecho eigentlich unwesentlich. Seine Genugtuung<br />

bestand in der Bewältigung dieses großen Werks. In den Tagen nach den Konzerten<br />

folgte auf seine Euphorie nüchterne Selbstkritik. Am 27. April gab er Schönberg<br />

seine eigene Darstellung: „Ich darf wohl sagen, daß die Auf f. im Großen u. Ganzen<br />

gelungen ist. Die Chöre konnten ihre Sache wirklich tadellos. Und daß mir das mit<br />

diesen Leuten - viele, viele dieser fast 700 Menschen können ja nicht einmal Noten<br />

lesen - gelungen ist, das befriedigt mich schon sehr. Die Solisten entsprachen mir<br />

viel weniger10 - namentlich der erst in den letzten Tagen aus Berlin kommende<br />

Tenor paßte mir sehr wenig. Das Orchester war mit viel Liebe dabei, aber um das<br />

herauszubekommen, was ich mir namentlich irn 2. Teil vorgestellt hatte, hätte ich<br />

noch vieler Proben bedurft. Ich hatte 2 Proben mit dem Orchester allein, 2<br />

Gesamtproben u. eine ,G eneralprobe“in der ich aber, trotzdem sie öffentlich war,<br />

studierte. Gesamtchorproben (mit Klavier) hatte ich 6. D er erste fast ausschließlich<br />

auf die Chorwirkung gestellte Teil ist also infolge dieser Umstände, glaube ich,<br />

besser gewesen als der II. Ich hatte ein wirkliches Allegro impetuoso; im Nu war der<br />

Satz vorüber, wie ein Riesenpräludium zum II. Das Orchester war mir diesmal - ich<br />

darf es wohl sagen ~ ganz ergeben, hat mich aklamiert u. Einzelne haben sich sehr<br />

warm geäußert. Also darf ich wohl den Schluß ziehn, daß ich gut dirigiert habe<br />

(wenngleich das Frl. E. B. [Elsa Bienenfeld] im Journal in der unerhörtesten Weise<br />

das Gegenteil behauptete) . . . Dieses W erk zu dirigieren, liebster Freund, wie das<br />

ist, das kann ich nicht beschreiben. Ich glaubte immer, ich würde es weder seelisch<br />

noch körperlich aushalten. Aber durch die unendlich vielen Proben war ich so<br />

trainiert in jeder Hinsicht, daß ich es bewältigte. Die große Fuge im I. Teil ist so<br />

gesessen, daß ich sie unter Umständen hätte gar nicht dirigieren brauchen. Der<br />

Chorklang am Schlüsse des I. Satzes war so stark—namentlich durch den Akkord der<br />

Kinder (die haben ausgezeichnet gesungen —140 waren es) —daß ich <strong>von</strong> den isoliert<br />

postierten Trompeten u. Pos. dort am Pult kaum etwas vernommen habe. Aber auch<br />

263


die zweiten Partien sind gut gekommen; da hätte ich eben noch etlicher Proben des<br />

ganzen Ensembles bedurft. . . Die Zahl der Mitwirkenden war so groß, wie noch<br />

nie bei Aufführungen des Werks in Wien.“<br />

Ein paar Wochen nach dem großen Ereignis, am 18. Mai, unternahm <strong>Webern</strong><br />

gemeinsam mit einer Delegation der Arbeiterchöre eine Wallfahrt zum Friedhof in<br />

Grinzing, um am Grabe Mahlers eine Gedenkfeier zum 15. Todestag des<br />

Komponisten zu veranstalten. Dr. Bach hielt eine Ansprache, und ein Kranz wurde<br />

niedergelegt.<br />

Bereits zu Beginn des Monats, am 7. Mai, hatte <strong>Webern</strong> einen Schubert-Abend<br />

des Mödlinger Männergesangvereins geleitet. Das Programm bestand aus Der<br />

Gondelfahrer, Trinklied, Nachtgesang im Walde (in dem das Stiegler-Quartett, ein<br />

aus Mitgliedern der Philharmoniker bestehendes Bläserensemble, mitwirkte) und<br />

Miriams Siegesgesang (für Solosopran, gemischten Chor und Klavier). Für das<br />

letztgenannte Werk war <strong>Josef</strong> Huebers Schwester Berta als Solistin vorgesehen; sie<br />

erkrankte jedoch und wurde in letzter Minute durch Greta Wilheim, eine jüdische<br />

Sängerin, ersetzt. Diese Wahl löste im Chor antisemitische Ressentiments aus und<br />

führte zu einer Krise, die Hueber folgendermaßen beschreibt: „Im Verein<br />

herrschten starke deutschnationale Tendenzen, und nach der Aufführung wurde bei<br />

der Mehrzahl der Mitglieder Widerspruch laut. <strong>Webern</strong> reagierte mit seiner<br />

sofortigen Resignation <strong>von</strong> der Leitung des Chors.“ 11 So erfreulich seine kurze<br />

Verbindung mit dem Chor gewesen war, so zögerte er nicht, seinen Posten<br />

angesichts dieser Herausforderung an seine menschliche und künstlerische Integrität<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

Noch bevor der M onat zu Ende ging, trat W ebern wieder ans Dirigentenpult,<br />

diesmal vor einem ausgewählten Publikum und im Scheinwerferlicht internationaler<br />

Beachtung. E r war, weitgehend durch Werner Reinharts Einflußnahme, eingeladen<br />

worden, auf dem IGNM-Fest in Zürich die Uraufführung seiner Fünf Stücke für<br />

Orchester op. 10 und auch Schönbergs Q uintett für Blasinstrumente op. 2612 zu<br />

dirigieren. Schönberg hatte sich zunächst übergangen gefühlt, daß er nicht<br />

aufgefordert worden war, sein Werk selbst vorzustellen. Aber nach M onaten des<br />

Grollens und der Verweigerung seiner Zustimmung ließ er es schließlich zu, daß<br />

<strong>Webern</strong>, auf dessen gewissenhafte und verständnisvolle Einstudierung er sich<br />

verlassen konnte, das Quintett aufführen solle. <strong>Webern</strong> verlangte <strong>von</strong> den<br />

Organisatoren des Fests 10 Proben unter seiner Aufsicht und knüpfte daran die<br />

Bedingung, daß sich jeder Musiker vorher mit seiner Stimme vertraut machen<br />

müsse. Die österreichische Sektion der IGNM steuerte 500 Schillinge zu seinen<br />

Reisekosten bei, und seine Schweizer Gastgeber übernahmen seine Aufenthaltsspesen.<br />

<strong>Webern</strong> reiste am 5. Juni <strong>von</strong> Wien über Innsbruck und den Arlberg mit seiner<br />

herrlichen Landschaftskulisse (er sah diese Gegend zum ersten Mal und war restlos<br />

<strong>von</strong> ihr entzückt). In Zürich wohnte er in der Pension Wehrle, Bellerivestraße 7. Er<br />

fand sein Quartier ausgezeichnet und war begeistert <strong>von</strong> der Lage der Stadt an dem<br />

großen See. Er stürzte sich sofort in die Proben und berichtete Schönberg in allen<br />

Einzelheiten über ihren Fortgang. Am 15. Juni, vier Tage vor der Aufführung des<br />

Quintetts, äußerte er sich befriedigt darüber, daß alle seine Intentionen verwirklicht<br />

264


würden. Über sein eigenes W erk schrieb er gleichermaßen zuversichtlich: „Von<br />

meinen Stücken hatte ich bis jetzt 3 Proben u. habe noch 4 kurze. Ich glaube genug.<br />

Das Zusammenfassen dieser Einzelheiten brachte viel Schwierigkeiten. Im Klang<br />

habe ich bis ins letzte Recht. Es klingt ausgezeichnet. Ich glaube, das darf ich sagen.“<br />

<strong>Webern</strong>s Werk erklang am 23. Juni im Schlußkonzert des Festes; es war in der<br />

Mitte eines Programms placiert, das eine Klaviersonate <strong>von</strong> Miaskowski, ein Septett<br />

für Sopran, Flöte, Klavier und Streicher <strong>von</strong> Arthur Hoeree, das Konzert für Violine<br />

und Blasorchester <strong>von</strong> Kurt Weill und ein Pastorale und Marsch <strong>von</strong> Hans Krasa<br />

enthielt. „Aufführung meiner Stücke: gut“, lautete die lakonische Eintragung im<br />

Tagebuch. Die Originalität der Orchesterminiaturen, die vor mehr als einem<br />

Dutzend Jahren entstanden waren, wurde einhellig <strong>von</strong> der internationalen Presse<br />

anerkannt. Tribute voller Superlative erschienen in den führenden Zeitungen und<br />

Zeitschriften. Das Berliner Tageblatt (3. Juli 1926), das auf die lange Zeitspanne<br />

zwischen der Entstehung des Werks und seiner ersten öffentlichen Aufführung<br />

hinwies, meinte: „Die unerwartet mitschwingende Anteilnahme der Zuhörer<br />

verpflichtet zur Verbreitung dieser wunderschönen Stücke.“ Der Rezensent des<br />

Christian Science Monitor (10. Juli 1926) versuchte, wie auch zahlreiche andere<br />

Berichterstatter, eine Beschreibung <strong>von</strong> der Einzigartigkeit der Musik <strong>Webern</strong>s zu<br />

geben: „Das letzte Konzert bescherte vielen <strong>von</strong> uns ein unerwartetes und<br />

erfreuliches Ereignis. <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> erhob seinen Taktstock zu einem Kammerorchester,<br />

das aus Gitarre, Mandoline, Herdenglocken und jenem grauenhaften<br />

Instrument, dem Harmonium, bestand. Aus der Stille stiegen hauchzarte Klänge<br />

<strong>von</strong> seltsam schönen Farben auf. Das Ohr konnte geisterhafte Melodiefloskeln<br />

auffangen, die für einen Augenblick wie Rauch aufstiegen und sich dann auflösten.<br />

Ein momentanes Glitzern, wenn Form und Farbe eins wurden .. und dann<br />

entschwand es in der Stille, kaum daß wir es wahrnehmen konnten. Nur ein<br />

musikalischer Poet konnte uns diese flüchtigen Ausblicke auf eine neue und<br />

faszinierende Klangwelt vermitteln.“<br />

<strong>Webern</strong>s einzigartige Persönlichkeit beeindruckte viele seiner Kollegen auf dem<br />

Musikfest. Rudolph Ganz, damals auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, erinnerte<br />

sich später: „Seine Probenarbeit war, was seine Anforderungen an Sensibilität<br />

anbelangte, fantastisch, doch es gab viel Kichern unter den Musikern über Details,<br />

die er beachtet wissen wollte. Allgemein war man aber nach dem Konzert der<br />

Ansicht, daß sein Opus 10 der wahre Gewinn des Abends war.“ 13 Die Sängerin<br />

Ruzena Herlinger gab W ebern zu Ehren ein üppiges Mittagessen im vornehmen<br />

Hotel Baur-au-lac. Sie wollte ihn mit einigen führenden Persönlichkeiten der<br />

Musikwelt bekannt machen und lud Adolf Weißmann, den einflußreichen Berliner<br />

Kritiker, dazu ein sowie Alfredo Casella, Edward Dent, Henry Prunieres und Egon<br />

Wellesz. Bei Tisch war <strong>Webern</strong> überwältigt <strong>von</strong> dem ihn umgebenden Luxus. Er<br />

liebte gutes Essen, und das war das erste Mal, daß ihm Hum m er vorgesetzt wurde. In<br />

ihren Erinnerungen erzählte die Gastgeberin: „Auf einmal <strong>Webern</strong>s Stimme: ,Wie<br />

ißt man dös?‘ Und nach ein paar Minuten: ,Dös is aber gut‘. Ähnliche Kommentare<br />

begleiteten das Ausschenken des köstlichen Rose. Alle waren entzückt <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>s natürlichem Gebaren.“ 14 Während seines Aufenthalts wurde er zu einer<br />

265


Autofahrt eingeladen, die über die berühmte Axenstraße am Vierwaldstädtersee<br />

entlang nach Altdorf und weiter nach Andermatt führte. Dieser Ausflug wurde<br />

eingehend in <strong>Webern</strong>s Tagebuch beschrieben. Bei Tiefengletsch, auf dem Weg zum<br />

Furkapaß, mußte die Gesellschaft umkehren, da Schnee die Straße blockierte. Die<br />

grandiose Schweizer Alpenszenerie beeindruckte <strong>Webern</strong> als „Ausstellung, nicht<br />

Gegend“ .<br />

<strong>Webern</strong> hatte allen Grund, mit den Erfolgen der Saison zufrieden zu sein, und er<br />

freute sich jetzt auf eine Sommerpause mit einem „Gefühl restloser Unabhängigkeit“,<br />

wie er im Tagebuch vermerkte. Der Urlaub war schöpferischer Arbeit<br />

gewidmet, insbesondere dem Streichtrio op. 20. Die einzigen Unterbrechungen<br />

waren ein kurzer Aufenthalt in Mürzzuschlag und ein paar Bergtouren, darunter<br />

eine Besteigung des Reichenstein mit Ernst Diez. Geldknappheit verhinderte eine<br />

Reise zum Arlberg, die <strong>Webern</strong> mit seiner Frau geplant hatte.<br />

Wie immer gab es den Sommer über keinerlei Einkünfte, und die Auslagen für die<br />

vier Kinder, die alle eine bestmögliche Erziehung erhalten sollten, zwangen<br />

<strong>Webern</strong>, mit seinen Mitteln aufs sparsamste hauszuhalten. In diesem Jahr dachte er<br />

wieder einmal daran, ans Theater zurückzukehren, und er setzte tatsächlich eine<br />

Bewerbung an den Intendanten des Grazer Stadttheaters auf.15 Seine dringlichen<br />

Vorstellungen bewogen Hertzka einer monatlichen Zahlung <strong>von</strong> 100 Schillingen<br />

<strong>von</strong> Mai bis September zuzustimmen, um ihm über die kritischen Sommermonate<br />

hinwegzuhelfen. Ein paar Tage vor Ablauf der Vereinbarung bat <strong>Webern</strong> Hertzka in<br />

einem Schreiben vom 26. September, die Zahlungen zu verlängern: „Ich arbeite<br />

jetzt an einem Streichtrio, das ich im Laufe des Winters fertig zu bekommen<br />

hoffe . . . Käme ich nur endlich in eine unabhängigere Lage: um nur meiner Arbeit<br />

mich widmen zu können.“ In diesem Zusammenhang zitierte <strong>Webern</strong> seinen<br />

bevorzugten Leitsatz, Goethes Wort an Schiller, daß nur ein Verweilen in uns selbst<br />

den Nährboden für schöpferisches Wirken abgeben könne (vgl. 16. Kapitel). Die<br />

Bitte wurde erfüllt, und die Zahlungen der Universal Edition liefen den ganzen<br />

Herbst hindurch weiter. In der Hoffnung, zu einer Dauerlösung gelangen zu können,<br />

suchte W ebern Hertzka am 14. Dezember in seinem Heim auf. Man einigte sich für<br />

das ganze Jahr 1927 auf regelmäßige monatliche Zahlungen <strong>von</strong> 200 Schillingen.<br />

Hertzka machte ihm auch Hoffnungen, daß in der Zukunft noch mehr getan werden<br />

könne. Ermutigt schrieb <strong>Webern</strong> unter diesem Datum in sein Tagebuch: „Günstige,<br />

hoffnungsreiche Vereinbarungen getroffen.“<br />

Hertzkas Vertrauen auf <strong>Webern</strong>s Zukunftsaussichten waren wohl begründet.<br />

Aufführungen seiner Werke fanden in zunehmender Zahl im In- und Ausland statt.<br />

Wagemutige Künstler begannen seine Lieder in die Programme ihrer Konzerte<br />

aufzunehmen. In Zürich wurden Ende Oktober die Sechs Bagatellen op. 9 gespielt,<br />

ein Resultat des Erfolges, den seine Fünf Stücke op. 10 dort zu verzeichnen hatten.<br />

Dieses Werk dirigierte Koussevitsky im November in New York. Eine weitere<br />

amerikanische Erstaufführung am 28. November, ebenfalls in New York, war die<br />

der Fünf geistlichen Lieder op. 15. Dank seinem wachsenden Ruf wurde <strong>Webern</strong><br />

zum Ehrenmitglied der New York Composers’ Guild ernannt. In Wien, am 10.<br />

Dezember, konnte er seine Fünf Sätze op. 5 hören. Das Kolisch-Ensemble, das<br />

266


damals noch als „W iener Streichquartett“ auftrat, spielte „wirklich ganz fabelhaft“,<br />

wie <strong>Webern</strong> Schönberg berichtete. Im Januar 1927 wurden die Vier Lieder op. 12<br />

zum ersten Mal als Zyklus aufgeführt, und am 10. April erschien der fast zwanzig<br />

Jahre zuvor geschriebene Chor Entflieht auf leichten Kähnen op. 2 endlich in einem<br />

Konzertprogramm. In derselben Saison wurde die Passacaglia op. 1 vom Philadelphia<br />

Orchestra unter Stokowski gespielt (Ernst Diez, der im nahen Bryn Mawr<br />

College Vorlesungen hielt, war zugegen), und die Fünf Stücke op. 10 wurden unter<br />

Hermann Scherchen in Berlin gegeben, wo Schönberg sie hörte und <strong>Webern</strong> mit<br />

seinem Lob glücklich machte. Die wachsende Anerkennung trug dazu bei, den<br />

Glauben des Komponisten an seine schöpferische Bestimmung zu bestätigen. Er<br />

verlieh dieser seiner Überzeugung Ausdruck, als er Hertzka am 15. Oktober 1927<br />

schrieb mit der dringenden Bitte, die monatlichen Zahlungen auch für das folgende<br />

Jahr aufrechtzuerhalten: „Je mehr Sie mir jetzt die Möglichkeit zur Arbeit geben,<br />

umso günstiger nicht nur für mich sondern auch für Sie: umso eher werden wir zu<br />

einem Erträgnisse aus meinem Werke kommen (da liegt ein circulus vitiosus<br />

verborgen), denn ich kann nicht anders als glauben, daß ein mir jetzt zum Zwecke<br />

der Arbeit gewährtes Kapital noch ein Mal reichlich hereinzubringen ist.“<br />

Als der Sommer 1926 zu Ende ging, war es für <strong>Webern</strong> eine schmerzliche<br />

Vorstellung, seine Arbeiten liegen lassen zu müssen. Am 26. September schrieb er<br />

Berg, er könne es nicht sehen, wenn die Blätter gelb werden. Er habe da nur einen<br />

Wunsch, daß der Sommer rasch sterben möge, um Raum für neues Leben zu<br />

schaffen. „Ist das alte Laub weg - Du weißt - schon sind wieder die Knospen da“,<br />

meinte er. Im Januar, im strengsten Frost, sammele sich der Saft in den Bäumen.<br />

Diese Gedanken trösteten und beflügelten ihn, denn er könne den Frühling kaum<br />

erwarten und mit ihm die Zeit seiner schöpferischen Potenz. „W äre es schon wieder<br />

so weit“, rief er aus.<br />

<strong>Webern</strong>s Melancholie über das Ende des Sommers war bald verflogen. Am 14.<br />

O ktober hielten sich Schönberg und seine Frau auf ihrer Rückreise nach Berlin <strong>von</strong><br />

Pörtschach, wo sie ihren Urlaub verbracht hatten, in Wien auf, und es gab ein frohes<br />

Wiedersehen in Bergs Heim. Um diese Zeit war W ebern bereits wieder mitten in der<br />

Arbeit für den Singverein. D er Chor hatte seine regelmäßigen Proben am<br />

Donnerstag abend wieder aufgenommen (sie fanden in der Aula einer städtischen<br />

Schule an der Stubenbastei 3 statt), um die Arbeitersymphoniekonzerte am 10. und<br />

14. November vorzubereiten. Zusätzliche Proben wurden unumgänglich vor<br />

öffentlichen Veranstaltungen, drei oder vier pro Woche waren nicht ungewöhnlich.<br />

Etwa 125 Mitglieder des Chors waren regelmäßig zur Stelle, und es gab einen<br />

kleinen, aber zuverlässigen Kern guter Sänger. Einer <strong>von</strong> ihnen war der Obmann des<br />

Chors, Felix Dantine, ein Bahnbeamter <strong>von</strong> Beruf, doch seiner Neigung nach ein<br />

erfahrener Sänger. Das Programm der Novemberkonzerte bestand aus Beethovens<br />

Coriolan-Ouvertüre, Liszts Totentanz (mit der französischen Pianistin Lucie<br />

Caffaret) und Mahlers Das klagende Lied (in dem der Singverein mitwirkte).<br />

Eine weitere Doppelveranstaltung der Arbeitersymphoniekonzerte am 19. und<br />

20. März 1927 fand im Rahmen der Beethoven-Hundertjahrfeier statt. Nach der 2.<br />

Leonoren-Ouvertüre und der Vierten Symphonie beteiligte sich der Singverein an<br />

267


der Weihe des Hauses op. 124 und der Chorfantasie op. 80 mit Eduard Steuermann<br />

als Solisten. Der Magistrat <strong>von</strong> Wien übernahm die Patenschaft für eine Wiederholung<br />

des Konzerts am 21. März im Großen Musikvereinssaal, zu der die Wiener<br />

Mittelschulen eingeladen waren. Das jugendliche Publikum war so enthusiastisch<br />

und spendete solch stürmischen Beifall, daß Die Weihe des Hauses wiederholt<br />

werden mußte. In einem Brief an Schönberg vom 28. Februar nannte <strong>Webern</strong> dieses<br />

Werk einen „unsagbar schönen Chor . . . ein heiteres, sanftes, zum Teil etwas<br />

wehmütiges Stück aus Beethovens letzter Zeit“ . Er fügte hinzu; „Brahms soll es<br />

zuletzt in Wien gemacht haben. Nicht ein Mal ein Clavierauszug existiert da<strong>von</strong>: also<br />

scheint’s überall unaufgeführt.“<br />

<strong>Webern</strong> war zutiefst enttäuscht, daß das Beethoven-Konzert <strong>von</strong> der Presse<br />

ignoriert wurde, wohl wegen der Flut <strong>von</strong> Ereignissen, die sich in der an<br />

Höhepunkten reichen Woche zusammendrängten. Ein einziger Zeitungsartikel<br />

erschien, der aber im großen ganzen negativ war und nicht einmal den Namen des<br />

Dirigenten erwähnte. <strong>Webern</strong>, selbstbewußt und sensitiv wie er war, beklagte sich<br />

bitter in seinem Brief an Schönberg vom 6. April: „Ich war aber wirklich diesmal<br />

ganz besonders empört. Denn wer wird noch mit mir musizieren wollen oder mich<br />

als Dirigenten bestellen, wenn er infolgedessen totgeschwiegen oder aber verrissen<br />

wird?“ <strong>Webern</strong>s Besorgnis war jedoch unbegründet, denn er sah sich ständig<br />

gefragt. Im Januar hatte er eine Aufführung <strong>von</strong> Bachs Konzert für vier Klaviere<br />

geleitet, und am 31. März dirigierte er die Uraufführung <strong>von</strong> Alban Bergs<br />

Kammerkonzert für Klavier, Violine und 13 Blasinstrumente. Dieses Werk war<br />

Anfang 1925 vollendet worden, dem Jahr der Uraufführung des Wozzeck.16 Berg<br />

hatte das Konzert Schönberg aus Anlaß seines 50. Geburtstags gewidmet und in der<br />

Komposition die Buchstaben der Namen <strong>von</strong> Schönberg, W ebern und die seines<br />

eigenen verwendet, soweit sie in musikalischer Notation zu realisieren waren, um<br />

aus ihnen drei Themen zu gestalten, die in der melodischen Entwicklung des Stücks<br />

eine prominente Rolle spielen. Mit diesem Hinweis wollte Berg ihrem schöpferischen<br />

Triumvirat ein Denkmal setzen.<br />

Wie schon bei Schönbergs Quintett in Zürich war es für <strong>Webern</strong> eine heilige<br />

Mission, Bergs Werk zum Erfolg zu führen.17 An den Solisten hatte er starke<br />

Bundesgenossen, Steuermann und Kolisch, wie auch an einem Bläserensemble, das<br />

aus jüngeren Mitgliedern der Philharmoniker bestand. Die Premiere, der 13 Proben<br />

vorausgegangen waren, fand in einem Nachmittagskonzert der Wiener Sektion der<br />

IGNM im Konzerthaus statt. Bergs Konzert war der krönende Abschluß eines<br />

Programms, das mit Werken <strong>von</strong> Beethoven (als Beitrag zur Hundertjahrfeier) und<br />

Carl Prohaska (zum Gedenken des Wiener Komponisten, der drei Tage vorher<br />

gestorben war) begann. <strong>Webern</strong>s Bericht an Schönberg vom 6. April gibt seine volle<br />

Zufriedenheit wieder: „Kolisch u. Steuermann waren ausgezeichnet. Von Probe zu<br />

Probe wurde das Probieren idealer. Ich habe so probieren können, wie Du mit<br />

Deinem Serenade oder Pierrot-Ensemble seinerzeit. Und das mit 13 Bläsern der<br />

Philharmoniker. Von Probe zu Probe wurden sie wärmer u. eifriger. Berg war,<br />

glaube ich, sehr zufrieden und ich bin sehr glücklich, daß mir diese so eminent<br />

schwere Aufgabe so gut gelungen ist. Dieses Konzert ist ein prachtvolles Stück u.<br />

268


klingt ganz wunderbar: die Ecksätze (Variationen und Rondo) zart, duftig, heiter<br />

und schwungvoll. Das Adagio tief ergreifend. Wie gerne hätte ich es Dir<br />

vorgeführt. “<br />

Am 1. Mai, dem internationalen Arbeiterfeiertag, dirigierte <strong>Webern</strong> sein erstes<br />

Rundfunkkonzert, in dem der Singverein mitwirkte. Das Programm, das mit<br />

Richard Strauss’ Fanfare für Blechbläser und Pauken eröffnet wurde, bestand aus<br />

Scheus Sonntagslied (a cappella), Liszts Arbeiterchor (in <strong>Webern</strong>s Einrichtung),<br />

Beethovens Weihe des Hauses und Mendelssohns Erster Walpurgisnacht. Im<br />

gleichen Monat brachte die Universal Edition <strong>Webern</strong>s Drei Lieder op. 18 heraus.<br />

Angespornt <strong>von</strong> den rasch aufeinanderfolgenden Veröffentlichungen seiner Werke<br />

lag <strong>Webern</strong> nunmehr viel daran, sein Streichtrio op. 20 zum Abschluß zu bringen,<br />

das er im Vorjahr begonnen hatte. Die zwei Sätze, die das gedruckte Opus enthält,<br />

wurden Ende Juni vollendet, doch dachte <strong>Webern</strong> an einen dritten Satz, an dem er<br />

im Juli und August arbeitete, den er jedoch schließlich verwarf.<br />

<strong>Webern</strong> verbrachte den Sommer 1927 im Krumpental bei Hafning in der Nähe<br />

<strong>von</strong> Vordernberg. Bei einem Pfingstausflug im Jahr zuvor entdeckte er diese „ideale<br />

Landschaft“, wie er sie in seinem Tagebuch nannte. Im Mai 1927 kam er zurück und<br />

mietete für den Sommer drei Zimmer und eine Küche in einem geräumigen alten<br />

Bauernhof (Krampen Nr. 3). Am 9. Juli bezog er dort mit seiner Familie Quartier<br />

für einen Aufenthalt, der bis zum 30. August dauerte.<br />

Das lange Verbleiben wurde durch ein einträgliches Arrangement mit einem<br />

Schüler aus Amerika, Maurice Kaplan, einem Bratscher im Philadelphia Orchestra,<br />

der unlängst bei einer Aufführung der Passacaglia unter Stokowski mitgespielt<br />

hatte, ermöglicht. Er hatte bei W ebern wegen Stunden angefragt, nachdem er<br />

Schönbergs H onorare für seinen Geldbeutel zu hoch fand.18 Kaplan traf mit seiner<br />

Frau drei Tage nach W ebern ein und mietete Zimmer im gleichen Haus. Seinern<br />

Tagebuch vertraute der Komponist an, daß er die A m erikaner auf den ersten Blick<br />

mochte, und sie wurden fortan in fast alle Unternehmungen der Familie miteinbezogen.<br />

D er Unterricht begann sogleich; ein Klavier war zu diesem Zweck gemietet und<br />

<strong>von</strong> Leoben heraufgebracht worden. Die Honorare <strong>von</strong> Kaplan, die sich im ganzen<br />

auf 420 Schillinge beliefen, verhalten <strong>Webern</strong> zu einem produktiven und sorgenfreien<br />

Urlaub.<br />

Unbeschwertheit spricht aus <strong>Webern</strong>s Tagebucheintragungen dieser Sommerwochen.<br />

Am Ende des ersten Tages schrieb er voller Begeisterung: „Schöner Abend.<br />

Eindruck: in einer Schutzhütte auf Bergeshöhe. W underbare Luft vom Reichenstein<br />

kommend.“ E r genoß die Nähe der Gipfelwelt: „Täglicher Anblick dieser Berge! Zu<br />

allen Tagesstunden, bei jeglicher W itterung.“ Entzückt <strong>von</strong> der Schönheit seiner<br />

Umgebung, zitierte er einen Satz aus Goethes Annalen 1817: „. . . das geheimnisvoll<br />

klare Licht, als die höchste Energie, ewig, einzig u. unteilbar . . .“ Die<br />

„Tagesordnung“ wurde wie folgt beschrieben: „Getrachtet um 8h früh zur Arbeit zu<br />

gelangen. Bei schönem W etter gleich vom Bett ins Krumpenbachl baden gegangen.<br />

Arbeit bis gegen 'h 1 h mittag. Aufenthalt im Zimmer nicht sehr günstig: Kalt u.<br />

etwas feucht. Namentlich an heißen Tagen etwas kellermäßig. Nach Tisch auf der<br />

Wiese hinter dem Hause gerastet: höchstens eine Stunde. Zuweilen mit den Kindern<br />

269


u. M. [Minna] in Bachl baden, dann Arbeit bis Jause. Oft auch nach dieser. Gegen<br />

6 h meist Spaziergang Krumpen-Graben oder in den umliegenden Wald.<br />

Schwämme, Beeren suchend. Kinder u. Minna viel Sonnenbäder nehmend.<br />

Besonders Mali.“<br />

Ernst Diez war nach einem akademischen Jahr in Amerika in sein Elternhaus in<br />

Vordernberg zurückgekehrt, und es trug viel zu <strong>Webern</strong>s Freude an diesen<br />

Sommertagen bei, seinen Vetter in der Nähe zu haben. Eine gemeinsame<br />

Besteigung des Reichensteins, anschaulich im Tagebuch beschrieben, war der<br />

Höhepunkt vieler Ausflüge. Als das Ferienidyll zu Ende ging, schrieb <strong>Webern</strong> voller<br />

Wehmut am 25. August an Zenk: „Also denken Sie auch wieder ein Mal an Ihren<br />

alten Lehrer, der, je älter er wird, immer lieber u. lieber in die Berge u. auf die Berge<br />

geht, der sehr unglücklich ist (sammt den Seinen) <strong>von</strong> ihnen alsbald wieder Abschied<br />

nehmen zu müssen - was ist das für ein Klima, für eine Atmosphäre, unbeschreiblich.“<br />

Ein paar Tage später schlug das Wetter um, und als die Familie am 30. August<br />

<strong>von</strong> Hafning abreiste, lag Neuschnee auf den Bergen.<br />

Nach Hause zurückgekehrt, konnte <strong>Webern</strong> einer weiteren Wiedervereinigung<br />

mit Schönberg entgegensehen. Der Meister kam nach Wien zu seinem 53. Geburtstag<br />

und zur Uraufführung seines Dritten Streichquartetts am 19. September durch<br />

das Kolisch-Ensemble. Zu dieser Zeit hatte <strong>Webern</strong> bereits die Proben mit dem<br />

Singverein wiederaufgenommen. Für das erste Konzert der Saison 1927/28 war der<br />

Psalmus Hungaricus <strong>von</strong> Zoltän Kodäly vorgesehen. Er bildete das Schlußstück<br />

eines Arbeitersymphoniekonzerts am 6. November. In diesem Konzert teilte sich<br />

<strong>Webern</strong> in der Leitung mit Stefan Strasser, der die erste Programmhälfte dirigierte:<br />

Liszts Heldenklage, Bartöks Erstes Klavierkonzert und Tschaikowskys Fünfte<br />

Symphonie. Bartök selbst war der Solist in seinem Konzert (das er im vorangegangenen<br />

Sommer in Frankfurt vorgestellt hatte). Seiner Musik erging es bei der Wiener<br />

Presse nicht besser als der <strong>Webern</strong>s, Bergs und Schönbergs. „Wohl eines der<br />

unverdaulichsten Werke der heutigen Literatur“ , schrieb H. E. H. am 9. November<br />

in der Wiener Zeitung. „Bela Bartök versucht hier anscheinend, sogar Schönberg zu<br />

schlagen und türmt Mißtöne über Mißtöne, sodaß selbst die unentwegtesten<br />

Vorkämpfer für das Schaffen der ,Zeitgenossen1verdutzt und enttäuscht ihre Köpfe<br />

schüttelten.“ Im Gegensatz hierzu wurden Kodälys Werk und seine Wiedergabe<br />

unter <strong>Webern</strong> sehr beifällig aufgenommen.<br />

Zwei Monate später, am 8. Januar <strong>1928</strong>, leitete W ebern wieder das ganze<br />

Arbeitersymphoniekonzert, das im Großen Musikvereinssaal veranstaltet wurde.<br />

Auf dem Programm standen Goldmarks Ouvertüre Der gefesselte Prometheus, das<br />

Schicksalslied <strong>von</strong> Brahms (bei dem der Singverein mitwirkte) und Bruckners Siebte<br />

Symphonie. Ein enthusiastischer Bericht in der Arbeiterzeitung sprach <strong>von</strong> der<br />

„Hingabe und Begeisterung“ des Dirigenten, die auch das Orchester erfaßten, <strong>von</strong><br />

„seinem unbedingt sicheren Gefühl“ für alle Erfordernisse der Bruckner-Symphonie<br />

und <strong>von</strong> der unvergleichlichen erzieherischen Arbeit, die er mit dem Singverein<br />

vollbracht habe. „Es ist erstaunlich, mit welcher Sicherheit und welchem Feingefühl<br />

unsere Genossen das überaus schwierige Schicksalslied <strong>von</strong> Brahms bewältigt<br />

haben.“ In Anerkennung seiner Verdienste überreichte die Kunststelle <strong>Webern</strong><br />

270


eine Luxusausgabe der Bruckner-Partitur mit einer geprägten Widmung zum<br />

Gedenken dieses Ereignisses.19<br />

Am 17. April, in einem der Abonnementskonzerte <strong>von</strong> Kolischs Wiener<br />

Streichquartett, leitete <strong>Webern</strong> die Uraufführung <strong>von</strong> Schönbergs Herzgewächsen<br />

op. 20 für hohen Sopran, Celesta, Harmonium und Harfe. Die Solistin war Marianne<br />

Rau-Hoeglauer. Auf den großen Erfolg hin wurde das Werk wiederholt in einem<br />

Programm, das außerdem das 5. Brandenburgische Konzert <strong>von</strong> Bach enthielt mit<br />

Wangler, Kolisch und Steuermann als Solisten. „Es war eminent aufregend in<br />

solchen Höhen solche Kantilene zu hören! Ich habe geschwelgt in diesem Klange u.<br />

dem des Ensembles. Das Lied ist unsagbar schön!“ , begann <strong>Webern</strong> seinen Bericht<br />

an Schönberg vom 24. April, den er mit einer anschaulichen Schilderung jeder<br />

einzelnen Nuance seiner Wiedergabe fortsetzte. Zu seiner Bach-Interpretation<br />

schrieb er Schönberg, er habe ihr den Urtext zugrunde gelegt und nicht die Ausgabe<br />

<strong>von</strong> Reger, mit der er sich nicht einverstanden erklären könne. <strong>Webern</strong>s<br />

Idealvorstellung vom Bach-Klang entsprachen deutlich abgehobene dynamische<br />

Ebenen im Gegensatz zu stufenlosen Übergängen, und er war überzeugt, daß allein<br />

eine originalgetreue Befolgung <strong>von</strong> Bachs Vorschriften zur „Buntheit“ führte und<br />

nicht etwa zu akademischer Dürre.<br />

Am 1. Mai absolvierte <strong>Webern</strong> sein erstes Dirigierengagement im Rahmen der<br />

Konzerte der Ravag, der österreichischen staatlichen Rundfunkgesellschaft. Die<br />

Direktion schrieb das Programm vor, das aus Liszts Feslklängen, Webers Konzertstück,<br />

Mozarts Jupiter-Symphonie und Wagners Meistersinger-Vorspiel bestand.<br />

Obwohl W ebern nur eine kurze Probe bekam, war er mit dem Ergebnis recht<br />

zufrieden. „D er Klang im ,Studio-Raum* war mir nicht unsympathisch“, schrieb er<br />

Schönberg am 5. Mai über das damals noch neue Rundfunkmedium. „Zwar sehr<br />

trocken aber dafür recht klar (etwa wie Klavierspiel ohne jegliches Pedal).“<br />

Während des Frühjahrs und Frühsommers liefen bereits die Proben für ein im<br />

November geplantes Arbeitersymphoniekonzert. Vorgesehen waren Schönbergs<br />

Chorwerk Friede auf Erden und Mahlers Zweite Symphonie. Die Vorbereitungen<br />

wurden mit der gleichen Intensität durchgeführt wie die <strong>von</strong> Mahlers Achter<br />

Symphonie; wie bei der Aufführung dieses Werks vereinigte sich der Singverein mit<br />

der Chorgemeinschaft Freie Typographia zu einem Klangkörper <strong>von</strong> 350 Sängern.<br />

Die in Schönbergs Komposition enthaltenen Schwierigkeiten stellten eine ganz<br />

besondere Herausforderung an W ebern dar. Am 13. Juli schrieb er dem<br />

Komponisten; „H eute halte ich die letzte Chorprobe vor den Ferien. Seit Juli<br />

probiere ich 3 X wöchentlich. Immer Deinen Chor natürlich. Nun bin ich schon<br />

etwas ruhiger. Die mittleren Strafen sind für solche Chöre schon enorm schwer.<br />

Aber ich glaube jetzt es wird werden. Ende August beginne ich wieder.“<br />

Es gab noch eine Reihe anderer Dinge, die <strong>Webern</strong> in den ersten M onaten des<br />

Jahres <strong>1928</strong> beschäftigten. Im Frühjahr war er in die Jury für die Verleihung des<br />

W iener Musikpreises berufen worden. „Eine sauere Arbeit“, schrieb er Schönberg<br />

am 24. April. „Ganz verrückte Dinge kommen einem da zu Gesicht. (Lieber hätte<br />

ich den Preis wieder gewonnen.)“ Vorher schon, im Februar, war der Leiter der<br />

Leningrader Philharmonie, Nicolai Malko, als Gastdirigent eines Arbeitersympho­


niekonzerts erschienen. E r forderte <strong>Webern</strong> auf, Programmvorschläge für eine in<br />

Aussicht gestellte Konzertreise durch die UdSSR zu machen, aber zur großen<br />

Enttäuschung des Komponisten zerschlug sich der Plan. Eine weitere Chance<br />

eröffnete sich ihm, als die Sängerin Marya Freund ihm ein Angebot übermittelte, als<br />

erster Dirigent einer privaten Kammeroper, die seit bereits sechs Jahren spielte,<br />

nach Paris zu kommen. Die Monatsgage sollte 3000 Francs (die etwa 700<br />

österreichischen Schillingen entsprachen) betragen. <strong>Webern</strong> sah zu viele Risiken in<br />

dem Angebot und lehnte ab, was er Schönberg gegenüber am 13. Juli wie folgt<br />

begründete: „Kammeroper und überhaupt Theater - ich bin froh, daß ich jetzt<br />

wieder Zeit zur Arbeit habe. Dann wärs wieder aus. Nein, ich glaube, ich muß<br />

zunächst ein Mal ruhig hier ausharren und kann nur dann weggehn, wenn etwas ganz<br />

Außerordentliches sich bietet. Und nur dann könnte ich es verantworten, das hier<br />

mit Bach Begonnene im Stich zu lassen.“<br />

<strong>Webern</strong> wurde in seiner Entschlossenheit, keine Unterbrechung seiner schöpferischen<br />

Arbeit zuzulassen, durch günstige finanzielle Arrangements für diesen<br />

Sommer bestärkt. Maurice Kaplan, der Bratscher aus Philadelphia, kehrte zu einem<br />

weiteren Studienaufenthalt zurück, der vom 28. Juni bis zum 1. September dauerte.<br />

Diesmal bezog er in Mödling Quartier und steuerte für zwei Wochenstunden im<br />

Ganzen 630 Schillinge zu <strong>Webern</strong>s Einkommen bei. Zusätzliche Einkünfte kamen<br />

<strong>von</strong> der Sängerin Ruzena Herlinger, die für den Herbst einen Oederabend mit Paul<br />

A. Pisk in der Wigmore Hall in London vorbereitete. (Auf ihrem Programm standen<br />

auch zwei der George-Lieder <strong>Webern</strong>s, Dies ist ein Lied und Kahl reckt der Baum.)<br />

Außerdem war sie für das Sopransolo in Mahlers Zweiter Symphonie vorgesehen.<br />

Ihre Korrepetitionsstunden erstreckten sich vom Juni bis Ende Oktober, und als sie<br />

Ferien in St. Wolfgang machte, lud sie <strong>Webern</strong> ein, ab 16. Juli für eine Woche auf<br />

ihre Kosten zu kommen. Er wurde im berühmten „W eißen Rössl“ untergebracht.<br />

Postkarten an die Kinder erzählen <strong>von</strong> seinen Ausflügen in die herrliche Umgebung,<br />

<strong>von</strong> einem Bad im See, als der Strand noch leer war, und <strong>von</strong> seinen täglichen<br />

Arbeitssitzungen, dem eigentlichen Anlaß zu diesem angenehmen Zwischenspiel.<br />

Mit charakteristischer Sparsamkeit bat er die Kinder, die Postkarten aufzubewahren,<br />

damit sie seiner Sammlung <strong>von</strong> Feriensouvenirs einverleibt werden<br />

könnten.<br />

Ein paar kurze Ausflüge im Verlauf des Jahres <strong>1928</strong> stillten <strong>Webern</strong>s stetige<br />

Sehnsucht nach den Bergen. Immer wieder zog es ihn zu seinem Lieblingsberg, der<br />

Schneealpe, einem breiten Massiv mit ausgedehnten Wäldern bis hinauf zu den<br />

Almwiesen. Meist begann er den Anstieg <strong>von</strong> Kapellen und erreichte am ersten Tag<br />

die Kamplhütte, eine einfache Unterkunft für die Nacht. Am zweiten Tag wanderte<br />

er für gewöhnlich zur Baumgrenze und den darüberliegenden Hängen. Dort oben,<br />

inmitten der üppigen Alpenflora, war er restlos zufrieden und glücklich. Größtes<br />

Vergnügen bereitete es ihm, Menschen, die ihm am nächsten standen, zu den<br />

Wundern der Bergwelt zu führen, und sein Tagebuch verzeichnet jedes dieser<br />

frohen Ereignisse. Eine dieser Touren war ein nächtlicher Anstieg zur Kamplhütte<br />

im November 1927 mit Dr. Norbert Schwarzmann, dem schlechtes Wetter ein Ende<br />

bereitete. Im Mai begann <strong>Webern</strong> seine Bergsaison <strong>1928</strong> mit einem erneuten<br />

272


Versuch einer Besteigung der Schneealpe. Diesmal war Dr. Rudolf Ploderer sein<br />

Begleiter. Es herrschten aber noch winterliche Verhältnisse, und tiefe Schneeverwehungen<br />

versperrten ihnen den Zugang zum Gipfel. Doch ein paar Monate<br />

später, im Juli, als <strong>Webern</strong> Frau und Kinder auf den Berg mitnahm, hatten<br />

sie keine Schwierigkeiten, den höchsten Punkt, den 1903 in hohen Windberg, zu<br />

erreichen.<br />

Ende Juli reiste <strong>Webern</strong> mit der Familie für eine Woche nach Vordernberg zur<br />

Feier des 50. Geburtstags <strong>von</strong> Emst Diez und <strong>von</strong> dort nach Klagenfurt, um seine<br />

Schwestern Maria und Rosa wiederzusehen. Eine Wallfahrt zum Preglhof am 30.<br />

Juli erweckte selige Erinnerungen an seine Jugendzeit. <strong>Webern</strong> fand das Familiengrab<br />

in Schwabegg, das er seit 1921 nicht mehr besucht hatte, in gutem Zustand, wie<br />

auch das Grab seines Vaters auf dem Friedhof <strong>von</strong> Annabichl, das er ein paar Tage<br />

später auf suchte. Von beiden Gräbern nahm er ein paar Blumen mit, die er in einer<br />

der winzigen, sorgfältig beschrifteten Seidenpapierhüllen zusammen mit den<br />

Ansichtskarten dieses Sommers aufbewahrte.<br />

Eine Wochenendbesteigung des mächtigen Hochschwabs am 11. und 12. August<br />

gab <strong>Webern</strong> besondere Befriedigung. D er Ausflug, begünstigt <strong>von</strong> herrlichem<br />

Wetter und großartiger Aussicht, wurde in Begleitung seines 13jährigen Sohnes<br />

Peter und Dr. Rudolf Ploderers unternommen. Sie beobachteten viele Gemsen, als<br />

sie den Gipfel vom Bodenbauer nach Seewiesen überquerten, wo sie im Schiestelhaus<br />

übernachteten. Das war der letzte Ausflug eines besonders ergiebigen<br />

Sommers. <strong>Webern</strong> vollendete seine Symphonie op. 21 und die Neuinstrurnentierung<br />

seiner Sechs Stücke op. 6. Außerdem nahm er eine Transkription seiner Fünf Sätze<br />

op. 5 für Streichorchester in Angriff.<br />

Abgesehen <strong>von</strong> gelegentlichen Schwankungen blieb W eberns finanzielle Lage<br />

angespannt. Ab September <strong>1928</strong> wurde sein Monatsgehalt am Israelitischen<br />

Blindeninstitut <strong>von</strong> 225 auf 100 Schillinge gekürzt. W ebern mußte dennoch die<br />

weite Fahrt zur Hohen W arte zweimal wöchentlich machen und das lediglich für eine<br />

einstündige Chorprobe. Während dieses Herbstes hatte er nur einen einzigen<br />

Privatschüler, M. Hice, einen Amerikaner aus Philadelphia, den Kaplan geschickt<br />

hatte. Hice studierte bei <strong>Webern</strong> den ganzen Winter hindurch und zahlte 5 Dollars<br />

pro Stunde (was etwa 140 Schillingen im Monat entsprach).<br />

Vorübergehend verschaffte ihm der Chor Freie Typographia, mit dem er im Mai<br />

zu arbeiten begonnen hatte, ein zusätzliches Einkommen. Nach der Sommerpause<br />

wurden die Proben mit diesem Chor und mit dem Singverein wiederaufgenommen.<br />

Alle Anstrengungen waren damals auf das Novemberkonzert mit Schönbergs Friede<br />

auf Erden und Mahlers Zweiter Symphonie gerichtet. Mit sich steigernder<br />

Begeisterung hielt W ebern Schönberg auf dem laufenden über seine Fortschritte bei<br />

der schwierigen Aufgabe, die komplizierten Zusammenhänge der Komposition<br />

seinen Laiensängern begreiflich zu machen. (Zu dieser Zeit hielt sich Schönberg<br />

noch an seinem Ferienort an der französischen Riviera auf. Er kam kurz nach Wien<br />

zu seinem 54. Geburtstag, Anlaß zu einer großen Feier mit ailen Freunden im<br />

Rathauskeller. Danach kehrte er nach Roquebrune Cap Martin zurück und blieb<br />

dort bis Februar 192,9, um am Libretto <strong>von</strong> Moses und Aron, damals noch als<br />

273


Oratorium geplant, und an der Oper Von Heute auf Morgen, für deren Libretto<br />

seine Frau unter dem Pseudonym Max Blonda zeichnete, zu arbeiten.)<br />

Die Intonationsschwierigkeiten in Schönbergs A-cappella-Chor waren so groß,<br />

daß der Komponist eine nach Belieben zu verwendende Orchesterstütze angefertigt<br />

hatte, die aus doppelten Holzbläsern, zwei Hörnern und Streichern bestand. Im<br />

Hinblick auf die Grenzen, die seinen Sängern gesetzt waren, entschloß sich <strong>Webern</strong>,<br />

diese Stütze (sie wurde für diesen besonderen Anlaß verstärkt) heranzuziehen,<br />

obgleich er in zunehmendem Maße mit dem bei den Proben erzielten Grad der<br />

Treffsicherheit seiner Sänger zufrieden war. Am 4. November, eine Woche vor dem<br />

Konzert, schrieb er an Schönberg: „Wenn nicht alles trügt, wird Dein Chor gut<br />

werden. Nun haben ihn, glaube ich wirklich, alle 350 Sänger erlernt. Hast Du<br />

Deinen Chor überhaupt schon gehört? Weißt Du denn selbst, wie schön er ist?<br />

Unerhört! Welch ein Klang! Im höchsten Grade aufregend. Ich bin immer ganz<br />

fertig, wenn wir ihn im Zuge durchgemacht haben. Und neulich, als wir<br />

durchgesungen hatten, kam der Polnauer an allen Gliedern zitternd, ohnmächtig ein<br />

Wort zu sagen. Ja, so ist diese Musik!“<br />

Als <strong>Webern</strong> diesen Brief schrieb, war er erkrankt. Seit Anfang Oktober hatte er<br />

unter Magenbeschwerden gelitten, und die Anstrengungen der Probenarbeit<br />

führten zu einer akuten Verschlechterung seines Gesundheitszustands. Zunächst<br />

bestand der Verdacht auf ein Magengeschwür, und es wurde die Notwendigkeit<br />

einer Operation in Erwägung gezogen, doch entkräftete eine Röntgenuntersuchung<br />

diese Vermutung. Stattdessen wurde <strong>Webern</strong> eine strikte Milchdiät verordnet. In<br />

diesem geschwächten Zustand wurden seine Kräfte bis zum äußersten beansprucht.<br />

In höchster Besorgnis bewogen die Freunde Dr. Norbert Schwarzmann, an<br />

Schönberg zu schreiben, um ihn dringend zu bitten, auf W ebern einzuwirken, der<br />

offensichtlich dein Zustand totaler Erschöpfung zutrieb. Schönberg handelte sofort.<br />

In seinem Brief vom 2. November bat er W ebern inständig, seine Gesundheit nicht<br />

nur für spätere Konzerte zu schonen, sondern vor allem um seiner Sendung als<br />

Komponist willen.<br />

Die Konzerte waren für den 11. und 12. November im Großen Musikveremssaal<br />

angekündigt, und das erste sollte vom Rundfunk übertragen werden. <strong>Webern</strong><br />

dirigierte die erste <strong>von</strong> zwei Orchesterproben am Nachmittag des 10. November,<br />

einem Samstag. Dann forderte die Überanstrengung ihren Preis. Dem Zusammenbruch<br />

nahe, erlaubte <strong>Webern</strong> seiner Frau, den Hausarzt Dr. Cech zu rufen. D er Arzt<br />

verordnete <strong>Webern</strong> Bettruhe und verbot ihm, die Konzerte zu dirigieren. Erwin<br />

Stein sprang als Dirigent ein. Dank <strong>Webern</strong>s unendlich sorgfältiger Vorbereitung<br />

paßten sich die Chöre mit Bravour der Situation an. Die Konzerte waren ein großer<br />

Erfolg, wie aus langen und anerkennenden Presseberichten hervorgeht.20 Ein kurzer<br />

Auszug aus Der Tag (16. November) spricht dafür: „Der Feuergeist <strong>Webern</strong>s, der<br />

alle Mitwirkenden beseelte und die Arbeiterchöre zu dem kostbarsten und edelsten<br />

Klangkörper geschliffen hatte, schwebte unmittelbar über der großartigen Aufführung:<br />

Erwin Stein hatte kaum mehr als die Register des Riesenapparats zu führen,<br />

für die wichtigsten Einsätze zu sorgen - und die Klangproportionen stellten sich <strong>von</strong><br />

selbst ein.“<br />

274


Krank und enttäuscht hörte W ebern vom Bett aus die Übertragung des Konzerts.<br />

Er war mit allen seinen Gedanken bei seinen getreuen .Sängern, die nach M onaten<br />

hingebungsvoller Probenarbeit seiner Führung in dieser entscheidenden Stunde<br />

beraubt waren; in einem beredten Brief vom 15. November an die Mitglieder der<br />

Freien Typographia verlieh er seinen Empfindungen Ausdruck.21 Nur langsam<br />

überwand er die Krankheit. D er Arzt verordnete einen dreiwöchigen Erholungsaufenthalt<br />

in Hofgastein, wo die Krankenkasse ein Genesungsheim unterhielt. David<br />

<strong>Josef</strong> Bach und Ruzena Herlinger initiierten jedoch eine Geldsammlung, um damit<br />

seine Aufnahme in das vornehme Kurhaus Semmering zu finanzieren. Bei seinem<br />

Aufenthalt vom 1. bis 20. Dezem ber fand W ebern dort die Ruhe und individuelle<br />

Pflege, die für seine W iederherstellung förderlich waren. E r bedauerte es, daß er ein<br />

weiteres Arbeitersymphoniekonzert am 8. Dezem ber nicht wahrnehmen konnte;<br />

auch hierfür sprang Erwin Stein als Dirigent ein. (Das Konzert, das im großen<br />

Festsaal der Hofburg stattfand, war Franz Schubert gewidmet, dessen hundertster<br />

Todestag am 19. November begangen wurde.)<br />

In diesen schweren Tagen Überboten sich <strong>Webern</strong>s Freunde mit spontanen<br />

Gesten der Zuneigung und Verehrung; sie spendeten ihm Trost und finanzielle<br />

Hilfe. U nter den Beiträgen war eine Zuwendung der W iener Sektion der IGNM,<br />

deren Vorstand W ebern damals angehörte. Im Namen der Gruppe wandte sich Paul<br />

Stefan im Hinblick auf <strong>Webern</strong>s Lage auch an Mrs. Elizabeth Sprague Coolidge, die<br />

amerikanische Mäzenin, die im Vorjahr zwei Kammermusikkonzerte in Wien<br />

subventioniert hatte. Sie antwortete mit einem Scheck über 100 Dollars. <strong>Webern</strong>s<br />

Kontobuch verzeichnet mit peinlicher Genauigkeit die einzelnen Spenden, unter<br />

denen sich auch eine des stets hilfsbereiten W erner Reinhart befand. Schönberg ursd<br />

Berg halfen ebenfalls. Die finanzielle Unterstützung, die zahlreichen Freundschaftsbeweise<br />

und die kräftigende Gebirgsluft auf dem Semmering, wo ihm im Kurhaus<br />

die beste Pflege und ungewohnter Luxus zuteil wurden, stellten sehr bald <strong>Webern</strong>s<br />

Gesundheit und Lebensmut wieder her. Weihnachten wieder zu Hause, konnte er<br />

mit Zuversicht in die Zukunft blicken, l'n einem optimistischen Brief an Schönberg<br />

arn 29. Dezember urnriß er eine Anzahl neuer Konzertpläne und verlieh seiner<br />

Genugtuung darüber Ausdruck, daß das Schönberg-Mahler-Programm im April<br />

wiederholt werden sollte. Er war auch hoch erfreut, daß Klemperer, Seherchen und<br />

Stokowski der Universal Edition gegenüber Interesse an seiner vor kurzem<br />

vollendeten Symphonie op. 21 bekundet hatten.<br />

Aufführungen und Veröffentlichungen der Kompositionen W eberns hatten sich<br />

während der vergangenen 12 M onate gehäuft. Sein Opus 2, der Chor Entfliehtauf<br />

leichten Kähnen, der in den zwei Jahrzehnten seit seiner Entstehung noch keine<br />

Aufführung erlebt hatte, fand rasch Beachtung, sobald er im Druck erschien. Nach<br />

seiner Uraufführung in einer steirischen Provinzstadt Anfang 1927 konnte W ebern<br />

jetzt das Werk zum ersten Mal in einem Konzert am 7. Dezember in Wien selbst<br />

hören, gesungen <strong>von</strong> der Stuttgarter Madrigalvereinigung (vgl. 5. Kapitel). Arn<br />

8. Februar <strong>1928</strong> führten Margot Hinnenberg-Lefebre und Eduard Steuermann<br />

Lieder <strong>von</strong> W ebern und Berg auf, und im selben Konzert spielte das Kolisch-<br />

Quartett W eberns Sechs Bagatellen sowie Bergs Lyrische Suite. Acht Tage später,<br />

275


am 16. Februar, leitete Hermann Scherchen in einem Konzert in Winterthur die<br />

Uraufführung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Vier Liedern op. 13 mit einer Wiederholung in Zürich<br />

unmittelbar nachher (vgl. 16. Kapitel). Ende April veröffentlichte die Universal<br />

Edition die Fünf Canons op. 16 und die Zwei Lieder op. 19, während das Streichtrio<br />

op. 20 schon früher herausgekommen war (November 1927). Die Uraufführung des<br />

letztgenannten Werks fand bald darauf, am 16. Januar <strong>1928</strong>, durch Mitglieder des<br />

Kolisch-Quartetts in Wien statt. Aufführungen des Streichtrios folgten in Berlin und<br />

Schwerin im Frühjahr und eine weitere im September während des IGNM-Fests in<br />

Siena (vgl. 18. Kapitel).<br />

<strong>Webern</strong> war in Siena nicht zugegen, dafür aber Hertzka. Der unerschütterliche<br />

Glaube seines Verlegers an <strong>Webern</strong>s schöpferische Mission gab dem Komponisten<br />

Rückhalt während der schweren Jahre seines Aufstiegs zu internationaler Prominenz.<br />

Das Gefühl der Solidarität mit seinem Freund und Förderer spricht aus<br />

<strong>Webern</strong>s Brief an ihn vom 6. Dezember 1927. Nachdem er ihm zunächst für die<br />

Verlängerung der monatlichen Zahlungen und die Veröffentlichung des Trios<br />

gedankt hatte, fuhr er fort: „Ihr damit neuerdings bekundetes Vertrauen zu meiner<br />

Sache ist mir die größte Stütze auf meinem doch gewiß nicht leichten Wege. Doch<br />

möchte ich bei dieser Gelegenheit gerne einmal zu Ihrer Beruhigung ganz<br />

ausdrücklich darauf hinweisen, daß doch - namentlich in den letzten Jahren -<br />

zweifellos ein zwar zäher, doch stetiger, niemals unterbrochener Aufstieg meiner<br />

Sache zu beobachten ist. Und bietet solche Art <strong>von</strong> Erfolg nicht mehr Gewähr als ein<br />

raketenartiger? Mit jedem Jahre wird die Zahl der Aufführungen in jeder Kategorie<br />

meiner Werke größer. Wohl weiß ich, daß mein Werk rein geschäftlich noch immer<br />

äußerst wenig bedeutet. Aber das liegt wohl auch in seiner bis heute fast<br />

ausschließlich lyrischen Natur begründet: Gedichte sind freilich wenig einträglich;<br />

aber schließlich müssen sie eben doch geschrieben werden.“<br />

276


18. Zwölftontechnik —Opus 17—21 —<br />

And ci e Werke —Liszt-Bearbeitung<br />

(1924-<strong>1928</strong>)<br />

Im Oktober 1902, am Anfang seiner Universitätsjahre, schrieb W ebern in sein<br />

Tagebuch ein Zitat aus den Schriften des österreichischen Architekten und<br />

Pädagogen Otto Wagner1: „Jede Bauform ist aus der Construction entstanden und<br />

successive zur Kunstform geworden. Immer ist es also ein constructiver Grund, der<br />

die Form beeinflußt, und es kann daher mit Sicherheit gefolgert werden, daß neue<br />

Constructionen auch neue Formen gebären. Unsere modernste Epoche hat, wie<br />

keine frühere, die größte Anzahl solcher Constructionen (man bedenke nur den<br />

Erfolg des Eisens) hervorgebracht. Was kann also logischer sein, als zu behaupten:<br />

Wenn der Kunst so vieles und völlig neues zugeführt wird, muß schon daraus eine<br />

neue Formgebung und allmählich ein neuer Stil entstehen.“ Diese frühzeitige<br />

Beschäftigung <strong>Webern</strong>s mit solchen Gedankengängen sollte für seine ganze<br />

schöpferische Laufbahn bestimmend werden.<br />

Das Jahr 1924 sah <strong>Webern</strong>s formelle Übernahme <strong>von</strong> Schönbergs Methode der<br />

„Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen“, einer Methode, die er<br />

<strong>von</strong> nun an in allen seinen Werken ausschließlich anwenden und bis zu ihren letzten<br />

Möglichkeiten vervollkommnen sollte. Erwin Stein veröffentlichte die erste<br />

Beschreibung der neuen Technik im September 1924 (in Musikblätter des<br />

Anbruch), ihre Prämissen waren jedoch schon vorher Thema lebhafter Diskussionen.<br />

Wie bei vielen revolutionären Ideen, kann auch die Erschaffung der<br />

dodekaphonischen Methode nicht dem Denken eines einzigen zugeschrieben<br />

werden. Sie entwickelte sich vielmehr aus verschiedenen Strömungen musikalischer<br />

Vorstellungen, die allmählich in einen umfassenden Trend zusammenflossen. Ein<br />

frühes Beispiel eines zwölftönigeii Themas findet sich in Liszts F


-<br />

ergänzten sich zu thematischen Gebilden <strong>von</strong> zwölf Tönen. In Hauers Klavierstück<br />

Nomos (Gesetz), das 1912 veröffentlicht wurde, ist die Zwölftonmusik bereits im<br />

Keim vorhanden. Er erläuterte seine Doktrin in mehreren theoretischen Essays, die<br />

zwischen 1919 und 1926 erschienen.2 Während sich Hauers Zwölftonmethode, wie<br />

auch Schönbergs, <strong>von</strong> der Hegemonie eines tonalen Mittelpunkts lossagte, war seine<br />

Verfahrensweise eine völlig andere. In seiner Tropenlehre ordnet er alle möglichen<br />

Kombinationen <strong>von</strong> zwölf verschiedenen Tönen zu einem zweckdienlichen System<br />

<strong>von</strong> 44 Gruppen. Eine jede dieser Gruppen repräsentiert einen Klangbereich, der<br />

durch das Ohr identifizierbar ist, vergleichbar einer bestimmten Tonart im alten<br />

tonalen System, und der Übergang <strong>von</strong> einer Trope zur nächsten soll beim Hörer ein<br />

ästhetisches Erlebnis auslösen.<br />

Überlegungen, das siebentönige diatonische Tonleitersystem durch ein alle zwölf<br />

Töne der chromatischen Skala einbeziehendes System zu ersetzen, wurden <strong>von</strong><br />

Schönberg bereits in seiner 1911 veröffentlichten Harmonielehre angedeutet. Seine<br />

Experimente führten durch einen langen Prozeß der Evolution zur Aufstellung der<br />

Zwölftonreihe als Grundprinzip eines neuen Idioms. In Schönbergs System kommt<br />

keinem Ton vorrangige Bedeutung zu. Die bisherigen Vorstellungen <strong>von</strong> Konsonanz<br />

und Dissonanz werden abgeschafft und mit ihnen die beherrschende Rolle der<br />

Tonika als Tonartenmittelpunkt mit den hieraus resultierenden Verwandtschaften.<br />

In der Reihenkomposition darf kein Ton wiederholt werden, bevor nicht alle zwölf<br />

Töne der chromatischen Skala erklungen sind. Ein Ton kann jedoch in jeder<br />

beliebigen Tonhöhe auftreten und unmittelbar nach seinem Erscheinen wiederholt<br />

werden, d. h. bevor der nächste Ton der Reihe zu hören ist. Die „Grundgestalt“ (die<br />

Urform der Reihe) gestattet drei Verwandlungen: Umkehrung, Krebs und<br />

Umkehrung des Krebses. Wenn alle Transpositionen, die innerhalb der chromatischen<br />

Skala zur Verfügung stehen, berücksichtigt werden, so können diese vier<br />

Erscheinungsformen der Grundreihe 48 Möglichkeiten zulassen. Melodik und<br />

Harmonik: werden ausschließlich <strong>von</strong> der Reihe hergeleitet, während Rhythmik und<br />

andere Elem ente freier Behandlung offen stehen.<br />

Im Gegensatz zu Hauer, der volle Bewußtwerdung der Tropen und ihrer<br />

Sequenzen forderte, wollte es Schönberg nicht, daß sich der Hörer der Reihe und<br />

ihrer operativen Modi bewußt werde, und er verlangte vom Komponisten, die<br />

Technik lediglich als ein anderes Vehikel des musikalischen Denkens anzuwenden.<br />

E r selbst erfüllte sie mit expressiver Kraft, und es gelang ihm, das revolutionäre<br />

Idiom durchzusetzen trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten mit Interpreten und<br />

Hörern. Im Lauf der Zeit wurde die Dodekaphonie als der stärkste Einfluß bei der<br />

Formung der Musik des 20. Jahrhunderts anerkannt. Flauer wurde nach einer<br />

ergebnislosen theoretischen Kontroverse mit Schönberg recht verbittert, als das<br />

Triumvirat Schönberg-Berg-<strong>Webern</strong> das Feld allein beherrschte, und er miterleben<br />

mußte, wie seine unbestreitbaren Verdienste als Neuerer fast völlig der Vergessenheit<br />

anheim fielen. Bis zu seinem Tod im Jahr 1959 bestand er hartnäckig darauf,<br />

daß der Vorrang auf dem Gebiet der Zwölftonkomposition wie auch das Verdienst,<br />

sie erfunden zu haben, ausschließlich ihm gebühre. Er ließ keine Gelegenheit aus,<br />

auf diese Priorität Anspruch zu erheben und signierte stets mit „<strong>Josef</strong> Matthias<br />

278


Hauer, der geistige Urheber und trotz vielen schlechten Nachahmern leider immer<br />

noch der einzige Kenner und Könner der Zwölftonmusik“ . Von dieser Behauptung<br />

(in der das beleidigende „schlecht“ im Zusammenhang mit seinen „Nachahmern“<br />

ausgelassen wurde) ließ sich Hauer sogar einen Stempel anfertigen, den er <strong>von</strong> 1937<br />

an für alle seine Briefe benützte. In ihnen verlieh er stets seinen Gefühlen des<br />

Verletztseins und der Vernachlässigung Ausdruck, so etwa als er am 11. Januar<br />

1935 aus Anlaß der Feiern zum bevorstehenden 50. Geburtstag <strong>von</strong> Alban Berg an<br />

Paul A. Pisk schrieb: „Meinen 50. Geburtstag haben meine Kollegen, die alle miteinander<br />

meine Schüler sind (inklusive Schönberg!) - - ignoriert. Das schmeckt<br />

stark nach Politik!!! Persönlich ist mir Alban Berg sehr sympathisch, aber seine<br />

psychopathologischen Operettenerfolge können mir wenig imponieren!“3<br />

Nach Schönbergs eigenen Angaben befand sich seine Zwölftontheorie bereits seit<br />

1914/15 im Prozeß der Evolution, aber erst im Februar 1923 war es soweit, daß er<br />

ihre Formulierung einem engen Kreis <strong>von</strong> Gefährten verkündete. Gegen Jahresende,<br />

am 1. Dezember, schrieb er Hauer: „Unterrichtet habe ich das wohl noch<br />

nicht, weil ich es noch durch einige Kompositionen erproben und in einigen<br />

Richtungen erweitern muß. Aber im Vorunterricht der Schüler verwende ich zur<br />

Definierung der Formen und Formelemente, und insbesondere zur Erläuterung der<br />

musikalischen Technik, sehr viel da<strong>von</strong> seit einigen Jahren.“4<br />

Seit den allerersten Tagen des Durchbruchs der Atonalität war <strong>Webern</strong> in der<br />

vordersten Reihe der revolutionären Entwicklung gestanden, manchmal als Pionier<br />

ihrer harmonischen und strukturellen Erneuerung. Über ein Jahrzehnt hatte er<br />

bewußt selbst mit Zwölftonkonstellationen experimentiert, wie in den Bagatellen<br />

op. 9. Als die Regeln der strengen Zwölftonkomposition greifbare Gestalt an~<br />

nahmen, war er der erste Jünger Schönbergs, der ihre Anwendbarkeit an eigenen<br />

Kompositionen testete. <strong>Webern</strong>s intensive Beschäftigung mit den Problemen einer<br />

systematischen Dodekaphonie läßt sich eindeutig anhand eines Manuskripts<br />

nachweisen, das noch vor seiner offiziellen Übernahm e der Methode datiert ist;<br />

neben Skizzen <strong>von</strong> Mein Weg geht jetzt vorüber, Nr. 4 der Fünf geistlichen Lieder op.<br />

15, finden sich Tabellen <strong>von</strong> mehreren Reihenformen mit Umkehrung, Krebs und<br />

Krebs in der Umkehrung. W ebern gibt zwei Versionen der Grundreihe und<br />

experimentiert mit ihren Transpositionen. Eine der Reihen erscheint in den ersten<br />

zwölf Tönen der Singstimme des Liedes, und Segmente <strong>von</strong> 3 oder 4 Tönen der<br />

Reihe werden sowohl horizontal als auch vertikal in die Textur der Partitur<br />

eingearbeitet.5<br />

Das Lied wurde am 26. Juli 1922 in Traunkirchen konzipiert, zu einer Zeit, als<br />

W ebern täglichen Kontakt mit Schönberg hatte. Die Tatsache, daß <strong>Webern</strong> die vier<br />

Grundformen einer Zwölftonreihe in diesem Sommer niedergeschrieben hat und<br />

sich bewußt an der Anwendung des Systems versuchte, beweist, daß er <strong>von</strong> der<br />

neuen Methode gewußt haben muß. Das erscheint umso bemerkenswerter, als<br />

Schönberg später nachdrücklich versicherte, er habe W ebern sein System vorher<br />

nicht offenbart. D er Hinweis findet sich in einer kurz vor Schönbergs Tod<br />

niedergeschriebenen Aufzeichnung, betitelt „A nton <strong>Webern</strong>: Klangfarbenmelodie<br />

1951“ (in die erweiterte Ausgabe <strong>von</strong> Schönbergs Style arid Idea, 1975, aufgenom­<br />

279


men). Indem sich Schönberg mit der Behauptung <strong>von</strong> Frederick Dorian-Deutsch<br />

auseinandersetzte, <strong>Webern</strong> habe als erster die Technik der Klangfarbenmelodie<br />

angewendet, stellte er fest: „Eines ist sicher: selbst wenn es <strong>Webern</strong>s Idee gewesen<br />

wäre, so hätte er mir es nicht gesagt. Er hat alles geheimgehalten, was er in seinen<br />

Kompositionen ,Neues“versucht hatte. Ich dagegen habe ihm jede meiner neuen<br />

Ideen (ausgenommen die Kompositions-Methode mit 12 Tönen - die hielt ich<br />

längere Zeit geheim, weil, wie ich Erwin Stein sagte, alles was ich tue, plane oder<br />

sage <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> sofort benützt wird, so daß - ich erinnere mich meiner Worte - ,ich<br />

schon gar nicht mehr weiß, wer ich bin1) sofort und ausführlich erklärt.“ Schönbergs<br />

Kommentar läßt keinen Zweifel daran, daß er es ganz bewußt vermied, die<br />

Zwölftonmethode mit <strong>Webern</strong> zu erörtern, und das Vorhandensein <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

völlig entwickelten Reihentabellen im Zusammenhang mit dem Lied Mein Weg geht<br />

jetzt vorüber, das ein halbes Jahr vor Schönbergs offizieller Verkündigung der<br />

Methode komponiert wurde, ist somit höchst rätselhaft.<br />

<strong>Webern</strong> entwickelte auch Reihentabellen mit Ziffern für jeden der zwölf Töne in<br />

seinen Skizzen zu Crucem tuam adoramus (Op. 16, Nr. 5), und auf derselben Seite,<br />

auf der er Christus factus est (Op. 16, Nr. 1) entwarf, findet sich die Skizze zu einem<br />

kleinen Klavierstück im strengen Reihenstil. Es war die Zeit, als <strong>Webern</strong> diese<br />

letzten zwei seiner Fünf Canons nach lateinischen Texten im Oktober und<br />

November 1924 komponierte, zu der er mit der systematischen Verwendung der<br />

Zwölftonmethode begann, um sie allen seinen künftigen Werken ausschließlich<br />

zugrunde zu legen.<br />

Anfang 1924 war <strong>Webern</strong> intensiv mit den Proben zur Uraufführung <strong>von</strong><br />

Schönbergs Serenade op. 24 aus dem Jahr 1923 für Kammerensemble und<br />

Singstimme beschäftigt. Im 4. Satz des Werks, das in der klassischen Suitenform<br />

gehalten ist, wird das Zwölftonsystem zum ersten Mal konsequent angewandt: Das<br />

Thema, aus zwölf nicht wiederholten Tönen gebaut, erscheint als Melodie in der<br />

Singstimme, in der Begleitung motivisch und in der Harm onik in kompletten<br />

Akkorden. Bei der Vorbereitung der Aufführung erwarb sich W ebern praktische<br />

Erfahrung mit den inneren Zusammenhängen der neuen Technik. Im Herbst des<br />

gleichen Jahres vollendete er seine eigenen ersten, auf Tonreihen gegründete<br />

Kompositionen. Um diese Zeit regte ihn Hertzka zu einem Zyklus <strong>von</strong> Kinderstükken<br />

für Klavier an. Ein Hinweis auf dieses Projekt findet sich in einem Brief<br />

<strong>Webern</strong>s an seinen Verleger vom 3. Januar 1925: „Als Sie letzthin mit einigem<br />

Vorwurf nach den Kinderstücken, die ich zu schreiben versprochen habe, fragten,<br />

konnte ich in der Eile nicht recht ausführen, warum ich damit noch nicht<br />

weitergekommen bin. Das möchte ich jetzt nach tragen. So sehr es mich nämlich<br />

auch interessiert, diese Stücke zu komponieren - ich hatte ja an derartiges schon vor<br />

Ihrer Anregung gedacht so mußte ich doch die Arbeit daran unterbrechen, weil<br />

mich seit längerem Anderes so sehr beschäftigt, daß ich es, wiewohl ich das<br />

Gegenteil beabsichtigt hatte, nun doch vor den ,Kinderstücken* schreiben muß. Ich<br />

arbeite an einem Cyklus lateinischer Gesänge und an Liedern nach deutschen<br />

Texten. Es wäre sehr kränkend für mich, wenn Sie glaubten, ich erwiese mich Ihrem<br />

so gut gemeinten Antrag gegenüber als undankbar. Nein! Seien Sie versichert, daß<br />

280


das Gegenteil der Fall ist, und daß mich nur meine Art der Produktion einstweilen<br />

hindert, diese ,Kinderstücke‘ zu schreiben: weil es bei mir in dieser Hinsicht nie so<br />

wird, wie ich will, sondern nur so, wie es mir bestimmt ist, wie ich muß.“<br />

Als <strong>Webern</strong> die Arbeit an den Kinderstücken unterbrechen mußte, lagen bereits<br />

zwei <strong>von</strong> ihnen im Konzept vor. Eines war die oben erwähnte Skizze eines kleinen<br />

Klavierstücks, die auf derselben Seite erscheint wie die zum Kanon Christus factus<br />

est. Ihr geht eine lange Aufstellung <strong>von</strong> gebräuchlichen Formen voran, aus der das<br />

Material für einen ganzen Zyklus oder eine Suite <strong>von</strong> Stücken ausgewählt werden<br />

könnte. Alte Gattungen wie Präludium, Variationen, Fuge, Passacaglia und Kanon<br />

werden aufgezählt wie auch Tanzsätze <strong>von</strong> der Musette und dem Menuett bis hin zu<br />

Mazurka, Walzer, Polka, Ländler und Reigen. Die Vielfalt <strong>von</strong> Modellen, die<br />

<strong>Webern</strong> vorschwebten, einschließlich Choralvariationen und Charakterstücken,<br />

zeigt, daß er das Vorhaben mit einem großen und fantasievollen Vorrat an<br />

Möglichkeiten anging. Sein erster Anlauf, eines der Kinderstücke zu realisieren,<br />

besteht aus 9 Takten und schließt mit einem Doppelstrich, der das Ende des<br />

Konzepts anzeigen könnte. Zwei Gestalten der Reihe sind ausnotiert. Die eine<br />

umfaßt zwölf Töne und findet in einer vorbereitenden Skizze Verwendung, die<br />

andere besteht aus nur elf Tönen. Merkwürdigerweise wurde die letztere, der der<br />

Ton a fehlt, für das Stück gewählt; sie wird sechsmal hintereinander gebracht. Das<br />

Stück trägt die Merkmale <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Stil, wie große Intervallsprünge und<br />

komplizierte Rhythmik, und belegt die Überzeugung des Komponisten, daß seine<br />

Musik auch <strong>von</strong> einem Kind voll erfaßt werden könne, trotz solcher technischer<br />

Schwierigkeiten wie häufiges Kreuzen der Hände und die extremen Bereiche der<br />

Anordnung der Töne.<br />

D er Charakter dieses ersten, nicht über den Entwurf hinausgediehenen Stücks<br />

wird durch <strong>Webern</strong>s Bezeichnung Lieblich angezeigt. Dieselbe Bezeichnung steht<br />

über dem Anfang einer weiteren „Kinderstück“ betitelten Komposition mit dem<br />

Datum „Herbst 1924“. Dieses Stück, <strong>Webern</strong>s erstes vollendetes Zwölftonwerk,<br />

war bis zum 26. O ktober 1965 unbekannt, als es als M anuskript in Reinschrift unter<br />

den Überresten seiner Bibliothek in Perchtoldsdorf entdeckt wurde. Bis zu diesem<br />

Zeitpunkt galten die Drei Volkstexte op. 17 als seine erste Zwölftonkomposition.<br />

Wie aber datierte Entwürfe beweisen, wurden zwei dieser Lieder erst in der zweiten<br />

Hälfte 1925 vollendet. Mit 17 Takten fängt das „Kinderstück“ die Welt der<br />

Kindheit beglückend ein: es ist voller Charme, verspielt, und besitzt hintergründigen<br />

Humor. Das Stück ist besonders aufschlußreich für <strong>Webern</strong>s Umgang mit der<br />

Zwölftontechnik in ihrem charakteristischen Frühstil. Bei strenger Anwendung der<br />

Methode müssen alle 12 Töne der chromatischen Skala eingeführt sein, bevor einer<br />

<strong>von</strong> ihnen ein zweites Mal erklingt, es sei denn, ein Ton wird unmittelbar wiederholt.<br />

Diese Ausnahme führt zu einem „Morse-Kode“-Effekt, der vielen frühen Kompositionen<br />

in diesem Idiom anhaftet und auch im „Kinderstück“ in Erscheinung tritt.6<br />

Im gleichen Herbst 1924 verwendete W ebern die Zwölftonreihe in seinem Lied<br />

Arm er Sünder, du (erstes der Drei Volkstexte op. 17), obgleich er die Reihe nicht auf<br />

strenge serielle Weise behandelte. Wie er Hertzka schrieb, war es die Beschäftigung<br />

mit den „Liedern nach deutschen Texten“, die seine W eiterarbeit an den<br />

282


Kinderstücken unterbrach. Sechs Monate später wandte er sich noch einem weiteren<br />

Medium zu, um an ihm die neue Technik zu erproben. Das Datum „Frühjahr 1925“<br />

tragen Skizzen zu einem Triosatz, einer <strong>von</strong> zwei A rbeiten für Violine, Bratsche und<br />

Celio aus diesem Jahr. D er Entwurf enthält zwei Seiten mit Reihentabellen, in<br />

denen verschiedene Möglichkeiten der Reihe untersucht werden. Das musikalische<br />

Konzept hat nichts zu tun mit dem eines anderen Streichtriosatzes, der im weiteren<br />

Verlauf des Jahres komponiert wurde, wie auch mit dem des Streichtrios op. 20,<br />

obwohl die Reihe verwandte Züge zu dem letztgenannten Werk aufweist. Das<br />

Stück, im V M etrum und Ruhig überschrieben, umfaßt 24 Takte. Die Reihe findet<br />

nur in der Grundform und ihrer Umkehrung (keine Transpositionen) Verwendung,<br />

wobei sie mehr als zwei Dutzend Mal auftritt und beim letzten Mal nach dem 11. Ton<br />

der Reihe abbricht.7<br />

Bis 1925 schrieb <strong>Webern</strong> seine Skizzen auf lose Blätter, was auch noch auf den<br />

oben erwähnten Streichtriosatz zutrifft. Vom Juni dieses Jahres an und für die<br />

verbleibenden zwei Jahrzehnte seines Lebens benützte er Skizzenbücher für fast<br />

sämtliche Entwürfe. Es existieren alles in allem sechs dieser Skizzenbücher, die<br />

<strong>Webern</strong> selbst in einfache graue Pappumschläge eingebunden hat. Das erste und<br />

zugleich kleinste besteht aus nur 32 Seiten, die anderen fünf umfassen insgesamt 422<br />

Seiten.8 Alle sind im Folio-Querformat. Mit Ausnahme der zwei veröffentlichten<br />

Sätze des Streichtrios op. 20 sind in den Skizzenbüchern alle Werke <strong>Webern</strong>s <strong>von</strong><br />

Opus 17 bis Opus 31 vertreten wie auch zahlreiche zusätzliche Projekte, einige zu<br />

bekannten Kompositionen gehörig, andere unabhängig. Nicht selten finden sich<br />

m ehrere Lagen <strong>von</strong> Entwürfen, die die Stadien der Evolution klar in Erscheinung<br />

treten lassen. Diese Skizzen legen Zeugnis ab <strong>von</strong> den endlosen Überlegungen, die<br />

W ebern jedem Detail seiner Kompositionen angedeihen ließ. E r ging mit der Musik<br />

nicht um wie jemand, der lediglich die Kinder seiner Muse mit Liebe und Fürsorge<br />

überschüttet, sondern mit der Geisteshaltung eines Philosophen, der in fortwährender<br />

Suche nach W ahrheit ringt. Für W ebern lag die Enthüllung dieser Wahrheit im<br />

Erreichen <strong>von</strong> Perfektion.<br />

Im weiteren Verlauf wird die Bezugnahme auf die Skizzenbücher unter den<br />

Nummern I bis VI erfolgen. Da <strong>Webern</strong>s häufige Datierungen einen genauen<br />

Nachweis über ihre Entstehung ermöglichen, werden alle Kompositionen, ob<br />

vollendet oder unvollendet, generell in chronologischer Reihenfolge erörtert.<br />

Skizzenbuch I, bezeichnet mit „Begonnen Juni 1925“, wird eröffnet mit einem<br />

Fragment des Liedes Erlösung, dem zweiten der Drei Lieder op. 18 in einer frühen<br />

Version für Gesang, Klarinette, Baßklarinette und Bratsche. Es folgen weitere<br />

Entwürfe für den Zyklus Opus 18 sowie solche <strong>von</strong> Liedern, die zu den Drei<br />

Volkstexten op. 17 gehören und zu den Zwei Liedern op. 19. Dazwischen finden sich<br />

Skizzen zu anderen Projekten. Auf Seite 11 erscheint ein Liedfragment <strong>von</strong> sieben<br />

Takten auf einen Text, der mit „Dein Leib geht jetzt der Erde zu“ beginnt.<br />

Übereinstimmung in der Instrum entation stellt eine Verbindung des Liedes zu dem<br />

Frühentwurf <strong>von</strong> Erlösung her (das Instrumentarium beider Projekte ist dasselbe<br />

wie das für Heiland, unsre Missetaten op. 17, Nr. 3 verv/endete). Auf Seite 15 wird<br />

ein Streichquartett begonnen. Dieser Entwurf bricht bei Takt 9 ab, wo sich ein


Doppelstrich und ein Wiederholungszeichen befinden. Er ist 24. August 1925<br />

datiert. Auf Seite 16 tauchen Reihentabellen auf mit Versuchen einer Themenbildung.<br />

Instrumentenangaben fehlen. Seite 17 enthält einen Takt einer Streichtrio-<br />

Partitur, eine Zwölftonreihe in ihren vier Erscheinungen und den Anfang eines<br />

Klavierstücks in mehreren Versionen, denen diese Reihe zugrunde liegt.<br />

Zwei bislang unbekannte Kompositionen aus dem Skizzenbuch I wurden als<br />

hinreichend komplett angesehen, um 1966 <strong>von</strong> der Universal Edition posthum<br />

veröffentlicht zu werden und zwar unter den Titeln Klavierstück und Satz für<br />

Streichtrio. Das Klavierstück, <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> Im Tempo eines Menuetts überschrieben,<br />

wurde <strong>von</strong> Heinz-Klaus Metzger nach den ausführlichen Entwürfen herausgegeben,<br />

die sich auf den Seiten 8 und 9 fanden, unter ihnen auch m ehrere Anfänge,<br />

Korrekturen und Streichungen. Von den zwei unterschiedlichen Versionen gibt die<br />

eine eine dreiteilige Struktur zu erkennen, während die andere, die für die<br />

Veröffentlichung gewählt wurde, eine zweiteilige Form darstellt. Der erste, zur<br />

Wiederholung (mit verschieden lautenden Abschlüssen) vorgesehene Abschnitt ist<br />

9, der zweite 11 Takte lang.<br />

Die Skizzen zum Klavierstück tragen kein festes Datum (gewisse Anhaltspunkte<br />

lassen den Frühsommer 1925 vermuten), der Satz für Streichtrio dagegen (es ist dies<br />

der zweite Versuch im Streichtrio-Medium, an dem <strong>Webern</strong> in diesem Jahr<br />

arbeitete) ist beschriftet mit „Sonntag, 9. August 1925 vor der Abreise zum Toten<br />

Gebirge“. Das Konzept, das auf den Seiten 12-14 erscheint, läßt, wie die meisten<br />

ersten Skizzen <strong>Webern</strong>s, verschiedene Anfänge und Alternativen erkennen. Diese<br />

Komposition war bereits (<strong>von</strong> Metzger) ediert, aufgeführt und gestochen, als der<br />

Fund <strong>von</strong> Perchtoldsdorf im Jahre 1965 ein Tintenmanuskript ans Tageslicht<br />

förderte, in dem der Komponist das Werk in seiner endgültigen Fassung<br />

ausgearbeitet hatte. D er Unterschied zwischen den frühen Skizzen und dem<br />

Endprodukt war so gravierend, daß sich die Universal Edition zu einer Neuherstellung<br />

entschloß. Das Stück umfaßt 24 Takte und ist Ruhig fließend überschrieben. Im<br />

4/i6 M etrum gibt es nur 16tel, 32tel und 64tei Noten, wodurch eine enorme Dichte<br />

der Textur erzeugt wird wie schon im vorhergegangenen Streichtrio-Satz. Beide<br />

Versuche in diesem Medium sind als Vorstufen zum Streichtrio op. 20 anzusehen,<br />

mit dessen Komposition <strong>Webern</strong> im folgenden Jahr begann.<br />

Kurz vor dem Satz für Streichtrio skizzierte <strong>Webern</strong> zwei Lieder, die zusammen<br />

mit einem bereits früher konzipierten zu den Drei Volkstexten op. 17 vereinigt<br />

wurden. Das Entstehungsjahr dieses Werks wurde irrtümlich mit 1924 angegeben,<br />

seit es in dem <strong>von</strong> Friedrich Wildgans zusammengestellten Werkverzeichnis mit<br />

dieser Datierung versehen und 1955 im <strong>Webern</strong>-Heft <strong>von</strong> die Reihe so veröffentlicht<br />

worden ist. Die nachfolgende Information, die sich auf die Primärquellen gründet,<br />

dürfte den Sachverhalt bereinigen: Es sind keine Skizzen zu Arm er Sünder, du<br />

erhalten, aber <strong>Webern</strong> selbst schrieb das Stück dem „Herbst 1924“ zu in einem<br />

handschriftlichen Verzeichnis, das Datum und Ort der Komposition aller Werke <strong>von</strong><br />

Opus 1 bis Opus 22 benennt. Am Schluß der Manuskriptpartitur, die als Vorlage für<br />

die Veröffentlichung diente, ist das Datum 1925 für das ganze Werk angegeben.<br />

Heiland, unsre Missetaten auf den Seiten 3-5 <strong>von</strong> Skizzenbuch I ist am Ende mit 11.<br />

284


Juli 1925 datiert. Ein frühes Konzept <strong>von</strong> Liebste Jungfrau findet sich auf den Seiten<br />

6-7 und wurde ein paar Tage später, am 17. Juli, beendet. Dieser Entwurf weicht<br />

noch beträchtlich <strong>von</strong> der endgültigen Fassung ab, und der mühsame Fortschritt des<br />

Komponisten läßt sich an zahlreichen Anfängen, Streichungen, Korrekturen und<br />

Alternativen ablesen. Weitere Versionen des Liedes finden sich auf den Seiten 10<br />

und 19.<br />

In seinem endgültigen Manuskript legt <strong>Webern</strong> zunächst die Reihenfolge der drei<br />

Lieder fest: 1. Arm er Sünder, du 2. Heiland, unsre Missetaten 3. Liebste Jungfrau.<br />

Weitere Überlegungen veranlaßten ihn, das zweite und dritte Lied umzustellen, und<br />

er brachte eine dementsprechende Notiz in der Partitur an. Alle Texte sind anonyme<br />

Volksdichtungen religiösen Charakters. Das Instrumentarium besteht aus Violine<br />

(die zur Bratsche in Heiland, unsre Missetaten wechselt), Klarinette und Baßklarinette.<br />

Da der Zyklus als <strong>Webern</strong>s erstes Zwölftonwerk angesehen wurde, ist er<br />

immer wieder erörtert worden. Es herrscht allgemein Übereinstimmung darüber,<br />

daß der Komponist den Übergang zur Zwölftontechnik fast unmerklich vollzogen<br />

hat, ohne im Grunde seine Arbeitsweise und seinen Stil zu verändern. Wenn es auch<br />

Meinungsverschiedenheiten gibt über den Grad seiner Meisterschaft beim ersten<br />

Umgang mit der Reihenmethode, so ist man sich jedenfalls darüber einig, daß<br />

<strong>Webern</strong> wie eh und je das auszudrücken imstande war, was ihm vorschwebte, wobei<br />

die Technik lediglich als Vehikel seiner schöpferischen Fantasie diente.<br />

Die Drei Volkstexte op. 17, die erst 1955 veröffentlicht wurden, gehörten zu einer<br />

Gruppe <strong>von</strong> sechs Werken, die die Universal Edition zur Zeit <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Tod<br />

noch nicht unter Vertrag genommen hatte. Die anderen waren das Konzert op. 24,<br />

Drei Lieder op. 25, die I. Kantate op. 29, Variationen für Orchester op. 30 und die<br />

II. Kantate op. 31. Liebste Jungfrau, der zweite der Drei Volkstexte op. 17, erschien<br />

bereits 1930 in New Music, einer amerikanischen Quartalszeitschrift, die modernen<br />

Kompositionen gewidmet war und <strong>von</strong> Henry Cowell gegründet und herausgegeben<br />

wurde. <strong>Webern</strong>s Lied, das auf Anregung <strong>von</strong> Adolph Weiss eingereicht worden war,<br />

erbrachte ein Honorar <strong>von</strong> 100 Dollars. Es wurde unter dem Titel Geistlicher<br />

Volkstext ohne Opuszahl veröffentlicht.<br />

Das schöpferische Mornentum, das <strong>Webern</strong> den ganzen Sommer 1925 hindurch<br />

beflügelt hatte, hielt noch weit in die neue Saison hinein an, trotz seiner<br />

zeitraubenden Verpflichtungen. Bis Ende Oktober hatte er ein weiteres Werk<br />

vollendet, die Drei Lieder op. 18 für Gesang, Es-Klarinette und Gitarre. D er Zyklus<br />

besteht aus 1. Schatzerl klein, mußt rät traurig sein 2. Erlösung 3. Ave, Regina<br />

coelorum. Den Anfang macht ein fröhliches Liebesliedchen, das zweite Lied stammt<br />

aus Des Knaben Wunderhorn und das dritte ist eine der Marianischen Antiphonen.<br />

Die Entwürfe zu allen drei Liedern sind im Skizzenbuch I enthalten, das mit der<br />

bereits erwähnten frühen Version <strong>von</strong> Erlösung, instrumentiert für Klarinette,<br />

Baßklarinette und Bratsche, beginnt. M ehrere Varianten folgen auf den Seiten 2, 3<br />

und 19. Die ersten Skizzen zu Schatzerl klein, die ebenfalls <strong>von</strong> der endgültigen<br />

Fassung weitgehend differieren, erscheinen auf Seite 18; sie setzen sich auf den<br />

Seiten 19-21 fort, und als Abschlußdatum ist „10. September 1925, Mödling“<br />

angegeben. Die beiden nächsten Seiten enthalten den letzten Entwurf <strong>von</strong> Erlösung<br />

285


mit dem Datum 27. September 1925. Die Seiten 24-27 sind mit den Skizzen zu Ave,<br />

Regina coelorum ausgefüllt. Dieser Entwurf, der mehrere Entwicklungsstadien<br />

durchläuft, ist am Ende mit „Mödling, 28. Oktober 1925“ bezeichnet. Zu diesem<br />

Lied existieren auch noch Skizzen auf losen Blättern.<br />

<strong>Webern</strong> erwähnte die Lieder, als er am 8. Oktober 1925 voller Enthusiasmus Berg<br />

auf dessen Schilderung einer Bergtour antwortete. Zunächst erging sich <strong>Webern</strong><br />

über den „unerforschlichen Sinn“ der alpinen Flora, die für ihn „der größte Zauber“<br />

war. Hinter ihm verspürte er einen unergründlichen Sinn. „Musikalisch wiederzugeben,<br />

was ich da spürte, danach ringe ich schon mein ganzes Leben“, meinte er, und<br />

ein Großteil seiner musikalischen Produktion ließe sich auf dieses Bemühen<br />

zurückführen. „Nämlich: so wie der Duft und die Gestalt dieser Pflanzen —als ein<br />

<strong>von</strong> Gott gegebenes Vorbild - auf mich zukommen, so möchte ich es auch <strong>von</strong><br />

meinen musikalischen Gestalten.“ Er hoffe, daß Berg dieses Trachten nicht als<br />

Überheblichkeit verstehe. Er selbst wisse recht gut, daß es „vergebliches Bemühen“<br />

sei, „das Unfaßbare zu fassen.“ In diesem Sinne wolle er Berg zu verstehen geben,<br />

was er damit meinte, als er ihm als Hinweis für das Erfassen seines jüngsten Volkslieds<br />

einfach den Namen des immergrünen Strauchs Rosmarin nannte. <strong>Webern</strong> fuhr<br />

fort: „Ich habe jetzt das zweite dieser Liederreihe fertig, Erlösung aus Des Knaben<br />

Wunderhorn. Das dritte wird ein lateinisches Lied (Marienlied): Ave, Regina<br />

coelorum. Welcher Zusammenhang für mich zwischen den drei Gedichten besteht,<br />

sag ich Dir einmal mündlich. Das dritte habe ich jetzt in Arbeit. Die ,Zwölftonkomposition‘<br />

ist mir jetzt eine bereits klare Sache. Natürlich sind diese Lieder alle darin<br />

geschrieben. Und diese Arbeit bereitet mir Vergnügen wie noch selten zuvor. Dir zu<br />

zeigen, was da geworden ist, und wird, danach brenne ich vor Verlangen.“<br />

In einem Brief an Hertzka vom 2. Februar 1926 äußerte sich W ebern zu dem<br />

Zyklus: „Die drei Lieder . . . bilden ein geschlossenes Ganzes, etwa im Sinne der<br />

Anrufung des Dr. Marianus aus dem II. Teile des ,Faust“: ,Jungfrau, Mutter,<br />

Himmelskönigin“.‘‘ Die Beziehung der drei Lieder zueinander mag auch mit einer<br />

Anekdote erklärt werden, die <strong>Webern</strong>s älteste Tochter Amalie erzählte. Wenn ihr<br />

Vater der Mutter gegenüber seiner Liebe besonderen Ausdruck verleihen wollte,<br />

nannte er sie: „Minna-Mutter-Königin!‘‘ Minna (Wilhelmine) war für <strong>Webern</strong><br />

zunächst einmal das „Schatzerl“ . Darüberhinaus war sie der Inbegriff der<br />

Mutterschaft und regierte symbolisch über die Familie wie eine Königin. Die<br />

Reihenfolge der Lieder im Zyklus ist die dieser Vorstellungen. W ährend <strong>Webern</strong><br />

seiner Frau niemals eine Komposition offiziell gewidmet hat, mag dieser Zyklus,<br />

mehr als jedes andere seiner Werke, als Hommage an sie geschaffen worden sein.<br />

Flervorstechende Merkmale der Drei Lieder op. 18 sind die extremen Schwierigkeiten<br />

des Gesangsparts mit seinen enormen Sprüngen sowie die kontrapunktische<br />

und rhythmische Komplexität der Textur der Partitur. Das Werk wurde 1927 <strong>von</strong><br />

der Universal Edition veröffentlicht. Zunächst dachte <strong>Webern</strong> daran, es Emil<br />

Hertzka zu widmen, wie er Berg gegenüber in dem oben zitierten Brief andeutete.<br />

Die Widmung sollte der Verehrung Ausdruck verleihen, die er dem Direktor des<br />

Verlages anläßlich seines 25jährigen Bestehens am 25. Januar 1926 bezeigen wollte.<br />

Statt dessen wurden alle damals <strong>von</strong> der Universal Edition verlegten Komponisten<br />

286


um eine Handschriftenprobe aus einem ihrer W erke für ein Geschenkalbum<br />

gebeten.9 <strong>Webern</strong>s Beitrag war eine kunstvoll ausgeführte Kopie <strong>von</strong> Schatzerl<br />

klein, dem er damals den Titel Volkslied gab.<br />

Am 25. O ktober 1925, drei Tage nach Abschluß des Entwurfs <strong>von</strong> Ave, Regina<br />

coelorum, schrieb W ebern an Berg, daß er rnit W ehmut an den Sommer<br />

zurückdenke, so schwer er auch für ihn gewesen sei „aus äußeren und noch mehr aus<br />

inneren G ründen“ . Am Ende habe er sich so sehr bekräftigt gefühlt, was sein<br />

Schaffen anlangte, doch jetzt sei ihm „diese Befestigung wieder etwas entglitten“ .<br />

Für ihn sei es „der ewige Kampf“ . Hinzu komme die Trauer, die ihn jedesmal bei<br />

Herbstbeginn überfiele.<br />

Trotz <strong>Webern</strong>s Niedergeschlagenheit, floß der Schaffensstrom weiter. Noch<br />

bevor das Jahr zu Ende ging, hatte er sein nächstes Werk in Angriff genommen, die<br />

Zwei Lieder op. 19 für gemischten Chor, Celesta, Gitarre, Violine, Klarinette und<br />

Baßklarinette. Die Texte entnahm er Goethes Chinesisch-deutschen Jahres- und.<br />

Tageszeiten. <strong>Webern</strong>s eigenem Werkverzeichnis zufolge entstand die Komposition<br />

„Dezember 1925 - Januar 1926“ , datierte Skizzen geben jedoch eine viel längere<br />

Zeitspanne der Evolution zu erkennen. Die letzten fünf Seiten (28-32) <strong>von</strong><br />

Skizzenbuch I befassen sich mit dem ersten Lied, Weiß wie Lilien, Wiederum<br />

experimentiert der Komponist mit verschiedenen Anläufen. Diese Entwürfe<br />

werden im Skizzenbuch II, das im Januar 1926 begonnen wurde, fortgesetzt, und<br />

ihnen folgen die zum zweiten Lied, Ziehn die Schafe <strong>von</strong> der Wiese. Am 9. Februar<br />

erwähnte W ebern seine Arbeit an diesem Lied in einem Brief an Schönberg und kam<br />

wieder darauf zurück arn 8. Mai, nachdem er Berg eine Woche vorher geschrieben<br />

hatte: „Ich will nichts als Zeit zum Kom ponieren.“ Die Datierung „Mödling, 8. Juli<br />

1926“ auf Seite 5 markiert den Abschluß der Komposition.<br />

Auf den zwei Seiten, die unmittelbar auf Ziehn die Schafe folgen, wird ein dritter<br />

Chor nach einem Goethe-Text skizziert. Dieses Projekt, das offensichtlich als<br />

Erweiterung des Zyklus gedacht war, wurde nicht zu Ende geführt. Im Inhaltsverzeichnis,<br />

das am Anfang des Skizzenbuchs steht, nennt <strong>Webern</strong> „Herbst 1926“ als<br />

Entstehungsdatum des Werks. Seine Tonreihe ist identisch mit der der beiden<br />

vorausgegangenen Chöre, gesetzt ist es aber nur für gemischten Chor a-cappella.<br />

Der kurze Text: „A uf Bergen, in der reinsten Höhe, tief rötlich blau ist<br />

Himmelsnähe“ sprach <strong>Webern</strong> , den Bergsteiger und Philosophen, so stark an, daß<br />

er das W ort „M otto“ seiner musikalischen Realisation voranstellte. Die Verse<br />

hatten ihn bereits vor Jahren beschäftigt; am 23. August 1920 zitierte er sie in einem<br />

Brief an Berg, als er ihn zu einem Ausflug ins Gebirge überreden wollte. D er Text<br />

(er ist Gott, Gemüt und Welt entnommen) stammt aus einer Sammlung <strong>von</strong> 16<br />

Reimpaaren, die Goethe um 1810 in Weimar schrieb, anscheinend als Versuch, den<br />

Grundsätzen seiner Farbenlehre, poetischen Ausdruck zu verleihen. Für <strong>Webern</strong>,<br />

wie schon für Goethe, war die Vermählung der Schönheiten der Natur mit<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen der magische Schlüssel zum Wesen der Kunst,<br />

und seine Suche nach diesem flüchtigen Amalgam war allgegenwärtig.<br />

„Die Farbenlehre“, schreibt Ernst Krenek in seinem Kommentar zu Sketches, war<br />

<strong>Webern</strong>s Denken eng verwandt; er sah in Goethes Vorstellung, daß alles organische


Leben aus einer einzigen Keimzelle entstand, Gedankengänge, die dem Grundkonzept<br />

der Zwölftontechnik entsprachen.“ Bei seiner Beschreibung des Chors A u f<br />

Bergen, in der reinsten Höhe bemerkt Krenek: „Die Skizze zeigt eine kontrapunktische<br />

Arbeit, die eher für die späteren Chorwerke <strong>von</strong> Opus 26 an charakteristisch ist<br />

als für die früheren Vertonungen <strong>von</strong> Opus 19.“ 10<br />

Auf der Titelseite des abgeschlossenen Manuskripts der Zwei Lieder op. 19 gibt<br />

der Komponist einen Hinweis, demzufolge das Werk auch <strong>von</strong> einem Quartett <strong>von</strong><br />

Solostimmen anstelle eines Chors aufgeführt werden kann. Die in Klammern<br />

gesetzte Alternative wurde jedoch später durchgestrichen. <strong>1928</strong> wurden sowohl die<br />

Partitur wie auch der Klavierauszug <strong>von</strong> der Universal Edition veröffentlicht. Daß<br />

<strong>Webern</strong> den letzteren erst im gleichen Jahr fertigstellte, geht aus den Bleistiften!--<br />

würfen zu den Chören hervor, die die Daten 29. Februar für den ersten und 3. März<br />

für den zweiten tragen. Trotz des frühen Erscheinens des Werks, findet sich kein<br />

Nachweis für seine Uraufführung, und dasselbe gilt für die Drei Lieder op. 18. Beide<br />

Kompositionen dürften demnach erst nach <strong>Webern</strong>s Tod zum ersten Mal erklungen<br />

sein.<br />

Die Zwei Lieder op. 19 sind David <strong>Josef</strong> Bach gewidmet, mit dem <strong>Webern</strong> damals<br />

eng bei den Vorbereitungen zur Aufführung <strong>von</strong> Mahlers Achter Symphonie<br />

zusammenarbeitete. Zweifellos inspirierte <strong>Webern</strong>s aktives Engagement auf dem<br />

Gebiet der Chorliteratur ihn dazu, dieses Medium wieder aufzugreifen, das er seit<br />

seiner Vertonung <strong>von</strong> Georges Entflieht auf leichten Kähnen (op. 2) nicht mehr<br />

verwendet hatte. In den kommenden Jahren schuf er noch drei große Chorwerke:<br />

Opus 26, 29 und 31. Die Zwei Lieder waren der Auftakt zu einer Serie <strong>von</strong><br />

zweisätzigen Kompositionen, zu denen die Instrumentalwerke opus 20, 21 und 22<br />

gehörten. Bei ihnen allen dachte W ebern zunächst an einen dritten Satz, um dann<br />

zur Überzeugung zu gelangen, daß dem Prinzip <strong>von</strong> Einheit durch Verschiedenheit<br />

mit den vollendeten zwei Sätzen vollauf Genüge getan war. Mit den Zwei Liedern<br />

wurde der Einheit eine neue Dimension hinzugefügt: <strong>von</strong> nun an wurde ein und<br />

dieselbe Tonreihe zur strukturellen Basis aller Sätze eines zyklischen Werks.<br />

Als <strong>Webern</strong> im Herbst 1926 A u f Bergen, in der reinsten Höhe als mögliche dritte<br />

Komponente seines Zyklus Opus 19 skizzierte, hatte er bereits mit der Arbeit an<br />

seinem Streichtrio op. 20 für Violine, Bratsche und Violoncello begonnen. Diese<br />

Aufgabe sollte ihn bis weit in den Sommer des folgenden Jahres hinein in Anspruch<br />

nehmen und fand ihren Niederschlag in mehreren Briefen. Schon am 23. August<br />

1926 hatte <strong>Webern</strong> Schönberg geschrieben: „Ich bin unentwegt an der Arbeit. Das<br />

Trio geht zwar sehr langsam, aber ich hoffe bestimmt, diesmal ,iiber den Berg4damit<br />

zu kommen.“ Die Schlußbemerkung bezieht sich auf seine beiden früheren Anläufe<br />

im Jahr 1925, in diesem Medium zu komponieren. Am 26. September, dem selben<br />

Tag, an dem er Hertzka seine Bitte um finanzielle Unterstützung unterbreitete,<br />

berichtete <strong>Webern</strong> Berg, daß er ununterbrochen und mit aller Kraft an der Arbeit<br />

sei. Er sei jetzt mit der Durchführung des ersten Satzes seines Streichtrios<br />

beschäftigt, und es tue ihm sehr wohl, daß er wieder „längere Strecken <strong>von</strong> Musik“<br />

schreiben könne, wenn es ihm auch nicht leicht falle.<br />

<strong>Webern</strong>s eigenen Aufzeichnungen zufolge waren Ende Juni 1927 zwei Sätze<br />

288


eendet. Skizzen, an Hand derer sich ihre Evolution verfolgen lassen könnte, sind<br />

nicht vorhanden. Da im Skizzenbuch II der Entwurf <strong>von</strong> A u f Bergen, in der reinsten<br />

Höhe dem des dritten Satzes des Trios unmittelbar vorangeht, läßt sich darauf<br />

schließen, daß die beiden vollendeten Sätze auf losen Blättern skizziert wurden, die<br />

verlorengegangen sind.11<br />

Als W ebern in diesem Sommer in seinem Urlaubsasyl in Hafning eingetroffen<br />

war, dachte er noch immer an eine Verwirklichung seines ursprünglichen dreisä tzigen<br />

Konzepts. Am 11. Juli schrieb er Berg, daß er am dritten Satz arbeite und daß er<br />

der „letzte des Trios“ sein werde. Allerdings ist in seinem nächsten Brief vom 27.<br />

Juli ein zweifelnder Unterton nicht zu überhören. Er schrieb Berg, er sei noch immer<br />

am Trio. Den zweiten Satz habe er noch in Mödling kurz vor seiner Abreise beendet,<br />

und bis jetzt habe er die thematische Exposition des dritten beinahe abgeschlossen.<br />

Er sei aber immer noch nicht „ganz sicher“, wie es weitergehen solle. „Manchmal<br />

habe ich das Gefühl, es sollen nur die zwei Sätze sein“, bekannte er.<br />

Die Arbeit am 3. Satz füllt fünf Seiten in Skizzenbuch II.12 Mit Sehr lebhaft<br />

überschrieben, wird er über 31 Takte weitergeführt mit noch ein paar zusätzlichen<br />

Noten in der Cellostimme. Zahlreiche vorbereitende Versionen, die nur in<br />

minutiösen Details <strong>von</strong>einander abweichen, lassen erkennen, wie schwer <strong>Webern</strong><br />

um eine Reihe <strong>von</strong> wesentlichen Problemen rang. Wie sehr ihn dieses Projekt<br />

beschäftigte, geht aus einer Tagebuchnotiz hervor, die er in Hafning niederschrieb:<br />

„Nach viel Überlegung schwerer Entschluß Arbeit an dem 3. Satz meines<br />

Streichtrios aufzugeben u. nur bei 2 Sätzen zu bleiben. Reinschrift dieser beiden.“<br />

Dieser Entschluß muß irgendwann im August zustandegekommen sein, denn arn<br />

24. erklärte <strong>Webern</strong> Berg gegenüber, daß das Trio jetzt beendet sei und doch nur aus<br />

zwei Sätzen bestehe. Den geplanten dritten Satz „aufzugeben“, sei ihm sehr schwer<br />

gefallen. Doch habe er keinen anderen Ausweg gesehen. D er „langsame Satz“<br />

werde nunmehr der erste werden, und „der rasche“ , den er Berg bereits gezeigt<br />

habe, der zweite. D er Charakter des raschen Satzes erlaube es einfach nicht, daß ihm<br />

noch etwas folge, und andererseits könne ihm nichts anderes vorangehen als der<br />

langsame Satz. Das Trio sei zwar „kein umfangreiches Opus“ geworden, es enthalte<br />

aber „doch wieder ausgedehntere Sätze, richtig symphonischer A rt“ . Der Grund,<br />

weshalb er es so „furchtbar schwer“ fand, die Arbeit einzustellen, war, daß er „ein<br />

ganz merkwürdiges Gefühl den Tafeln mit den ,Reihen' gegenüber“ habe. Er hätte<br />

noch gern mit ihnen weitergearbeitet. „U nd warum auch nicht?“, fragte er sich.<br />

„Rein theoretisch wäre doch gar nichts dagegen zu sagen.“ Die Bezeichnung [Tempi<br />

und Dynamik] habe ihm wahrhaft Mühe gernacht, da er eine gewisse Zeit brauche,<br />

um das ganz zu verstehen, was er geschrieben habe, oder in <strong>Webern</strong>s eigenen<br />

Worten: „Mahler, ich glaube auch Schönberg, sagte es direkt so: was ,diktiert1<br />

worden ist. O der sagte es wörtlich nur Schönberg? G oethe übrigens auch —natürlich,<br />

wie denn anders.“ Deshalb ziehe er es auch vor, ein Opus einige Zeit liegen zu<br />

lassen, bis er so weit sei, es zur Veröffentlichung freizugeben.<br />

Am gleichen Tag, an dem er diesen Gedankengängen Ausdruck verlieh, schickte<br />

<strong>Webern</strong> die Partitur an die Universal Edition „zur Anfertigung der Stimmen“, wie<br />

es im Tagebuch heißt. Er wollte, daß seine jüngste Komposition ohne Verzug<br />

289


herauskomme, weil er <strong>von</strong> Kolisch um die Uraufführung gebeten worden war, die<br />

ein paar Wochen später, am 1. Oktober in Köln, stattfinden sollte. Diese Aussichten<br />

zerschlugen sich zwar, mögen aber <strong>Webern</strong>s Entschluß, den dritten Satz aufzugeben,<br />

beschleunigt haben.<br />

Die Entwürfe zum dritten Satz geben Aufschluß über das System des Komponisten,<br />

die Reihenformen zu numerieren, wie sie zur Anwendung kamen. Er pflegte<br />

alle 48 Erscheinungsformen der Reihe auszuschreiben und diese Tabellen über<br />

seinem Schreibtisch aufzuhängen, um sie jederzeit zur Verfügung zu haben. Der<br />

Umstand, daß <strong>Webern</strong> die endgültige Reihenfolge der Sätze seiner zyklischen<br />

Werke ohne Rücksicht auf ihre chronologische Entstehung festlegte, hat unter den<br />

Theoretikern (die nur nach den gedruckten Partituren arbeiteten) einige Konfusion<br />

hervorgerufen, welche der Reihen die eigentliche Grundreihe ist.<br />

Im Falle des Streichtrios findet sich die Ur-Reihe am Anfang des zweiten Satzes.<br />

Wie bereits dargelegt, wurde dieser Satz - in strenger Sonatensatzform mit<br />

langsamer Einleitung und mit einer Reprise der Exposition - als erster des<br />

ursprünglich dreisätzigen Vorhabens konzipiert. Was daraufhin als zweiter Satz<br />

komponiert wurde - ein klassisches Rondo in langsamem Zeitmaß - wurde später an<br />

den Anfang gestellt. Die Reihe, mit der dieser Satz beginnt, ist die 46. Variante der<br />

Reihe, während die, die zu Beginn des fallengelassenen dritten Satzes verwendet<br />

wird, die 28. ist.<br />

Im November des gleichen Jahres 1927 veröffentlichte die Universal Edition<br />

sowohl die Partitur wie auch die Stimmen. Als <strong>Webern</strong> Schönberg am 25. November<br />

ein Exemplar schickte, schrieb er dazu: „Leider ist an zwei Stellen eine falsche<br />

Metronomzahl stehn geblieben; richtig: II. Satz, Seite 12, System 3 ,sehr lebhaft“<br />

J = 66 (statt 60) u. umgekehrt Seite 17, 4. Syst.,gemächlich“ J = 60 (statt 66)“ .<br />

Die beiden Druckfehler erscheinen noch immer in der Philharmonia Taschenpartitur,<br />

die im Mai <strong>1928</strong> veröffentlicht wurde (sie wurden auch nicht in der Wiederauflage<br />

<strong>von</strong> 1955 korrigiert).<br />

Diese Druckausgabe enthielt eine Einführung <strong>von</strong> Erwin Stein, der Zweifel<br />

in Zusammenarbeit mit dem Komponisten, einige analytische rkungen<br />

beisteuerte: „Das Prinzip, einen Satz durch Variation <strong>von</strong> Motiv ;men zu<br />

entwickeln, ist das gleiche wie bei den klassischen Meistern. Die Art der<br />

Motiventwicklung und die Themendurchführung weicht aber <strong>von</strong> der klassischen<br />

weit ab. Motive und Themen werden hier noch mannigfaltiger variiert und treten<br />

auch bei Wiederholungen stets in sehr veränderter Gestalt auf. Eine Tonreihe gibt<br />

das Grundmaterial zum ganzen Stück, wie in Schönbergs ,Komposition mit zwölf<br />

nur aufeinander bezogenen Tönen“. Mosaikartig setzen sich bei W ebern die<br />

Stimmen aus den Bestandteilen einer Reihe zusammen. So entstehen durch<br />

verschiedene Kombinationen immer neue Klänge. D er Vergleich mit dem Kaleidoskop,<br />

das durch mannigfache Gruppierungen seiner Farben- und Formelemente<br />

stets andere Bilder ergibt, liegt nahe.“ Es folgt eine Zusammenfassung der<br />

strukturellen Elemente. Offensichtlich lag <strong>Webern</strong> viel daran, daß sein Werk<br />

verstanden würde. Diese Komposition ist in der Tat ein Angelpunkt in seiner<br />

Entwicklung, indem sie eine Wende in seinem architektonischen und ästhetischen<br />

290


D enken ankündigt. Nach der langen Periode äußerster Konzentration <strong>von</strong> Einfall<br />

und Sprache erstrebte er jetzt ganz bewußt eine größere Weiträumigkeit. Dieser<br />

beabsichtigte Zug zu umfangreicheren Konstruktionen, gefördert durch die neue<br />

Technik mit ihren vielgesichtigen Anwendungsmöglichkeiten einer Grundidee,<br />

wurde <strong>von</strong> W ebern selbst als eine willkommene Entwicklung begrüßt. In einem<br />

seiner Vorträge am 2. März 1932 beschrieb er die Schließung des Kreises vom alten<br />

tonalen System zur Zwölftontechnik über den aphoristischen Stil: „Als wir die<br />

Tonalität allmählich aufgaben, da kam die Idee auf: Wir wollen nicht wiederholen,<br />

es soll immer etwas Neues kommen! Es ist selbstverständlich, daß das nicht geht, da<br />

es die Faßlichkeit zerstört. Zumindest ist es nicht möglich, auf längere Strecken in<br />

dieser Weise Musik zu schreiben. Erst nach der Formulierung des Gesetzes [der<br />

Zwölftonmethode] wurde es möglich, wieder längere Stücke zu komponieren.“ 13<br />

Die Uraufführung des Streichtrios fand am 16. Januar <strong>1928</strong> in Wien im Kleinen<br />

Musikvereinssaal statt. Das Ensemble bestand aus Mitgliedern des Wiener<br />

Streichquartetts: Rudolf Kolisch (Violine), Eugen Lehner (Viola) und Benar<br />

Heifetz (Cello). <strong>Webern</strong>, der die Proben überwacht hatte, notierte im Tagebuch,<br />

daß die Premiere „sehr gut gewesen“ sei. Am 20. Januar dankte er Kolisch und<br />

seinen Kollegen in einem Brief „für die so überaus glänzend gelungene Erstaufführung“<br />

und fügte hinzu: „Alles ist so gut gekommen, so überzeugend, haben auch nur<br />

Wenige der Zuhörer etwas verstanden. Das weiß ich.“<br />

Das Werk fand bald weithin Beachtung. Zusammen mit Schönbergs Drittem<br />

Streichquartett und Bergs Lyrischer Suite wurde es in einem Kammermusik-Abend<br />

im Frühjahr in Berlin gespielt. <strong>Webern</strong>s Bemerkung in seinem Brief an Schönberg<br />

am 1. April läßt darauf schließen, daß auch Schönberg das W erk für gut befand: „Ich<br />

bin sehr glücklich über das, was Du mir über mein Trio geschrieben hast.“ Die<br />

nächste Aufführung des Werks fand am 21. Mai beim 'Tonkünstlerfest des<br />

Allgemeinen Deutschen Musikverbands in Schwerin statt. Die Ausführenden waren<br />

Licco Arnar (Violine), Paul Hindemith (Bratsche) und Maurits Frank (C<br />

Mitglieder des Amar-Quartetts, das sich bereits wiederholt für '<strong>Webern</strong>s c<br />

noch recht provokative Musik eingesetzt hatte. Bei diesem Anlaß wurde das<br />

fast einhellig <strong>von</strong> Publikum und Presse abgelehnt. Die letztere überhäuft<br />

Komponisten mit Gehässigkeiten, indem sie ihm „trostloses Eigenfarötlerturn“<br />

(Kreuzzeitung, 25. Mai) und „blutlose Gehirnmusik“ (Chemnitzer Tageblatt, 30.<br />

Mai) zum Vorwurf machte. Er wurde beschuldigt, einen „schlechten Scherz mit<br />

geduldigen H örern“ ( 'Hamburger Fremdenblatt, 25. Mai) und „Klangphantasterei,<br />

die abseits <strong>von</strong> allem triebhaften Musikmachen steht“ (Zwickauer Zeitung, 25.<br />

Mai), in Szene gesetzt zu haben. Ein Rezensent aus <strong>Webern</strong>s Vaterstadt Wien<br />

nannte das Werk eine „leider völlig lebensunfähige A rbeit“ (Neue Freie Presse, 19.<br />

Juni). Der Berichterstatter der Zwickauer Zeitung überantwortete das „unter dem<br />

Hohngelächter der M ehrheit begrabene Stück“ ebenfalls sicherer Vergessenheit.<br />

Der Kritiker des Hamburger Courier (29. Mai) war sich indessen seiner Sache<br />

weniger sicher: „Wir lächelten mit, vielleicht wird man dafür einst über uns lächeln.“<br />

Die einzige Stimme der Mäßigung und des Abwägens war die Heinrich Strobels, der<br />

später zu einer prominenten Figur in Belangen der musikalischen Avantgarde<br />

291


werden sollte; er schrieb im Dresdner Anzeiger (30. Mai): „Ein Werk <strong>von</strong><br />

imponierender Abseitigkeit . . . Es ist der Gipfel eines esoterischen Subjektivismus.<br />

Wir bewundern den Geist, der bis zu dieser Grenze der Musik vordrang, auch<br />

wenn wir bis dahin nicht zu folgen vermögen.“<br />

Wenn <strong>Webern</strong>s Streichtrio vom Publikum in Schwerin „teils verärgert, teils<br />

lächelnd“, wie Strobel berichtet, aufgenommen worden war, so provozierte es im<br />

weiteren Verlauf des Jahres einen Entrüstungssturm beim IGNM-Fest in Siena.<br />

Alban Berg, der österreichische Delegierte bei der vorbereitenden Vorstandstagung<br />

in Zürich, war weitgehend dafür verantwortlich gewesen, daß das Werk aufs<br />

Programm gesetzt wurde. Es wurde im Konzert des 13. September gespielt<br />

zusammen mit Kompositionen <strong>von</strong> Frank Bridge, Heinz Tiessen, Manuel de Falla<br />

und Robert Blum. Der Kammermusiksaal des Palasts des Grafen Chigi-Saracini war<br />

der erhabene Rahmen, und wieder erschien das Kolisch-Ensemble auf dem Podium,<br />

um <strong>Webern</strong>s Werk zu spielen. Der Aufruhr, der dabei entfesselt wurde, wurde in der<br />

Presse voll und ganz ausgeschlachtet, der solche sensationelle Würze ihres<br />

Musikfestberichts offensichtlich gelegen kam. Wie Erich Doflein in den Breslauer<br />

Nachrichten vom 27. September berichtete, schrie der Korrespondent des Mailänder<br />

Popolo d ’Italia durch den ganzen Saal „Barbarenmusik, Schweinerei“ und löste<br />

damit den Tumult aus. Schließlich mußten Organisatoren und Gastgeber sich<br />

öffentlich entschuldigen.<br />

<strong>Webern</strong>, der an dem Fest nicht teilnehmen konnte, erhielt <strong>von</strong> Kolisch einen<br />

Bericht aus erster Hand, den er am 2. Oktober an Schönberg weitergab: „Hast Du<br />

gehört, daß bei meinem Trio in Siena ein ganz richtiger, großer Skandal war? Wie<br />

mir Kolisch erzählt hat, war es so: während der ersten Takte des 2. Satzes wurde die<br />

Unruhe so groß, daß jener sich entschloß zu unterbrechen. Daraufhin einsetzender<br />

demonstrativer Applaus bewirkte Wiederherstellung der Ruhe u, K. konnte den<br />

Satz noch einmal beginnen u. zu Ende spielen. Dann aber gierig es erst recht los u.<br />

zwar hauptsächlich <strong>von</strong> Seiten eines italienischen Kritikers, der erklärte, daß er<br />

Mussolini bewegen werde, das Fest abbrechen zu lassen; solche Musik dürfe in<br />

Italien nicht gespielt werden. Da erwiderte ein deutscher Kritiker namens<br />

Springer14. Darauf ging der ital. mit den Fäusten auf diesen los. Das Publikum<br />

sprang aufs Podium. Nun hielten Casella u. Dent Reden u. wiesen den Italiener aus<br />

dem Saal. Worauf hin dieser den Casella gefordert haben soll. Und jetzt erst setzte<br />

der Applaus ein u. zwar sehr großer, wie Kolisch sagte, so daß dieser noch mehrmals<br />

sich bedanken kommen mußte. Hertzka war auch dort u. hat mir eine sehr liebe<br />

Karte geschrieben. Das hat mich sehr beruhigt: ich hatte nämlich schon auf eine<br />

ungünstige Rückwirkung dieser Affäre auf mein Verhältnis zur IJ. E. geschlossen.“<br />

Als <strong>Webern</strong> diesen Brief zu Papier brachte, war sein nächstes Werk, die<br />

Symphonie op. 21, bereits komponiert. Am 25. November 1927 hatte er Schönberg<br />

gegenüber zum ersten Mal erwähnt, daß er wieder an der Arbeit sei, „etwas für<br />

Orchester, eine kleine Symphonie“ . Im Skizzenbuch II stehen die Entwürfe für das<br />

neue Projekt unmittelbar hinter denen des verworfenen dritten Satzes für das<br />

Streichtrio. Die Überschrift am Anfang lautet: „Symphonie für Klar., Baß-Klar., (2<br />

Hörner), 1. Geige, 2. Geige, Br., Cello, C. B. (ev. auch Tutti) u. Harfe“ . Uber der<br />

292


ersten Notenskizze findet sich als Datum „November-Dezember 1927“ sowie ein<br />

strukturelles Konzept, das drei Sätze vorsieht:<br />

„I. Rondo II. Var. III. Freie Form<br />

lebh. mäßig sehr ruhig<br />

Sonne<br />

Mond“<br />

Fünf Seiten später (S. 19) skizzierte W ebern einen neuen Aufriß:<br />

„1. Variationen<br />

2. Rondo (Scherzo, Marschartig)<br />

3. Langsam“<br />

Zur Zeit, als der zweite Plan Gestalt annahm, war die Komposition des<br />

Variationensatzes bereits in Angriff genommen. Sein Entwurf, einschließlich<br />

zahlreicher Anfänge und Änderungen, füllt 22 Seiten und ist am Schluß „Mödling,<br />

27. März <strong>1928</strong>“ datiert. Am 30. schrieb <strong>Webern</strong> Berg, daß der erste Satz des Werkes<br />

fertig sei, daß er sich jetzt mit der Reinschrift der Partitur beschäftige und darauf<br />

brenne, sie ihm zu zeigen. Zu einem Titel habe er sich bisher noch nicht entschieden.<br />

Die folgenden 13 Seiten des Skizzenbuchs enthalten Material für den Satz, den<br />

<strong>Webern</strong> damals noch als zweiten plante. Der Anfang trägt das Datum 11. Mai <strong>1928</strong>.<br />

Auch hier wird eine Reihe <strong>von</strong> Abschnitten immer wieder neu entworfen, bis die<br />

endgültige Form erreicht ist. Am Schluß heißt es: ,,27. Juni - Am Schulschlußtag“ .<br />

Am gleichen Tag teilte <strong>Webern</strong> Berg mit, daß er hoffe, mit dem zweiten Satz seines<br />

Orchesterwerks in wenigen Tagen fertig zu sein; er sei „ein Adagio in durchaus<br />

canoräscher Form“ . Das Thema sei ein unendlicher Kanon (Doppel-Kanon) mit<br />

Wiederholung, der Mittelteil ein vierstimmiger (sich spiegelnder) Kanon und die<br />

Reprise („mit wenigen Schlußtakten“) wieder ein Doppelkanon. D er Satz sei zwar<br />

nicht lang, aber manchmal sei die A rbeit „zäh“ gewesen. E r erwähnte noch, daß ersieh<br />

entschlossen habe, seine Komposition doch „Symphonie“ zu nennen.<br />

In diesem Sommer war Maurice Kaplan, W eberns Schüler aus Amerika, zu einem<br />

längeren Studienaufenthalt in Mödling. <strong>Webern</strong>, der mit Ausnahme <strong>von</strong> ein paar<br />

kurzen Ausflügen zu Hause blieb, stürzte sich mit Arbeitseifer auf eine Anzahl <strong>von</strong><br />

Projekten. Neben der Symphonie waren es die Neuinstrumentierung seiner Sechs<br />

Stücke op. 6 und die Transkription seiner Fünf Sätze op. 5 für Streichorchester (vgl.<br />

7. Kapitel). Über den Fortgang seiner Arbeit schrieb <strong>Webern</strong> an Berg am 13. Juli,<br />

daß das Adagio fertig sei: „Fixu. fertig: neugeschriebenu. bezeichnet, welch letzteres<br />

nicht so leicht war.“ Er beginne jetzt mit dem dritten und letzten Satz seiner<br />

Symphonie. E r sei sich jedoch noch nicht ganz sicher über die Reihenfolge der Sätze.<br />

Der Entwurf des ins Auge gefaßten dritten Satzes (Seiten 51-53 <strong>von</strong> Skizzenbuch<br />

II) wurde am 3. August <strong>1928</strong> begonnen.15 In einer undatierten Tagebuchnotiz hielt<br />

<strong>Webern</strong> fest: „Die nächsten Tage Beschäftigung mit 3. Satz meiner Symphonie op.<br />

21. Zum Entschluß gelangt bei 2 Sätzen zu bleiben.“ Nach der Aufgabe des<br />

dreiteiligen Plans stellte der Komponist die Reihenfolge der zwei abgeschlossenen<br />

Sätze um, wie er es bereits bei seinem Streichtrio getan hatte. Das kanonische<br />

Adagio - es besteht aus zwei Abschnitten, deren jeder wiederholt wird und<br />

293


strukturell an den Frühtyp der klassischen Sonatenform erinnert - wurde an den<br />

Anfang gestellt, gefolgt vom Variationensatz mit Thema, sieben Variationen und<br />

einer Koda, alle elf Takte lang mit insgesamt 99 Takten.<br />

Am 20. August schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg: „Wieder war ich schon ziemlich weit<br />

mit einem dritten Satze. Aber, was immer ich mir Ergänzendes (vor oder nachher)<br />

oder zwischen den beiden Sätzen Vermittelndes vorzustellen suchte, alles störte<br />

mich u. ich erkannte (nach langer Überlegung), daß das Werk nur aus den beiden<br />

Sätzen bestehen könne. Der erste ist ein langsamer Satz, der fast eine Viertelstunde<br />

dauert, der zweite der Variationensatz, den ich Dir schon gezeigt habe. In formeller<br />

Hinsicht beruhigte mich schließlich das Vorbild so mancher zweisätziger Sonaten<br />

<strong>von</strong> Beethoven u. auch zweisätziger Orchesterwerke <strong>von</strong> Bach.“ Am selben Tag gab<br />

<strong>Webern</strong> Berg einen ähnlichen Bericht, allerdings nicht ohne zu erwähnen, wie<br />

schwer es ihm gefallen sei, sich gegen einen dritten Satz zu entscheiden: „Es war<br />

wieder keine einfache, leichte Situation, sondern ein schwerer, aufreibender<br />

Kampf.“<br />

Als <strong>Webern</strong> zwei Wochen später, am 5. September, Schönberg wieder schrieb,<br />

schätzte er die Spieldauer des ersten Satzes auf „fast eine Viertelstunde“, die des<br />

zweiten auf „circa 6' “ und die Gesamtspieldauer auf „also circa 20' Musik“ . Diese<br />

vom Komponisten selbst herrührende Schätzung erhält besondere Bedeutung<br />

angesichts der kraß divergierenden Auffassungen der verschiedenen Dirigenten.<br />

Das Tempoproblem wird dadurch noch verworrener, daß der Katalog der Universal<br />

Edition eine Spieldauer <strong>von</strong> nur 10 Minuten für das Werk verzeichnet. (<strong>Webern</strong>s<br />

TempoVorstellungen waren im allgemeinen viel langsamer als die, die sich bei<br />

Aufführungen ergaben. So nannte er in mehreren Briefen an Edward Clark als<br />

Spieldauer seiner Fünf Stücke op. 10 zehn Minuten und die der Fünf Sätze op. 5 in<br />

der Streichorchestertranskription 17 Minuten. Gewöhnlich werden diese Werke<br />

doppelt so rasch gespielt.)<br />

Die Veröffentlichung der Symphonie und die Ereignisse, die ihrer Uraufführung<br />

vorangingen, hielt <strong>Webern</strong> in einer Reihe <strong>von</strong> Tagebucheintragungen fest. Das<br />

endgültige Manuskript, das eine Widmung an seine neunjährige Tochter Christine<br />

trägt, wurde am 7. September der Universal Edition übergeben. Neun Monate<br />

später, am 18. Juni 1929, hatte der Komponist die gedruckte Partitur in Händen.<br />

„Sehr schön. Leider ein Druckfehler“ , war der Kommentar im Tagebuch. Noch vor<br />

der Veröffentlichung notierte er die Möglichkeit einer baldigen Uraufführung:<br />

„Brief <strong>von</strong> der ,League of Composers“in New York gekommen: Ersuchen um ein<br />

Werk für Kammerorchester. Einsende Termin Anfang Oktober; Auf f. Anfang<br />

Dezember. Da mir die Erfüllung dieses Termines für ein neu zu schreibendes Werk<br />

unmöglich erschien, bot ich (nach längeren Erwägungen, Besprechung mit der<br />

U. E.) meine ,Symphonie op. 21' an; zur Uraufführung in New York durch die L. of<br />

C. (der mir gebotene Betrag für obige Bedingungen: 350 Dollars).“<br />

Es vergingen mehr als drei Monate, bevor <strong>Webern</strong> in sein Tagebuch schreiben<br />

konnte: „Freitag, d. 20. Sept. - 12 h mittags soeben die Nachricht erhalten, daß die<br />

League of Composers in New York meine Symphonie op. 21 zur Urauff. erworben<br />

hat.“ In seinem Überschwang rekapitulierte <strong>Webern</strong> die Umstände, die zum<br />

294


Kompositionsauftrag und dem Honorarangebot geführt hatten; letzteres erschien<br />

ihm in seiner schwierigen finanziellen Situation als geradezu fürstlich. Im K ontobuch<br />

wird der Gegenwert in österreichischer W ährung registriert: 2 472 Schillinge ~<br />

verglichen mit <strong>Webern</strong>s laufenden Einkünften ein enorm er Betrag.<br />

Die League of Composers war 1923 <strong>von</strong> Claire R. Reis im Zusammenwirken mit<br />

einer Anzahl führender Musiker zum Zweck der Förderung zeitgenössischer Musik<br />

gegründet worden. Die Programme der 20er Jahre enthielten eine Reihe <strong>von</strong><br />

richtungweisenden Aufführungen wie Schönbergs Pierrot Lunaire und Strawinskys<br />

Geschichte vom Soldaten und Les Noces. Die League ergriff auch die Initiative, neue<br />

Werke in Auftrag zu geben, und das schon zu einer Zeit, als diese Praxis noch so gut<br />

wie unbekannt war; sie gab in den Jahren ihres Bestehens den Anstoß zu insgesamt<br />

110 Kompositionen. <strong>Webern</strong>s Korrespondenz lief über Mrs. Reis, die Geschäftsführerin<br />

der Gesellschaft. Am 31. Oktober 1929 übermittelte er ihr die folgenden<br />

Anweisungen: „Ich bitte Sie, dem Dirigenten meiner Symphonie zu sagen, daß man<br />

darin die Stimmen der Streichinstrumente auch mehrfach besetzen kann (darauf<br />

bezieht sich die gelegentliche Bemerkung in der Partitur: ,Solo‘), etwa 4 1. Violinen,<br />

4 II. Violinen, 3 Violen u. 3 Violoncelli (16 [sic!] Streicher), doch ist es natürlich<br />

durchaus möglich, das Werk rein solistisch zu spielen.“<br />

Die Uraufführung fand am 18. Dezember 1929 in New York in der Town Hall<br />

statt, im Eröffnungskonzert der 7. Saison der League. Das Programm, das Werke für<br />

Kammerorchester vorstellte, bestand aus Casellas Serenata, Hindemiths Konzert<br />

für Orgel und Kammerorchester, Goossens’ Concerto für 18 Streichinstrumente,<br />

<strong>Webern</strong>s Symphonie und Gruenbergs The Daniel Jazz. Zwei der Komponisten,<br />

Goossens und Gruenberg, teilten sich in die musikalische Leitung mit Alexander<br />

Smallens, der die Verantwortung für <strong>Webern</strong>s Opus übernommen hatte.16 Zwei<br />

Monate später, am 24. Februar 1930, dirigierte der Komponist selbst die<br />

europäische Erstaufführung in Wien (vgl. 20. Kapitel).<br />

Die Symphonie op. 21 stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der<br />

Reihentechnik dar. Eine Generation später sollte <strong>Webern</strong>s strikte Anwendung der<br />

Reihenformen gerade in diesem W erk einen ungeheueren Einfluß auf seine<br />

Nachfolger ausüben; für sie wurde Weberas Vorbild zum Ausgangspunkt für die<br />

Entwicklung ihrer Vorstellungen <strong>von</strong> einer vollständigen Prädetermination aller<br />

strukturellen Elemente. W ebern muß sich seiner Fortschritte auf dem Weg zu<br />

totaler Integration zutiefst bewußt gewesen sein. Die Tonreihe war für ihn die<br />

„Urpflanze“, und <strong>von</strong> ihr wurden alle Komponenten des gesamten Organismus<br />

hergeleitet. Immer wieder erläuterte er in seinen Vorträgen dieses Prinzip:<br />

„Goethes Urpflanze: Die Wurzel ist eigentlich nichts anderes als der Stengel, der<br />

Stengel nichts anderes als das Blatt, das Blatt wiederum nichts anderes als die Blüte,<br />

Variationen desselben Gedankens.“17<br />

In der altehrwürdigen Variationenform sah W ebern nicht mehr und nicht weniger<br />

als eine weitere Anwendung eben dieser Lehre: „Dieses Streben nach Zusammenhang,<br />

nach Beziehungen, führt <strong>von</strong> sich selbst zu einer Form, die die Klassiker häufig<br />

gepflegt haben und die bei Beethoven eigentlich überwiegend geworden ist: zur<br />

Variationenform. Ein Thema ist gegeben. Es wird variiert. In diesem Sinne ist die<br />

295


Variationenform eine Vorläuferin der Komposition in zwölf Tönen. Beispiel:<br />

Beethovens Neunte Symphonie, letzter Satz: Thema einstimmig; alles weitere ist auf<br />

diesen Gedanken gestellt, er ist die Urform. Unerhörtes geschieht, und es ist doch<br />

immer wieder dasselbe!“ 18<br />

Mit offensichtlichem Stolz wies der Komponist darauf hin, daß alle Komponenten<br />

im Variationensatz seiner Symphonie durch ein totales Ordnungsprinzip kontrolliert<br />

würden: „Die Reihe lautet: F-As-G-Fis-B-A/Es-E-C-Cis-D-H. Sie hat die<br />

Eigentümlichkeit, daß der zweite Teil der Krebs des ersten ist. Das ist ein besonders<br />

inniger Zusammenhang. Es gibt also hier nur 24 Formen, weil immer je zwei<br />

identisch sind. In der Begleitung des Themas erscheint zu Beginn der Krebs. Die<br />

erste Variation ist in der Melodie eine Transposition der Reihe <strong>von</strong> C aus. Die<br />

Begleitung ist ein Doppelkanon. Mehr Zusammenhang ist nicht möglich. Das haben<br />

auch die Niederländer nicht zusammengebracht. In der vierten Variation entstehen<br />

lauter Spiegelbilder. Diese Variation ist selbst der Mittelpunkt des ganzen Satzes,<br />

und <strong>von</strong> da aus geht alles wieder zurück. Der ganze Satz stellt also selbst einen<br />

Doppelkanon mit Rücklauf dar!. . . Was Sie hier sehen - Krebs, Kanon etc. - es ist<br />

immer dasselbe —, ist nicht in dem Sinne zu nehmen, daß es ,Kunststückerln‘ sind -<br />

das wäre lächerlich! - Möglichst viele Zusammenhänge sollen geschaffen werden,<br />

und daß es viele Zusammenhänge sind, werden Sie zugeben müssen!“ 19<br />

Mit dieser Symphonie glaubte <strong>Webern</strong>, seinen schöpferischen Idealvorstellungen,<br />

denen zufolge in der Kunst dieselben Gesetze gültig sind wie in der Natur, sehr nahe<br />

gekommen zu sein. Er verspürte den Durchbruch und zitierte in seinem Tagebuch<br />

im Frühjahr 1929 (als sein jüngstes Opus seinen Weg in die Welt zu machen begann)<br />

zwei Auszüge aus Goethes Italienischer Reise: „In der Kunst muß ich es so weit<br />

bringen, daß alles anschauende Kenntnis werde, nicht Tradition u. Name bleibe (u.<br />

ich zwing’ es in diesem halben Jahre)“ . Und: ,,. . . denn es legt sich nun<br />

auseinander, u. die Kunst wird mir wie eine zweite Natur, die, gleich der Minerva<br />

aus dem Haupte Jupiters, so aus dem Haupte der größten Menschen, geboren<br />

worden.“<br />

Im gleichen Frühjahr 1929 schenkte Berg W ebern ein Exemplar <strong>von</strong> Goethes<br />

Farbenlehre, für W ebern „das großartigste Buch aller Zeiten“ (wie er Berg am 28.<br />

September 1929 schrieb). Berg hatte in der langen Einführung zu dein Werk einige<br />

Passagen unterstrichen, und <strong>Webern</strong> war glücklich darüber, daß sie beide mit der<br />

Ideologie des Dichters so völlig im Einklang waren. In Goethes These, daß das<br />

gleiche Gesetz für alles andere Lebende zu gelten habe, sah <strong>Webern</strong> den<br />

„untrüglichen Beweis“ für seine Analogie zwischen der Urpflanze und dem System<br />

der Tonreihe20, dem Prinzip, das <strong>von</strong> nun an zur Grundlage seines ganzen<br />

ästhetischen Denkens wurde.<br />

Ohne Zusammenhang zwar mit der Zwölftonmethode, aber derselben Zeitspanne<br />

zugehörig, die dieses Kapitel behandelt, ist <strong>Webern</strong>s Bearbeitung des<br />

Arbeiterchors <strong>von</strong> Franz Liszt. Das Stück stand auf dem Programm des offiziellen<br />

Konzertdebüts des Singvereins am 13. und 14. März 1925, und die sozialistische<br />

Botschaft des Texts (sie ruft alle arbeitenden Menschen in der Welt zur Solidarität<br />

auf) machte den Chor wie geschaffen für den Anlaß. Liszts Komposition war für<br />

296


M ännerchor mit BaßsoSo und Klavierbegleitung gesetzt.21 W ebern arrangierte das<br />

W erk für Baßsolo, gemischten Chor (Sopran, Alt I und II, Tenor I und II, und Baß I<br />

und II) und ein Orchester mit doppelten Holzbläsern, 4 Hörnern, 2 Trompeten, 3<br />

Posaunen, Pauken und weiterem Schlagwerk und der üblichen Streicherbesetzung.<br />

Die Einrichtung hält sich zwar eng an Liszts Original und sein traditionelles Idiom,<br />

doch erzeugt das stark erweiterte Klangpotential <strong>von</strong> Chor und Orchester<br />

interessante neue Wirkungen.22<br />

297


Otto Klemperer, Arnold Schönberg, <strong>Webern</strong> und Hermann Scherchen<br />

(Donaueschingen, Juli 1924)<br />

A«»<br />

Aus <strong>Webern</strong>s Tagebuch (1930-1931)<br />

298


19. Fi) i c a n ationale Anerkennung —<br />

Hildegard Jone (1929)<br />

Das Jahr 1929 begann mit einer strengen und langen Kälteperiode. <strong>Webern</strong>s<br />

Tagebuch verzeichnet Tem peraturen <strong>von</strong> —30° Celsius. D er Verkehr war durch<br />

Frost und Schnee blockiert, und die Verknappung <strong>von</strong> Lebensmitteln und<br />

Heizmaterial hatte geradezu katastrophale Folgen. W ebern hielt in seinem<br />

Tagebuch fest, daß er seine Wohnung bis Ende April heizen mußte, was für die<br />

W iener Region höchst ungewöhnlich war, und daß Sohn Peter an Grippe erkrankte<br />

und ganze neun Wochen der Schule fernbleiben mußte. W ebern pflegte über die<br />

alltäglichsten Begebenheiten im Leben seiner Kinder Aufzeichnungen zu machen,<br />

wenn es aber zu Krankheiten kam, geschah das mit allen Einzelheiten. Die<br />

Beschreibung der Blinddarmoperation seines Sohnes im Vorjahr erstreckte sich<br />

über drei Seiten, und die Ereignisse wurden buchstäblich stündlich festgehalten:<br />

Peters plötzliche Erkrankung während eines Arbeitersymphoniekonzerts, die<br />

Diagnose des Arztes, die sofortige Einlieferung ins Krankenhaus, die Operation, das<br />

Fieber, die Diät, der mehrfache Zimmerwechsel, der Stundenplan für die<br />

Krankenwache, in die die Eltern sich teilten u.s.w. bis hin zu Peters Rückkehr zur<br />

Schule. Wenn man dabei bedenkt, daß W ebern in der gleichen Woche den Proben<br />

und der Uraufführung seines Streichtrios op. 20 beiwohnte (was inmitten der<br />

ausführlichen Beschreibung <strong>von</strong> Peters Krankheit nur flüchtig erwähnt wird),<br />

erscheint diese Anteilnahme doch als unverhältnismäßig, spricht aber für die<br />

Besorgnis des liebenden und gewissenhaften Vaters.<br />

Anfang Januar 1929, nach seiner eigenen Krankheit und Rekonvaleszenz im<br />

Herbst vorher, nahm <strong>Webern</strong> seine Chorproben wieder auf. Mit dem Singverein<br />

begann er das Studium der Bach-Kantate Nr. 106, Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit<br />

(Actus Tragicus) und mit dem Chor der Freien Typographia die Vorbereitung des<br />

Deutschen Requiems <strong>von</strong> Brahms. Seine wiedererlangte Arbeitsfreude wirkte sich<br />

auch auf schöpferischem Gebiet aus: er nahm sich eine Komposition für Violine,<br />

Klarinette, Horn, Klavier und Streichorchester wieder vor, die er im September<br />

begonnen hatte. Dieses Projekt mit dem Titel „K onzert“ (später Q uartett op. 22)<br />

wurde zugunsten einer zweiten und endgültigen Fassung der Streichorchester-<br />

Transkription der Fünf Sätze op. 5 unterbrochen.<br />

Am 7. und 14. April konnte W ebern endlich Schönbergs Friede auf Erden und<br />

Mahlers Zweite Symphonie selbst dirigieren, nachdem er im November die Leitung<br />

des Konzerts krankheitshalber hatte abgeben müssen. Dieses Mal übernahm die<br />

Freie Typographia die Patenrolle und der Singverein die des Gastes. Die Konzerte,<br />

die im Großen Konzerthaussaal stattfanden, worden mit lebhaftem Beifall<br />

aufgenommen. Die Zuhörer feierten <strong>Webern</strong> mit Ovationen, und die Presse pries<br />

seine Leistung. Ein Rezensent meinte: „W enn es Arbeitern gelingt, ein so<br />

299


schwieriges Chorwerk wie Arnold Schönbergs Friede auf Erden vorbildlich<br />

darzustellen, ein Werk, das jahrzehntelang als unaufführbar galt, so kann sich<br />

wahrhaftig der Gedanke <strong>von</strong> der Eroberung der Kunst durch das Volk festigen.<br />

Auch Mahlers Auferstehungs-Symphonie bietet den Sängern der Typographia und<br />

denen des Singvereins heute kaum noch Probleme. Freilich muß es eine Führungspersönlichkeit<br />

wie <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> verstehen, in monatelangen Proben auch dem<br />

Arbeiter, der vielleicht nicht einmal gut Noten lesen kann, jede Einzelheit so<br />

komplizierter Kunstwerke klarzumachen ... Mit feurigem Temperament meißelte<br />

er die Höhepunkte der Symphonie heraus. Man vermag kaum den Eindruck, den<br />

dieses Konzert auf die Hörer machte, zu beschreiben.“ Am 18. April verlieh<br />

<strong>Webern</strong> Schönberg gegenüber seiner Befriedigung Ausdruck: „Nun ist es also doch<br />

wahr geworden: ich habe Friede auf Erden zwei Mal aufgeführt. Ich glaube, es ist uns<br />

schön gelungen. Der Chor sang mit größter Begeisterung. Mir kommt vor, ich habe<br />

es wirklich bewerkstelligt, die Leute dahin zu bringen, daß sie Dein Werk so<br />

empfinden wie ich selbst.“<br />

In dem gleichen Brief spricht <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> dem tiefen Eindruck, den eine vor<br />

kurzem stattgefundene Aufführung des Pierrot Lunaire durch eine Gruppe <strong>von</strong><br />

Studenten in der Musikakademie unter der Leitung des Komponisten Franz<br />

Schmidt, des damaligen Direktors des Instituts, auf ihn gemacht habe. Am Schluß<br />

des Berichts konnte <strong>Webern</strong> nicht umhin, auf den Uraufführungsskandal des Werks<br />

1912 in Berlin zurückzublicken: „Wie lange ist es denn her, daß die gute, alte<br />

Albertine Zehme vor einem bestialisch sich benehmenden Publikum zitternd u.<br />

bangend den Pierrot hat sprechen müssen? Und da neulich: ein junger Fratz, mit<br />

Begeisterung Deinen Pierrot zitierend, Kinder fast noch an den Instrumenten (der<br />

Cellist spielte die Serenade so selbstverständlich wie einen alten Haydn) u.<br />

schließlich ein wirklich begeistertes Publikum (der Saal war ausverkauft). Es war<br />

wirklich schön u. erhebend!“<br />

Am 1. Mai, dem sozialistischen Feiertag, wurde W ebern wie im Vorjahr<br />

eingeladen, ein Rundfunkkonzert unter Mitwirkung des Singvereins zu dirigieren.<br />

Nach der Egmont-O uvertme <strong>von</strong> Beethoven, die das Konzert eröffnete, sang der<br />

Chor eine kanonische A-cappella-Vertonung <strong>von</strong> Beherzigung <strong>von</strong> Brahms. Das<br />

Werk, nach einem Goethe-Gedicht über die Befreiung <strong>von</strong> der Angst: „Feiger<br />

Gedanken, bängliches Schwanken“, wurde vom Singverein zu seinem politischen<br />

und künstlerischen Glaubensbekenntnis erhoben und noch bei vielen zukünftigen<br />

Anlässen gesungen. Der Rest des Programms bestand aus Brahms’ Drei Volksliedern<br />

für Chor mit. Vorsänger und Klavierbegleitung (<strong>Josef</strong> Hueber sang das<br />

Baritonsolo), dem 4. Satz (2. Nachtmusik) aus Mahlers Siebter Symphonie und<br />

Mozarts g-Moll-Symphonie KV 550.<br />

Vor dem Konzert wurde <strong>Webern</strong> mitgeteilt, daß man ihn für eine leitende Position<br />

in der Musikabteilung der Ravag in Aussicht genommen habe. Er lehnte ab, trotz<br />

des attraktiven Angebots eines Monatsgehalts <strong>von</strong> 1000 Schillingen. Am 18. April<br />

erklärte er Schönberg gegenüber seinen Schritt: „Da die Sache einen politischen<br />

Anstrich hat (ich sollte als Vertrauensmann“der ,sozialdem. Partei“funktionieren),<br />

habe ich abgelehnt... Nein, ich kann mich nicht in eine Stellung begeben, die mir für<br />

300


GESANG V E R E I N<br />

FREIE TYPOGRAPHIA<br />

Vi-:Hi:iNSKAN/.I.U : Vti.. ZUGi.hUGASSi-; 2.’><br />

SONNTAG, 7. U N D 14. APRIL<br />

1929. ABENDS HALB 8 UHR,<br />

IM GROSSEN KONZERTHAUS­<br />

SA AL, LOTHRINGERSTRASSE<br />

»<br />

CHORKONZERT<br />

I<br />

SCH Ö NBEUG :<br />

FRIEDE AUF ERDEN<br />

GED ICHT VON C. F. MEYKK<br />

MAHLER:<br />

ZWEITE SINFONIE<br />

»<br />

AUSFÜH RENDE:<br />

Ruzena llerlinger (Sopran), Jela<br />

Braun-Fernwahl (Alt), Ehrhard<br />

Kranz (Orgel), der gemischte Chor<br />

der Freien Typographia, der Singvereio<br />

der Kunststelle, das Wiener<br />

Sinfonie-Orchester<br />

DIRIGENT;<br />

Dr. ANTON WEBERN<br />

Programm (7. und 14. April 1929) eines Gemeinschaftskonzerts des<br />

Chors der Freien Typographia und des Singvereins<br />

301


meine Arbeit nahezu keine Zeit mehr läßt. Ich möchte doch das Gegenteil: nur mehr<br />

arbeiten zu können! Da verzichten wir lieber auf ein schönes Einkommen. Doch<br />

hoffe ich immer mehr, mir dieses trotzdem zu verschaffen - durch Gastspiele im<br />

Ausland, das ist so mein Traum ... Am liebsten würde ich in Wien gar nicht mehr<br />

dirigieren. Es wird immer schrecklicher hier.“<br />

Anfang Juni erhielt <strong>Webern</strong> zu seiner großen Genugtuung eine Anfrage wegen<br />

eines Kompositionsauftrags <strong>von</strong> der League of Composers in New York. (Er führte<br />

zur Annahme und baldigen Uraufführung seiner bereits fertigen Symphonie op. 21.)<br />

Am 22. des gleichen Monats brachte der Christian Science Monitor einen<br />

umfangreichen Artikel über seine Musik <strong>von</strong> Erwin Stein. Dieses Essay trug<br />

wesentlich dazu bei, den Namen des Komponisten in den Vereinigten Staaten<br />

bekannt zu machen. Solcherlei Ermutigungen intensivierten <strong>Webern</strong>s schöpferischen<br />

Impetus in diesem Sommer. Zu seinen Arbeiten gehörten das wiederholt in<br />

Angriff genommene „Konzert“ , ein Lied mit dem Textanfang „Nun weiß man erst“<br />

(Goethe) und ein Streichquartett, doch nur das erste Projekt wurde jemals beendet<br />

(vgl. 25. Kapitel, Quartett op. 22).<br />

Ausführliche Tagebucheintragungen berichten <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Bergtouren dieses<br />

Jahres. Unter ihnen waren eine Überquerung der Schneealpe (5.-6. Mai) und eine<br />

Besteigung der Rax (22.-23. Juni) mit seinem Sohn, Dr. Ploderer und Eduard und<br />

Hilda Steuermann, sowie ein kurzer Ferienaufenthalt mit seiner Frau und den<br />

beiden jüngsten Kindern in Vordernberg (9...15. August). Von dort wurde jeden<br />

Tag ein Ausflug unternommen, darunter auch eine Besteigung des Reichensteins<br />

mit Peter. Das Ziel der letzten Tour der Saison (5.-7. Oktober) war die Mödlinger<br />

Hütte, eine Bergunterkunft, die der Mödlinger Sektion des Deutschen und<br />

Österreichischen Alpenvereins gehörte. Anlaß war die Einweihung des Erweiterungsbaus<br />

der Hütte, verbunden mit einer Feier des 20jährigen Jubiläums der<br />

Sektion. <strong>Webern</strong> war aktives Mitglied des Vereins und trug gelegentlich zu seinen<br />

gesellschaftlichen Funktionen mit einer musikalischen Darbietung bei.1<br />

<strong>Webern</strong>s Rundfunkkonzerte bei den Maifeiern <strong>von</strong> <strong>1928</strong> und 1929 hatten zur<br />

Folge, daß die Ravag begann, ihn mit einer Reihe <strong>von</strong> dirigentischen Aufgaben zu<br />

betrauen. Am Sonntag, dem 21. Juli, leitete er eine Matinee mit Mozarts<br />

Divertimento Nr. 11 in D-Dur, der Serenade in e-Moll <strong>von</strong> Robert Fuchs und<br />

Mozarts Jupiter-Symphonie. A n Schönberg schrieb W ebern am 8. Juli, daß das<br />

M ozart-Divertimento „eine wunderbare Sache“ sei und zur Serenade <strong>von</strong> Fuchs<br />

meinte er: „Ich wollte einmal da<strong>von</strong> etwas dirigieren, bin aber nach näherer<br />

Betrachtung bereits wieder sehr abgekühlt.“ In einer anderen Sonntagsmatinee des<br />

Rundfunks am 22. Oktober dirigierte er Wolfs Italienische Serenade, Mozarts<br />

Klavierkonzert Es-Dur KV 271 mit Eduard Steuermann als Solisten, Milhauds Le<br />

Printemps und die Serenade op. 16 <strong>von</strong> Brahms. Die Gage für diese Konzerte war<br />

recht bescheiden: 200 Schillinge einschließlich Proben. Und trotzdem investierte<br />

<strong>Webern</strong>, gewissenhaft und gründlich wie stets, viel Zeit und Überlegungen in jede<br />

Aufführung,2 die ein anderer Dirigent vielleicht weniger wichtig genommen hätte.<br />

Für ihn wurde Musizieren nie zur Routine.<br />

Im Rahmen der jährlich wiederkehrenden „Republikfeier“ dirigierte W ebern am<br />

302


10. November im Großen Musikvereinssaal ein Arbeitersymphoniekonzert unter<br />

Mitwirkung des Singvereins. Das Programm (es wurde tags darauf wiederholt)<br />

erhielt besondere Bedeutung, da es die Uraufführungen <strong>von</strong> zwei Werken <strong>von</strong><br />

Schönberg in den M ittelpunkt stellte: seine Orchester-Transkription <strong>von</strong> J. S. Bachs<br />

Präludium und Fuge für Orgel in Es-Dur und zwei seiner drei Arrangements <strong>von</strong><br />

alten deutschen Volksliedern für gemischten Chor a-cappella.3 Schon im Frühjahr<br />

hatte <strong>Webern</strong> Schönberg seinen brennenden Wunsch wissen lassen, diese Werke<br />

uraufzuführen. In seinen Briefen äußerte er sich zu den Schwierigkeiten der<br />

Chorsätze, ihre polyphonen Verflechtungen und die Probleme der Intonation. Sie<br />

gaben letztlich den Ausschlag, daß wegen fehlender Probenzeit nur zwei aus der<br />

Gruppe <strong>von</strong> drei Liedern aufgeführt wurden.4 Die Bach-Transkription eröffnete das<br />

Programm. Ihr folgte eine Gruppe <strong>von</strong> Chorstücken, bestehend aus Beherzigung<br />

<strong>von</strong> Brahms, Schönbergs Bearbeitungen <strong>von</strong> Schein uns, du liebe Sonne (nach einer<br />

Melodie <strong>von</strong> <strong>Anton</strong>ius Scandellus, 1570) und Herzlieblich Lieb, durch Scheiden<br />

(eine Melodie aus dem 15. Jahrhundert), sowie zwei Chöre <strong>von</strong> Hanns Eisler5,<br />

betitelt Naturbetrachtung (nach einem Gedicht des Komponisten) und A u f den<br />

Straßen zu singen (Text <strong>von</strong> Weber). D er krönende Abschluß des Konzerts war<br />

Mahlers Erste Symphonie.<br />

D er Tradition gemäß hielt ein hoher Funktionär der Sozialdemokratischen Partei<br />

vom Podium aus eine Rede zum Gedenken der Gründung der Republik. Sicherlich<br />

hatte dieser besondere Anlaß zur Aufnahme der Eisler-Chöre ins Programm<br />

geführt, deren Texte ausgesprochen sozialistisch orientiert waren. Obwohl W ebern<br />

ein Feind radikaler politischer Botschaften war, mochte er Eislers Musik, und die<br />

Probenarbeit mit seinem Chor bereitete ihm Vergnügen. D a sich die Sänger mit der<br />

Intonation sehr schwer taten, regte <strong>Webern</strong> den Komponisten dazu an, eine<br />

Orchesterbegleitung ad lib. anzufertigen, ähnlich der <strong>von</strong> Schönbergs Friede auf<br />

Erden. In einem langen, vom 19. April 1929 datierten Brief legte ihm <strong>Webern</strong> dar,<br />

daß es kaum einen Chor gebe, der imstande wäre, durch eine lange A-cappella-<br />

Kornposition hindurch die Stimmung zu halten. „Muß stark gesungen werden, steigt<br />

der Chor u. umgekehrt. Es besteht also die Gefahr, daß wir wo anders enden, als wir<br />

angefangen haben. Ja, ich halte es fast für gewiß. Kein Chor der Welt vermag es mi t<br />

Sicherheit zu vermeiden. Ja, Glücksfälle kann es ja geben. Aber nun, warum soll ich<br />

Falsches aufführen? Für mich ist Unreinheit geradezu zu etwas Entsetzlichem<br />

geworden.“6 W ebern fuhr fort mit genauen Anregungen für die Partitur <strong>von</strong> Eislers<br />

Instrumentalensemble, das dem Chor eine echte Stütze geben sollte, ohne dabei<br />

aufdringlich zu wirken.<br />

Am Tag nach den Konzerten brachte die Wiener Zeitung eine Besprechung, die<br />

Schönbergs Bach-Transkription ablehnte. D er Kritiker war der Ansicht, daß sich<br />

zunächst einmal das Idiom der Orgel einer Adaption für einen Orchesterapparat<br />

widersetze. Darüber hinaus könne er sich des Eindrucks nicht erwehren, daß<br />

Schönberg seine eigenen spezifischen Instrumentationsmethoden injiziert und somit<br />

Bach seine eigene Individualität aufgezwungen habe. Er hatte eine bessere Meinung<br />

<strong>von</strong> der Leistung des Singvereins und erwähnte seine „überragende Präzision,<br />

Sicherheit und M usikalität.“ Am 13. November gab W ebern Schönberg diesen<br />

303


Bericht: „Die Chöre haben unerhört geklungen! Das war sicher gut, was ich da<br />

gemacht habe, das weiß ich. Wenn Du nur die zwei Einleitungstakte zur 3. Strophe<br />

<strong>von</strong> Schein uns gehört hättest: ,Gott’s Will, Gott’s WilP. Unendlich leise u. immer<br />

leiser u. dann der Einsatz der Soprane... Das Lied Herzlieblich Lieb haben wir ohne<br />

Taktstriche gesungen. Ich habe gar keinen bestimmten Takt geschlagen. Das<br />

Orchester war <strong>von</strong> Deiner [Bach-]Bearbeitung begeistert und hat sich alle Mühe<br />

gegeben. Wirklich tadellos. Famos ist gearbeitet worden. Ich konnte ja nur zwei<br />

halbe Proben darauf verwenden. Ich habe alles gehört. Ja wie ist das aber gesetzt.<br />

Herrgott, wie der Schluß der Fuge klingt. ..“<br />

Zwei Tage nach diesem Bericht brach <strong>Webern</strong> zu seiner ersten längeren<br />

Konzertreise auf. Durch die Vermittlung der Agentur Ithma hatte er Dirigierverpflichtungen<br />

in München, Frankfurt und London erhalten. Zweifellos hatten sein<br />

wachsender Ruf und seine Verbindung zur Ravag dazu verholfen, die Türe zu<br />

Einladungen ins Ausland zu öffnen. Obwohl <strong>Webern</strong> nur äußerst ungern sein Heim<br />

und seine Familie zurückließ, freute er sich dennoch auf die 20tägige Reise, die ihm<br />

wie ein riesiges Abenteuer vorkam. Im Tagebuch berichtete er anschaulich Tag für<br />

Tag über seine Eindrücke und Erlebnisse. Am Morgen seiner Abreise vom Wiener<br />

Westbahnhof schrieb er: „Beglückendes Gefühl - Liebe zur Heimat“ . Der<br />

Grenzübergang in Salzburg gab zur Bemerkung Anlaß: „Leb wohl, heimatliches<br />

Land!“ Frost und Schnee erwarteten ihn in München. Am Hauptbahnhof empfing<br />

ihn Fritz Kaltenborn, ein Schüler Schönbergs, der sich während seines Aufenhalts<br />

um ihn kümmerte. Nachdem er die erste Nacht in einem „sehr bösen Lokal“<br />

verbracht hatte, zog er ins Flotel Eden um. Das Konzert, das die Münchener<br />

Philharmoniker spielten, fand im Rahmen einer ähnlichen Reihe statt wie die<br />

Arbeitersymphoniekonzerte in Wien. <strong>Webern</strong> standen nur zwei Proben zur<br />

Verfügung, am 16. November und am Vormittag des Konzerts, das am 19.<br />

November in der Tonhalle stattfand. In seinem Tagebuch versah <strong>Webern</strong> die<br />

Programmfolge mit kritischen Kommentaren. Sie bestand aus Mozarts Jupiter-<br />

Symphonie („In Streichern besser als in Wien“), Schönbergs Verklärte Nacht („Sehr<br />

gut“), Wolfs Italienischer Serenade („Ganz sauber, deutlich; Solo Bratsche wenig<br />

gut. Immerhin gute Gestaltung.“), und Johann Strauß’ G ’schichten aus dem<br />

Wienerwald („Viel Freude gehabt. Orchester gut gefolgt; vor allem im Musizieren.<br />

In Gestaltung wohl sehr gut gewesen“). Die Bemerkung: „Dieses Programm durch<br />

viel Zwang entstanden“ deutet darauf hin, daß ein rein österreichisches Programm<br />

vorgeschrieben worden war. <strong>Webern</strong> registrierte Zufriedenheit mit sich selbst am<br />

Dirigentenpult: „Keine Spur <strong>von</strong> ,Nervosität4, Bangigkeit, sicherer als zuhause<br />

(Wien). Viel Freude, Behagen.“<br />

Nach dem Konzert lud Kaltenborn <strong>Webern</strong> zu einem Abschiedsessen ins Hotel<br />

Deutscher Kaiser ein („sehr gut44steht im Tagebuch).Über seine Tage in München,<br />

bei denen es auch einen Kinobesuch gab („Sehr böse Erinnerung44) heißt es<br />

zusammenfassend: „Ganzer Aufenthalt sehr schön. Keine wesentlichen Störungen.<br />

München schöne Stadt, doch Provinz . . . Mit Orchester sehr gut ausgekommen.“<br />

Am Morgen des 20. November reiste <strong>Webern</strong> weiter nach Frankfurt. Dort<br />

erwartete ihn Theodor Wiesengrund-Adorno7 am Bahnhof und brachte ihn zum<br />

304


Haus <strong>von</strong> Dr. Milton Seligmann8 in der Viktoria-Allee 12, „wo ich wunderbar<br />

untergebracht und wirklich köstlich gelebt habe“, wie er in sein Tagebuch schrieb.<br />

Die Unterbringung hatte Rudolf Kolisch vermittelt, der mit der Familie Seligmann<br />

eng befreundet war. Dr. Seligmann bekleidete einen hohen Rang in der Frankfurter<br />

Justiz, und sein Haus stand zu allen Zeiten Musikern offen, die zu Besuch kamen.<br />

Alban Berg hatte schon vor Jahren seine Gastlichkeit genossen und in einem Brief<br />

an seine Frau vom 15. Dezember 1921 die folgende eindrucksvolle Beschreibung<br />

gegeben: „Ein kleines Palais, unerhört vornehm. Kolossale Dienerschaft. Frau<br />

Seligmann, eine sehr feine, aus sehr weiter Entfernung noch jugendlich aussehende,<br />

sehr sympathische, herzliche Person ... Eine kalte Platte, ein Glas Rheinwein und<br />

ein jeder auf sein Zimmer. Fabelhaft vornehm. Marmorwaschbecken, Warmwasser<br />

.. ,'h 10 Uhr Frühstück mit Frau Seligmann: Ham und eggs, sehr guten Kaffee, Jam,<br />

Butter.“<br />

Solchen ungewohnten Luxus genoß auch W ebern während seines Frankfurter<br />

Aufenthalts. Er verbrachte die beiden ersten Tage mit dem Studium der Partituren<br />

und Spaziergängen in der Stadt („Leider sah ich das Goethe-Haus nicht“ schrieb er<br />

ins Tagebuch). Am Vor- und Nachmittag des Samstags, 23. November, fanden<br />

Proben im Rundfunkstudio statt. „Orchester recht gut. Einige Bläser sehr gut.<br />

Rasche Fühlungnahme.“ Mit rotem Bleistift fügte <strong>Webern</strong> hinzu, daß seine Stücke<br />

für Violine und Cello, Opus 7 und 11, unter seiner Aufsicht geprobt wurden in<br />

Vorbereitung zu einem IGNM-Konzert in Frankfurt am 27. November. Die<br />

Sendung begann am Sonntag, 24. November (deutscher Gedenktag), abends um<br />

9.30 Uhr. Wieder verzeichnete <strong>Webern</strong> die Programmfolge im Tagebuch, versehen<br />

mit einer Bewertung der Aufführungen: Mozarts Divertimento in D-Dur („Besser<br />

als in Wien“), Mahlers Kindertotenlieder („Sehr schön gelungen, das erste Mal<br />

dirigiert“), Mozarts Symphonie in g-Moll („Sehr gut“).<br />

<strong>Josef</strong> Hueber, der <strong>von</strong> Wien gekommen war, um das Solo in Mahlers<br />

Kindertotenliedern zu singen, berichtete in seinen Erinnerungen <strong>von</strong> einer Begebenheit,<br />

die sich während <strong>Webern</strong>s Frankfurter Aufenthalt zutrug. Nach dem 'Konzert<br />

gab es <strong>Webern</strong> zu Ehren einen Empfang, und der Intendant des Frankfurter Senders<br />

war eigens eingeladen worden, um eine Gelegenheit zu bekommen, mit <strong>Webern</strong><br />

häufigere Dirigierverpflichtungen zu erörtern. Vorher hatten einige Freunde<br />

<strong>Webern</strong>s den Intendanten eindringlich darauf hingewiesen, daß dies ein großer<br />

Gewinn wäre. „Jedenfalls mißlang der Plan vollständig“, berichtete Hueber. „Der<br />

Intendant wartete offenbar aus seiner Nimbus-Stellung heraus, daß <strong>Webern</strong> als<br />

erster das Wort im obigen Sinne ergreifen würde. <strong>Webern</strong> wieder wunderte sich, daß<br />

es der Intendant nur bei allerdings höflichsten Begrüßungsworten sein Bewenden<br />

ließ. Dr. Wiesengrund-Adorno, der mich nach dem Abendessen (nach dem<br />

Konzert) bei Seligmanns in mein Hotel begleitete, unterrichtete mich bedauernd<br />

<strong>von</strong> dem Fehlschlag der sicherlich gut gemeinten Intervention. <strong>Webern</strong> wieder sagte<br />

später daheim dem Sinne nach: ,Wenn man etwas <strong>von</strong> mir haben will, dann muß man<br />

mich doch darauf hin ansprechen.4“9<br />

Von jedem Ort, wo <strong>Webern</strong> sich auf seiner Reise aufhielt, schickte er Schönberg<br />

kurze Berichte. Von München schrieb er, welche Freude es ihm gemacht habe, zum<br />

305


ersten Mal Verklärte Nacht zu dirigieren, der er den größten Teil seiner Probenzeit<br />

gewidmet habe. Von Frankfurt berichtete er, daß Steinberg intensive Vorbereitungen<br />

mache für die dortige Premiere <strong>von</strong> Schönbergs Oper Von Heute auf Morgen,<br />

die für den 1. Februar 1930 vorgesehen war. Die nächste Nachricht wurde in Köln<br />

zur Post gegeben, wo sich <strong>Webern</strong> drei Tage als Gast seines alten Freundes Pleinrich<br />

Jalowetz aufhielt, der jetzt als Operndirigent in dieser Stadt wirkte. Zusammen<br />

besuchten sie ein Konzert, ein Kino und die Oper. <strong>Webern</strong> verbrachte auch einen<br />

Abend im Heim des Komponisten Philipp Jarnach. „Eindruck <strong>von</strong> Köln: großartige<br />

Stadt, viel Leben“, schrieb er ins Tagebuch und fügte hinzu: „Wenn zuhause meine<br />

Stücke op. 10 studiert.“<br />

Dieses Werk stand auf dem Programm, das <strong>Webern</strong> in London zu dirigieren hatte.<br />

Er reiste am frühen Morgen des 28. November <strong>von</strong> Köln ab und hielt die Route im<br />

Tagebuch fest: „Über Aachen, Belgien nach Ostende. Regen. Trostloser Eindruck.<br />

Brüssel <strong>von</strong> der Bahn aus kein schöner Eindruck. Deutsches Wesen (Bauart der<br />

Städte), auch hier kein wesentlicher Unterschied. Mittags Ostende, dort gegessen.<br />

Dann aufs Schiff. Überfahrt <strong>von</strong> 4 bis 8 h. Zuerst am Deck, dann 2 Stunden<br />

Kajüte; geschlafen. Vom Sturm geweckt. Rasch aufs Deck. Hier 2 Stunden<br />

gestanden. See äußerst bewegt. Haushohe Wellen. Zustand erbärmlich, doch<br />

festgeblieben. Um 8 h gelandet. Gleich zum Zug. Ca. V2 11 in London eingetroffen.<br />

Von Clark erwartet.10 Mit ihm ins Flotel Strand Palace in der Stadt. Dann in eine<br />

Gesellschaft. Sehr müde.“<br />

Am folgenden Vormittag, einem Freitag, fand die erste <strong>von</strong> drei Proben statt. Sie<br />

war einzig und allein <strong>Webern</strong>s Fünf Stücken op. 10 gewidmet, die „auf wenig<br />

Verständnis <strong>von</strong> seiten des Orchesters“ stießen. Die Schwierigkeiten ergaben sich<br />

zweifellos aus <strong>Webern</strong>s mangelhaften Englischkenntnissen, die es erforderlich<br />

machten, daß seine umfangreichen und ins Detail gellenden Erklärungen den<br />

Musikern durch einen Dolmetscher verständlich gemacht wurden. Eine zweite<br />

Probe folgte am Samstag nachmittag. Diesmal kam <strong>Webern</strong> ein gutes Stück weiter:<br />

mit seinen Orchesterstücken, Milhauds Le Printemps und einem Teil der Serenade<br />

op. 16 <strong>von</strong> Brahms. Der Sonntag bot Gelegenheit zu einer Stadtbesichtigung, und<br />

am Nachmittag sah <strong>Webern</strong> seinen ersten Tonfilm, der ihm „sehr gefallen“ hat. Bei<br />

allen Mahlzeiten und in seiner Freizeit war er mit seinem Gastgeber zusammen.<br />

„Clark hat sich meiner rührend angenommen“, schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg am 3.<br />

Dezember.<br />

Die Hauptprobe fand am Montag vormittag, dem 2. Dezember, statt. Am Abend<br />

desselben Tages war dann das Radiokonzert vor einem geladenen Publikum in<br />

einem kleinen Theatersaal, den <strong>Webern</strong> als „ungünstig“ bezeichnete. Die Programmfolge<br />

war Milhaud, <strong>Webern</strong> und Brahms. Die Archivunterlagen der BBC<br />

verzeichnen noch vier Orchesterlieder <strong>von</strong> Gustav Mahler an der zweiten Stelle des<br />

Programms. Ruzena Herlinger war als Solistin vorgesehen, erkrankte jedoch, und so<br />

mußte dieser Teil des Programms beim Konzert ausfallen. In seinem Tagebuch wog<br />

<strong>Webern</strong> das Ergebnis ab: „Meine Stücke gut gelungen. Etwa wie in Zürich. Doch<br />

dort besser. Brahms trocken gespielt worden. Milhaud auch nicht sehr gut.“ Das<br />

Tagebuch erwähnt auch, daß <strong>Webern</strong>s Fünf Stücke für das Studiopublikum nach<br />

306


eendeter Sendung wiederholt wurden. Einem Gruß, den <strong>Webern</strong> Schönberg vom<br />

Empfang nach dem Konzert schickte, fügte Clark hinzu: „Wir freuen uns riesig über<br />

den großen Erfolg <strong>Webern</strong>s als Komponist und Dirigent.“<br />

Am nächsten Morgen (es war <strong>Webern</strong>s 46. Geburtstag) trat er schon früh die<br />

Heimreise an. Die Überfahrt über den Kanal war diesmal ruhig („viel geschlafen“),<br />

und während der langen Bahnfahrt nach Wien gab es noch ein Wiedersehen mit<br />

Heinrich und Johanna Jalowetz, die es sich nicht nehmen ließen, um ein Uhr nachts<br />

an die Bahn zu kommen. Am Abend des 4. Dezember erwarteten <strong>Webern</strong> auf dem<br />

Wiener Westbahnhof seine Frau und die beiden jüngsten Kinder. „Beglückendes<br />

Gefühl. Unsagbar glücklicher Eindruck beim Betreten der Wohnung“, vertraute er<br />

dem Tagebuch an. Zurückblickend auf seine erste Englandreise, schrieb er: „Von<br />

London nicht sehr entzückt. Verkehr kolossal. Doch ganze Art wenig sympathisch.<br />

Auch was Clark und das Orchester anbelangt. Gesellschaft unerträglich. Konnte<br />

Abreise kaum erwarten. Eigentlich enttäuscht. Eindruck vom Meer, Überfahrt,<br />

Küste: trostlos! Nebel, Finsternis, Sehnsucht nach Blumen in den Bergen; blauer<br />

Himmel, Klarheit der Luft. Im allgemeinen aber wohlgefühlt, körperlich. Wetter in<br />

London gut.“<br />

Unmittelbar nach seiner Rückkehr mußte <strong>Webern</strong> mit den Proben zu einem<br />

Konzert am Samstag, 14. Dezember beginnen. Unter Mitwirkung <strong>von</strong> Eduard<br />

Steuermann und <strong>Josef</strong> Hueber als Solisten, eines Liebhaberorchesters (verstärkt<br />

durch Bläser der Staatsoper) und des Singvereins bestand das Programm aus<br />

Mozarts Klavierkonzert Es-Dur, KV 271, den A-cappella-Chören <strong>von</strong> Schönberg<br />

und Eisler, die bereits in den November-Konzerten aufgeführt worden waren,<br />

Steuermanns Solowiedergabe einer Bach-Busoni-Transkription und Bachs Kreuzstabkantate.<br />

Am. nächsten Morgen um 8 Uhr begab sich <strong>Webern</strong> wieder auf die Reise, diesmal<br />

nach Berlin, wohin er zu einem Rundfunkkonzert eingeladen worden war.<br />

Schönberg, der ihn aufgefordert hatte, bei ihm zu wohnen, empfing ihn auf dem<br />

Bahnhof. „Liebe, schöne Stunden“, berichtet uns das Tagebuch über ihre<br />

Wiedervereinigung. Die erste Probe am 16, Dezember war „wenig günstig“ ; die<br />

ganze Sitzung war <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Passacaglia, in Anspruch genommen. Nur noch, eine<br />

weitere Probe am nächsten Tag ging dem Sendekonzert am Abend des 18.<br />

Dezember voraus.11 <strong>Webern</strong>s Tagebuch verzeichnet die Programmfolge mit seinen<br />

Kommentaren: Beethovens Coriolan-Ouvertüre („nicht sehr gut“), Brahms’<br />

Serenade op. 1.6 („besser als in Wien u. London, doch auch hier fast nicht probiert.<br />

Der liebe, süße Klang, den ich erwartete, auch hier nicht gekommen.“);, Mozarts<br />

Klavierkonzert Es-Dur („gut“), und <strong>Webern</strong>s Passacaglia („Ziemlich viel gekommen.<br />

Mit Werk sehr zufrieden. Flüssiger Ausdruck. Schweres Stück. Muß sehr<br />

probiert werden. War leider nicht möglich. Immerhin ganz befriedigend.“)<br />

Nach dem Konzert lud Schönberg <strong>Webern</strong> und Eduard Steuermann, den Solisten<br />

des Mozart-Konzerts, ins berühmte Restaurant Rheingold ein, und die drei Freunde<br />

konnten sich wieder einmal in Erinnerungen ergehen und Musikaffairen <strong>von</strong><br />

Vergangenheit, Gegenwart, und Zukunft diskutieren. Am nächsten Morgen<br />

besorgte sich <strong>Webern</strong> eine Geburtsurkunde seiner ältesten Tochter Amalie, die<br />

307


einahe 19 Jahre zuvor in Berlin zur Welt gekommen war. Für die Heimfahrt nahm<br />

er den Nachtzug; er traf am Freitag Mittag des 20. Dezember in Wien ein, am<br />

Bahnhof <strong>von</strong> der getreuen Wilhelmine begrüßt - was eine Tagebucheintragung wert<br />

war, hatte es doch für sie eine einstündige Fahrt <strong>von</strong> Mödling in die Stadt bedeutet.<br />

<strong>Webern</strong> dankte Schönberg am 30. Dezember für seine Gastfreundschaft: „Es<br />

waren wunderbare, unvergeßliche Tage für mich ... Wie gerne wäre ich ständig in<br />

Berlin! (Die ,Funkstunde“ soll mich als ständigen Dirigenten engagieren. Utopie.)<br />

Hier habe ich ja kaum noch etwas zu erhoffen. Und ich bräuchte so dringend eine<br />

Stellung mit fixem Einkommen.“<br />

Trotz dieser Bemerkung konnte <strong>Webern</strong> auf ein erfülltes und produktives Jahr<br />

zurückblicken. Die Konzertreisen hatten sein Einkommen merklich verbessert; alle<br />

Beträge wurden peinlichst genau im Kontobuch festgehalten. So erbrachte das<br />

Engagement in München 700 Mark und nach Abzug der Agentenprovision verblieb<br />

ein Nettobetrag <strong>von</strong> 530 Mark. Das Londoner Konzert trug, <strong>von</strong> einem Bruttohonorar<br />

<strong>von</strong> 42 Pfund, ein Netto <strong>von</strong> 34 Pfund ein. Alles in allem belief sich das<br />

Einkommen des Jahres auf 11 135.61 Schillinge, was durchaus eine Verbesserung<br />

darstellt gegenüber den 9 714 Schillingen des Jahres <strong>1928</strong> und den 8 100 Schillingen<br />

1927.<br />

An diesem Weihnachten 1929 erhielt <strong>Webern</strong> zwei Geschenke, die ihn besonders<br />

entzückten. Mit geradezu kindlicher Freude dankte er Schönberg am 2. Januar für<br />

ein Hemd aus Rohseide („mit angenähtem Kragen!“), das für einen Mann, der so<br />

wenig verwöhnt war wie <strong>Webern</strong>, das Höchste an Luxus darstellte. Gleichermaßen<br />

überschwenglich reagierte er auf das andere Geschenk, eine Büste Gustav Mahlers<br />

<strong>von</strong> dem Bildhauer <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>. Das Ehepaar <strong>Humplik</strong>, das um <strong>Webern</strong>s<br />

Verehrung für Mahler wußte, überraschte ihn mit einem großen Kopf in Gips, der<br />

alsbald einen Ehrenplatz in seinem Heim erhielt.<br />

<strong>Webern</strong> hatte ein paar Jahre zuvor <strong>Humplik</strong> und seine Frau Hildegard beim<br />

Künstlerbund Hagen12 kennengelernt, einer Vereinigung fortschrittlicher Maler<br />

und Bildhauer, der auch Persönlichkeiten wie Kokoschka und Schiele angehörten.<br />

Die Gruppe hatte ihren Sitz in der Zedlitzgasse, nur ein paar Schritte <strong>von</strong> der<br />

Stubenbastei entfernt, wo <strong>Webern</strong> seine Proben mit dem Singverein abhielt. 1926<br />

hatte <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> unter der Schirmherrschaft des Hagenbundes eine Retrospektive<br />

veranstaltet. <strong>Webern</strong> besuchte sie und wurde bei dieser Gelegenheit mit dem<br />

Bildhauer und seiner Frau bekannt gemacht.<br />

In den kommenden Jahren schuf <strong>Humplik</strong> zwei Büsten <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>. Die erste,<br />

überlebensgroß und in Gips gegossen, wurde 1927 angefertigt. Viele Jahre stand sie<br />

in <strong>Webern</strong>s Heim.13 Die zweite, aus Terrakotta, entstand <strong>1928</strong>. Diese lebensgroße<br />

Büste wurde später in Bronze gegossen und ist in vielen Publikationen reproduziert<br />

worden. Sie ist ein in jeder Hinsicht vollkommenes Kunstwerk und ist beispielhaft<br />

für <strong>Humplik</strong>s Gabe, die geistigen Qualitäten seiner Modelle einzufangen.14<br />

<strong>Humplik</strong> erlangte beträchtliche Berühmtheit in seinem Berufsstand. Er war eines<br />

der repräsentativsten Mitglieder der „Sezession“, einer prominenten Wiener<br />

Künstlergruppe. Ausstellungen seiner Skulpturen wurden in allen größeren Städten<br />

Europas veranstaltet und verhalten ihm zu internationaler Anerkennung. Viele<br />

308


seiner Werke wurden preisgekrönt. Besonders erwähnenswert sind seine Büsten<br />

bedeutender Persönlichkeiten. Unter ihnen befinden sich die Schriftsteller und<br />

Dichter Ebner, Ficker, Kraus und Trakl, die Komponisten Mahler, Berg und<br />

<strong>Webern</strong> und die Maler Moll und Klimt (<strong>Humplik</strong>s künstlerische Richtung war der<br />

des letzteren nahe verbunden).15<br />

Die Freundschaft, die sich zwischen <strong>Webern</strong> und dem Ehepaar <strong>Humplik</strong><br />

entwickelte, war eng und <strong>von</strong> Dauer. Besonders die Frau des Bildhauers sollte einen<br />

großen Einfluß auf <strong>Webern</strong>s Leben gewinnen, denn es war ihre Dichtkunst, die sein<br />

ganzes Vokalschaffen seiner letzten Jahre inspirierte. Sie war die Tocher des<br />

österreichischen Architekten Huber.16 Der Mädchenname ihrer Mutter war Deym<br />

und eine ihrer Vorfahren war die Gräfin Deym, die für ihre Freundschaft mit<br />

Beethoven bekannt ist. Hildegard begann ihr Kunststudium bereits in jungen<br />

Jahren. Ihr Lehrer im Bildhauen an der Wiener Akademie war <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>, den<br />

sie am 29. März 1921 heiratete. Das Ehepaar lebte zunächst in Ried im Innkreis.<br />

Hildegard, auf der Suche nach ihrer eigenen künstlerischen Identität, wandte sich<br />

bald <strong>von</strong> der Bildhauerei der Malerei und der Dichtkunst zu. Obwohl sie eine große<br />

Zahl <strong>von</strong> Ölbildern, Zeichnungen und Lithographien hervorbrachte, gestattete sie<br />

nur wenige Ausstellungen ihrer Werke. Ähnlicherweise gelangte <strong>von</strong> ihrem<br />

umfangreichen dichterischen Schaffen nur ein Bruchteil an die Öffentlichkeit.17<br />

Wegen ihrer Verbundenheit mit der attischen Kultur nahm sie das Pseudonym Jone<br />

an, nach dem griechischen Wort „Ion“ (Ionierin). Ihre tiefe Religiosität, die an<br />

Mystizismus grenzte, verband sich mit einem scharfen Wahrnehmungsvermögen<br />

<strong>von</strong> künstlerischen und geistigen Dingen. Diese Qualitäten erwarben ihr das<br />

Vertrauen und die Freundschaft <strong>von</strong> Männern wie Martin Buber und Ferdinand<br />

Ebner. Im Mai 1934 zogen die <strong>Humplik</strong>s nach Purkersdorf, einem idyllischen<br />

Städtchen im Wienerwald. Dort lebten und arbeiteten sie in einem stattlichen Haus<br />

(Wintergasse 31) inmitten eines parkartigen Gartens.<br />

Die ideelle Verwandtschaft zwischen <strong>Webern</strong> und den beiden Künstlern hatte<br />

einen steten Gedankenaustausch zur Folge. (Nach <strong>Webern</strong>s Tod wurden seine<br />

Briefe an die <strong>Humplik</strong>s herausgegeben und stellen eine unentbehrliche Quelle<br />

sowohl für biographische Daten dar, als auch für Aufschlüsse über die Genese seiner<br />

Spätwerke.18) Der herzliche Ton der Briefe <strong>Webern</strong>s läßt auf die Sympathie<br />

schließen, deren er sich bei diesen Freunden gewiß sein konnte. Hildegard Jone war<br />

es vor allem, die zu seiner Muse wurde, und das im vollsten, aber auch reinsten Sinne<br />

des Wortes. Obwohl sie keine musikalischen Kenntnisse besaß19, gab sie ihm die<br />

Inspiration, die ihm half, die künstlerischen und philosophischen Prinzipien seines<br />

Schaffens zu artikulieren, und es war vor allem der Gedankenaustausch mit ihr, der<br />

ihn die Sprache finden ließ, seine innersten Denkvorgänge zu formulieren und zu<br />

projizieren.<br />

Auszüge eines Briefes, den <strong>Webern</strong> Hildegard Jone am 6. August <strong>1928</strong> schrieb,<br />

im zweiten Jahr ihrer Bekanntschaft, erhellen das Wesen ihrer geistigen Verwandtschaft:<br />

„Ich verstelle unter ,Kunst1die Fähigkeit, einen Gedanken in die klarste,<br />

einfachste, das heißt,,faßlichste4Form zu bringen. In diesem Sinne also kann ich das<br />

,Vater unser* nicht als etwas Gegensätzliches zur Kunst empfinden sondern als deren<br />

309


höchstes Vorbild. Denn hier ist die größte Faßlichkeit, Klarheit und Eindeutigkeit<br />

erreicht. Darum kann ich die Anschauung Tolstois und aller derer, die sich ähnlich<br />

geäußert haben, in dieser Hinsicht nicht verstehen, wohl aber, wenn Beethoven das<br />

Hauptthema des ersten Satzes seiner ,Eroica‘ so lange skizziert, bis es endlich den<br />

Grad der Faßlichkeit hatte, wie etwa ein Satz aus dem , Vater unser1. So fasse ich die<br />

Kunst auf. Und deswegen habe ich nie verstanden, was ,klassisch“, ,romantisch1und<br />

dgl. ist, noch habe ich mich in einen Gegensatz zu den Meistern der Vergangenheit<br />

gestellt, sondern mich immer nur bemüht, es diesen gleich zu machen: das, was mir<br />

zu sagen gewährt ist, so klar als möglich darzustellen. Was freilich etwas anderes ist,<br />

als etwa der heutige ,Klassizismus“, der den Stil kopiert, ohne dessen Sinn (und das<br />

ist das oben Angedeutete) zu wissen, während ich (Schönberg, Berg) diesen Sinn -<br />

und er bleibt ewig der gleiche - mit unseren Mitteln zu erfüllen trachte. Und da<br />

entsteht dann wohl keine Copie, sondern eben darum erst das Ureigenste. So bin ich<br />

also auch gänzlich Ihrer Meinung, wenn Sie sagen: ,Wir müssen zu glauben kommen,<br />

daß es nur weiter geht nach Innen1. Ja: Jedes Flerz färbt seinen Abend anders, wenn<br />

es untergeht.“Nun lassen Sie uns hoffen, daß aus unserer gemeinsamen Arbeit etwas<br />

wird. Daß ich die Anregung dazu gegeben habe, daraus mögen Sie entnehmen, wie<br />

sehr lieb, ja wesensverwandt mir Ihre Denkungsart ist.“<br />

310


20. Arbeit und Familie (1930)<br />

Nach den aufregenden und erfüllten Monaten, die das Jahr 1929 mit den<br />

Konzertreisen nach London und Berlin als Höhepunkten beschlossen, mußte<br />

<strong>Webern</strong> den Beginn des neuen Jahres als trübe und recht aussichtlos empfinden. Die<br />

einzigen Einkünfte, die sein Kontobuch für Januar und Februar anführt, waren die<br />

vom Singverein und dem Israelitischen Blindeninstitut. <strong>Webern</strong>, der noch immer<br />

<strong>von</strong> seinem Besuch bei Schönberg zehrte, konnte sich nur schlecht mit seiner<br />

Situation in Wien abfinden. Als er in der Zeitung gelesen hatte, daß Heinrich<br />

Kaminski zum Nachfolger Hans Pfitzners an die Berliner Akademie berufen worden<br />

war, schrieb er Schönberg am 7. Januar: „Ist es wirklich so undenkbar, daß auch an<br />

mich einmal so eine Berufung gelangte? Es wäre die idealste Lösung meines<br />

Existenz-Problemes! Um wie viel lieber wäre mir so eine Stelle als etwa ein<br />

Dirigentenposten, der einem ja doch kaum Zeit zum Komponieren läßt. Zumal ich<br />

wirklich immer lieber unterrichte. (Leider habe ich zur Zeit nicht einen Schüler.) Ich<br />

bitte Dich nun vielmals, bei Gelegenheit an mich zu denken! Sei mir nicht böse, daß<br />

ich Dir damit komme, aber mir ist wieder einmal recht bange. Und nimm’ mir meine<br />

Phantasie nicht übel.“<br />

Schönberg war sehr besorgt über <strong>Webern</strong>s seelische Verfassung und schrieb ihm<br />

sofort einen Brief mit väterlichen Ratschlägen und mahnte zur Geduld.1 Etwas<br />

verlegen antwortete <strong>Webern</strong> am 16. Januar: „Die Totenstille hier in Wien nach<br />

diesen immerhin bewegten u. mich mit Hoffnung erfüllenden Tagen meiner Reisen,<br />

namentlich nach dein so überaus schönen Aufenthalt bei Dir in Berlin war zu<br />

schrecklich. Muri gewöhne ich mich ja allmählich wieder daran u, komme wieder ins<br />

Gleichgewicht.“<br />

Die „Totenstille“ wich sehr bald einem neuen Ausbruch <strong>von</strong> Aktivität. Nicht<br />

weniger als vier Konzerte innerhalb <strong>von</strong> drei Wochen standen für Februar und März<br />

an, und um sie vorzubereiten, sah sich <strong>Webern</strong> gezwungen, <strong>von</strong> seinen Plänen, der<br />

Uraufführung <strong>von</strong> Schönbergs Oper Von Heute auf Morgen am 1. Februar in<br />

Frankfurt beizuwohnen, Abstand zu nehmen. Sein Entschluß wurde ihm leichter<br />

gemacht, weil eine Dirigierverpflichtung beim Frankfurter Radio nicht zustande<br />

kam, die Wiesengrand-Adomo um die Zeit des Schönberg-Ereignisses ihm<br />

vermitteln sollte. Das erste der vier Konzerte <strong>Webern</strong>s - am 24. Februar 1930 im<br />

Mittleren Konzerthaussaal - erhielt besondere Bedeutung, da die Wiener Erstaufführung<br />

<strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Symphonie op. 21 unter der Leitung des Komponisten im<br />

Mittelpunkt stand. Das Klavierquartett in A-Dur <strong>von</strong> Brahms und das Septett <strong>von</strong><br />

Beethoven flankierten das Werk im Programm, das vom Kolisch-Ensemble und<br />

Eduard Steuermann unter der Schirmherrschaft der Wiener Konzerthausgesell-<br />

Schaft dargeboten wurde. Die Ausführenden in <strong>Webern</strong>s Symphonie waren, außer<br />

311


den Mitgliedern des Kolisch-Quartetts und der Geigerin Elsie Stein, Bläser und ein<br />

Harfenist des Staatsopernorchesters.<br />

Das Ereignis wird in <strong>Webern</strong>s Tagebuch wie folgt festgehalten: „Viele Freude.2<br />

Ganz schön gekommen. Besser in chorischer Besetzung der Streicher. Schwierigkeiten<br />

groß. 4 Proben gehalten.“ Für das Presse-Echo war <strong>Josef</strong> Reitlers einfühlsame,<br />

doch nicht gerade positive Beurteilung in der Neuen Freien Presse (3. März)<br />

bezeichnend: „Neben der barbarischen Musik der wilden Völker gibt es längst eine<br />

der zivilisierten. <strong>Webern</strong> ist auch diese Art <strong>von</strong> Seelenlosigkeit fremd. Vielleicht will<br />

gerade er den materiellen Maschinenmusikklängen, den wirren rhythmischen<br />

Geräuschen der Strawinsky und Bartök etwas im Klange Entmaterialisiertes, im<br />

Rhythmus Aufgelöstes entgegenstellen. Die ekstatische Art, mit der der Komponist<br />

sein Werk dirigierte, zwingt wenigstens zur Annahme des guten Glaubens.<br />

Manchmal, wenn wir Musikentwicklung und Musikgetriebe außerhalb Wiens<br />

betrachten, erscheint uns dieser <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> wie die ewig tragische Figur eines<br />

Postens, an dessen Ablösung vergessen wurde, und der nun als letzter Getreuer das<br />

bedenklich schwankende Gebäude einer Ästhetik bewacht, die längst das Weite<br />

gesucht und den Jonny gefunden hat.“ (Die Schlußbemerkung bezieht sich auf Ernst<br />

Kreneks Jonny spielt auf, eine Oper, die mit ihren Jazzelementen sich in diesen<br />

Jahren eines sensationellen Erfolges in ganz Europa erfreute.)<br />

Am 5. März wirkte <strong>Webern</strong> in einem weiteren Kolisch-Steuermann-Abend der<br />

Konzerthaus-Reihe mit. Diesmal leitete er die erste Wiener Aufführung <strong>von</strong><br />

Schönbergs Suite op. 29. (Das Programm enthielt außerdem noch Bachs Drittes<br />

Brandenburgisches Konzert und Schönbergs Erstes Streichquartett.) „Die letzten<br />

Wochen meiner Arbeit galten ausschließlich dem Studium Deines Werkes“, schrieb<br />

<strong>Webern</strong> Schönberg schon am 7. Februar, noch bevor die Proben mit dem Ensemble<br />

in Gang gekommen waren. „Es ist ungeheuer schwer... Wo ich gehe u. stehe übe ich<br />

diese Rythmen. Aber welches Glück war es fü r mich, da einzudringen!“ Neun Proben<br />

wurden mit dem Ensemble abgehalten, dem neben Steuermann und dem Kolisch-<br />

Quartett Bläser des Orchesters der Staatsoper angehörten. Am 16. März konnte<br />

<strong>Webern</strong> dem Komponisten berichten: „Der Erfolg war außerordentlich. Ich muß<br />

gestehn, daß ich etwas besorgt war, denn die Verhältnisse in Wien werden ja immer<br />

entsetzlicher.“ Ihre Trennung bedauernd, fügte er hinzu: „Hätte ich nur Dir das<br />

Alles vorführen können. Sei versichert, es ist mir nie anders, als ob Du wirklich da<br />

wärst. Aber Dich so fort u. fort missen zu müssen, das ist so schwer; das wird mir<br />

immer unerträglicher. Und ich habe nur den einen Wunsch, ehestens wieder dort zu<br />

sein, wo Du bist. So habe ich es ja immer gehalten u. ich hoffe, es wird wieder bald so<br />

sein können.“<br />

Nur vier Tage nach dieser Aufführung dirigierte <strong>Webern</strong> ein Rundfunkkonzert<br />

mit der Tragischen Ouvertüre <strong>von</strong> Brahms, der Kreuzstabkantate <strong>von</strong> Bach (Solist:<br />

<strong>Josef</strong> Hueber, Continuo: Eduard Steuermann), seiner eigenen Passacaglia und der<br />

Siebten Symphonie <strong>von</strong> Beethoven. Für diese Sendekonzerte gab es im allgemeinen<br />

nur zwei Proben, was <strong>Webern</strong> zum folgenden Kommentar in seinem Tagebuch<br />

veranlaßte: „Passacaglia viel schlechter als in Berlin. Ganz ungenügend probiert.“<br />

Eine Woche später, am 16. März, erschien <strong>Webern</strong> wieder am Dirigentenpult,<br />

312


diesmal in einem Arbeitersymphoniekonzert. Zur Aufführung kamen Vorspiel zu<br />

einem Revolutionsdrama op. 33 <strong>von</strong> Heinz Tiessen, eine Gruppe <strong>von</strong> Sololiedern<br />

<strong>von</strong> Schubert und Wolf, Max Regers Requiem und Beethovens Dritte Symphonie.<br />

Gleich nach dem Konzert schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg über das Requiem: „Ein<br />

wundervolles Werk . . . in Erfindung u. Ausdruck. Aber welche merkwürdige<br />

,Darstellung1der Gedanken. Die Partitur ist schwarz <strong>von</strong> oben bis unten, Seite für<br />

Seite.“ Ins Tagebuch schrieb er, daß die Aufführung „sehr gut geworden“ sei. Der<br />

Kritiker der Wiener Zeitung (19. März) begrüßte die Gelegenheit, mit dem selten<br />

gespielten Werk bekannt gemacht worden zu sein, und sprach <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s „tiefer<br />

Innerlichkeit und bedingungsloser Ehrlichkeit“ als Dirigent. Erwin Stein verglich in<br />

einem später im Christian Science Monitor (2. August) veröffentlichten Artikel<br />

<strong>Webern</strong>s Aufführung der Eroica mit einer soeben <strong>von</strong> Toscanini dirigierten und<br />

fand sie „viel unmittelbar beeindruckender“ . Dieses Lob trug viel dazu bei,<br />

<strong>Webern</strong>s wachsenden Ruf in Amerika zu festigen, wo am 26. März dieses Jahres die<br />

Uraufführung der Streichorchesterfassung seiner Fünf Sätze op. 5 in Philadelphia<br />

stattfand.<br />

Am 15. März erhielt <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> der Ravag einen Sechsmonatsvertrag für eine<br />

Position, die er Schönberg am nächsten Tag als „eine Art musikalischer Dramaturg“<br />

beschrieb. Außer Dirigieren hatte er neue Kompositionen, die zur Aufführung<br />

eingereicht wurden, zu begutachten und Vorschläge zu machen, wie das Niveau der<br />

Sendungen ernster Musik angehoben werden könnte. Julius Bittner und Rudolf<br />

Weirich (ein Schönberg-Schüler) teilten sich mit ihm in diese Aufgaben. <strong>Webern</strong><br />

war zwar enttäuscht darüber, daß er nicht so viele Dirigieraufgaben bekam, wie er<br />

erhofft hatte, war aber doch froh darüber, daß er bei einem Monatsgehalt <strong>von</strong> 500<br />

Schillingen eine spürbare Erleichterung seiner finanziellen Situation verzeichnen<br />

konnte. Bevor die Saison zu Ende ging, dirigierte er noch zwei weitere Rundfunkkonzerte:<br />

Das Programm am 1. Mai bestand aus Vorfrühling <strong>von</strong> Egon Wellesz,<br />

Mozarts Symphonie in D-Dur KV 84, dem Adagietto aus Mahlers Fünfter<br />

Symphonie, Bachs Konzert für zwei Klaviere in C-Dur (Eduard und Hilda<br />

Steuermann) und Beethovens Achter Symphonie. Die Sendung am 22. Juni bestand<br />

aus Schuberts Fünfter Symphonie, drei Liedern <strong>von</strong> Joseph Marx, Kreneks Kleiner<br />

Symphonie und Mozarts Symphonie Es-Dur KV 16. <strong>Webern</strong>, den Kreneks frühe<br />

Musik nicht überzeugte (der Komponist wandte sich der Zwölftontechnik erst mit<br />

der 1933 vollendeten Oper Karl V. zu), schrieb Schönberg am 1. Juli: „Die Kleine<br />

Symphonie <strong>von</strong> Krenek: Sie sollen mir nicht vorwerfen können, daß ich mich, da ich<br />

jetzt doch schon ein wenig mehr Spielraum als Dirigent habe, nicht um sie kümmere.<br />

Es war das erste Mal, daß ich mich wirklich mit diesem befaßte: Vieles ist<br />

erschreckend, manches ganz amüsant.“ <strong>Webern</strong> erzählte dann Schönberg, daß er<br />

Hindemiths Lehrstück gehört habe und es „entsetzlich“ finde.<br />

Dieses Urteil über Hindemiths Musik ist bezeichnend für die Verachtung, mit der<br />

Angehörige des Schönberg-Lagers gewissen Kollegen begegneten, die an der<br />

traditionellen Richtung festhielten. Nachdem sie sich selbst unablässig ätzender<br />

Kritik ausgesetzt sahen, fanden es Schönberg und seine Nachfolger schwer, anderen<br />

gegenüber Toleranz zu zeigen. Darüber hinaus waren sie felsenfest überzeugt <strong>von</strong><br />

313


der Richtigkeit ihres Kurses, und die wachsende Beachtung, die ihrem Schaffen<br />

allenthalben zuteil wurde, bestärkte sie darin. Es war vor allem Bergs Wozzeck, der<br />

weite Kreise eines Opernpublikums erreichte, das niemals zuvor mit atonaler Musik<br />

konfrontiert gewesen war. Erhitzte Kontroversen waren unausbleiblich. Nach der<br />

Wiener Erstaufführung der Oper im März 1930 wandte sich die Opposition gegen<br />

die neuen musikalischen Tendenzen als „hart pour hart“ und „unsozial“. Am 19.<br />

April meinte <strong>Webern</strong> dazu Schönberg gegenüber: „Bergs Wozzek hat mich tief<br />

erschüttert. Die Aufführung hier war wohl in jeder Hinsicht unzulänglich. Der<br />

Erfolg bei der Premiere schon ganz gewaltig. Aber diese Stadt! Vor allem auch diese<br />

Jugend hier! Es ist wirklich nicht mehr auszuhalten.“<br />

Die wachsende internationale Anerkennung, die der neuen Wiener Komponistenschule<br />

zuteil wurde, fand ihren Niederschlag in einem Wiener Kammermusikfest<br />

Ende März in Amsterdam. An zwei Abenden (24. und 25. März) wurden Werke<br />

<strong>von</strong> Schönberg, Berg, Eisler, Hauer und Wellesz sowie <strong>Webern</strong>s Vier Stücke op. 7<br />

und die Fünf geistlichen Lieder op. 15 auf geführt. <strong>Webern</strong> war eingeladen worden,<br />

das letztgenannte Werk zu leiten, sagte aber kurzfristig wegen seiner Dirigierverpflichtungen<br />

in Wien ab. Ihre stetige Zunahme in der Saison 1929/30 stellte er mit<br />

Genugtuung fest (voller Stolz wurden im Tagebuch alle 14 auf gelistet), doch wurden<br />

seine Hoffnungen enttäuscht, den Musikpreis der Stadt Wien ein zweites Mal zu<br />

erhalten. Berg, der Mitglied der Jury war, hatte sich mit allem Nachdruck für ihn<br />

eingesetzt und auch die einmütige Unterstützung der übrigen Mitglieder des<br />

Komitees gefunden. Doch hatte es die Universal Edition versäumt, seine Bewerbung<br />

und Kompositionen rechtzeitig einzureichen, und die Satzungen erlaubten<br />

keine Ausnahme <strong>von</strong> dieser rein technischen Voraussetzung.<br />

Diese ungute Erfahrung, die dadurch noch enttäuschender wurde, daß er des<br />

damit verbundenen Geldbetrages verlustig ging, findet nicht einmal im Tagebuch<br />

Erwähnung, während die Schilderungen seiner sommerlichen Bergtouren in diesem<br />

Jahr viele Seiten füllen. Am 27. Juni nahm '<strong>Webern</strong> Hildegard und <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>,<br />

denen er unbedingt die Alpenflora in den hohen Regionen zeigen wollte, mit auf die<br />

Rax, wobei sie den Aufstieg mit der Drahtseilbahn machten. <strong>Webern</strong> fand die Fahrt<br />

„nicht sehr besonders“, doch er hatte seine Freude daran, die Freunde bei einer<br />

Wanderung über das Hochplateau führen zu können. Arn 16. und 17. Juli<br />

überquerte er die Schneealpe mit Wilhelmine und Christine, nachdem die Nacht wie<br />

gewöhnlich in der Kamplhütte verbracht worden war. Zwei Tage später fuhren<br />

<strong>Webern</strong> und Zenk zum Hohen Dachstein (2996 rn). Sie begannen den Aufstieg <strong>von</strong><br />

der Schladminger Seite, schliefen die erste Nacht in der Austriahütte und die zweite<br />

in der Südwandhütte (der letzten Unterkunft an der Baumgrenze unterhalb der<br />

Steilwände des hoch aufragenden Gipfels). „Aufenthalt auf den Hütten wunderbar!<br />

Viele Alpenrosen. Lärchenwald. Wunderbare Atmosphäre. Am Montag schöne<br />

Fernsicht auf die Hohen Tauern; Wiesbachhorn besonders rein“, schrieb <strong>Webern</strong><br />

ins Tagebuch. Die Besteigung des Gipfels wurde arn Dienstag, 22. Juli, unternommen.<br />

Obwohl Regen und Nebel den Aufstieg behinderten, war <strong>Webern</strong> Erfolg<br />

beschieden: „Endlich wirklich arn Gipfel gewesen nach drei vergeblichen Anmärschen“3,<br />

hielt er triumphierend fest. Eine Woche später, am 29. Juli, beschrieb er,<br />

314


noch immer in heller Begeisterung, den <strong>Humplik</strong>s seine Eindrücke: „Ganz<br />

merkwürdig, das diffuse Licht am Gletscher (durch den bedeckten Himmel und den<br />

Nebel): in einer Entfernung <strong>von</strong> wenigen Schritten verschmolzen Schnee und Nebel<br />

vollständig in eine völlig gleiche Schicht. Man konnte gar nicht wahrnehmen, ob’s<br />

aufwärts oder abwärts geht. Das war die günstigste Gelegenheit zur Schneerblindung.<br />

Aber wunderbar, man schwebte gleichsam im Raum. Und auf den Almen der<br />

Südseite! Dieser Gegensatz: die üppigste Flora! Nichts als Alpenrosen in der<br />

schönsten Blüte! Und tiefer der herrlichste Lärchenbestand! Ungeheure Bäume in<br />

den absonderlichsten Formen; mit riesigen Ästen. Das hätte Ihnen gefallen.“<br />

Die Freiheit, die <strong>Webern</strong> auf den Bergeshöhen genoß und die mit aufreibenden<br />

nächtlichen Bahnfahrten erkauft werden mußte, hatte nur drei Tage gewährt.<br />

Rückblickend auf das erhebende Erlebnis schrieb er im Tagebuch: „Bedeutende<br />

Erholung“ . Nach der Dachstein-Besteigung erwarteten <strong>Webern</strong> nur noch zwei<br />

kurze Ausflüge, bevor die Saison wieder begann: mit seiner Tochter Maria erklomm<br />

er die Schneealpe am 2. und 3. September, und am 8. September wanderte er mit<br />

seiner Familie den Anninger hinauf, ein bewaldeter Hügel oberhalb <strong>von</strong> Mödling<br />

und ein beliebtes Ausflugsziel.4 Daß dieser bescheidene Spaziergang einer<br />

Tagebucheintragung gewürdigt wurde, zeigt, daß er als ein besonderes Erlebnis in<br />

einer Ferienzeit gewertet wurde, die hauptsächlich der schöpferischen Arbeit<br />

gewidmet war (<strong>Webern</strong>s vernehmlichstes Anliegen war die Vollendung seines<br />

Quartetts op. 22).<br />

Diesen Sommer verbrachte Schönberg in Lugano mit der Komposition <strong>von</strong> Moses<br />

und Aron. Ab Juli entspann sich eine ausgedehnte Korrespondenz zwischen den<br />

beiden Freunden über ein besonders heikles Thema: <strong>Webern</strong> in seiner Eigenschaft<br />

als Programmberater der Ravag hatte vorgeschlagen, Schönberg einzuladen, ein<br />

Studiokonzert mit eigenen Werken zu dirigieren. Obwohl der Plan im Prinzip positiv<br />

entschieden war, erwiesen sich Schönbergs hohe Honorarforderungen <strong>von</strong><br />

Schillingen als ernsthaftes Hindernis; darüber hinaus verlangte er 500 Schillir<br />

Reisespesen. <strong>Webern</strong>, der die Vermittlerrolle übernommen hatte, fand siel<br />

bald im Widerspruch zur Sendeleitung. Natürlich ergriff er Schönbergs I<br />

obgleich das Management darauf hinwies, daß sogar Felix Weingartner n«<br />

Schillinge erhalten habe, die höchste Gage in der Geschichte der Ravag, und Franz<br />

Schreker 600 Schillinge. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, und die<br />

Angelegenheit hing Anfang September noch immer in der Schwebe. Von Schönberg<br />

zu einer Entscheidung gedrängt, schrieb ihm <strong>Webern</strong> voller Verzweiflung am<br />

5. September: „Mit was für Menschen habe ich mich da eingelassen! ... Nun hoffe<br />

ich nur, daß es Dir noch möglich ist, ein paar Tage zu warten u. daß, was die<br />

Ravag betrifft, nur diese verfluchte österreichische Art an der Verschleppung<br />

Schuld ist.“<br />

<strong>Webern</strong>s Dilemma wurde durch die Tatsache verschärft, daß sein eigener Vertrag<br />

mit der Ravag am 15. September auslief. Er spielte auf seine Schwierigkeiten in<br />

einem Brief an die <strong>Humplik</strong>s vom 27. September an: „Ich hatte in den letzten<br />

Wochen beruflich so Grauenhaftes mitzumachen, wie vielleicht noch nie! Es ist gar<br />

nicht zu sagen, liebe Freunde. Und ich will Sie auch gar nicht mit Details quälen ...<br />

315


Es wird immer ärger auf der Welt, vor allem auf dem Gebiete der Künste. Und<br />

unsere Aufgabe wird immer größer und größer.“ <strong>Webern</strong>s Sorge um seine eigene<br />

Position war nur zu wohlbegründet: sein Vertrag mit der Ravag wurde nur um einen<br />

Monat verlängert, und dann wurden die monatlichen Zahlungen <strong>von</strong> 500 Schillingen<br />

eingestellt. Immerhin übertrug die Ravag <strong>Webern</strong> noch gelegentliche Dirigieraufgaben<br />

bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, und bis in sein letztes Lebensjahr<br />

führte er seinen regelmäßigen „Abhördienst“ fort, der aus der kritischen Beurteilung<br />

<strong>von</strong> Live-Sendungen klassischer Musik bestand und den er zu Hause<br />

vornehmen konnte. Wie er Schönberg am 2. April 1931 bekannte, fand er diese<br />

Beschäftigung „sehr qualvoll“ .<br />

Dank <strong>Webern</strong>s Bemühungen konnte schließlich doch noch eine Einigung mit<br />

Schönberg erzielt werden. Dem Konzert am 17. Oktober ging ein Vortrag <strong>von</strong> Paul<br />

Stefan, „Arnold Schönberg und sein Werk“ voraus. Das <strong>von</strong> den Wiener<br />

Philharmonikern gespielte Programm setzte sich aus Frühwerken Schönbergs<br />

zusammen: Verklärte Nacht op. 4, den Orchesterliedern op. 8 (mit <strong>Anton</strong> Maria<br />

Topitz als Solist) und der Kammersymphonie op. 9. Schönbergs Anwesenheit in<br />

Wien bot die seit seinem Weggang nach Berlin so selten gewordene Gelegenheit zu<br />

einer Wiedervereinigung der alten Bruderschaft. „Wie schön war es für mich, Dich<br />

endlich wieder einmal ausgiebiger sprechen zu können“, schrieb <strong>Webern</strong> dem<br />

Freund am 12. November. Während Schönbergs Aufenthalt besuchte er mit ihm<br />

zusammen am 20. Oktober Adolf Loos in Baden, den sie schwer erkrankt<br />

vorfanden. Am gleichen Abend suchten sie kurz Karl Kraus in seiner Wohnung auf.<br />

Beide Besuche sind in <strong>Webern</strong>s Tagebuch erwähnt.<br />

Der Architekt Adolf Loos war schon seit langem ein Kampfgenosse des<br />

Schönberg-Kreises gewesen, nachdem seine ästhetischen Überzeugungen denen<br />

Schönbergs aufs engste verwandt waren.5 Loos, eine wohlbekannte Erscheinung in<br />

den Konzertsälen und beredter Partisan der Musik der Avantgarde, war im<br />

Mittelpunkt der Skandale in Wien (1913) und Salzburg (1922) gestanden, als er wie<br />

ein Turm der wogenden Schlacht trotzte. Zu seinem 60. Geburtstag am 10.<br />

Dezember 1930 bereiteten seine Freunde als Zeichen ihrer Verbundenheit eine<br />

Festschrift vor6, zu der auch <strong>Webern</strong> einen Beitrag lieferte. Er zitierte Loos’<br />

ironische Bemerkung, „daß er sich zusammennehmen müsse, um einen Violinschlüssel<br />

<strong>von</strong> einem Hausschlüssel zu unterscheiden“ und spielte auf das Buch des<br />

Architekten, Ins Leere gesprochen, an: „Als er . . . sein Wort erhob [zur<br />

Verteidigung der Neuen Wiener Schule], war es ebensowenig ins Leere gesprochen<br />

wie alle seine Lehre.“ Die Widmung seines Quartetts op. 22 war <strong>Webern</strong>s<br />

Geburtstagsgabe für den verehrten Freund.<br />

Im Oktober hielt <strong>Webern</strong> zwei Vorträge im Internationalen Pianistenseminar.<br />

Der Begründer und Leiter dieser Organisation war Paul Emerich, mit dem <strong>Webern</strong><br />

in den Tagen des Schönbergschen Vereins Einstudierungen vorgenommen hatte. In<br />

der Folgezeit trat er mehrfach als Solist in Rundfunkkonzerten <strong>Webern</strong>s auf, wo er<br />

u. a. Regers Klavierkonzert f-Moll und Webers Konzertstück spielte. Zu den<br />

Mitarbeitern des Seminars gehörten viele namhafte Pianisten wie Claudio Arrau,<br />

Erwin Schulhoff und Eduard Steuermann. Sein Sitz war in Wien mit Zweigstellen in<br />

316


mehreren Hauptstädten. <strong>Webern</strong>s Name findet sich im Prospekt des Seminars, doch<br />

scheint seine aktive Mitwirkung auf die beiden Vorlesungen im Oktober beschränkt<br />

gewesen zu sein, da auch sein Kontobuch lediglich das Honorar <strong>von</strong> 90 Schillingen<br />

aufweist, das er hierfür bekam.<br />

<strong>Webern</strong>s Dirigiertätigkeit im Herbst 1930 war auf einen kurzen Zeitraum<br />

zusammengedrängt. Am 10. November leitete er ein Rundfunkkonzert mit<br />

Beethovens Ouvertüre Die Weihe des Hauses, Mozarts Konzert für Flöte und Harfe<br />

KV 229 und Beethovens Eroica. Am 28. November wirkte der Singverein bei einer<br />

Veranstaltung im Wiener Bezirk Hietzing mit, bei der er u. a. Werke <strong>von</strong> Brahms<br />

und Schönberg sang. Der Chor beteiligte sich auch am 13. Dezember an der<br />

„Renner-Feier“, einer großen Kundgebung, die im Konzerthaus abgehalten<br />

wurde.7 Die Beiträge des Singvereins waren die Chöre aus Beethovens Die Weihe<br />

des Hauses und eine Chorfassung <strong>von</strong> Johann Strauß’ A n der schönen blauen Donau.<br />

Die Gagen, die <strong>Webern</strong> für derartige Gelegenheitsauftritte erhielt (50 Schillinge für<br />

das Konzert in Hietzing und 200 Schillinge für die „Renner-Feier“), waren eine<br />

willkommene Bereicherung seiner bescheidenen Einkünfte.<br />

Am Sonntag, 14. Dezember, dem Tag nach der „Renner-Feier“, dirigierte<br />

<strong>Webern</strong> Gustav Mahlers Sechste Symphonie in einem Arbeitersymphoniekonzert<br />

im Großen Musikvereinssaal. Das Programm eröffnete eine Aufführung <strong>von</strong> drei<br />

A-cappella-Chören <strong>von</strong> Hanns Eisler durch den Singverein. Der erste, Gesang der<br />

Besiegten, war eine Uraufführung; die anderen —Naturbetrachtung und A u f den<br />

Straßen zu singen* - hatte der Chor bereits im Vorjahr gesungen. <strong>Webern</strong>s Tagebuch<br />

zufolge, standen ihm nur zwei Orchesterproben für die Symphonie zur Verfügung,<br />

doch tat dies der Gründlichkeit der Vorbereitung keinen Abbruch. „Ich bin jetzt<br />

ganz vergraben im Studium der VI. Mahler ... Diesen Riesenkomplex mit allen<br />

Einzelheiten im Kopfe zu behalten, ist schon keine Kleinigkeit“, schrieb er<br />

Schönberg am 5. Dezember, mit dem er das Werk oft in einer vierhändigen<br />

Bearbeitung gespielt hatte. Er lud <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> ein, den Proben beizuwohnen und<br />

vertraute ihm am 10. Dezember an: „Was in mir vorgeht in Erwartung dieser<br />

ungeheuren Aufgabe, ist wohl nicht zu sagen.“<br />

„<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“, ein umfangreicher Artikel <strong>von</strong> Willi Reich, trug viel dazu<br />

bei, <strong>Webern</strong>s internationalen Ruf in diesem Jahr zu mehren. Er erschien im August-<br />

Heft der angesehenen deutschen Zeitschrift Die M usik sowie in der holländischen<br />

Zeitschrift De Muziek. Der Herausgeber der letzteren, Paul F. Sanders, hatte<br />

<strong>Webern</strong> um einen Beitrag für eine Sondernummer gebeten, die aus Anlaß der<br />

holländischen Erstaufführung <strong>von</strong> Bergs Wozzeck in Amsterdam (7. und 8.<br />

Oktober)9 aufgelegt werden sollte. <strong>Webern</strong> lehnte zwar mit der Begründung ab, daß<br />

er sich nicht zum Schreiben befähigt fühle, sein Brief stellte aber eine so beredte<br />

Würdigung Bergs dar, daß ihn Sanders in diesem Heft im Faksimile reproduzierte.<br />

Der Schluß des Briefes lautet: „Ich kann nur stammeln, daß mich der Wozzeck<br />

immer mehr erschüttert und daß ich zwar nicht glaube, wohl aber mit absoluter<br />

Bestimmtheit weiß, daß dieses Werk und alle anderen Bergs, entsprungen der<br />

heiligsten Inspiration, für alle Ewigkeit Geltung haben werden.“<br />

Während Berg in Holland gefeiert wurde, erhielt <strong>Webern</strong> aus Amerika die<br />

317


Oktober-Ausgabe <strong>von</strong> New Music, die den Erstdruck seines Liedes Liebste Jungfrau<br />

op. 17, Nr. 2 unter dem Titel Geistlicher Volkstext enthielt. Die Sonata for Flute and<br />

Viola <strong>von</strong> Adolph Weiss und ein Stück mit der Bezeichnung 36 <strong>von</strong> Carlos Chavez<br />

folgten auf <strong>Webern</strong>s Komposition in diesem Heft.10 Adolph Weiss war damals einer<br />

der Männer, die dem Pulsschlag der musikalischen Szene in den Vereinigten Staaten<br />

aus nächster Nähe folgten. Selbst Schönberg-Schüler, war er unter den ersten, wenn<br />

nicht der erste, der das Zwölftonsystem in Amerika anwendete. Während seines<br />

Studiums in Europa hatte Weiss <strong>Webern</strong> kennengelernt, dessen Wirken als<br />

Komponist und Dirigent ihn mit Bewunderung erfüllte. Nach seiner Rückkehr nach<br />

Amerika begann er, sich aktiv für seine europäischen Freunde einzusetzen. Kurz vor<br />

Weihnachten verursachte eine überraschende Nachricht <strong>von</strong> Weiss keine geringe<br />

Aufregung im <strong>Webern</strong>schen Heim. Im Tagebuch steht: „Montag, d. 22. Dez.<br />

Anfrage aus Amerika (Adolph Weiss), ob ich auf 3 Monate als Dirigent eines neu<br />

gegründeten Orchesters in New York kommen möchte. Im bejahenden Sinne<br />

beantwortet. Die Frage nach meiner Honorarforderung offen gelassen.“<br />

<strong>Webern</strong>s Freude war groß. Zutiefst <strong>von</strong> seinen Qualitäten überzeugt, litt er unter<br />

der mangelnden Anerkennung in seiner Vaterstadt. Obwohl seine Fähigkeiten als<br />

Dirigent allgemein gewürdigt wurden, war er noch kein einziges Mal aufgefordert<br />

worden, die Wiener Philharmoniker zu leiten oder an einer offiziellen Veranstaltung<br />

der Musikakademie, der Universität oder einer der anderen repräsentativen<br />

Institutionen teilzunehmen. Das Orchester, das er bei den Arbeitersymphoniekonzerten<br />

dirigierte, wurde für jede Veranstaltung unter der Ägide der Sozialdemokratischen<br />

Partei gemietet, und diese politische Assoziation bedeutete ein gewisses<br />

Stigma bei den oberen Schichten der Gesellschaft. Bei seiner materiellen Abhängigkeit<br />

fühlte sich <strong>Webern</strong> oftmals durch einflußreiche Funktionäre erniedrigt. Stolz<br />

und sensibel, wie er war, ließ er sich oft zu Zorn oder Niedergeschlagenheit<br />

hinreißen. Obwohl er stets höflich und taktvoll war, war er alles andere als ein<br />

Diplomat, und sein im Grunde unabhängiges Denken bewog ihn, sich aus allen<br />

politischen Machenschaften lierauszuhalten. Er fühlte sich in seiner eigenen Stadt<br />

unterdrückt, in der kleinliche Rivalitäten und Intrigen an der 'Tagesordnung waren,<br />

und so heftete er alle seine Hoffnungen auf jegliche Ermunterung, die <strong>von</strong> draußen<br />

kam. Einladungen, in der Schweiz, in Deutschland und in England zu dirigieren,<br />

hatten seinen Glauben daran bestärkt, daß er überall Karriere machen könne, nur<br />

nicht zu Hause.<br />

Am 26. Dezember gab <strong>Webern</strong> Adolph Weiss seine grundsätzliche Zusage, nach<br />

New York zu kommen: „Glauben Sie mir, es sind nicht bloß Erwägungen<br />

materieller Art, die mich hinüberlocken, sondern vor allem die Ploffnung, drüben<br />

eine wahrhaft befriedigende Tätigkeit finden zu können, u. der Glaube, daß das, was<br />

mir vorschwebt, heute vielleicht einzig noch in Amerika möglich ist.“11 Nach einer<br />

Reihe <strong>von</strong> Fragen über das Orchester und die Aufgaben, die seiner harrten, äußerte<br />

<strong>Webern</strong> seine Bedenken: „Erst wenn ich das Alles weiß, kann ich ihre Frage nach<br />

meiner Honorarforderung beantworten. Wohl bin ich weit da<strong>von</strong> entfernt, an eine<br />

,Star‘~Gage zu denken - das würde ich niemals thun wollen - aber ich muß mir<br />

unbedingt etwas ersparen können; und zwar deswegen, weil ich ja Gefahr laufe,<br />

318


durch längere Abwesenheit hier Etliches für immer zu verlieren. Also muß ich<br />

gedeckt sein, muß mich Vorsorgen können.“<br />

Abgesehen <strong>von</strong> diesen Vorbehalten, klang <strong>Webern</strong>s Brief durchaus positiv. Die<br />

Amerikaner, die er persönlich kannte, hatten ihm Sympathie für ihr Land<br />

eingeflößt, und die Beachtung, die seine Musik jenseits des Atlantiks fand, nährte<br />

natürlich seinen Enthusiasmus für das sprichwörtliche „Land der unbegrenzten<br />

Möglichkeiten“ . <strong>Webern</strong>s Vertrauen auf Amerika und sein Glaube, daß vielleicht<br />

nur die Neue Welt für seine Ideen und Ziele einen fruchtbaren Nährboden abgeben<br />

könne, klingt geradezu prophetisch angesichts dessen, was durch amerikanische<br />

Initiative bei der Verbreitung seines Werkes nach seinem Tod bewerkstelligt<br />

worden ist (siehe Epilog).<br />

In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, daß <strong>Webern</strong> in seiner Bibliothek<br />

zwei Bücher amerikanischer Autoren stehen hatte, deren Denken seinem eigenen<br />

eng verwandt war. Waiden <strong>von</strong> Henry David Thoreau und Society and Solitude <strong>von</strong><br />

Ralph Waldo Emerson. Sicherlich konnte er sich mit Thoreau identifizieren: „Ich<br />

ging in die Wälder, weil ich bewußt leben wollte, mich nur den wichtigen Dingen des<br />

Daseins stellen und sehen wollte, ob ich so begreifen könnte, was es zu lehren hatte,<br />

um nicht angesichts des Todes entdecken zu müssen, daß ich nie gelebt habe.“ Es<br />

war Alban Berg, der <strong>Webern</strong> auf diesen Autor aufmerksam gemacht hatte. Am 26.<br />

April 1925 schrieb <strong>Webern</strong> an Berg, daß er in diesen Tagen Thoreau’s Waiden lese<br />

und er sei „begeistert und erquickt“ . Er fügte hinzu: „Das dank ich Dir, Tausend<br />

Mal!!!“<br />

Man kann lediglich Vermutungen darüber anstellen, wie sich <strong>Webern</strong>s Zukunft<br />

gestaltet hätte, wenn die Hoffnungen auf Amerika in Erfüllung gegangen wären. Die<br />

Anfrage durch Weiss, auf Anregung <strong>von</strong> Henry Cowell erfolgt, war völlig<br />

unverbindlich, denn das infrage kommende Orchester war noch im Stadium der<br />

Planung und wurde niemals zusammengestellt. Jedenfalls wurden die letzten Tage<br />

des Jahres 19.30 durch große 'Erwartungen aufgehellt. Den Heiligen Abend feierten<br />

<strong>Webern</strong>s ältere Schwester Maria und ihr Mann Paul Clementschitsch, die für eine<br />

Woche in Mödling zu Besuch weilten, gemeinsam mit der Familie. Maria und<br />

<strong>Webern</strong>s jüngere Schwester Rosa lebten noch immer in Klagenflirt. Trotzdem die<br />

beiden Städte nicht allzu weit <strong>von</strong>einander entfernt sind, sahen sich <strong>Webern</strong> und<br />

seine Schwestern nur selten. <strong>Webern</strong> schrieb ihnen gewissenhaft zu Festtagen und<br />

anderen wichtigen Anlässen, aber seine Briefe lassen nicht auf eine wirklich nahe<br />

Bindung schließen.<br />

Umso stärker ausgeprägt war die liebevolle Zuneigung, die <strong>Webern</strong> seinen vier<br />

Kindern gegenüber hegte. Obwohl er seine Zuwendung gleichmäßig auf sie alle<br />

verteilte, war Amalie, die Erstgeborene, sein Liebling. Sie war die einzige, die das<br />

Gymnasium absolvierte und auf die Universität ging. Mit väterlichem Stolz<br />

verzeichnete <strong>Webern</strong> in seinem Tagebuch ihre Leistungen im Abitur, das sie „mit<br />

glänzendem Erfolg“ bestand. Er vermerkte jede Note ihres Abgangszeugnissesund<br />

unterstrich die besten. Jede Feier, mit der die Abiturienten das Ende ihrer Schulzeit<br />

begingen, wurde festgehalten. Die verschiedenen Stationen ihrer Klassenreise nach<br />

Holland wurden aufgezählt, als ob er diese Fahrt selbst unternommen hätte. Da<br />

319


<strong>Webern</strong>s Briefe an Schönberg auch immer Familiennachrichten enthielten, berichtete<br />

er am 1. Juli 1930: „Mali wird sich (auf der Universität; Nebenfach Englisch)<br />

zur Turn u. Sportlehrerin ausbilden. (4 Jahre: Turnen, Skifahren, Tennis, Eisläufen,<br />

Bergsport, Schwimmen u. s. w.; also alles das, was so das ,Ideal“ihres Vaters seit je<br />

ausmacht.)“ Dieser Traum zerstob sehr bald; <strong>Webern</strong> mußte in seinem Tagebuch<br />

verzeichnen, daß Mali „nicht aufgenommen“ wurde. „Gründe wurden nicht<br />

genannt.“ Schönberg gegenüber vermutete er am 12. November: „ ... doch war der<br />

Hauptgrund wohl: daß sie keine Zöpfe trägt u. keine Schwesternschuhe und<br />

ähnliches mehr.“ 12 Amalie war mit ihren 19 Jahren sehr attraktiv, temperamentvoll<br />

und lebenslustig. <strong>Webern</strong> bereitete es größtes Vergnügen, in ihrer Begleitung bei<br />

Konzerten gesehen zu werden. Er strahlte vor Freude, als sie einmal für seine Frau<br />

gehalten und mit Frau Doktor angesprochen wurde.<br />

<strong>Webern</strong> konnte bei seinem bis zum Extrem gehenden Ordnungssinn in<br />

Einzelheiten seines häuslichen Daseins recht pedantisch sein; das reichte <strong>von</strong> der<br />

Stellung der Möbel bis hin zur Anordnung <strong>von</strong> Haushaltsgegenständen wie<br />

Brotkorb oder Wasserkanne. Sein Arbeitszimmer war das Allerheiligste in der<br />

Wohnung. Es befand sich am Ende des Gangs, um ihm möglichst viel Ruhe zu<br />

gewährleisten. Außer seiner Frau war nur Mali der Zutritt erlaubt, da sie als<br />

hinreichend zuverlässig galt, die Vorstellungen ihres Vaters <strong>von</strong> peinlichster<br />

Ordnung nicht zu stören. Sie weiß zu berichten, daß die Bleistifte auf seinem<br />

Schreibtisch nach Länge und Farbe geordnet in Reih und Glied lagen, und beim<br />

Anspitzen mußte sie sie sorgfältig wieder an ihren Platz legen. <strong>Webern</strong>s Schreibtisch<br />

war übrigens unpoliert. Er liebte die Dinge in ihrer natürlichen Form und erfreute<br />

sich an der ursprünglichen Maserung des Holzes.<br />

<strong>Webern</strong>s zweite Tochter Maria, zwei Jahre jünger als Amalie, glich in ihrer<br />

Erscheinung ihrem Vater und im Temperament ihrer Mutter. Wie Wilhelmine, war<br />

auch sie sehr still und zurückhaltend. Obwohl sie sehr intelligent war, verzichtete sie<br />

auf eine akademische Laufbahn und wählte den Beruf einer Kindergärtnerin, wobei<br />

sie sich auf Gymnastik spezialisierte. Sie liebte Abenteuersport, befuhr im Faltboot<br />

die reißenden Stromschnellen <strong>von</strong> Alpenflüssen und bezwang Berge wie den<br />

Dachstein oder den Großglockner auf schwierigen Routen. Obwohl Vater und<br />

Tochter die Liebe zu den Bergen teilten, bestiegen sie nie zusammen einen höheren<br />

Gipfel.<br />

<strong>Webern</strong>s Sohn Peter, der um diese Zeit (1930) 15 Jahre alt war, besaß die<br />

Gesichtszüge seiner Mutter. Er war oft krank und gab seinen Eltern ständig Anlaß<br />

zur Sorge, wie aus <strong>Webern</strong>s zahlreichen und in alle Einzelheiten gehenden<br />

Tagebuchaufzeichnungen hervorgeht. Nach seiner Blinddarmoperation im Jahre<br />

<strong>1928</strong> war Peter auch im folgenden Jahr mehrere Monate krank und verlor damit ein<br />

ganzes Jahr in der Schule. Es gab Röntgenaufnahmen und Injektionen, und<br />

schließlich wurde ein leichter Herzfehler diagnostiziert. In einer weiteren langen<br />

Tagebucheintragung Ende 1930 beschrieb <strong>Webern</strong> die anhaltenden Gesundheitsstörungen<br />

seines Sohnes. Auf eine Mandeloperation folgten Fieberanfälle, Rückfälle<br />

und mehr Injektionen. Der Bericht schließt: „Seit den Feiertagen ist er wieder<br />

ganz wohl. Doch große Vorsicht ist weiterhin geboten.“ Obschon <strong>Webern</strong> ein<br />

320


nachsichtiger, ja sogar zärtlicher Vater gewesen sein muß, war er es, und nicht so<br />

sehr die Mutter, der unter den Kindern die Disziplin aufrechterhielt. Darin konnte<br />

er durchaus rigoros sein. So ließ <strong>Webern</strong> seinen Sohn, um seine schlottrige Haltung<br />

zu korrigieren, bei den sonntäglichen Spaziergängen einen Stock quer über den<br />

Rücken tragen. Körperliche Züchtigungen gab es nicht selten, solange die Kinder<br />

klein waren. Amalie erinnert sich, daß sie als die Mutwilligste da<strong>von</strong> die<br />

Hauptportion abbekam. Als Peter heranwuchs, gab es heftige Auseinandersetzungen<br />

zwischen Vater und Sohn, weil der Junge keinerlei Neigung zu einem Beruf<br />

zeigen wollte. Durch seine vielen, langen Abwesenheiten <strong>von</strong> der Schule benachteiligt,<br />

gelangte er nicht über die 4. Gymnasialklasse hinaus und mußte sich schließlich<br />

als kleiner Angestellter seinen Lebensunterhalt verdienen.<br />

Christine, die Jüngste, war Weihnachten 1930 erst 11 Jahre alt. Wie Amalie, war<br />

auch sie ein sehr attraktives Mädchen (<strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> schuf 1932 eine Porträtbüste<br />

<strong>von</strong> ihr). Das Familienleben war den übereinstimmenden Berichten der Kinder<br />

zufolge intim und idyllisch. So ziemlich jeder Sonntag war Ausflügen mit Picknick in<br />

den benachbarten Wäldern gewidmet. <strong>Webern</strong> war ein vorbildlicher Vater. So sang<br />

er die Kinder, als sie noch klein waren, mit Wiegenliedern in den Schlaf, und viele<br />

Jahre lang las er ihnen vor dem Schlafengehen Geschichten vor. Er machte Späße<br />

mit ihnen und ergötzte sie mit Nachahmungen einer Dorfkapelle, wobei er Trommel<br />

und Trompete imitierte. Im Gegensatz zur Fröhlichkeit und Lebhaftigkeit ihres<br />

Mannes war Wilhelmine ernst und in sich gekehrt. Obwohl sie nur selten<br />

irgendwelche Anzeichen <strong>von</strong> Zärtlichkeit zu erkennen gab (Amalie kann sich nicht<br />

erinnern, jemals <strong>von</strong> ihrer Mutter geküßt worden zu sein), war ihre Hingabe an<br />

Mann und Kinder ohne Grenzen und <strong>von</strong> wahrer Selbstaufopferung.<br />

Während ihrer Kindheit und Jugend hatten die Mädchen Klavier- und Tanzstunden<br />

(Amalie erinnert sich noch an ihre „sehr strenge Klavierlehrerin, die uns bei<br />

jedem falschen Ton auf die Finger klopfte“). Die Violine wurde Peter zugeteilt,<br />

<strong>Webern</strong>, dem Lärm überhaupt und unmusikalische Töne ein Greuel waren (Amalie<br />

zufolge: „Jede falsche Note machte ihn rasend“), hatte keine Geduld, seine eigenen<br />

Kinder zu unterrichten, und sie durften auch nicht üben, wenn er komponierte.<br />

Geübt werden mußte zu genau festgelegten Stunden. Keines der Kinder brachte es<br />

in der Musik auch nur zu einem gewissen Grad <strong>von</strong> Fertigkeit und, wie sie selbst<br />

zugaben, ihr Streben, die Kompositionen ihres Vaters zu verstehen, setzte erst lange<br />

nach seinem Tod ein. Doch waren sie stolz darauf, bei den Konzerten in der Ersten<br />

Künstlerloge zu sitzen, „aufgereiht wie Orgelpfeifen“ (wie Amalie erzählt), und das<br />

Getriebe und den Beifall mitzuerleben, deren Mittelpunkt ihr Vater war. Bei<br />

derartigen Anlässen konnten sie ein wenig <strong>von</strong> dem erahnen, was ihres Vaters<br />

wirklicher Lebensbereich war, und er erschien ihren staunenden Augen wie ein<br />

leibhaftiger Flerrscher.<br />

Immer wieder hielt es <strong>Webern</strong> eines besonderen Vermerks in seinem Tagebuch<br />

für angebracht, wenn eines der Kinder die traditionelle Messe zum Schuljahrsbeginn<br />

besuchte. Gleicherweise verzeichnete er auch die Daten ihrer Konfirmation und<br />

Einzelheiten der sich anschließenden Familienfeiern. Diese sich ständig wiederholenden<br />

Aufzeichnungen könnten zu der Annahme führen, daß <strong>Webern</strong> ein gläubiger<br />

321


Katholik war. Dasselbe gilt auch <strong>von</strong> den Votivbildern, die zwischen die .Seiten<br />

seiner Bücher eingelegt waren, und ganz besonders <strong>von</strong> seiner Vorliebe für<br />

Liedertexte, in denen christlicher Glaube zum Ausdruck kam. Doch stand bei<br />

<strong>Webern</strong> Religion über dem Dogma. Er weigerte sich, die Autorität des Klerus<br />

anzuerkennen, und sprach dem Priester das Recht ab, als Vermittler zwischen Gott<br />

und Mensch aufzutreten. Die Ansichten seiner Frau waren hierzu noch stärker<br />

ausgeprägt. Folglich lehnten sie beide die Beichte ab. Das wurde <strong>von</strong> Amalie<br />

bestätigt, die sich nicht daran erinnern konnte, daß ihre Eltern jemals die Hl.<br />

Kommunion empfingen. Sie gingen wohl zur Kirche bei besonderen Anlässen wie<br />

der Ersten Kommunion und Hochzeiten der Kinder oder der Taufe <strong>von</strong> Enkelkindern.<br />

Die Familie besuchte aber niemals gemeinsam Gottesdienste an Feiertagen<br />

wie Weihnachten oder Ostern. Andererseits weiß man, daß <strong>Webern</strong> eine Kirche<br />

oder am Wege liegende Kapelle betrat, um still für sich zu beten. Seine Ergebenheit<br />

in eine höhere Macht fand ihren Ausdruck in seiner Gewohnheit, das Zeichen des<br />

Kreuzes zu machen, wenn sich die Familie zu den Mahlzeiten an den Tisch setzte.<br />

Diese Geste zumindest symbolisierte eine tiefe Gläubigkeit. In einem Brief an<br />

Ludwig Zenk, den er Weihnachten 1930 schrieb, verlieh <strong>Webern</strong> diesem seinem<br />

höchsten Glauben an die Vorsehung Ausdruck. Zenk und seine Frau Maria hatten<br />

soeben ihr erstes Kind bei der Geburt verloren. Indem er dem jungen Freund das<br />

„brüderliche ,Du“ ‘ anbot, versuchte er ihn mit den Worten aufzurichten: „Sei<br />

getröstet! In allem Geschehen liegt ein Tiefstes verborgen, das wir nicht enträtseln<br />

können, das wir nicht wissen sollen, an das wir aber glauben müssen u, an das wir uns<br />

halten können! Ich habe es schon erfahren. “<br />

322


7,1. 1 hi tJjjp/m ypid Pjfiansjei lui^ei) ( l 1) >1)<br />

Obwohl sich die Aussichten auf eine Berufung nach Amerika, die sich zur<br />

Weihnachtszeit eingestellt hatten, rasch wieder verflüchtigten, sollte 1931 ein<br />

Spitzenjahr für <strong>Webern</strong> werden. Am 4. Januar dirigierte er ein Konzert am<br />

Rundfunk mit Mozarts Symphonie F-Dur KV 43, d’Alberts Cellokonzert, Schumanns<br />

Manfred-Ouvertüre und Beethovens Pastorale. Das Programm einer<br />

weiteren Sendung am 29. März enthielt Mozarts Symphonie D-Dur KV 81 sowie<br />

sein Klavierkonzert G-Dur KV 453, gefolgt <strong>von</strong> Mahlers Kindertotenliedern (Solist<br />

<strong>Josef</strong> Hueber) und Schumanns Zweiter Symphonie. Für die letztere benützte<br />

<strong>Webern</strong> Mahlers „Retouchen“, wie er sie nannte.<br />

Im Mittelpunkt der Arbeit mit dem Singverein während der ersten Monate des<br />

Jahres stand das Studium des Deutschen Requiems <strong>von</strong> Brahms. Die schon seit<br />

langem geplante Aufführung war jetzt für das letzte Arbeitersymphoniekonzert der<br />

Saison vorgesehen. <strong>Webern</strong> ging an diese Aufgabe mit besonderem Engagement<br />

heran und widmete ihr ab Mitte Januar zwei Proben pro Woche. Zur Verstärkung<br />

seiner Sänger lud er auch <strong>Josef</strong> Polnauer, der eine kraftvolle Tenorstimme besaß,<br />

ein, bei der Aufführung mitzuwirken. Polnauer, ein großer Musikenthusiast, nahm<br />

oft an den Chorproben teil und sprang gelegentlich sogar als Dirigent ein, wenn<br />

<strong>Webern</strong> auf Konzertreisen oder krank war.<br />

Hans Humpelstetter, ein Mitglied des Singvereins, erinnerte sich in späteren<br />

Jahren an eine Bemerkung, die <strong>Webern</strong> bei der Generalprobe am 11. April in<br />

seinem weichen Wiener Dialekt machte: „Da brauchert i hundert Proben, damit<br />

ali’s da is, was i rna da vorstell.“ In seinen Memoiren, die viele Jahre des Singens<br />

unter <strong>Webern</strong>s Taktstock umfassen, zitiert Humpelstetter noch ein weiteres Beispiel<br />

für <strong>Webern</strong>s Probeneinstellung. Für ihn waren sie Selbstzweck: „Muß es schließlich<br />

die Aufführung sein, auf die es ankommt? So in ein Werk hinein zu steigen, dazu sind<br />

die Proben da. Daß wir das dann wo vormachen, ist Nebensache. Anerkennung ist<br />

sekundär. So streben die Instrumentalisten nach vollkommener Virtuosität, das mag<br />

auch uns mehr liegen: unser Können immer mehr zu vervollkommnen.“ 1<br />

Die Aufführung des Deutschen Requiems, die vom Wiener Rundfunk übertragen<br />

wurde, fand am Sonntag, 12. April, im Großen Musikvereinssaal statt. Zwei Solisten<br />

<strong>von</strong> Rang verliehen der Aufführung besonderen Glanz: die Sopranistin Margaret<br />

Philipsky vom Magdeburger Stadttheater und der Bariton Carlo Haas <strong>von</strong> der<br />

Metropolitan Opera New York. Wie immer bei diesen Konzerten, war der Saal<br />

überfüllt, und die Aufführung trug den Mitwirkenden stürmische Ovationen ein.<br />

Die Presse feierte den Erfolg, dessen Löwenanteil <strong>Webern</strong> für sich verbuchen<br />

konnte. Seine dirigentische Leistung wurde im Wiener Tag (15. April 1931) der<br />

Furtwänglers verglichen. Der Kritiker dieser Zeitung, Alfred Rosenzweig, sprach<br />

323


die Aufforderung aus: „Es wäre hoch an der Zeit, daß endlich auch andere<br />

Konzertvereinigungen wie die Gesellschaft der Musikfreunde oder die Konzerthausgesellschaft<br />

sich daran erinnerten, daß <strong>Webern</strong> einer der wenigen Wiener<br />

Konzertdirigenten größten Formats ist, der wie kein anderer dazu berufen wäre, die<br />

große Tradition der Wiener Chorvereine zu erhalten und zu mehren und neben<br />

Heger und anderen Gastdirigenten die repräsentativen Chorkonzerte zu leiten.“<br />

Die Wiener Zeitung (17. April) rühmte <strong>Webern</strong>s „Inbrunst“ und Leistung mit<br />

gleichermaßen glühenden Worten: „Man weiß, wie besessen dieser Dirigent <strong>von</strong><br />

jeder Aufgabe ist.“ Der Rezensent der Allgemeinen Zeitung (15. April) sprach <strong>von</strong><br />

„viel Geistigkeit, viel echtes Künstlertum“ und stellte fest, daß „ungemein fleißige<br />

und sorgfältige Proben als zielbewußte Vorarbeit da künstlerisch Vollkommenes<br />

zustande gebracht“ haben.<br />

Schon am Abend nach der Aufführung des Requiems befand sich <strong>Webern</strong> wieder<br />

im Gebäude des Musikvereins, diesmal jedoch nicht, um ans Dirigentenpult im<br />

Großen Saal zu treten, sondern um sich unters Publikum im Kleinen Saal zu<br />

mischen. Er war zwar nur Zuhörer, stand aber trotzdem im Mittelpunkt des<br />

Geschehens, da das Konzert ausschließlich seinen eigenen Kompositionen gewidmet<br />

war. Das war die erste derartige Anerkennung, die ihm zuteil geworden ist. Das<br />

Programm dieses denkwürdigen Ereignisses wird gegenüberstehend wiedergegeben:<br />

<strong>Webern</strong>, der die Bedeutung des Ereignisses voll auskostete, nahm eine detaillierte<br />

Auflistung des Programms in seinem Tagebuch vor unter der Überschrift: „Abend<br />

mit Werken <strong>von</strong> mir“ . In Großbuchstaben trug er die „URAUFFÜHRUNG“ seines<br />

Quartetts op. 22 ein. Obwohl das Publikum zum großen Teil aus Freunden und<br />

Bekannten bestand, war die Aufnahme dennoch nicht ganz ohne Widerspruch. Die<br />

gleichen Kritiker, die ihn als Dirigenten am Abend zuvor mit Lob überhäuft hatten,<br />

lehnten jetzt den Komponisten einmütig ab. Die Allgemeine Zeitung (15. April)<br />

meinte, daß „für alles, was dieser fanatische Apostel der Musikatonalität schreibt,<br />

der Sekundenzeiger als Zeitmesser zu Hilfe gerufen werden“ müßte und daß „solche<br />

Schreckgebilde einer sich im Chaotischen verlierenden Musikmanie mit Musik fast<br />

nichts mehr zu schaffen“ hätten. Im Wiener Tag (15. April) äußerte sich Alfred<br />

Rosenzweig zwar gemäßigter, aber dennoch reserviert: „Eis sind [die Kompositionen]<br />

seltsame kristallinische Bildungen aus dem geheimsten und innersten<br />

Laboratorium der Zwölftonmusik, theoretische Formulierungen einer fanatisch<br />

ernsthaften Musikernatur, die keine anderen praktischen Zwecke befolgen als die<br />

Erkenntnisse eines neuen Weges experimentell zu erweitern. Wir haben wohl willige<br />

Ohren, können sie aber kaum hören.“ Dr. Friedrich Bayer aber war es, der mit der<br />

heftigsten Ablehnung auf wartete. Im Neuen Wiener Extrablatt (16. April) verlieh er<br />

seinem uneingeschränkten Abscheu vor der Musik <strong>Webern</strong>s Ausdruck: „Seine<br />

Stücke sind klangliche, geräuschartige Interjektionen außermusikalischer A r t. . .<br />

Den Höhepunkt erreichte der musikalische Exzess im Quartett für Klavier, Geige,<br />

Klarinette und Saxophon. Dieses Werk verstößt schon gegen den guten Ton, da die<br />

quiekenden, kläffenden und gurgelnden Klangfetzen der Klarinette und des<br />

Saxophons verblüffende Ähnlichkeit mit gewissen menschlichen Vitalitätsäußerun-<br />

324


K L E I N E R<br />

M U S I K V E R E I N S - S A A L<br />

Montag, den 13. April 1931<br />

abends halb 8 Uhr<br />

KOI IC>CH QUAK l l l !<br />

- Hlf/'Un STEUERMANN<br />

Mitwirkende: Aenne Michalski (Staaiscpon. Prof, Johann Löw iKIarinoilfn<br />

Leopold Wlacli


gen unfairer Art aufweisen. Es wäre interessant, zu erfahren, was <strong>Webern</strong> zu solcher<br />

Produktion angeregt hat und für welchen Zuhörerkreis er seine Werke zu schreiben<br />

gedenkt. Der natürlich empfindenden Zuhörerschaft wenigstens bedeutet diese<br />

Schaffensart Sünde wider den Geist der Tonkunst, die uns bis heute gottlob noch<br />

heilig geblieben ist.“ Sogar Paul Stefan, Partisan des Mahler-Schönberg-Lagers seit<br />

den frühesten Tagen, hegte Zweifel über den Kurs, den <strong>Webern</strong> in Opus 20 und 22<br />

steuerte. In Die Stunde (15. April) sprach er die Warnung aus: „Diese neuesten<br />

Formungen sind, ich gestehe es offen, so weit vorgedrungen, daß ich ihnen vorerst<br />

nicht folgen kann - sie scheinen nur noch schulgemäße Konstruktionen, und nur das<br />

Genie <strong>Webern</strong>s bürgt dafür, daß darin doch wohl mehr zu suchen sein wird. . . Eine<br />

Kunst für die Masse wird das wohl nie werden. Aber auch für den Künstler, für eine<br />

Gemeinschaft kann Absonderung Gefahr, kann Tragik werden.“<br />

<strong>Webern</strong> ließen solche negativen Urteile unbeirrt. Schon in den ersten Jahren<br />

seiner Gemeinschaft mit Schönberg hatte er gelernt, Angriffe der Presse über sich<br />

ergehen zu lassen, sie zu verachten. Mit einer gewissen Berechtigung sah er<br />

Musikkritiker als selbstherrliche Individuen an. Wie bei jedem wahren Künstler,<br />

stand bei ihm die absolute Integrität seines Werkes außer Frage. Aus derselben<br />

Einstellung heraus hielt er nichts da<strong>von</strong>, jemanden mit ein paar simplifizierten<br />

Erläuterungen zu überzeugen zu suchen, wenn die Vielschichtigkeit seiner Musik<br />

gründliches und geduldiges Studium erforderte. Er war sich der Nutzlosigkeit <strong>von</strong><br />

Abkürzungen auf dem Weg der Erläuterung der Prinzipien der neuen Technik und<br />

ihrer Ästhetik bewußt und vermied es, sich in Auseinandersetzungen hereinziehen<br />

zu lassen, wenn immer die Umstände für ein V erstanden werden nicht als gegeben<br />

erschienen. Seine Einstellung diesen Dingen gegenüber erhellt eine Anekdote, die<br />

Humpelstetter anläßlich der Wiener Erstaufführung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Symphonie op.<br />

21 erzählte: „Nach der Aufführung wurde <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> einem seiner jüngeren<br />

Sänger aus dem Baß gefragt: ,Sagen Sie, bitte, Herr Doktor, könnten Sie uns das<br />

Werk nicht ein klein wenig erläutern, daß wir es besser verstehen?1<strong>Webern</strong> klopfte<br />

dem jungen Mann jovial auf die Schulter und sagte:,Hören S’nur guat zua, Kinderl!‘<br />

Damit war die Sache für ihn erledigt.“<br />

Mögen auch die Wiener Tageszeitungen <strong>Webern</strong> als Komponisten mit Geringschätzung<br />

abgetan haben, so mehrten sich doch die Stimmen zu seinen Gunsten. Es waren<br />

vor allem zwei Artikel, die 1931 in Fachzeitschriften erschienen und zu Eckpfeilern<br />

der frühen <strong>Webern</strong>-Literatur wurden. Der eine war „<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“ <strong>von</strong><br />

Erwin Stein im Juni/Juli-Heft des Anbruch. Der Verfasser, der selbst ein<br />

ausgezeichneter Musiker war, konzentrierte sich auf die Instrumentalwerke bis zum<br />

jüngsten Quartett op. 22. Anhand sorgfältig ausgewählter Beispiele unterstrich er<br />

die in ihren Grundzügen melodische Qualität der Musik <strong>Webern</strong>s: „Zwischenstadien<br />

der Entwicklung werden eben weggelassen, nur das Essentielle, Ausgangspunkt<br />

und Resultat, wird gesagt. Nichtsdestoweniger ist der innere Zusammenhang<br />

dem, der <strong>Webern</strong>s Musik kennt, beim Hören evident. Dern zwar nicht, dessen Ohr<br />

sich nur innerhalb einer Oktave orientieren kann oder der die Krücken der Diatonik<br />

braucht, um zu hören. Wer aber Intervalle, die eine Dezim überschreiten, überhaupt<br />

als Töne einer Melodie erfassen kann, wird spüren, welche Spannungsenergie so<br />

326


großen Sprüngen innewohnt. Gerade sie geben <strong>Webern</strong>s Melodien ihre überzeugende<br />

Plastik. Man erinnere sich an seine in weitem Bogen abwärts schreitenden<br />

Gänge, die mitunter die abschließende Wirkung einer Kadenz haben. Jenseits <strong>von</strong><br />

jedem motivischen Zusammenhang werden diese kurzen Phrasen durch die latente<br />

Spannung ihrer Tonverhältnisse zur Melodie.“<br />

Den zweiten Artikel verfaßte Theodor Wiesengrund-Adorno, der, wie Stein, ein<br />

berufener Sprecher für die neue Wiener Schule war. Der Aufsatz erschien im<br />

Januar/Februar-Heft <strong>von</strong> Modern Music, einer Quartalszeitschrift, die die League<br />

of Composers in New York herausgab. Unter dem herausfordernden Titel „Berg<br />

and <strong>Webern</strong> - Schönberg’s Heirs“ ging Adorno dem Erbgut der beiden Komponisten<br />

nach und umriß ihre wesentlichen Verschiedenheiten: „Die Homogenität, die<br />

Berg und <strong>Webern</strong> mit Schönberg teilen, ist durch eine gemeinsame Ebene der<br />

Erkenntnis determiniert, die eine radikale Ordnung aller kompositorischen<br />

Elemente fordert, deren Formulierung ihnen die gemeinsamen Stilmerkmale<br />

verleiht. Sowohl Berg wie auch <strong>Webern</strong> können als Kommentatoren Schönbergs<br />

gelten und das allein würde ihnen einen Platz in der Totalität der Geschichte sichern.<br />

Berg verbindet ihn mit Mahler auf der einen und mit dem großen Musikdrama auf<br />

der anderen Seite und legitimiert ihn <strong>von</strong> diesem Gesichtspunkt her. <strong>Webern</strong> geht<br />

bis zum äußersten Extrem des Subjektivismus, den Schönberg zuerst im ironischen<br />

Spiel des Pierrot frei gesetzt hat. Er ist der einzige, der den musikalischen<br />

Expressionismus im striktesten Sinne vertritt und ihn so weit vorantreibt, daß er auf<br />

Grund seines Eigengewichts zu einer neuen Objektivität zurückschwingt. Beider<br />

Weg ist in keiner Weise an das Werk des Meisters gebunden; im eigentlichen<br />

schöpferischen Akt gibt sich das wahre Ich des Interpretierenden zu erkennen,<br />

genauso wie in den großen Kommentaren der philosophischen Literatur, etwa<br />

denen <strong>von</strong> Platon und Aristoteles, in denen die Persönlichkeit des jeweiligen Autors<br />

durch den Text hindurchbricht.“<br />

Es fanden sich auch eine Reihe <strong>von</strong> Zeitungen, die gelegentlich einen größeren<br />

Artikel brachten, der positiv auf <strong>Webern</strong>s Musik einging. Am 4. Oktober 1930<br />

räumte die Eisenacher Zeitung (die in Bachs Geburtsstadt erschien) einem Essay<br />

<strong>von</strong> Hermann Rudolf Gail prominenten Raum ein, in dein der Versuch einer<br />

Beurteilung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Stil unternommen wurde: ,,,Wie wird mir zeitlos“, so<br />

lautet der Text in einem der Lieder, Wiese im Park. Man könnte mit diesen Worten<br />

<strong>Webern</strong>s gesamtes Schaffen überschreiben. Seine Musik entbehrt jeglicher irdischen<br />

Schwere. Sie ist sparsamste Mosaikkunst. Wie Glas <strong>von</strong> tönender Transparenz.“<br />

Drei Wochen nach seinem Kompositionsabend erhielt <strong>Webern</strong> zu seiner Freude<br />

ein Schreiben des Oberbürgermeisters <strong>von</strong> Wien, in dem ihm die Zuerkennung des<br />

Musikpreises der Stadt mitgeteilt wurde, der jährlich an verdiente Persönlichkeiten<br />

der Profession verliehen wurde. (Seiner am 3. Februar 1931 bei der Direktion der<br />

Städtischen Sammlungen eingereichten Bewerbung waren die Manuskripte seines<br />

Opus 19, 20 und 21, sowie die Streichorchesterfassung seines Opus 5 beigefügt.) Es<br />

war das zweite Mal, daß <strong>Webern</strong> diese Ehrung zuteil wurde, und der Geldbetrag <strong>von</strong><br />

3000 Schillingen bedeutete eine große finanzielle Hilfe (der Preis <strong>von</strong> 1924 war nur<br />

327


mit 1000 Schillingen dotiert). Die Preisverleihung fiel mit den Feiern zum 1. Mai<br />

zusammen. An diesem Tag dirigierte <strong>Webern</strong> ein Rundfunkkonzert bestehend aus<br />

Beethovens Leonoren-Ouvertüre Nr. 3, Mozarts Symphonie D-Dur KV 81, gefolgt<br />

<strong>von</strong> zwei weiteren Werken <strong>von</strong> Beethoven, dem Klavierkonzert Nr. 5 (Solist Eduard<br />

Steuermann) und der Fünften Symphonie.<br />

„Am Dienstag, d. 5. V. 9h5’ nach London abgereist“ heißt es in <strong>Webern</strong>s<br />

Tagebuch, als er sich zu seiner zweiten Englandreise auf machte. Das erneute BBC-<br />

Engagement war <strong>von</strong> Schönberg in die Wege geleitet worden, der sein Monodram<br />

Erwartung im Januar in der britischen Hauptstadt dirigiert hatte. Die Verpflichtung,<br />

die Edward Clark perfekt gemacht hatte, sah diesmal zwei Konzerte vor, beide mit<br />

Programmen Wiener Musik. Im ersten gelangten populäre Klassiker zur Aufführung:<br />

die 2. Ballettmusik aus Rosam unde<strong>von</strong> Schubert, die Italienische Serenade<strong>von</strong><br />

Hugo Wolf und zwei Strauß-Walzer, Rosen aus dem Süden und G ’schichten aus dem<br />

Wienerwald. Das zweite Programm war der Gegenwart gewidmet: <strong>Webern</strong>s Fünf<br />

Sätze op. 5 in seiner Transkription für Streichorchester, gefolgt <strong>von</strong> zwei Werken<br />

Schönbergs, dem Lied der Waldtaube aus den Gurreliedern und der Begleitungsmusik<br />

zu einer Lichtspielszene op. 34 als englischer Erstaufführung.2<br />

Bei seiner Ankunft in London in den späten Abendstunden des 6. Mai sah sich<br />

<strong>Webern</strong> mit einem dicht gedrängten Terminplan konfrontiert. Am nächsten Tag gab<br />

es zwei Proben <strong>von</strong> je drei Stunden. Zwei Stunden nach Beendigung der zweiten<br />

wurde das Konzert bereits aus Studio X gesendet. Der nächste Tag war nicht weniger<br />

anstrengend. Am Vormittag korrepetierte <strong>Webern</strong> mit Enid Cruikshank, der<br />

Solistin der Waldtaube, und arn Nachmittag hielt er eine dreistündige Orchesterprobe<br />

ab. Das Konzert fand am gleichen Abend um 9 Uhr statt. Nach der Sendung<br />

wurde Schönbergs Begleitungsmusik für die Zuhörer im Studio wiederholt. „Da ich<br />

nur zwei Proben dafür hatte (ich getraue mich kaum, das auszusprechen), so konnte<br />

es natürlich klanglich nicht durchaus vollkommen werden“, schrieb <strong>Webern</strong><br />

Schönberg am nächsten Tag. „Aber für meine Ohren waren die Hauptsachen<br />

wirklich klar u. die leichteren Stellen auch im Klang sehr schön geworden. Ich habe<br />

das Gefühl, wirklich Musik gemacht zu haben. Wir spielten 9 Minuten (das sage ich<br />

wegen der Tempi). Hast Du vielleicht zugehört?“ Was sein eigenes Werk anlangte,<br />

fühlte <strong>Webern</strong> sich etwas frustriert. Ins Tagebuch schrieb er: „Von meinen 5 Sätzen<br />

op. 5 mußte ich den ersten weglassen. Ich sah gleich, daß keine Möglichkeit sei, ihn<br />

mit so wenig Proben herauszubringen. Die anderen giengen ganz gut. Auch das<br />

übrige Programm.“<br />

Nach den Strapazen der vorangegangenen zwei Tage gönnte sich <strong>Webern</strong> eine<br />

Ruhepause und verbrachte den 9. Mai in London damit, einige Viertel der Altstadt<br />

zu besuchen, die nach seinem Geschmack waren. Am nächsten Morgen reiste er<br />

nach Köln, wo er für zwei schöne Tage mit seinen Freunden Heinrich und Johanna<br />

Jalowetz zusammen war. Am Abend des 13. Mai wurde er <strong>von</strong> seiner Frau<br />

willkommen geheißen, die wieder an den Bahnhof kam, um ihn abzuholen. Die<br />

abschließenden Sätze seines Tagebuchberichts sind, wie die seiner ersten Englandreise,<br />

bezeichnend: „Beglückende Eindrücke zuhause. Unsagbares Wohlgefühl,<br />

wieder in der Heimat zu sein, die mir immer teurer wird u. immer herrlicher<br />

328


erscheint. Hochsommerliches Wetter, größte Blütenpracht. Bedürfnis nach äußerlicher<br />

Ruhe, Besinnung.“<br />

So groß war sein Bedürfnis nach Besinnung, daß <strong>Webern</strong> auf die Gelegenheit,<br />

schon zwei Monate später nach England zurückzukehren, verzichtete. Seine<br />

Symphonie op. 21 war zur Aufführung beim IGNM-Fest vorgesehen, das in Oxford<br />

und London in der letzten Juliwoche stattfinden sollte. Doch der Komponist ahnte<br />

nichts Gutes, da das jüngste Presseecho seit dem Wiener <strong>Webern</strong>-Abend so völlig<br />

negativ gewesen war. Nach der deutschen Erstaufführung der Streichorchestertranskription<br />

der Fünf Sätze op. 5 (unter Johannes Schüler in Oldenburg) hatte der<br />

Kritiker der Rheinisch-Westfälischen Zeitung (15. April) seine Musik „blutleere,<br />

erkünstelte Narretei“ genannt. Am 10. April war die Symphonie op. 21 unter Otto<br />

Klemperer in Berlin aufgeführt worden. Die Pressekommentare waren vernichtend.<br />

„<strong>Webern</strong> lebt künstlerisch noch in der Inflationszeit unseligen Angedenkens.<br />

Damals hörte man sich vielleicht solch ein Kuriosum einmal ernsthaft an, heute<br />

wirkt es unsagbar lächerlich. Was ist das für ein Wien, das uns derartige<br />

Entartungserscheinungen unter dem E tikett,Musik1schickt?“ (Rheinisch-Westfälische<br />

Zeitung). Ein anderes Urteil nannte gleichermaßen abschätzig sein Werk<br />

„Vorstellungen, die nicht im neuen Sinne anzusprechen sind, die musikalisch in<br />

Tupfen und Tropfen verwirklicht werden, ohne Zusammenhang, melodisch-geistig<br />

völlig zerbröckelt.“ (Berliner Bösencourier, 14. April)<br />

Kein Wunder, daß <strong>Webern</strong> derartigem unrühmlichen Aufsehen aus dem Wege<br />

gehen wollte. An Schönberg, der damals in Territet bei Montreux war, schrieb er:<br />

„Ich habe ein Grauen vor dem Musikfest, scheue, wieder einen Skandal mitmachen<br />

zu müssen (es ist mir ganz klar, daß es den bei meiner Syrnpli. geben wird, sogar hier<br />

im Steuermann-Kolisch-Konzert - quasi ehemaliges ,Vereins‘-Publikum - hat es<br />

etwas abgesetzt) u. möchte vor allem den Sommer zur Arbeit ausnützen. Drum<br />

denke ich sehr daran die Londoner Sache abzusagen. Was mich noch zurückhält<br />

da<strong>von</strong>, ist nur die Verdienst-Angelegenheit.“<br />

Schließlich gaben finanzielle Überlegungen den Ausschlag. Obwohl Edward<br />

Clark <strong>Webern</strong> eine Einladung der BBC besorgte, am 20. Juli ein volkstümliches<br />

Konzert zu dirigieren, damit er in der Lage sei, die Aufführung seiner Symphonie in<br />

der folgenden Woche selbst zu leiten, war die angebotene Gage (26 Pfund) weit<br />

unter dem, was er im Mai erhalten hatte (75 Pfund). Nachdem es Schönberg<br />

gewesen war, der bei Clark diese Regelung angeregt hatte, erklärte <strong>Webern</strong> ihm am<br />

15. Juli die Umstände in aller Ausführlichkeit: „Aber auch bei einem viel besseren<br />

Honorare wäre es mir nicht möglich geworden: diese 14 Tage: Reise, Aufenthalt in<br />

dem so teuren London (Reisen nach Oxford u. s. w.) hätten zu viel verschlungen, das<br />

Erträgnis wäre zu minimal gewesen im Verhältnis zu diesem Zeitverlust. Und an<br />

diesen mußte ich denken, weil ich ja endlich zur Arbeit kommen wollte (bei der ich<br />

mich nun auch befinde).“ Zweifellos zog <strong>Webern</strong> es vor, zuhause zu bleiben, und das<br />

nicht nur aus finanziellen Erwägungen.<br />

Die Symphonie op. 21 wurde am 27. Juli in der Queen’s Hall unter Hermann<br />

Scherchen aufgeführt. Sie stand an zweiter Stelle in einem Programm, das mit<br />

Symphonie Music <strong>von</strong> Roman Palester eröffnet und mit der Rhapsodie <strong>von</strong> Virgilio<br />

329


Mortari, der Zweiten Symphonie <strong>von</strong> Vladimir Dukelsky, M usicfor Orchestra <strong>von</strong><br />

Constant Lambert und A n American in Paris <strong>von</strong> George Gershwin fortgesetzt<br />

wurde. Der Rezensent der Berliner Vossischen Zeitung (1. August) äußerte die<br />

vorschnelle Ansicht, daß <strong>Webern</strong>s Werk „an jenem atonalen ,Zwölftonsystem‘<br />

festhält, das einst als Erlösung gefeiert und heute leise weinend ad acta gelegt<br />

worden ist.“ Haddon Squire vom Christian Science Monitor (29. August) gab sich<br />

freundlicher: er nannte die Symphonie „ein sphinxartiges Werk“ und stellte fest,<br />

daß „<strong>Webern</strong> bei all seinem technischen Können vornehmlich ein Poet des Klanges“<br />

geblieben sei. Und <strong>Webern</strong> selbst schrieb Schönberg am 8. September: „Über die<br />

Aufführung meiner Symphonie in London und im Zusammenhang damit habe ich<br />

recht Erfreuliches gehört.“ Am 2. September hatte er Berg mitgeteilt, daß außer<br />

seiner Symphonie auch die Passacaglia <strong>von</strong> Sir Henry Wood in London dirigiert<br />

worden sei. Clark und Steuermann (der dort konzertierte) hatten ihm Gutes darüber<br />

berichtet. „Das war innerhalb weniger Monate die dritte Orchesteraufführung, die<br />

ich in London hatte“, schrieb er dazu.<br />

In diesem Sommer hoffte <strong>Webern</strong>, bei Musikferienkursen, die unter amerikanischer<br />

Schirmherrschaft in Mondsee abgehalten wurden, unterrichten zu können.<br />

Das Projekt zerschlug sich zwar, doch das Expose, das <strong>Webern</strong> für seinen Kurs<br />

ausgearbeitet hatte, wurde zum Ausgangspunkt für eine Reihe privater Vorträge,<br />

mit denen er im Januar des folgenden Jahres begann. Nachdem <strong>Webern</strong> auf seine<br />

Reisen nach London und Territet (wohin ihn Schönberg zu einem Besuch<br />

eingeladen hatte) verzichtet hatte, nützte er die Zeit für sein Schaffen. Zunächst<br />

führte er einen Auftrag der Universal Edition aus, Deutsche Tänze <strong>von</strong> Schubert zu<br />

orchestrieren, dann befaßte er sich wieder mit dem Projekt des „Orchesterstücks<br />

(Ouvertüre)“, mit dem er im Januar begonnen hatte und aus dein schließlich das<br />

Konzert op. 24 wurde (vgl. 25. Kapitel).<br />

Am 2. Juli machte der Singverein im Kasino Zögernitz in Mödling eine<br />

Schallplattenaufnahme. Die vier aufgenommenen Chöre sind in <strong>Webern</strong>s Tagebuch<br />

verzeichnet: „1. Brahms Ich fahr’ dahin [Abschiedsliedj 2. Schönberg Schein uns, du<br />

liebe Sonne 3. Eisler A u f den Straßen zu singen und 4. Der arme KunradJ Erschienen<br />

ist nur die Aufnahme der ersten beiden Stücke. Von Ultraphon produziert, wurde<br />

sie Bestandteil der Reihe „Österreichische Volksmusik“ und erhielt das Etikett der<br />

Kalliope Grammophon-Gesellschaft. Dies sollte die einzige kommerzielle Schallplatte<br />

sein, die zu <strong>Webern</strong>s Lebzeiten <strong>von</strong> einer <strong>von</strong> ihm dirigierten Aufführung<br />

hergestellt wurde. Die sensitiv abgestufte Tongebung und die frei gehandhabte<br />

Phrasierung sprechen für den hohen Grad <strong>von</strong> Disziplin, den dieser Laienchor unter<br />

seiner Leitung erreicht hatte.4<br />

Unter dem 26. Mai ist im Tagebuch <strong>von</strong> einer Autotour die Rede, auf die Alban<br />

Berg <strong>Webern</strong>, seine Frau und die beiden jüngsten Kinder mitnahm. Sie fuhren nach<br />

Heiligenkreuz und <strong>von</strong> da nach Baden, beides Orte, die durch ihre Assoziationen<br />

mit Beethoven und anderen berühmten Persönlichkeiten bekannt geworden sind.<br />

Im vergangenen Sommer hatte Berg einen kleinen Ford gekauft, der sein Stolz und<br />

seine Freude war, und der ihm während seiner langen Arbeit an seiner zweiten Oper<br />

Lulu zur Entspannung verhalf. Berg und <strong>Webern</strong> hatten zwar die gleiche neuartige<br />

330


und umstrittene Musiksprache gemein, aber das populäre Medium der Oper<br />

verschaffte Berg unvermeidlicherweise viel früher öffentliche Beachtung. Seit seiner<br />

Uraufführung im Jahr 1925 hatte Wozzeck seinen Weg über viele Opernbühnen in<br />

ganz Europa gemacht, und am 19. März 1931 führte die Philadelphia Grand Opera<br />

Company das Werk zum ersten Mal in Amerika auf. Am 24. November stellte es<br />

dieselbe Truppe in New York vor. Wozzeck trug um diese Zeit Berg bereits mehr an<br />

Tantiemen ein, als <strong>Webern</strong> jemals <strong>von</strong> seinen Kompositionen erwarten konnte, die<br />

ihrer Natur nach nur einen wesentlich beschränkteren Kreis <strong>von</strong> Hörern erreichte.<br />

Im Frühjahr und Sommer 1931 häufen sich in <strong>Webern</strong>s Tagebuch die gewohnten<br />

Notizen <strong>von</strong> Familienereignissen und Ausflügen. Als Maria am 11. Juni ihr<br />

Abschlußdiplom an der Bundeslehranstalt empfing, an der sie ihre Ausbildung als<br />

Kindergärtnerin erhalten hatte, trug <strong>Webern</strong> ein, daß er ihr ein Fahrrad gekauft<br />

habe (wozu ihn ohne Zweifel die mit dem Wiener Musikpreis verbundene<br />

Geldzuwendung ermutigt hatte). Am 2. Juli findet sich eine Eintragung, in Rotstift<br />

und dick eingerahmt - wahrscheinlich weil es Wilhelmines Geburtstag war - über<br />

den Kauf, „auf Raten“, eines weiteren Fahrrads, diesmal für die jetzt 20jährige<br />

Amalie. Einer Notiz vom Dienstag, 11. August zufolge leistete er sich selbst einen<br />

Luxus: „eine Schreibmaschine gekauft: Remington Tabular-Portable“ . Am 8.<br />

September weihte er sie mit einem Brief an Schönberg ein: „Wie Du siehst, war ich<br />

recht leichtsinnig: ich habe mir eine Schreibmaschine gekauft . . . zu ganz<br />

günstigem Preise: wie bei Barauszahlung mit 10 % Ermäßigung, aber ich kann den<br />

Betrag - 513 S - in monatlichen Raten abzahlen. Der erste Brief sei an Dich<br />

versucht!“<br />

Am 13. und 14. Juni überquerte <strong>Webern</strong> in Begleitung seiner Tochter Maria und<br />

Eduard Steuermanns wieder einmal die Schneealpe. Vom 11. bis 14. Juli<br />

verbrachten er, Wilhelmine, Peter und Christine einen kurzen Ferienaufenthalt bei<br />

der Familie Diez in Vordemberg, und am 16. und 17. August begab er sich<br />

zusammen mit Dr. Bach ins Hochschwab-Gebiet. Mit dieser Eintragung hörte<br />

<strong>Webern</strong> auf, sein Tagebuch systematisch weiterzuführen. Obgleich in dem kleinen<br />

Seidenband, dem er seine mannigfaltigen Erlebnisse seit seiner Entlassung aus der<br />

Armee an Weihnachten 1916 anvertraut hatte, noch viele leere Seiten verblieben,<br />

finden sich für die Zeit zwischen 1932 und 1938 nur etwa ein halbes Dutzend<br />

sporadische Aufzeichnungen. Die Gründe, die <strong>Webern</strong> bestimmt haben mögen,<br />

seine ihm liebgewordenen Tagebuchgepflogenheiten aufzugeben, sind nicht<br />

bekannt. Doch gibt es auch ohne diese wichtige Quelle genügend Unterlagen für<br />

eine dokumentarisch belegte Weiterverfolgung seines Lebens und Werks in Form<br />

<strong>von</strong> zahlreichen tagebuchartigen Notizen in seinen musikalischen Skizzenbüchern,<br />

seiner umfangreichen Korrespondenz, verschiedenen Aufzeichnungen auf losen<br />

Blättern und den Berichten derer, die ihn kannten.<br />

Unter den vorhandenen Notizen finden sich mehrere, die sich auf einen Ausflug<br />

beziehen, den <strong>Webern</strong> unmittelbar nach seiner Rückkehr <strong>von</strong> der Hochschwabtour<br />

unternahm. Vom 19. bis zum 28. August begab er sich mit Wilhelmine in die Hohen<br />

Tauern, einem der großartigsten Gebirgszüge Österreichs. Den Kindern hinterließ<br />

er genaue Anweisungen, wie sie ihre Eltern Tag für Tag erreichen könnten, sei es<br />

331


telegrafisch, telefonisch oder brieflich. Für die Reise, auf die sich <strong>Webern</strong> ungemein<br />

freute, wurde eine bis ins letzte Detail gehende Route ausgearbeitet. Aus<br />

Reiseführern schrieb er den Verlauf der Wege, Höhenunterschiede und die zu<br />

bewältigenden Entfernungen ab. Die verschiedenen Angaben wurden mit schwarzem,<br />

rotem, grünem und blauem Farbstift festgehalten. Solche Genauigkeit mag<br />

übertrieben erscheinen, ist aber durchaus charakteristisch für <strong>Webern</strong>s überaus<br />

umsichtige Methode der Vorbereitung <strong>von</strong> allem, was er in Angriff nahm. Die<br />

Höhepunkte dieser Woche in <strong>Webern</strong>s Leben können anhand der Tagesberichte auf<br />

der Rückseite der Ansichtspostkarten verfolgt werden, die er als Andenken im<br />

Verlauf der Reise sammelte. Nach einer Kahnfahrt in Zell am See wanderte das<br />

Ehepaar vier Tage lang mitten durch das großartige Glockner-Gebiet. Sie stiegen<br />

vom Enzingerboden zu der <strong>von</strong> Gletschern umgebenen Rudolfs-Hütte auf und<br />

setzten ihre Wanderung fort über Kais zum Glocknerhaus am Fuße des grandiosen<br />

Berges. Am 24. August standen sie auf der Franz-<strong>Josef</strong>s-Höhe, einem berühmten<br />

Aussichtspunkt, bevor sie nach Heiligenblut abstiegen, wo die Fußtour endete. Am<br />

nächsten Tag besuchten sie Alban und Helene Berg in ihrem Sommerhaus am<br />

Ossiachersee; die letzte Nacht verbrachten sie bei den Verwandten in Klagenfurt.<br />

„Ganz großartig“, faßte <strong>Webern</strong> sein Ferienerlebnis zusammen, als er Schönberg<br />

am 8. September schrieb.<br />

Die neue Saison stellte sofort ihre Ansprüche. Schon seit einiger Zeit hatte<br />

<strong>Webern</strong> mit dem Singverein an der Bachkantate Nr. 106: Gottes Zeit ist die allerbeste<br />

Zeit (Actus Tragicus) gearbeitet. Wegen seines stark reduzierten Budgets sah sich<br />

Dr. Bach gezwungen, die Anzahl der Arbeitersymphoniekonzerte dieser Saison <strong>von</strong><br />

acht auf zwei zu reduzieren. <strong>Webern</strong> wurde die Leitung <strong>von</strong> beiden anvertraut. Das<br />

erste war für Allerheiligen, den 1. November, vorgesehen und sein Programm<br />

bestand aus Haydns Symphonie D-Dur (Die Uhr), Mozarts Klavierkonzert G-Dur<br />

KV 453, den Wiener Erstaufführungen <strong>von</strong> Milhauds Bratschenkonzert und<br />

<strong>Webern</strong>s Orchestrierung der Deutschen Tänze <strong>von</strong> Schubert und schließlich Bachs<br />

Actus 'Tragicus. <strong>Webern</strong>s Vorfreude spricht aus seinem Brief an Schönberg vom 22.<br />

September: „Ich habe noch niemals Haydn dirigiert . . . Der Actus Tragicus ist<br />

unbeschreiblich. Wie dieser Chorsatz klingt!“<br />

Im Oktober erkrankte <strong>Webern</strong>. Am 18. hätte er ein Funkkonzert mit Schönbergs<br />

Begleitungsmusik dirigieren sollen, doch er mußte absagen. Enttäuscht beschrieb er<br />

Schönberg an diesem Tag die Symptome seiner Erkrankung: „Es sollen Gefäßstörungen<br />

(Lähmungen) sein. Das äußert sich in großer Müdigkeit, die sich in der<br />

vorigen Woche zu recht peinlichen Zuständen gesteigert hat. Der Arzt meint, ich<br />

sollte ganz ausspannen auf einige Zeit, aber das ist ja jetzt unmöglich.“<br />

Ohne sich um den Rat seines Arztes zu kümmern, fuhr <strong>Webern</strong> mit den<br />

Vorbereitungen zum Arbeitersymphoniekonzert fort. Am Samstag, 31. Oktober,<br />

dirigierte er noch die Generalprobe, aber am nächsten Morgen fühlte er sich so<br />

erschöpft, daß er im Bett bleiben mußte. In der Hoffnung, sich rechtzeitig wieder zu<br />

erholen, wartete er bis zum Nachmittag, bevor er Dr. Bach Wort zukommen ließ,<br />

daß er nicht in der Lage sei, das Konzert zu dirigieren. So entstand ein doppelter<br />

Notstand, da das Konzert <strong>von</strong> der Ravag übertragen werden sollte. Knapp zwei<br />

332


Stunden vor Beginn gelang es Dr. Bach, zwei Dirigenten zu finden, die in die<br />

Bresche sprangen. Erwin Leuchter, ein junger Kapellmeister, dirigierte die das<br />

Programm eröffnende Haydn-Symphonie. Unterdessen verwendete Professor<br />

Oswald Kabasta, der zum Stab der Ravag gehörte, wertvolle Minuten auf eine kurze<br />

Verständigungsprobe mit den Solisten und dem Chor für den Actus Tragicus. Der<br />

Mut und die Leistung der beiden Dirigenten waren bewundernswert, und die<br />

Zeitungsberichte sprachen mit Recht <strong>von</strong> einem „Husarenstückchen“. Kabasta im<br />

besonderen zeichnete sich aus durch die Überlegenheit, mit der er die Leitung <strong>von</strong><br />

Werken übernahm, die er vom Blatt zu dirigieren hatte: Milhauds Konzert und<br />

Schübert-<strong>Webern</strong>s Deutsche Tänze.<br />

Den Umständen entsprechend verlief das Konzert recht gut, aber in der Presse<br />

erhob sich ein regelrechter Sturm. Schon vor dem Ereignis hatte Rudolf Reti in Der<br />

A bend (21. Oktober) einen Artikel veröffentlicht unter dem Titel „Das Programm<br />

der Arbeitersymphoniekonzerte - eine Enttäuschung“, in dem er das Programm als<br />

„bürgerlich“ anprangerte. Er meinte, daß in Anbetracht der stark reduzierten<br />

Anzahl der jährlichen Konzerte solche Werke herausgestellt werden sollten, die<br />

vom Geiste des Fortschritts beseelt seien, und nicht Stücke, die die Geschmacksrichtung<br />

eines satten Mittelstandes repräsentierten. Reti griff damit David <strong>Josef</strong> Bach<br />

an, der in der Arbeiterzeitung seine Programmwahl begründet hatte. Ganz besonders<br />

hatte Bach die Ansicht vertreten, daß die Schönheit des Actus Tragicus eine<br />

Aufführung des Werkes durchaus rechtfertige, auch wenn ein paar Genossen auf<br />

dem linken Flügel meinten, über den biblischen Text die Stirn runzeln zu müssen,<br />

Leute, die aus Prinzip gegen jegliches Eindringen religiöser Elemente in ein<br />

sozialistisches Programm opponierten.<br />

Wenn sich auch die Kontroverse in der Hauptsache zwischen Reti und Bach<br />

abzuspielen schien, wurde <strong>Webern</strong> durch seine plötzliche Absage zum Mittelpunkt<br />

wilder Gerüchte und Vermutungen. Es kam dabei heraus, daß er früher einmal sich,<br />

geweigert hatte, eine Chorkomposition <strong>von</strong> Reti ins Programm aufzunehmen, weil<br />

er sie für den Singverein als zu schwierig ansah, obwohl dasselbe Stück daraufhin <strong>von</strong><br />

einem anderen Chor in der Reihe der Arbeiterkonzerte aufgeführt wurde. <strong>Webern</strong><br />

hatte tatsächlich das Werk <strong>von</strong> Reti im Januar 1929 geprobt, aber der Widerstand<br />

der Sänger war so groß, daß er Dr. Bach mit der Alternative zu konfrontieren hatte,<br />

das Werk aus dem Programm zu nehmen oder mit dem Aiiseinanderbrechen des<br />

Chores rechnen zu müssen.5 Retis Attacke wurde als in Wirklichkeit gegen <strong>Webern</strong><br />

gerichtet ausgelegt, der einer Überschrift im Morgen (2. November) zufolge<br />

angeblich einen „Nervenzusammenbruch vor dem gestrigen Abendkonzert“<br />

erlitten habe. Der Artikel behauptete, „gewisse Kreise“ hätten während der Bach-<br />

Aufführung eine Demonstration angezettelt (in Wahrheit verließen nur ein paar<br />

Zuhörer geräuschvoll den Saal). Dr. Reti, der sich persönlich angegriffen fühlte,<br />

veröffentlichte noch arn gleichen Tag ein Dementi im A bend , in dem er diesen<br />

Verdacht als „niederträchtige Lüge“ und „feige Verleumdung“ zurückwies. Reti,<br />

ein Komponist und Musikwissenschaftler <strong>von</strong> Format, setzte alles daran, seine<br />

künstlerische Solidarität mit <strong>Webern</strong> zu betonen, und versicherte gleichzeitig, daß<br />

seine Opposition einzig und allein Dr. Bachs Programmpolitik gegolten habe.<br />

333


Zahlreiche Lokalblätter griffen den Skandal auf. Der Wiener Tag, Wiener<br />

Zeitung, Die Stunde, Arbeiterzeitung, Die Presse, Reichspost, Wiener Neueste<br />

Nachrichten und Wiener Allgemeine Zeitung, um nur einige zu nennen, brachten ihre<br />

eigenen Versionen der Kontroverse. Ein Berichterstatter der letztgenannten<br />

Zeitung suchte <strong>Webern</strong> zu Hause auf und stellte daraufhin fest: „Die Gattin <strong>Anton</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s erklärt auf unsere Anfrage, daß die Verstimmung zwischen <strong>Webern</strong><br />

und dem betroffenen Musikkritiker nicht geleugnet werden könne. Es besteht<br />

jedoch kein Zusammenhang zwischen diesem Konflikt und der gestrigen Absage<br />

<strong>Webern</strong>s, der wirklich schwer leidend sei.“<br />

Über dem Durcheinander und der Polemik erhoben sich auch Stimmen der<br />

Anerkennung und der Verteidigung. Paul A. Pisk (Arbeiterzeitung) und Paul Stefan<br />

(Die Stunde) nahmen <strong>Webern</strong> in Schutz, wie auch A. Rosenzweig, der im Wiener-<br />

Tag schrieb: „Die erstaunlichste Leistung des Arbeitersymphoniekonzerts bot der<br />

Singverein in Bachs erschütternder Trauerode Actus Tragicus, Über der Aufführung<br />

waltete der künstlerische Geist des erkrankten <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>, der in seinem<br />

fanatischen Streben nach restloser Vollendung jedem Takte und jeder Phrase das<br />

Signum seiner Vollendung aufgeprägt hatte.“<br />

Während sich die Presse damit beschäftigte, die Affäre in allen ihren Aspekten<br />

auszuschlachten, war <strong>Webern</strong> ans Krankenbett gefesselt. In einem langen Brief<br />

beschrieb er Schönberg am 13. November seine Krankheit: „Die Hauptursache der<br />

Übel, die mich so quälen u. zuletzt gänzlich arbeitsunfähig gemacht haben, scheint<br />

doch im Magen bzw. im 12-Fingerdarm zu liegen . . . Geschwüre sind es nicht. Es<br />

haben mich recht viele Ärzte angeschaut; wie immer sie die Übel deuteten, alle<br />

meinten: sofort ausspannen u. eine Kur gebrauchen. Die wird darin bestehn, daß<br />

man mich auf Diät setzt, bestrahlt, weiters in Bädern, Massagen, die mich allgemein<br />

wieder zu Kraft bringen sollen. Schon im Sommer giengs mir elend. Ich wollte aber<br />

nicht nachgeben. Schließlich aber konnte ich doch nicht mehr Stand halten.“<br />

<strong>Webern</strong> fuhr fort, Schönberg <strong>von</strong> der Kontroverse zu berichten und meinte zu dem<br />

Artikel <strong>von</strong> Reti, der sie ausgelöst hatte: „Es ist schon zu dumm! Ich habe das nicht<br />

einmal gelesen.“ Über den Kernpunkt der Sache, die Polemik gegen die Aufführung<br />

eines sakralen Werkes vor einem Forum, das an sich revolutionären Tendenzen<br />

Vorbehalten sein sollte, ließ er sich vernehmen: „O Gott! Der Actus Tragicus ist zu<br />

bürgerlich! . . . Was darüber getratscht wurde, daß auch in meinem Chor Stimmen<br />

gegen den religiösen Text der Bach-Kantate sich erhoben hätten, ist völlig erlogen.<br />

Nein, liebster Freund, die Leute haben ihre Stimmen nur erhoben, um in größter<br />

Begeisterung dieses Werk zu singen. Und ich glaube wir haben es glänzend erlernt.<br />

Die letzte Fuge flog dahin wie im Sturm: aber jede der Sechzehntel war zu hören;<br />

wirklich schon virtuos. Aber ich durfte nicht mehr selbst dirigieren. Sie habens im<br />

Konzert allein gemacht, buchstäblich; denn der für mich eingesprungene Dirigent<br />

(Kabasta) —wer nur immer es auch gewesen wäre konnte ja nichts anderes<br />

machen, als mit Scheingesten den Ablauf begleiten.“<br />

<strong>Webern</strong> adressierte seinen Brief nach Barcelona, wo Schönberg sich seit ein paar<br />

Wochen aufhielt. Im Mai war er zunächst <strong>von</strong> Berlin nach Territet in der Schweiz<br />

gereist, wo er seine Arbeit an Moses und Aron wiederaufnahm.6 Wegen eines<br />

334


hartnäckigen Hustens beschloß er, den Winter in einem milderen Klima zu<br />

verbringen und Anfang Oktober fuhr er weiter nach Spanien, um sich in Barcelona<br />

zu etablieren. „Wir bewohnen eine kleine am höchsten Punkt eines Hügels gelegene<br />

Villa mit fabelhafter Aussicht über die Stadt“, schrieb er <strong>Webern</strong> am 11. Oktober.<br />

Vorher hatte er ihm das Libretto <strong>von</strong> Moses und Aron geschickt. Kränkelnd und<br />

überarbeitet, wie <strong>Webern</strong> um diese Zeit war, erwiderte er am 18. Oktober: „Du<br />

kannst Dir wohl denken, wie ich mich auf Deine Dichtung gestürzt habe und wie<br />

nahe sie mir gegangen is t. . . Was gäbe ich drum, könnten wir auch da unten sein;<br />

könnte ich auch einmal wieder längere Zeit ohne Störung arbeiten. Das wird immer<br />

dringlicher, ich muß versuchen, es mir anders zu richten.“<br />

Doch vor der harten Realität zerstoben alle diese Träume. Am 14. November<br />

wurde <strong>Webern</strong> in das Sanatorium Sulz-Stangen in der Nähe <strong>von</strong> Hinterbühl, nicht<br />

weit <strong>von</strong> Mödling, eingewiesen. Bei intensiver Behandlung besserte sich sein<br />

Gesundheitszustand so rasch, daß er rechtzeitig zu seinem 48. Geburtstag am 3.<br />

Dezember nachhause zurückkehren konnte.<br />

Ein paar Tage später fuhr er als Delegierter der Wiener Sektion der IGNM nach<br />

Berlin, um an einer Sitzung der internationalen Jury teilzunehrnen, die die<br />

Kompositionen für das nächste Fest der Gesellschaft auszuwählen hatte, das im Juni<br />

1932 in Wien stattfinden sollte.7 Die Konferenz gab <strong>Webern</strong> eine Gelegenheit, als<br />

Mittler für Schönberg aufzutreten, der sich seit einem Zwischenfall auf dem Fest in<br />

Venedig 1925, für den er Edward Dent verantwortlich machte, geweigert hatte, mit<br />

der IGNM zusammenzuarbeiten. Schönberg, der sich noch immer zurückgesetzt<br />

fühlte, bestand auf einer persönlichen Entschuldigung <strong>von</strong> Dent, dem gegenwärtigen<br />

Präsidenten der Gesellschaft. Nach seiner Rückkehr nach Mödling konnte<br />

<strong>Webern</strong> Schönberg versichern, daß Genugtuung erfolgen würde, als er ihm am 20.<br />

Dezember schrieb: „Der Jury, d.h. dem Herrn Präsidenten, legte ich vor allem<br />

einmal den noch immer unbeglichenen Fall <strong>von</strong> Venedig vor (bevor ich überhaupt in<br />

andere Unterhandlung trat) und hatte ihn sogleich auf den Knien. Er wird einen<br />

Brief an Dich schreiben und Dich darin auch um Deine Zustimmung dazu bitten,<br />

daß beim kommenden Musikfest ein Werk <strong>von</strong> Dir aufgeführt wird. . . Hoffentlich<br />

gelingt das Schreiben zu Deiner Zufriedenheit - es kommt über m ich.., aber ich<br />

kann Dich versichern, ich habe Genugtuung erzielt: der Mann war vernichtet und<br />

erschien wie ein Gehängter.“<br />

Im gleichen Brief ließ <strong>Webern</strong> wissen, daß er die Jury dazu bewegen konnte,<br />

Werke <strong>von</strong> zwei Schönberg-Schülern, Roberto Gerhard und Norbert <strong>von</strong> Hannenheim,<br />

ins Festprogramm aufzunehmen. Er konnte auch berichten, daß er sich <strong>von</strong><br />

seiner langen Krankheit wieder völlig erholt habe und sich jetzt auf den<br />

bevorstehenden Wohnungswechsel freue. Schon seit Jahren hatte er versucht, eine<br />

passende Wohnung in der Wiener Innenstadt zu finden, um den Zeitverlust und den<br />

mit den fast täglichen Fahrten <strong>von</strong> Mödling in die Stadt verbundenen Kräfteverschleiß<br />

wettzumachen. Endlich erfuhr er durch <strong>Josef</strong> Hueber <strong>von</strong> einer Wohnung,<br />

die seinen Vorstellungen zu entsprechen schien. Er beschrieb sie Schönberg: „Wir<br />

haben etwas, glaube ich, sehr Günstiges gefunden, etwas, das uns nicht teurer<br />

kommen wird als der Aufenthalt hier. Auch werden wir gar nicht viel <strong>von</strong> dessen<br />

335


Ländlichkeit einbüßen müssen: das Haus hat nämlich einen riesigen Garten, den wir<br />

benützen können. Es ist auch keine Zinskaserne sondern ein nur zweistöckiges<br />

Haus; nämlich in Hietzing: XIII Penzingerstraße 82 . . . Leicht fiel uns ja der<br />

Entschluß nicht. Gebe Gott, daß wir zurecht entschieden haben . . . Die Lage<br />

unserer neuen Wohnung ist in und außer Haus vollkommen ruhig (I. St.), im<br />

Sommer sicher stiller sogar als hier, die Gassenseite südseitig. So werden wir wieder<br />

viel Sonne haben können: also wir sind in bester Erwartung.“<br />

336


22. Hietzing —Maria Enzersdorf —<br />

Vorträge —Konzerte —Krankheit<br />

(1932)<br />

Die Familie bezog die neue Wohnung am 5. Januar 1932. Als <strong>Webern</strong> am Vortag<br />

zum letzten Mal mit der Bahn in die Stadt fuhr, hielt er das Ereignis auf der<br />

Rückseite einer Ansichtskarte mit einem Marterl fest. Die großen Hoffnungen, die<br />

er auf den Wohnungswechsel gesetzt hatte, wurden jedoch bald bitter enttäuscht.<br />

Die günstige Lage wurde durch Nachteile beeinträchtigt, die rasch in Erscheinung<br />

traten: Durch die Anordnung der Räume ergab es sich, daß <strong>Webern</strong>s Arbeitszimmer<br />

direkt über der Straße lag. Entgegen allen Erwartungen erwies sich der Lärm als so<br />

störend für den sensitiven Musiker, daß er ihn bei der Arbeit behinderte. Auch der<br />

große Garten, der zunächst so attraktiv erschienen war, bot nicht den erhofften<br />

Ersatz für das Leben auf dem Lande. Am 20. Januar, bereits zwei Wochen nach dem<br />

Einzug, brachte <strong>Webern</strong> seine Enttäuschung Schönberg gegenüber zum Ausdruck,<br />

und am 1. Februar tat er seinen Entschluß kund, dem Zustand sobald wie möglich<br />

ein Ende zu bereiten: „Was gäbe ich darum, säße ich noch in Mödling und könnte<br />

nichts als ruhig arbeiten. Durch mein fortwährendes Unwohlsein -- das ist schon<br />

wirklich eine böse Sache - fällt alles noch viel schwerer auf mich. Auch, daß wir<br />

Mödling aufgegeben haben. Oh, könnte ich das ungeschehn machen. (Alle<br />

wünschen wir es schon!) Und wollen es auch. Nun hätte ich es ja bequemer, aber ich<br />

habe dafür ein refugium aufgegeben, das ich doch nicht mehr entbehren kann u.<br />

nicht entbehren möchte . . . Drum möchten v/ir wieder zurück, aber nicht um<br />

willkürlich etwas zurückzuschrauben, sondern um erst recht was Neues zu<br />

beginnen!!!“<br />

Der Umstand, daß sein Freund <strong>Josef</strong> Hueber nebenan wohnte und Alban Berg<br />

ganz in der Nähe, konnte <strong>Webern</strong>s Unzufriedenheit nicht beschwichtigen. Entschlossen,<br />

dem Getriebe der Innenstadt zu entfliehen, versuchte er zunächst, in seine<br />

frühere Wohnung in der Neusiedlerstraße 58 zurückzukehren, aber der Hausherr<br />

war dabei, das Anwesen zu verkaufen und wollte nicht mehr vermieten. Doch<br />

bereits am 17. März konnte <strong>Webern</strong> Schönberg mitteilen: „Wir haben draußen ein<br />

kleines Häuschen in Aussicht; ganz herrlich gelegen u. mit genügend Räumlichkeiten.<br />

(Billiger im Zins als die jetzige Wohnung.) Im Sommer werden wir hoffentlich<br />

schon wieder draußen sein!“ <strong>Webern</strong>s Geduld sollte aber noch auf die Probe gestellt<br />

werden. Erst fünf Monate später, arn 8. August, konnte er in sein Tagebuch<br />

schreiben: „Wohnung im Auholz 8 gemietet.“ Er meinte damit das Haus in Maria<br />

Enzersdorf, einer kleinen, an Mödling angrenzenden Gemeinde; es sollte bis ein<br />

paar Monate vor seinem Tode sein Heim bleiben.<br />

Seit dem Herbst 1925 hatte sich <strong>Webern</strong>s Beschäftigung im Israelitischen<br />

Blindeninstitut auf der Hohen Warte im Bezirk Döbling wegen der langen<br />

Fahrzeiten als problematisch erwiesen. Eis entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß<br />

337


seine Verbindung mit der Schule gerade dann zu Ende ging, als sie durch seinen<br />

Umzug in die Stadt für ihn leichter erreichbar wurde. Seinem Kontobuch zufolge<br />

erhielt er im Dezember 1931 300 Schillinge als „Ablöse“ . Während der sechs Jahre,<br />

die <strong>Webern</strong> am Institut tätig war, führten seine zunehmenden finanziellen<br />

Schwierigkeiten zu einer stufenweisen Reduzierung seines Gehalts, bis schließlich<br />

das Monatsentgelt <strong>von</strong> 80 Schillingen die zwei Fahrten pro Woche kaum mehr<br />

verlohnte.<br />

<strong>Webern</strong>s Anstellung an der Schule war tatsächlich die einzige offizielle Lehrstelle,<br />

die er jemals bekleidete. Das Musikwissenschaftliche Institut der Universität Wien,<br />

seiner Alma Mater, machte <strong>von</strong> seinen Diensten keinen Gebrauch, als er sie anbot,<br />

und die Musikakademie ignorierte ihn schlechthin. Berg erging es allerdings nicht<br />

besser. Die Mächte der Reaktion waren und blieben fest im Sattel in der stolzen<br />

Weltmetropole der Musik. Schönberg beklagte die Situation, als er Berg am 8.<br />

August 1931 schrieb: „Es ist wirklich kaum zu begreifen, daß man in Wien weder an<br />

Dich noch an <strong>Webern</strong> wegen einer Professur an der Akademie herangetreten ist.<br />

Aber glaube mir: es braucht Dir nicht leid zu tun; es wird denen einmal mehr leid<br />

tun!“1<br />

<strong>Webern</strong>, bar jeglicher Unterstützung seitens irgendeiner Institution, war völlig<br />

auf seine private Initiative angewiesen, als er im Januar 1932 mit einer Vortragsreihe<br />

begann. Die Idee hierzu war bereits 1929 geboren worden, als er <strong>von</strong> einem<br />

Mr. Krompholz aufgefordert worden war, am Austro-American Conservatory,<br />

einer Sommerakademie, die im Schloß des Grafen Almeida in Mondsee bei Salzburg<br />

untergebracht war, zu unterrichten. Schönberg, der zu Vorlesungen eingeladen<br />

worden war, hatte darum ersucht, daß <strong>Webern</strong> das Terrain mit einem Einführungskurs<br />

vorbereiten solle. <strong>Webern</strong>, hocherfreut über diese Aussicht, schrieb Schönberg<br />

am 30. August 1929: „Ich denke a n ,Formanalysen' (als Kompositionsunterricht) u.<br />

möchte auch Werke <strong>von</strong> Dir analysieren u. arn Schlüsse über die , 12-Ton-Kompos.‘<br />

sprechen. Ich soll ca. 16 Stunden halten, durch 8 Wochen je zwei. Aber ich kann sie<br />

auch auf kürzere Zeit zusammendrängen . . . Es wurden mir 20 oder 25 S. pro<br />

Teilnehmer für die Stunde angeboten. Als Bedingung für das Zustandekommen des<br />

Kurses überhaupt wurde eine Teilnehmerzahl <strong>von</strong> 6 genannt.“ Schließlich wurde<br />

der Kurs für die Somrnertagung 1931 vereinbart.<br />

Zu Beginn dieses Jahres machte sich <strong>Webern</strong> an die Vorbereitung seiner<br />

Vorlesungen und unterbreitete seine Ideen Schönberg, der am 22. Januar<br />

antwortete: „Deinen Plan für die Mondseer Kurse finde ich im Prinzip ausgezeichnet.<br />

Nur würde ich Dir empfehlen, die Analysen eventuell so anzulegen (durch die<br />

Auswahl der Werke), daß die Entwicklung der Komposition mit 12 Tönen sich<br />

daraus ergibt. Also z. B. Niederländer, Bach fürs Kontrapunktische, Mozart für die<br />

Phrasenbildung, aber auch für die Motivik, Beethoven, aber auch Bach, für die<br />

Entwicklung, Brahms, und ev. Mahler, für den variierten, vielfach verschränkten<br />

Ablauf. Ich glaube, daß in dieser Skizze das Wichtigste angedeutet ist. Der Titel<br />

könnte dann sein: ,Der Weg zur Komposition mit 12 Tönen‘.“2<br />

Noch am 17. Juni schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg, daß er damit rechne, nach Mondsee<br />

zu gehen, da er bis zum 15. Juni, dem vereinbarten Termin, nichts Gegenteiliges<br />

338


gehört habe. Doch vier Wochen später, am 15. Juli, stellte er enttäuscht fest: „Aus<br />

,Mondsee1ist zum Schlüsse doch nichts geworden. Wieso, möchte ich Dir einmal<br />

mündlich berichten.“ Diese geheimnisvolle Äußerung mag darauf schließen lassen,<br />

daß die vorgeschriebene Mindestanzahl <strong>von</strong> Studierenden nicht erreicht worden<br />

war, da <strong>Webern</strong>s Kurse als Wahl- und nicht als Pflichtfach angekündigt waren. In<br />

diesem Sommer gehörten dem Lehrkörper des Austro-American Conservatory<br />

unter anderen die Komponisten Bela Bartök und Paul A. Pisk an, das Roth-Quartett<br />

und die Pianisten <strong>Josef</strong> und Rosina Lhevinne. (Bartök gab auf eigenen Wunsch nur<br />

Klavierunterricht, während Paul A. Pisk für Komposition und Analyse zuständig<br />

war.)<br />

Die gründliche Vorbereitung, die <strong>Webern</strong> dem gescheiterten Projekt hatte<br />

angedeihen lassen, sollte dennoch Früchte tragen. Innerhalb weniger Monate<br />

organisierten einige Freunde <strong>Webern</strong>s eine Vortragsreihe, die erste <strong>von</strong> einer<br />

ganzen Anzahl, die er über die Jahre hinweg halten sollte. Sie begann am 15. Januar<br />

1932 und dauerte bis zum 2. März. Nach dem dritten Vortrag berichtete <strong>Webern</strong><br />

Schönberg am 1. Februar: „Ich halte zur Zeit hier einen sehr gut besuchten (ca. 30<br />

Personen) Kurs über das <strong>von</strong> Dir mir seinerzeit für Mondsee angegebene Thema:<br />

Der Weg zur Komposition mit 12 Tönen. Das macht mir viel Freude. Ich rede stets<br />

ohne alle Vorbereitung: ich brauche ja bloß zu erzählen, was ich erfuhr, seit ich Dich<br />

kenne!“<br />

Der wöchentlich einmal stattfindende Kurs wurde im Heim <strong>von</strong> Dr. Rudolph<br />

Kurzmann abgehalten, einem Arzt und Musikliebhaber, dessen Frau Rita eine<br />

ausgezeichnete Pianistin war. Zu den Vorträgen erschienen Studenten, an Musik<br />

interessierte Laien und ein paar Kollegen. Obwohl für die Teilnahme nur eine<br />

nominelle Gebühr zu entrichten war, betrugen <strong>Webern</strong>s Einnahmen aus der ersten<br />

Vortragsreihe 400 Schillinge. Der zweite Kurs, vom 20. Februar bis 10. April des<br />

darauffolgenden Jahres, brachte mit 100 Schillingen wesentlich weniger ein. jeder<br />

Kurs bestand aus acht Vorträgen (vermutlich analog dem ursprünglichen Mondsee-<br />

Plan). Die erste Reihe führte den Titel: „Der Weg zur Komposition in zwölf<br />

Tönen.“ <strong>Webern</strong> sah, daß zurn gründlichen Verständnis der Zwölftonmusik<br />

elementare Unterweisung in größerem Umfang erforderlich war, und unternahm<br />

deshalb im folgenden Kurs eine grundlegende Untersuchung zum mehr allgemeinen<br />

Thema „Der Weg zur Neuen Musik“ . (Dieser Titel wurde auch für die posthume<br />

Veröffentlichung beider Vortragsreihen gewählt, in der die Reihenfolge der beiden<br />

Kurse umgestellt wurde.3)<br />

Die Unmittelbarkeit, Prägnanz und Beredtheit, mit denen der Komponist seine<br />

Thesen ausbreitete, machten diese Vorträge zu Grundpfeilern der <strong>Webern</strong>-<br />

Literatur. Der Herausgeber Willi Reich gibt in seinem Vorwort einen Bericht aus<br />

erster Hand: „Diese [Vorträge] erscheinen hier genau nach dem Stenogramm . . .<br />

In dieser Form geben sie zugleich mit ihrem kostbaren Inhalt auch einen höchst<br />

lebendigen Begriff <strong>von</strong> der eigenartig drastischen und ungezwungenen Redeweise<br />

<strong>Webern</strong>s und damit auch <strong>von</strong> seiner wunderbaren, hohe Bildung und schärfstes<br />

künstlerisches Denken mit fast kindlichem Gemütsausdruck vereinenden reinen<br />

Persönlichkeit . . . Die außerordentliche Kürze mancher Texte, insbesondere des<br />

339


Zyklus vom Jahre 1932, ist dadurch zu erklären, daß <strong>Webern</strong> an jenen Abenden<br />

weniger sprach und dafür ganze Werke oder einzelne Sätze am Klavier vortrug. Die<br />

gelegentlich vorkommenden Wiederholungen wurden <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> ganz bewußt<br />

zum Zwecke der Intensivierung und Steigerung seiner Ausführungen angebracht,<br />

ebenso wie häufige lange Pausen und tiefes Atemholen. Dies alles war wesentlich<br />

mitbestimmend für die unerhörte Eindringlichkeit seiner Rede und für den<br />

erschütternden Eindruck, den sie in allen Hörern hervorrief. . . Es steht hier kein<br />

Wort, das nicht <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> selbst ausgesprochen wurde - in jener feurigen und<br />

doch verhaltenen Art ausgesprochen, die jede Begegnung mit ihm zu einem<br />

unvergeßlichen Erlebnis machte. Als Abglanz solchen Erlebens seien diese<br />

Vorträge der Nachwelt überliefert - als Zeichen des Dankes für all das Schöne und<br />

Tiefsinnige, das er uns durch seine Lehre und durch sein Beispiel vermittelte; als<br />

Dokumentation seines hohen Geistes, als ein Denkmal seines edlen Menschentums.<br />

Wer Ohren hat zu hören, der höre!“<br />

<strong>Webern</strong>s Umzug in die Stadt brachte eine sofortige Zunahme der Zahl seiner<br />

Privatschüler mit sich. Während seines letzten Jahres in Mödling waren es nur zwei<br />

gewesen, als aber sein Studio leichter erreichbar wurde, wuchs ihre Zahl während<br />

des ersten Halbjahrs 1932 auf sechs. Im Kontobuch verzeichnete <strong>Webern</strong> die<br />

Namen seiner Schüler wie auch alle sonstigen Einkünfte in Abkürzungen. Sie sind<br />

allerdings nicht schwer zu entziffern, und die Namen der Schüler wie auch die Dauer<br />

ihrer Studien sind somit leicht festzustellen. Schüler, die <strong>Webern</strong> umsonst<br />

unterrichtete, werden nicht erwähnt, da sein Kontobuch in erster Linie als Unterlage<br />

für die Einkommensteuer diente. (Stefan Wolpe, der zur Zeit seines Studiums<br />

mittellos war, war einer <strong>von</strong> ihnen.)<br />

Nachdem <strong>Webern</strong> wegen seiner Erkrankung während des ganzen Herbstes 1931<br />

nicht dirigieren konnte, fand er sich für den Rest der Konzertsaison umso stärker<br />

gefragt. Am Sonntag, 31. Januar, leitete er ein Funkkonzert mit Schönbergs<br />

Begleitungsmusik und Brahms’ Serenade D-Dur. Nach zwei vorangegangenen<br />

Verschiebungen des Werkes <strong>von</strong> Schönberg, war <strong>Webern</strong> glücklich, seinem<br />

Komponisten am nächsten Tag berichten zu können: „Ich glaube es ist nicht schlecht<br />

gewesen. Die Musiker hatten sich wirklich die allergrößte Mühe gegeben und ich<br />

habe in größter Harmonie mit ihnen musiziert ~~fast wie noch niemals vorher. Ja,<br />

natürlich, ich stelle mir Dein Stück noch anders vor —aber man kann ja nicht die<br />

nötigen Proben bekommen! Ich könnte es jetzt schon auswendig dirigieren. Es ist<br />

ein wunderbares Stück, über alle Maßen aufregend. Ein herrlicher Klang. Großartig<br />

das Gefüge dieser Gedanken. Und dieses Ende! Dieser Epilog. Unerhört, liebster<br />

Freund! Gar nicht auszuhalten!“<br />

<strong>Webern</strong>s Befriedigung war allerdings mit gewisser Sorge vermischt. Nach seiner<br />

Rückkehr <strong>von</strong> der Jury-Sitzung der IGNM in Berlin hatte er das Werk auf das<br />

Programm des Juni-Musikfests der Gesellschaft in Wien gesetzt und den Komponisten<br />

da<strong>von</strong> verständigt. Als es so weit war, sperrte sich Schönberg. Die <strong>von</strong> ihm<br />

verlangte Entschuldigung <strong>von</strong> Dent war noch nicht eingegangen, und deshalb lehnte<br />

er auch weiterhin die Programmierung irgendeines seiner Werke in einem unter der<br />

Ägide der IGNM stattfindenden Konzert kategorisch ab. In seinem Brief an <strong>Webern</strong><br />

340


vom 7. Januar 1932 begründete er seinen Standpunkt „schonungslos“ - wie er es<br />

selbst nannte - in einem aus sechs Punkten bestehenden Resümee, dessen Schluß<br />

lautete: „Du wirst Dich vielleicht erinnern, daß ich seinerzeit erklärt habe, nur wenn<br />

. . . [Dent] aus dem Vorstand herausgeschmissen würde, käme diese Gesellschaft<br />

noch für mich in Betracht. Das ist nicht geschehen und somit existiert die<br />

Gesellschaft für mich nicht. Bitte sei mir nicht bös: ich kann das nicht anders<br />

ansehen!“4<br />

Schönberg, der sich der Rolle, die er in der zeitgenössischen Musik spielte,<br />

durchaus bewußt war, nahm es lieber in Kauf, als schwierig und eigensinnig zu<br />

gelten, als irgend eines seiner Prinzipien zu opfern. Einmal beleidigt, verharrte er in<br />

seinem Groll und war durch nichts zum Einlenken zu bewegen, bis der schuldige Teil<br />

gedemütigt war. Der Briefwechsel mit <strong>Webern</strong>, in dem er seinen Standpunkt<br />

verteidigte, ist ebenso weitschweifig wie umfangreich. In die Angelegenheit wurde<br />

auch Dr. Bach hineingezogen, der als Präsident der Wiener Sektion für die<br />

Programmplanungen verantwortlich war, und sogar Alban Berg wurde in die<br />

Auseinandersetzung verwickelt. Hochgespielt wurde die Angelegenheit noch durch<br />

Schönbergs distanzierte Haltung gegenüber seiner Vaterstadt Wien, <strong>von</strong> der er sich<br />

nicht genügend geachtet wähnte. <strong>Webern</strong> bat ihn geradezu kniefällig, seine Meinung<br />

zu überdenken, aber erst bei ihrer persönlichen Begegnung in Barcelona Anfang<br />

April kam ein Kompromiß zustande: Schönberg willigte ein, daß zwei seiner Werke<br />

in einem Arbeitersymphonie-Sonderkonzert, das gleichzeitig mit dem IGNM-Fest<br />

im Juni stattfinden sollte, gespielt werden dürften. Bevor es jedoch zu dieser Lösung<br />

kam, machte <strong>Webern</strong> viel Ärgerliches durch: „Ich bitte Dich wieder, mir noch ein<br />

paar beruhigende Worte zu sagen“, schrieb er am 1. Februar. „ Denn ich kann<br />

wirklich nicht existieren bei dem Gedanken, du könntest mir nicht gut sein u. seist der<br />

Meinung, daß ausgerechnet ich in dieser Sache einen Fehler gemacht hätte. Diese<br />

verdammte Gesellschaft! Wäre ich doch nicht in diese Jury gegangen. Insoferne<br />

verdiene ich ja wirklich Strafe!“<br />

Inmitten dieser Aufregungen hatte <strong>Webern</strong> ein Konzert vorzubereiten, das er auf<br />

Einladung der Pan-American Association of Composers dirigieren sollte. Diese<br />

Gesellschaft hatte soeben begonnen, ihre Tätigkeit auch auf den europäischen<br />

Kontinent mit einem all-amerikanischen Konzert in Paris auszudehnen.3 Als<br />

Adolph Weiss Anfang 1931 mit <strong>Webern</strong> über einen Aufenthalt in Amerika<br />

korrespondierte, unterbreitete er ihm den Plan zu einem ähnlichen Konzert in Wien.<br />

Am 15. Februar hatte ihm <strong>Webern</strong> geschrieben: „Ich erkläre mich mit Vergnügen<br />

bereit, in Wien zu dirigieren, und zwar auf Grund eines <strong>von</strong> Ihnen selbst<br />

vorgeschlagenen Programmes. Und auch dazu, dieses Programm eventuell in Berlin<br />

zu wiederholen.“ Er empfahl Steuermann als Solisten für den Fall, daß an ein<br />

Klavierkonzert gedacht sein sollte, schloß aber die Möglichkeit einer Mitwirkung<br />

des Singvereins aus. Sein Kostenvoranschlag für ein derartiges Konzert belief sich<br />

auf insgesamt „maximal 800 Dollars“. Die Aufschlüsselung der Kosten enthielt<br />

außer Plakatierung und Agentenprovision die Miete für das Orchester für zwei<br />

Proben und Konzert (etwa 500 Dollars), für den Saal (etwa 100 Dollars) und seine<br />

Gage (100 Dollars). Er schlug die Wiener Symphoniker mit ungefähr 72 Spielern<br />

341


vor und die Wiener Konzerthausgesellschaft für das gesamte Arrangement<br />

einschließlich Saal. <strong>Webern</strong>, der hier seine Erfahrung mit den Mechanismen eines<br />

öffentlichen Konzerts unter Beweis stellte, riet sogar dazu, das Ereignis durch den<br />

Rundfunk übertragen zu lassen, um mit einer <strong>von</strong> der Ravag zu erwartenden<br />

Sendegebühr <strong>von</strong> 120 Dollars zur Verringerung der Kosten beizutragen.<br />

Bis zum September 1931 war der Plan so weit gediehen, daß der Mittlere<br />

Konzerthaussaal für den 15. November gebucht werden konnte, doch erzwang<br />

<strong>Webern</strong>s Erkrankung eine Verschiebung auf Sonntag, 21. Februar 1932. Inzwischen<br />

war auch die Idee eines reinen Orchesterkonzerts modifiziert worden. Nach<br />

Durchsicht der Partituren kam <strong>Webern</strong> zu der Überzeugung, daß es unmöglich sei,<br />

so vielen schwierigen Werken mit nur zwei Proben gerecht zu werden. Über den<br />

Einspruch <strong>von</strong> Henry Cowell hinweg, der zu den letzten Vorbereitungen nach Wien<br />

gekommen war, wurde das Programm abgeändert, so daß es nur noch Kompositionen<br />

enthielt, die mit einem Kammerorchester gespielt werden konnten, daß also<br />

große symphonische Besetzung entfiel. Was dann als Programm übrigblieb, waren<br />

Werke für kleine Ensembles.<br />

Außer der Leitung der Orchesterwerke <strong>von</strong> Ruggles, Weiss und Cowell dirigierte<br />

<strong>Webern</strong> auch das Holzbläserensemble in Rieggers Drei Kanons. Die Pan-American<br />

Association of Composers übernahm die Garantie für die Deckung der Unkosten<br />

und das Konzertpatronat. In das letztere teilte sich nominell auch die Wiener<br />

Sektion der IGNM. Der Botschafter der Vereinigten Staaten in Österreich, Mr.<br />

Gilchrist B. Stockton, übernahm die offizielle Schirmherrschaft. Auf Ersuchen <strong>von</strong><br />

Henry Cowell betätigte sich <strong>Webern</strong>s amerikanischer Schüler Gordon Claycombe<br />

als Koordinator für Presseeinladungen und das Mobilisieren des Interesses bei den<br />

Mitgliedern der Botschaft der USA und dem Wiener American Women’s Ciub. In<br />

sein Tagebuch schrieb Claycombe am 16. Februar: „Erste Probe . . . dauerte den<br />

ganzen Vormittag. <strong>Webern</strong> probt derart gründlich, jeden Takt, Phrase für Phrase.“<br />

Sein Kommentar zur zweiten Sitzung: „Nach dreistündiger Arbeit beendete<br />

<strong>Webern</strong> die Probe. Was für anstrengende drei Stunden!“<br />

Das Konzert erhielt seine Bedeutung dadurch, daß der Wiener Öffentlichkeit zum<br />

ersten Mal ein repräsentativer Querschnitt durch die zeitgenössische amerikanische<br />

Musik vorgestellt wurde. Ein Einführungsvortrag, den Dr. Paul Stefan hielt, wurde<br />

deshalb als angebracht erachtet. Das Konzert, das einen rauschenden Erfolg hatte,<br />

war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Claycombe erinnert sich, daß <strong>Webern</strong> für<br />

keine der Kompositionen großen Enthusiasmus zeigte, daß er sich aber seiner<br />

Aufgabe mit unfehlbarer Kompetenz entledigte. <strong>Webern</strong> selbst war mit dem<br />

Ergebnis durchaus zufrieden und beschrieb das Konzert in einem langen Bericht an<br />

Weiss. Dieser hatte übrigens - nicht zuletzt durch die Empfehlungen <strong>von</strong> Schönberg,<br />

Berg und <strong>Webern</strong> - gerade den Guggenheim-Preis für Musik erhalten. Er setzte sich<br />

auch weiterhin für <strong>Webern</strong> in den Vereinigten Staaten ein. Darauf spielte <strong>Webern</strong><br />

an, als er ihm am 7. Mai schrieb: „Daß Sie sich für mich bei der philharmonischen<br />

Gesellschaft in New York bemühen, ist sehr lieb <strong>von</strong> Ihnen.“<br />

In diesem Frühjahr wurde Goethes hundertster Todestag (22. März 1832) im<br />

ganzen deutschen Sprachraum begangen. Am Sonntag, 13. März, veranstaltete die<br />

342


PRO G RA M M<br />

1. Einleitender Vortrag <strong>von</strong> Dr. Paul Stefan<br />

2. CARL R U G G L E S : Portals<br />

3. CHARLE'S IVES j<br />

AARON COPLAND l Gesänge<br />

A. GARCIA CATURLA l<br />

4. I.IENRY COWELL: Sinfonietta (2. Satz.)<br />

5. W ALLINGFORD RIEGGER; 3 Canons für Hoizbläse--<br />

6 . CARLO S C H A V E Z : Sonatine für Violine und Klavier<br />

7. ADOLPH W E IS S : Kam mersym phonie Q2. S a tz )<br />

S ä m tlic h e W e rk e s in d fü r W ie n E r s ta u ffü h r u n g e n<br />

A U S F Ü H R E N D E :<br />

F ra u R U -Z E N A FIERLINGEiE? (T 5 © s a n g ). K Ü R T F~U O F IS O tiL B<br />

("V io lin e ). D r. I:;:>ÄUL. A. P IS K ( K la v ie r ) , D r. E R IC H S IM O N ( K la v ie r ) .<br />

D r. H A N S t.E W IT U S ( K la r in e tte ) , KAMILLO V A N A U S E K ( F lö te ) .<br />

H A N S H A N A K ( O b o e ) , O T T O SCHIEDER ( F a g o u ) u n d e in<br />

K a r n m e r o r c h e s te r<br />

D irig e n t: D r.A N T O N WEBERN<br />

•/' \<br />

Programm eines Konzerts amerikanischer Musik (21, Februar 1932)<br />

Wiener Arbeiterschaft ihre eigene Goethe-Feier mit einem Arbeitersymphoniekonzert,<br />

das ausschließlich Kompositionen nach Texten des großen Dichters gewidmet:<br />

war. Das Ereignis fand im Großen Konzerthaussaal statt. Die Beiträge des<br />

Singvereins zum Programm bestanden aus Beherzigung und Gesang der Parzen <strong>von</strong><br />

Brahms, Meeresstille und glückliche Fahrt <strong>von</strong> Beethoven und Erste Walpurgisnacht<br />

<strong>von</strong> Mendelssohn. Außerdem dirigierte <strong>Webern</strong>. Ernst Kreneks Orchestersuite aus<br />

der Bühnenmusik zu Triumph der Empfindsamkeit. Das Programm wurde<br />

vervollständigt durch Sololieder und Duette <strong>von</strong> Beethoven, Schubert und Wolf.<br />

Der Erfolg des Konzerts fand seine Bestätigung in der Presse. Die Wiener Zeitung<br />

343


(16. März) berichtete: „Besonders im Gesang der Parzen überraschte der Singverein<br />

durch tadellose Intonation, Präzision und musikalisches Temperament. <strong>Webern</strong><br />

bringt die vortrefflichen Aufführungen vor allem durch seine innere Leidenschaft<br />

zustande.“ Am folgenden Sonntag, 20. März, wirkte <strong>Webern</strong> bei einer weiteren<br />

Goethe-Feier (im Deutschen Volkstheater) mit, bei der er die Wiener Symphoniker<br />

in Richard Wagners Faust-Ouvertüre dirigierte. Als er Schönberg drei Tage zuvor<br />

über diese Aktivitäten berichtete, klagte er über erneutes Unwohlsein: „Ich bin<br />

nach wie vor recht schlecht beinander (der Magen!) u. werde im Sommer wohl<br />

endlich was Gründliches dagegen thun müssen.“<br />

Zunächst hatte <strong>Webern</strong> allerdings die Konzertsaison durchzustehen. Am 1. April<br />

reiste er nach Barcelona, wobei ihn Eduard Steuermann auf der langen Bahnfahrt<br />

begleitete. Auf Schönbergs Initiative hin waren beide eingeladen worden, in der<br />

spanischen Metropole mit dem Orquesta Pau Casals, das der berühmte Cellist 1919<br />

gegründet hatte, zu konzertieren. Roberto Gerhard, ein früherer Schönberg-<br />

Schüler, hatte die Vorkehrungen hierzu getroffen.6 <strong>Webern</strong> sollte zwei Konzerte<br />

dirigieren, am 5. und 7. April. Das Programm des ersten enthielt Haydns Symphonie<br />

D-Dur (Die Uhr), Schuberts Deutsche Tänze in <strong>Webern</strong>s Orchestrierung, <strong>Webern</strong>s<br />

Sechs Stücke op. 6 und Passacaglia op. 1 sowie Beethovens Siebte Symphonie. Das<br />

Programm des zweiten Konzerts bestand aus Schuberts Symphonie h-Moll (Die<br />

Unvollendete), Schönbergs Begleitungsmusik, Beethovens Klavierkonzert Es-Dur<br />

und Mahlers Vierter Symphonie. Für jedes Konzert gab es drei Proben.<br />

<strong>Webern</strong> und Steuermann trafen am 3. April in Barcelona ein, gerade noch<br />

rechtzeitig, um am Abend einem <strong>von</strong> Schönberg dirigierten Konzert beizuwohnen.<br />

Auf einer Ansichtspostkarte vom 9. April übermittelte <strong>Webern</strong> seiner Schwester<br />

Rosa und ihrem Mann einige seiner Eindrücke: „Ich wünschte, Ihr könntet das auch<br />

einmal sehn! Herrlich ist es hier. Palmen, Oliven, viele immergrüne Bäume, schöne<br />

Blumen. Doch eigentlich nicht besonders wann. Konzerte gelangen sehr schön. Ein<br />

großartiges Orchester . . . Wohne hier in einem prachtvollen Hotel. Denkt, die<br />

Konzerte sind hier erst um 10 h abends. Das zweite, das ich dirigierte war erst um 1 h<br />

nachts aus. Auch Proben um Mitternacht gewesen.“ Am gleichen Tag teilte er Alban<br />

Berg mit: „Schönbergs Konzert prachtvoll, insbesondere Pelleas habe ich nie so<br />

gehört. Orchester ganz hervorragend. Das beste, das ich je dirigierte! Und so sind<br />

auch meine Konzerte - glaube ich - sehr schön ausgefallen. Ich bin wirklich im<br />

höchsten Grade befriedigt. Jetzt Tage der Erholung bei Schönberg. Er wohnt<br />

unbeschreiblich schön.“<br />

Am 13. April reiste <strong>Webern</strong> wieder <strong>von</strong> Barcelona ab und begab sich zunächst<br />

nach Paris, wo das Kolisch-Quartett am 15. April ein Konzert gab, in dem auch<br />

Schönbergs Verklärte Nacht auf dem Programm stand. <strong>Webern</strong>s Anwesenheit im<br />

Saal gab den Anstoß zu einer improvisierten Aufführung <strong>von</strong> drei Sätzen aus seinem<br />

Opus 5. Am folgenden Tag fuhr er nach Wien. Wieder zuhause, konnte er auf eine in<br />

jeder Hinsicht befriedigende Reise zurückblicken, bei der sein langer Besuch bei<br />

Schönberg, den er seit Oktober 1930 nicht gesehen hatte, einer der Höhepunkte<br />

war. In seinem Kontobuch verzeichnete er als Nettoverdienst an den Konzerten in<br />

Barcelona den Betrag <strong>von</strong> 2140 Schillingen.<br />

344


Wie schon bei früheren Maifeiern, wurde <strong>Webern</strong> wieder zu einem Rundfunk -<br />

konzert auf gef ordert. Das Programm vom 1. Mai 1932 bestand aus Beethovens<br />

Ouvertüre zum Ballett Die Geschöpfe des Prometheus, Mozarts Violinkonzert D-<br />

Dur KV 211 (Solist Oskar Adler) und Beethovens Zweiter Symphonie.<br />

Ein paar Tage später, am 9. Mai, starb Emil Hertzka. Die Universal Edition verlor<br />

mit ihm ihren Gründer und Direktor, dessen fortschrittliche Verlagspolitik dem<br />

Unternehmen zu internationalem Ruf verholfen hatte. Der Verleger war den<br />

Komponisten seiner Ära ein treuer Freund gewesen, und sein Tod rief weithin<br />

Trauer hervor. Viele Musiker, unter ihnen auch <strong>Webern</strong>, fanden sich spontan<br />

zusammen, um eine Emil-Hertzka-Gedächtnis-Stiftung ins Leben zu rufen, ein<br />

Tribut, wie er angemessener nicht hätte sein können, war er doch dazu bestimmt,<br />

jungen begabten Komponisten ihren Weg zu erleichtern.<br />

Im gleichen Monat liefen die Vorbereitungen für das bevorstehende IGNM-Fest<br />

auf vollen Touren. <strong>Webern</strong>, überlastet <strong>von</strong> den Proben, sehnte sich nach einer<br />

kurzen Atempause. „Ich gehe jetzt in die Berge!“, schrieb er dem Ehepaar <strong>Humplik</strong><br />

am 4. Juni. „Ich muß mich etwas auslaufen. Ich steige auf ,meine1Hütte auf der<br />

Schneealpe zur Nachtzeit. Morgen früh auf dem Gipfel.“ In den Briefen an diese<br />

Freunde teilte er ihnen alles mit, was ihn bewegte, vom Künstlerischen bis zum<br />

Persönlichen. Schon im Frühjahr, am 8. März 1932, hatte er ihnen sein Herz<br />

ausgeschüttet: „Hier in Wien wird es immer entsetzlicher - was man mir da täglich<br />

(fast) antut, ist schon kaum mehr erträglich. Von Berlin erhielt ich wieder<br />

Nachrichten. Vielleicht kommt da die Rettung für mich aus diesen furchtbaren<br />

Wiener Verhältnissen.“ Auf was <strong>Webern</strong> hier anspielte, war die Hoffnung auf eine<br />

Stellung, die ihn endlich wieder an die Seite Schönbergs bringen würde. In seiner<br />

Geburtsstadt hatte er das Maß an Anerkennung gefunden, das er erwarten konnte,<br />

er war sich aber durchaus darüber im klaren, daß dort der Hauptstrom des<br />

Musikgeschehens stets an ihm vorübergehen würde. Zugegeben, seine Qualitäten<br />

wurden in einer begrenzten Sphäre gewürdigt: In diesem Jahr wählte ihn die Wiener<br />

Sektion der IGNM als Nachfolger <strong>von</strong> Dr. Bach zu ihrem Präsidenten, und auf der<br />

Dirigentenliste des Festes, auf der Namen wie Einest Ansermet zu finden waren,<br />

nahm er einen prominenten Platz ein.<br />

Im Eröffnungskonzert des X. Internationalen Musikfests der IGNM, am 16. Juni,<br />

stellte <strong>Webern</strong> Roberto Gerhards Sechs katalonische Lieder für Sopran und<br />

Orchester vor, für deren Aufnahme ins Programm er sich eingesetzt hatte.7 Im<br />

Konzert am 20. Juni dirigierte er („mit außerordentlicher Gestaltungskraft“ , wie ein<br />

Kritiker befand) Durch die Nacht, einen Liederzyklus <strong>von</strong> Ernst Krenek nach<br />

Gedichten <strong>von</strong> Karl Kraus. Der Höhepunkt des Festes war das Arbeitersymphoniekonzert<br />

im Großen Musikvereinssaal am Dienstag, 21. Juni. Das Programm, als<br />

„Wiener Konzert“ angekündigt, war ganz nach <strong>Webern</strong>s Geschmack: Schönbergs<br />

Friede auf Erden und Begleitungsmusik, Bergs Der Wein und Mahlers Zweite<br />

Symphonie.8<br />

Dein Konzert war ein überwältigender Erfolg beschieden, den auch die Presse<br />

ohne Einschränkung bestätigte. Die Neue Freie Presse (26. Juni) sprach <strong>von</strong> der<br />

„Inbrunst und Ekstase“ bei <strong>Webern</strong>s Interpretation der Zweiten Mahler: „Die<br />

345


Besessenheit des Dirigenten riß alle Mitwirkenden zu außergewöhnlichen Leistungen<br />

empor.“ Die Wiener Freie Presse (23. Juni) verwies auf die soziologische<br />

Bedeutung dieses historischen Ereignisses, bei dem Mitglieder der Arbeiterklasse<br />

an einem IGNM-Fest teilnahmen, das traditionsgemäß Reservat anspruchsvoller<br />

Geschmacksrichtungen ist. Die Wiener Zeitung (23. Juni) zollte den Ausführenden<br />

gleichermaßen Beifall für ihre kulturellen Aspirationen und bescheinigte <strong>Webern</strong>,<br />

er sei ein „opferwilliger“ Künstler und ein „fanatisch-hingegebener Dirigent“.<br />

Schönbergs Begleitungsmusik, die <strong>Webern</strong> bereits am 31. Januar im Funk<br />

vorgestellt hatte, erklang erstmals in einem Wiener Konzertsaal. Die Aufnahme war<br />

derart enthusiastisch, daß der Applaus noch lange bis in die Pause hinein andauerte,<br />

wie <strong>Webern</strong> dem Komponisten am 4. Juli berichtete. Bergs Der Wein war<br />

gleichermaßen erfolgreich. Diese Konzertarie für Sopran und großes Orchester<br />

nach drei Gedichten <strong>von</strong> Baudelaire in der Übersetzung <strong>von</strong> Stefan George war<br />

1929 <strong>von</strong> Ruzena Herlinger bestellt worden. Sie sang die Uraufführung des Werkes<br />

im Jahr 1930 und war auch die Solistin der ersten Wiener Aufführung, die in einer<br />

Ovation für den Komponisten gipfelte.<br />

Mme. Herlinger übernahm auch eine der Solopartien in der Zweiten Symphonie<br />

<strong>von</strong> Mahler, der Auferstehungssymphonie, Höhepunkt und umjubelter Abschluß<br />

des Abends. Zu diesem denkwürdigen Konzert vereinigte sich der Singverein<br />

wiederum mit dem Chor der Freien Typographia. <strong>Webern</strong> hatte mit dem letzteren<br />

Chor acht Proben abgehalten, bevor der Massenchor <strong>von</strong> etwa 300 Sängern sich<br />

vereinigte. Sein Auftritt auf dem Podium in Schönbergs Friede auf Erden und in<br />

Mahlers Zweiter Symphonie war höchst eindrucksvoll. Die Wiener Freie Presse<br />

berichtete: „Des Dirigenten außerordentliche Musikalität, seine Führerbegabung,<br />

seine Gestaltungskraft, die sich in der Mahlerschen Symphonie ins Gigantisch-<br />

Geniale steigerte, schuf eine Ausnahmeleistung. Er durchflutete mit persönlichem<br />

Erleben das Werk und führte aus der Niederung des Kämpfern und Ringens Chor,<br />

Solisten und Orchester zur reinen Höhe des tief überzeugten gemeinsamen<br />

Bekenntnisses eines unerschütterlichen Glaubens an eine geistige Auferstehung<br />

empor. Die Hörer, die den Saal bis auf den letzten Platz besetzt hielten - noch viele<br />

andre mußten vor der ausverkauften Abendkasse umkehren waren gepackt,<br />

erschüttert, erhoben, und ihr Dank an den Dirigenten und alle Mitwirkenden<br />

machte sich in einem Ausbruch des Jubels Luft.“<br />

So groß <strong>Webern</strong>s Genugtuung über solches Lob auch gewesen sein muß, seine<br />

schönste Belohnung kam mit Schönbergs Brief vom 12. August: „Man hat rnir sehr<br />

viel vom Wiener Musikfest erzählt. D. h. hauptsächlich <strong>von</strong> Deinen Leistungen.<br />

Alles ist sehr begeistert und keiner will begreifen, daß inan Dir noch keine<br />

Gelegenheit gegeben hat, Dich in Berlin zu zeigen. Ich denke noch sehr oft an die<br />

fabelhaften zwei Konzerte, die Du in Barcelona dirigiert hast; es gibt nichts, was<br />

damit in einem Atem genannt werden könnte.“9<br />

Während der ganzen Konzertsaison hatte <strong>Webern</strong> wieder einmal sein angegriffener<br />

Gesundheitszustand zu schaffen gemacht. Die Festvorbereitungen hatten ihn bis<br />

an die Grenzen seines Durchhaltevermögens beansprucht, und er erlitt während der<br />

letzten Probe zur Mahler-Symphonie einen Ohnmachtsanfall. Ruzena Herlinger<br />

346


telefonierte sofort mit Professor Singer, einer führenden Wiener Kapazität, der<br />

darauf bestand, <strong>Webern</strong> unverzüglich zu sehen. Die Konsultation veranlaßte Dr.<br />

Singer, den Patienten gleich nach dem Konzert in das Krankenhaus der Rudolfstiftung<br />

einzuweisen. Eine gründliche Untersuchung, die sich über zwölf Tage<br />

erstreckte, ergab zwar keine organische Erkrankung, doch lautete die Diagnose auf<br />

eine nervöse Beeinträchtigung der Magen- und Darmregion. Eine ausgedehnte Kur<br />

wurde verordnet. Resigniert schrieb <strong>Webern</strong> am 4. Juli Schönberg <strong>von</strong> seinem<br />

Krankenhausbett: „Leider werde ich den Sommer statt zur Arbeit zur Erholung<br />

benützen müssen. Ich kann so nicht mehr weiter.“<br />

Dr. Singer ordnete zunächst einen längeren Aufenthalt in der Kuranstalt<br />

Friedmann in Vöslau-Gainfarn in der Nähe <strong>von</strong> Wien an, damit er sich in kurzen<br />

Zeitabständen vom Fortschritt des Patienten vergewissern könnte. Die Behandlung<br />

sah Injektionen, Medikamente, Bäder, strenge Diät und Bettruhe vor. Über sein<br />

Geschick nachsinnend, stellte <strong>Webern</strong> am 30. Juli an Schönberg die Frage: „Aber<br />

woher schließlich diese Zustände, die mich zuletzt wieder sehr gemartert hatten?“<br />

Schönberg wartete mit einer einleuchtenden Erklärung auf, als er am 12. August<br />

antwortete: „Du fragst, woher alle diese Zustände kommen. Ich glaube (es klingt<br />

veraltet, aber ich muß es doch sagen und mit dem veralteten Ausdruck, den man<br />

dafür gebraucht hat) vom Gemüt! Ich glaube, Du regst Dich bei allem zu viel auf. Ob<br />

Du nun dirigierst, eine Probe hältst, eine Sache durchsetzen mußt, eine Kritik<br />

erfährst, und wer weiß bei wievielen Gelegenheiten noch: immer gibst Du zuviel<br />

Herz. (Wüßte ich’s nicht <strong>von</strong> mir selber, verstünde ich es auch bei Dir nicht so gut.)<br />

Ich glaube: wenn Du ein halbes Jahr keinen Ärger und keine Aufregungen, also<br />

keine Gelegenheit dazu hättest, würdest Du gesund sein. Das ist natürlicherweise<br />

bei unserem Beruf nicht leicht. Aber doch nicht ganz unmöglich.“10<br />

Während seines Aufenthalts in Gainfarn vom 16. Juli bis 6. August fühlte <strong>Webern</strong><br />

sich einsam und vermißte seine Familie. Er sorgte sich über Amalie, die an einem<br />

Nierenstein litt, dem ersten ernstlichen Symptom einer chronischen Erkrankung, die<br />

im Verlauf der Jahre mehrere Operationen notwendig machte. Es gab aber einen<br />

Anlaß zu großem Bedauern: es war Sommer, die einzige Zeit für ungestörtes<br />

Komponieren. Und ein verlorener Sommer bedeutete, daß ein ganzes Jahr der<br />

schöpferischen Arbeit verlustig ging. Wenigstens gab es keinen Anlaß zu finanziellen<br />

Sorgen dank Dr. Singers Großzügigkeit, auf sein. Honorar zu verzichten11, und<br />

einem einmaligen „Kurbeitrag“ <strong>von</strong> 1000 Schillingen, den die AKM, die Gesellschaft<br />

für die Wahrnehmung der Urheberrechte der Autoren, Komponisten und<br />

Musikverlage, zur Verfügung stellte.<br />

Von Gainfarn wurde <strong>Webern</strong> in die Kuranstalt Dr. J. Arditti in Bad Fusch<br />

überwiesen, einem schön gelegenen Badeort, berühmt für seine radioaktiven<br />

Quellen. Bei seinem Aufenthalt vorn 12. bis 28. August wurde er völlig<br />

wiederhergestellt. Vier Tage nach seiner Ankunft schrieb er an Schönberg:<br />

„Zunächst möchte ich Dir nur gleich mitteilen wo ich bin: ganz in den höchsten<br />

Bergen. In unmittelbarer Nähe der Gletscher der Hohen Tauern. Ich sehe sie alle<br />

Tage u. atme diese unbeschreibliche Luft, ich muß schon sagen, mit der größten<br />

Andacht. Du kennst ja meine Neigung dafür. Und diese Athmosphäre wirkt


Wunder! Jetzt geht’s mit Riesenschritten. Ich gehe auf wie ein Germteig, in dieser<br />

Sonne - in dieser Luft.“ Am gleichen Tag beschrieb <strong>Webern</strong> Berg seine<br />

Behandlung: „In einer Lärchenholz-Wanne legt man sich in dieses unbeschreibliche<br />

Wasser. Man wäscht sich damit im Zimmer, man trinkt es im eiskalten Zustande. Da<br />

hat es nur 4° Cels. So entspringt es hier . . . Ich übertreibe nicht, ich fühle mich<br />

bereits so wie einst in den Kindertagen. Lang entbehrtes Gefühl!“<br />

<strong>Josef</strong> Polnauer, der im nahen Uttendorf Ferien machte, kam herüber, um ein paar<br />

Tage mit <strong>Webern</strong> zu verbringen. Ein anderer Besucher war Hans Rosbaud, damals<br />

ständiger Dirigent des Frankfurter Rundfunks, der sich rasch einen Namen als<br />

Vorkämpfer der zeitgenössischen Musik machte.12 Die Briefe, die <strong>von</strong> Bad Fusch an<br />

verschiedene Freunde gingen, bezeugen <strong>Webern</strong>s wachsendes Vertrauen auf die<br />

völlige Wiederherstellung seiner Gesundheit. Er fühlte sich so gestärkt, daß er bald<br />

den Verlockungen des Hochgebirges folgte. Begeistert schilderte er Polnauer am 25.<br />

August einen seiner Ausflüge: „Ich habe hier das ,Kuh-Kar-Köpfel‘ (schnell<br />

hintereinander auszusprechen) bestiegen. Es ist nicht ganz so hoch wie der<br />

Schwarzkopf, hat aber eine unbeschreibliche Fernsicht. Ein Rundblick, der im<br />

ersten Anprall fast beängstigend auf mich gewirkt hat. Mein lieber, dieser Anblick<br />

der Hohen Tauern! Der Großglockner bis tief herab zum Pasterzengrund sichtbar,<br />

alles überragend. Es war ein wolkenloser Tag! Nun stelle Dir das vor! Ich glaube jetzt<br />

bin ich gesund.“<br />

In bester seelischer Verfassung reiste <strong>Webern</strong> am 28. August <strong>von</strong> Bad Fusch nach<br />

Wien. Dort stürzte er sich sofort in die Arbeit, die mit dem Umzug <strong>von</strong> der<br />

Penzingerstraße in sein neues Heim in Maria Enzersdorf auf ihn zukam. Noch <strong>von</strong><br />

Bad Fusch am 25. August gab er Schönberg diese anschauliche Beschreibung: „Es<br />

ist eine sehr nette Villa. Wir werden den 1. Stock u. die Mansarde (die bilden<br />

zusammen die Wohnung) bewohnen. Dazu ein sehr lieber (gerade groß genug)<br />

Garten mit Obstbäumen u. s. w. ausschließlich zu unserer Verfügung. Ruhigste Lage<br />

. . . Es ist der Hang unterm Liechtenstein (Schloß Liechtenstein]. Unsere Gasse<br />

führt bis zum Berg. So daß unser Haus, da es das letzte in der Gasse ist, ganz am<br />

Wald, der sich da hinauf zieht, steht. In unmittelbarer Umgebung nur Villen mit<br />

schönen, großen Gärten. So wird’s, denke ich, dort hübsch werden. Günstiger als in<br />

der alten Wohnung [in Mödling].“<br />

Am 5. September bezog die Familie ihre neue Bleibe.13 <strong>Webern</strong> hielt dieses<br />

Ereignis mit einer Notiz im Skizzenbuch III fest zwischen den schon seit langem<br />

liegengebliebenen Entwürfen zum Konzert op. 24, an dem er zwei Wochen später<br />

die Arbeit wiederaufnahm. Der Entschluß sollte sich als ein überaus glücklicher<br />

heraussteilen. Was immer auch die folgenden Jahre <strong>Webern</strong> an zunehmender<br />

beruflicher und persönlicher Isolierung brachten, das Haus „Im Auholz 8“ erwies<br />

sich als ideales Refugium. Es war vor allem der Garten, der zu einer nie versiegenden<br />

Quelle der Freude und Inspiration wurde. In den ans Haus angrenzenden Wäldern<br />

konnte <strong>Webern</strong> Spazierengehen und zu der Gelassenheit finden, die für sein<br />

seelisches Wohlbefinden so wichtig war. „Eine herrliche Atmosphäre und vollkommene<br />

Stille. Ich fühle mich sehr wohl. Jetzt will ich an die Arbeit gehen“ , schrieb<br />

<strong>Webern</strong> Schönberg am 13. September, als er ihm zum Geburtstag gratulierte.'<br />

348


Die neue Wohnung hatte fünf Zimmer, und die Monatsmiete (155 Schillinge) war<br />

bescheiden. Wie im alten Heim in Mödling fand <strong>Humplik</strong>s Porträtbüste <strong>von</strong> Gustav<br />

Mahler wieder ihren Ehrenplatz im Eßzimmer, wo sie auf einem schönen<br />

Biedermeiersekretär zur Aufstellung kam. <strong>Webern</strong> setzte sich auch weiterhin für die<br />

Musik dieses Meisters ein: zwei seiner Symphonien führte er in dieser Saison auf, die<br />

Fünfte in einem Arbeitersymphoniekonzert und die Sechste in einer Sendung der<br />

Ravag. „Mir scheint, man fängt doch schon an, mir ein wenig zu vertrauen“,<br />

bemerkte <strong>Webern</strong> ironisch Schönberg gegenüber im selben Geburtstagsbrief. Er<br />

spielte damit auf frühere Sendungen eines sich fortsetzenden Mahlerzyklus an, die<br />

<strong>von</strong> Bruno Walter, Oskar Fried und Oswald Kabasta dirigiert worden waren.<br />

Im Arbeitersymphoniekonzert vom 26. November im Großen Musikvereinssaal<br />

ging Mahlers Fünfter Symphonie eine Aufführung <strong>von</strong> Brahms’ Nänie zu Ehren<br />

seines bevorstehenden hundertsten Geburtstags voraus. Nänie für Chor und<br />

Orchester14, wurde damals (wie heute) kaum aufgeführt, und es war das Verdienst<br />

<strong>von</strong> <strong>Webern</strong> und Bach, daß es zu ihren Prinzipien gehörte, auch solche Werke in ihre<br />

Programme aufzunehmen. Die Leistung des Chors bei der Aufführung des Werks<br />

fand ihre Anerkennung durch Paul A. Pisk in seinem Bericht in der Arbeiterzeitung:<br />

„Es ist eine Ruhmestat des Singvereins unserer Kunststelle, daß dieses Stück mit<br />

seinen kontrapunktischen Schwierigkeiten und mit seinem oft schwer zu gliedernden<br />

Klang gemeistert wurde. <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>, der den Chor schon zu den höchsten<br />

Aufgaben erzogen hat, verstand es auch diesmal, die Sänger nicht nur zum<br />

Ausführen der Noten, sondern zum inneren geistigen Erleben der Musik zu führen.<br />

So gestalteten die Mitglieder des Singvereins die Schillerschen Verse mit tiefster<br />

Anteilnahme, die auch unter den Hörern Ergriffenheit und stürmischen. Beifall<br />

auslöste.“<br />

Noch vor diesem Konzert hatte <strong>Webern</strong> zwei Sendungen für Radio Wien dirigiert.<br />

Die erste am 16. Oktober bestand aus Regers Klavierkonzert f-Moll (Solist. Paul.<br />

Emerich) und Beethovens Erster Symphonie. Das zweite am 1. November enthielt<br />

Händels Konzert A-Dur für Orgel und Orchester, Regers Requiem für Bariton,<br />

Chor und Orchester sowie Beethovens Eroica. Die Mitwirkenden waren der<br />

Organist Franz Schütz, der Bariton E. <strong>von</strong> John, der Singverein und die Wiener<br />

Symphoniker.<br />

Ende des Jahres reiste <strong>Webern</strong> nach Deutschland, um am Frankfurter Rundfunk<br />

ein Konzert zu dirigieren, ein Engagement, das ihm Hans Rosbaud vermittelt hatte.<br />

Die Sendung am 29. Dezember bestand aus Schuberts Unvollendeter, <strong>Webern</strong>s<br />

Orchesterbearbeitung <strong>von</strong> Schuberts Deutschen Tänzen und einem Divertimento in<br />

Es-Dur <strong>von</strong> Mozart. „In Frankfurt hatte ich es sehr schön“, berichtete <strong>Webern</strong><br />

Schönberg am 11. Januar 1933. ,,Verhältnismäßig reichliche Probenzeit. Und<br />

konnte so, glaube ich, recht gute Aufführungen erzielen. Meine Schuberttänze<br />

wurden übrigens auf Schallplatten auf genommen. “15 Uber seinen Gastgeber, der<br />

ihm mehrere Schallplatten seiner eigenen Schönbergaufführungen vorspielte,<br />

schrieb <strong>Webern</strong>: „Es gefällt mir sehr gut, wie Rosbaud musiziert. Ich habe ihn sehr<br />

lieb gewonnen. Er war <strong>von</strong> der höchsten Gastfreundlichkeit, ich habe sogar bei ihm<br />

gewohnt, und er war wirklich unbeschreiblich um mich bemüht!“<br />

349


Im gleichen Brief teilte <strong>Webern</strong> Schönberg mit, daß seine Symphonie op. 21 Ende<br />

Dezember in Brüssel aufgeführt wurde. Der Abschluß des Jahres 1932 bescherte<br />

dem Komponisten auch einen bedeutsamen literarischen Tribut. Theodor Wiesengrund-Adorno<br />

veröffentlichte in der November-Ausgabe der Schweizerischen<br />

Musikzeitung und Sängerblatt ein Essay unter dem Titel „<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>“ . Adorno,<br />

der <strong>Webern</strong>s Musik ein zutiefst fundiertes Verständnis entgegenbrachte und zudem<br />

noch ein scharfsinniger ästhetischer Philosoph war, prophezeite: „Im Gespräch<br />

sagte Alban Berg einmal, die Zeit <strong>Webern</strong>s sei erst in hundert Jahren gekommen;<br />

dann werde man seine Musik spielen, wie man heute Gedichte <strong>von</strong> Novalis und<br />

Hölderlin lese. Nichts könnte genauer die Art <strong>Webern</strong>s als die Extreme <strong>von</strong> Lyrik<br />

charakterisieren, welche <strong>von</strong> ihrer Prägung derart in sich verschlossen wird, daß sie<br />

erst in der Zeit und nicht im bloßen Augenblick des Erklingens sich entfaltet. . .<br />

Man kann sich getrost vorstellen, wie Hölderlins späte Hymnen vor den Zeitgenossen<br />

sich zurückzogen. So zieht <strong>Webern</strong>s Musik vor uns sich zurück; sie sticht in die<br />

Hand, die zu eilig danach tastet.“16<br />

Ein weiteres literarisches Zeugnis war bereits vorher im gleichen Jahr erschienen.<br />

Das dritte Heft des polemischen Musikmagazins 23 (März 1932) brachte Rudolf<br />

Ploderers Artikel „Ecce poeta“, in dem die Gleichgültigkeit der offiziellen Wiener<br />

Institutionen <strong>Webern</strong> gegenüber mit leidenschaftlicher Beredtheit angegriffen<br />

wurde. Wenn auch die begrenzte Verbreitung des Magazins seiner Stimme kaum<br />

Geltung verschaffen konnte, so unternahm es der Autor dennoch anzuprangern, daß<br />

„die ortsübliche Einstellung mithilft, ein schweres Unrecht fortzusetzen, das seit<br />

Jahren an einem der größten und edelsten Künstler verübt wird.“ Mit Nachdruck<br />

erklärte Ploderer: „Es muß einmal . . . in aller Deutlichkeit festgestellt und vor<br />

denen, die nicht hören und nicht sehen wollen, als Bekenntnis niedergelegt werden,<br />

daß wir in Wien in der Persönlichkeit <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>s einen der ganz großen<br />

Musiker der Gegenwart haben, einen Mann, der als Schöpfer neuer unvergänglicher<br />

Werke nicht minder groß ist wie als D irigent. . . Hier lebt in stiller Bescheidenheit<br />

- kaum zwei oder dreimal im Jahre in die Lage versetzt seine gewaltige<br />

Führerpersönlichkeit zu betätigen - ein Dirigent, der durchaus in mindestens die<br />

gleiche Reihe zu stellen ist mit irgendeiner der ,Dirigierkanonen4, die Weltruf<br />

genießen und um deren gelegentliches Gastspiel in Wien alle maßgebenden<br />

Faktoren sich eifrig bemühen, der aber vor den weltberühmten Pultvirtuosen die<br />

unvergleichliche Musikalität der selbstschöpferischen Persönlichkeit voraus hat. Für<br />

Wien ist es aber charakteristisch, daß es einen seiner besten und wertvollsten Söhne<br />

kaum kennt. . . Das selbstschöpferische Werk <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>s aber kann in seiner<br />

mystischen Tiefe und Zartheit, in der unvergleichlichen Neuheit und einmaligen<br />

Besonderheit seines kunstvollen Zusammenhanges ruhig den abseitig-tiefsten<br />

musikalischen Schöpfungen aller Zeiten zur Seite gestellt werden. Erst spätere<br />

Generationen werden dieses Werk in seiner ganzen Tiefe und Tragweite erfassen<br />

können.“<br />

350


23. Schönbergs Emigration —<br />

<strong>Webern</strong>s 50. Geburtstag (1933)<br />

1933. <strong>Webern</strong> war <strong>von</strong> seiner Konzertreise nach Frankfurt noch rechtzeitig<br />

zurückgekommen, um den Anbruch dieses verhängnisvollen Jahres in seinem neuen<br />

Heim in Maria Enzersdorf zu begehen. Wenn auch noch niemand voraussehen<br />

konnte, daß innerhalb <strong>von</strong> wenigen Wochen die Schockwellen politischen Umsturzes<br />

ganz Europa erschüttern und schließlich die ganze Welt erfassen würden, so<br />

hatte es doch bereits seit Jahren unheilverkündende Vorzeichen gegeben. Hinweise<br />

auf die herrschende Situation finden sich in mehreren Briefen <strong>Webern</strong>s. Schon am<br />

22. September 1931, als er Schönberg nach seiner Meinung über die ökonomischen<br />

und politischen Zukunftsaussichten fragte, hatte er seiner Besorgnis Ausdruck<br />

verliehen: „Was wird noch kommen? Ich möchte nichts anderes sagen, als daß mir<br />

unser Posten, unsere Aufgabe immer bedeutungsvoller, schwerwiegender, immer<br />

verantwortungsvoller erscheint. ‘‘<br />

Anfang 1933 liefen die Ereignisse, die zur Machtübernahme des nationalsozialistischen<br />

Regimes und zu Hitlers Diktatur in Deutschland führten, mit rasender<br />

Schnelligkeit ab. Eine neue Fahne wehte über dem Land. Ihr Emblem, die Swastika,<br />

verlieh dem schon lange Zeit schwelenden Antisemitismus offizielle Billigung. Die<br />

Verfolgung <strong>von</strong> Nichtariern, die mit Hitlers Regierungsantritt einsetzte, wurde die<br />

Regel, nachdem die diskriminierenden Nürnberger Gesetze verabschiedet worden<br />

waren. Eine Reihe <strong>von</strong> rasch aufeinanderfolgenden Entscheidungen ließ keine<br />

Zweifel darüber aufkommen, daß die Revolution alle kulturellen Gebiete erfassen<br />

würde. Am 11. März, gerade sechs Tage nachdem Hitler die Mehrheit im Reichstag<br />

errungen hatte, wurde eine Anzahl der künstlerischen Spitzenpersönlichkeiten<br />

Deutschlands entlassen, weil sie den Bedingungen des Arierparagraphen gemäß den<br />

nationalsozialistischen Verordnungen nicht entsprachen. Unter ihnen waren Carl<br />

Ebert, der Intendant der Berliner Städtischen Oper, sowie Fritz Stiedry, ihr<br />

Generalmusikdirektor. Die Anordnung hierzu erging <strong>von</strong> Dr. Paul Joseph<br />

Goebbels, Hitlers Minister für Volksaufklärung und späterem Präsidenten der<br />

Reichskulturkammer, der uneingeschränkte Kontrolle über Theater, Film, Rundfunk<br />

und Presse ausübte. Arn 15. März erließ der Intendant der Berliner Funkstunde<br />

eine Anordnung, derzufolge Sendungen <strong>von</strong> Neger-Jazzmusik untersagt waren.1<br />

Einen Tag später unterbanden die Behörden in Leipzig ein Konzert mit dem<br />

jüdischen Dirigenten Bruno Walter unter dem Vorwand, die „öffentliche Ordnung<br />

und Sicherheit“ sei in Gefahr. Wilhelm Furtwängler versuchte, für ihn und andere<br />

Kollegen, wie etwa Otto Klemperer und Max Reinhardt, zu intervenieren, doch<br />

seine Bemühungen blieben ohne Erfolg.<br />

Am 1. April sandte eine Gruppe prominenter Musiker in den Vereinigten Staaten<br />

ein Telegramm an den deutschen Kanzler mit der dringenden Aufforderung, <strong>von</strong>


assischer und religiöser Diskriminierung Abstand zu nehmen. In der Botschaft hieß<br />

es unter anderem: „Wir bitten Sie, dessen eingedenk zu sein, daß in der ganzen Welt<br />

der Künstler einzig und allein wegen seines Talentes Achtung genießt und nicht<br />

wegen nationaler oder religiöser Überzeugungen . . . Wir sind überzeugt, daß<br />

gewisse Verfolgungen, die zur Zeit in Deutschland stattfinden, nicht auf Ihre<br />

Anordnungen zurückzuführen sind und daß es sicherlich nicht Ihr Wunsch sein<br />

kann, der hohen kulturellen Wertschätzung, deren sich Deutschland bislang in den<br />

Augen der gesamten zivilisierten Welt erfreut hat, Schaden zuzufügen.“ Hitlers<br />

Antwort war eine Anordnung, die der kommissarische Leiter der Rundfunkabteilung<br />

der Regierung am 4. April ergehen ließ, die alle Sendungen <strong>von</strong> Kompositionen<br />

oder Schallplatten <strong>von</strong> Unterzeichnern des Protestes verbot. Zu ihnen gehörten<br />

Arturo Toscanini, Walter Damrosch, Frank Damrosch, Serge Koussevitzky, Arthur<br />

Bodanzky, Harold Bauer, Ossip Gabrilowitsch, Alfred Hertz, Charles Martin<br />

Loeffler, Fritz Reiner und Rubin Goldmark. Toscanini, der in diesem Sommer in<br />

Bayreuth dirigieren sollte, teilte der deutschen Regierung unverzüglich seine<br />

Absage mit im Hinblick auf die Diskriminierung jüdischer Musiker in Deutschland.2<br />

Die überwältigende Schnelligkeit, mit der das Naziregime an die Macht kam,<br />

sowie das erbarmungslose Vorgehen, mit dem es die Kontrolle übernahm, waren<br />

<strong>von</strong> der Bevölkerung kaum vorherzusehen. Im Verlauf der Jahre hatte sich die<br />

Nation an die ständigen Krisen gewöhnt, und häufige Regierungswechsel waren an<br />

der Tagesordnung. Sogar noch an jenem historischen Januartag 1933, als<br />

Hindenburg den Rücktritt des Reichskanzlers Kurt <strong>von</strong> Schleicher annahm und<br />

Hitler mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragte, wurde diese Nachricht<br />

zwar mit Sorge, aber doch mit der vagen Hoffnung aufgenoinmen, daß Hitlers<br />

Gefolgsleute ihren Radikalismus mäßigen würden, sobald sie mit der Regierungsverantwortung<br />

betraut worden seien. Daß dies Selbsttäuschung war, wurde rasch<br />

offenbar, als sich so ziemlich jedermann drastischen Veränderungen ausgesetzt sah.<br />

Die „Säuberung“ der deutschen Musik sollte durch die Errichtung der Reichsmusikkammer,<br />

einer Unterabteilung des deutschen Propagandaministeriums, am 15.<br />

November 1933 in die Tat umgesetzt werden. Dr. Goebbels selbst ernannte die<br />

Amtsträger dieser neuen Leitstelle für musikalische Angelegenheiten: Präsident<br />

wurde Richard Strauss3, Vizepräsident Paul Graener, Generalmusikdirektor<br />

Wilhelm Furtwängler, und Sekretär Heinz Ihlert.<br />

Im Zuge dieser Ereignisse wurden zahllose jüdische Künstler und Intellektuelle<br />

aus ihren Positionen entfernt. Arnold Schönberg war unter den ersten Betroffenen.<br />

<strong>Webern</strong> hatte den Freund zum letzten Mal im April 1932 in Barcelona gesehen.<br />

Ende des Jahres hatte er <strong>von</strong> ihm als Geburtstagsgeschenk Partitur und Klavierauszug<br />

der Oper Von Heute auf Morgen erhalten, beide mit einer herzlichen Widmung.<br />

<strong>Webern</strong>s Brief vom 8. Dezember, in dem er seine überfließende Dankbarkeit zum<br />

Ausdruck brachte, wie auch seine folgenden Briefe an Schönberg enthalten<br />

keinerlei Anzeichen irgendwelcher Besorgnis über die politisch so kritische Zeit. Im<br />

Gegenteil, er äußerte sich überglücklich über die Aussichten auf eine Stellung in<br />

Berlin. Am 25. Januar 1933 bat Schönberg, der krank zuhause war, Heinz Tiessen,<br />

seinen Senatskollegen in der Berliner Akademie, bei der Wahlsitzung vertretungs­<br />

352


halber seine Stimme „für den Vorschlag Alban Bergs abzugeben, der als<br />

neuzuwählendes Akademiemitglied Dr. <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> empfiehlt.“4 <strong>Webern</strong><br />

hatte bereits engeren Freunden gegenüber seine Aussichten auf diese mit großem<br />

Prestige verbundene Berufung erwähnt. Seine Hoffnungen wurden jedoch rasch<br />

zunichte gemacht. Die Abstimmung verlief negativ, zweifellos zum Teil durch die<br />

antisemitischen Strömungen bedingt, die zwischen Juden und Personen, die ihnen<br />

nahestanden, keinen Unterschied machten.<br />

Am 12. Februar 1933 hielt Schönberg am Frankfurter Rundfunk einen Vortrag<br />

über Brahms als seinen Beitrag zu den Feierlichkeiten zum hundertsten Geburtstag<br />

des Komponisten. Von dort begab er sich nach Wien, wo er am 15. Februar in einer<br />

Veranstaltung des Kulturbunds einen weiteren Vortrag über das Thema „Neue und<br />

veraltete Musik oder Stil und Gedanken“ hielt.5 Das sollte Schönbergs letzter<br />

Besuch in seiner Vaterstadt werden. Seine frühe symphonische Dichtung Pelleas<br />

und Melisande wurde ihm zu Ehren aufgeführt, und seine Freunde und ehemaligen<br />

Schüler versammelten sich zu einer Wiedersehensfeier im Hotel Meisel & Schadn<br />

am Neuen Markt. Wie Reich später erzählte, befand sich Schönberg in „heiterster<br />

Stimmung“, und die Runde hatte keinerlei Vorahnung, daß viele <strong>von</strong> ihnen den<br />

verehrten Meister nicht Wiedersehen würden.<br />

„Wie schön waren die Tage Deines Wiener Aufenthaltes. Hätte das Beisammensein<br />

mit Dir nur noch ausgiebiger sein können. Wie gern hätten wir Dich u. Deine<br />

Frau bei uns gesehn“, schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg am 7. März, und fuhr fort:<br />

,„Pelleas“hat unbeschreiblich auf mich gewirkt. Beinahe hätte ich gar nicht gemerkt,<br />

daß die Aufführung wirklich nicht gut war. Ich wollte mich auch nicht darum<br />

kümmern. Lebhaft habe ich dabei an Deine erste gedacht, am selben Ort, vor bald<br />

30 Jahren. Oh liebster Freund, was sind das für Erinnerungen. Was hat sich da<br />

aufgetan!“<br />

Als <strong>Webern</strong> diese Zeilen schrieb, konnte er nicht wissen, daß sich in Schönbergs<br />

Geschick eine entscheidende Wende vollzogen hatte. Am 1. März, während einer<br />

Sitzung des Senats der Berliner Akademie, verkündete ihr Präsident Max <strong>von</strong><br />

Schillings, daß Reichskanzler Hitlers neue Regierung den jüdischen Einfluß in<br />

dieser Institution gebrochen sehen wolle. Schönberg erhob sich sofort und verließ<br />

den Raum mit den Worten, er werde nirgendwo bleiben, wo seine Gegenwart<br />

unerwünscht sei.<br />

Erschüttert <strong>von</strong> dieser Nachricht, hielt <strong>Webern</strong> am 14. März den vierten Vortrag<br />

seiner Reihe „Der Weg zur Neuen Musik“ . Im Zustand höchster Erregung verlieh er<br />

seinem Zorn und seiner Besorgnis Ausdruck: „Das, was jetzt in Deutschland<br />

vorgeht, ist gleichbedeutend mit der Zerstörung des geistigen Lebens! Schauen wir<br />

auf unser Gebiet! Es ist interessant, daß die Veränderungen durch die Nazis fast<br />

ausschließlich Musiker betreffen, und man kann sich denken, was da noch kommt.<br />

Was wird da aus unserem Kampf werden? (Wenn ich sage,unserem1, dann meine ich<br />

jene Gruppe, die nicht auf äußeren Erfolg ausgeht.) . . . Was wird aber noch<br />

kommen? Etwa mit Schönberg? Und wenn es auch heute mit dem Antisemitismus<br />

zusammenfällt, wer wird in Zukunft jemand anstellen, der nicht Jude ist und<br />

trotzdem was kann?! ,Kulturbolschewismus* heißt heute alles, was um Schönberg,<br />

353


Berg und mich - auch um Krenek - herum ist. Und was wird durch diesen Anti­<br />

Kulturwillen zerstört, vernichtet werden! Aber schließen wir Politik aus! Was aber<br />

haben die Hitler, Göring, Goebbels für eine Vorstellung <strong>von</strong> Kunst?. . . Man kann<br />

sich ja so schwer losmachen <strong>von</strong> der Politik, denn es geht um den Kragen! Aber um<br />

so dringlicher ist die Aufgabe, zu retten, was zu retten ist. Wie sich das steigert und<br />

verändert! Vor ein paar Jahren sah man wohl Veränderungen in der künstlerischen<br />

Produktion stattfinden, denn Kunst hat ihre eigenen Gesetze, sie hat mit der Politik<br />

nichts zu tun, aber man glaubte, daß es noch irgendwie gehen wird. Heute sind wir<br />

nicht weit da<strong>von</strong>, daß man ins Gefängnis kommt, weil man ein ernster Künstler ist.<br />

Oder vielmehr: das ist ja schon geschehen! Ich weiß nicht, was Hitler unter ,Neuer<br />

Musik1 versteht, aber ich weiß, daß für diese Leute das, was wir als solche<br />

bezeichnen, ein Verbrechen ist. Der Moment ist nicht ferne, daß man eingesperrt<br />

wird, weil man solche Sachen schreibt. Zum mindesten ist man ausgeliefert,<br />

wirtschaftlich preisgegeben! Werden sie sich in letzter Stunde noch besinnen? Wenn<br />

nicht, dann geht das Geistige dem Untergang zu.“6<br />

A m 20. März reichte Schönberg seinen Rücktritt <strong>von</strong> der Akademie ein. Für die<br />

Aufgabe seiner Position verlangte er die Fortzahlung seines vertraglich festgelegten<br />

Gehalts bis einschließlich September 1935 und die Vergütung seiner Umzugskosten.<br />

Während die offizielle Entscheidung noch ausstand, sann er auf Mittel und<br />

Wege, Deutschland zu verlassen. Er erwog, nach Spanien zurückzukehren, und bat<br />

Roberto Gerhard, ihm Engagements zu Konzerten und Vorträgen zu finden. Als<br />

ersten Schritt fuhr er jedoch am 17. Mai nach Paris und bezog im Hotel Regina<br />

Quartier, an der Place des Pyramides. Zwei Tage später schrieb er <strong>Webern</strong> eine<br />

Postkarte mit der verschlüsselten Nachricht, die besagte, daß Kolisch ihm in einem<br />

Telegramm aus Florenz „dringend eine Luftveränderung empfohlen“ habe und daß<br />

er jetzt „wieder auf 6 Monate (wenigstens) auf Urlaub“ gehen wolle.<br />

Die „Luftveränderung“ sollte <strong>von</strong> Dauer sein und nicht, wie <strong>Webern</strong> sich<br />

vergeblich glauben machen wollte, nur vorübergehend. Am 30. Mai wurde<br />

Schönberg (gleichzeitig mit Franz Schreker) offiziell <strong>von</strong> der 'Fakultät der<br />

Preußischen Akademie der Künste „beurlaubt“ . In Wien wurde die Nachricht<br />

ungläubig und mit Entsetzen aufgenommen. War nicht Schönberg der unbestrittende<br />

Exponent der deutschen Musik, zutiefst verwurzelt in einer wahrhaft<br />

deutschen Geisteshaltung? War er nicht Repräsentant und Garant zugleich für die<br />

ungeschmälerte Führungsposition der deutschen Musik in der westlichen Welt?<br />

<strong>Webern</strong> jedenfalls glaubte unerschütterlich daran. Am 15. Juli 1931 hatte er<br />

Schönberg geschrieben: „Wir verdanken Dir nicht nur die deutsche Hegemonie in<br />

der Musik sondern darüber hinaus die Rettung des höchsten Gutes überhaupt aus der<br />

allgemeinen Wirrnis dieser Zeit.“<br />

Schönberg selbst hatte sich immer wieder und aus voller Überzeugung zu seinem<br />

deutschen Erbe bekannt, das er <strong>von</strong> Bach und Mozart bis zu Beethoven, Brahms und<br />

Wagner herleitete. Trotz aller deutschen Züge, denen seine Kunst verhaftet war,<br />

hatte sie ihren Einfluß auf viele Komponisten in aller Welt ausgeübt. Maurice Ravel,<br />

einer unter ihnen, zögerte nicht, anzuerkennen, daß er sich dem österreichischen<br />

Meister verpflichtet fühlte, wie aus einer Begebenheit hervorgeht, die Ruzena


Herlinger in ihren Memoiren festhielt: Gelegentlich eines Konzerts in der<br />

französischen Botschaft in Wien am 7. Februar 1932 (bei dem Mme. Herlinger<br />

Ravels Sheherazade mit dem Komponisten am Flügel aufführte) gab die Sängerin für<br />

den illustren Gast ein Mittagessen. Als Gäste nahmen die Vorstandsmitglieder der<br />

Wiener Sektion der IGNM teil, unter ihnen <strong>Webern</strong>, Wellesz, D. J. Bach, Pisk und<br />

Rita Kurzmann. Im Verlauf der Unterhaltung übersetzte Wellesz Ravel eine Frage,<br />

die <strong>Webern</strong> gestellt hatte, was er <strong>von</strong> Schönberg hielt. Ravel antwortete:<br />

„Schönberg est important - je suis passe par Schönberg. Sans lui, je ne serais pas le<br />

Ravel d’aujourd’hui.“ („Schönberg ist wichtig - ich bin durch Schönberg hindurchgegangen.<br />

Ohne ihn wäre ich nicht der Ravel <strong>von</strong> heute.“)<br />

Doch in Hitlers Deutschland galt das alles nichts, weder eine derartige<br />

Anerkennung <strong>von</strong> Schönbergs Rang noch seine oft beschworene Treue gegenüber<br />

der deutschen Musiktradition. Am 18. Juni erklärte Schönberg <strong>Webern</strong> die<br />

Unabwendbarkeit seiner Entscheidung. In dem langen, ergreifenden Brief heißt es:<br />

„Liebster Freund, Du hast scheinbar meine Karte nicht verstanden: ich selbst habe<br />

niemals ernstlich es für möglich gehalten, daß man mich gelassen hätte: was wäre das<br />

für mich gewesen? Ich darf nicht aufgeführt, nicht verlegt, nicht erwähnt werden! Ist<br />

das für einen Komponisten eine Existenzmöglichkeit? Aber abgesehen da<strong>von</strong>: kann<br />

man solche Beleidigungen einstecken? Seither hast Du wohl gelesen, daß ich<br />

beurlaubt bin. Leider aber weiß ich noch gar nichts über die finanzielle Frage, und<br />

wenn auch Furtwängler sich in höchst anständiger Weise für mich einsetzt, so ist es<br />

noch keineswegs gesichert, daß eine befriedigende Lösung gewählt werden wird. Du<br />

weißt doch, daß heterogene Kräfte gegeneinander wirken. Wer weiß, wer in meinem<br />

Fall die Oberhand behält. Allerdings habe ich mit Staunen erfahren, welche große<br />

Achtung man mir in den der Regierung nahestehenden Kreisen entgegenbringt, und<br />

ich weiß, daß mein Abgang vielfach sehr bedauert wird. Aber ich hätte nicht bleiben<br />

können! Wenn ich nur schon etwas Gewisses über das Finanzielle wüßte. Von einem<br />

Tag auf den ändern, kann Gut oder Böse über mich entscheiden!“ Schönbergs<br />

Zukunft nahm sich in der Tat düster aus: die Verleger zögerten, neue Werke unter<br />

Vertrag zu nehmen, Clark hatte nicht einmal geantwortet hinsichtlich Möglichkeiten,<br />

in England, und Gerhard hatte nur zwei Konzerte und Vorträge in Barcelona<br />

anzubieten. „Sonst habe ich zunächst keine Aussichten, muß aber hier in dem teuren<br />

Hotel eine Entscheidung abwarten, da ich doch nicht riskieren kann, nach Spanien<br />

zu gehen, ohne etwas Sicheres . . . Leider bin ich auch nicht gesund“, ließ<br />

Schönberg <strong>Webern</strong> wissen.<br />

<strong>Webern</strong> reagierte sofort und in höchstem Maße mitfühlend: „Wie hätte ich denn<br />

denken können, daß jemals noch so eine Situation für Dich 'kommen könnte!“<br />

schrieb er am 21. Juni. „Ich bin so entsetzt und erregt, daß ich es gar nicht sagen<br />

kann. Ja, ist das Wirklichkeit, daß man Dich, Dich ziehn läßt, statt Alles aufzubieten,<br />

um es zu verhindern? Als dieses ,System* ans Ruder kam, habe ich etwas Ähnliches<br />

gefühlt, wie seinerzeit nach dem Kriegsende: das ist jetzt wohl die zweite Etappe -<br />

des Untergangs der bestehenden Weltordnung. Ich kann es nicht anders verstehn.<br />

Nämlich - ich kann es nicht anders sagen - ein Entsetzen! Und mit furchtbarer Angst<br />

habe ich immer an Dich gedacht. Jetzt aber ist solche Empörung in mir, daß ich<br />

355


nichts Anderes erwarten kann, als daß auch jetzt der Vorhang des Tempels riesse u,<br />

die Meister der Vergangenheit auferstünden, um für Dich zu zeugen, ob solcher<br />

Versündigung. Oh, lieber Freund, ich hatte es nicht für möglich gehalten. Sei<br />

versichert meiner Treue u. wisse mich u. die Meinen bereit bis zum Letzten!“<br />

Auf Schönbergs Notlage eingehend, schlug <strong>Webern</strong> spontan vor, er solle sich<br />

wieder in Mödling nieder lassen: „Schließlich könntest Du doch hier bei mindestens<br />

gleicher Lebensführung mit der Hälfte an deutschem Gelde auskommen. Soviel ich<br />

auf meinen Auslandsreisen beobachten konnte (England, Frankreich, u. s. w.): wir<br />

leben ja hier an Auswärtigem gemessen wie im Paradies. Ich wüßte - nicht weit <strong>von</strong><br />

uns - einen Platz wie er kaum schöner u. günstiger zu denken ist. Eine Villa in der<br />

Bergstraße, fast wie <strong>von</strong> Loos erbaut, in völliger Ruhe, in einem großen Garten, so<br />

schön, wie ich noch nie einen gesehn habe, in der Du sofort mieten könntest. . . In<br />

der Mansarde wohnt ein sehr sympathisches (jüdisches) Ehepaar mit einem Buben.<br />

Die Hausfrau ist auch ungemein nett.“ Über die politische Lage in Österreich<br />

äußerte <strong>Webern</strong> sich zuversichtlich. Alle nationalsozialistischen Betätigungen seien<br />

am Vortag verboten worden, und die Regierung tue mit Unterstützung der<br />

Westmächte alles, um die radikale Rechte zu unterdrücken.<br />

Der Vorschlag, wieder nach Mödling zu ziehen, war die letzte aller Möglichkeiten,<br />

die Schönberg erwogen haben würde. Es bestand für ihn kein Zweifel daran, daß<br />

Hitler das Programm, das er in Mein K am pf formuliert hatte, mit aller Unerbittlichkeit<br />

weiterverfolgen und früher oder später Österreich annektieren würde. Wie viele<br />

Juden, so war auch Schönberg ein aufrechter Patriot gewesen, der nie daran dachte,<br />

seine Zugehörigkeit zur deutschen Kultur infrage zu stellen. Doch jetzt, als er sich<br />

als Mitglied einer Rasse angegriffen sah, die der Nazismus zum Erbfeind des<br />

deutschen Volkes erklärte, entschloß er sich, die Konsequenzen zu ziehen. Er<br />

widerrief den christlichen Glauben, zu dem er in jungen Jahren konvertiert hatte,<br />

und kehrte zu dem seiner Väter zurück. In einer Zeremonie in einer Pariser<br />

Synagoge arn 24. Juli 1933, bei der der Maler Marc Chagall als einer der Zeugen<br />

zugegen war, trat er formell der jüdischen Religionsgemeinschaft wieder bei. Dieser<br />

Akt bedeutete für Schönberg mehr als nur eine Geste. Sein Glaube an seine<br />

künstlerische Mission, zu der er sieh kraft seines Genius’ ausersehen fühlte, war<br />

zutiefst erschüttert. Er dachte allen Ernstes daran, der Kunst abzuschwören, damit<br />

er seine ganze Zukunft in den Dienst der Sache seiner Rasse stellen könne. Die<br />

Ziele, die ihm dabei vorschwebten, wurden in einem langen Brief an <strong>Webern</strong><br />

umrissen7, der am 4. August in Arcachon, einem Seebad in der Nähe <strong>von</strong> Bordeaux,<br />

geschrieben wurde, wohin er sich inzwischen begeben hatte. Er blieb dort bis zum<br />

Herbst und berichtete <strong>Webern</strong> laufend über seine Probleme. Bestürzung, Niedergeschlagenheit<br />

und Resignation sprechen aus einem Brief vom 16. September. „Es<br />

gibt jetzt immer Unerfreuliches, Ärgerliches, Aufregendes, mit dem man sich<br />

befassen muß.“ Trotz aller Widerwärtigkeiten vollendete Schönberg sein Konzert<br />

für Steichquartett und Orchester nach Händels Concerto Grosso op. 6, Nr. 7. „Es<br />

hat mir außerordentlich viel Mühe gemacht und ich habe an diesen 400 Takten 10<br />

Wochen fest gearbeitet, während ich zu meinem 3ten Streichquartett nur 5 (resp. 6)<br />

Wochen gebraucht habe.“<br />

356


Am 20. September wandelte die Berliner Akademie der Künste Schönbergs<br />

Beurlaubung in seine endgültige Entlassung um und erkannte ihm eine Gehaltsfortzahlung<br />

bis Ende Oktober zu unter Mißachtung des Vertrags, der ihm ein<br />

Einkommen <strong>von</strong> zwei weiteren Jahren garantierte. In seiner Notlage hatte<br />

Schönberg bereits an die Möglichkeit gedacht, in die Vereinigten Staaten zu gehen.<br />

Einer seiner Pläne war die Aufstellung einer United Jewish Front, die mit Hilfe einer<br />

eigenen Zeitung die Solidarität des jüdischen Volkes in aller Welt fördern sollte. Für<br />

den Augenblick erwies sich eine Einladung des Malkin Conservatory in Boston<br />

(einer kleinen Musikschule mit recht begrenzten Mitteln), Mitglied des Lehrkörpers<br />

zu werden, als schwankende Brücke zur Neuen Welt. In seinem Brief vom 16.<br />

September teilte Schönberg <strong>Webern</strong> mit, daß er angenommen habe, trotz der „sehr<br />

mäßigen Bedingungen“, die man ihm bot.<br />

Am 1. Oktober war es soweit. Schönberg, der jetzt in seinem 60. Lebensjahr<br />

stand, machte sich keine Illusionen über die Risiken einer so schwerwiegenden<br />

Entscheidung. In seinem Abschiedsbrief an Alban Berg vom 16. Oktober schrieb er:<br />

„Ich möchte auch gerne wissen, ob ich etwas für Dich in Amerika ausrichten kann:<br />

selbstverständlich, wenn ich die Macht dazu haben sollte. Denn wer weiß, wie<br />

einflußlos, wie unbeachtet, wie geringgeschätzt ich dort sein werde. Hoffentlich<br />

gehts mir nicht wie in Holland, wo ich, kaum angekommen, die gesamte<br />

Öffentlichkeit gegen mich hatte, weil alle, die meine Konkurrenz fürchteten, sofort<br />

die Presse und alle Machtfaktoren gegen mich mobilisierten.“8 Neun Tage später<br />

schifften sich Schönberg, seine Frau und seine kleine Tochter auf der Ile de France<br />

nach Amerika ein. Als das Schiff am 31. Oktober in den Hafen <strong>von</strong> New York<br />

einlief, heftete der große Musiker, wie zahllose andere, die aus ihrer Heimat<br />

vertrieben wurden, seine Augen und Hoffnungen auf die Freiheitsstatue, dieses<br />

Symbol der Verheißung eines neuen Lebens.<br />

Das gleiche Jahr 1933, das soviel Erschütterung in Schönbergs Dasein brachte,<br />

bescherte <strong>Webern</strong> ein gewisses Maß an Stabilität, so trügerisch und kurzlebig sie<br />

auch sein sollte. Dank der ärztlichen Fürsorge im vergangenen Jahr und seiner im<br />

Grunde widerstandsfähigen Konstitution hatte er sich <strong>von</strong> seiner sich lange<br />

hinschleppenden Krankheit wieder völlig erholt. Das ruhevolle Leben in Maria<br />

Enzersdorf und die uneingeschränkte Freude an seinem neuen Heim und Garten<br />

stärkten ihn physisch und seelisch, so daß er nicht nur den Anstrengungen einer aller<br />

Kräfte fordernden Konzertsaison besser gewachsen war, sondern sich auch für sein<br />

Schaffen wie neu geboren fühlte.<br />

Am 1. Februar 1933 begann <strong>Webern</strong> mit dem Entwurf zu Herr Jesus mein (op. 23,<br />

Nr. 3), seiner ersten Vertonung eines Gedichts <strong>von</strong> Hildegard Jone. Sein<br />

neuerwachter Schaffensdrang wurde jedoch bald durch eine Anzahl anderer<br />

Aktivitäten eingedämmt. Am 20. Februar nahm seine zweite Vortragsreihe im<br />

Heim <strong>von</strong> Rudolph und Rita Kurzmann ihren Anfang. Die acht Abende mit dem<br />

Thema „Der Weg zur neuen Musik“ setzten sich bis zum 10. April fort. Am Sonntag,<br />

19. März, dirigierte <strong>Webern</strong> ein Arbeitersymphoniekonzert im Großen Konzert“<br />

357


haussaal. Das Ereignis, als „Märzfeier“ zum Gedenken an den Aufstand vom März<br />

1848 angekündigt, stand in unverhülltem Gegensatz zu der rechtsradikalen<br />

Revolution, die zur gleichen Zeit über Deutschland hinwegfegte. Das Programm<br />

bestand aus der Wiener Erstaufführung <strong>von</strong> Kreneks Kleiner Blasmusik, Paul A.<br />

Pisks Kantate Campanella (nach Gedichten des Mönchs Campanella) und Hanns<br />

Eislers Das Lied vom K am pf (eine Montage <strong>von</strong> Liedern, Chören und Rezitationen<br />

nach Gedichten <strong>von</strong> Bertolt Brecht). Das Presseecho blieb in nicht zu übersehender<br />

Weise aus; nicht einmal die politisch gleichorientierte Arbeiterzeitung brachte einen<br />

Bericht. Zweifellos sah man in dem Konzert die Merkmale einer politischen<br />

Demonstration (Eisler und sein Dichter Brecht waren als militante Kommunisten<br />

bekannt, und Pisk war überzeugter Sozialdemokrat). Eine Zensur war soeben über<br />

alle Zeitungen als Notstandsmaßnahme verhängt worden, die zunehmenden<br />

politischen Auseinandersetzungen zu unterdrücken, und die Verschärfung der<br />

Kontrollen ließ die Presse das Ereignis ignorieren.<br />

Anfang März war Amalie ernstlich erkrankt und mußte wegen ihres chronischen<br />

Nierenleidens mehrere Wochen in der Klinik behandelt werden. Um mehr Zeit am<br />

Krankenbett seiner Tochter verbringen zu können, hatte <strong>Webern</strong> Ludwig Zenk<br />

gebeten, ihm bei den Soloproben für das bevorstehende Arbeitersymphoniekonzert<br />

zu assistieren. Als dann in Amalies Befinden eine Wende zum Besseren eintrat,<br />

mußte <strong>Webern</strong> am 16. April zu seiner dritten Konzertreise nach England<br />

auf brechen. Ein anstrengendes Arbeitspensum erwartete ihn. „Ich habe wahnsinnig<br />

viel Proben in London zu halten; an einem Tag sogar 8 Stunden, sonst 6 Stunden, nur<br />

an einem Tag nur 4“, hatte <strong>Webern</strong> Schönberg am Tag vor seiner Abreise<br />

geschrieben. Wie beim vorangegangenen Besuch war er zu zwei BBC-Konzerten<br />

engagiert worden. Das erste fand am Freitag abend, 21. April, statt und bestand aus<br />

Bergs Lytischer Suite (erster und dritter Satz), Kreneks Liederzyklus Durch die<br />

Nacht (Hedda Kux, Sopran) und Bergs Kammerkonzert (mit Kolisch und<br />

Steuermann als Solisten). Im zweiten Konzert am Sonntag abend, 23. April,<br />

dirigierte <strong>Webern</strong> Beethovens Prometheus-Ouvertüre, seine eigene Orchestrierung<br />

<strong>von</strong> Schuberts Deutschen Tänzen und Mahlers Vierte Symphonie (mit Elsie<br />

Suddaby, Sopran).<br />

„In London war es diesmal außerordentlich befriedigend, wenn auch anstrengend“,<br />

berichtete <strong>Webern</strong> Schönberg am 3. Mai. „Ich hatte in 6 Tagen 33 Stunden<br />

Orchesterproben u. 2 Konzerte zu halten. Bergs Werke sind, glaube ich, sehr gut<br />

geworden; jedenfalls durchaus sauber. Und hatten auch großen Erfolg - das erste<br />

Konzert war vor geladenem Publikum, im Saal des BBC Hauses. Das Orchester ist ja<br />

großartig. Wie haben sie die IV. Mahler gespielt! Das war manchmal ein ganz<br />

fabelhafter Klang, wirklich schon ganz ideal. Wunderbar im Ton. Auch meine<br />

Schubert-Tänze sind sehr schön geworden. Die scheinen dem Orchester viel Freude<br />

gemacht zu haben. Ich darf wohl auch in aller Bescheidenheit melden, daß ich allem<br />

Anschein nach sehr weitgehend auf das Orchester gewirkt habe (Aklamationen<br />

während u. am Schlüsse der Proben; nach der ,Prometheus‘-Ouvertüre ein direkter<br />

Beifallssturm u. nach dem zweiten Konzert eine förmliche Ovation). Kurzum,<br />

liebster Freund, ich war wirklich sehr, sehr glücklich. Und auch Clark scheint es<br />

358


gewesen zu sein. Man hat es nicht leicht mit ihm aus der Ferne, aber an Ort u. Stelle<br />

ist er immer wieder ein ganz famoser Mensch, der unbedingt u. genau erkennt,<br />

worum es geht u. <strong>von</strong> tiefstem Glauben an Dich u. auch an uns erfüllt ist. Nun hoffe<br />

ich auf eine glückliche Fortsetzung meiner Engagements dort u. auch, daß es event.<br />

doch mehr als bloß einmal im Jahr sein kann. Ich brauchte das ja so dringend. Hier<br />

wird’s ja immer unmöglicher. Steuermann u. Kolisch haben großartig gespielt. Ich<br />

bin mit jenem über Paris hingefahren. Zurück allein über Köln u. habe mich ein paar<br />

Stunden bei Jalowetz auf gehalten.“<br />

Am Abend des 26. April war <strong>Webern</strong> wieder zu Hause. In einem Brief an das<br />

Ehepaar <strong>Humplik</strong> vom 3. Mai beschrieb er einen Besuch im Britischen Museum, das<br />

ihn tief beeindruckt hatte: ,,. . . Ich war auch beim Parthenon-Fries! Vh Stunden<br />

bin ich davor gestanden. Es ist ein unbeschreibliches Wunder. Diese Konzeption!<br />

Hier ist das genaueste Gegenstück zu unserer Kompositionsmethode: immer<br />

dasselbe in tausendfältiger Erscheinung. Überwältigend. Auch vergleichbar mit<br />

Bachs ,Kunst der Fuge4.“<br />

Am 23. Mai dirigierte <strong>Webern</strong> Mahlers Sechste Symphonie in einem Rundfunkkonzert<br />

im Konzerthaus.9 Er hatte eine volle Saison hinter sich. Als neugewählter<br />

Präsident der Wiener Sektion der IGNM hatte er zahlreiche zusätzliche Verpflichtungen<br />

übernommen, die er mit charakteristischer Gewissenhaftigkeit erfüllte. Im<br />

Frühjahr war er Mitglied der Jury für den Emil-Hertzka-Gedächtnispreis, der in<br />

diesem Mai zum ersten Mal verliehen wurde. Seine Kollegen im Preisrichtergremium<br />

waren Gustav Scheu als Vorsitzender, Alban Berg, Ernst Krenek, Franz<br />

Schmidt, Erwin Stein und Egon Wellesz. 267 Kompositionen waren eingereicht<br />

worden. Wegen des hohen Niveaus, das viele <strong>von</strong> ihnen besaßen, entschied die Jury,<br />

den verfügbaren Geldbetrag <strong>von</strong> 2500 Schillingen durch fünf zu teilen. Die<br />

Empfänger waren die Schönberg-Schüler Roberto Gerhard und Norbert <strong>von</strong><br />

Hannenheim, der Berg-Schüler Julius Schloss, Pisks Schüler Leopold Spinner und<br />

<strong>Webern</strong>s Schüler Ludwig Zenk. Der Letztere hatte seine Klaviersonate op. 1<br />

eingereicht, die dann <strong>von</strong> der Universal Edition mit der Widmung „Dr. <strong>Anton</strong><br />

<strong>Webern</strong> in innigster Liebe und Verehrung zugeeignet“ veröffentlicht wurde.<br />

<strong>Webern</strong> hielt Zenk für seinen talentiertesten Schüler. An Weihnachten dieses<br />

Jahres schrieb er an Zenks Mutter: „Seine letzten Arbeiten gehören für mich zu dem<br />

Bedeutendsten, das die jüngere Generation hervorgebracht hat. Mir persönlich ist<br />

es wohl das Liebste da<strong>von</strong>. Ja noch mehr, mir erscheint er als der Einzige, der<br />

wirklich unseren Weg fortsetzt. Ja, auf diesem ist er. Freilich ein leichter ist es nicht.<br />

Aber wir wollen alles thun, ihn ihm zu erleichtern. . . Zeit zur Arbeit, derenthalben<br />

wir hier sind, das ist zunächst das Wichtigste für Ludwig. Alles Weitere wird sich<br />

geben. Ich weiß es mit völliger Sicherheit.“<br />

Unter den Aufführungen <strong>von</strong> Werken <strong>Webern</strong>s während der ersten Monate des<br />

Jahres 1933 waren die Fünf Stücke für Orchester op. 10, die Hermann Scherchen in<br />

einem Museumskonzert in München dirigierte, sowie sein A-cappelia-Chor<br />

Entflieht auf leichten Kähnen op. 2. Der letztere wurde am 14. März im Kleinen<br />

Musikvereinssaal <strong>von</strong> der Neuen Wiener Madrigalvereinigung unter Hans Pless<br />

gesungen, im zweiten Abend einer österreichischen Komponisten gewidmeten<br />

359


Reihe. Eine Aufführung der Sechs Stücke für Orchester op. 6, die Wilhelm Ludwig<br />

Sieben beim Musikfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins Ende Juni in<br />

Dortmund hätte dirigieren sollen, wurde abgesagt, zweifellos aus politischen<br />

Motiven. Derselbe Druck <strong>von</strong> oben führte 1936 zur Auflösung der Organisation.<br />

<strong>Webern</strong>, der sich jetzt in seinem neuen Heim eingelebt hatte, genoß den Anbruch<br />

des Frühlings in vollen Zügen. „So schön haben wir’s noch nie gehabt“, meinte er in<br />

seinem Brief an Schönberg vom 3. Mai. Am gleichen Tag schrieb er an <strong>Josef</strong> und<br />

Hildegard <strong>Humplik</strong>: „Es ist jetzt unsagbar schön heraußen. Eine unerhörte<br />

Blütenpracht. Wir sind ganz vergraben darin! Jetzt hängt Ihr ,Frühling1, liebe Frau<br />

Jone, im schönsten Frühling. Ich schaue aufs Bild und hinaus und immer wieder so:<br />

es ist das Gleiche.“<br />

Mit dem Wiedererwachen der Natur stellte sich eine Woge schöpferischer<br />

Inspiration ein. Bis zum 18. August hatte <strong>Webern</strong> zwei Lieder des Zyklus op. 23<br />

vollendet, Herr Jesus mein und Es stürzt aus Höhen Frische, und am 7. September<br />

nahm er die Arbeit am Konzert op. 24 (vgl. 25. Kapitel) wieder auf. Seine<br />

Privatschüler, deren Zahl in diesem Jahr zunahm, setzten ihren Unterricht bis weit in<br />

den Sommer hinein fort. Alle (unter ihnen Buchman, Claycombe, Eiston, Gelb,<br />

Cantor, König, Leich, Öhlgießer und Spira) kamen nach den Ferien zurück. Am<br />

Freitag, 21. Juli, dirigierte <strong>Webern</strong> ein Rundfunkkonzert mit Schuberts Unvollendeter<br />

Symphonie, Mozarts Violinkonzert A-Dur, KV 219 (Solist Walther Schneiderhan)<br />

und Beethovens Achter Symphonie. Die Sendung aus dem Mittleren<br />

Konzerthaussaal fand wie gewöhnlich vor Publikum statt, und bei diesen Anlässen<br />

war es <strong>Webern</strong> eine Freude, seine Freunde einladen zu können.<br />

Unmittelbar nach dem Umzug nach Maria Enzersdorf nahm <strong>Webern</strong> seine<br />

geliebten Bergtouren wieder auf. Außer seiner Familie bevorzugte er als Begleitung<br />

seine Musikfreunde. Anfang Juni organisierte er einen Ausflug auf die Schneealpe<br />

mit Diez, Hueber, Polnauer und Zenk. Im weiteren Verlauf des Sommers<br />

verbrachte er vom 6. bis 12. August eine Ferienwoche mit Hueber, der zu einer<br />

privaten Skihütte auf der Unteren Sintersbachalpe arn Jochberg hei Kitzbühel<br />

Zutritt hatte. Von dort schweift der Blick <strong>von</strong> den großartigen Felstürmen des<br />

Wilden Kaisers bis hin zu den Gletschern der Hohen Tauern arn südlichen Horizont.<br />

In seinen Erinnerungen beschrieb Hueber eine Tour auf den Gaisstein (2338 in),<br />

wobei er auch eine Episode erwähnt, die sich auf einer Almwiese zu Beginn des<br />

Aufstiegs zutrug. Die Geschichte wirft ein Licht auf das Ausmaß <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Naturbegeisterung, die gelegentlich zum Ritual werden konnte: „Eben erst war<br />

gemäht worden. Die Sonne hatte das Gras, die Blumen schon fast ausgetrocknet.<br />

Ein unbeschreiblich köstlicher Duft strömte vom Boden empor. <strong>Webern</strong> blieb<br />

stehen, sah mich ganz eigentümlichen Blicks an, legte sich dann, das Gesicht am<br />

Boden, hin, verkrallte seine Hände in das Heu, in den moosigen Boden und blieb so,<br />

tief atmend, eine Weile liegen. Ich hockte mich in seiner Nähe hin und wartete. Da<br />

erhob er sich, streifte die Grasspuren <strong>von</strong> seinen Kleidern und sah mich dabei<br />

unverwandt an. Dann sagte er: ,Spüren Sie „Ihn“ manchmal auch so stark wie ich,<br />

„Ihn“ , „Pan“?‘ Ziemlich wortkarg, aber fröhlichen Gemütes leicht ausschreitend,<br />

setzten wir unsere Wanderung fort.“ Das strahlende Wetter, mit dem der Tag<br />

360


angefangen hatte, begann umzuschlagen, als die Gefährten den Gipfel erreichten.<br />

Der Himmel war bedeckt und die Aussicht verhangen. <strong>Webern</strong>s Laune war<br />

ebenfalls umgeschwungen. Er war „traurig, niedergeschlagen, ja mißmutig“ . Der<br />

Abstieg erfolgte in großer Hast, und <strong>Webern</strong> brach völlig unerwartet seinen Urlaub<br />

ab, um arn nächsten Tag nach Hause zu fahren.<br />

Die vorzeitige Rückkehr nach Wien scheint geradezu unter dem Zwang einer<br />

Vorahnung erfolgt zu sein. Am 23. August starb Adolf Loos in Kalksburg (einem<br />

Wiener Vorort), wo er sich als Patient in Dr. Schwarzmanns Sanatorium für<br />

Nervenleiden befand. <strong>Webern</strong> hatte ihn fast täglich besucht und war noch ein paar<br />

Stunden vor dem Ende bei ihm. Am Tag nach der Beisetzung schrieb er an die<br />

<strong>Humplik</strong>s: „Gestern, Freitag d. 25. August, um 6 Uhr abends haben wir Adolf Loos<br />

am Friedhof in Kalksburg in aller Stille zu Grabe getragen.“ 10 Karl Kraus hielt es für<br />

angebracht, daß nur die beim Leichenbegängnis zugegen sein sollten, die Loos ihre<br />

Sympathie bekundet hatten, und auf seine Bitte hin benachrichtigte <strong>Webern</strong> nur<br />

wenige musikalische Freunde wie Jalowetz, Ploderer, Polnauer und Stein. Der Tod<br />

des großen Architekten und Neuerers, <strong>von</strong> der breiten Öffentlichkeit kaum zur<br />

Kenntnis genommen, versetzte den inneren Kreis in tiefe Trauer. Als <strong>Webern</strong>s<br />

Bericht Schönberg in Arcachon erreichte, antwortete er am 16. September mit<br />

schmerzlicher Anteilnahme: „Man hat ihn ja lange nicht mehr unter die Lebenden<br />

gerechnet, und so traurig der Gedanke an diesen Zustand war: daß der produktivste<br />

Kopf dieses Zeitalters zu einem fürchterlichen Stillstand gelangt war; so ist es<br />

andrerseits tröstlich, daß er, was jetzt vorgegangen ist und noch vorgehen muß, nicht<br />

mehr ins Bewußtsein aufgenommen haben dürfte. Hoffentlich! Denke: man nennt<br />

das flache Dach palästinensischen Baustil* und meint damit etwas Beschimpfendes!<br />

Jetzt weiß ich auch, warum ich nicht durchsetzen konnte, daß er Mitglied der<br />

Berliner Akademie wird - so wie ich Dich immer vergebens vorgeschlagen habe.<br />

Und alles, was Loos gestohlen worden ist und wo<strong>von</strong> mehrere reine Rassen<br />

ungemischte Freude haben könnten, all das gilt jetzt nichts mehr! Es hat keinen Sinn<br />

mehr für die Kunst zu leben! Was Du mir vom Leichenbegängnis geschrieben hast,<br />

finde ich auch sehr schmerzlich. Ein Wiener Begräbnis also: in aller Stille; so wie<br />

Mozart, Schubert, Mahler. Fehlt noch das Massengrab. Ich bin auch gar nicht der<br />

Meinung, daß man Loos so stumm versinken lassen soll. Ich meine, daß seine<br />

Freunde rasch etwas tun sollten, um ihm die äußeren Ehren zu ersetzen, auf die er<br />

nicht für alle Ewigkeit verzichtet hat.“<br />

Am 29. August schrieb <strong>Webern</strong> an Hueber <strong>von</strong> Bruck an der Mur: „Ich bin<br />

nochmals ausgeflogen —es war notwendig nach den schweren Tagen der vorigen<br />

Woche, da Adolf Loos gestorben ist.“ Er war auf dem Wege zu Ernst Diez in<br />

Vordemberg. „Dort wollen wir auf die Berge steigen“, ließ er wissen. Wie der<br />

Psalmist des Alten Testaments hob auch er seine Augen auf zu den Höhen, wenn<br />

sein Gemüt umschattet war. Und wie immer fand er Stärkung und Trost in der<br />

Majestät der Natur.<br />

Bald nach seiner Rückkehr nach Wien erlitt <strong>Webern</strong> einen weiteren erschütternden<br />

Verlust. Am 20. September nahm sich Rudolf Ploderer, ein enger Freund und<br />

getreuer Schildträger des gesamten Schönberg-Kreises, das Leben, auch er ein<br />

361


Opfer der Verzweiflung, die sich vielerorts über die bestürzenden politischen<br />

Geschehnisse breitmachte.11 Sein Selbstmord war ein großer Schock für alle<br />

Freunde. Ploderers scharfer Verstand, seine Besonnenheit und Hilfsbereitschaft<br />

hatten ihn bei allen beliebt gemacht, besonders bei <strong>Webern</strong> und Berg. Sein Tod trug<br />

viel zu der Niedergeschlagenheit bei, die sich der immer kleiner werdenden Schar<br />

der Schönbergschen Alten Garde bemächtigte.<br />

Denen, die übrig geblieben waren, schloß sich <strong>Webern</strong> umso enger an. Im<br />

Oktober besuchte er Alban Berg im „Waldhaus“, dessen jüngst erworbenem<br />

Landsitz am Wörthersee, wo er sich entschlossen hatte, den Winter zu verbringen,<br />

um seine zweite Oper zu vollenden. „Er hat es herrlich schön auf seinem Besitz. Daß<br />

er noch immer dort ist u. die ,Lulu‘ schon sehr weit gediehn ist - nach seiner letzten<br />

Nachricht hält er bereits in der Mitte des 3. Aktes - werden Sie auch wissen“, schrieb<br />

<strong>Webern</strong> gegen Ende des Jahres (29. Dezember) an Julius Schloss, Bergs<br />

Assistenten.<br />

Im Herbst 1933 dirigierte <strong>Webern</strong> zwei Konzerte der Ravag, das erste am 28.<br />

September mit Beethovens Tripelkonzert op. 56 (Steuermann, Kolisch und Benar<br />

Heifetz waren die Solisten) sowie der Vierten Symphonie <strong>von</strong> Brahms, das zweite<br />

am 6. November mit Schuberts Ouvertüre zu Rosamunde, <strong>Webern</strong>s Orchesterbearbeitung<br />

der Deutschen Tänze dieses Komponisten und der Serenade D-Dur op. 11<br />

<strong>von</strong> Brahms. <strong>Webern</strong> hatte gehofft, daß er in der neuen Saison wieder eingeladen<br />

würde, in Spanien zu dirigieren. Er hatte Roberto Gerhard bereits Programmvorschläge<br />

gemacht (Bruckners Siebte Symphonie, die Erste oder Zweite Symphonie<br />

<strong>von</strong> Beethoven sowie seine eigenen Fünf Stücke für Orchester op. 10), doch gingen<br />

die Pläne nicht in Erfüllung. Am 10. Dezember leitete <strong>Webern</strong> ein Arbeitersymphoniekonzert,<br />

das als „Festkonzert“ anläßlich des zehnjährigen Bestehens des<br />

Singvereins angekündigt war. Das Programm bestand aus Ouvertüre und Tanzlied<br />

aus Beethovens Bühnenmusik zur Weihe des Hauses (das selten aufgeführte<br />

Tanzlied ist für Sopransolo, Chor und Orchester), Mozarts Rezitativ und Rondo<br />

(Konzertarie für Sopran, Klavier und Orchester mit zwei Schweizer Künstlern, der<br />

Sängerin Alice Frey-Knecht und ihrem Mann, dem Pianisten Walter Frey), Brahms’<br />

Schicksalslied sowie Schuberts C-Dur-Symphonie. Der Berichterstatter der Wiener<br />

Zeitung (14. Dezember) meinte: „Tatsächlich war es nicht nur eine Feier der<br />

Kunststelle, sondern auch eine solche des Dirigenten und Komponisten <strong>Anton</strong><br />

<strong>Webern</strong>, einer der besten, wenn auch eigenwilligsten unter den österreichischen<br />

Musikern. . . er zeigte mit dem Schicksalslied <strong>von</strong> Brahms, auf welch erstaunliches<br />

Niveau er die ihm anvertraute Sängerschar im Lauf der Jahre gebracht hat.“<br />

Eigentlich hatte <strong>Webern</strong> für diesen festlichen Anlaß eine Aufführung <strong>von</strong><br />

Beethovens Neunter Symphonie geplant. Bereits am 26. Juni hatte er Roberto<br />

Gerhard über seine Absicht geschrieben, das Monumentalwerk am 3. Dezember zu<br />

dirigieren, und dachte dabei wohl an eine Doppelfeier sowohl für das zehnjährige<br />

Jubiläum des Singvereins als auch seinen eigenen 50. Geburtstag. Die Proben zu<br />

Beethovens Neunter fanden bereits über einen gewissen Zeitraum hinweg statt,<br />

ebenso die für Bachs Johannes-Passion, jenes andere Meisterwerk der Chorliteratur,<br />

das zu dirigieren schon lange <strong>Webern</strong>s ehrgeiziges Verlangen war. <strong>Webern</strong>s<br />

362


Bestehen auf Perfektion verzögerte den Abschluß der Vorbereitungen, und wie sich<br />

herausstellte, sollte das Konzert des Singvereins am 10. Dezember sein letztes sein.<br />

An diesem Abend im ehrwürdigen Großen Musikvereinssaal wurden Hölderlins<br />

Unheil verkündende Worte am Ende <strong>von</strong> Hyperions Schicksalslied zum Schwanengesang<br />

des Chors:<br />

Doch uns ist gegeben,<br />

Auf keiner Stätte zu ruhn.<br />

Es schwinden, es fallen<br />

Die leidenden Menschen<br />

Blindlings <strong>von</strong> einer<br />

Stunde zur ändern,<br />

Wie Wasser, <strong>von</strong> Klippe<br />

Zu Klippe geworfen,<br />

Jahrlang ins Ungewisse hinab.<br />

Am 3. Dezember 1933 war <strong>Webern</strong>s 50. Geburtstag. Dieser Meilenstein wurde zum<br />

Anlaß für eine Reihe <strong>von</strong> Festlichkeiten. Am 27. Dezember berichtete der<br />

Komponist, für den Anerkennung und Ehrungen seltene Ereignisse waren,<br />

Schönberg mit offensichtlicher Genugtuung: „Mein 50. Geburtstag hat mir viel<br />

Liebes gebracht. Über Initiative des Bach am 2. XII. nachm. im kleinen<br />

Musikvereinssaal eine Festlichkeit mit einer sehr schönen Ansprache Dr. Bachs u.<br />

anschließend der Aufführung einiger meiner Werke. Abends war Zusammenkunft<br />

in einem Restaurant. Zuschriften auch <strong>von</strong> offizieller Seite, darunter ein Schreiben<br />

des Bürgermeisters (der auch dann abends gekommen ist), das mich wirklich sehr<br />

gefreut hat; es ist übrigens auch veröffentlicht worden. Bei der Feier am Nachmittag<br />

waren auch diverse offizielle Persönlichkeiten: <strong>von</strong> der Regierung, der Stadt, der<br />

Partei, der Ravag, der Geseliseh, der Musikfreunde u. s. w. Nimm mir nicht übel, daß<br />

ich das erzähle, ich möchte Dir nur berichten, wie es war. Auch waren in diversen<br />

Zeitungen Notizen. Jalowetz hat sehr schön im ,Anbruch1geschrieben. (Wiesengrund<br />

in einer Berliner, Jemnitz in einer Budapester Zeitung.) Die Kolisch haben<br />

am 1. Dezember mein Quartett in einem öffentlichen Konzert der BBC gespielt. (Im<br />

Okt. in Prag.) Ich konnte sogar ein bischen was da<strong>von</strong> vernehmen. JaJowetz führte<br />

am 3. XII. in einem Nachmittagskonzert mit dem neuen Wiener-Konzertorchester<br />

(nebst der IV. Bruckner u. a.) meine Schuberttänze auf. Die konnte ich übrigens<br />

anfang Nov. selbst in einem Ravag-Konzert machen. In Prag war meine Symphonie<br />

(Radio). In Winterthur mein Saxophon-Quartett. So gab es in der letzten Zeit<br />

immerhin einige Aufführungen. Die Deutschen Tänze (<strong>von</strong> Schubert) werden<br />

übrigens noch immer hübsch viel gemacht. Ja, die Ravag hat am 5. XII. einige Lieder<br />

<strong>von</strong> mir u. das Quartett, sowie auch Lieder <strong>von</strong> Berg u. seine Klaviersonate<br />

gesendet. Schließlich war noch in dem Hause eines Amerikaners eine kleine Feier,<br />

bei der mein Quartett u. die Bagatellen für Streichquartett gespielt worden sind.<br />

363


Diese Wiener Aufführungen meiner Quartette hat das sehr junge aber wirklich sehr<br />

talentirte Galimir-Quartett besorgt. Vielleicht hast Du schon <strong>von</strong> ihnen gehört: es<br />

sind vier Geschwister. 1. Geige der Bruder, 2. Geige, Bratsche u. Cello die<br />

Schwestern. Zur Kriegszeit aus Polen eingewanderte Juden.“<br />

Die private Geburtstagsfeier, die <strong>Webern</strong> erwähnte, wurde <strong>von</strong> Mark Brunswick<br />

gegeben, einem in New York geborenen Komponisten, der damals in Wien<br />

zusammen mit seiner Frau lebte, einer <strong>von</strong> Freud ausgebildeten Psychiaterin. Ihr<br />

Heim war für seine Gastlichkeit bekannt, und Persönlichkeiten wie Klemperer, der<br />

Schriftsteller Jakob Wassermann und der Cellist und Philantrop Felix War bürg<br />

verkehrten dort häufig. Brunswick, der <strong>Webern</strong> durch den ungarischen Geiger und<br />

Komponisten Marcel Dick kennengelernt hatte, lud ihn oft zum Essen ein. <strong>Webern</strong>,<br />

beeindruckt <strong>von</strong> der luxuriösen Atmosphäre des Hauses, genoß das gute Essen<br />

immer sehr. An diesem speziellen Abend hatte er nicht erwartet, daß eine besondere<br />

Geburtstagsüberraschung seiner harrte. Als er den großen Salon betrat, wurden er<br />

und seine Frau plötzlich <strong>von</strong> einer Gruppe ihrer engsten Freunde begrüßt, unter<br />

ihnen Bach, Krenek und Wellesz, die sich in einem Nebenzimmer versteckt gehalten<br />

hatten. Der Höhepunkt des Abends kam mit Aufführungen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Quartetten op. 5 und op. 9 durch die Galimirs.<br />

Die offizielle, <strong>von</strong> der Wiener Sektion der IGNM veranstaltete Feier fand am<br />

Samstag, 2. Dezember, um 5 Uhr nachmittags im Kleinen Musikvereinssaal statt. Sie<br />

wurde mit einer philosophisch tiefschürfenden Ansprache David Joseph Bachs,<br />

<strong>Webern</strong>s langjährigem Freund und Gönner, eröffnet.12 Das dann folgende<br />

Musikprogramm bestand aus Entflieht auf leichten Kähnen op. 2 (Wiener<br />

Madrigalvereinigung unter Hans Gäl), den Vier Stücken für Geige und Klavier op. 7<br />

(Dea Gombrich und Rita Kurzmann), den Drei kleinen Stücken für Violoncello und<br />

Klavier op. 11 (Joachim Stutschewsky und Olga Novakovic), einer Auswahl aus den<br />

Liederzyklen op. 3, 4 und 12 (Anne Michalsky und Eduard Steuermann) sowie den<br />

Fünf Sätzen für Streichquartett op. 5 (Galimir-Quartett). Die gewählten Werke<br />

waren alle in früheren Jahren entstanden, während seltsamerweise die im<br />

dodekaphonen Idiom, in dein <strong>Webern</strong> durch das ganze letzte Jahrzehnt hindurch<br />

komponiert hatte, überhaupt nicht vertreten waren. Nach dem Konzert fand sich<br />

eine große Zahl <strong>von</strong> Gratulanten zu einem geselligen Zusammensein in den Melker<br />

Stiftskeller ein.13<br />

Unter den vielen Geburtstagsgrüßen, die <strong>Webern</strong> erhielt, befand sich auch ein<br />

großes mit Widmung versehenes Porträtfoto <strong>von</strong> Franz Schreker. Am 27. März<br />

1934, sechs Tage nach Schrekers Tod, schrieb <strong>Webern</strong> Berg über die ungewöhnlich<br />

herzliche Widmung, die für ihn „eine außerordentlich freudige Überraschung“<br />

gewesen sei. Ein paar Tage, nachdem Schreker das Foto geschickt hatte, erlitt er<br />

einen Schlaganfall. Jetzt, nach seinem Tode, empfand es <strong>Webern</strong> als „überaus<br />

trostreich“, zu wissen, daß ihre Beziehungen, wenn auch „äußerlich leider recht<br />

spärlich“, nunmehr doch „einen so schönen Abschluß gefunden haben“.<br />

Die erfreulichste Aussicht wohl, die sich für ihn an seinem 50. Geburtstag<br />

eröffnete, war die auf den Titel eines Professors, um den sich seine Freunde um diese<br />

Zeit bemühten. Alma Mahler spielte in ihrer Geburtstagsbotschaft auf das<br />

364


fortgeschrittene Stadium dieser Bestrebungen an: „Ihre Professur dürfte um<br />

Weihnachten herum in günstigem Sinne erledigt sein.“ 14 Aber die Ehrung, die ihm<br />

so viel bedeutet hätte, kam nicht zustande, zweifellos auf Grund politischer<br />

Erwägungen im Ministerium.<br />

Unter den literarischen Geburtstagsbeiträgen war auch ein Sonderheft <strong>von</strong> 23,<br />

das mit einiger Verspätung Ende Februar 1934 erschien. Es war das erste Mal, daß<br />

ein Heft der Zeitschrift einer einzigen Persönlichkeit gewidmet war. Die 24 Seiten<br />

umfassende Veröffentlichung mit dem Titel A nton <strong>Webern</strong> zum 50. Geburtstag<br />

begann mit einem Vorwort des Herausgebers Willi Reich und einem Nachdruck <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>s Hommage an Schönberg, „Der Schönbergschüler“, aus dem Jahr 1912.<br />

Die dann folgenden Beiträge - <strong>von</strong> Theodor Wiesengrund-Adorno, Ernst Krenek,<br />

Hildegard Jone, <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>, Ludwig Zenk und Franz Rederer - bringen alle die<br />

Verehrung zum Ausdruck, die <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> seinen Freunden entgegengebracht<br />

wurde, aber auch ihre Überzeugung, daß er ein großer Künstler und Prophet einer<br />

neuen Musik sei.15 Sie verweisen auf die Isolation, in der er leben und schaffen<br />

mußte und auch auf den Mangel an Aufnahmebereitschaft durch die Öffentlichkeit<br />

und das Ausbleiben offizieller Anerkennung. Am Ende der Würdigungen stand ein<br />

auszugsweiser Nachdruck <strong>von</strong> Rudolf Ploderers Artikel „Ecce Poeta“ aus einem<br />

früheren Heft <strong>von</strong> 23, gefolgt <strong>von</strong> einer Laudatio auf den jüngst verstorbenen<br />

Freund <strong>von</strong> Willi Reich, in der es u. a. heißt: „Das Höchste. . . das ich Ihnen, neben<br />

unserer schönen menschlichen Beziehung, zu verdanken habe, ist das Verständnis<br />

für den Menschen <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>, den Sie mit solcher Klarheit und Liebe<br />

erschauten, daß auch andere Ihrer leidenschaftlichen Erkenntnis teilhaftig werden<br />

konnten.“<br />

Dem Heft waren zwei Abbildungen beigegeben: ein Foto <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>s<br />

Büste <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> (<strong>1928</strong>) und ein nach dem Leben gezeichnetes Porträt <strong>von</strong> Franz<br />

Rederer, einem schweizer Maler, der sich 1933 für ein paar Monate in Wien aufhielt<br />

und sich mit <strong>Webern</strong>, Berg und ihrem Kreis befreundete.16<br />

Willi Reich meinte, Schönberg sollte nicht um einen Beitrag gebeten werden zu<br />

einem Zeitpunkt, zu dem er mit den Problemen seiner Emigration belastet sei, und<br />

das Geburtstagsheft enthielt deshalb lediglich einen Nachdruck seines Vorworts zu<br />

<strong>Webern</strong>s Sechs Bagatellen op. 9. Auffallend war das Fehlen des Namens <strong>von</strong> Alban<br />

Berg auf der Liste der Beiträge, obwohl er tatsächlich das Lesen der letzten<br />

Korrekturen besorgte.17 Am 10. Dezember 1933 hatte er Reich mitgeteilt, daß er<br />

zutiefst in der Komposition <strong>von</strong> Lulu stecke und er es sich daher nicht leisten könne,<br />

den Fortschritt durch die Art <strong>von</strong> Stoffsammlung und gründlichem Studium zu<br />

unterbrechen, die er ohnehin eines Tages über <strong>Webern</strong> anstellen wolle. Andererseits<br />

lehne er es ab, nur eben einige oberflächliche Sätze der Würdigung zu Papier zu<br />

bringen: „Nur so ein paar warme und begeisterte Zeilen schreiben, das ist für mich,<br />

<strong>von</strong> dem man mit Recht das Ausführlichste und Vielsagendste erwartet, unmöglich<br />

und wäre auch fast eine Beleidigung für <strong>Webern</strong>,“ Stattdessen hatte Berg eine<br />

Überraschung besonderer Art für den Freund: die Widmung seines soeben<br />

vollendeten Liedes der Lulu, dieser großartigen virtuosen Arie, die den dramatischen<br />

Höhepunkt des zweiten Akts der Oper darstellt, wenn Lulu Dr. Schön tötet. In<br />

365


seinem Geburtstagsbrief meinte Berg, diese 50 Takte seien „die wichtigsten der<br />

ganzen Oper“ und als solche in ihr nicht nur zentral gelegen sondern auch als ein sich<br />

geschlossenes Ganzes anzusehen. Er fügte hinzu, daß „deren Zueignung an Dich<br />

selbstverständlich in der Niederschrift und in den gedruckten Ausgaben der ,Lulu‘<br />

vermerkt sein wird, als ein kleines äußeres Zeichen unserer inneren Zusammengehörigkeit“<br />

.18<br />

Ein königlicheres Geschenk hätte es nicht geben können, und <strong>Webern</strong>s Freude<br />

über die Widmung war grenzenlos. Er bewunderte Bergs Genius vorbehaltslos,<br />

wenn letzterer sich auch völlig anderer Äußerungsformen bediente. Bergs Wertschätzung<br />

<strong>Webern</strong>s gründete sich auf ähnlicher Fähigkeit zu objektiver Würdigung.<br />

Ihre unverbrüchliche Freundschaft war so niemals durch die völlige Autonomie<br />

ihrer künstlerischen Persönlichkeiten überschattet, keiner <strong>von</strong> beiden wurde jemals<br />

zum Rivalen des anderen. Bergs Geburtstagsgeschenk löste bei <strong>Webern</strong> nachhaltige<br />

Freude aus. Als er zur Weihnachtszeit des nächsten Jahres die Erstausgabe der<br />

Partitur der Lulu-Suite erhielt, dankte er Berg wiederum für die Widmung: „Wie<br />

macht mich die glücklich u. stolz u. schafft mir, möchte ich noch hinzusetzen, tiefste<br />

Beruhigung. Also endlich, endlich die Möglichkeit, wenigstens einen Teil Deiner<br />

,Lulu‘-Partitur kennen zu lernen. Ich habe mich natürlich gleich darauf gestürzt u.<br />

zwar zunächst auf das Schlußstück. Denn, wenn ich an Dein Werk dachte, hatte mich<br />

stets vor allem der Gedanke beschäftigt, welche Musik wird dieses Ende finden. Nun<br />

kenne ich sie u. bin tief, tief ergriffen u. erschüttert.“19<br />

Erst am 3. März 1934 hielt <strong>Webern</strong> das erste Druckexemplar des Geburtstagssonderheftes<br />

<strong>von</strong> 23 in Händen. Amalie, die um diese Zeit wieder im Krankenhaus war<br />

mit einem Rückfall ihres Nierenleidens, erinnerte sich, wie ihr Vater, strahlend vor<br />

Stolz und Freude, das Heft an ihr Bett brachte. Jedem einzelnen Verfasser eines<br />

Beitrags schrieb er einen persönlichen Dankesbrief. Umwälzende politische<br />

Ereignisse hatten soeben Wien überrollt, und die Ungewißheit der Zukunft lastete<br />

schwer auf <strong>Webern</strong>. Er befürchtete, daß die Krise in Kürze auch das kulturelle<br />

Leben erfassen würde. Darauf spielte er an, als er Ernst. Krenek20 arn. 6. März<br />

schrieb: „Ihr ,Bekenntnis’ freut mich ganz außerordentlich. Ihr Bekenntnis zu der<br />

Anschauung, daß die Kunst ihre eigenen Gesetze hat u. daß, will man in ihr etwas<br />

hervorbringen, nur diese u. nichts Anderes sonst Geltung haben können. Aber<br />

indem wir dies erkennen, fühlen wir auch, je größer die Verwirrung wird, immer<br />

schwerer die Verantwortung, die uns auferlegt ist: das uns übergebene Erbe für die<br />

Zukunft zu behüten.“<br />

366


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<strong>Anton</strong> und Wilhemine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> <strong>Webern</strong> (Oktober 1940)<br />

(Mödling 1923)<br />

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<strong>Webern</strong> in seinem Mödlinger Arbeitszimmer (Sommer 1930)<br />

368


24, Än der Schicksalswende (1934)<br />

<strong>Webern</strong>s 50. Geburtstag sah ihn auf dem Zenith seiner künstlerischen Laufbahn.<br />

Nach der Ferienpause hatte er die wöchentlichen Proben mit dem Singverein, die<br />

vor allem Bachs Johannes-Passion galten, wieder aufgenommen.1Am 28. Januar<br />

dirigierte er ein Rundfunkkonzert mit zwei Werken <strong>von</strong> Mendelssohn: dem<br />

Violinkonzert (Solistin Christa Richter-Steiner) und der Dritten Symphonie (der<br />

Schottischen), aus Anlaß des 125. Geburtstags des Komponisten. Am Vortag<br />

wurden <strong>Webern</strong>s Fünf Sätze op. 5 in Wien aufgeführt. Berg gegenüber gab er seiner<br />

Befriedigung Ausdruck: „Die Kolischs haben mein Quartett diesmal geradezu<br />

vollendet gespielt. Es ist mir wirklich kein Wunsch mehr geblieben. Auch war ich<br />

froh darüber, daß das Werk einmal so zwischen Klassiker zu stehen gekommen ist—<br />

in einem normalen Programm. So hat es, glaube ich, diesmal seine Wirkung gethan.“<br />

Im gleichen Brief vom 31. Januar erörterte <strong>Webern</strong> seine Absicht, Bergs Wozzeck-<br />

Suite beim IGNM-Fest in Florenz zu Ostern aufzuführen. Das neue Jahr eröffnete<br />

auch Aussichten auf Dirigierverpf 1ichtungen in Rom (in Verbindung mit seinem<br />

Auftreten in Florenz), in Lemberg im März und in Amsterdam irn Anschluß an eine<br />

weitere Reise nach England im April.<br />

Schlagartig veränderten sich jedoch diese hoffnungsvollen Ausblicke. Die politische<br />

Situation in Österreich, die durch Auseinandersetzungen und Unruhen schon<br />

lange gespannt war, entlud sich im Februar 1934. Engelbert Dollfuß, der Christliche<br />

Sozialist, der 1932 Kanzler geworden war, hatte eine dringend benötigte internationale<br />

Anleihe aufnehmen können unter der Bedingung, daß er für die Aufrechterhaltung<br />

der völligen Unabhängigkeit Österreichs Sorge tragen werde. Er stand zu<br />

seinem Wort, da er sich aber seiner schwachen Majorität nicht sicher war, nahm er<br />

einen technischen Vorwand zum Anlaß, das Parlament auszuschalten und sich mehr<br />

oder weniger diktatorische Vollmachten übertragen zu lassen. Bald sah er sich hart<br />

bedrängt <strong>von</strong> der immer stärker werdenden Österreichischen Nationalsozialistischen<br />

Partei einerseits, die die Unterstützung <strong>von</strong> Nazi-Deutschland genoß, und den<br />

Sozialdemokraten andererseits, mit denen er nicht Zusammengehen wollte oder<br />

konnte. Zunehmend stützte er sich auf ein Bündnis mit der österreichischen<br />

Variante des Faschismus unter der Führung des Fürsten Ernst Rüdiger <strong>von</strong><br />

Starhemberg. Dollfuß, der für seine Außenpolitik bei den Westmächten wenig<br />

Unterstützung fand, setzte zur Wahrung der österreichischen Unabhängigkeit auf<br />

seine Freundschaft mit Italien. Am 12. Februar kam es zum Aufstand der Wiener<br />

Sozialdemokraten mit blutigen Straßenkämpfen. Siebzehntausend Regierungssoldaten<br />

und Angehörige der faschistischen Miliz eröffneten Artilleriefeuer auf<br />

Einrichtungen und Wohnhäuser der Arbeiter. Als das Gemetzel am 15. Februar zu<br />

Ende ging, waren tausend Männer, Frauen und Kinder getötet und weitere drei­<br />

369


oder viertausend verwundet worden. Die sozialdemokratische Partei wurde prompt<br />

als illegal erklärt, und alle ihre Organisationen wurden aufgelöst einschließlich der<br />

Kunststelle, der die Arbeitersymphoniekonzerte wie auch der Singverein unterstanden.<br />

Im April wurde das Dollfuß-Regime durch ein Ein-Parteiensystem kraft einer<br />

<strong>von</strong> Kurt <strong>von</strong> Schuschnigg ausgearbeiteten „kooperativen“ Verfassung abgelöst.<br />

Als Dollfuß einen erfolglosen Versuch unternahm, die Macht an sich zu reißen,<br />

wurde er am 25. Juli brutal durch die Nationalsozialisten ermordet.<br />

Eine unmittelbare Folge der politischen Wirren war der Zusammenbruch <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>s eigentlicher Existenzgrundlage. Sein Monatsgehalt <strong>von</strong> 200 Schillingen<br />

vom Singverein und seine Einkünfte durch die periodischen Arbeitersymphoniekonzerte<br />

waren über Nacht ausgelöscht. Zum Verlust seiner Stellung kam der vieler<br />

enger persönlicher Verbindungen wie die zu Paul A. Pisk. Pisk, ein aktiver<br />

Sozialdemokrat, trat <strong>von</strong> seinem Amt als Sekretär der Wiener Sektion der IGNM<br />

zurück, das er seit der Gründung der Gesellschaft im Jahre 1922 innegehabt hatte.2<br />

Viele, die ähnlicher politischer Gesinnung waren, und vor allem diejenigen<br />

jüdischer Abstammung, bereiteten angesichts der Dinge, die sich im benachbarten<br />

Deutschland bereits ereignet hatten, ihre Emigration vor. <strong>Webern</strong> half, so gut er<br />

konnte, ihnen den Weg zu ebnen. Am 21. Mai 1934 trat er an Roberto Gerhard<br />

heran mit der dringenden Bitte, Möglichkeiten für das Galimir-Quartett in<br />

Barcelona zu erkunden und zu versuchen, Dr. Bach eine Position als Musikkorrespondent<br />

an einer spanischen Zeitung zu verschaffen.<br />

Mit der Konsolidierung der politischen Umwälzung in Österreich wuchs <strong>Webern</strong>s<br />

Niedergeschlagenheit <strong>von</strong> Tag zu Tag. Im weiteren Verlauf des Jahres, am 17.<br />

September, als er Ernst Diez (der sich erneut zu einem Lehrauftrag nach Amerika<br />

begeben hatte) die gedruckten Geburtstagsadressen <strong>von</strong> Bach und Jalowetz<br />

schickte, schrieb er: „Dies, lieber Ernst, zum Abschiede <strong>von</strong> unserem Lande, damit<br />

Du nicht bloß mit diesem schrecklichen Eindrücke der politischen Ereignisse <strong>von</strong><br />

uns fortgehst, sondern, daß trotz allem, was in der Welt vorgeht, gerade hier, im<br />

Stillen, ein paar Menschen sich wohl der Verantwortung, die sie mitbekommen<br />

haben, bewußt geblieben sind: einer Verantwortung, die stündlich größer wird.“<br />

Zum ersten Mal dachte <strong>Webern</strong> jetzt ernstlich daran, sein Vaterland zu verlassen.<br />

Er machte sich vage Hoffnungen, daß er, wie Schönberg, auch für sich einen Piatz in<br />

der Neuen Welt finden könnte, und wandte sich am 21. März 1934 an Adolph Weiss:<br />

„Bei uns waren die ganze Zeit her sehr aufregende, Vieles gänzlich verändernde<br />

Ereignisse völlig unvorstellbarer Art. Ja, lieber Herr Weiss, es hat sich Grauenhaftes<br />

zugetragen in unserem Lande u. wir stehn noch immer ganz unter dem Eindruck<br />

dieser Ereignisse. Von Schönberg kommen, Gott sei Dank, hocherfreuliche<br />

Nachrichten, doch ist die Tätigkeit drüben für ihn wohl sehr anstrengend. Sonst bin<br />

ich glücklich darüber u. wünsche mir sehr, auch bald in Amerika sein zu könnenlll<br />

(Oder wenigstens als Gast dort erscheinen zu können.) Denn für mich wird es hier<br />

immer schwerer. Durch die angedeuteten Ereignisse habe ich meinen Chor verloren<br />

und damit einen schönen durch ein Jahrzehnt mühsam aus- und aufgebauten<br />

Wirkungskreis und natürlich auch einen wesentlichen Faktor meines Einkommens.<br />

Daß die Sache in ihrer letzten Form wiederhergestellt werde, dafür ist so gut wie<br />

370


keine Aussicht. Was hat man mir da zerstört, lieber Freund. Mit Kanonen! Wir<br />

studierten gerade die Johannes-Passion‘! “<br />

Als <strong>Webern</strong> diesen Brief an Weiss schrieb, bereitete Schönberg gerade seinen<br />

Umzug nach New York vor. Sein erster Winter war nicht leicht gewesen, obwohl es<br />

die Neue Welt sich nicht hatte nehmen lassen, ihn mit einer Flut künstlerischer<br />

Ehrungen und Engagements willkommen zu heißen. Am 11. November 1933, zehn<br />

Tage nachdem er amerikanischen Boden betreten hatte, hatte die League of<br />

Composers in New York seine Ankunft mit einem Schönberg-Kammerkonzert<br />

gefeiert. Dann lud ihn das Boston Symphony Orchestra ein, als Gastdirigent ein<br />

Doppelkonzert am 12. und 13. Januar mit eigenen Werken zu leiten. Doch<br />

Schönberg, dem das rauhe Klima in Neuengland zusetzte, war einen Monat lang<br />

krank und erschien erst am 16. März am Pult der Boston Symphony (Hauptwerk des<br />

Programms war sein Pelleas und Melisande). Vorher absolvierte er ein Engagement<br />

bei der Chicago Symphony am 8. und 9. Februar, bei dem er eigene Werke<br />

dirigierte: Fünf Orchesterstücke op. 16, die Bearbeitung <strong>von</strong> Bachs Präludium und<br />

Fuge für Orgel und Verklärte Nacht. Über die letztere bemerkte er zu <strong>Webern</strong> am<br />

31. Januar: „Das ist hier so eine Art Tschaikowsky-Stück.“ Einige Wochen später,<br />

am 12. April, berichtete er: „Im ersten Konzert passierte noch vieles; auch mir<br />

selbst, denn ich ging aufs Podium in der Meinung, Verklärte Nacht“zu dirigieren und<br />

,eingestimmt‘ darauf, sehe eine Sekunde bevor ich anfangen mußte, daß ich mit den<br />

Orchesterstücken zu beginnen hatte. Das war ein derartiger Schock, daß ich das<br />

ganze erste Stück verpatzte und bald geschmissen hätte. Erst im 4. Stück war ich<br />

wieder ganz dabei. Aber im zweiten Konzert ging alles fabelhaft gut.“<br />

Außer diesen Konzerten gab es Einladungen zu Vorträgen an verschiedenen<br />

Universitäten, darunter Princeton. Abgesehen <strong>von</strong> solchen Höhepunkten aber<br />

waren Schönbergs Anstrengungen, sich eine Existenz, vergleichbar mit der, die er<br />

aufzugeben hatte, aufzubauen, äußerst mühselig. Einige Begebenheiten in seinem<br />

Daseinskampf wurden in seinen Briefen an <strong>Webern</strong> drastisch geschildert. Wegen<br />

seiner Abmachungen mit dem Malkin Conservatory ließ sich Schönberg zunächst in<br />

Brookline, Massachusetts, nieder. Aber was er an dieser kleinen Musikschule<br />

vorfand, war enttäuschend. Es gab dort nicht einmal genügend Instrumentalisten,<br />

um ein Studentenorchester aufzustellen, und die Zahl der Privatschüler war so klein,<br />

daß Schönberg sich gezwungen sah, sein Einkommen dadurch aufzubessern, jedes<br />

Wochenende nach New York zu fahren, um dort eine andere Gruppe <strong>von</strong> Studenten<br />

zu unterrichten. Die Anstrengung der langen Eisenbahnfahrten, sein fortgesetztes<br />

Unwohlsein und die Unmöglichkeit, kreativ zu arbeiten, setzten ihm so zu, daß er<br />

bald Schritte unternahm, seine Lage zu verbessern.<br />

Während Schönbergs ersten zwei Monaten in Amerika hatte er <strong>Webern</strong> nur zwei<br />

Postkarten geschickt, aber am 1. Januar 1934 schrieb er ihm einen ausführlichen<br />

Brief: „Liebster, teuerster Freund, vor allen langen Erklärungen, lass mich Dir aufs<br />

innigste zu Deinem fünfzigsten Geburtstag wünschen, was es Gutes für unsereins<br />

gibt: Gesundheit, Freude am Wirken, Schaffenskraft, Glück und Zufriedenheit der<br />

Angehörigen und Freunde - ich weiß, ich kenne Dich: wie für mich, so gäbe es für<br />

Dich, außer diesen kaum andere Wünsche, wenn die Welt nicht solch ein<br />

371


Jammertal1wäre und wenn sie nicht <strong>von</strong> Wesen bewohnt wäre, die so ganz anders<br />

geartet sind als wir. Und so muß ich Dir zusätzlich noch all das wünschen, was der<br />

Kampf gegen diese Widerwärtigkeiten erfordert.“<br />

Schönberg entschuldigte sich für seine verspäteten Geburtstagswünsche und kam<br />

dann unverblümt zur Sache: „Ich will es aufrichtig sagen - es gab einen Grund.<br />

Nämlich: seit wenigstens 5-6 Wochen war ich Deinethalben und wegen Berg sehr<br />

aufgeregt und (und ich muß schon sagen) nicht nur deprimiert, sondern geradezu<br />

verzweifelt; insbesondere aber Deinethalben! Denn Ihr habt mir beide fast 2<br />

Monate lang (Du schriebst zuletzt etwa 12. X., Berg etwa 8. X.) kein Wort<br />

geschrieben. Und da wir Juden ja in dieser Zeit es hundertmal erlebt haben, daß<br />

Unglaubliches geschehen ist, daß Leute plötzlich Nazi worden waren, die noch<br />

gestern Freunde waren, so konnte ich mir Euer Schweigen (insbesondere Bergs) gar<br />

nicht anders erklären, als daß auch Ihr dort Euch angeschlossen habt. Es erschien<br />

mir unglaubwürdig, aber Ihr beide habt mich mit Briefen immer verwöhnt und wie<br />

anders sollte ich mir es gerade jetzt erklären, wo ich doch Nachrichten <strong>von</strong><br />

Treugebliebenen dringender brauche, als je! Und wo man erfährt, daß Leute, wie<br />

Hauptmann3, übergelaufen sind! Ich weiß nicht, wie Du darüber denkst. Aber ich<br />

finde es unerhört, daß ein Mann wie Hauptmann heute einer Partei zustimmt, die<br />

nicht nur ein Programm hat, sondern es wörtlich durchführt. Und dieses Programm<br />

bezweckt nicht mehr und nicht weniger, als die Ausrottung aller Juden! Wie man<br />

dem zustimmen kann, ist mir nur durch Feigheit und Gemeinheit erklärbar. Ich<br />

konnte es nicht begreifen, und auch nicht glauben, daß Ihr beide auch Euch solchen<br />

Bestrebungen anschließt. Aber Du wirst verstehen, daß ich wartete, ob nicht doch<br />

irgend eine Nachricht <strong>von</strong> Euch komme, die meine Zweifel beseitigt. Nun ist vor<br />

einigen Tagen endlich ein Brief <strong>von</strong> Berg gekommen, der auf meine direkte Frage<br />

(scherzhaft) klar ,Nein‘ sagt. Und nun bedaure ich selbstverständlich tausendmal<br />

mehr, daß ich Deinen Geburtstag versäumt habe und muß mich damit trösten, daß es<br />

nicht bloß diese Ursache war, sondern (nebst dem Obenangeführten) meine große<br />

Ermüdung und daß ich eben heute wieder gerade vier Wochen krank war:<br />

furchtbarer Husten . . . Und morgen muß ich doch wieder nach New York, wo ich<br />

jede Woche 3-4 Stunden zu unterrichten habe, was aber 24 Stunden kostet (je 5'k<br />

Stunden Eisenbahnfahrt, Auto etc.). Seit langem zerbreche ich mir den Kopf, was<br />

ich Dir zum Geburtstag schenken soll. Mein Plan - seit einigen Jahren auf dieses<br />

Datum gerichtet - Dir ein größeres Werk zu widmen, läßt sich derzeit (!) nicht<br />

ausführen, denn die größeren Werke beziehen sich aufs Judentum, die Konzerte<br />

aber sind nicht durchaus Originalwerke (und den ,Virtuosen“ gewidmet). Und so<br />

bliebe bloß ein Heft Lieder (3 Stück) und das ist mir zu klein für Dich. So bin ich also<br />

in der größten Verlegenheit und muß Dich bitten, mir noch etwas Zeit zu lassen.<br />

Vielleicht schreibe ich noch ein Werk, das unsrer Freundschaft würdig ist.“ Dieses<br />

Werk, das Violinkonzert op. 36, sollte 1936 geschrieben werden. Es trägt die<br />

schlichte Widmung: „Für <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“, obwohl Schönberg zunächst Carl<br />

Engel (vom Verlag G. Schirmer, New York) gebeten hatte, diesen Text zu<br />

verwenden: „Meinem lieben Freund <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> mit herzlichster Dankbarkeit<br />

für seine unübertroffene Treue“ .<br />

372


<strong>Webern</strong>s Brief, der eine Entschuldigung für sein langes Schweigen enthielt sowie<br />

eine Beschreibung der Festlichkeiten zu seinem 50. Geburtstag, kreuzte sich in der<br />

Post mit dem Schönbergs. Er antwortete umgehend am 17. Januar mit einer<br />

leidenschaftlichen Verurteilung des Naziregimes in Deutschland: „Wie soll ich Dir’s<br />

denn restlos überzeugend darstellen, liebster Freund? Ich bilde mir ein, wirklich seit<br />

je gänzlich entgegengesetzt gedacht zu haben. Und der Fall Hauptmann z. B. ist mir<br />

ebenso grauenhaft wie Dir. Was sag ich? Er muß es mir ja noch viel mehr sein.<br />

Höchste Schande einer ,Nation4! Aber ich muß doch auch sagen, ich habe gar kein<br />

Gefühl für diesen Begriff [der Rasse]; höchstens jetzt im Sinne der heftigsten<br />

Abwehr gegen die,eigene1, da sie so erscheint. Ich stehe auf u. gehe schlafen mit dem<br />

Gedanken, wie man dieser Schreckensherrschaft ein Ende bereiten u. was uns<br />

erretten könnte!“<br />

Schönberg dankte <strong>Webern</strong> am 31. Januar für seine „neuerliche Beruhigung“ und<br />

erklärte: „Europa hat für mich jeden Sinn verloren, wenn ich dort nicht meine<br />

treuen Freunde, Dich allen voran, habe!“ Am 25. März zog Sehönberg nach New<br />

York City und quartierte sich im Ansonia ein, einem <strong>von</strong> Musikern bevorzugten<br />

Apartmenthotel. „Wie meine Zukunft hier sein wird, ist einstweilen wohl ungewiß“,<br />

schrieb er <strong>Webern</strong> am 12. April. „Ein Engagement habe ich bis jetzt noch nicht. Es<br />

liegt an der Depression, <strong>von</strong> deren Umfang man sich in Europa keine Vorstellung<br />

machen kann; und im Zusammenhang damit fürchtet man offenbar, daß ich zu hohe<br />

Ansprüche stellen werde.“ Schönberg war dennoch voller Zuversicht, daß er bald<br />

eine gute Position an einer Universität erhalten würde. Eingedenk <strong>Webern</strong>s<br />

sehnsüchtigen Wunsches, nach Amerika kommen zu können, meinte er zu ihm:<br />

„Daß ich mir sehr darüber den Kopf zerbreche, wie ich hier etwas für Dich tun kann,<br />

wirst Du mir glauben. Ich habe auch einige vage Hoffnungen: es sind einige Stellen<br />

frei; aber leider gibt es hierfür so viele Anwärter, daß die Aussicht sehr gering ist.<br />

Aber ausgeschlossen ist es nicht. Nur muß ich Dir gleich sagen: diese phantastischen<br />

Honorare gibt es hier nicht mehr. Man kann durchschnittlich 4-500 Dollar für ein<br />

Konzert bekommen. Ich habe nur einmal mehr gehabt. . . Ich wünsche sehnlichst,<br />

daß ich Dir hier etwas verschaffen könnte. Es wäre sehr schön. Obwohl ich allerdings<br />

nicht glaube, daß Du Dich hier sehr wohl fühlen könntest . . . Damit müßtest Du<br />

rechnen: ich weiß, wie unglücklich Du in Holland und Spanien, warst, wo es gewiß<br />

viel besser ist, als hier.“<br />

Sehönberg blieb bis zum Juni in. New York, wo er eine kleine Gruppe <strong>von</strong><br />

Privatschülern unterrichtete, <strong>von</strong> denen ein paar jede Woche <strong>von</strong> Boston angereist<br />

kamen. Er hatte erfolgversprechende Verhandlungen für eine Position an einem<br />

Institut aufgenommen. Zwei angesehene Konservatorien wetteiferten miteinander,<br />

ihn für ihren Lehrkörper zu gewinnen. Das eine war das Chicago Musical College,<br />

dessen Präsident Rudolph Ganz, <strong>von</strong> jeher ein unbeirrter Verfechter der neuen<br />

Musik, Schönberg ein Jahresgehalt <strong>von</strong> 4000 Dollars anbot. Das andere war das<br />

Juilliard Institute of Music in New York, und Schönberg zog diese Möglichkeit lange<br />

und ernsthaft in Erwägung. Als er dann schließlich am 11. Juni 1935 ablehnte, fragte<br />

er den Präsidenten Ernest Hutcheson in seinem Brief: „Würden Sie nicht <strong>Anton</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong> für die Stelle in Betracht ziehen? Er ist der leidenschaftlichste und<br />

373


intensivste Lehrer, den man sich denken kann, und ist augenblicklich mit den<br />

Zuständen in Wien nicht sehr zufrieden.“4<br />

Es ist bewundernswert, wie sehr Schönberg, ohne noch selbst festen Fuß gefaßt zu<br />

haben, sich für seine europäischen Freunde verwandte. Kaum war er in den<br />

Vereinigten Staaten eingetroffen, bat ihn Alban Berg, ihm finanziellen Beistand zu<br />

verschaffen, damit er seine ganze Kraft der Vollendung seiner Oper Lulu widmen<br />

könne. Schönberg ging auf seine Bitte ein und es gelang ihm, die Library of Congress<br />

in Washington D.C. für den Ankauf der dreibändigen Manuskriptpartitur <strong>von</strong><br />

Wozzeck zu interessieren. Er regte auch einen einflußreichen Kunstmäzen in<br />

Philadelphia dazu an, eine Ausstellung <strong>von</strong> Gemälden <strong>von</strong> Oskar Kokoschka zu<br />

veranstalten, <strong>von</strong> dem er wußte, daß er zutiefst deprimiert und mittellos war,<br />

nachdem seine Arbeiten unter das Nazi verbot gefallen waren.<br />

Auf der Suche nach einem seiner Gesundheit bekömmlicheren Klima entschloß<br />

sich Schönberg, sich im Oktober in Kalifornien niederzulassen. Vor seinem Umzug<br />

ging er für den Sommer in den Ferienort Chatauqua im Staat New York, wo er am<br />

13. September in aller Stille seinen 60. Geburtstag beging. Eine Flut <strong>von</strong><br />

Glückwunschtelegrammen und Briefen verschönte den Tag. Ganz besondere<br />

Genugtuung verschaffte ihm die Festschrift Arnold Schönberg zum 60. Geburtstag,<br />

die rechtzeitig zu dem feierlichen Anlaß fertig geworden war. <strong>Webern</strong> hatte nicht<br />

nur die Verantwortung für den Inhalt übernommen, er hatte sich auch aktiv für die<br />

Erlangung der zur Veröffentlichung durch die Universal Edition benötigten<br />

Geldmittel verwandt.5 Die Festschrift wurde zunächst iri einer limitierten Auflage<br />

<strong>von</strong> 50 Exemplaren herausgebracht, deren jedes <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> handschriftlich mit<br />

dem Namen des Empfängers designiert wurde. Der Band, illustriert mit einer<br />

Fotografie Schönbergs jüngeren Datums und Faksimiles der Manuskripte seiner<br />

ersten Lieder, sowie einer Seite aus Moses und Aron, enthielt Zeugnisse einer Reihe<br />

<strong>von</strong> Freunden und Schülern. Für <strong>Webern</strong> war die Zusammenstellung dieser Tribute<br />

eine wahrhafte Liebesmüh. Er war ganz besonders entzückt über die Botschaft <strong>von</strong><br />

Hildegard Jone, der er den Ehrenplatz an der Spitze der Gratulanten einräumte,<br />

Alban Berg war vertreten mit einem anagrammatischen Gedicht über die<br />

Dreieinigkeit <strong>von</strong> Glauben, Hoffnung und Liebe. Außerdem plante Berg die<br />

Widmung seiner noch unvollendeten Oper Lulu als besondere Geburtstagsgabe.<br />

Und <strong>Webern</strong> selbst widmete ihm eines seiner Werke, das Konzert op. 24, dessen<br />

Entwurf erst neun Tage vor Schönbergs Geburtstag beendet worden war.<br />

Als seinen eigenen Beitrag zur Festschrift hatte <strong>Webern</strong> bedeutsame Auszüge aus<br />

einer Anzahl <strong>von</strong> Artikeln <strong>von</strong> Sehönberg zusammengestellt, die in vergriffenen<br />

oder kaum noch erhältlichen Veröffentlichungen verstreut waren. In seiner<br />

Einleitung zu der Sammlung <strong>von</strong> Zitaten verwahrte sich <strong>Webern</strong> gegen die<br />

zerstörerischen Kräfte, die damals das freie Denken der Menschheit infrage stellten,<br />

und wandte sich direkt an Sehönberg mit den Worten: „So lasse mich Deines 60.<br />

Geburtstages auch auf diese Weise gedenken, daß ich etwas <strong>von</strong> diesem Schatze<br />

hebe. Denn: ,Verwirrende Lehre <strong>von</strong> verwirrtem Handel waltet über die Welt“<br />

(Goethe, letzter Brief). Wie sehr bedarf es also Deines Wortes!“<br />

Schönberg, <strong>von</strong> seinem Umzug nach Kalifornien in Anspruch genommen, dankte<br />

374


<strong>Webern</strong> erst am 13. November, als er ihm schrieb: „Für jetzt also nur das eine, daß<br />

ich froh und stolz bin, daß sich unsere gegenseitigen Gefühle stetig unverändert auf<br />

der Höhe unserer alten, erprobten, durch nichts zu erschütternden Freundschaft<br />

erhalten, jetzt, wo alles in Brüche geht und man über das wenige Bleibende sich<br />

umsomehr freuen darf: es zeigt uns die wahren Werte.“<br />

In den kommenden Jahren sollte <strong>Webern</strong>s Loyalität diesen Werten gegenüber auf<br />

harte Proben gestellt werden. Nachdem er seiner <strong>von</strong> der Kunststelle der<br />

sozialdemokratischen Partei geförderten Tätigkeit verlustig gegangen war, standen<br />

ihm 1934 eine Anzahl <strong>von</strong> Enttäuschungen bevor. Keine der erhofften Dirigierverpflichtungen<br />

in Florenz, Rom, Lemberg und Amsterdam kam zustande. In Florenz<br />

hätte er auf dem IGNM-Fest Bergs Wozzeck-Suite dirigieren sollen, aber politische<br />

Querelen im Programmkomitee vereitelten das Vorhaben, und das Werk wurde<br />

schließlich zurückgezogen. <strong>Webern</strong> war darüber so verärgert, daß er sein Präsidentenamt<br />

in der Wiener Sektion zur Verfügung stellen wollte, wurde jedoch <strong>von</strong> Dr.<br />

Bach zum Bleiben überredet.<br />

Unter solch deprimierenden Umständen konnte es nicht ausbleiben, daß die<br />

Konzertreise nach London, auf der ihn sein Freund <strong>Josef</strong> Polnauer begleitete,<br />

<strong>Webern</strong>s Stimmung merklichen Auftrieb verlieh. In seinem Brief an die <strong>Humplik</strong>s<br />

vom 21. April war er voller überschwenglicher Vorfreude: „Ich dirigiere eine<br />

Schubert-Symphonie [die 4.] und die beiden ,Nachtmusiken1 aus der VII. Symphonie<br />

<strong>von</strong> Mahler. Die muß ich Ihnen zeigen, wenn Sie wieder da sind. Namentlich<br />

die zweite ist <strong>von</strong> unbeschreiblicher Herrlichkeit. Da tönt wohl nichts als Liebe, Liebe,<br />

Liebe. Es wird schön sein, das mit diesem herrlichen Orchester zu musizieren.“<br />

<strong>Webern</strong>s BBC-Engagement bestand diesmal nur aus einem Auftritt, aber das<br />

Programm, das <strong>von</strong> der Direktion gewünscht worden war, hätte kaum mehr nach<br />

seinem Geschmack sein können. Er hatte für das Konzert drei Proben zur<br />

Verfügung; es wurde am Mittwoch, 25. April („<strong>von</strong> 9.35 bis 10.50 PM“, wie <strong>Webern</strong><br />

Berg schrieb, damit er sich einschalten könne) gesendet. Eine Ausstellung <strong>von</strong><br />

Plastiken <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> in London, in der auch <strong>Webern</strong>s Büste gezeigt wurde,<br />

fiel mit <strong>Webern</strong>s Aufenthalt zusammen. In einem Brief an den Bildhauer vorn 15.<br />

Mai äußerte <strong>Webern</strong> sich beglückt über die Affinität ihrer ästhetischen Vorstellungen:<br />

„Wüßtest Du, lieber <strong>Humplik</strong>, welchen tiefen Eindruck Deine Köpfe wieder<br />

auf mich gemacht haben. Diese Vielfältigkeit der Gestalten, was für ein Espressivo<br />

der verschiedensten Art, in reinster Natürlichkeit; hier ist keine ,Willkür“, wie<br />

Goethe es so an den Klassikern rühmt: also reinste Darstellung!!! Ich muß immer<br />

daran denken!“ Auf der Heimfahrt nach Wien unterbrach <strong>Webern</strong> die Reise in<br />

Frankfurt, um Hans Rosbaud zu sehen, eine „ungemein befriedigende Begegnung“,<br />

wie er Berg gegenüber feststellte.<br />

Anfang Mai wurde der Emil-Hertzka-Gedächtnis-Preis zum zweiten Mal<br />

vergeben. <strong>Webern</strong>, der wieder der Jury angehörte, war entzückt darüber, daß<br />

Komponisten, die die Zwölftontechnik anwandten, den Löwenanteil der Preise für<br />

sich verbuchen konnten. Sein unerschütterliches Vertrauen auf dieses Idiom geht<br />

aus einem Brief hervor, den er am 24. Mai an Otto Jokl schrieb, einen Berg-Schüler<br />

und einen der Preisträger: „Der Abend am 9. Mai hatte mich sehr froh gemacht;<br />

375


nicht nur wegen der aufgeführten Werke! Es ist mir vorgekommen, als ob sich dabei<br />

ein ganz ausdrückliches Bekenntnis des Publikums zu dieser Musik, also zum einzig<br />

richtigen Wege, zu unserem Wege manifestiert hätte! Und damit also, daß es<br />

vielleicht doch nicht so schlimm bestellt ist um unsere Zeitgenossen, als es den<br />

Anschein haben könnte. Deswegen: ,Nase zu u. mitten durch1! Mein Lieber!“6<br />

So versuchte <strong>Webern</strong>, sich sein Selbstvertrauen zu bewahren und den Jungen Mut<br />

zuzusprechen zu einer Zeit, in der seine eigene Lage mehr als prekär war.<br />

Privatunterricht war jetzt seine einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen, doch die<br />

Einkünfte, die ihm aus dieser Quelle zuflossen, waren weder ausreichend noch<br />

stabil. Die Schar treuer Schüler, denen die weite Reise nach Maria Enzersdorf nichts<br />

ausmachte, war klein. Bestenfalls waren es sechs im Monat während dieses<br />

Frühjahrs, und die Honorare, die sie zahlten, richteten sich nach ihren finanziellen<br />

Gegebenheiten. Im Juni ging die Zahl der Schüler auf drei zurück, und auch sie<br />

unterbrachen ihren Unterricht während des Sommers. <strong>Webern</strong>s finanzielle Lage<br />

wäre verzweifelt gewesen, wäre ihm nicht sein Freund Mark Brunswick zu Hilfe<br />

gekommen, der seine Notlage erkannte und <strong>Webern</strong> vom April 1934 an mit einer<br />

monatlichen Zuwendung unterstützte. Das Kontobuch zeigt an, daß die Zahlungen<br />

bis zum April des kommenden Jahres weiter liefen. Außerdem schickte ihm<br />

Brunswick eine seiner eigenen Theorieschülerinnen, Margaret Cantor.7<br />

Hilfe kam auch in Form eines Auftrags <strong>von</strong> der Universal Edition auf eine<br />

dringende Bitte hin, die <strong>Webern</strong> kurz nach seiner Rückkehr <strong>von</strong> London äußerte.<br />

Am 5. Mai hatte er sich an Frau Emil Hertzka, die Witwe des Verlegers, gewandt:<br />

„Durch eine schwere langwierige Nierenerkrankung meiner ältesten Tochter war<br />

ich gezwungen, bescheidene Reserven, die ich mir soweit als möglich u. insbesondere<br />

für die nahezu verdienstlose Sommerzeit zu bilden trachte, so ziemlich<br />

aufzubrauchen. So werden Sie meine Sorge verstehen. Nun habe ich aber seit<br />

ungefähr 4 Jahren wirklich nicht einen Groschen <strong>von</strong> der U.E. weder bekommen<br />

noch beansprucht, so daß es also wohl nicht als zu unbescheiden erscheinen dürfte,<br />

wenn ich nach langer Zeit wieder einmal mit einem derartigen Wunsche an den<br />

Verlag herantrete u. also ersuche, daß rnan mir für den heurigen Sommer einen<br />

Betrag <strong>von</strong> etwa 500 S. zur Verfügung stelle. Damit wäre mir schon recht seingedient<br />

u. so bitte ich Sie, liebe Frau Direktor, in diesem Sinne zu intervenieren.“8<br />

Frau Hertzka hatte Erfolg, und <strong>Webern</strong> ließ sie in tiefer Dankbarkeit am 12. Juli<br />

wissen: „Ich erhielt soeben die Verträge: ich bearbeite ein klassisches Werk und<br />

bekomme dafür sofort S. 500 u. später eine 5% Tantieme.“ Das Werk, das <strong>Webern</strong><br />

für seine Bearbeitung wählte, war das sechsstimmige Ricercar aus J. S. Bachs<br />

Musikalischem Opfer (vgl. 25. Kapitel).<br />

Im Verlauf der Jahre waren die Tantiemen, die <strong>Webern</strong> durch die AKM (die<br />

österreichische Verwertungsgesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger)<br />

für Aufführungen seiner Werke im In- und Ausland ausbezahlt bekam, zu<br />

einer Einnahmequelle geworden, auf die er sich zunehmend verlassen konnte. Diese<br />

Einkünfte waren stetig angestiegen, <strong>von</strong> 846 Schillingen im Jahr 1930 bis zu 2735<br />

Schillingen im Jahr 1933. Doch in diesem kritischen Jahr 1934 gingen die Tantiemen<br />

abrupt auf 1544 Schillinge zurück.<br />

376


<strong>Webern</strong>s finanzielle Rückschläge hatten jedoch ein nicht zu unterschätzendes<br />

positives Resultat: Die Zeit, die früher <strong>von</strong> seinen vielerlei Verpflichtungen<br />

aufgezehrt worden war, konnte alsbald in schöpferische Arbeit umgemünzt werden,<br />

für die sich 1934 als ein einzigartiges Jahr erwies. Nachdem er den Zyklus Drei<br />

Lieder op. 23 am 20. März vollendet hatte, nahm er sich nach seiner Rückkehr <strong>von</strong><br />

England das Konzert op. 24, ein schon vor langer Zeit begonnenes Projekt, wieder<br />

vor. Es wurde am 4. September abgeschlossen, wobei der zweite und dritte Satz mit<br />

unglaublicher Schnelligkeit geschrieben wurden. Am 4. Juli, bevor <strong>Webern</strong> mit dem<br />

zweiten Satz des Konzerts begann, hatte er das erste der Drei Lieder op. 25<br />

komponiert. Dieser Zyklus war bis zum 15. November beendet und unmittelbar<br />

nachher nahm er die Transkription <strong>von</strong> Bachs Ricercar in Angriff, die am 21. Januar<br />

des nächsten Jahres fertig wurde.<br />

Der zunehmende Schwung trug <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> Vorhaben zu Vorhaben. Wenn er<br />

einmal eine Komposition begonnen hatte, haßte er es, sie unterbrechen zu müssen.<br />

Nur die Herausgeberpflichten der Schönberg-Festschrift durften sich dazwischendrängen.<br />

„Ich muß kontinuierlich bei meiner Arbeit bleiben“, schrieb <strong>Webern</strong> am<br />

11. Juli 1934 an <strong>Josef</strong> Hueber, der einen Ausflug zur Schneealpe vorgeschlagen<br />

hatte. Doch zum Monatsende erlag er den Verlockungen der Berge. Nachdem er<br />

gerade eine Zahlung <strong>von</strong> 500 Schillingen <strong>von</strong> der Universal Edition und ein 100<br />

Schillinge-Geschenk <strong>von</strong> einem im Kontobuch als „Anonym“ angegebenen<br />

Spender erhalten hatte (Louis Krasner meinte, sie sei <strong>von</strong> den amerikanischen<br />

Quäkers gekommen, die eine Hilfsaktion für die Opfer der Februar-Revolution<br />

durchführten), fühlte sich <strong>Webern</strong> doch so ermutigt, daß er seine finanziellen<br />

Bedenken überwand und sich wenigstens eine Bergtour in diesem Sommer gönnte.<br />

Ziel des Ausflugs, der in der Begleitung <strong>von</strong> Zenk und Hueber unternommen<br />

wurde, waren die Ötztaler Alpen mit ihren Gletschern und hohen Gipfeln. Peinlich<br />

genau wie immer, arbeitete <strong>Webern</strong> die Route in allen ihren Einzelheiten aus. Der<br />

Reiseplan enthielt in schwarz, rot und grün Zugverbindungen, das Pensum für jeden<br />

Tag, die geschätzten Zeiten, die zu benützenden Unterkunftshütten, die zu<br />

traversierenden Gletscher und die zu besteigenden Gipfel. Außerdem wurde eine<br />

Liste aufgestellt für Ausrüstung und Verpflegung. Für <strong>Webern</strong> war die Tour eine<br />

herausfordernde Unternehmung, führte sie doch ihn und die Gefährten für mehrere<br />

Tage in Regionen oberhalb der Baumgrenze.<br />

Die drei Freunde fuhren am Abend des 11. August <strong>von</strong> Wien ab und erreichten<br />

nach einem Aufenthalt in Henndorf das Ötztal in der Nacht vom 13. August. In<br />

seinen Erinnerungen gab Hueber einen anschaulichen Bericht der Tour. Arn<br />

Morgen des 14. August wandelten sie <strong>von</strong> Zwieselstein nach Vent, dem letzten Dorf<br />

des Hochtals, <strong>von</strong> dem aus der lange Aufstieg zur Breslauer Hütte begann, einer<br />

2848 in hoch gelegenen Unterkunft. Die Nachmittagshitze sowie das Gewicht <strong>von</strong><br />

Verpflegung und Bergsteigerausrüstung einschließlich Seil, Steigeisen und Eispikkeln<br />

verlangsamten den Aufstieg. Zenk, der unter einer chronischen Herzschwäche<br />

litt, mußte des öfteren für längere Zeit ausruhen. <strong>Webern</strong>, der sich Sorgen machte,<br />

schlug vor, umzukehren, doch Zenk bestand darauf, bis zur Hütte weiterzugehen.<br />

Am Abend schlug das W etter um. Es schneite die ganze Nacht und weit in den


nächsten Tag hinein, aber als der Himmel am Nachmittag aufklarte, beschlossen die<br />

Freunde, am nächsten Morgen die Wildspitze zu versuchen, einen Eisgipfel <strong>von</strong><br />

3774 m Höhe. Sie standen am 16. August noch vor Tagesanbruch auf, nachdem sie<br />

sich nach zwei Nächten auf improvisierten Betten wie gerädert fühlten; denn mehr<br />

hatte die überfüllte Unterkunft nicht zu bieten. Es war ein wolkenloser Tag, und<br />

grandiose Gipfel ragten rund herum auf. Zenk, ein ausgezeichneter Amateurfotograf,<br />

dem viele gelungene Bilder <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> zu verdanken sind, war damit<br />

beschäftigt, die Herrlichkeiten mit seinem Fotoapparat einzufangen. Er hatte sich an<br />

die verdünnte Luft gewöhnt und brannte darauf, den Gipfel zu bezwingen. Eine<br />

Eiswand, gewöhnlich eines der Haupthindernisse des Aufstiegs, wurde ohne<br />

Schwierigkeiten überwunden. Über das darüberliegende Schneefeld näherte sich<br />

das Trio der Randkluft, einer breiten Spalte unterhalb des Steilliangs, der zum<br />

Gipfelgrat führt. Mit einem Mal klagte <strong>Webern</strong> Hueber: „Ich weiß nicht, mir ist<br />

nicht recht gut, vielleicht ist’s die Höhe, ich hab’ seit kurzem leichte Atembeschwerden,<br />

auch mein Magen rebelliert. Und ich habe meiner Frau zuhause versprechen<br />

müssen, bei dem leisesten Unruhegefühl umzukehren. Was, was soll ich tun? Der<br />

arrne Zenk, er freut sich so auf den Gipfel!“<br />

So strahlend war der Tag und die Nähe des Ziels so verlockend, daß <strong>Webern</strong> nach<br />

einer kurzen Rast beschloß weiterzugehen. Nunmehr angeseilt, überquerten sie die<br />

Randkluft und erklommen den darüber befindlichen Steilhang. Als sie den Kamm<br />

erreichten, schien ihnen kein weiteres Hindernis den Weg über den Grat zum Gipfel<br />

zu versperren. Zenk führte in der Seilschaft, Hueber war zweiter und <strong>Webern</strong><br />

letzter. Hueber erinnert sich: „Auf einer Höhe <strong>von</strong> vielleicht 3500 Metern zog<br />

<strong>Webern</strong> leicht am Seil und machte mich aufmerksam: ,Ich kann nun doch nicht<br />

weiter4.“ Hueber war bereit, die Besteigung aufzugeben, doch Zenk, der dem Gipfel<br />

entgegenfieberte, war äußerst aufgebracht und grollte: „Noch nie war ich an einem<br />

so schönen Tag auf irgend einem Berg und nie mehr wird so ein Tag wieder<br />

kommen.“<br />

Enttäuscht und niedergeschlagen kehrte die Gruppe zum Schutzhaus zurück und<br />

setzte arn Nachmittag den Weg fort zur Vernagt-Hutte. Der ursprüngliche Plan<br />

hatte eine weitere Gletscherüberquerung zum Brandenburger Haus vorgesehen<br />

sowie die Besteigung <strong>von</strong> einem oder mehreren der umliegenden Gipfel, doch das<br />

Erlebnis an der Wildspitze war so entmutigend gewesen, daß das Trio unverzüglich<br />

ins Tal abstieg. <strong>Webern</strong> war am Morgen des 19. August wieder zu Hause, vier Tage<br />

früher als vorgesehen.<br />

Der Aufenthalt in Benndorf auf dem Weg ins Ötztal hatte einen ganz besonderen<br />

Anlaß, nämlich einen Besuch bei David <strong>Josef</strong> Bach, dessen 60. Geburtstag auf den<br />

13. August fiel. Bach war zu der Zeit Gast im Sommerhaus des verstorbenen<br />

Komponisten Carl Prohaska. Das Haus, in idyllischer Lage arn Ufer des Wallersees,<br />

wurde <strong>von</strong> Prohaskas Witwe Margaret stets für Musikerkollegen oft'engehalten. Als<br />

Geburtstagsgeschenk brachte <strong>Webern</strong> eine Reinschrift seiner Zwei Lieder op. 19<br />

mit, die er Bach zu diesem Anlaß gewidmet hatte.9 Außerdem überreichte er ihm<br />

einen Band mit Glückwunschbotschaften, den Bachs Freunde als Zeichen ihrer<br />

Zuneigung und Verehrung zusammengestellt hatten. Darüberhinaus hatten sie eine<br />

378


Geldsammlung veranstaltet, um Bach in seiner Not zu helfen. „Seine finanzielle<br />

Lage ist sehr drückend . . . Zur Zeit ist er nämlich, buchstäblich - seit Februar! -<br />

ohne jedes Einkommen!“, hatte <strong>Webern</strong> Schönberg am 18. Juli geschrieben. „Ich<br />

habe ja natürlich auch schon Versuche gemacht, ihm Succurs zu verschaffen in<br />

seinen Bemühungen um sein Recht. Aber es scheint alles fruchtlos!“<br />

Im gleichen Brief spielte <strong>Webern</strong> auf die berüchtigte „Blutnacht“ vom 30. Juni an,<br />

in der Hitler die Opposition in den Reihen seiner eigenen Partei brutal unterdrückt<br />

hatte. Eifrig bemüht, seinen eigenen Standpunkt zu erklären, schrieb er Schönberg:<br />

„Ich möchte versuchen Dir zu sagen, was mich in diesen Zeiten, da es immer<br />

finsterer und finsterer wird, immer mehr u. eindringlicher bewegt: das Gefühl der<br />

Verantwortlichkeit! Wird nicht die Frage gestellt werden: Und wo warst Du in<br />

diesen Zeiten? Ich habe das Gefühl, es wird immer entscheidender!“<br />

Als der Sommer zu Ende ging, waren alle Hoffnungen, den Singverein auf einer<br />

neuen Grundlage zu reorganisieren, fallengelassen worden. Zu Herbstbeginn bot<br />

sich <strong>Webern</strong> jedoch eine neue Gelegenheit: die Leitung des Chors der Freien<br />

Typographia. Diese Gruppe <strong>von</strong> Sängern, die sich aus Mitgliedern der Wiener<br />

Druckergewerkschaft zusammensetzte, bestand seit 1890 und nahm im Musikleben<br />

der Stadt eine geachtete Stellung ein. Im Gegensatz zum Singverein, der ein Sproß<br />

der sozialdemokratischen Kunststelle war, bewahrte sich dieser Chor seine<br />

politische Unabhängigkeit. <strong>Webern</strong> hatte wiederholt mit ihm gearbeitet, als er sich<br />

mit dem Singverein zu Aufführungen wie Mahlers Achter Symphonie und<br />

Schönbergs Friede auf Erden vereinigte. Heinrich Schoof, der Hauptdirigent der<br />

Typographia seit 1904, war dabei sich zurückzuziehen, und Erwin Stein, ihr zweiter<br />

Dirigent seit 1929, hatte sein Amt vor kurzem niedergelegt. Viele Mitglieder des<br />

aufgelösten Singvereins, die unter <strong>Webern</strong> weitermachen wollten, traten dem Chor<br />

bei, als er seine Leitung übernahm. Obwohl das Monatsgehalt <strong>von</strong> 100 Schillingen<br />

die Hälfte <strong>von</strong> dein betrug, was <strong>Webern</strong> vom Singverein erhalten hatte, war auch<br />

dieses kleine Einkommen nicht unwesentlich zu einer Zeit, als er <strong>von</strong> jeglicher<br />

Dirigententätigkeit in der Stadt abgeschnitten war. Während dieser ganzen Saison<br />

1934/35 gab ihm die Ravag nicht ein einziges Konzertengagement, zweifellos wegen<br />

des Stigmas, das ihm aufgrund seiner jahrelangen Verbindung zur kaltgeslellten<br />

sozialdemokratischen Partei anhaftete. Aufführungen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Kompositionen<br />

in Wien war ebenfalls ein jäher Rückgang beschieden. Nur zwei lassen sich in diesem<br />

Herbst feststellen. Die erste fand am 2. November statt, als das Kolisch-Quartett die<br />

Fünf Sätze op. 5 spielte. Eine Woche später- schrieb <strong>Webern</strong> Hildegard Jone über das<br />

Werk: „Es ist jetzt gerade ein Viertel-Jahrhundert, daß ich es geschrieben habe. Da<br />

es in Verbindung damit bis in die ganze letzte Zeit immer Kampf gegeben hat, habe<br />

ich allerdings nicht recht das Gefühl, daß es schon so lange her ist. Und ich selbst<br />

kann eigentlich erst jetzt genauer Rechenschaft darüber geben, was ich damals<br />

gemacht habe. Und doch kommt mir wieder vor, ich habe neulich nichts anders<br />

zugehört als vor 25 Jahren!“ Die zweite Aufführung fand am 17. Dezember in einem<br />

IGNM-Konzert statt. Die Fünf Lieder op. 3 wurden <strong>von</strong> Felieie Hüni-Mihacsek<br />

gesungen mit Eduard Steuermann am Klavier. In Deutschland gab es über Radio<br />

München eine Sendung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Bearbeitung der Deutschen Tänze <strong>von</strong><br />

379


Schubert. Berg berichtete <strong>Webern</strong> am 22. Oktober, daß er mit größtem Vergnügen<br />

zugehört habe.<br />

Am 14. Dezember begann <strong>Webern</strong> mit einer neuen Vortragsreihe im Heim <strong>von</strong><br />

Dr. Rudolph Kurzmann. Diesmal wählte er Beethoven als Thema, und die<br />

Erörterungen waren auf das Verständnis eines allgemeinen Hörerkreises zugeschnitten.<br />

Unter den Teilnehmern (<strong>Webern</strong> schrieb Bach am 18. Januar 1935, daß<br />

es „etwa 40“ waren) befanden sich auch mehrere frühere Mitglieder des<br />

Singvereins. Zu ihnen gehörten Hans Humpelstetter und Rudolf Schopf, die<br />

<strong>Webern</strong> einlud, umsonst teilzunehmen, weil sie Studenten an der Universität mit<br />

beschränkten Mitteln waren. Anhand eines ausführlichen Notizbuchs, das Schopf<br />

führte, läßt sich der Verlauf des Kurses, der bis zum April 1935 dauerte,<br />

nachzeichnen.10 Die Reihe trug den Titel „Über musikalische Formen (Formenlehre<br />

an Hand <strong>von</strong> Analysen)“. Im Eröffnungsvortrag stellte <strong>Webern</strong> die folgenden<br />

Leitsätze auf: „Jeder Kunst, jeder Musik liegen Gesetzmäßigkeiten zugrunde.<br />

Goethe: ,Durch die Genialität des Menschen werden die Gesetze.4 Musik ist<br />

Mitteilung, Sprache. Die Darstellung eines Gedankens ist das Bestreben jeder<br />

Kunst. Die Darstellung eines Gedankens in Tönen ist an allgemein gültige Gesetze<br />

gebunden, die in Kraft getreten sind (wirkend fühlbar geworden sind). Die Erfüllung<br />

des Gesetzes liegt darin, daß etwas mitgeteilt wird, oder allgemein, etwas<br />

verständlich zu machen. Auch in der Sprache ist es so. Das, was ich sagen will, muß<br />

ich deutlich klar machen, muß faßlich sein. Gesetz der Faßlichkeit: Der Gedanke<br />

muß daher überblickbar sein. Anfang und Ende sind bereits eine primitive<br />

Gliederung. Nimmt etwas Gestalt an, so wird es auch deutlicher. Das Chaotische<br />

entspricht nicht der Faßlichkeit. Die Gliederung ist eine der Hauptsachen der<br />

Gestaltung. Gliederung ist die Unterteilung in Abschnitte, um die Teile auseinander<br />

zu halten, um sie in Haupt- und Nebensachen zu unterscheiden. Und trotzdem muß<br />

es einen Zusammenhang geben, um einen Gedanken faßlich zu machen.“ Im<br />

Verlauf des Kurses führte <strong>Webern</strong> seine Zuhörer durch die strukturellen Künste<br />

einzelner Sätze aus Beethovens Klaviersonaten. Oftmals nahm er auf Schönbergs<br />

Lehre Bezug und unterstrich dabei die Kontinuität der Tradition als Bindeglied <strong>von</strong><br />

Gegenwart und Vergangenheit. „Nach den Klassikern ist bestimmt kein neues<br />

Formprinzip zu finden“, stellte er fest.<br />

Die Vorträge, die <strong>Webern</strong> durch ein breites Spektrum musikalischer Beispiele<br />

veranschaulichte, stießen bei seinen Zuhörern auf ein so großes Interesse, daß er sie<br />

in den folgenden Saisons fortsetzte. Er weitete sie auf andere Komponisten und eine<br />

Vielfalt musikalischer Themen aus. K. H. Lehrigstein, <strong>Webern</strong>s einstiger junger<br />

Kollege im Lehrkörper des Israelitischen Blindeninstituts, erzählte später ein paar<br />

Einzelheiten aus dem Beethoven-Kurs 1934/35. „Die ganze Atmosphäre hatte<br />

nichts <strong>von</strong> der Förmlichkeit, die man für gewöhnlich mit einem Vortragssaal in<br />

Verbindung bringt. Das war natürlich zum Teil dem Umstand zu verdanken, daß die<br />

Zusammenkünfte im Salon einer Privatwohnung abgehalten wurden, vor allem aber<br />

<strong>Webern</strong>s eigenem Verhalten. Ich hatte ihn nie so entspannt, so ungezwungen, so<br />

aufgeräumt und humorvoll gesehen . . . <strong>Webern</strong>, als Komponist isoliert und<br />

mißverstanden, fand sich in hohem Maße bestätigt, wenn er vor einem Kreis <strong>von</strong><br />

380


Menschen sprechen durfte, der sein Wissen und seine pädagogischen Fähigkeiten<br />

respektierte, auch wenn er ihm nur <strong>von</strong> ungefähr auf seinen Höhenflügen als<br />

Komponist folgen konnte. Unter den 15-20 Anwesenden waren auch einige<br />

Privatschüler <strong>Webern</strong>s, die eher aus Verehrung für ihren Lehrer gekommen waren,<br />

als um etwas Neues zu lernen. Für sie war alles recht elementar und wohl kaum<br />

unbekannt. Als dann wirklich einmal einer <strong>von</strong> ihnen eine Frage beantwortete, die<br />

an das Auditorium gestellt war, schnitt ihm <strong>Webern</strong> das Wort ab und sagte:<br />

,Natürlich, die ganz Gescheiten wissen das alles/ W ebern spielte die Beispiele aus<br />

den Beethoven-Sonaten selbst. Da seine Analyse so detailliert war, brauchte er nie<br />

mehr als die Exposition des jeweiligen Satzes zu spielen. Wenn er an eine technisch<br />

schwierigere Stelle geriet, zeigte er keinerlei Verlegenheit. Ich erinnere mich, wie er<br />

einmal mit einer schnellen Passage konfrontiert war, die zu etwas überleitete, das er<br />

aufzeigen wollte. Er gab nur einen ungefähren Begriff <strong>von</strong> dieser schwierigen Stelle<br />

und meinte voller Humor: ,Wissen Sie, manche können es“. Er sagte das mit so viel<br />

gespielter Bewunderung, daß er uns alle lachen machte.<br />

„In seinen Analysen begann <strong>Webern</strong> mit den elementarsten Dingen. Er wies<br />

darauf hin, daß jede Komposition zunächst eine musikalische Grundidee vorstellt,<br />

die aus einer bestimmten Anordnung <strong>von</strong> Tönen in einem festgelegten rhythmischen<br />

Muster besteht. Diese Motive wurden mit großer Ausführlichkeit behandelt.<br />

Zunächst war ich höchst verwundert, was <strong>Webern</strong> wohl bewogen haben mochte, so<br />

viel Zeit und Energie auf ein Detail zu vergeuden, das mir als nur zu selbstverständlich<br />

erschien. Doch <strong>Webern</strong> kannte seine Zuhörer besser als ich. Den Antworten auf<br />

seine Fragen konnte ich entnehmen, daß das, was sie über Musik wußten, mehr als<br />

verschwommen war und der Formulierung und Klarstellung tatsächlich bedurfte.<br />

Das war denn auch der Grund, weshalb <strong>Webern</strong> das Konzept der Grundmotive<br />

immer wieder erläuterte. Er demonstrierte an vielen Sätzen, was er meinte, und es<br />

schien mir, daß er manchmal mit dem Prozeß des Auseinandernehmens bis zum<br />

Äußersten ging. Was mich so beeindruckte, war dieses Herausarbeiten, dieses sich<br />

stets wiederholende Demonstrieren, dieses unermüdliche Bemühen, das musikalische<br />

Geschehen offenzulegen. Immer wieder kam er auf die gleiche Sache zurück,<br />

daß nämlich ein Komponist nicht einfach Idee auf Idee türmt, sondern gleich in den<br />

ersten paar 'Takten die Motive vorstellt, die dann auch tatsächlich die Grundelemente<br />

sind, aus denen der ganze Satz gebaut is t. . . An Hand dieser thematischen<br />

Entwicklung wurde es mir sehr klar, was <strong>Webern</strong> mit seiner Feststellung meinte, daß<br />

die moderne Musik sich auf die gleichen Prinzipien gründet wie die traditionelle<br />

Musik.“<br />

381


25. Opus 22—25 —Sciiubert- und Bach-<br />

Bearbeitungen (<strong>1928</strong>-1935)<br />

Dieses Kapitel enthält die Werkgeschichten <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Opus 22 bis 25 sowie<br />

seiner Orchesterbearbeitungen <strong>von</strong> Deutschen Tänzen <strong>von</strong> Schubert und des<br />

Ricercar aus dem Musikalischen Opfer <strong>von</strong> J. S. Bach. Vier unvollendet gebliebene<br />

Projekte, die die Komposition des Quartetts op. 22 unterbrachen, werden<br />

zusammen mit diesem Werk beschrieben.<br />

Die langwierige und verwickelte Genese des Quartetts op. 22 nahm im<br />

Spätsommer <strong>1928</strong> ihren Anfang. Am 20. August, während <strong>Webern</strong> noch an der<br />

Revision seiner Sechs Stücke für Orchester op. 6 und an der Streichorchesterbearbeitung<br />

der Fünf Sätze op. 5 arbeitete, berichtete er Schönberg: „In 14 Tagen hoffe<br />

ich mit diesen Arbeiten fertig zu sein u. dann gehe ich wieder an eine neue Arbeit.<br />

Ich habe verschiedenes vor, bin aber noch nicht entschieden.“ Innerhalb eines<br />

Monats hatten seine Pläne Gestalt angenommen. Am 19. September schrieb er Emil<br />

Hertzka: „Mittlerweile habe ich mich auch bereits wieder einer neuen Arbeit<br />

zugewandt: einem Konzert für Geige, Klarinette, Horn, Klavier und Streichorchester.<br />

(Im Sinne einiger Brandenburgischen Konzerte <strong>von</strong> Bach.)“<br />

Das neue Projekt kündigt sich auf Seite 54 des Skizzenbuchs II unter dern Datum<br />

14. September <strong>1928</strong> an. „Concert (3 Sätze)“ überschrieben, wird dieselbe<br />

Besetzung angeführt, die auch der Brief an Hertzka enthielt. Aus dein Skizzenbuch<br />

geht hervor, daß <strong>Webern</strong> damals lediglich den allerersten Plan konzipierte, während<br />

der Fortgang der Arbeit durch seine lange Krankheit aufgehalten wurde. Als er am<br />

17. Januar 1929 auf das Projekt zurückkam, arbeitete er das erste Konzept aus,<br />

indem er einen schematischen Aufriß entwarf, der im Hinblick auf seine<br />

außermusikalischen Assoziationen <strong>von</strong> Interesse ist:<br />

1. Satz: Ruhig (Annabichl, Berge) etwa Variationen<br />

2. Satz: Langsam, Einleitung zum 3. (Schwabegg) nur Soli<br />

Ein paar Tage später, am 23. Januar, wird der Aufriß fortgesetzt: 3. Satz: Rondo<br />

Hauptthemen Seitensätze<br />

I<br />

Kühle des ersten Frühlings (Anninger, erste<br />

Flora, Primeln, Leberblurnen, Küchenschelle)<br />

I Wohlig warme Sphäre der Almen<br />

II<br />

Dachstein, Schnee und Eis, crystallklare Luft<br />

II Soldanelle, Blüten der höchsten Region<br />

III<br />

Die Kinder auf Eis und Schnee<br />

I Wiederholung des ersten Seitensatzes<br />

(Sphäre der Alpenrosen)<br />

II Zweiter Seitensatz, Licht, Himmel<br />

IV Coda Blick in die höchste Region<br />

382


Dem Aufriß des dritten Satzes folgte eine Reihe <strong>von</strong> Anmerkungen zu seiner<br />

strukturellen Organisation. Die Örtlichkeiten, die in <strong>Webern</strong>s Plan genannt werden,<br />

hatten alle für ihn eine Bedeutung: Annabichl und Schwabegg sind die Friedhöfe,<br />

auf denen seine Eltern begraben wurden; der majestätische Dachstein verlockte ihn<br />

immer wieder, und der Anninger, eine markante Erhebung im Wienerwald nahe<br />

Mödling, war ein häufiges Ausflugsziel. Es ist eine wichtige Beobachtung, daß<br />

derartige programmatische Assoziationen gleich zu Beginn <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s musikali ­<br />

scher Konzeption in Erscheinung treten und daß diese Vorstellungen mehr oder<br />

weniger die Quelle seiner Inspiration darstellen. Dieser Umstand kann nicht<br />

überbetont werden angesichts des anscheinend so abstrakten Charakters der Musik<br />

und des mathematischen Vorgehens des Komponisten beim Schaffensprozeß.<br />

Bei der Ausarbeitung seiner Ideen experimentierte <strong>Webern</strong> zunächst mit der<br />

Reihe und ihren verschiedenen Möglichkeiten. Absorbiert, wie er war, mit der<br />

Transkription des Opus 5, einem Liedprojekt und den Anforderungen der<br />

Konzertsaison, wurde kein nennenswerter Fortschritt erzielt bis zum 10. Mai, an<br />

dem die ersten Versuche einer eigentlichen Ausarbeitung des Reihenmaterials<br />

unternommen wurden. Am 27. Mai wurde die endgültige Formulierung der Reihe,<br />

die zahlreiche Transformationen erfahren hatte, mit der Bemerkung festgestellt:<br />

„Reihen notiert“. Am 3. Juni schrieb er Schönberg: „Endlich kann ich wieder<br />

continuierlicher bei meiner Arbeit sein u. komme gut vorwärts.“<br />

Die ursprüngliche Instrumentation einschließlich Horn erscheint noch in den<br />

Skizzen bis zum Ende des Juni. Als <strong>Webern</strong> jedoch Berg am 8. August schrieb, hatte<br />

er sich anders entschlossen. Er teilte ihm mit, daß er mit seiner neuen Arbeit „schon<br />

recht weit gekommen“ sei. Sie werde kein Konzert, wie ursprünglich geplant,<br />

sondern ein Quartett für Geige, Klarinette, Saxophon (Tenor) und Klavier. „Mehr<br />

denn je freue ich mich darüber, was die Methode der ,12 Ton-Komp.‘ alles zeitigt,<br />

wirklich ganz <strong>von</strong> selbst (quasi); welche Zusammenhänge sich da ergeben, wie sich<br />

formell (in der Gestaltung) alles so leicht fügt u. s. w.“ , schrieb er.<br />

Die Evolution des Werkes bis zu diesem Punkt läßt sich anschaulich anhand <strong>von</strong><br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches (1926-1945} verfolgen. In dieser Veröffentlichung<br />

sind auch die vier damit nicht im Zusammenhang stehenden Projekte reproduziert,<br />

die den Verlauf der Genese des Quartetts unterbrachen. Das erste <strong>von</strong> ihnen (auf<br />

den Seiten 55-56 des Skizzenbuchs) war ein Lied mit Klavierbegleitung auf einen<br />

Vierzeiler <strong>von</strong> Goethe, der mit „Nun weiß man erst, was Rosenknospe sei“ beginnt.<br />

Um 1823 geschrieben, sind die Verse in Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten,<br />

einer Sammlung <strong>von</strong> 19 Gedichten, enthalten, die <strong>Webern</strong> bereits zu seinen<br />

Zwei Liedern op. 19 inspiriert hatte. Die Skizzen, 7. März 1929 datiert, wurden<br />

nicht über einen fragmentarischen Entwurf hinaus weitergeführt. Ein zweites<br />

kurzlebiges Projekt war ein Streichquartett (S. 65, 66 und 68). <strong>Webern</strong>s Konzept<br />

erscheint in der Überschrift mit dem Datum 27. Juni 1929: „Quartett: I.<br />

Variationen H. Intermezzo III. [leer].“ Der Komponist arbeitete intensiv an einem<br />

siebentaktigen Abschnitt, den er wieder und wieder skizzierte, aber nachdem er ihn<br />

zum letzten Mal am 30. Juni niedergeschrieben hatte, gab er das Vorhaben auf.1<br />

Wenig später entschied sich <strong>Webern</strong> für die endgültige Besetzung des Werkes, das<br />

383


sein Quartett op. 22 werden sollte. Nachdem er sich nunmehr der eingeschlagenen<br />

Richtung sicher war, arbeitete er durch den ganzen Sommer hindurch an dem<br />

Rondo-Satz (schließlich der zweite Satz des Werks). Mehrere Datierungen<br />

markieren die Stadien seines Fortschritts. Am 3. August wurde eine Notiz eingefügt:<br />

„abends Mali und Mitzi nach Mondsee gefahren“ . Die häusliche Ferienruhe war der<br />

Konzentration förderlich, und die Vielzahl der beschriebenen Skizzenbuchblätter<br />

spiegelt den steten Fortschritt des Komponisten wider. Am 3. September schrieb er<br />

Berg, daß er sehr fleißig arbeite, um das Rondo zu beenden, „vermutlich der letzte<br />

Satz“ seines neuen Werkes, bevor die Saison begann. Er rechnete damit, daß das<br />

Stück sich über etwa 250 Takte erstrecken werde. „Also ich kann, mir scheint, auch<br />

wieder recht ,lang‘!“ meinte er. „Dank der 12-Ton-Technik, über die ich wirklich<br />

immer glücklicher werde.“ Er hoffte sehr, Berg den Satz recht bald zeigen zu<br />

können, und faßte seine Erfahrungen bei der Komposition zusammen: „Ich machte<br />

die Entdeckung, daß mir im Grunde die Instrumente immer gleichgiltiger werden.“<br />

Ein weiterer Bericht erging an Berg am 28. September, in dem <strong>Webern</strong> ihm<br />

mitteilte, daß die Schlußtakte noch fehlten.<br />

Eine außerordentlich arbeitsreiche neue Saison, in der auch Dirigierverpflichtungen<br />

in Deutschland und England bevorstanden, verzögerte wiederum den Fortschritt<br />

der Komposition. Immerhin beschäftigte sich <strong>Webern</strong> sporadisch mit ihr<br />

während des ganzen Winters. Entwürfe zum Rondo-Satz füllen den Rest <strong>von</strong><br />

Skizzenbuch II. Sie setzen sich auf einer Anzahl <strong>von</strong> eingelegten losen Blättern fort,<br />

<strong>von</strong> denen eines, das bis zu Takt 185 führt, das Datum 18. Januar 1930 trägt. Im<br />

Inhaltsverzeichnis, das dem Skizzenbuch vorangeht, wie auch im Entwurf selbst<br />

bezeichnet <strong>Webern</strong> das Stück ausdrücklich als „3. Satz“, womit er offensichtlich<br />

seinem ursprünglichen formalen Aufriß folgt. Skizzenbuch III, das einem Vermerk<br />

zufolge die Zeit „Weihnachten 1929 - August 1934“ umfaßt, beginnt mit der<br />

endgültigen Version <strong>von</strong> Takt 184. Der Schluß des Satzes mit Takt 192 ist mit 12.<br />

April 1930 bezeichnet.<br />

Unmittelbar danach folgt der Entwurf zu einem neuen Satz. Er trägt das Datum 6.<br />

Mai 1930. <strong>Webern</strong> unterbrach jedoch wiederum seine Arbeit arn Quartett und<br />

nahm zwei andere Projekte in Angriff, <strong>von</strong> denen er keines zum Abschluß bringen<br />

sollte. Adolph Weiss hatte ihn aufgefordert, eine Komposition zur Veröffentlichung<br />

in New Music einzureichen. Nachdem <strong>Webern</strong> verschiedene Möglichkeiten<br />

erwogen hatte, teilte er Weiss am 13. Juli mit, daß er, obwohl er „fast ein neues Lied<br />

für unseren Zweck fertig hatte“, sich entschlossen habe, stattdessen Liebste<br />

Jungfrau (op. 17, Nr. 2) zu schicken. Zwei Tage später vertraute er seinem Tagebuch<br />

an: „Ich wollte zuerst ein neues Lied schicken: doch Widerstände bei der bereits<br />

begonnenen Conception; auch an Chor-Sprüche u. ein Klavierstück gedacht.“<br />

Mehrere Seiten in Skizzenbuch III geben <strong>Webern</strong>s Bemühungen zu erkennen,<br />

entweder ein Lied oder einen Chor einzureichen. Für das Lied griff er einen Goethe-<br />

Text auf, beginnend mit den Worten „Doch immer höher steigt der edle Drang!“.<br />

Das Gedicht, dem Cirrus-Teil aus Howards Ehrengedächtnis (aus der Sammlung<br />

Gott und Welt), hatte ihn schon 1918 beschäftigt, als er einen Versuch machte, es für<br />

Singstimme und Orchester zu vertonen. Diesmal setzte er es für Gesang und Klavier.<br />

384


Die am 29. Juni begonnenen Skizzen erscheinen auf den Seiten 3, 4, 6 und 10 des<br />

Skizzenbuchs. Auf der letzten Seite mit dem Datum 9. Juli sind die ersten drei<br />

Verszeilen fast vollständig entworfen, einschließlich der Tempo- und dynamischen<br />

Bezeichnungen, während die vierte Zeile des Gedichts und der Anfang der fünften<br />

nur in der Singstimme fortgesetzt werden. Parallel zu diesem Liedprojekt arbeitete<br />

<strong>Webern</strong> an einem „Chorspruch“ nach einem aus Goethes Westöstlichem Divan<br />

ausgewählten Text, der, mit „Der Spiegel sagt mir: ich bin schön!“ (gesprochen <strong>von</strong><br />

der weiblichen Hauptperson des Gedichts, Suleika) beginnend, für vier Frauenstimmen<br />

gesetzt wurde. Der Entwurf, der am 7. Juli begonnen worden war und die Seiten<br />

5, 6 und 8 füllt, gedieh nicht über die ersten zwei Zeilen des Gedichts hinaus und<br />

wurde um den 14. Juli fallengelassen.<br />

Am 15. Juli 1930 nahm <strong>Webern</strong> die Arbeit am Quartett wieder auf. Die beiden<br />

älteren Töchter waren für den Sommer verreist und die häusliche Stille verhalf ihm<br />

wiederum zu raschem Fortschritt. Innerhalb eines Monats, am 14. August, konnte er<br />

in sein Tagebuch eintragen: „zweiten Satz meines Quartetts op. 22 vollendet“ . Daß<br />

<strong>Webern</strong> den Vermerk deutlich sichtbar einrahmte, läßt auf seine ganz besondere<br />

Zufriedenheit schließen. Er verfolgte noch immer den dreisätzigen Plan des<br />

ursprünglichen ,,Konzert“-Aufrisses und nachdem er den „zweiten“ und „dritten“<br />

Satz beendet hatte, wandte er sich jetzt dem „ersten“ zu, mit dessen Entwurf er am<br />

20. August begann. Am darauffolgenden Tag brachte er Schönberg gegenüber zum<br />

Ausdruck, er „hoffe bald das Ganze vollendet zu haben“ . Da ihm daran gelegen war,<br />

noch vor dem Ende des Sommers zum Abschluß zu kommen, nahm er den neuen<br />

Satz mit großer Zielstrebigkeit in Angriff. Die neun Seiten des Entwurfs - sie sind in<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches (1926-1945) reproduziert - legen Zeugnis ab <strong>von</strong><br />

seinem Eifer und den gemachten Fortschritten. Doch am 9. September vertraute<br />

<strong>Webern</strong> Berg gewisse Zweifel an. Er überlegte, ob es nicht bei den zwei Sätzen<br />

bleiben sollte. „Fast schließt sich mir schon wieder - wenn ich so sagen kann - das<br />

/Werk4 in der ausschließlichen Gegenüberstellung der, wie ich glaube, auch hier<br />

wieder erreichten großen Gegensätzlichkeit der beiden (bereits geschriebenen)<br />

Sätze. Doch arbeite ich nichtsdestoweniger unentwegt am restlichen - bis mich mein<br />

Schicksal wieder erreicht haben wird.“<br />

Drei Tage später unternahm <strong>Webern</strong> einen erneuten Anlauf, um dann allerdings<br />

im Skizzenbuch (S. 38) zur Entscheidung zu kommen: „Entschluß gefaßt, bei zwei<br />

Sätzen zu bleiben -..... - Eine hiermit korrespondierende Eintragung findet sich<br />

im Tagebuch unter dem Datum vom 17. September. Am gleichen Tage teilte er<br />

Schönberg seine schwierige Entscheidung mit und fügte hinzu: „Auch denke ich<br />

schon stark an andere Arbeiten. Und so kommt es mir schon fast wie Bestimmung<br />

vor, daß meine jetzige Arbeit auch nur 2 Sätze haben soll.“<br />

<strong>Webern</strong> teilte dann den beiden fertigen Sätzen ihre endgültige Reihenfolge zu:<br />

der im Sommer geschriebene (Sehr mäßig) wurde an den Anfang gestellt und der<br />

Satz, der sich aus dem ursprünglichen „Konzert“-Konzept entwickelt hatte (Sehr<br />

schwungvoll) an den Schluß. Die gedruckte Partitur, die die Universal Edition 1932<br />

herausgab, trägt die Inschrift: „Adolf Loos zum 60. Geburtstag“. Zunächst hatte<br />

<strong>Webern</strong> erwogen, das Werk Mrs. Elizabeth Sprague Coolidge, der amerikanischen<br />

385


Musikmäzenin, zu widmen. Weiss hatte sich bei ihr für <strong>Webern</strong> verwandt, aber die<br />

Hoffnungen auf ihre Förderung erfüllten sich zur großen Enttäuschung des<br />

Komponisten nicht.2 <strong>Webern</strong> brauchte jedoch nicht lange auf eine Aufführung<br />

seines neuen Werkes zu warten. Seine Premiere fand am 13. April 1931 in Wien in<br />

einem Konzert statt, das zum ersten Mal ausschließlich seiner Musik gewidmet war<br />

(vgl. 21. Kapitel). Die Ausführenden waren Rudolf Kolisch (Violine), Johann Löw<br />

(Klarinette), Leopold Wlach (Saxophon) und Eduard Steuermann (Klavier).<br />

Alban Berg versicherte den Komponisten wiederholt seiner besonderen Bewunderung<br />

für dieses Werk. Am 19. August 1932 schrieb er: „Ja, dieses Quartett ist ein<br />

Wunderwerk. Was mich vor allem verblüffte: die Originalität. Man kann ruhig<br />

behaupten, daß es auf der ganzen Welt der Musikproduktion nichts gibt, was nur<br />

annähernd einen solchen Grad, eine solche 100%-keit der Originalität erreicht.“<br />

Schönberg war gleichermaßen beeindruckt. Nach Erhalt der gedruckten Partitur<br />

dankte er <strong>Webern</strong> für das „fabelhafte Stück“ . Angesichts der fast durchweg<br />

beschimpfenden Kritik, die die Journalisten bei der Uraufführung auf das Werk<br />

häuften, mußte solches Lob dem Komponisten eine ganz besondere Genugtuung<br />

bedeuten.<br />

Heute würdigen die Experten das Quartett als ein Meisterwerk formaler<br />

Konstruktion. Was in den 30er Jahren aus Unverständnis noch als chaotisch und<br />

radikal erschien, hat inzwischen die Geheimnisse seiner sorgfältigst durchdachten<br />

Organisation enthüllt, vergleichbar der, die sich in klassischen Vorbildern findet.<br />

<strong>Webern</strong> selbst stellte die Parallele her zum Scherzo der Klaviersonate op. 14 Nr. 2<br />

<strong>von</strong> Beethoven, was den strukturellen Plan des zweiten Satzes betrifft.3 Ähnliche<br />

Analogien zwischen formalen Mustern in Werken der klassischen Meister und<br />

denen <strong>Webern</strong>s belegen seine Loyalität gegenüber der Tradition, enthalten aber<br />

auch gleichzeitig einen Schlüssel zum wahren Verständnis und zur Würdigung seines<br />

Stils. Was die Technik des Komponisten betrifft, so liefert der zweite Satz des<br />

Quartetts ein besonders gutes Beispiel seiner Vorliebe für mikroskopische Motive<br />

<strong>von</strong> einem, zwei oder drei Tönen.<br />

<strong>Webern</strong>s Opus 23, 24 und 25 sollen im Folgenden in ihrer numerischen<br />

Reihenfolge besprochen werden, obgleich in der Abfolge ihrer Entstehung viele<br />

Überschneidungen stattgefunden haben. Ein Beispiel: Die Keimidee des Konzerts<br />

op. 24 erscheint im Skizzenbuch unmittelbar nach dem fallengelassenen dritten Satz<br />

des Quartetts op. 22. Die Komposition der Drei Gesänge op. 23 vermischte sich mit<br />

der extrem langsamen Evolution des ersten Satzes des Konzerts, und ein Teil der<br />

Drei Lieder op. 25 war bereits konzipiert, bevor der zweite und dritte Satz des<br />

ersteren Werkes in Angriff genommen wurden. Ebenfalls parallel zur Genese des<br />

Konzerts verlief <strong>Webern</strong>s Orchesterbearbeitung <strong>von</strong> Schuberts Deutschen Tänzen,<br />

die im Anschluß an Opus 25 besprochen werden soll.<br />

Für drei der vier Projekte, die die Komposition des Quartetts op. 22 unterbrachen,<br />

verwendete <strong>Webern</strong> Texte <strong>von</strong> Goethe. Sobald er jedoch begann, sich in die<br />

Dichtungen <strong>von</strong> Hildegard Jone zu versenken, wurden seine Sympathien <strong>von</strong> ihnen<br />

so völlig in Bann geschlagen, daß alle seine letzten Vokalwerke (Opus 23,25,26,29<br />

und 31 wie auch das mutmaßliche Opus 32) auf ihren Texten basieren. Obwohl die<br />

386


Dichterin keine Ausbildung in der Musik hatte, besaß sie die Gabe, intuitiv ihr<br />

Wesen zu erfassen. <strong>Webern</strong> erkannte das in seinem Brief vom 3. November 1932, als<br />

er schrieb: „Es ist mir ganz klar, daß Sie wirklich dem musikalischen Gedanken zu<br />

folgen vermögen.“ Der Komponist fand in ihren Gedichten die Realisation <strong>von</strong><br />

Goethes Farbenlehre, die Fusion aller jener philosophischen Grundsätze, an die er<br />

<strong>von</strong> jeher geglaubt hatte. Die Heiterkeit und der Esprit ihrer Verse, ihr sanft<br />

pulsierender Rhythmus, ihr Farbenreichtum und die alles durchdringende Natur -<br />

Verehrung sprachen auf einzigartige Weise seine eigene Sensibilität an.<br />

Anfang 1933 begann <strong>Webern</strong> mit der ersten seiner Vertonungen <strong>von</strong> Gedichten<br />

<strong>von</strong> Hildegard Jone. Unter dem Datum vom 1. Februar erscheinen auf Seite 52 <strong>von</strong><br />

Skizzenbuch III die Anfangstakte eines Liedes mit Klavierbegleitung. Der Text<br />

beginnt mit den Worten „Herr Jesus mein . . .“ aus dem Gedicht Viae inviae, das in<br />

der Zeitschrift Der Brenner (Innsbruck) abgedruckt worden war. Die Komposition,<br />

die schließlich das letzte der Drei Gesänge op. 23 werden sollte, leitet <strong>Webern</strong>s<br />

Wiederaufnahme seiner schöpferischen Arbeit nach vielen Monaten ein. Die<br />

Unterbrechung war durch zwei Umzüge, lange Krankheit und einen dichtgedrängten<br />

Proben- und Konzertplan verursacht worden. Als <strong>Webern</strong> dann im ländlichstillen<br />

Maria Enzersdorf etabliert war, bedauerte er es umso mehr, als sein<br />

Schaffensdrang erneut eingedämmt wurde. „Ich bin recht in Bedrängnis: ärger denn<br />

je bedrückt es mich, nicht Zeit zum Komponieren zu haben“, schrieb er Hildegard<br />

Jone am 3. März. „Ganz spontan hatte ich eines Tages die Komposition Ihres<br />

schönen, wundervollen Gedichtes angefangen; mußte aber bald wieder unterbrechen,<br />

und es rächt sich schon, daß ich mir erlaubt habe, im Jänner und Feber so hie<br />

und da bei meiner Arbeit zu sitzen.“ Trotz der ständigen äußeren Beanspruchungen<br />

kehrte <strong>Webern</strong> zur Komposition <strong>von</strong> Herr Jesus mein zurück, wann immer er nur<br />

konnte. Die Skizzen tragen die Datierungen 4. April und 31. Mai, doch war der<br />

Fortschritt unverkennbar langsam, er betrug nur ein paar Takte. Aber mit dem<br />

Beginn des Sommers konnte der Komponist die erforderliche Konzentration<br />

aufbringen, und das Lied ging dann rasch seiner Vollendung am 14. Juli entgegen.<br />

Acht Tage später begann <strong>Webern</strong> mit der Vertonung eines weiteren Auszugs aus<br />

Viae inviae; er schrieb darüber Hildegard Jone arn 29. Juli: „Ich habe schon gut<br />

gearbeitet. Der eine Ihrer mich immer mehr erfüllenden Texte ist schon fertig . . ,<br />

Und nun verbinde ich ,Es stürzt aus Höhen Frische1- wie wundervoll diese Wort-<br />

Substanz ..bis ,überglüht noch lange Glut* zu einem zweiten Gesang. Doch wird die<br />

Reihenfolge der beiden Gesänge der Ihrer Gedichte entsprechen. Wie tief berühren<br />

sie mich. Und ich bin froh, endlich in diese Lage (einer Komposition Ihrer Worte)<br />

gekommen zu sein. Lange hatte ich es mir schon gewünscht.“ Der Entwurf <strong>von</strong> Es<br />

stürzt aus Höhen Frische, der durch eine Urlaubswoche unterbrochen worden war,<br />

wurde am 18. August abgeschlossen. Dann warfen die letzte Krankheit und der Tod<br />

<strong>von</strong> Adolf Loos einen Schatten über <strong>Webern</strong>s Gemütsverfassung; erst Anfang<br />

September fand er zurück zum Komponieren und nahm die Arbeit am Konzert op.<br />

24 wieder auf. Am 3. September ließ er Hildegard Jone wissen: „Ich habe vorläufig<br />

die Komposition <strong>von</strong> Texten aus Ihrem ,Viae inviae1 beendet . . . Ich sage<br />

,vorläufig1, weil ich die Empfindung habe, bald wieder auf Worte <strong>von</strong> Ihnen


zurückkommen zu müssen. Doch glaube ich, einstweilen wenigstens sollen zunächst<br />

diese 2 Lieder für sich allein bleiben. Sie schließen sich musikalisch zu einem Ganzen<br />

zusammen; im Sinn einer gewissen Gegensätzlichkeit. Zur Zeit bin ich wieder an<br />

einer rein instrumentalen, schon vor längerem begonnenen Arbeit.“<br />

In diesem Herbst erlaubten es <strong>Webern</strong> die Umstände nicht, seine Arbeit am<br />

Konzert über mehr als nur ein paar Seiten hinaus fortzuführen. Er hatte<br />

beabsichtigt, Hildegard Jone das Manuskript der beiden fertigen Lieder als<br />

Weihnachtsgeschenk zu schicken, fand aber nicht mehr die Zeit, sie ins Reine zu<br />

schreiben. Doch am 6. Januar 1934 kündigte er ihr plötzlich an: „Jetzt bin ich<br />

endlich wieder bei der Arbeit. Es wird: ,Das dunkle Herz, das in sich lauschet*. . .<br />

Mir kommt vor, ich habe den Zustand, zu arbeiten, noch niemals so empfunden, wie<br />

jetzt. Hoffentlich kann er etwas dauern!“ Die neue Komposition sollte das<br />

Anfangsstück eines Zyklus <strong>von</strong> drei Liedern werden. Dem Skizzenbuch zufolge<br />

begann <strong>Webern</strong> mit dem Entwurf der Melodie für die ersten vier Zeilen des Texts<br />

am 3. Januar und fügte den Klavierpart zwei Tage später hinzu. Am 14. Februar,<br />

dem dritten Tag der sozialistischen Revolution, gab der Komponist der Dichterin<br />

einen Fortschrittsbericht, der vor dem dramatischen Hintergrund der Straßenkämpfe<br />

in Wien geschrieben wurde: „Die Aufregungen der letzten Tage sind<br />

ungeheuer und werden es immer mehr. Es ist kaum möglich, einen Gedanken zu<br />

fassen . . . Vergangene Woche habe ich doch wieder jeden freien Augenblick<br />

benutzt, um an den Gedichten ,Das dunkle Herz“weiterzuarbeiten. Ich hatte wieder<br />

etwas freie Zeit. Und jetzt wieder - Frau Jone! Geschützdonner, Maschinengewehrgeknatter!<br />

Ich will nur Ihre Worte anführen: ,Daß wir auf Erden nicht allein, hat nur<br />

das Licht getan.1Wie könnte man es schöner sagen?“<br />

Am 20. Februar, nach turbulenten und bangen Tagen, schrieb <strong>Webern</strong> an <strong>Josef</strong><br />

<strong>Humplik</strong>: „Ich arbeite doch wieder. Je schrecklicher es wird, umso verantwortungsvoller<br />

unsere Aufgaben.“ Trotz der bedrückenden politischen Entwicklungen, die<br />

den Singverein zerstörten und mit ihm <strong>Webern</strong>s einzige regelmäßige Einkommensquelle,<br />

bewahrte er sich seinen Schaffensdrang. Der Gesang (S. 65-70 des<br />

Skizzenbuchs III) wurde am 15. März beendet. Fünf Tage später versuchte <strong>Webern</strong>,<br />

Hildegard Jone einige Aspekte der Vertonung nahezubringen: „(Das Lied] ist recht<br />

lang geworden und stellt der musikalischen Form nach eigentlich eine Art ,Arie‘ dar:<br />

bestehend aus einem langsamen Teil und ab ,Ich bin nicht mein. . .‘ einem<br />

schnelleren, der aber trotzdem die Tempovorschrift ,Ganz ruhig“trägt. Dieser 2.<br />

Teil ist fast im Flüsterton gehalten. Vielleicht können Sie doch aus dieser<br />

Beschreibung ungefähr entnehmen, wie ich im Besonderen den 2. Teil Ihrer Worte<br />

aufgefaßt habe: nach einem großen Aufschwung des ersten ganz unvermittelt völlige<br />

Stille, Ruhe, Einfachheit. Den Titel habe ich mir so gedacht: Drei Gesänge aus Viae<br />

inviae.“<br />

Hochzufrieden mit seinem neuen Werk, beschrieb <strong>Webern</strong> es Berg am 27. März.<br />

Nachdem er sich zuerst zur am Beginn stehenden ,Aria‘ (Das dunkle Herz) geäußert<br />

hatte, meinte er, daß auch die beiden früher entstandenen Gesänge „eigentlich was<br />

anderes sind als Lieder (der Form nach)“. So sei Es stürzt aus Höhen Frische „direkt<br />

ein Rezitativ mit einem Arioso“ und Herr Jesus mein, nunmehr das Schlußlied, „ein<br />

388


Rondo“. Er habe das Gefühl, er sei, „ohne es direkt gewollt zu haben“, zur<br />

Auseinandersetzung mit ausgedehnteren musikalischen Formen gekommen. Scherzend<br />

fügte er hinzu: „Am Ende komme ich doch noch zu einer Oper.“<br />

Das Werk, Hildegard Jone gewidmet, wurde im Frühjahr 1936 <strong>von</strong> der Universal<br />

Edition veröffentlicht und zwar unter dem Titel, den <strong>Webern</strong> in seinem Brief<br />

genannt hatte.4 Es sollten fast acht Jahre vergehen, bis der Zyklus am 5. Dezember<br />

1943 in Basel uraufgeführt wurde, als die dortige Sektion der IGNM ein Konzert zu<br />

Ehren <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s 60. Geburtstag veranstaltete, das ausschließlich seinem<br />

Schaffen gewidmet war. Marguerite Gradmann-Lüscher, Sopran, und Paul Baumgartner,<br />

Klavier, waren die Interpreten (vgl. 31. Kapitel).<br />

Die Drei Gesänge op. 23 stellen das erste Vokalwerk dar, das <strong>Webern</strong> seit den<br />

Zwei Liedern op. 19 acht Jahre zuvor vollendet hatte. Nach der zuweilen mühseligen<br />

Evolution der dazwischen liegenden Instrumentalkompositionen (Opus 20, 21, 22)<br />

scheint das neue Werk vergleichsweise flüssig geschrieben worden zu sein. Mit ihm<br />

konnte <strong>Webern</strong> jetzt seine souveräne Beherrschung der Mechanismen der<br />

Zwölftonmethode geltend machen, indem er die Technik in den Dienst des freien<br />

Ausdrucks seiner musikalischen Ideen stellte. Dazu schuf seine Identifizierung mit<br />

dem dichterischen Denken <strong>von</strong> Hildegard Jone einen Idealzustand, der die Quelle<br />

seiner Inspiration frei fließen ließ, wobei ihre rhythmisch pulsierenden Texte<br />

tönende Impressionen auslösten. Rene Leibowitz, der den eigenartigen Charme<br />

verspürte, den der Liederzyklus ausstrahlte, sprach <strong>von</strong> einem „Hauch Schubert“<br />

bei der Beschreibung seines „durch und durch gesanglichen Charakters“ .5<br />

Stilistisch geben die Drei Gesänge die Wandlung zu erkennen, die sich in <strong>Webern</strong>s<br />

Musik seit seinen früheren Vokalwerken vollzogen hatte. Die einstmalige Kantig ­<br />

keit, die auf die für die expressionistische Periode des Komponisten typischen<br />

extremen Intervallsprünge zurückzuführen war, hatte jetzt einer ruhigeren,<br />

herkömmlicheren und somit leichter singbaren Vokallinie Platz gemacht. Außerdem<br />

tendiert die Tonreihe, bedingt durch ihre Struktur, dahin, Anklänge an<br />

harmonische Beziehungen im traditionellen Sinne wachzurufen. Bei der Behandlung<br />

der Reihe teilt <strong>Webern</strong> der Singstimme eine vom Klavier unabhängige Rolle zu.<br />

Die instrumentale Textur kontrastiert mit der Vokallinie durch die Verwendung<br />

dicht-placierter Zwölftongruppen akkordischen Charakters.<br />

Ende 1934, dem Jahr, in dem die Drei Gesänge entstanden, veröffentlichte David<br />

<strong>Josef</strong> Bach einen Artikel „New Musie by Berg, <strong>Webern</strong>, Krenek“ in der<br />

amerikanischen Quartalszeitschrift Modern Music. Bach, mit <strong>Webern</strong> eng befreundet,<br />

war einer der ersten gewesen, die Bekanntschaft mit <strong>Webern</strong>s neuestem Opus<br />

zu machen. Er nahm es in seine Betrachtung auf, in der er <strong>von</strong> der „glücklichen<br />

Verbindung einer wahren Dichterin und eines wahren Musikers“ sprach. Schönberg<br />

teilte diesen Eindruck. Als er die gedruckte Partitur in Händen hielt, schrieb er dem<br />

Komponisten am 27. August 1936 <strong>von</strong> Hollywood: „Ich habe natürlicherweise <strong>von</strong><br />

den Liedern einen fabelhaften Eindruck. Ein großer Reichtum an Stimmungen, und<br />

wie mir scheint, hast Du auch Dein Ausdrucksgebiet hier wesentlich erweitert. Die<br />

wunderschönen und tiefen Worte Hildegard Jones sind hier sicherlich eine<br />

ausgiebige Anregung gewesen.“<br />

389


Am 16. Januar 1931, ganze zwei Jahre bevor Herr Jesus mein (op. 23 Nr. 3)<br />

konzipiert wurde, tauchte auf Seite 38 <strong>von</strong> Skizzenbuch III zum ersten Mal ein<br />

Projekt mit dem Titel Orchesterstück (Ouvertüre) auf. Hier liegt der Anfang einer<br />

Arbeit, die nach vielen Unterbrechungen erst drei Jahre und acht Monate später<br />

vollendet wurde, das Konzert op. 24 für neun Soloinstrumente. Die ersten Ideen zu<br />

dieser Komposition gehen zurück auf die Mitte einer Saison, die die arbeitsreichste<br />

und vielleicht befriedigendste in <strong>Webern</strong>s gesamter Karriere war. Er hatte gerade<br />

die Anfrage erhalten, ob er nach Amerika kommen würde, um dort ein neues<br />

Orchester zu dirigieren, und er nahm voller Hoffnung und Zuversicht sein neues<br />

schöpferisches Vorhaben in Angriff. Wie im Quartett op. 22 entwarf <strong>Webern</strong><br />

zunächst den literarischen Aufriß, eine eindeutige Schlußfolgerung, daß sein<br />

künstlerisches Denken mit außermusikalischen Erlebnissen assoziiert war. Der für<br />

eine einsätzige Ouvertüre bestimmte Plan lautete:<br />

Einersdorf, Schwabegg, Annabichl (Einleitung: Landschaft).<br />

Schwabegg (Koralpe). Schluß: Landschaft Annabichl M.P.<br />

Der autobiographische Charakter dieses Aufrisses läßt sich ohne weiteres in<br />

<strong>Webern</strong>s Tagebuchnotizen nachspüren. Im Sommer <strong>1928</strong> hatte er zum letzten Mal<br />

die Gräber seiner Eltern in Schwabegg und Annabichl besucht. (In einem kleinen,<br />

säuberlich beschrifteten Umschlag verwahrte er ein paar gepreßte Blumen, die er an<br />

beiden Grabstätten gepflückt hatte). ,,M.“ und „P.“ stehen für Minna und Peter,<br />

seine Frau und seinen Sohn; Einersdorf und die Koralpe waren unter seinen<br />

Lieblingsplätzen der Gegend.<br />

Erste Experimente mit verschiedenen Gestalten einer vorwiegend chromatischen<br />

Tonreihe ergaben ein besonderes musikalisches Problem, das sich <strong>Webern</strong> gestellt<br />

hatte: Auf der ersten Skizzenseite erscheint das Wort Tenet über einem Segment der<br />

Reihe, und auf der nächsten Seite unter dem Datum 4. Februar 1931 entfaltet sich<br />

ein umfangreicher Versuch, eine Entsprechung zu finden für das lateinische<br />

Palindrom<br />

SATOR<br />

AREPO<br />

TENET<br />

OPERA<br />

ROTAS<br />

Dieses uralte Wortquadrat hatte den Komponisten schon seit langem fasziniert.<br />

Seine aus fünf Wörtern bestehenden Teile können in vier Richtungen gelesen<br />

werden: sowohl horizontal wie auch vertikal, beide Male links oben beginnend und<br />

auch rechts unten.6 Die Ingeniosität dieses „magischen Quadrats“, vor allem aber<br />

seine vollkommene Integration identischer Elemente, stellte eine Herausforderung<br />

an <strong>Webern</strong> dar wegen seiner Analogien mit dem dodekaphonischen System. Er rang<br />

zäh um die Findung einer Reihe, in der die Töne aufeinander bezogen sein würden in<br />

einer Weise, die dem Textmodell entspräche. „Im Verlauf des Arbeitsprozesses<br />

entdeckte er eine Tonreihe, die ihm als Apex konstruktiver Dichte erscheinen<br />

mußte. . . Sie ist ein perfekter Fall <strong>von</strong> totaler Symmetrie, mit einem Rad ins<br />

390


TU?<br />

■k (Ouvertüre), Vorstufe zum Konzert op. 24<br />

p<br />

ö<br />

391


andere greifend, nahtlos wie in einem chinesischen Rätsel“, bemerkte Emst Krenek<br />

in seiner Analyse dieser höchst bedeutsamen Seite.7<br />

Die Reihe ist in vier Gruppen <strong>von</strong> jeweils drei Tönen aufgeteilt. Das stellt sich so<br />

dar, daß ihr erstes Segment <strong>von</strong> drei Tönen die nachfolgenden drei Unterabschnitte<br />

erzeugt, wobei dieselben Intervallbeziehungen im Krebs und in der Umkehrung zur<br />

Anwendung kommen. Am 5. Februar schrieb <strong>Webern</strong> das Wort „gilt“ über die<br />

folgende Reihe:<br />

— W --- 1 i<br />

TT81> TTC1<br />

(S-fe V<br />

ir<br />

A B c D<br />

ti e r w »<br />

Am Tag darauf begann er die eigentliche Komposition mit dieser Reihe und<br />

spezifizierte sogleich einige der Instrumente. Allerdings war das Fortkommen nur<br />

langsam, und die letzte Datierung (auf Seite 42) ist der 22. Februar 1931.<br />

Überzeugt, einen Durchbruch erzielt zu haben, schrieb <strong>Webern</strong> Hildegard Jone am<br />

11. März: „Ich bin zur Zeit wieder sehr <strong>von</strong> meiner Arbeit abgehalten. Aber ich<br />

glaube einen guten Grund zu etwas Neuem (für Orchester) gelegt zu haben. Ich habe<br />

eine ,Reihe“ . . . gefunden, die an sich schon sehr weitgehende Beziehungen<br />

aufweist. Die vielleicht etwas Ähnliches ist, wie der berühmte alte Spruch.“ <strong>Webern</strong><br />

fuhr fort mit einer Erläuterung des Palindroms und seinen möglichen Manipulationen.<br />

Er sah in ihm nicht nur eine Herausforderung und ein Modell für seine eigenen<br />

Bestrebungen, es diente ihm darüber hinaus auch als Idealbeispiel für die Erklärung<br />

seiner Theorien. „Möglichst viele Zusammenhänge sollen geschaffen werden“,<br />

bemerkte er am 2. März 1932 im letzten Vortrag der Reihe „Der Weg zur<br />

Komposition in zwölf Tönen“ .8 „Eine Analogie findet man in der Sprache. Mit<br />

höchster Begeisterung hat es mich erfüllt, daß bei Shakespeare in den vielen<br />

Anlauten und Gleichlauten auch solche Zusammenhänge zu merken sind. Sogar der<br />

Krebs eines Satzes wird gebildet. So ist auch die Sprachkunst eines Karl Kraus<br />

entstanden: Zusammenhang soll auch da geschaffen werden, weil es die Faßlichkeit<br />

erhöht.“ <strong>Webern</strong> beschloß den Vortrag mit dem Zitat des lateinischen Wortquadrats.<br />

Während des ganzen Winters und Frühjahrs war es <strong>Webern</strong> nicht vergönnt, die<br />

Arbeit an seiner neuen Komposition fortzusetzen. Ein Auftrag für eine Orchesterbearbeitung<br />

<strong>von</strong> Deutschen Tänzen <strong>von</strong> Schubert, den er im Mai bei seiner<br />

Rückkehr <strong>von</strong> England erhielt, beschäftigte ihn bis zum Juni. Zu seiner Ablehnung,<br />

nach England zurückzukommen, um seine Symphonie op. 21 während des IGNM-<br />

Festes zu dirigieren, vertraute er Schönberg am 17. Juni an: „Ich muß endlich<br />

arbeiten. Ich habe schon was Neues (im Winter) begonnen. Für Orchester.“ <strong>Webern</strong><br />

schrieb die Reihe auf und erklärte dazu: ,,A ist die Umkehrung des Krebses <strong>von</strong> B,<br />

Krebs <strong>von</strong> C u. Umkehrung <strong>von</strong> D u. s. w. mit B, C, D .“ Am 2. Juli 1931 wurde die<br />

Arbeit am Orchesterstück wieder auf genommen. Zu diesem Zeitpunkt wurde das<br />

Konzept einer Ouvertüre zu dem einer zyklischen Komposition in drei Sätzen<br />

abgeändert. Am 7. Juli wurde der Titel „Konzert op. 24“ erstmalig festgesetzt und<br />

392


ein formaler Plan entworfen. Die programmatischen Bestandteile des ersten<br />

Aufrisses waren noch vorhanden, wurden aber jetzt zu einem spezifisch musikalischen<br />

Schema ausgeweitet:<br />

I. Einersdorf 3U (bewegt, Einleitung)<br />

II. 2U Schwabegg (Langsam)<br />

III. Annabichl 6k (2 X 3/8) fließend, Seitensatz M. Repr. P<br />

Zwei Seiten später, am 21. Juli, wurde ein weiterer Plan zu Papier gebracht. Der<br />

Titel wurde modifiziert zu „Klavierkonzert“. Unter den noch vorgenommenen<br />

Änderungen war ein Wechsel zum 2h~Takt für den ersten Satz. Zu diesem Satz, der<br />

hier als „Sonatensatz“ bezeichnet wird, stellte der Komponist auch weiterhin<br />

Überlegungen über das Tempo an (es reichte <strong>von</strong> mäßig bis rasch) sowie über die<br />

Tonkombinationen und ihre Instrumentierung. Die letztere sollte im fertigen Werk<br />

auf neun Soloinstrumente reduziert werden: Flöte, Oboe, Klarinette, Horn,<br />

Trompete, Posaune, Violine, Bratsche und Klavier. Einige dieser Instrumente<br />

waren bereits in den Skizzen zu der vormaligen „Ouvertüre“ verzeichnet gewesen<br />

zusammen mit Cello, Tamburin und Pauken. Anfang Juli, zu Beginn der<br />

dreisätzigen Konzeption, traten noch Stimmen wie Piccolo, Harfe, Mandoline,<br />

Celesta und Glockenspiel als Anreicherung der seinerzeit beabsichtigten opulenten<br />

Orchesterpalette in Erscheinung. Die Evolution des Projekts bis zu diesem Punkt<br />

(Seite 38-40 des Skizzenbuchs III) läßt sich anhand der veröffentlichten Manuskriptfaksimiles<br />

verfolgen.9 Die reichhaltige „Klavierkonzert“~Instrumenta.tion<br />

wurde noch für zwei weitere Seiten beibehalten, doch dann begann <strong>Webern</strong>, sie auf<br />

die ausgespartere Besetzung der Endversion zurückzuschneiden.<br />

Die Arbeit des Komponisten machte in diesem Sommer keine großen Fortschritte.<br />

Verschiedene zwischen die Skizzen eingestreute Datierungen gehen zu<br />

erkennnen, daß seine Bemühungen eher sporadischer Natur waren und daß der Satz<br />

nicht über seine Frühstadien hinausgeriet. Am 8. September gab <strong>Webern</strong> Schönberg<br />

gegenüber verärgert zu: „Leider war ich diesmal auch in den Sommermonaten recht<br />

oft an der Arbeit behindert. Es bringt mich oft schon geradezu zur Verzweiflung, daß<br />

ich nicht so in einem Zuge fortarbeiten kann.“ Seinem innersten Verlangen zum<br />

Trotz sollte ein ganzes Jahr vergehen, bevor er am 19. September 1932 in sein<br />

Skizzenbuch eintragen konnte: „Arbeit wieder aufgenommen“ . Wieder verhinderten<br />

die äußeren Umstände einen greifbaren Fortschritt, und als <strong>Webern</strong> im Februar<br />

1933 erneut anfing zu komponieren, nahm er ein völlig anderes Projekt auf: die<br />

erwähnte Vertonung <strong>von</strong> zwei Auszügen aus Hildegard Jones Viae inviae, die ihn<br />

mit Unterbrechungen <strong>von</strong> Februar bis August beschäftigte. Erst am 7. September,<br />

kurz nach dem Tod <strong>von</strong> Adolf Loos, kam er auf sein Instrumentalwerk zurück. Am<br />

Tag darauf begann er den Entwurf eines mit „Var.“ bezeichneten Abschnitts.<br />

Rudolf Ploderers Selbstmord arn 10. September brachte aufs neue Aufregungen ins<br />

Leben des Komponisten, doch am 9. Oktober nahm er das Projekt wieder auf. Er<br />

skizzierte kurz einen neuen Plan, der Änderungen sowohl im Titel wie auch in der<br />

Instrumentation zu erkennen gab: Das Stück wurde jetzt „Konzertstück“ genannt<br />

und elf Instrumente waren vorgesehen. Holz- und Blechbläser sowie das Klavier<br />

393


stimmten mit der endgültigen Version überein, aber <strong>von</strong> der Streichquartettbesetzung,<br />

die diese Partitur noch vorsah, wurden letztlich nur noch die Violine und die<br />

Bratsche beibehalten.<br />

Als <strong>Webern</strong> Anfang Januar 1934 wieder an seine Arbeit ging, beendete er<br />

zunächst Das dunkle Herz (op. 23, Nr. 1), das ihn bis Mitte März beschäftigte.<br />

Inzwischen zerschlug die Februarrevolution die Grundlagen seiner Berufstätigkeit.<br />

Die Reaktion des Komponisten darauf war, sich mehr und mehr in seine<br />

schöpferische Arbeit zurückzuziehen, für die in der Tat die fruchtbarste Periode<br />

nunmehr beginnen sollte. Das Instrumentalstück, als Projekt bereits mehr als drei<br />

Jahre im Werden, sollte noch in diesem Sommer vollendet werden. Bis jetzt war<br />

seine Evolution äußerst langsam fortgeschritten: Von den 69 Takten, zu denen der<br />

Satz schließlich heranwuchs, hatten nur 25 Gestalt angenommen. Im Verlauf des<br />

Arbeitsprozesses hatte sich ein wahres Labyrinth <strong>von</strong> Skizzen angesammelt. Zu<br />

seiner eigenen Orientierung sah sich der Komponist gezwungen, zahlreiche vi-de-<br />

Zeichen zu verwenden (wobei das vi- den Punkt bezeichnet, an dem ein Sprung zur<br />

Anschlußstelle bei -de vorgenommen wurde). Graphische Symbole wie Sternchen,<br />

Kreise, Kreuze und Linien in rotem, grünem oder blauem Bleistift unterscheiden ein<br />

vi-de vom ändern. Ohne solche Hilfen wäre das Gewirr <strong>von</strong> ineinandergreifenden<br />

Skizzen tatsächlich undurchdringlich gewesen. Dies trifft vor allem auf die Sackgasse<br />

zu, in der <strong>Webern</strong> sich offenbar bei Takt 25 sah, als er das Projekt vorübergehend<br />

beiseite legte zugunsten der Vertonung <strong>von</strong> Das dunkle Herz.<br />

Unmittelbar nach der Skizzierung dieses Liedes vollzog sich eine überraschende<br />

Wende in der Entwicklung des Konzerts, die sich nur aus der dauernden<br />

Beschäftigung des Komponisten mit Hildegard Jones Dichtung erklären läßt. Arn<br />

11. Mai, kurz nach seiner Rückkehr <strong>von</strong> einer erfolgreichen Konzertreise nach<br />

London, begann <strong>Webern</strong> mit dem Entwurf zu einem vierstimmigen Chor nach<br />

einem Jone-Text beginnend mit „Wie kann der Tod so nah der Liebe wohnen? / Wie<br />

kann der Tod so ganz im Leben thronen?“. Die Verse waren einem Zyklus <strong>von</strong><br />

Gedichten betitelt Der Schnee entnommen.10 Die verwendete Tonreihe ist identisch<br />

mit der des Konzerts, und die aus ihr gewonnenen Takte sind fortlaufend <strong>von</strong> 26 bis<br />

36 numeriert, ein eindeutiger Beweis, daß <strong>Webern</strong> beabsichtigte, diesen Chorabschnitt<br />

in die sich bereits in Arbeit befindliche Komposition zu integrieren.<br />

Innerhalb <strong>von</strong> drei oder vier Tagen gab er jedoch diesen erstaunlichen Abstecher<br />

auf, um dann am 15. Mai mit Takt 26 die ursprüngliche instrumentale Partitur<br />

fortzuführen.11<br />

Was auch immer dieses rätselhafte Chorkonzept motiviert haben mag, was auch<br />

immer der Anlaß war, es zurückzuziehen, kaum daß es aufgetaucht war, konnte das<br />

kritische Hindernis bei Takt 25 jetzt schnell aus dem Wege geräumt werden. Wie<br />

wiederholte Streichungen und Neuentwürfe zeigen, ergaben sich immer noch<br />

Probleme, aber ernsthafte Aufenthalte scheint es nicht mehr gegeben zu haben, und<br />

der Satz wurde am 25. Juni 1934 abgeschlossen.<br />

Zu der Anzahl <strong>von</strong> unterschiedlichen Titeln, die <strong>Webern</strong> im Laufe der Zeit für das<br />

Werk vorgeschwebt hatten, kam noch ein weiterer hinzu, als er Berg am 7. Juli<br />

schrieb: „Ich glaube, ich werde es ,Divertimento“ nennen.“ Bei der Aufzählung der<br />

394


neun Soloinstrumente erläuterte er auch seine Wahl der Bratsche anstatt des Cellos.<br />

Das letztere Instrument war weggelassen worden, bemerkte er, weil er fand, daß er<br />

„unten mit dem Klavier vollkommen auskomme“ . Er hatte auch eine Abneigung<br />

gegen die unverhältnismäßigen Anstrengungen, hohe Töne auf dem Cello hervorzubringen.<br />

„Für mich haben die Instrumente immer mehr zu geringen Umfang.“<br />

Die neue Idee eines „Divertimentos“ wurde auch Schönberg gegenüber erwähnt,<br />

als ihm <strong>Webern</strong> die Vollendung des ersten Satzes mitteilte. Bevor er jedoch an dem<br />

Werk weiterarbeitete, gestattete er sich eine Unterbrechung, die er Hildegard Jone<br />

am 9. Juli gestand: „Momentan habe ich aus Gründen, die ich noch erzählen werde,<br />

eine andere Arbeit eingeschoben: die Komposition eines kurzen Gedichtes <strong>von</strong><br />

Ihnen, liebste Freundin: ,Wie bin ich froh! Noch einmal wird mir alles grün . . .‘ “<br />

Der Entwurf dieses Liedes beschäftigte <strong>Webern</strong> bis zum 16. Juli. Unmittelbar darauf<br />

kehrte er zu seinem Instrumentalwerk zurück und skizzierte den Anfang eines<br />

Satzes im 2h-Takt mit der Bezeichnung Sehr rasch; er wurde offensichtlich als<br />

Kontrast zu dem mehr gemäßigten Tempo des ersten Satzes des „Divertimentos“<br />

konzipiert. Die Idee wurde allerdings nach nur acht Takten wieder aufgegeben.<br />

Am 30. Juli begann <strong>Webern</strong> mit einem ausdrücklich als „zweiter Satz“<br />

bezeichneten Abschnitt mit dem Tempo Ruhig, das in der endgültigen Fassung in<br />

Sehr langsam abgeändert wurde. Nach der geradezu quälend langsamen Evolution<br />

des ersten Satzes nahm der zweite mit einer Schnelligkeit und Leichtigkeit Gestalt<br />

an, die für <strong>Webern</strong> als phänomenal anzusehen ist: er skizzierte seine 78 Takte in<br />

weniger als einer Woche. Der dreiseitige Entwurf bezeugt die Spontaneität und<br />

Sicherheit, die den Komponisten vom ersten bis zum letzten Takt beflügelten. Im<br />

Manuskript finden sich kaum irgendwelche Änderungen, und auch die gedruckte<br />

Partitur beweist, daß den Komponisten keine nachträglichen Zweifel überkamen.<br />

Das Gefühl, die Früchte seiner Inspiration geerntet zu haben, erfüllte <strong>Webern</strong> mit<br />

tiefer Genugtuung, und er gab seiner Zufriedenheit Ausdruck, als er Hildegard Jone<br />

am 8. August schrieb: „Es kommt mir so vor, als ob der Satz, den ich eben fertig<br />

gestellt habe, ähnliches ausdrücke, wie Ihr Bild mit dem Erntewagen.“<br />

Mit dem zweiten Satz war Skizzenbuch III voll. Am 22. August begann <strong>Webern</strong><br />

das nächste mit dem Entwurf zum Schlußsatz des Konzerts. Soeben zurückgekehrt<br />

<strong>von</strong> einem einwöchigen Ausflug in die Ötztaler Alpen, machte er sich inspiriert und<br />

erholt an die Arbeit. Nach einigen Schwierigkeiten mit den ersten drei Takten,<br />

begann er am 27. August, den Satz niederzuschreiben. Zinn ersten Mal wurde die<br />

bisher noch nicht klar definierte Besetzung im Detail festgelegt. Der 70 Takte lange<br />

Satz war am 4. September beendet. Wie sein Vorgänger, wurde auch er in einem<br />

einzigen Anlauf bewältigt, wenn auch nicht mit dem gleichen unbeirrbaren<br />

Schwung.<br />

Sicherlich wurde <strong>Webern</strong> zu solch raschem Fortkommen durch seinen Entschluß<br />

angespornt, die Komposition rechtzeitig zu einem ganz besonderen Anlaß zum<br />

Abschluß zu bringen. Das Konzert, gerade neun Tage vor dem 13. September 1934<br />

vollendet, wurde „Arnold Schönberg zum 60. Geburtstag“ gewidmet. Die<br />

Uraufführung unter der Leitung <strong>von</strong> Heinrich Jalowetz fand am 4. September des<br />

darauffolgenden Jahres anläßlich des IGNM-Festes in Prag statt. Die Wiener<br />

395


Erstaufführung folgte kurz nachher (vgl. 26. Kapitel). Das Konzert op. 24 wurde<br />

erst 1948 <strong>von</strong> der Universal Edition veröffentlicht. Im gleichen Jahr erteilte der<br />

Verlag den fiditions Dynamo in Liege eine Lizenz, das Werk in einer eigenen<br />

Ausgabe herauszubringen, der Gedenkworte <strong>von</strong> Schönberg aus dem Jahre 1947<br />

beigegeben waren, sowie ein Essay „Qu’est-ce que la musique de douze sons?“ <strong>von</strong><br />

Rene Leibowitz. Das für den Druck eingerichtete Manuskript <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> (es<br />

befindet sich jetzt in der Pierpont Morgan Library, New York) enthält die<br />

Spieldauern für die drei Sätze: I ca. 3 -4 ’ II ca. 3’ III ca. 2’.<br />

Die komplexen Formstrukturen des Werkes haben zahlreiche Komponisten und<br />

Theoretiker herausgefordert, sich an Analysen zu versuchen. Rene Leibowitz (in<br />

Schönberg et son ecole), Leopold Spinner (in die Reihe 2, 1955) und Karlheinz<br />

Stockhausen (in Melos, Dezember 1953) waren unter den ersten, die mit<br />

komplizierten Theorien aufwarteten, deren einige jedoch angefochten wurden. Viel<br />

lebhafte Kontroverse entzündete sich vor allem an Stockhausens These, der erste<br />

Satz enthalte die Urelemente der totalen Serialisierung und verkörpere somit den<br />

Archetypus, <strong>von</strong> dem sich die Prinzipien der elektronischen Musik herleiten ließen.<br />

Doch alle Kenner der Materie sind sich darüber einig, daß die theoretische<br />

Untersuchung des Konzerts zu einer Vielzahl <strong>von</strong> faszinierenden Problemen führt,<br />

sowohl im Hinblick auf die Gesamtstruktur des Werkes als auch die Beschaffenheit<br />

der jede Komponente bestimmenden Tonreihe.<br />

Was die Form anlangt, ist der erste Satz als „Sonatemnodell“ (Adorno) und der<br />

zweite als „dreiteilige Liedform“ (Spinner) bezeichnet worden. Die Eigenschaft der<br />

Reihe als Keimzelle ist <strong>von</strong> Roman Vlacl zutreffend wie folgt beschrieben worden:<br />

„Hier also hat das reihenmäßige Variationsdenken in den Kleinaufbau der Reihe<br />

selbst eingegriffen, wo sich in ihren Grundlagen der Aufbau der ganzen Zwölftonkomposition<br />

wiederbildet. Der systematische und ausschließliche Gebrauch, der im<br />

Laufe des Konzerts <strong>von</strong> dieser Reihe gemacht wird, die ihrerseits aus vier<br />

Mikroreihen zusammengesetzt ist, führt zwangsläufig zu einer ständigen Erfindung<br />

über das einzige Dreitonmotiv. Es ist, als ob sich das ganze Klanggeschehen wie<br />

keimhaft aus dieser einzigen Zelle entwickelt hätte, die sich unter immer<br />

verschiedenen Gesichtspunkten und in immer verschiedenen Zusammenhängen<br />

wiedergestaltet.“ 12<br />

Stockhausens These erhebt <strong>Webern</strong>s Behandlung der Reihe zu einem Prinzip, das<br />

auf Parameter ohne feste Tonhöhen anwendbar ist, und bezeichnet das Konzert op.<br />

24 als den Beginn totaler Permutation. Anstatt rein mathematische Formeln derart<br />

zu betonen, geben andere den undefinierbaren Kräften der Inspiration, die über alle<br />

dogmatische Theorie erhaben ist, den Vorrang. Sie vertreten die Ansicht, daß<br />

letztlich die emotionelle Aussage der Musik über ihre technischen Aspekte<br />

hinauswachsen muß. Winfried Zillig, im Glauben an die Inspiration als die<br />

Haupttriebfeder künstlerischen Schaffens, meint, daß das wahre Kriterium für das<br />

Verstehen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Musik auf einer gleichermaßen intuitiven Fähigkeit, sie zu<br />

erfassen, beruht. „Betrachtet man beispielsweise den zweiten Satz des Konzerts op.<br />

24 genauer“, schreibt Zillig, „so wird man bei diesem äußerlich unerhört einfachen<br />

Stück, dessen Ablauf nur Viertel- und Iialbe-Noten im gleichbleibenden Zweivier­<br />

396


teltakt bringt, ein solches Maß an Geheimnissen finden, in denen sich die<br />

Gesetzmäßigkeiten der verschiedenen Elemente verbergen, daß man allein dem<br />

Enträtseln dieser wenigen Takte viele Stunden widmen könnte. Aber schon beim<br />

ersten Blick zeigt sich, daß das Material der Strukturen wieder aus jenen<br />

geheimnisvollen Intervallsummierungen besteht, die in Mozarts g-Moll-Sinfonie so<br />

unerklärlich aufblitzen.“13<br />

<strong>Webern</strong> war sich durchaus darüber im klaren, daß das neue Idiom der<br />

Reihenkomposition die Traditionalisten bestürzte. Am 2. März 1932 meinte er<br />

selbst in einem seiner Vorträge: „ ,Ganz neu sagen1wollen wir dasselbe, was früher<br />

gesagt wurde. Aber ich kann jetzt freier erfinden, alles hat einen tieferen<br />

Zusammenhang. Jetzt erst ist es möglich, in freier Phantasie, ohne Bindung - außer<br />

durch die Reihe - zu komponieren. Ganz paradox gesprochen: Erst auf Grund<br />

dieser unerhörten Fessel ist volle Freiheit möglich geworden!“14<br />

Nachdem das Konzert op. 24 nunmehr doch endlich vollendet war, wandte sich<br />

<strong>Webern</strong> erneut den Dichtungen <strong>von</strong> Hildegard Jone zu. Mehrere Male hatte er sich<br />

durch sie im Verlauf der Evolution des Instrumentalwerks ablenken lassen. Nach<br />

Abschluß des ersten Satzes hatte er sich spontan mit der Vertonung <strong>von</strong> Wie hin ich<br />

froh! befaßt, die das erste seiner Drei Lieder op. 25 werden sollte. Der Entwurf, für<br />

Singstimme und Klavier, wurde am 4. Juli 1934 begonnen und war am 16. Juli<br />

beendet (Skizzenbuch III, Seite 75-76). Das Konzept weicht in vielen Details <strong>von</strong><br />

der gedruckten Version ab, wie etwa in der auffallenden Tempoänderung vom<br />

ursprünglichen Lebhaft zum schließlichen Langsam,<br />

,, ,Wie bin ich froh,‘ . . . ,noch überblühn die Blumen mir die Welt1: in diesem<br />

Sinne ziehe ich aus“, schrieb der Komponist an die Dichterin am 8. August, bevor er<br />

in die Ötztaler Alpen aufbrach. Inzwischen hatte er den zweiten Satz seines Konzerts<br />

vollendet, und nach seiner Rückkehr schrieb er den dritten. Am 19. September<br />

nahm er die Arbeit an der Komposition <strong>von</strong> Sterne, Ihr silbernen Bienen, einem<br />

weiteren Jone-Gedicht, wieder auf. Er hatte sich mit diesem Text bereits im August<br />

beschäftigt, wie aus einigen anfänglichen Formulierungen der Melodielinie hervorgeht,<br />

die zwischen den Konzertskizzen auftauchen. Dieser erste Versuch unterschied<br />

sich allerdings wesentlich <strong>von</strong> dem endgültigen Konzept, das jetzt Gestalt<br />

annahm. Der Entwurf (Skizzenbuch IV, S. 9-1.4) - er gibt mehrere Anfänge,<br />

verschiedene Alternativen und wiederholte Abänderungen des Tempos zu erkennen<br />

—wurde am 8. Oktober beendet.<br />

Der schöpferische Schwung trug den Komponisten ohne Unterbrechung zu<br />

seinem nächsten Lied, Des Herzens Purpurvogel. Nach einigen vorläufigen Skizzen<br />

der Vokallinie begann <strong>Webern</strong> mit der vollständigen Niederschrift am 24. Oktober<br />

und beendete sie am 15. November. Wieder wurde das ursprünglich vorgesehene<br />

Tempo einer Änderung unterworfen - <strong>von</strong> Sehr ruhig zu Fließend. Die Aufmerksamkeit,<br />

die <strong>Webern</strong> stets jeglicher Art <strong>von</strong> Nuancen zuteil werden ließ, hatte viele<br />

derartige Differenzierungen zur Folge. Charakteristisch war auch seine Gepflogenheit,<br />

die Reihenfolge der Sätze innerhalb eines zyklischen Werkes erst nach<br />

Vollendung des Ganzen zu bestimmen. So wurde in den Drei Liedern op. 25 das<br />

zuletzt komponierte in die Mitte placiert, und die endgültige Anordnung des Zyklus<br />

397


wurde 1. Wie bin ich froh! 2. Des Herzens Purpurvogel 3. Sterne, Ihr silbernen<br />

Bienen.<br />

Das Werk wurde erst im April 1956 durch die Universal Edition veröffentlicht, 22<br />

• Jahre nach seiner Vollendung.15 Hinweise auf eine Aufführung zu Lebzeiten des<br />

Komponisten sind nicht vorhanden. Die Uraufführung war eigentlich in einem<br />

Konzert der Baseler Sektion der IGNM am 5. Dezember 1943 vorgesehen. Am Tag<br />

zuvor schrieb <strong>Webern</strong> der Dichterin: „Morgen . . . werden die sechs Lieder [op. 23<br />

i<br />

und 25], die ich als erste nach Deinen Worten geschrieben habe, liebe Hildegard, in<br />

Basel zum ersten Male gesungen. Es ist eine Veranstaltung ausschließlich mit Musik<br />

<strong>von</strong> mir, mit der man dort (ganz im Geheimen sei es gesagt) meines 60. Geburtstages<br />

: gedenkt.“ Doch dann wurde bei diesem Anlaß nur das Opus 23 uraufgefiihrt,<br />

während die Lieder op. 25 durch den George-Zyklus op. 3 ersetzt wurden.<br />

Die Lieder op. 23 und 25, miteinander nahe verwandt, was Eingebung und<br />

Entstehungszeit betrifft, zeichnen sich durch einen hohen Grad <strong>von</strong> Intimität,<br />

delikate Nuancen und asketische Sparsamkeit der Mittel aus. Bei der Konstruktion<br />

; der Grundreihe <strong>von</strong> Opus 25 wird mit Hilfe transponierter Wiederholungen des<br />

dreitönigen Eingangsmotivs im zweiten und vierten Segment der Zwölftonreihe ein<br />

starkes Empfinden <strong>von</strong> Einheitlichkeit erzielt. Ganz offensichtlich genoß der<br />

Komponist seine virtuose Beherrschung der neuen Methode so sehr, daß sein<br />

Umgang mit dem Reihenrnaterial eher spielerisch gelöst als streng systematisch<br />

erscheint: mit unverkennbarem Vergnügen werden Bestandteile der Reihe frei<br />

; zwischen Singstimme und Klavier hin- und hergespielt und der Gesamteffekt ist der<br />

einer triumphalen Fusion <strong>von</strong> Intellekt und Emotion.<br />

Unmittelbar nach der Vollendung der Drei Lieder op. 25 nahm <strong>Webern</strong> eine<br />

Transkription des sechsstimmigen Ricercar aus Bachs Musikalischem Opfer in<br />

Angriff. Sie war die zweite der beiden Orchesterbearbeitungen, die er in der<br />

Zeitspanne anfertigte, die dieses Kapitel umfaßt. Die erste <strong>von</strong> ihnen, der ein<br />

Schubert-Werk zugrunde liegt, war während der Anfangsstadien seines Konzerts<br />

op. 24 vollendet worden. Kurz nachdem <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> der Konzertreise nach<br />

England Anfang Mai 1931 wieder nach Hause gekommen war, erhielt er, wie<br />

erwähnt, <strong>von</strong> der Universal Edition den Auftrag, sechs Deutsche Tänze <strong>von</strong><br />

Schubert zu orchestrieren. Ihr Manuskript, das das Datum Oktober 1824 trägt, war<br />

kurz zuvor im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde entdeckt worden. Die<br />

: Universal Edition legte ihre Hand auf den Fund und veröffentlichte die Stücke<br />

alsbald in ihrer Originalfassung für Klavier. Emil Hertzka, dein auch eine<br />

Orchesterversion vorschwebte, trat dann an <strong>Webern</strong> heran. Aus den Tagebuchnotizen<br />

des Komponisten geht hervor, daß er den Auftrag arn 19. Mai 1931 annahm und<br />

die fertige Partitur am 17. Juni ablieferte.<br />

In seinem Arrangement verwendet <strong>Webern</strong> das normale Schubertsche Instru-<br />

; mentarium, mit dem er während seiner frühen Universitätsjahre Erfahrungen<br />

gesammelt hatte, als er eine Anzahl <strong>von</strong> Liedern und Klaviersonaten des Komponisten<br />

orchestrierte und zwar für je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte,<br />

Hörner und die üblichen Streicher. Die Tänze erscheinen in der abwechslungsreichen<br />

Folge I - II - 1 - III - 1; IV - V - IV - VI - IV. Am 17. Juni, dem Tag, an<br />

398


dem <strong>Webern</strong> die Partitur dem Verlag übergab, schrieb er Schönberg: „Ich<br />

übernahm das gem. Doch muß ich gestehn, daß ich viel nachdenken mußte, bis ich<br />

glaubte, das Richtige gefunden zu haben . . . Das Problem der klassischen<br />

Instrumentation hat sich mir dabei zur Gänze aufgerollt. Ich war bemüht, auf dem<br />

Boden der klassischen Instrumentationsideen zu bleiben, aber sie in den Dienst<br />

unserer Idee <strong>von</strong> Instrumentation (als Mittel zur möglichsten Klarlegung des<br />

Gedankens u. Zusammenhangs) zu stellen.“ Am 29. Juni beschrieb <strong>Webern</strong> Berg<br />

sein Arrangement: „Es sieht aus wie eine klassische Partitur und doch wieder wie<br />

eine <strong>von</strong> mir: es ist alles geschlossen u. doch wieder in eine wirklich große<br />

Mannigfaltigkeit aufgelöst. . . . Und nun sieht man deutlichst, wie diese 6 Tänze<br />

(bei aller scheinbarer Eile) doch aus einem Guß geraten sind. Liebe, zarte schöne<br />

Gedanken. Viel, viel ist mir bei dieser Arbeit klar geworden.“<br />

Für den Idealisten <strong>Webern</strong> war die Herausforderung, die die Aufgabe stellte,<br />

alleinentscheidend, und seine größte Belohnung war die Zustimmung seiner<br />

Freunde. Schönberg, der realistischer dachte, erkannte sofort das kommerzielle<br />

Potential der Orchesterbearbeitung und riet ihm, seine Interessen sicherzustellen.<br />

Es war jedoch zu spät. Am 15. Juli schrieb ihm <strong>Webern</strong>: „Natürlich, liebster Freund<br />

(Du hast es vorausgeahnt) habe ich auf die denkbar ungünstigste Art mit Hertzka<br />

über meine Schubert-Instrumentation abgeschlossen: nämlich gegen ein einmaliges<br />

Honorar <strong>von</strong> 400 S. (Natürlich bekomme ich die Aufführungstantiemen <strong>von</strong> der<br />

Autoren-Ges.).“ Schönberg, der in diesen Dingen jahrelange Erfahrung besaß,<br />

drängte ihn zu versuchen, die geschäftlichen Vereinbarungen zu ändern. Doch<br />

<strong>Webern</strong> gab in seinem Brief vom 8. September resigniert zu: „Wie ungeschickt<br />

meine Abmachung über meine Schubert-Instrumentation war, sehe ich mit immer<br />

größerem Entsetzen! Wie war ich dumm!“<br />

Trotz aller Verärgerung konnte sich <strong>Webern</strong> mit der ungemein raschen<br />

Herstellung der gedruckten Partitur trösten, die noch in diesem September erschien,<br />

und mit den wärmenden Worten des Lobs <strong>von</strong> Schönberg, der ihm am 11. Oktober<br />

über die Bearbeitung schrieb: „Sie entspricht wirklich in allem den Erwartungen, die<br />

man sich <strong>von</strong> Deinem feinen Gehör macht und muß entzückend klingen. Dabei ist<br />

sie staunenswert einfach, einheitlich im Stil und zart wie ein echter <strong>Webern</strong>: das<br />

Beste, was man sagen kann!“<br />

Die Uraufführung der Deutschen Tänze <strong>von</strong> Schubert-<strong>Webern</strong> wurde <strong>von</strong><br />

Hermann Scherchen am 25. Oktober 1931 in einem Funkkonzert aus dem Theater<br />

der Volksbühne in Berlin dirigiert. „<strong>Webern</strong> gelingen (z.B. durch Verwendung<br />

eines Solo-Streichquartetts) Klangwunder, die weit über der Sphäre des Nur-<br />

Koloristischen liegen“ , kommentierte der Kritiker der Börsenzeitung am 3.<br />

November. Am folgenden Tag stellte Scherchen das Werk in der Schweiz in einem<br />

Konzert des Musikkollegiums im Stadthaussaal in Winterthur vor. In den<br />

kommenden Jahren setzte <strong>Webern</strong> die Deutschen Tänze wiederholt auf die<br />

Programme seiner Konzerte, ein Zeichen dafür, wie er sie liebte, wie überhaupt<br />

jegliche Musik, die in ihrer Anmut und unbeschwerten Gefühlsseligkeit so typisch<br />

wienerisch war. (Die Schallplattenaufnahme vom 29, Dezember 1932 unter seiner<br />

Leitung mit dein Frankfurter Rundfunkorchester, seit 1978 allgemein zugänglich,<br />

399


zeugt für sein außergewöhnlich feinsinniges Musikantentum.) Mit Befriedigung<br />

konnte er feststellen, daß seine Bearbeitung ihren Weg ins Standard-Orchester -<br />

repertoire machte. Zweimal, 1936 und 1939, berichtete ihm sein Vetter Ernst Diez,<br />

der damals in den Vereinigten Staaten lebte, daß er das Stück in Sendungen der New<br />

Yorker Philharmoniker unter John Barbirolli gehört habe. Unter den frühesten<br />

kommerziellen Schallplattenaufnahmen, die <strong>Webern</strong>s Namen trugen, waren auch<br />

die Deutschen Tänze, dirigiert <strong>von</strong> Rene Leibowitz.<br />

Während <strong>Webern</strong> Schuberts Deutsche Tänze auf das ausdrückliche Ersuchen der<br />

Universal Edition hin orchestriert hatte, wählte er den Gegenstand seiner zweiten<br />

Transkription selbst. Den Anstoß zu dem Projekt gab eine Zuwendung <strong>von</strong> 500<br />

Schillingen, die der Verlag <strong>Webern</strong> im Juli 1934 gewährte, als er sich in einer<br />

finanziellen Notlage befand (vgl. 24. Kapitel). Bei seinen Überlegungen zur Wahl<br />

des Werkes schrieb <strong>Webern</strong> Schönberg Ende August: „Ich habe es übernommen ein<br />

klassisches Werk (der Klavier- oder Orgelliteratur) für Orchester zu setzen. Ich bin<br />

noch nicht ganz entschieden, denke aber an die große sechsstimmige Fuge aus dem<br />

,musikalischen Opfer1 <strong>von</strong> Bach . . . Dieses abstractum, das außer vielleicht<br />

gelegentlich durch einen Organisten wohl kaum jemals aufgeführt worden sein<br />

dürfte, wenn ich so sagen kann, in eine akustisch mögliche Realität zu verwandeln,<br />

interessiert mich außerordentlich. Ich muß mich nicht beeilen u. wäre froh noch<br />

Deine Meinung zu erfahren oder einen Rat <strong>von</strong> Dir zu erhalten.“16<br />

Schönberg, <strong>von</strong> seinem Umzug nach Kalifornien völlig in Anspruch genommen,<br />

antwortete erst am 13. November: „Jedenfalls ist das keine leichte Aufgabe, denn<br />

diese Stücke sind sehr wenig bekannt und wenn man sie dem Publikum genießbar<br />

machen will, wird man wohl durch den Vortrag einigermaßen nachhelfen müssen.<br />

Ich glaube ja nicht, daß dies dadurch geschehen kann, daß inan die ,Einsätze1<br />

hervorhebt. Wir haben oft da<strong>von</strong> gelegentlich ,Regerscher Fugen1gesprochen. Ich<br />

kann ohne weiters nur sagen, was ich selbst bei Präludium und Fuge diesbezüglich<br />

getan habe: ich habe sozusagen die Orgel modernisiert, ihren langsamen, seltenen<br />

Farbenwechsel durch reicheren ersetzt, der den Vortrag und den Charakter der<br />

einzelnen Stücke fixiert, und habe auf Klarheit des Stimmengewebes geachtet. Um<br />

zu erfahren, wie man die für ein großes Orchester doch unerläßliche größere Anzahl<br />

<strong>von</strong> Stimmen erhalten kann, habe ich mir die Technik der 8-stimmigen Sätze bei<br />

Bach angeschaut und konnte dann ganz leicht 6-10-stimmig schreiben und auch<br />

genügend Füllstimmen erzielen. Denn nur durch Verdopplungen läßt sich das<br />

schwerlich erreichen. Ich habe mich dabei allerdings auf den Standpunkt gestellt,<br />

daß ich eine Transkription anfertige und mir wenigstens solche Freiheit gestatten<br />

sollte dürfen, die Bach sich in Choralbearbeitungen gestattet, wo er sogar<br />

Figuratives und insbesondere Harmonisches vollkommen neu schafft —soweit bin<br />

ich aber nicht gegangen. Vielleicht, wenn Du mich früher gefragt hättest, würde ich<br />

Dir die Trio-Sonaten für Orgel oder Orchestersuiten vorgeschlagen haben, welche<br />

allerdings schon für Orchester sind.“<br />

In der Zwischenzeit hatte <strong>Webern</strong> Mitte November nach der Vollendung seiner<br />

Drei Lieder op. 25 die Orchestrierung des <strong>von</strong> ihm gewählten Ricercar aus dem<br />

Musikalischen Opfer in Angriff genommen.17 Dieses letztere Werk verkörpert<br />

400


zusammen mit der Kunst der Fuge Summe und Gipfel der kontrapunktischen<br />

Entwicklung zweier Jahrhunderte. Beide Kompendien waren vornehmlich als<br />

abstrakte Studien konzipiert. Im Musikalischen Opfer weisen nur die Triosonate<br />

(Nr. 5) und der unendliche Kanon (Nr. 6) genaue Instrumentalangaben auf; sonst<br />

sind keinerlei Hinweise auf Medien, Tempo oder Dynamik vorhanden.<br />

Durch Neigung und Studium fühlte sich <strong>Webern</strong> zu der strengen intellektuellen<br />

Disziplin hingezogen, die Bachs Werk an den Tag legt. Die kontrapunktische<br />

Meisterschaft, die er sich bereits in seinen Universitätsjahren angeeignet hatte,<br />

erwies sich während seiner gesamten Entwicklung als Komponist als solide<br />

Grundlage. Sie gab ihm Rückhalt im Verlauf der wechselnden Phasen seiner<br />

„atonalen“ Periode und wurde zur Hauptstütze seines strukturellen Denkens,<br />

nachdem er die Zwölftonmethode als seine ausschließliche Sprache übernommen<br />

hatte. Seine Vorliebe für die Kontrapunktik war es auch, die <strong>Webern</strong> ganz besonders<br />

reizte, sich der Herausforderung zu stellen, zeitgenössische Vorstellungen und<br />

Techniken in einer zweihundert Jahre zuvor <strong>von</strong> dem Hochmeister der barocken<br />

Ära geschriebenen abstrakten Konstruktion zu verwirklichen. Daß er seine Aufgabe<br />

mit einem festen Konzept in Angriff nahm, wird <strong>von</strong> Arnold Eiston, einem seiner<br />

Schüler aus jener Zeit, bestätigt: „Er zeigte auf eine dieser langen Linien ohne<br />

Pausen in Bachs Partitur mit der Bemerkung: ,Das ist keine lange Wurst“ und<br />

meinte, man müsse die ,Partikeln“einer solchen Linie herauskristallisieren, um die<br />

kunstvolle Folge <strong>von</strong> Impulsen und Artikulationen in den rhythmischen Valeurs und<br />

melodischen Intervallen durch wechselnde Klangfarben und neue Einsätze der<br />

Instrumente herauszuarbeiten.“18<br />

<strong>Webern</strong> sollte diese Ziele mittels einer äußerst sorgfältig geplanten Verwendung<br />

der Klangfarbentechnik, die für den gegebenen Zweck in einzigartiger Weise<br />

geeignet war, erreichen. „Ich arbeite tagaus tagein an der Bach-Fuge“, schrieb er<br />

Hildegard Jone am 10. Dezember 1934. Wenn <strong>Webern</strong> überhaupt Entwürfe zu der<br />

Transkription gemacht hat, dann sind sie jedenfalls nicht im Skizzenbuch IV<br />

enthalten, in dem die Konzeption <strong>von</strong> Das Augenlicht op. 26 unmittelbar auf die<br />

Drei Lieder op. 25 folgt. Die fertige, in Tinte geschriebene Partitur, die als<br />

Unterlage für die Veröffentlichung diente, ist am Ende 21. Januar 1935 datiert. Wie<br />

immer, unterwarf <strong>Webern</strong> seine Arbeit einer intensiven Überprüfung. An Hildegard<br />

Jone, die sich nach seinem nächsten Projekt erkundigte, schrieb er am 7.<br />

Februar: „Bis vorgestern war ich noch mit der Bach-Fuge beschäftigt: habe Vieles<br />

noch immer wieder und wieder durchgedacht!“<br />

Das Instrumentarium der Ricercar-Bearbeitung umfaßt Flöte, Oboe, Englischhorn,<br />

Klarinette, Baßklarinette, Fagott, Horn, Trompete, Posaune, Pauken, Harfe<br />

und volle Streicherbesetzung. <strong>Webern</strong> widmete die Partitur Edward Clark, seinem<br />

englischen Freund, dem er eine weitere Reise nach London in diesem Frühjahr zu<br />

verdanken hatte. Am 25. April 1935 leitete er die erste Aufführung des Werkes im<br />

Rahmen einer Sendung der BBC. Bald nachher, am 13. Juli, stellte er es in Wien im<br />

letzten Rundfunkprogramm vor, das er in seiner Vaterstadt dirigieren sollte (für<br />

Einzelheiten beider Konzerte vgl. 26. Kapitel).19 Im weiteren Verlauf des gleichen<br />

Jahres wurde die Transkription <strong>von</strong> der Universal Edition unter dem 'Titel „Fuga<br />

401


(Ricercata) a 6 voci, No. 2 aus dem ,Musikalischen Opfer1<strong>von</strong> Joh. Seb. Bach“20<br />

veröffentlicht.<br />

Für <strong>Webern</strong> war die Transkription Bachscher Musik ein bedeutsamer schöpferischer<br />

Vorgang, mehr noch als die Orchestrierung <strong>von</strong> Schuberts Deutschen Tänzen,<br />

die als Arrangement im üblichen Sinne verstanden werden kann. Im Ricercar<br />

wurden seine eigenen Ideen in einem solchen Grade assimiliert, daß die originale<br />

Vorlage in der Tat in einen neuen Organismus verwandelt wurde, erfüllt <strong>von</strong> neuen<br />

schöpferischen Elementen, die Bachs intellektuelle tour de force aus ihrer relativen<br />

Obskurität emporhob. Es war der Klang, das Herzblut musikalischer Realität,<br />

woran <strong>Webern</strong> stets am meisten gelegen war, und im Ricercar trachtete er danach,<br />

einen Klang zu produzieren, der seinen eigenen akustischen Vorstellungen<br />

entsprach. Die Sorgfalt, die jedem Detail der Transkription reichlich zuteil<br />

geworden war, stand der, die er seinen originalen Kompositionen angedeihen ließ, in<br />

nichts nach. Das Ausmaß seines Engagements gibt ein Brief zu erkennen, den er am<br />

1. Januar 1938 an Hermann Scherchen schrieb, kurz bevor dieser das Werk mit dem<br />

BBC Orchestra in London aufführen sollte. Bis ins letzte gehende Erläuterungen<br />

struktureller Elemente verbinden sich mit gleichermaßen ausführlichen Anweisungen<br />

für ihre Realisation bei der Wiedergabe. Um jedes Detail bemüht und nichts<br />

außer Acht lassend, spiegelt der Brief <strong>Webern</strong>s unüberbietbare Gewissenhaftigkeit<br />

gegenüber jedem musikalischen Aspekt. Die lange Abhandlung schließt: „Meine<br />

Instrumentation versucht (damit spreche ich jetzt vom ganzen Werk), den<br />

motivischen Zusammenhang bloß zu legen. Das war nicht immer leicht. Natürlich<br />

will sie darüber hinaus andeuten, wie ich den Charakter des Stückes empfinde;<br />

dieser M u sik ! Diese endlich zugänglich zu machen, indem ich versuchte,<br />

darzustellen (durch meine Bearbeitung), wie ich sie empfinde, das war der letzte<br />

Grund meines gewagten Unternehmens! Ja, gilt es nicht zu erwecken, was hier noch<br />

in der Verborgenheit dieser abstrakten Darstellung durch Bach seihst schläft und für<br />

fast alle Menschen dadurch einfach noch gar nicht da oder mindestens völlig<br />

unfaßbar ist? Unfaßbar als Musik! - Lassen Sie hören <strong>von</strong> Ihren Eindrücken und<br />

Erfahrungen in London. Ich werde zuhören! Noch etwas Wichtiges für die<br />

Wiedergabe meiner Bearbeitung: hier darf nichts zurücktreten! Nicht der leiseste<br />

Ton einer Dämpfertrompete z. B. darf verlorengehen. Alles ist Hauptsache in<br />

diesem Werk und -- in dieser Instrumentation.“21<br />

Mag <strong>Webern</strong>s Ehrfurcht vor dem wahren Wesen der Musik auch als noch so<br />

selbstverständlich erscheinen, konnte sie dennoch die Einwände der Puritaner nicht<br />

beschwichtigen, die als Wächter über die Tradition jegliches Arrangement<br />

klassischer Meisterwerke als suspekt ansehen.22 Im Lager der Fortschrittlichen aber<br />

wurde <strong>Webern</strong>s Transkription als Ruhmestat gefeiert. Indem sie der alt-ehrwürdigen<br />

Fugenkomposition eine neue Dimension hinzufügte, eröffnete sie völlig neue<br />

Ausblicke auf die Vergangenheit wie auch auf die Zukunft. <strong>Webern</strong> selbst war sich<br />

dessen sicher, daß seine Orchestrierung genau diesem Zweck diente. Während er<br />

auf der Ausschau war nach neuen Horizonten, hielt er es trotzdem für geboten, bei<br />

jeder Gelegenheit seine Verbundenheit mit der Tradition zu unterstreichen. In<br />

diesem Sinne schrieb er am 16. Mai 1935 nach seiner Rückkehr <strong>von</strong> London, wo er<br />

402


soeben die Uraufführung der Transkription dirigiert hatte, an den Maler Franz<br />

Rederer. Er sprach <strong>von</strong> Bachs „völlig unbekanntem, wundervollen Stück“ und gab<br />

eine ausführliche Beschreibung seiner abstrakten Wesensart und der <strong>von</strong> ihm<br />

vorgenommenen Verwandlung des Werkes in eine lebendige „Klangfarbenmelodie“.23<br />

Arnold Schönberg, dessen Transkriptionen alter Meister weniger kühn waren als<br />

die Realisation des Ricercar, war zurückhaltend in seinem Urteil, als <strong>Webern</strong> ihm<br />

die gedruckte Partitur schickte. „Es ist sehr anstrengend, sich das vorzustellen“,<br />

schrieb er am 27. August 1936, „und außerordentlich schwer, den Faden der<br />

einzelnen Stimmen zu finden und wenn man ihn hat, ihn nicht zu verlieren. Das ist<br />

sicher nur fürs Spielen und fast nicht fürs Lesen. Und vielleicht ist das auch das<br />

Wichtigste: was herauskommt. Gerne würde ich es hören und ersuchte Klernperer,<br />

es einmal durchzuspielen.“<br />

Bei der klingenden Wiedergabe, diesem allentscheidenden Kriterium, ersteht die<br />

Transkription mit der Klarheit und Transparenz einer Kammermusikkomposition.<br />

Die Textur erscheint als ein Filigran <strong>von</strong> Soloinstrumenten mit Ausnahme des tutti in<br />

der Schlußsteigerung. In ihrem allgemeinen Habitus ist die Bearbeitung typisch für<br />

<strong>Webern</strong>s gesamten Orchesterstil, angefangen mit dem frühen Im Sommerwind. Der<br />

auffallendste Aspekt des Ricercar und zugleich der für die Puritaner provozierendste,<br />

ist die Art und Weise, wie <strong>Webern</strong> das Fugenthema zerstückelt und es als<br />

Klangfarbenmelodie neu erstehen läßt. In diesem Fragmentationsprozeß werden<br />

motivische Relationen in solche der Klangfarbe übersetzt. Das Ergebnis ist eine<br />

„pointillistische“ Technik, analog der, die in der Malerei <strong>von</strong> Paul Signac und<br />

Georges Seurat angebahnt worden ist. Die melodische Linie wird in ihren<br />

Unterabschnitten verschiedenen Instrumenten zugeordnet, die relais-artig einsetzen,<br />

was die Wirkung einer Tonkette hervorruft, die aus verschiedenfarbigen<br />

Gliedern besteht. Bei dem herausfordernden Problem, Altes durch das Prisma des<br />

Neuen zu betrachten, wurde das Denken des schöpferischen Musikers <strong>Webern</strong> <strong>von</strong><br />

dem des versierten Musikwissenschaftlers <strong>Webern</strong> durchdrungen. So gesellen bleibt<br />

auch die Frage, ob seine Bach-Transkription eine „orchestrale Analyse“ darstellt<br />

oder eine „analytische Orchestrierung“ durchaus akademisch.24<br />

Im selben Jahr, in dem das Ricercar auf der musikalischen Szene erschien,<br />

veröffentlichte Erwin Stein einen langen Artikel „Bach via <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>“ im<br />

Christian Science Monitor. Er schloß mit den Sätzen: „Für jeden, der <strong>Webern</strong>s<br />

Musik kennt, ist es offenkundig, daß das klangliche Konzept, das er für Bachs Musik<br />

anwendet, völlig sein eigenes ist. Es ist erstaunlich, daß zwei Dinge, stilistisch so weit<br />

<strong>von</strong> einander entfernt, zu einem perfekten künstlerischen Ganzen verschmelzen<br />

können. Zugegeben, wir werden hier mit einer völlig neuen Bach-Interpretation<br />

konfrontiert. Für diejenigen aber, die Bach verstehen und bewundern, wird es ein<br />

Erlebnis sein, ihn einmal mit den Ohren eines <strong>Webern</strong> zu hören.“<br />

403


Am Grab Gustav Mahlers. <strong>Webern</strong> und David <strong>Josef</strong> Bach<br />

(erster und zweiter in der vorderen Reihe) mit Mitgliedern<br />

des Singvereins (Grinzinger Friedhof, 18. Mai 1926)<br />

!<br />

<strong>Webern</strong> und Hildegard Jone<br />

(um <strong>1928</strong>)<br />

<strong>Webern</strong> bei der Probe mit den Wiener<br />

Symphonikern zu einer Aufführung <strong>von</strong><br />

Mahlers Sechster Symphonie<br />

(Wiener Konzerthaus, 23. Mai 1933)


26. Letzte Auftiilic als Dirigent in<br />

Wien —Alban Bergs Tod —Krise in<br />

Barcelona (1935/36)<br />

Nach Vollendung seiner Bach-Bearbeitung im Januar begab sich <strong>Webern</strong> sogleich<br />

an die Arbeit an seiner nächsten Komposition, Das Augenlicht op. 26. Bei nur einer<br />

Handvoll <strong>von</strong> Privatschülern, einem Abend in der Woche für den Beethoven- Kurs<br />

und einem weiteren für die Chorproben, blieb ihm eine Menge Zeit für<br />

schöpferische Betätigung.<br />

Erst im Frühjahr gab es eine zeitweilige Zunahme seiner Aktivitäten. Am<br />

14. April 1935 gab der Chor der Freien Typographia sein öffentliches Jahreskonzert.<br />

Die Programmwahl verursachte allerdings gewisse Anfangsschwierigkeiten.<br />

Georg Skudnigg, ein Mitglied des Chorvorstandes, erinnerte sich später: „Die<br />

geänderten politischen Verhältnisse dieser Zeit und das Verbot der Sozialdemokratischen<br />

Partei veranlaßten die Typographia zu einem Trotzprogramm. Die damalige<br />

Regierung wollte vorerst das Programm verbieten, scheute dann aber die Blamage.<br />

Jedenfalls blieben offizielle Vertreter der Veranstaltung fern.“ 1Das Programm, mit<br />

Bedacht als ein Akt des Protestes zusammengestellt, bestand aus Beethovens Chor<br />

der Gefangenen aus Fidelio, Brahms’ Schicksalslied, Mendelssohns Festgesang an<br />

die Künstler, Scheus Die Hoffnung und Mendelssohns Erster Walpurgisnacht. Einige<br />

dieser Werke enthielten Texte, die als Anspielungen auf die damals herrschenden<br />

bedrückenden Zustände verstanden werden konnten, und die Einbeziehung<br />

Mendelssohn’scher Musik, die in den deutschen Konzertsälen mit dem Beginn des<br />

Hitler-Regimes unterschiedslos verboten worden war, stellte eine zusätzliche<br />

Herausforderung dar.2 Wie Skudnigg berichtete, war der Saal ausverkauft, und der<br />

Aufführung wurde enthusiastischer Beifall zuteil. Trotz dieses Erfolges sollte es das<br />

letzte Mal gewesen sein, daß <strong>Webern</strong> als Chordirigent in Erscheinung trat. Seinem<br />

Kontobuch zufolge liefen seine monatlichen Bezüge durch die Typographia nur<br />

noch bis in den September weiter. Eine Erklärung hierfür mag sein, daß er die<br />

finanzielle Vergütung, die der Chor ihm gewährte, an der Zeit und den<br />

Anstrengungen gemessen, die er zu investieren hatte, einfach für zu gering empfand.<br />

Am 13. Februar desselben Jahres hatte er David <strong>Josef</strong> Bach anveitraut, daß es ihm<br />

niemals gelungen sei, jene Art <strong>von</strong> Kontakt zu den Mitgliedern herzustellen, die<br />

seine Arbeit nrit dem Singverein so fruchtbar hatte werden lassen.<br />

Innerhalb einer Woche nach dem Konzert war <strong>Webern</strong> bereits auf dem Weg nach<br />

London zu einem weiteren Engagement, dem fünften seit 1929. Edward Clark hatte<br />

die Wege geebnet für ein BBC-Konzert am 25. April, dessen Programm, abgesehen<br />

<strong>von</strong> der am Anfang stehenden Unvollendeten <strong>von</strong> Schubert, nur Werke <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

enthielt: seine vor kurzem vollendete Transkription des Ricercar <strong>von</strong> Bach als<br />

Uraufführung, die Sechs Stücke für Orchester op. 6 und die Passacaglia op. 1. Nur<br />

ein einziges Mal zuvor, bei seinem Auftritt in Barcelona 1932, war dem<br />

405


Komponisten eine ähnliche Gelegenheit geboten worden, einen Querschnitt durch<br />

sein orchestrales Schaffen in ein und demselben Konzert vorzustellen. Als<br />

königliche Geste des Dankes für Clarks Glauben an seine Musik widmete er ihm die<br />

Partitur des Ricercar.<br />

Ein paar Wochen nach seiner Rückkehr <strong>von</strong> England erhielt <strong>Webern</strong> eine<br />

Einladung, ein Radiokonzert zu dirigieren. Seit dem 28. Januar des Vorjahres hatte<br />

er <strong>von</strong> der Ravag als der <strong>von</strong> der Regierung kontrollierten Rundfunkanstalt keine<br />

Engagements mehr erhalten. Doch mit einem Mal sah es so aus, als ob man seine<br />

frühere Verbindung zur Sozialdemokratischen Partei übersehen habe. Freudig<br />

überrascht schrieb <strong>Webern</strong> an Hildegard Jone am 2. Juli: „Also doch wieder!“ Das<br />

Programm am 13. Juli enthielt seine Ricercar-Bearbeitung (als Wiener Erstaufführung),<br />

gefolgt <strong>von</strong> Mendelssohns Violinkonzert (Solist: Wolfgang Schneiderhan)<br />

und der Serenade D-Dur op. 11 <strong>von</strong> Brahms. Trotz <strong>Webern</strong>s Optimismus sollte es<br />

nicht nur das letzte Mal gewesen sein, daß die Ravag ihm überhaupt ein Konzert<br />

übertrug, sondern auch seine letzte Gelegenheit, die Wiener Symphoniker zu<br />

dirigieren, das Orchester, das er im Verlauf der Jahre in so vielen außergewöhnlichen<br />

Aufführungen geleitet hatte. Zweifellos war seine Wahl der beiden ersten<br />

Nummern des Programms die Ursache dafür, daß er für immer zur persona non<br />

grata relegiert wurde. Seine Bach-Transkription mußte auf viele Puritaner<br />

befremdlich wirken, und die Programmierung <strong>von</strong> Musik <strong>von</strong> Mendelssohn machte<br />

ihm diejenigen zu Feinden, die sich bereits der nazistischen Ordnung verschrieben<br />

hatten. Für die Zukunft war <strong>Webern</strong>s Verwendung beim Rundfunk auf die<br />

untergeordnete Beschäftigung im „Abhördienst“ beschränkt.<br />

Nach seinem kurzen Aufenthalt in England, wo noch der Geist der Freiheit<br />

herrschte und seine Musik geschätzt wurde, empfand <strong>Webern</strong> die Atmosphäre zu<br />

Hause als doppelt bedrückend. „Ja, der Kampf mit den. Gespenstern, die uns<br />

umgeben, ist ärger denn je und unter Umständen recht beschwerlich“, schrieb er am<br />

16. Mai an Franz Rederer. Der Schweizer Maler, mit dein sich <strong>Webern</strong> sehr<br />

angefreundet hatte, sollte sich bald als helfende Hand in einer Familienangelegenheit<br />

bewähren: <strong>Webern</strong>s Tochter Amalie war nach einem mehrmonatigen Englandaufenthalt<br />

nach Hause zurückgekehrt, da sie sich einer erneuten Nierenoperation<br />

unterziehen mußte. Einer <strong>von</strong> Rederers Zürcher Freunden war Dr. 'Maximilian<br />

Bircher, ein für seine Propagierung organischer Ernährung berühmt gewordener<br />

Arzt. <strong>Webern</strong>, der fest an die heilenden Kräfte der Natur glaubte, hoffte, daß eine<br />

„Bircher-Diät“ (damals wie heute weit verbreitet) die Operation überflüssig<br />

machen könnte. Rederer traf Vorkehrungen, daß Amalie in Dr. Birchers eigenem<br />

Haushalt leben und sich so unter seiner unmittelbaren Obhut befinden konnte. Die<br />

Kur enthob Amalie zwar nicht der Notwendigkeit eines operativen Eingriffs, ihre<br />

Erfahrungen mit der „Bircher- Diät“ bewogen jedoch die ganze Familie, in Zukunft<br />

nach ihr zu leben.<br />

Nach ihrer Wiederherstellung heiratete Amalie, eine überaus attraktive und<br />

lebhafte junge Dame <strong>von</strong> 24 Jahren, Gunter Waller, den Sproß einer wohlhabenden<br />

Familie, die Im Auholz 2 wohnte, nur ein paar Türen <strong>von</strong> den <strong>Webern</strong>s entfernt.<br />

(Gunter war ein zielstrebiger und erfolgreicher Geschäftsmann, der den Vertrieb<br />

406


<strong>von</strong> Nu Enamel übernommen hatte, einem amerikanischen Lackprodukt, das<br />

damals den Weltmarkt überflutete.) Die Hochzeit fand am 8. August in der<br />

Dorotheerkirche, einem protestantischen Gotteshaus in Wien, statt. Trotz ihrer<br />

beschränkten Mittel überboten sich die Eltern <strong>Webern</strong>, alles aufzubieten, was zu<br />

einer sorgfältig ausgerichteten, formellen Hochzeit gehört und dem zukünftigen<br />

gesellschaftlichen Status ihrer Tochter zugute käme. Amalie erinnerte sich in<br />

späteren Jahren: „Unser Hochzeitsdiner fand im Hotel Imperial statt. Wir waren<br />

nur die engsten Familienangehörigen <strong>von</strong> beiden Seiten. Meine Eltern brachten<br />

finanziell ein großes Opfer für mich, mir dieses diner in einem so teuren Hotel zu<br />

bieten. Aber die Eltern <strong>von</strong> Gunter waren sehr vermögend und schauten auf den<br />

armen Musikus sehr verächtlich herunter. Mutter und Vater wollten mir jede<br />

Demütigung ersparen und so kam es zu dieser protzigen Angelegenheit.“3<br />

Unter den Hochzeitsgästen waren <strong>Webern</strong>s Schwester Maria und ihr Ehemann<br />

Paul Clementschitsch. Der letztere forderte <strong>Webern</strong> auf, mit ihm zusammen den<br />

Groß-Venediger zu besteigen, eine unwiderstehliche Versuchung. „Der Großvenediger<br />

spukt mir zu lange u. zu sehr im Kopf herum“, schrieb <strong>Webern</strong> an<br />

Polnauer am 10. August, dem Tag vor seiner Abreise nach Klagenfurt. Ein<br />

Bergführer war gemietet worden und die Gruppe stand am 14. August auf dem<br />

Gipfel des 3660 rn hohen Bergriesen, nachdem sie über Nacht in der Defregger-<br />

Hütte Unterkunft gefunden hatte. Begeistert schickte <strong>Webern</strong> Ansichtskarten an<br />

Bach, Hueber und Zenk. Da er wußte, daß es ein lange gehegter Wunsch <strong>von</strong> Zenk<br />

war, diesen König der Gletschergipfel zu erklimmen, schrieb er: „Ich will Dir das<br />

Herz nicht schwer machen aber ich war oben. . . Es war unbeschreiblich!“<br />

Nach der Tour verbrachte <strong>Webern</strong> ein paar Tage bei Paul und Maria<br />

Clementschitsch an ihrem Urlaubsort in Virgen, und arn 19. August besuchte er auf<br />

der Heimfahrt Alban Berg im Waldhaus. Berg hatte soeben die Instrumentierung<br />

seines Violinkonzerts beendet; der amerikanische Geiger Louis Krasner hatte<br />

Anfang des Jahres dieses Werk bei ihm bestellt. Finanzielle Schwierigkeiten hatten<br />

den Komponisten dazu bewogen, die Arbeit an der Instrumentierung seiner Oper<br />

Lulu zu unterbrechen, um diesen Auftrag auszuführen. Der frühe Tod der schönen<br />

19jährigen Manon Gropius, Alma Mahlers Tochter aus ihrer zweiten Ehe, am<br />

22. April inspirierte Berg zu dem zweisätzigen Konzert, das er „Dem Andenken<br />

eines Engels“ widmete. (Der erste Satz ist ein Porträt des jungen Mädchens, der<br />

zweite beschwört die Katastrophe und die Erlösung durch den Tod.) Der<br />

Komponist, der mit fieberhafter Eile arbeitete (das Particell war bis zum 12. Juli<br />

beendet, die Instrumentation am 11. August), schrieb sich, ohne es zu ahnen, sein<br />

eigenes Requiem.<br />

Zur Zeit des Besuchs <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> litt Berg an einem Abszeß, der <strong>von</strong> einem<br />

Insektenstich in der Gegend des unteren Rückgrats herrührte. Trotzdem beabsichtigte<br />

er, am IGNM-Fest in Prag Anfang September teilzunehmen. Noch am<br />

26. August beauftragte <strong>Webern</strong> Polnauer, Fahrkarten für Berg, Krenek und<br />

Steuermann zu besorgen, die als offizielle Vertreter der Wiener Sektion ausersehen<br />

waren. Doch in letzter Minute mußte Berg absagen. <strong>Webern</strong>, der nur ungern die<br />

Arbeit an seiner neuen Komposition, Das Augenlicht, unterbrach, hatte dennoch<br />

407


zugesagt, die Uraufführung seines Konzerts op. 24 zu dirigieren (sein Name erschien<br />

auch wirklich auf dem gedruckten Programm), und Alois Häba hatte ihm bereits den<br />

Termin der ersten Probe mitgeteilt. Doch <strong>Webern</strong>, noch immer verärgert über das<br />

politische Verhalten der Gesellschaft, das sein Erscheinen auf dem Fest in Florenz<br />

im Vorjahr verhindert hatte, entschloß sich plötzlich, nicht zu fahren, als sich neues<br />

Ungemach einstellte. „Ich fahre aber nicht! Und habe Jalowetz mein ,Konzert1<br />

übergeben“, erklärte er David <strong>Josef</strong> Bach am 26. August. „Jetzt endgiltig vor allem<br />

deswegen, weil man ihm die ,Lulu‘-Stücke genommen hat! Es dirigiert sie der Herr<br />

Szell!!! Samstag, d. 24. war die Nachricht <strong>von</strong> Häba gekommen, mit dem Bemerken,<br />

aus ,ökon. Gründen u. technischen Dispositionen‘ mußten sie sich dazu entschließen<br />

u. dem Ersuchen, ich sollte mein Einverständnis geben. Nun, ich antwortete<br />

entsprechend. Und erklärte, daß ich nunmehr, um Jal. einigermaßen zu entschädigen,<br />

diesem die Leitung meines Werkes übergebe u. nicht zum Fest komme.“<br />

Das erste Orchesterkonzert am 1. September begann mit einem symphonischen<br />

Werk mit dem Titel Miserae des jungen Münchener Komponisten Karl Amadeus<br />

Hartmann, der in der Folgezeit <strong>Webern</strong>s Schüler wurde.4 <strong>Webern</strong>s Konzert op. 24<br />

war für das Kammerkonzert am 4. September vorgesehen. Dieses Programm<br />

enthielt unter anderen Werke <strong>von</strong> Goffredo Petrassi und Wladimir Vogel.<br />

Mitglieder des Kolisch-Quartetts und Eduard Steuermann, mit denen <strong>Webern</strong><br />

bereits vorher geprobt hatte, spielten in dem Ensemble unter Jalowetz’ Leitung. Der<br />

Kritiker Felix Stössinger hob in einem Sonderbericht für das Pariser Tageblatt Bergs<br />

Lulu-Suite5 und <strong>Webern</strong>s Konzert als Höhepunkte des Festes hervor: „Beide<br />

Werke zeigen, wie weit und mannigfaltig die Welt Schönbergs ist . . . <strong>Webern</strong>s<br />

Konzert führt den Stil einer Musik weiter, in der 2-3 Töne jeweils ein Ganzes bilden.<br />

Ein Instrument oder eine Instrumentengruppe spielen sie, man möchte sagen:<br />

ordnen sie räumlich an. Gewiß eine Musik, zu der verständnislose Hörer lachen. Sie<br />

kam aber mit einer so zwingenden Kürze und Plastik zum Vortrag, daß man an<br />

chinesische Meisterblätter erinnert wurde, auf denen auch nichts als einige<br />

Bambusblätter, verteilt auf Seide, in scheinbar sinnloser Ordnung zu erblicken sind.<br />

<strong>Webern</strong>, ein Asket in Wien, hat die Musik auf stumme, aber eindringliche Blicke<br />

reduziert.“<br />

Unter den Zuhörern der <strong>Webern</strong>-Premiere befand sich auch einer der vielversprechendsten<br />

jungen Komponisten Italiens, Luigi Dallapiccola, damals 31 Jahre<br />

alt. Am Abend des Konzerts schrieb Dallapiccola in sein Tagebuch:,,. . . ein Werk<br />

<strong>von</strong> unglaublicher Dichte (sechs Minuten Musik) und einmaliger Konzentration.<br />

Jegliches dekorative Element ist eliminiert. . . Ich konnte mir noch keine präzise<br />

Vorstellung <strong>von</strong> dem Werk machen, es ist für mich zu schwer verständlich; es scheint<br />

aber ohne jede Frage eine ganze Welt darzustellen. Wir finden uns in der Gegenwart<br />

eines Mannes, der ein Maximum <strong>von</strong> Ideen durch ein Minimum <strong>von</strong> Worten<br />

ausdrückt. Wenn ich auch das Werk nicht restlos verstand, so hatte ich doch das<br />

Gefühl, eine ästhetische und stilistische Einheit zu entdecken, wie ich sie mir größer<br />

nicht wünschen könnte. Viele Leute im Saal lächelten während der Aufführung:<br />

auch unsere eigene Delegation schien sich in heiterster Stimmung zu befinden (,0 du<br />

lateinische Fröhlichkeit, du bist noch nicht tot!‘, kann man im Chanteclernachlesen.<br />

408


Doch es gibt Leute, die über alles lachen). Ich habe mir heute abend nicht das ganze<br />

Programm angehört. <strong>Webern</strong> zwingt mich zum Nachdenken.“6<br />

Bei Anbruch des Herbstes 1935 war <strong>Webern</strong>s einzige Verdienstquelle, abgesehen<br />

vom Abhördienst, sein privates Unterrichten. Die Zahl seiner Schüler blieb klein, im<br />

Höchstfall sieben oder acht, und einige zahlten minimale Honorare. Doch alle waren<br />

sie ihm treu ergeben, nahmen ihr Studium ernst und blieben bei ihm Jahr für Jahr.<br />

Außer den bereits früher erwähnten, tauchten nunmehr die Namen <strong>von</strong> Arnold<br />

Eiston, Kurt List und Willi Reich im Kontobuch auf. Einige der Schüler kamen zu<br />

<strong>Webern</strong>s Heim in Maria Enzersdorf, andere wurden bei Freunden unterrichtet, die<br />

in Wien wohnten. Im Verlauf der Jahre stellten die <strong>Humplik</strong>s (die ein Atelier in der<br />

Stadt unterhielten), die Kurzmanns, Erwin Ratz, Greta Wilheim und <strong>Webern</strong>s<br />

Schwägerin Leopoldine Groß ihm großzügig ihre Räumlichkeiten zur Verfügung,<br />

was ihm ermöglichte, seine Unterrichtsstunden auf bestmögliche Weise zu<br />

disponieren.<br />

Am Freitag, dem 18. Oktober, begann <strong>Webern</strong> wiederum mit einer Reihe <strong>von</strong><br />

Beethoven-Vorträgen im Heim <strong>von</strong> Dr. Kurzmann. Der Kurs dauerte bis Ende<br />

April. <strong>Josef</strong> Polnauer, das getreue Faktotum seit den Tagen des Schönbergschen<br />

Vereins, hatte mitgeholfen, eine kleine Schar <strong>von</strong> Zuhörern zu mobilisieren. Von<br />

Natur ein ewiger Student, doch ausgestattet mit grenzenloser Vitalität und<br />

ansteckendem Enthusiasmus, nahm Polnauer an so ziemlich jeder Zusammenkunft<br />

teil. Er war auch prominentes Mitglied des Vereins für Neue Musik, der<br />

österreichischen Sektion der IGNM, deren Aktivitäten damals mehr oder weniger<br />

das einzige Forum für zeitgenössische Musik in Wien abgaben. Der Vorstand,<br />

dessen Präsident <strong>Webern</strong> war, vertrat stark progressive Tendenzen. Ihm gehörten zu<br />

dieser Zeit Bach, Jalowetz, Krenek, Polnauer, Reich, Steuermann, Wellesz und<br />

Zenk an. Die wenigen Aufführungen <strong>von</strong> Kompositionen <strong>Webern</strong>s wie auch seine<br />

Dirigierverpflichtungen im Ausland waren weitgehend dieser Organisation zu<br />

verdanken. In Deutschland hatte das Naziregime, dem jegliche fremden Einflüsse<br />

verdächtig erschienen, die IGNM bereits verboten zusammen mit anderen<br />

internationalen Verbänden wie Freimaurer und Rotary. Die Wiener Sektion, ihrer<br />

prekären Lage in zunehmendem Maße bewußt, legte auch weiterhin Unerschrokkenheit<br />

an den Tag. Das wurde durch ein Konzert demonstriert, das am<br />

21. November 1935 im Hagenbund stattfand. Das Programm bestand aus Kreneks<br />

Symphonischer M usik für neun Instrumente, den Uraufführungen <strong>von</strong> Liedern <strong>von</strong><br />

Zenk und <strong>von</strong> einem Klavierquintett <strong>von</strong> Hauer sowie Schönbergs George-Liederrs<br />

und der Wiener Erstaufführung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Konzert op. 24. Bei der letzteren<br />

dirigierte der Komponist selbst das Ensemble mit Steuermann am Klavier, wie<br />

bereits bei der Prager Uraufführung.<br />

Kurz vor dem Konzert war Berg <strong>von</strong> seinem Landhaus nach Wien zurückgekehrt.<br />

Die Infektion, unter der er seit dem Monat August litt, hatte sich ausgebreitet und<br />

seine Gesundheit aufs schwerste untergraben. Darüber hinaus bedrückten ihn<br />

finanzielle Sorgen (die Tantiemeneingänge aus seinen Werken, vor allem Wozzeck,<br />

waren stark zurückgegangen als Resultat des Verbots seiner Musik durch die<br />

Nationalsozialisten). . irgendwie muß uns geholfen werden!“ hatte er Willi<br />

409


Reich am 4. November vom Waldhaus geschrieben und den Satz hinzugefügt, der im<br />

Nachhinein in doppelter Hinsicht ominös klingt: „Ein, zwei Monate habe ich noch zu<br />

leben - was aber dann? Ich denke und kombiniere nichts anderes als dies - bin also<br />

tief deprimiert.“<br />

Bis Ende November hatte sich Bergs wirtschaftliche Lage so sehr verschlechtert,<br />

daß er sogar daran dachte, sein geliebtes Asyl, das Waldhaus, zu verkaufen. In<br />

seinem Brief an Schönberg vom 30. November führte er bittere Klage: „Schließlich<br />

geht es mir moralisch nicht gut, was Dich <strong>von</strong> Einem, der plötzlich entdecken mußte,<br />

daß er in seinem Vaterland nicht bodenständig und auf diese Weise heimatlos ist,<br />

nicht wundernehmen wird, um so mehr, als solche Dinge ja nicht reibungslos und<br />

nicht ohne tiefgehende menschliche Enttäuschungen vor sich gehen konnten und<br />

eigentlich fortdauern. Aber es ist gewiß nicht angebracht, daß ich solches gerade Dir<br />

erzähle, der all dies ja in einem gigantischen Ausmaß erlebt hat und wogegen meine<br />

Erfahrungen nur <strong>von</strong> Taschenformat sind. Schließlich lebe ich in meiner Heimat und<br />

darf meine Muttersprache sprechen.“7<br />

Als sich dann Berg am 17. Dezember zu einer Notoperation ins Rudolfspital<br />

begeben mußte, hatte die Infektion den ganzen Kreislauf vergiftet. Er erhielt<br />

Bluttransfusionen und wurde ein zweites Mal operiert, ohne daß es gelang, den<br />

Eiterherd zu finden.8 Bergs Freunde waren sich des Ernstes der Lage nicht bewußt.<br />

Am 21. Dezember schrieb <strong>Webern</strong> Rederer, Bergs Zustand sei „schon viel besser“.<br />

Die Erholung war jedoch trügerisch, und am nächsten Tag setzte der Todeskampf<br />

ein. Berg, der wie Schönberg und <strong>Webern</strong> gewisse abergläubische Vorstellungen<br />

hegte, sah in der Ziffei „23“ seine Schicksalszahl und der 23. Dezember war deshalb<br />

für ihn ein unheilvolles Datum. „Das wird ein entscheidender Tag“ , meinte er gefaßt<br />

am Morgen. Er sollte den Anbruch des nächsten Tages nicht mehr erleben. Das<br />

Ende kam um 1 Uhr 15 am Morgen des 24. Dezerober 1935. Polnauer bezeugte<br />

später: „<strong>Webern</strong> war der einzige, der <strong>von</strong> uns Freunden noch arn Tage seines<br />

Hinscheidens mit ihm sprechen konnte.“9<br />

In Hildegard Jones Nachlaß fand sieh der Entwurf ihres Beileidsschreibens an<br />

Bergs Witwe. Ihre schönen Worte drückten die Trauer aus, die alle seine Freunde<br />

empfanden. Die Dichterin, die metaphysischen Dingen stark zugetan war, glaubte<br />

fest an übersinnliche Wahrnehmungen, und ihre Worte des Trostes gipfelten in der<br />

Verkündigung dauernder Gemeinschaft der Ehegatten, die auch der Tod nicht<br />

zerstören könne: „Am 24., kurz vor dem Abend, habe ich das Unfaßbare, das Sie<br />

betroffen hat, erfahren. Da haben mir die heiligen Lichte schwarz gebrannt in dem<br />

Gedanken, daß für Sie die Weihnachtskerzen zu Todeskerzen geworden sind. Ich<br />

konnte nur an Sie denken! Ihre und Ihres Gatten Einheit war uns so teuer, steht mir<br />

unverlöschlich vor der Seele. Größer als die größte Kunst eines wahren Künstlers ist<br />

solche selbst durch den Tod unverlierbare Einheit <strong>von</strong> zwei Menschen. Sie sind mir<br />

ans Herz gewachsen, liebe Frau Berg, wie selten ein Mensch. Ich glaube, Sie, die Sie<br />

so ganz für Ihren Mann gelebt haben, gut zu kennen, und ich möchte es Ihnen so<br />

überaus gerne und mit der ganzen Kraft meines Herzens sagen können: Glauben Sie<br />

nicht an den Tod Ihres Mannes! Er ist ,beim Vater der Lüster4und er wird Ihnen<br />

wieder nahe kommen, er wird ganz bei Ihnen sein, das werden Sie schon erleben.<br />

410


Sie werden, wenn Sie still in sich selber lauschen, seine Stimme und seine<br />

Rede wahrnehmen köxrnen. Nicht gleich, vielleicht auch nicht so bald wird das sein<br />

(in der ersten Zeit werden Sie nur sein ,Totsein4fühlen), aber es wird gewiß geschehen.“<br />

Hildegard Jones Vorhersage sollte in Erfüllung gehen. Helene Berg überlebte<br />

ihren Mann um über 40 Jahre, und für den Rest ihres Daseins bekannte sie sich dazu,<br />

in ständigem spirituellen Kontakt zu ihm gelebt zu haben, unbeirrt durch die<br />

Skepsis, die dieser Glaube gelegentlich hervorrief. Sie stand unerschütterlich zu<br />

ihrer Mission, sie vollstreckte, was sie als Alban Bergs künstlerisches Vermächtnis<br />

und Testament ansah. So verweigerte sie standhaft die Genehmigung zur Orchestrierung<br />

und Aufführung des dritten Aktes <strong>von</strong> Lulu, der unvollendet geblieben<br />

war.10<br />

Berg wurde arn Nachmittag des 28. Dezember auf dem Friedhof <strong>von</strong> Hietzing<br />

beigesetzt. Ernst Krenek hielt im Namen der Wiener Sektion der IGNM die<br />

Grabrede, nachdem er diese Aufgabe in Abwesenheit <strong>Webern</strong>s, des Präsidenten der<br />

Organisation, übernommen hatte. <strong>Webern</strong>, obwohl er durch den Tod zutiefst<br />

erschüttert war (seine Tochter Amalie erinnerte sich, wie er an jenem traurigen<br />

Weihnachtsabend hemmungslos weinte), sah sich verpflichtet, eine Reise nach<br />

Barcelona auszuführen, wo er als Mitglied der Jury an der Auswahl der<br />

Kompositionen für das nächste, dort vorgesehene IGNM-Fest beteiligt war. Ohne<br />

Zweifel glaubte er, Bergs Andenken am besten dienen zu können, wenn er die Jury<br />

überredete, die Uraufführung seines Violinkonzertes aufs Programm zu setzen, und<br />

er hatte Erfolg. Er reiste am 26. Dezember <strong>von</strong> Wien ab und schrieb an die <strong>Humplik</strong>s<br />

noch am gleichen Tag <strong>von</strong> Salzburg: „Ich mußte trotz allem fahren. Was ich in den<br />

letzten Tagen habe durchmachen müssen, könnt Ihr Euch denken. Wieder zu Hause<br />

zu sein, kann ich kaum erwarten.“<br />

<strong>Webern</strong> war am 4. Januar wieder zurück. Bergs Tod stürzte ihn zunehmend in<br />

Niedergeschlagenheit und Verzweiflung. Die Freunde, die ahnten, wie nahe ihm der<br />

Verlust ging, versuchten ihn zu trösten. Vor allem Schönberg, der die Tragödie<br />

deutlich erkannte, die ihre persönlichen und künstlerischen Schicksale verdüsterte,<br />

schrieb ihm am 15. Januar einen niedergeschlagenen Brief: „Liebster Freund, ich<br />

bin in gespanntester Erwartung eines Briefes <strong>von</strong> Dir anläßlich des Todes unseres<br />

lieben, armen Berg. Es ist zu aufregend, hier fast nichts erfahren zu können, durch<br />

mehr als drei Wochen, als das Wenige, was die Zeitungen melden, die sich ja relativ<br />

ausführlich mit ihm befaßt haben. Mir hat bisher niemand aus Wien Näheres<br />

geschrieben, was ich nicht verstehen kann, wo doch jeder wissen muß, wie nahe mir<br />

das geht. Es ist zu schrecklich. Nun geht noch Einer <strong>von</strong> uns, die wir ohnehin nur drei<br />

waren, und nun haben wir beide diese künstlerische Vereinsamung allein zu tragen.<br />

Und das Traurigste: derjenige <strong>von</strong> uns, der Erfolg hatte, der immerhin wenigstens<br />

das hätte genießen können, dem wenigstens, wenn er weitergelebt hätte, diese<br />

Bitterkeit nicht in dem Maße zuteil geworden wäre, daß es ihm alle Freude an den<br />

Aufführungen seiner Werke und an seiner Wirksamkeit verdorben hätte, wie uns<br />

Beiden! Gewiß, er hatte auch zu leiden unter dem allgemeinen Druck, der auf uns<br />

Dreien lastete, unter dem Haß, mit dem man uns verfolgt. Aber immerhin, dank<br />

411


einigen freundlichen Zügen in seinen Anlagen glaubte man ihm und er hätte es<br />

genießen können.<br />

„Wir haben beide unendlich lange nichts <strong>von</strong> einander gehört und ich bin sicherlich<br />

der Hauptschuldige: ich habe seit wenigstens einem halben Jahr nicht mehr<br />

geschrieben. Aber ich habe die Entschuldigung, daß ich in dieser Zeit überhaupt fast<br />

niemandem geschrieben habe . . . Bitte schreibe nun Du mir auch wieder. Ich will<br />

selbst trachten, Dir sooft als möglich zu schreiben. Aber - wenn es so weiter wie<br />

bisher geht, wenn weiter soviel an meinen Nerven gerissen wird, kann ich es nicht<br />

versprechen. Aber Du wirst dann wohl daran denken wollen, daß das keine<br />

Entfremdung bedeutet und wirst verstehen, wie leid es mir tut, daß, wenn ich schon<br />

nicht Dir, so doch wenigstens dem armen Berg hätte schreiben sollen, dem es sicher<br />

eine Freude gewesen wäre, noch einmal <strong>von</strong> mir zu hören und dem ich ebenso lange<br />

nicht geschrieben habe. Ich bin sehr traurig auch darüber.“<br />

Eine weitere Persönlichkeit aus dem Freundeskreis, die es drängte, <strong>Webern</strong> zu<br />

schreiben, war die Sängerin Ruzena Herlinger. Sie, die jahrelange aktive Mitarbeiterin<br />

und großzügige Helferin, war ein paar Monate zuvor wieder nach Prag<br />

gezogen. Am 14. Januar 1936 antwortete <strong>Webern</strong> auf ihr Beileidsschreiben: „Ja, es<br />

ist unsagbar, was geschehn ist! Ich kann mich nicht fassen und kann keine<br />

Beruhigung finden. Für Ihre liebe mir persönlich bezeigte Teilnahme danke ich<br />

Ihnen <strong>von</strong> ganzem Herzen und erwidere sie ebenso. Denn ich bin mir wohl bewußt,<br />

was auch Sie getroffen hat. Dafür wird für immer die ,Wein‘-Arie gesungen. Am<br />

15. Februar bereiten wir Alban Berg eine Gedenkfeier, mit seinen Kammermusik-<br />

Werken. Am Musikfest in Barcelona, April, wird zum ersten Male sein letztes Werk,<br />

das Violin-Konzert gespielt werden. Aller Voraussicht nach unter meiner Leitung.<br />

Und desgleichen am l.M ai in einem BBC-Konzert in London.“<br />

<strong>Webern</strong>s Mitwirkung bei der Zusammenkunft der IGNM-Jury in Barcelona hatte<br />

zur Folge, daß seine Wiener Kollegen hei dein vom 19.-25. April vorgesehenen Fest<br />

besonders stark vertreten waren. Als Hommage an Berg sollte nicht nur die<br />

Uraufführung des Violinkonzerts auf dem Programm stehen, sondern auch die drei<br />

Bruchstücke aus Wozzeck. Außerdem enthielt es drei Ausschnitte aus Ernst<br />

Kreneks Zwölfton-Oper Karl V., die Five Sonnets o f Elizabeth Browning für Sopran<br />

und Streichquartett <strong>von</strong> Egon Wellesz, Zwei Sätze für Streichquartett op. 1 <strong>von</strong><br />

Mark Brunswick und die Klaviersonate op. 1 <strong>von</strong> Ludwig Zenk (dem Schüler<br />

<strong>Webern</strong>s, dem er den Beginn seiner Karriere zu erleichtern hoffte).<br />

In engster Zusammenarbeit bereiteten Louis Krasner und <strong>Webern</strong> die Aufführung<br />

des Konzerts <strong>von</strong> Berg vor; die Proben fanden im Heim der Kurzmanns statt,<br />

Rita Kurzmann hatte den Klavierauszug zu dem Werk noch unter der unmittelbaren<br />

Aufsicht des Komponisten angefertigt. Sie ist die Quelle einer Anekdote über<br />

<strong>Webern</strong>, die seine bemerkenswerte Fähigkeit zu innerer Konzentration veranschaulicht,<br />

die ihn zuweilen tatsächliche physische Vorgänge vergessen ließ: „<strong>Webern</strong><br />

begann mit vollgriffigen Akkorden“, geht die Geschichte, erzählt <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Schüler Kurt Manschinger. „Dann wurde seine Begleitung dünner und dünner, bis<br />

sie schließlich ganz auf hörte. Krasner spielte noch eine ganze Weile weiter. Plötzlich<br />

unterbrach ihn <strong>Webern</strong> mit dem Ausruf: ,HaIt, jetzt war“rna net beisammh“<br />

412


Am 8. April spielten Krasner und Rita Kurzmann eine Voraufführung des<br />

Violinkonzerts im Kammermusiksaal des Musikvereins vor einem <strong>von</strong> der Universal<br />

Edition geladenen Kreis <strong>von</strong> Freunden und Gästen. Während dieser Wochen<br />

überkam <strong>Webern</strong> ein zunehmendes Widerstreben, nach Barcelona zu fahren. Die<br />

anhaltende Depression über Bergs Tod wurde noch vertieft durch seine emotionelle<br />

Verbundenheit mit dem letzten Werk des Freundes, das bereits mit Todesahnungen<br />

konzipiert war. Die Verantwortung, seine Uraufführung zu dirigieren, verstärkte<br />

sein Unbehagen, und bis Ende April hatte sich bei ihm eine unüberwindliche<br />

Abneigung eingestellt, seine Aufgabe auszuführen. Alarmiert versuchten Bach,<br />

Polnauer und später Krenek und Hugo Winter, ihn umzustimmen. Doch <strong>Webern</strong><br />

widersetzte sich mit der Behauptung: „Ich kann nicht.“ Schließlich suchte Krasner<br />

<strong>Webern</strong> zu Hause auf und redete den ganzen Tag auf ihn ein. Erst als der Geiger<br />

kategorisch erklärte, er werde das Konzert überhaupt nicht spielen, wenn <strong>Webern</strong><br />

nicht dirigiere, lenkte <strong>Webern</strong> ein. Die Schwierigkeiten, mit denen er überredet<br />

werden mußte, waren ominöse Vorboten der dramatischen Ereignisse in Barcelona.<br />

Die meisten Mitglieder der großen Wiener Delegation für das Fest nahmen die<br />

direkte Route nach Spanien über die Schweiz, doch <strong>Webern</strong> forderte Krasner auf,<br />

mit ihm über Deutschland zu fahren, damit sie sich selbst eine Vorstellung <strong>von</strong> den<br />

dortigen Zuständen unter Hitler machen könnten. Wellesz, der den Weg über die<br />

Schweiz wählte, erzählte später <strong>von</strong> der langen Eisenbahnfahrt in Begleitung <strong>von</strong><br />

Helene Berg und Willi Reich.11 In diesen Tagen hatten sie alle wenig Geld und<br />

mußten in der 3. Klasse auf Holzbänken reisen. Während der Nacht saßen die<br />

Männer auf ihren Koffern, damit sich Bergs Witwe ausgestreckt auf den Sitzen<br />

ausruhen konnte.<br />

In Barcelona wurde <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> Roberto Gerhard empfangen, auf dessen<br />

Veranlassung er vier Jahre zuvor zu einem Gastspiel gekommen war. Damals hatte<br />

<strong>Webern</strong> das Casals-Orchester in zwei erfolgreichen Konzerten dirigiert, auf deren<br />

Programmen auch drei eigene Werke standen. Er hatte die hervorragende Qualität<br />

des Orchesters und die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den Musikern<br />

überschwenglich gelobt. Dieses Mal stellte sich die Situation als auf drastische Weise<br />

verändert dar. Von der ersten Probe an begegnete <strong>Webern</strong> Verständigungsschwierigkeiten<br />

mit den Musikern. Die Spannungen wurden noch erhöht durch sein<br />

geradezu fanatisches Bestehen auf Erzielung eines Klanges, der seinen geistigen<br />

Vorstellungen <strong>von</strong> Bergs Partitur zu entsprechen habe. Felix Galimir erinnerte sich<br />

später: „Er machte verzweifelte Anstrengungen, in seinem Wiener Deutsch dem<br />

Orchester, das weder seine Sprache noch die Musik verstand, das Werk zu<br />

erklären.“ 12 In zwei Sitzungen konnte nur der Anfangsteil des ersten Satzes<br />

erarbeitet werden. Die dritte Probe fand am Vormittag des Samstags, des 18. April<br />

statt, dein Tag vor der Eröffnung des Festes. <strong>Webern</strong> erschien äußerst gereizt.<br />

Wieder machte die Probe keine nennenswerten Fortschritte, und Wellesz zufolge<br />

wurde <strong>Webern</strong> mit den Mitgliedern des Orchesters „grob“. Fest da<strong>von</strong> überzeugt,<br />

daß die katalanischen Musiker seine Anweisungen mit Absicht nicht verstanden<br />

oder nicht befolgten, verkündete er abrupt: „Die Aufführung kann nicht stattfinden.“<br />

Daraufhin verließ er den Probensaal und schloß sich in sein Hotelzimmer ein.<br />

413


Die Bestürzung war allgemein. Die Uraufführung <strong>von</strong> Bergs Konzert galt als der<br />

Höhepunkt des Festes, und jedermann, <strong>von</strong> der Leitung bis zur Witwe des<br />

Komponisten, war fassungslos. Wellesz hat den Verlauf der nunmehr folgenden<br />

Ereignisse beschrieben: Er begab sich mit Helene Berg sofort zu <strong>Webern</strong> in einem<br />

verzweifelten Versuch, eine vernünftige Lösung herbeizuführen. Wenn <strong>Webern</strong><br />

schon nicht dirigieren wollte, dann sollte er zumindest die Aufgabe einem anderen<br />

überlassen. Aber <strong>Webern</strong> blieb unbeugsam und rief wiederholt aus: „Die<br />

Aufführung darf nicht stattfinden. Nein, nein, nein!“ Nur die flehentlichen Bitten<br />

Helene Bergs konnten ihn schließlich zum Nachgeben veranlassen. Als sie<br />

buchstäblich vor ihm niederkniete und unter Tränen um seine Einwilligung bat, gab<br />

er unwirsch nach: „Meinetwegen dann.“ Damit gab er die Partitur heraus.<br />

Sofort - inzwischen war es Mittag geworden - eilte Wellesz zu Edward Dent,<br />

seinem engen Freund und dem internationalen Präsidenten der Gesellschaft. Beide<br />

stellten Überlegungen an, und Dent suchte dann Hermann Scherchen auf, den er mit<br />

der Korrektur <strong>von</strong> Orchesterstimmen beschäftigt fand. Scherchen hatte die Partitur<br />

des Konzerts vorher nicht gesehen und gab nur äußerst zögernd seine Zusage,<br />

einzuspringen. Auf dem Bett seines Hotelzimmers liegend, ging er das Werk durch,<br />

während Krasner es ihm vorspielte. Eine einzige Orchesterprobe mußte ausreichen.<br />

Krasner hatte vor, den Solopart aus dem Manuskript zu spielen, doch Scherchen<br />

bewog ihn dazu, es auswendig zu tun. Während der Probe fegte er die Solostimme<br />

vom Notenpult mit den Worten: „So etwas spielt man nicht vom Blatt.“ Er meinte zu<br />

Krasner, er habe sich durchaus dazu imstande gezeigt, auswendig zu spielen, als er<br />

<strong>von</strong> der Partitur weggewandert sei, während er ihm im Hotelzimmer das Werk<br />

vorführte. Der Geiger unterwarf sich Scherchens dynamischem Willen, und die<br />

Uraufführung am Sonntag, 19. April, verlief recht gut, abgesehen <strong>von</strong> kleineren<br />

Mängeln, die nur die Ausführenden selbst bemerkten. In letzter Minute übernahm<br />

Ernest Ansermet die Leitung der drei Fragmente aus Kreneks Karl V., die <strong>Webern</strong><br />

im gleichen Konzert hätte dirigieren sollen.<br />

Es ist schwer, sich <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s seelischer Verfassung während dieser kritischen<br />

Tage eine Vorstellung zu machen. Mark Brunswick unternahm lange Spaziergänge<br />

mit ihm. Er beschrieb <strong>Webern</strong>s Verhalten als ausgesprochen pathologisch, als einen<br />

Fall temporärer Paranoia - eine Meinung, die auch Brunswicks Frau, eine<br />

Psychiaterin und Schülerin Freuds, teilte.13 <strong>Webern</strong>s nachfolgende Reaktionen<br />

könnten diese Ansicht bestätigen. Es war vorgesehen, daß er mit Krasner und<br />

Polnauer über Paris nach London reisen sollte. Statt dessen stieß er, in offenkundiger<br />

Flucht vor dem Schauplatz seines Versagens, alle seine vorher getroffenen<br />

Reisearrangements um und fuhr direkt nach Wien zurück, ein Umweg <strong>von</strong><br />

Hunderten <strong>von</strong> Kilometern. Das Erlebnis in Barcelona hatte ihn so erschüttert, daß<br />

er nur daran denken konnte, sein seelisches Gleichgewicht in der Geborgenheit<br />

seines ländlichen Asyls an der Seite seiner unendlich verständnisvollen und<br />

mitfühlenden Frau wiederzuerlangen. Am 20. April hatte er David <strong>Josef</strong> Bach seine<br />

Rückkehr angekündigt und ihm in einem langen Brief <strong>von</strong> Barcelona sein Herz<br />

ausgeschüttet: „Liebster Freund, leider kann ich Dir keine gute Nachricht geben. Es<br />

ist schlimm für mich ausgegangen hier. Die Probenmöglichkeit war - im Gegensatz,<br />

414


im schrecklichen Gegensatz zu dem Versprochenen - eine derart geringe, daß ich 24<br />

Stunden vor der Aufführung so gut wie nichts erreicht hatte. Als dann ein <strong>von</strong> mir<br />

gestelltes Ultimatum sich auch nicht erfüllte, mußte ich die Konsequenzen ziehen.<br />

Was anderes hätte ich nicht verantworten können. Was für mich unmöglich war,<br />

konnten aber Ansermet u. Scherchen als nicht <strong>von</strong> vornherein Verantwortliche<br />

durchführen. So also ist es gekommen, die Aufführungen waren gerettet, aber mich<br />

haben die Umstände fast zu Grunde gerichtet. Das kannst Du Dir wohl denken. So<br />

daß die Motivierung (Erkrankung) schließlich der Wahrheit entsprach. Aber ich<br />

habe ja alles vorausgewußt! Ich fahre heute nachhause. . . Dienstag der kommenden<br />

Woche fahre ich dann nach London. Daran zu denken, ist mir jetzt<br />

Beruhigung. . . Natürlich möchte ich Dich gerne ehestens sprechen. Um Dir sagen<br />

zu können, was man mir hier angethan hat in jeder Richtung. Und wie man<br />

zumindesten gar nicht, aber schon gar nicht, bedachte, daß es ja um die Urauff. <strong>von</strong><br />

Bergs letztem Werk - in memoriam - gegangen ist. Es war eine maßlose Qual. Eine<br />

Hölle. Ich kann verantworten was ich gethan. Das Gegenteil aber wäre nicht möglich<br />

gewesen.“<br />

Am 24. April schrieb <strong>Webern</strong> Polnauer über die Pariser Adresse <strong>von</strong> Max<br />

Deutsch, daß er am Nachmittag des 29. April an der Victoria Station in London<br />

eintreffen werde und daß Krasner für sie drei Zimmer im Bentinck Hotel reserviert<br />

habe. Es war <strong>Webern</strong>s sechste und letzte Konzertreise nach England. Sein BBC-<br />

Engagement sah zwei Abendsendungen vor, am 1. und 3. Mai. Das Programm des<br />

ersten, dem Andenken Alban Bergs gewidmeten Konzerts, enthielt zwei Sätze aus<br />

der Lyrischen Suite und das Violinkonzert. Obwohl die Proben erst am Vortag<br />

begannen, kam es zu einer Aufführung, deren sich alle, die sie hörten, als<br />

ausgezeichnet erinnern.14 <strong>Webern</strong> rehabilitierte sich völlig und entkräftete den<br />

Vorwurf, der gegen ihn erhoben wurde, sein Versagen in Barcelona sei durch<br />

unzulängliches Proben verbunden mit emotioneller Unfähigkeit, die Aufgabe zu<br />

bewältigen, verursacht worden.<br />

Am 3. Mai leitete <strong>Webern</strong> das BBC-Orchester in Bruckners monumentaler<br />

Siebenter Symphonie. Er konnte nicht ahnen, daß es das letzte Mal sein sollte, daß er<br />

am Pult dieses großartigen Orchesters stand, das ihm im Verlauf der Jahre so viel<br />

Genugtuung bereitet hatte. Bedenkt man, daß er in London die Sprachbarriere<br />

ebenso zu überwinden hatte wie in Barcelona, erscheint sein Debakel mit den<br />

spanischen Musikern um so unerklärlicher.<br />

Die Episode <strong>von</strong> Barcelona sollte noch ein unerquickliches Nachspiel in Wien<br />

haben. Ernst Krenek, als österreichischer IGNM-Delegierter, wurde ersucht, einen<br />

offiziellen Bericht über die peinliche Affäre zu machen. Später erinnerte er sich: „Es<br />

gab mehrere Sitzungen des Vorstandes, die sich mit dieser Angelegenheit befaßten,<br />

bis ein Kompromiß gefunden wurde. <strong>Webern</strong>s Behauptung, sein Verhalten<br />

resultierte aus dem Umstand, daß die Katalanier ihm nicht die in Aussicht gestellte<br />

Probenzeit zugestanden hätten, wurde zu Protokoll genommen, obwohl die<br />

erwiesenen Tatsachen dem widersprachen.“1'5Mark Brunswick zufolge war dieses<br />

Ausschußverfahren für <strong>Webern</strong> außerordentlich schmerzlich. Das ganze Geschehen<br />

hinterließ bei ihm zunächst ein Gefühl <strong>von</strong> Niederlage und Erniedrigung, so sehr er<br />

415


auch versuchte, es zu verdrängen. Doch war die für ihn charakteristische Reaktion<br />

angesichts <strong>von</strong> Widerwärtigkeiten, nicht bei ihnen zu verweilen. E r vermied es<br />

geflissentlich, derartige Rückschläge in seiner Korrespondenz oder in seinen<br />

Tagebuchnotizen zu erwähnen. Sein natürlicher Optimismus half ihm offensichtlich,<br />

emotionelle Schocks mit stoischer Gelassenheit zu verarbeiten, so daß ihm stets die<br />

Hoffnung auf ein besseres Morgen verblieb.<br />

416


27. <strong>Webern</strong>, dei 1>irigenl —Sehönberg<br />

in Los Angeles —Vor dem Anschluß<br />

Obwohl <strong>Webern</strong> erst 52 Jahre alt war und sich zur Zeit seines Engagements in<br />

London im Jahre 1936 im Vollbesitz seiner Kräfte befand, wurde dieser Auftritt<br />

zum Ende seiner Dirigentenkarriere. Es mag an diesem Punkt der Darstellung<br />

seines Lebens als gegebener Anlaß erscheinen, einige <strong>von</strong> denen, die ihn über die<br />

Jahre hinweg am Pult erlebt hatten, mit ihren Erinnerungen zu Wort kommen zu<br />

lassen.<br />

„Ohne Übertreibung: <strong>Webern</strong> ist der größte Dirigent seit Mahler in jeder<br />

Hinsicht“ , hatte Alban Berg schon arn 28. Mai 1922 an seine Frau geschrieben,<br />

nachdem er einer Aufführung <strong>von</strong> Mahlers Dritter Symphonie beigewohnt hatte.<br />

Zwei Tage später, nach der Wiederholung der Aufführung, bestätigte er sein Urteil:<br />

„Ich saß mit .Schönberg. Er hat es nicht für möglich gehalten. <strong>Webern</strong>s Leistung ist<br />

eine derartige, daß sie nur mit der Mahlers selbst verglichen werden kann.“ Von den<br />

drei Freunden war <strong>Webern</strong> der einzige, der sich als Dirigent einen Namen machte.<br />

Berg versuchte es nie, und Schönberg trat nur gelegentlich auf und dann meistens bei<br />

Aufführungen eigener Werke. Nach einer <strong>von</strong> ihnen, der Londoner Einstudierung<br />

<strong>von</strong> Erwartung, erkannte Schönberg <strong>Webern</strong>s Meisterschaft ausdrücklich an, als er<br />

ihm am 22. Januar 1931 schrieb: „Ich habe noch nie so gut mit einem Orchester<br />

gearbeitet, noch nie so gut probiert, so gut gehört, so gut geschlagen, wie diesmal.<br />

Allerdings war ich (nicht unbeeinflußt durch Deine Strafpredigt) diesmal wesentlich<br />

besser vorbereitet.‘1<br />

Bergs enthusiastische Beurteilung <strong>von</strong> '<strong>Webern</strong>s Befähigung wurde <strong>von</strong> vielen<br />

geteilt. In einem am 2. August 1930 im Christian Science Monitor erschienenen<br />

Artikel stellte Erwin Stein fest: „Wir hatten soeben eine Gelegenheit, den alten und<br />

den neuen Interpretationsstil zu vergleichen, als Toscanini und <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> in<br />

höchstem Maße aufschlußreiche Aufführungen <strong>von</strong> Beethovens ,Eroica‘ dirigierten.<br />

Toscaninis Deutung verkörperte den alten Stil der Interpretation: Die Wechsel des<br />

,tempo‘ waren diktiert <strong>von</strong> einem wundervollen Formgefühl: Pathos und Ausdruck<br />

steigerten sich nie zum Exzess, ganz im Gegenteil, sie waren bedingt <strong>von</strong> äußerster<br />

Subtilität und Noblesse. Auf einer so hohen Ebene der Interpretation kann uns auch<br />

der alte Stil noch immer Vergnügen bereiten. <strong>Webern</strong>s Deutung war technisch<br />

weniger perfekt. Sie litt unter zu knapper Probenzeit. Und doch fand ich sie auf<br />

unmittelbarere Weise eindringlich. Er teilte jedem Satz ein ,tempo‘ zu und hielt es<br />

ohne Einbuße irgendwelcher Kontraste. Das erste ,allegro6war voller Heftigkeit,<br />

und seine lyrischen Elemente kamen wie selbstverständlich zur Geltung, ohne etwas<br />

<strong>von</strong> ihrem Charakter zu verlieren. Dieselbe Einheitlichkeit herrschte auch in den<br />

anderen Sätzen: das ,Marcia Funebre1 war fließender, weniger pathetisch als<br />

417


gewöhnlich und deshalb nicht weniger bewegend. Wundervoll waren die Variationen<br />

des Finales, die wirklich ,allegro, sempre l’istesso tempo‘ mit eindrucksvollem<br />

Ungestüm genommen wurden.“<br />

Eduard Steuermann, dessen lange Zusammenarbeit mit <strong>Webern</strong> auch häufig zu<br />

Aufführungen klassischer Meisterwerke unter <strong>Webern</strong>s Leitung führte, sagte:<br />

„Nach meiner Ansicht dirigierte er Bach am besten. Er verband eine Projektion der<br />

motivischen Struktur, die die Musik mit innerem Leben vibrieren ließ, mit einem<br />

Gespür für die große Linie, stets gestützt auf einfache und klare Dynamik. Er hat<br />

meine Bach-Auffassung stark beeinflußt.“ Steuermann, der bei den Uraufführungen<br />

<strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Quartett op. 22 und dem Konzert op. 24 mitwirkte, erinnerte sich:<br />

„Als der erste Satz [<strong>von</strong> Opus 24] vollendet war, spielte er mir einige Stellen aus ihm<br />

vor. . . Er spielte so frei, daß ich die Noten kaum mitverfolgen konnte, aber es war<br />

überwältigend. Doch wenn er dirigierte, war er nicht so frei; ich nehme an, man kann<br />

es nicht sein, oder er zumindest konnte es nicht.“1Steuermann äußerte sich auch zu<br />

der enormen Sensibilität <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Hörvermögen: „Es war so hochentwickelt,<br />

daß nur jemand mit einem ähnlich guten Gehör alles das wahrnehmen konnte, was<br />

er hörte.“2<br />

Felix Greissle, Schönbergs Schwiegersohn, schätzte <strong>Webern</strong> als einen der besten<br />

Dirigenten, denen er jemals begegnet war. Nach seiner Meinung waren „seine<br />

Mahler-Interpretationen Spitzenklasse“,3 und Paul Stefan schrieb nach einer<br />

Aufführung <strong>von</strong> Mahlers Sechster Symphonie in der Badischen Landeszeitung<br />

(25. Dezember 1930): „<strong>Webern</strong> als Dirigent ist ein Fall für sich. Ein Musiker <strong>von</strong><br />

höchster Reinheit des Wollens, <strong>von</strong> einer Erlebnis- und Gestaltungskraft sondergleichen,<br />

gilt er dennoch, vielleicht eben wegen seiner ekstatischen Art, als ein<br />

Mann, der sich in einen Betrieb nicht einfügen könnte. Aber so oft man ihn am Pult<br />

begrüßt, gelingt ihm eine Wiedergabe <strong>von</strong> solcher Schönheit, daß man sich<br />

vergebens fragt, warum dergleichen Ausnahme bleiben muß. jedenfalls war diesmal<br />

das Finale dieser Sechsten ein. aufwühlendes Erlebnis, das sich tief ins Gedächtnis<br />

eingekerbt hat.“<br />

<strong>Josef</strong> Polnauer, der regelmäßig <strong>Webern</strong>s Proben und Konzerte besuchte, kam zu<br />

der folgenden Beurteilung: „Der Dirigent <strong>Webern</strong> war kein ,Star‘ und auch kein<br />

Pultvirtuose; alle derartigen Allüren waren ihm aufs äußerste verhaßt. Nichtsdestoweniger<br />

vermochte seine geistige Intensität und Überzeugungskraft mit dem<br />

allgemein üblichen Minimum an Proben Höchstleistungen inspirierter Wiedergabe<br />

zu erreichen, wie sie eben nur einem Produktiven möglich sind, dem sich letzte<br />

Einsichten und Erkenntnisse erschließen. <strong>Webern</strong> bereitete sich stets auf das<br />

sorgfältigste vor in minutiösem, aber auch zeitraubendem Studium des Textes und<br />

der Struktur jedes einzelnen Werkes.“4<br />

Die Sängerin Ruzena Herlinger, die wiederholt als Solistin unter <strong>Webern</strong> auftrat,<br />

beschrieb in ihren Erinnerungen seine Mahler-Interpretationen: „Wenn <strong>Webern</strong><br />

dirigierte, ging <strong>von</strong> ihm eine derart überwältigende Kraft aus, daß es schien, als ob er<br />

Strahlen aussandte. Sogar diejenigen Orchestermusiker, die bei der Probe noch<br />

skeptisch waren, gaben nach der Aufführung zu: ,So haben wir eine Zweite <strong>von</strong><br />

Mahler noch nie gespielt, nicht einmal unter Bruno Walter.1“<br />

418


Alle Berichte stimmen darin überein, daß <strong>Webern</strong>s Habitus als Dirigent nicht in<br />

das Bild vom typischen Maestro paßte. „Seine Gestik hatte“, Mme. Herlinger<br />

zufolge, „nichts Klassisches an sich. Beim Dirigieren war sein ganzer Körper in<br />

Bewegung.“ Ein anderer Beobachter, Hans W. Heinsheimer, schrieb: „<strong>Anton</strong><br />

<strong>Webern</strong>, der als ernsthafter, doch mit Achselzucken tolerierter Sonderling galt,<br />

durfte als Dirigent der Arbeiterkonzerte gerade noch seinen Lebensunterhalt<br />

verdienen. Wir kamen immer, sie zu hören und ihrem dürren, bebrillten Dirigenten<br />

zu huldigen, dessen gebückte, leicht tollpatschige professorale Bewegungen, das<br />

Gesicht tief in der Partitur vergraben, nur den einen Zweck verfolgten: der Musik zu<br />

dienen. Meine lebhafteste Erinnerung an diesen einzigartigen Mann ist eine<br />

Aufführung <strong>von</strong> Mahlers Achter Symphonie. Als die Zuhörer stehend applaudierten,<br />

hielt er, nicht ohne Mühe, die riesige, schwere Partitur über sein Haupt. Das<br />

Werk, nicht der Dirigent, sollte Beifall erhalten. Ich habe oft an diese Geste stolzer<br />

Bescheidenheit gedacht, der ich niemals wiederbegegnet bin.“5<br />

Die verschiedenen Berichte stimmen in der Beschreibung der Intensität <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>s Art zu dirigieren überein. „Was ihm an Routine fehlte, kompensierte er<br />

durch große Musikalität und leidenschaftlichen Enthusiasmus“, schrieb Kurt<br />

Manschinger in seinen Erinnerungen. „Seine Konzerte waren stets bis zum letzten<br />

ausgefeilt und hatten eine elektrifizierende Wirkung. Der bedeutende Musikkritiker<br />

Emst Decsey nannte ihn ,den erlesensten Könner mit der geringsten Routine“. Er<br />

erschien auf den Proben immer gut vorbereitet, musikalisch wie auch technisch. Als<br />

er einmal Mahlers Dritte Symphonie probte, fehlte der erste Posaunist, und <strong>Webern</strong><br />

sang die ganze Stimme während der Probe. Seine Stimme kam zwar niemals dem<br />

Volumen einer Posaune nahe, aber irgendwie klang es vollständig und überzeugend<br />

und man wurde einer herrlichen Posaunenstimme gewahr, die man vorher niemals<br />

beachtet hatte. Vor jedem näherkommenden Konzert war Wehem ein Bündel <strong>von</strong><br />

Nerven, und wenn es vorbei war, fühlte er sich völlig erschöpft. Er dirigierte mit<br />

solchem Furor, daß sein Hemd bald durchnäßt war. Seine Frau hatte im<br />

Künstlerzimmer immer ein frisches bereit, damit er sich in der Pause umziehen<br />

konnte, bevor es weiterging . . . Obgleich <strong>Webern</strong> die Musik, die er aufführte, vorund<br />

rückwärts kannte, dirigierte er niemals ohne Partitur. Er meinte, man müsse das<br />

Notenbild immer grafisch vor Augen haben, selbst wenn man auswendig dirigieren<br />

könnte.“<br />

Mehrere Musiker, die unter <strong>Webern</strong> spielten, haben zusätzliche Nahaufnahraen<br />

beigesteuert. Unter ihnen befindet sich der Geiger Felix Galimir: „Es war<br />

erstaunlich, wie ein Mann, der sich um die kleinsten Einzelheiten kümmerte,<br />

niemals die große Linie eines Werkes aus den Augen verlor. Er war nicht der<br />

routinierte, erfahrene Dirigent, der in kürzester Zeit optimale Resultate mit einem<br />

Orchester erzielen konnte. Im Gegenteil, er brauchte Zeit zum Erklären, vor allem<br />

aber um die Musiker an seine Art des Probens zu gewöhnen. Wenn, er spürte, daß sie<br />

ihn verstanden, konnte er Großes vollbringen. Wenn nicht, dann war er völlig<br />

hilflos.“ <strong>Webern</strong> hatte mit Galimir mehrere Aufführungen eigener Werke erarbeitet:<br />

„Wir studierten mit <strong>Webern</strong> seine Fünf Sätze, die Sechs Bagatellen, die Vier<br />

Stücke für Geige, das Konzert und seine Symphonie. Ich erinnere mich noch an<br />

419


unseren ersten Schock, der fast dazu führte, die spärlichen Noten in jeder<br />

Komposition zu belächeln. Nachdem wir aber mit ihm eine Zeitlang gearbeitet<br />

hatten, traten die Proportionen derart perfekt in Erscheinung, daß <strong>von</strong> Länge oder<br />

Kürze nicht mehr die Rede war. Natürlich war jedes Detail <strong>von</strong> der größten<br />

Bedeutung. Und wie ausdrucksvoll erschien jede kleinste Phrase, wenn er sie<br />

sang!“6 Der Bratscher Marcel Dick berichtete ähnliches: „Sein Fanatismus bei der<br />

Suche und dem Drang nach Perfektion zu jeder Sekunde einer Probe, seine<br />

Weigerung irgend etwas zu akzeptieren, dem auch nur der geringste Makel<br />

anhaftete (vernehmbar nur für jemanden mit seinem so unglaublich sensitiven<br />

Gehör), die innere Erregung bei Aufführungen <strong>von</strong> Meisterwerken, mögen es seine<br />

eigenen oder die anderer Komponisten gewesen sein, all das waren Eindrücke, die<br />

man fürs Leben nicht vergißt.“7<br />

Ein anderer Instrumentalist, der Klarinettist Eric Simon, fand <strong>Webern</strong> „einen<br />

merkwürdigen Dirigenten. Es bedarf keiner Erwähnung, daß er ein überragender<br />

Musiker war. Er kannte jede Note seiner Partituren. Und dennoch blickte er niemals<br />

<strong>von</strong> ihnen auf und war äußerst nervös. . . Manchmal hatte er große Schwierigkeiten,<br />

seine Wünsche klar zu formulieren, doch seine Aufführungen waren bemerkenswert<br />

für ihre Eigenart, ihre Konsequenz und ihre Musikalität.“8 Simon wie auch<br />

die Geiger Kurt Frederick (Fuchsgelb) und Samuel Flor bestätigen, daß <strong>Webern</strong> oft<br />

unverhältnismäßig viel Probenzeit auf bestimmte Passagen eines Werkes verwandte,<br />

wenn er sich in der Rolle eines Pädagogen gefiel. Die Angewohnheit führte<br />

dazu, mildes Lächeln bei gewissen Musikern hervorzurufen, für die die Wiedergabe<br />

eines Standardwerkes nichts als Routine bedeutete und die für <strong>Webern</strong>s Perfektionsfanatismus<br />

keine Geduld auf brachten. <strong>Webern</strong>s ständige Klage, daß Dirigenten<br />

nicht hinreichend Gelegenheit zur Vorbereitung gegeben würde, war in<br />

Wirklichkeit eine Folge seiner sorgfältig methodischen und deshalb langsamen<br />

Arbeitsweise, die nicht selten eine Fehldisposition bei der Aufteilung der<br />

vorhandenen Probenzeit nach sich zog. Ernst .Krenek hat diese Tatsache bestätigt:<br />

„Als Interpret war <strong>Webern</strong> ein rigoroser Perfektionist - eine Einstellung, die für alle<br />

Schönberg-Schüler charakteristisch ist. . . Die Anforderungen, die <strong>Webern</strong> an sich<br />

und seine Musiker stellte, waren so streng, daß des öfteren der Sinn solcher<br />

Anstrengungen, nämlich die Darstellung der Musik, infrage gestellt war.“9<br />

Andererseits hat Krenek auch eingeräumt, daß <strong>Webern</strong>, wenn er eine Symphonie<br />

<strong>von</strong> Haydn dirigierte, sie so zum Klingen brachte, daß man vermeinte, sie zum ersten<br />

Male verstanden zu haben.<br />

<strong>Webern</strong> war sich der kritischen Haltung, mit der Berufsmusiker Dirigenten<br />

gegenüberstehen, durchaus bewußt, und wenn immer er mit einem Orchester eine<br />

besonders befriedigende Übereinstimmung erzielte, vermerkte er dies in seinem<br />

Tagebuch. Er kannte derartige Überlegungen nicht, wenn er vor seinem Laienchor<br />

stand; denn dann brauchte er sich um keinerlei Maßstäbe zu sorgen, es sei denn seine<br />

eigenen. <strong>Josef</strong> Polnauer zufolge wurde „jede Probe zu einem erhebenden Erlebnis.<br />

<strong>Webern</strong> verausgabte sich jedesmal bis zum letzten; er war immer in Hochspannung,<br />

ermunternd, inspirierend. Aber er stellte auch unerbittliche Anforderungen. Er ließ<br />

nicht die geringste Ungenauigkeit oder Unzulänglichkeit durchgehen. Dabei war<br />

420


seine Geduld unerschöpflich, immer wieder bot er die freundlichsten Überredungskünste<br />

auf, um eine Leistungssteigerung zu erzielen. Niemals fiel ein hartes Wort,<br />

geschweige denn ein verletzendes.“ 10<br />

Für Hans Humpelstetter, ein Mitglied des Singvereins, war <strong>Webern</strong> „ein <strong>von</strong><br />

seiner Aufgabe Besessener“ . In Humpelstetters Erinnerungen finden sich zahlreiche<br />

Anekdoten aus den Zeiten des Singvereins. Diese Geschichten illustrieren nicht<br />

nur <strong>Webern</strong>s Hingabe an die zu bewältigende Aufgabe sondern auch seine<br />

dynamischen Führungsqualitäten, die den aus Männern der Arbeiterklasse bestehenden<br />

Chor vom kulturellen Niveau ihrer Herkunft und ihrer Erziehung bis zu den<br />

höchsten Sphären der Kunst emporzuheben vermochten. Während er den Gesichtskreis<br />

seiner Sänger erweiterte, vermittelte er ihnen das Wesentliche seiner eigenen<br />

Überzeugungen. Bei den Proben zum Gesang der Parzen <strong>von</strong> Brahms sagte er zu<br />

ihnen: „Es ist noch keine modernere, sagen wir besser, ,zukünftigere1 Musik<br />

geschrieben worden.“ Als er seine Anweisungen für den Schlußchor der Zweiten<br />

Symphonie <strong>von</strong> Mahler, „Auferstehn, ja auferstehn. . gab, wollte er vermeiden,<br />

daß er nach Art eines langsam dahinschreitenden Trauermarsches wiedergegeben<br />

würde: „In dieser Musik ist keine Spur <strong>von</strong> Trauer. Nein, im Gegenteil: sie ist leicht,<br />

heiter, freudig.“ Ein andermal meinte er zu derselben Chorstelle: „Sie müssen das<br />

singen wie ein Volkslied, denn ein Volkslied ist nie sentimental.“<br />

Humpelstetter wußte noch viele andere derartige Begebenheiten, manche ernst,<br />

manche heiter, wobei er <strong>Webern</strong> in seinem ausgeprägten Wiener Dialekt zitierte.<br />

Die lebendigen Erinnerungen schließen mit einem prophetischen Ausspruch, den<br />

<strong>Webern</strong> in Vorausahnung einer düsteren Zukunft gegen das Ende des Bestehens des<br />

Singvereins machte: „Unsere Aufgabe ist, weiterzutragen, was absolut über allen<br />

Dingen stehen muß —das Geistige. Wenn alles zusammenbricht, werden wir hingehn<br />

und ,Friede auf Erden1<strong>von</strong> Schönberg singen“ .11<br />

Ein anderes Mitglied des Singvereins, Hans Csap, beschrieb in späteren Jahren die<br />

Leistungen seines Leiters: „<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> verstand es mit wahrer Meisterschaft<br />

und liebevollem Einfühlungsvermögen, uns Arbeiter auch einen Schönberg<br />

näherzubringen. Das Wichtigste für uns Arbeitersänger war, daß wir durch diese<br />

Musik erst richtig hören gelernt haben, und das war das große Verdienst <strong>Anton</strong><br />

<strong>Webern</strong>s. Wahrhaftig ein weiter und steiler Weg!“ 12<br />

So bescheiden <strong>Webern</strong> dem Genius eines großen Komponisten begegnete, so<br />

stolz war er sich seiner eigenen Befähigung als Interpret bewußt. Das belegt eine <strong>von</strong><br />

Mark Brunswick erzählte Anekdote, der <strong>Webern</strong> einmal zu einem Konzert<br />

mitnahm, bei dem Toscanini die Wiener Philharmoniker dirigierte. Nachdem die<br />

Dritte Symphonie <strong>von</strong> Brahms verklungen war, fragte Brunswick <strong>Webern</strong>, wie ihm<br />

die Wiedergabe gefallen habe. Die Antwort war: „Eigentlich wie ich es mache.“13<br />

<strong>Webern</strong>s Selbstverständnis ließ ihn kritisch, ja sogar geringschätzig gewissen<br />

Maestri gegenüber werden, deren Pultmanieren er mehr als egoistische Zurschaustellung<br />

denn als einer wahren Interpretation dienlich beurteilte. In einem Brief an<br />

Zenk vom 17. Dezember 1927 gab er ihm für seine Tätigkeit als Theaterdirigent in<br />

Meißen den Rat: „Nur weiter so: reine Sachlichkeit muß sich schließlich<br />

durchsetzen. Es ist furchtbar u. abscheuerregend, wie weitgehend bei fast allen<br />

421


Dirigenten <strong>von</strong> Heute u. namentlich solchen <strong>von</strong> Rang (ja, deswegen sind die ja<br />

hinaufgekommen) nur die Pose, der Schein gebietet und nicht die Sachlichkeit.<br />

Schaun Sie sich nur einmal den Ober-Generalmusikdirektor in Ihrer Nachbarstadt<br />

(Dresden) an!14 Sie werden Ihre Wunder erleben.“<br />

In Fragen des musikalischen Geschmacks lehnte sich <strong>Webern</strong> weitgehend an die<br />

deutsche Tradition an und verhielt sich der Musik anderer nationaler Schulen<br />

gegenüber durchaus kritisch. Arnold Eiston erinnerte sich, daß <strong>Webern</strong>, als er<br />

Toscanini Debussys symphonische Dichtung La Mer dirigieren hörte, meinte:<br />

„Alles klingt wie Einleitung.“ Eiston erzählte auch: ,,1934 oder 1935 lud die<br />

Französische Botschaft in Wien <strong>Webern</strong> ein, ein Konzert zeitgenössischer französischer<br />

Musik zu dirigieren, dessen Programm Roussels Dritte Symphonie enthielt.<br />

Obwohl ihm das Engagement dringend benötigte Geldmittel eingebracht hätte,<br />

lehnte er ab mit der Begründung, Roussels Werk se i,elend1. Für <strong>Webern</strong> war die<br />

ganze neoklassische Richtung ein Rückschritt und eine Verstümmelung der großen<br />

klassischen Tradition.“<br />

<strong>Webern</strong> kannte zwar die Musik <strong>von</strong> Bela Bartök gut, es fehlte ihm aber<br />

anscheinend der Zugang zu ihr. Eiston berichtete, daß <strong>Webern</strong> „beim Anhören <strong>von</strong><br />

Bartöks Quartett Nr. 4 bemerkte: ,Es ist mir zu kakophon.“ Offensichtlich war<br />

<strong>Webern</strong>s Sensibilität des Hörens so beschaffen, daß er die komplexesten dissonanten<br />

Akkorde mochte, aber die Bartök’schen Clusters aus kleinen Sekunden als<br />

quälend für das Ohr empfand.“ Dagegen gefiel ihm anscheinend Leos Janäceks<br />

Musik. „In Anbetracht der völligen Verschiedenheit ihrer Stile und ihrer Ästhetik“,<br />

meinte Eiston, „ist es erstaunlich, daß <strong>Webern</strong> sich stets voller Anerkennung über<br />

Janäcek geäußert hat. Es kann sein, daß er den Komponisten persönlich gekannt<br />

hat, was auf sein Urteil abgefärbt haben mag. Vielleicht war es jene gewisse<br />

Grobschlächtigkeit, der Erfindungsreichtum seiner Tongebung und jene ungekünstelte<br />

Originalität, die dem tschechischen Komponisten eigen waren und die<br />

Gegensätzlichkeiten ausmachten, die einander anziehen.“ Bach, Beethoven,<br />

Mozart, Schubert, Brahms, Bruckner, Mahler und Schönberg waren Weherns Idole.<br />

A m meisten liebte er die Musik Gustav Mahlers. Bei einer Probe zu Mahlers<br />

Sechster Symphonie, so erzählte Eiston, ließ er das Orchester einen gewissen<br />

Akkord für eine endlos erscheinende Zeit aushalten, wofür er sich bei den Musikern<br />

entschuldigte: „Ich muß einfach in diesem Klang eine Weile schwelgen. Wer weiß,<br />

ob ich das Werk jemals wieder hören werde!“ 15<br />

Anfang der 20er Jahre hielt <strong>Webern</strong> einen Dirigentenkurs in der Schwarzwald-<br />

Schule ab. Die Klasse setzte sich hauptsächlich aus emporstrebenden jungen<br />

Musikern aus Schönbergs Kompositionsseminar zusammen. Unter den Teilnehmern<br />

war eine Reihe <strong>von</strong> Leuten, die sich später einen Namen machten, wie Frederic<br />

Dorian (Friedrich Deutsch), Fritz Mahler, Karl Rankl und Hans Swarowsky. Dorian<br />

beschrieb später den Unterricht: Das Studienprogramm umfaßte sowohl das Opernwie<br />

auch das symphonische Repertoire. Ein Klavier und eine kleine Instrumentalgruppe<br />

ersetzten das Orchester. Zur Veranschaulichung <strong>von</strong> Passagen aus Opern<br />

spielte und sang <strong>Webern</strong> zur gleichen Zeit. „Er war kein Klaviervirtuose“ , schrieb<br />

Dorian, „aber er spielte sicher und frei, und er sang alle Partien mit leidenschaftli-<br />

422


ehern Erleben, ohne je zu ,markieren“. . . Das Taktschlagen als solches unterrichtete<br />

er ,wie das Schwimmen1, und er kommandierte fröhlich ,gleich hineinspringen<br />

ins Wasser und sich fortbewegen!“ “Das nuancierte Ausgestalten der Technik des<br />

Dirigierens konnte nach seiner Ansicht warten. „,Das Pinseln“, sagte <strong>Webern</strong><br />

abschätzig, ,ist das Geringste, und jeder Esel kann das lernen.1Wer seine zarte oder<br />

auch ekstatisch fordernde Zeichengebung gesehen hat, weiß, wie grundverschieden<br />

sie war <strong>von</strong> der choreographischen Manier der Pultvirtuosen, die <strong>Webern</strong> auch gern<br />

als ,Tänzer“apostrophierte.“ Dorian zufolge war der Taktstock obligatorisch, auch<br />

beim Studium. „Die heute so moderne Art des Auswendigdirigierens ohne Pult<br />

bewertete er als zweckloses Wagnis; er entlarvte es als Pose des Dirigiervirtuosen,“<br />

16<br />

Beethoven stand im Mittelpunkt des Dirigentenkurses, der mit der Ersten<br />

Symphonie begann und im Fidelio gipfelte. Am 16. Dezember, dem Geburtstag des<br />

Meisters, meinte <strong>Webern</strong> nachdenklich: „Beethovens Geburtstag müßte <strong>von</strong> der<br />

ganzen Menschheit als höchster Feiertag gehalten werden! ““Dazu bemerkte Dorian:<br />

„Solche Ausblicke auf allgemeine und tief hurnane Zusammenhänge waren typisch<br />

für <strong>Webern</strong>s Umgang. Er bevorzugte Gleichnis und Metapher. Er entdeckte immer<br />

neue Wechselbeziehungen zwischen Musik und Humanität. Der Rahmen jeder<br />

einzelnen musikalischen Disziplin wurde so weit als möglich gehalten. So avancierte<br />

der Dirigierkurs zu einer Interpretationskunde im weitesten Sinn; erste und letzte<br />

Kunstbegriffe kamen hier immer wieder zur Sprache. Jede Problemlösung war<br />

getragen <strong>von</strong> einem Ethos der Kunstauffassung, die io Beethovens Humanitätsideal<br />

ihre tiefsten Wurzeln hatte.“<br />

Neben Beethoven liebte <strong>Webern</strong> Mozart, dessen Musik seiner eigenen Sensibilität<br />

und seinem Temperament eng verwandt war. Er begeisterte sich an jeder<br />

Manifestation dieses größten aller Genies, an der perfekten Ausgewogenheit, die<br />

Mozart zwischen dem Rokokostil erzielte und so dramatischen Elementen wie dem<br />

revolutionären Geist in Figaros Hochzeit oder den dämonischen Aspekten des Don<br />

Giovanni. Fritz Mahler erinnerte sich später, wie <strong>Webern</strong> die „sinnliche“ Qualität in<br />

Mozarts Musik besonders hervorhob, die er in der Gestalt reinster Schönheit im<br />

Ausdrucksbereich menschlicher Emotionen verkörpert sah.17 Als Samuel Flor, ein<br />

Orchestermusiker, der oft unter <strong>Webern</strong> spielte, ihn einmal fragte, wen er für den<br />

besten aller Mozart-Dirigenten hielt, war die Antwort: „Der, der am herzlichsten<br />

lachen kann!“ 18<br />

Das Ende <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Dirigententätigkeit, das die Februarrevolution <strong>von</strong> 1934<br />

herbeigeführt hatte, verschärfte ganz erheblich seine materiellen Schwierigkeiten.<br />

So war er einigermaßen erleichtert, als Amalies Heirat mit Gunter Waller ihn der<br />

finanziellen Belastungen enthob, die mit ihrer chronischen Krankheit verbunden<br />

waren. Mehr noch, zwei der anderen Kinder, Maria und Peter, fanden eine<br />

Anstellung in Wallers Betrieb.<br />

In jenem ersten Jahr ihrer Ehe überraschte Amalie ihren Vater zu Weihnachten<br />

mit einem braun- und weißkarierten Schal <strong>von</strong> C. & H. ITabig, Wiens exklusivstem<br />

Modewarengeschäft. Sie erinnerte sich des kindlichen Entzückens, das das<br />

423


Geschenk hervorrief, denn ihr Vater hätte niemals daran gedacht, einen so<br />

bescheidenen Gegenstand in diesem vornehmen Geschäft zu kaufen. <strong>Webern</strong> hing<br />

an dem aus feinster englischer Wolle verfertigten Schal bis an sein Lebensende, und<br />

man kann ihn auf zahlreichen Photographien an ihrn sehen. Im Verlauf der Zeit<br />

besserten Wilhelmines geschickte Hände jede durchgescheuerte Stelle aus.19<br />

<strong>Webern</strong>, der überhaupt nicht verwöhnt war, konnte über jede Neuerwerbung in<br />

überschwengliche Freude ausbrechen. „Ich werde meinen neuen Touren-Anzug<br />

einweihn. Bin neugierig was Du zu ihm sagst!“ schrieb er Zenk am 1. Juli 1936, als er<br />

ihn aufforderte, das Ziel für einen geplanten Sonntagsausflug zu bestimmen. „Nur<br />

recht zeitlicher Aufbruch!“ , drängte er. „Im Morgengrauen womöglich. Und bei<br />

jedem Wetter! Bei jedem Wetter!!!“ Die Widerwärtigkeiten des Erlebnisses in<br />

Barcelona und sein W iener Nachspiel hatten W ebern mit dem Bedürfnis erfüllt, die<br />

heilende Nähe der Natur zu suchen. Wenn es ihm die Umstände nicht erlaubten, ins<br />

Hochgebirge zu fahren, liebte er es, stundenlang über die Hügel des Wienerwaldes<br />

mit ihren vielen Aussichtspunkten und versteckten Wiesen zu streifen.<br />

In diesem Sommer 1936 gönnte sich <strong>Webern</strong>, ungeachtet seiner knappen<br />

Geldmittel, vierzehn Tage Ferien. Am Sonntag, dem 25. Juli, fuhr er mit seiner Frau<br />

und der jüngsten Tochter Christine nach U ttendorf, einer Ortschaft im Pinzgau, dem<br />

weiten Tal in den Hohen Tauern. Nicht weit entfernt liegt Mittersill (wo <strong>Webern</strong><br />

später sein tragisches Schicksal ereilen sollte), und die Familie begab sich auf ihren<br />

Spaziergängen oft dorthin. Am Tag ihrer Abreise nach Uttendorf hatte <strong>Webern</strong> an<br />

Hueber geschrieben, er hoffe eine Bleibe zu finden, „billig, bäuerlich und einsam“ .<br />

Seine Erwartungen, gingen in Erfüllung, denn am 31. Juli berichtete er Zenk: „Ich<br />

möchte sagen, ich kann mir einen für mich geeigneteren Platz gar nicht denken. Die<br />

weite, weite Sicht talauf u. abwärts, die noch mit Schnee bedeckten Berge des<br />

Stubachtales, die ungeheuren Waldflächen der Vorberge u. diese lieben Örtlichkeiten:<br />

diese uralten Bauernhöfe, Heuhütten u.s.i. Es ist überaus prächtig, über alles<br />

Erwarten. Aufgehoben sind wir einfach ideal. Verpflegung unglaublich reichlich u,<br />

wie gut! Wir sind tatsächlich ganz allein u. die W irtsleute sorgen in rührenderW eise<br />

für uns. Heute nacht hat es bis tief herunter geschneit. .Zum Frühstück hatten wir<br />

eine geheizte Stube - im Juli! so habe ich mir es ja gewünscht!“<br />

Das Wetter war wechselhaft, und der Plan einer Gletschertour auf den Venediger<br />

mußte aufgegeben werden. Erst gegen das Ende der Ferien, am 5. August, konnte<br />

<strong>Webern</strong> einen Ausflug in die Berge unternehmen. Zusammen mit R. Maier, dem<br />

Gastwirt, bestieg er den nahen Brustkogel (2302 m). Er genoß dieses Erlebnis bis<br />

zur letzten Fiber seines lehs, wie seine Beschreibung an Zenk eine Woche später<br />

erkennen läßt: „ . . . ein steiler Grasberg, auf allen. Vieren mußte man des öfteren<br />

kriechen: aber zwischen Edelweiß und Kohlröschen! und oben! Das ganze<br />

ungeheure Gletscher-Knäuel des Glöckner unmittelbar davor! Der schönste<br />

Ausblick, den ich je im Gebirge hatte. Da war ein ungeheurer messerscharfer Grat<br />

sichtbar, schneeweiß. Unglaublich. . . Ja, wenn man auf einen Berg geht, den<br />

niemand kennt, dann kommt immer das allerschönste.“ Am 9. August kehrte<br />

<strong>Webern</strong> nach Hause zurück, körperlich und geistig erholt. Auf eine Ansichtskarte<br />

vom Bichlwirt, die er unter den Andenken an diesen Sommer aufbewahrte, schrieb<br />

424


er sehnsuchtsvoll: „Anwesen u. Familie M aier sehr lieb gewonnen. Wunsch: wieder<br />

hin zu kommen.“<br />

Wenig später traf ein Brief <strong>von</strong> Schönberg ein, der erste seit Monaten. „Es ist so<br />

traurig, daß wir so selten Briefe <strong>von</strong> einander haben“, schrieb Schönberg am 27.<br />

August. „Aber ich bin überzeugt, daß auch Du, so wie ich Dir viele Briefe in<br />

Gedanken schreibe, Dich in allen mich interessierenden Angelegenheiten mit mir<br />

unterhältst. A ber leider sind Briefe ein sehr ungenügendes Surrogat. Ich hätte Dich<br />

sehr gerne hier und habe wiederholte Versuche gemacht, Dich für ein paar Konzerte<br />

in der ,Hollywood BowP herzubekommen. Würdest Du das tun wollen, auch wenn<br />

Du nur wenig Überschuß hättest?“ Schönberg legte die finanziellen Möglichkeiten<br />

dar, und schloß: „D er Überschuß wäre also etwa $ 1000. Das ist wenig, aber wir<br />

könnten uns wenigstens wieder einmal ausplaudern und Du könntest unser Gast<br />

sein, solange es Dir gefällt. Ich will auf alle Fälle versuchen, für Dich hier eine<br />

Propaganda zu beginnen - aber ich kann natürlicherweise nicht wissen, ob es nützt,<br />

ich möchte es nur so gerne. Jedenfalls wüßte ich gerne, ob Du so etwas in Betracht<br />

ziehen würdest. Für andere Konzerte ist nicht viel Aussicht. Ich selbst habe in 3<br />

Jahren bloß 5mal dirigiert, da<strong>von</strong> 2 mal hier!. . . Nun laß uns noch hoffen, daß kein<br />

Krieg kommt; es ist ohne diesen häßlich genug in der Welt.“<br />

Die Korrespondenz der Freunde war auf ein paar Briefe im Jahr zurückgegangen.<br />

Im Herbst 1934 war Schönberg nach Kalifornien übersiedelt. Zunächst war er<br />

entzückt <strong>von</strong> dem südlichen Klirna und seiner neuen Umgebung, doch seine<br />

Hoffnungen, auf ein musikalisches Eldorado gestoßen zu sein, waren bald verflogen.<br />

Die herrschenden Vorstellungen und Maßstäbe des gesellschaftlichen und kulturellen<br />

Lebens irritierten ihn, und die Rezepte für den Erfolg mußten jemanden, der<br />

immer nur auf das Diktat seines künstlerischen Gewissens gehört hatte, zutiefst<br />

enttäuschen. Doch nie wankte er in seinem Selbstvertrauen. Kraft seiner unverrückbaren<br />

geistigen Zielsetzung bewältigte er tapfer die Probleme des Aufbaus einer<br />

neuen Existenz, und das in einem Alter, wenn andere Menschen bereits an den<br />

Ruhestand denken. In einem langen, am 15. Januar 1936 datierten Brief hatte<br />

Schönberg <strong>Webern</strong> über die letzten Geschehnisse informiert. In diesem Bericht,<br />

gespickt mit abfälligen Bemerkungen über die musikalische Szene <strong>von</strong> Los Angeles,<br />

erzählte er, daß er im vorangegangenen Herbst an die Fakultät der University of<br />

Southern California berufen worden war, wohin er sich zweimal wöchentlich zu<br />

Vorlesungen begab, daß er aber schon wieder an einen Wechsel denke. Die<br />

University of California in Los Angeles habe ihm eine planmäßige Professur<br />

angeboten, die er nicht ungern annehmen würde. „Die Bezahlung ist allerdings<br />

kläglich“, schrieb er. „Im Kaufwert ist es kaum ein Drittel meines Berliner Gehaltes,<br />

und es ist schwer damit auszukommen, wenn ich nicht etwas nebenverdiene. Auf<br />

Stunden ist nicht zu rechnen . . . Denn der Brotneid wütet hier heftiger als in<br />

Europa, und jeder kleinste Harmonielehrer sieht in mir einen Konkurrenten, den er<br />

gerne los sein würde.“<br />

Im gleichen Brief beschrieb Schönberg den Ärger, den er bei einem Konzert hatte,<br />

in dem er das Los Angeles Philharmonie Orchestra dirigierte. Das Programm<br />

bestand aus eigenen Werken, darunter die Verklärte Nacht und seine neue Suite in


G-Dur für Streichorchester.20 Die Gastverpflichtung war durch die persönliche<br />

Vermittlung des musikalischen Direktors des Orchesters, Otto Klemperer, zustandegekommen<br />

(der in diesem Herbst <strong>Webern</strong>s Symphonie op. 21 in Wien aufführen<br />

sollte).<br />

So sehr Schönberg auch über die seiner Ansicht nach mangelnde Anerkennung,<br />

die ihm in Amerika zuteil wurde, verärgert war, versuchte er dennoch seinen Einfluß<br />

bei der Propagierung <strong>von</strong> W ebern geltend zu machen. Als Hermann Scherchen<br />

Schönberg den Programmentwurf für ein internationales Musikfest vorlegte, schrieb<br />

ihm Schönberg am 16. März 1936: „Das ist ja eine ganz große Sache, und wenn ich<br />

etwas vermisse, so ist es <strong>Webern</strong>. Das täte mir leid, wenn er, der wie sonst ich, immer<br />

beiseite gelassen wird, weiteren Grund zur Verbitterung bekäme. Und er ist doch<br />

eine der originalsten Erscheinungen unseres Musiklebens.“21<br />

Im Herbst 1936 bezog Schönberg ein stattliches Haus in 116 North Rockingham<br />

Avenue, in der Nähe des campus der University of California, Los Angeles. Die<br />

Universität bereitete ihm als Willkommen zu ihrer Fakultät eine einzigartige<br />

Ehrung: Während des Januar 1937 spielte das Kolisch-Quartett, dank der<br />

Großzügigkeit <strong>von</strong> Mrs. Coolidge, eine Reihe <strong>von</strong> vier Konzerten, in denen jeweils<br />

ein Q uartett <strong>von</strong> Beethoven einem <strong>von</strong> Schönberg gegenübergestellt wurde. (Des<br />

letzteren Viertes Streichquartett erlebte seine Uraufführung in dieser Konzertreihe.)<br />

Auch diese Auszeichnung konnte nicht verhindern, daß Schönberg bald<br />

wieder desillusioniert war. Am 30. April schrieb er Adolph Weiss: „Diese, wie ich<br />

sie nenne, Un-Universität ist eine ganz große Enttäuschung für mich. Nichts wurde<br />

gehalten <strong>von</strong> dem, was mir versprochen war. Ich, der ich einer gewissen Anzahl <strong>von</strong><br />

,M eistern4noch manches ihnen unbekannte Geheimnis mitteilen kann, bleibe ein<br />

Musiklehrer für Anfänger. Und obwohl ich ja seit langen daran gewohnt bin, Perlen<br />

(fast immer) vor die Säue zu streuen, ist das doch einigermaßen bedrückend.“<br />

Trotz solcher bitteren Bemerkungen blieb Schönberg an der Universität, die ihm<br />

über das übliche Pensionierungsalter <strong>von</strong> 65 Jahren hinaus gestattete, seine<br />

Tätigkeit bis 1944, als er 70 wurde, weiter auszuüben. Als er dann schließlich seinen<br />

Abschied nehmen mußte, war er außer sich, da er meinte, daß er bei seiner noch<br />

ungebrochenen geistigen und körperlichen Verfassung bürokratischen Zwängen<br />

nicht unterworfen sein sollte. Er nahm diese Beleidigung seines Ansehens dermaßen<br />

übel, daß er seine Frau veranlaßt haben soll, nicht am campus vorbeizukommen,<br />

wenn sie mit dem Wagen eine Spazierfahrt machten. Diese Verärgerung hielt bis zu<br />

seinem Tode an. Wie dein auch sei, das Gebäude, in dem die Musikabteilung der<br />

University of California untergebracht ist, trägt heute seinen Namen: Schoenberg<br />

Hall.<br />

Im Oktober 1936 kam Otto Klemperer zu zwei Konzerten als Gastdirigent nach<br />

Wien, eines mit den Philharmonikern, bei dem er und Krasner Bergs Violinkonzert<br />

vorstellten, und das andere als Veranstaltung der Ortsgruppe der IGNM, deren<br />

Programm auch <strong>Webern</strong>s Symphonie op. 21 beinhaltete. Klemperer war mit<br />

<strong>Webern</strong>s Werk bereits vertraut (er hatte es schon einmal 1931 in Berlin dirigiert),<br />

der Komponist war aber dennoch alles andere als zuversichtlich. Presseberichte<br />

426


waren überwiegend negativ gewesen und, schlimmer noch, die Reaktion seiner<br />

Freunde auf frühere Wiener Aufführungen hatte den Komponisten darin bestärkt,<br />

daß sein Werk nicht richtig verstanden wurde. Am 9. Oktober schrieb <strong>Webern</strong> an<br />

Polnauer: „Je mehr ich mich mit meiner,Symphonie“befasse, umso dringlicher wird<br />

mein Wunsch, es möchten doch wenigstens meine allernächsten Freunde durch die<br />

bevorstehende Aufführung einen entsprechenden Eindruck <strong>von</strong> dein Werk gewinnen<br />

können, d. h. umsomehr verlangt es mich danach, es vor allem Dir und Zenk<br />

möglichst eingehend zu vermitteln. Und so lade ich Dich u. diesen dringendst ein,<br />

Sonntag nachmittag zu mir heraus zu kommen, damit ich Euch die Symphonie<br />

Vorspielen und erklären kann.“ Eine Nachschrift enthält die ominöse Ankündigung:<br />

„Ich habe mir vorgenomrnen, dem Klemperer, so wie es nur geht, alles zu zeigen und<br />

zu sagen.“ <strong>Webern</strong>s Skepsis gegenüber dem hervorragenden Dirigenten läßt sich<br />

nicht nur durch das unstillbare Verlangen, sein Werk völlig verstanden zu wissen,<br />

erklären sondern auch durch den Umstand, daß zwischen den beiden Männern<br />

wenig persönliche Sympathien vorhanden waren.22<br />

Bei den Proben zu seiner Symphonie machte <strong>Webern</strong> einen höchst nervösen<br />

Eindruck. Neben seinem Werk standen Kompositionen <strong>von</strong> Schönberg und<br />

Strawinsky auf dem Programm. Eric Simon, der damals dem Orchester als<br />

Klarinettist angehörte, erzählte diese Episode: „<strong>Webern</strong> war offensichtlich bestürzt<br />

über Klemperers nüchternes Taktschlagen. E r meinte, wenn man nicht unter<br />

physischem und geistigem Druck stehende Anstrengungen mache, könne es nicht<br />

ausbleiben, daß die Aufführung dürftig werde. Während der Pause wandte er sich an<br />

den Konzertmeister und sagte: ,Wissen’s, H err Gutmann, die Phrase da im Takt<br />

soundso müssen’s so spielen: „Tiiiiiiiii-aaaaaaaaaa“ .1Klemperer, der das Gespräch<br />

rnitangehört hatte, drehte sich um und sagte sarkastisch: ,Herr Gutmann, jetzt<br />

wissen Sie wahrscheinlich genau, wie Sie die Stelle zu spielen haben!“ “23<br />

Ernst Krenek steuerte eine weitere anschauliche Schilderung der spannungsgeladenen<br />

Atmosphäre bei: „Es war in der zweiten oder dritten Probe, daß Klemperer,<br />

der offensichtlich mit dem Stück nichts anzufangen wußte, erklärte, er werde es nicht<br />

dirigieren, was allgemeine Bestürzung hervorrief. D a <strong>Webern</strong> der Präsident der<br />

IGNM -Sektion war, konnte er nichts unternehmen und alle anderen hatten Angst.<br />

So erbot ich mich, den großen Mann anzugehen. Ich sagte zu ihm: ,Als Sie unsere<br />

Einladung annahmen, gaben Sie uns unter der Bedingung Ihr Jawort, daß sich nur<br />

solche Stücke im Programm befänden, die Sie bereits vorher gemacht hätten.<br />

Deshalb wählten wir diese Symphonie aus, weil Sie sie schon 1931 dirigiert hatten.1<br />

E r meinte: ,Ah, das war etwas anderes.“ Ich entgegnete: ,Ja, damals erschien es als<br />

geschickte Öffentlichkeitsarbeit, sich mit der Avantgarde zu identifizieren, und<br />

heute ist es etwas anderes. Die Nazi warten nur auf so etwas und ich sehe die<br />

Schlagzeile „Jüdischer Dirigent weigert sich, degenerierte bolschewistische Musik<br />

zu dirigieren“ . Sie werden dieses Stück dirigieren!1Er schrie: ,Ich verstehe diese<br />

Musik aber nicht!“ Darauf sagte ich: ,Regen Sie sich nicht auf! Sie brauchen diese<br />

Musik nicht zu verstehen. Sie sollen sie lediglich dirigieren.“Nach langem Schweigen<br />

murmelte er: ,Die Harfenistin ist unmöglich.“ Darauf entgegnete ich: ,Ich verstehe.<br />

Morgen werden Sie eine andere Harfenistin haben.“Das sollte offensichtlich sein<br />

427


Gesicht wahren. Die neue Harfenistin war natürlich auch nicht anders als die<br />

frühere. E r beruhigte sich und dirigierte das Stück, ohne daß irgendjemand darob<br />

sonderlich glücklich war.“24<br />

Peter Stadien, der im Konzert neben <strong>Webern</strong> saß, gab später einen Bericht aus<br />

erster Hand über die Reaktion des Komponisten auf die Aufführung: „W ebern<br />

machte einen recht verdrossenen Eindruck, nachdem der weltberühmte Dirigent bei<br />

weitem nicht genügend Zeit darauf verwandt habe, das Werk mit ihm durchzusprechen<br />

- und im Verlauf der Proben hatte es gelegentliche Heiterkeitsausbrüche<br />

gegeben. Im Augenblick, als die Aufführung zu Ende war, wandte sich W ebern mir<br />

zu und sagte mit beträchtlicher Bitterkeit: ,Eine hohe Note, eine tiefe Note, eine<br />

Note in der Mitte - wie die Musik eines Verrückten!4“2S<br />

Nachdem der Komponist ganz bestimmte Vorstellungen <strong>von</strong> der richtigen<br />

Interpretation seiner Musik hatte, konnte es nicht ausbleiben, daß er über jede<br />

W iedergabe erbost war, die <strong>von</strong> seinen eigenen Intentionen abwich. Er war<br />

überzeugt, daß seine Kompositionen, angemessen projiziert, beim Publikum ein<br />

positives Echo finden würden, und er hielt es für überflüssig, daß der Hörer<br />

irgendwelche Vorkenntnisse mitbringen müsse, um seine Musik zu verstehen.<br />

Diesem Glauben verlieh er in einem Brief an Nicolas Slonimsky vom 14. Januar<br />

1937 Ausdruck, nachdem der letztere kurz zuvor den extrem kurzen vierten Satz der<br />

Fünf Stücke für Orchester op. 10 auf der Kinderseite des Christian Science Monitor<br />

abgedruckt hatte. Entzückt schrieb <strong>Webern</strong>: „Es beglückt mich, daß Noten <strong>von</strong> mir<br />

auf einer Kindern gewidmeten Seite erschienen sind. Ja gewiß, hätten die ,Großen“<br />

nicht so viel Vorurteile, wäre es längst anders.“<br />

In dieser Saison gab es noch zwei weitere öffentliche Aufführungen in Wien <strong>von</strong><br />

Werken <strong>Webern</strong>s. Am 25. April 1937 spielten der Geiger Walter Gutm ann und der<br />

Pianist George Robert die Vier Stücke op. 7 im dritten Konzert der Kammermusikreihe<br />

Konzerte moderner M usik,26 Die Veranstaltung, die in der Kleinkunstbühne<br />

A B C im Cafe Arkaden stattfand, war ausverkauft und wurde arn 2. Mai wiederholt.<br />

Am Freitag, dem 14. Mai, spielte das Kolisch-Quartett <strong>Webern</strong>s Fünf Sätze op. 5 in<br />

einem Programm, dessen Hauptwerk die 'Wiener Erstaufführung <strong>von</strong> Schönbergs<br />

Viertem Streichquartett bildete, das im V orjahr komponiert worden war und seine<br />

Premiere in Los Angeles gehabt hatte. (Das Werk <strong>von</strong> Schönberg wurde zweimal<br />

gespielt und <strong>Webern</strong>s Opus 5 stand in der Mitte.)<br />

Zur Feier der 50. Wiederkehr des Geburtstages des großen österreichischen<br />

Dichters Georg Trakl, der auf so tragische Weise im A lter <strong>von</strong> 27 Jahren gestorben<br />

war, wurde eine Gedächtnisveranstaltung für den 15, März anberaumt. <strong>Josef</strong><br />

<strong>Humplik</strong> wie auch <strong>Webern</strong> wurden um einen Beitrag gebeten, ersterer mit der<br />

Ausstellung seiner Trakl-Büste und der Komponist mit seinen Sechs Trakl-Liedern<br />

op. 14, die <strong>von</strong> Julia Nessy gesungen werden sollten. Am 23. Februar schrieb<br />

<strong>Webern</strong> an die <strong>Humplik</strong>s: „W enn ich nur die Lieder gut herausbekommen kann, das<br />

ist derzeit eine schwere Sorge für mich. Sie sind so schwer, und der Boden dafür in<br />

Wien wird immer ungeeigneter. Also hoffen wir einstweilen, daß es gelingt.“<br />

Schließlich ergaben sich eine Reihe <strong>von</strong> Schwierigkeiten, die eine Verschiebung und<br />

letztlich die Absage der Veranstaltung zur Folge hatten.<br />

428


Im Verlauf des Jahres 1937 wurden die politischen Zustände in Österreich immer<br />

kritischer.27 Häufige und gewalttätige Demonstrationen <strong>von</strong> Nazi-Sympathisanten<br />

enthüllten die Ohnmacht der Regierung gegenüber der anschwellenden Bewegung.<br />

Wie immer in Zeiten <strong>von</strong> Spannung, suchte W ebern Zuflucht in der Natur. Mit<br />

Ludwig Zenk unternahm er sogar mitten im W inter ausgedehnte Wanderungen.<br />

Zenk und <strong>Webern</strong>s V etter Ernst Diez waren seine Gefährten bei der größten<br />

Unternehmung dieses Jahres, einem Ausflug in die Gletscherwelt der Ötztaler<br />

Alpen, der am 21. Juli begann. <strong>Webern</strong>s Tagebuchaufzeichnungen enthalten außer<br />

einem ausführlichen Bericht über die Route dieser Woche auch Details der<br />

Übernachtungskosten (bei einer der Stationen nur „Sch. 1,60“), der bestiegenen<br />

Gipfel (Seen-Platte und H ohe M utt), der gefundenen Blumen, W etterbedingungen,<br />

überquerten Gletscher und der in den hohen Regionen aufgesuchten Schutzhütten.<br />

Am 27. Juli unternahm en Diez und Zenk eine Bergbesteigung und ließen W ebern<br />

im Ramolhaus zurück. Zu ihrer Überraschung fanden sie bei ihrer Rückkehr am<br />

Nachmittag einen Zettel <strong>von</strong> ihm vor des Inhalts, daß er nach Hause gefahren sei.<br />

W eberns eigene Aufzeichnungen sprechen <strong>von</strong> einem „Übelbefinden“ , er schrieb<br />

aber an Polnauer am selben Tag <strong>von</strong> Obergurgl: „Ich erzähle D ir mündlich, warum<br />

ich früher als ursprünglich geplant nachhause komme.“ Die Bemerkung läßt darauf<br />

schließen, daß es einen anderen Grund gegeben haben mag. W enn es jedoch in der<br />

Gruppe zu einer Mißstimmung gekommen sein sollte, die in A nbetracht der<br />

Anstrengung des Bergsteigens in großen Höhen leicht entstanden sein könnte, dann<br />

war sie nicht sehr ernsthaft; denn im September lud W ebern Zenk zu einer<br />

Abschiedsfeier für Diez ein, der erneut nach Amerika ging, um einem Lehrauftrag<br />

Folge zu leisten. Der Umschlag mit den beschrifteten Ansichtskarten vom Ausflug<br />

ins ö tztal ist der letzte in der Sammlung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Bergandenken, die er 1923<br />

begonnen hatte. Mehrere Aufnahmen, die Zenk während der Tour gemacht hatte,<br />

sind noch vorhanden. Unter ihnen ist eine, die <strong>Webern</strong> mit Eispickel und Rucksack<br />

auf dem Weg zur Fidelitas-Hütte zeigt mit Gletschern und Gipfeln als majestätischem<br />

Hintergrund (vgl. Abb. S. 435).<br />

Während des ganzen Jahres 1937 arbeitete <strong>Webern</strong> an seinem Streichquartett,<br />

das er zwei M onate nach der Vollendung der Variationen op. 27 begonnen hatte. Im<br />

H erbst beflügelte ein Auftrag aus Am erika seine Anstrengungen, die Komposition<br />

zu beenden. In dieser Saison erhöhte sich auch die Zahl seiner Privatschüler und<br />

erreichte ihren höchsten Stand unmittelbar vor dem Anschluß, jenem einschneidenden<br />

Ereignis, das zeitweilig seine Haupteinkommensquelle versiegen ließ. <strong>Webern</strong>s<br />

Kontobuch verzeichnet einen v/eiteren Vortragskurs zwischen Dezember 1937 und<br />

März 1938. Unter den Hörern, die sich in Dr. Kurzmanns Haus einfanden, war auch<br />

Zenks Ehefrau Maria. Abgesehen <strong>von</strong> dem getreuen Polnauer nahmen nur ein paar<br />

Berufsmusiker teil. So ergab es sich, daß <strong>Webern</strong> sich mehr eine grundlegende<br />

Einführung in die musikalische Form zur Aufgabe machen mußte als fortgeschrittene<br />

Analysen.<br />

<strong>Webern</strong>s Variationen für Klavier op. 27, Anfang Mai 1937 veröffentlicht,<br />

erlebten ihre Uraufführung durch Peter Stadien am 26. Oktober (vgl. 28. Kapitel).<br />

Sie wurden am 30. Oktober in einem Konzert des Vereins für neue Musik<br />

429


wiederholt. Am 6. November bemerkte der Berichterstatter der Neuen Freien Presse<br />

bissig: „H ier hat die musikalische Lösung des so heiß umstrittenen Problems der<br />

Atomspaltung Erfolg gehabt.“<br />

Es war das letzte Mal, daß W ebern seine eigene Musik in öffentlicher Aufführung<br />

in seiner Vaterstadt hören konnte. Er wußte nur zu gut, daß sie bereits als „entartete<br />

Kunst“ in Deutschland abgestempelt war. Diese Terminologie, vorn Dritten Reich<br />

geprägt, stammte aus den kulturellen Auslassungen in Hitlers Mein Kampf, und man<br />

konnte es nach der M achtübernahme durch die NSDAP nicht eilig genug haben, die<br />

Eingebungen des Führers bis in ihre letzten Konsequenzen mit aller Härte<br />

durchzusetzen. D er Extremismus der neuen Richtung war der Welt bereits am 10.<br />

Mai 1933 mit einem A kt der „Säuberung“ aufs krasseste vor Augen geführt worden.<br />

An jenem Abend wurden an die 20 000 Bücher in Berlin mit der Billigung <strong>von</strong> Dr.<br />

Joseph Goebbels, Hitlers Propagandaminister, öffentlich verbrannt.28 W ährend die<br />

Flammen die Zeichen setzten für das Ende freien Denkens und freier Rede,<br />

jubilierte Goebbels: „Die deutsche Volksseele kann nun wieder selbst zum<br />

Ausdruck kommen. Diese Flammen werfen ihr Licht nicht allein auf das Ende einer<br />

vergangenen Ära, sondern auch auf den Beginn einer neuen.“<br />

Obwohl die Nationalsozialisten die Totenglocke für die deutsche Kultur schon so<br />

frühzeitig läuteten, hinderte W ebern seine <strong>von</strong> Grund auf optimistische Weltauffassung<br />

daran, irgendwelchen trüben Ahnungen zu unterliegen, die er für die Zukunft<br />

gehegt haben mag. In Gesprächen mit den Freunden, insbesondere den jüdischen,<br />

hielt er jahrelang an seiner Meinung fest, daß Hitler, sobald er seine Gefolgsleute<br />

mit einer ersten Demonstration roher Gewalt zufriedengestellt habe, seiner Politik<br />

Mäßigung auferlegen werde. Steuermann engagierte sich in hitzigen Diskussionen<br />

mit <strong>Webern</strong> während dieser frühen Jahre des Hitler-Regimes. Bei einem Spaziergang<br />

durch die Schwarzenberg-Anlagen verlieh <strong>Webern</strong> seinein festen Glauben<br />

Ausdruck, daß sich alles letztendlich in Wohlgefallen auflösen werde, eine<br />

Einstellung, die Steuermann wütend als Selbstbetrug verurteilte.29 Felix Galimir<br />

erzählte eine Episode, die sich im Cafe Museum zutrag, wo sich die 'Gruppe nach<br />

Konzerten zu treffen pflegte. Es erhob sich eine der häufigen politischen<br />

Kontroversen. „Bei einem der Argumente äußerte sieh Dr. Bach überaus kritisch<br />

zur Einstellung der Deutschen gegenüber den Juden. Hier unterbrach ihn <strong>Webern</strong>:<br />

,Aber David, nicht jeder Deutsche ist ein Nazi!4Daraufhin beendete Dr. Bach die<br />

Diskussion mit den Worten: ,Jeder Deutsche, der nicht das absolute Gegenteil<br />

bewiesen hat, ist ein Nazi.44(30<br />

Louis Krasner, Galirnirs Schwager, bezeugte, daß ihn <strong>Webern</strong> überredet habe, im<br />

April 1936 über München nach Barcelona zu fahren, einzig und allein zu dem<br />

Zweck, in dieser Hochburg des Hitlerismus haltzumachen, damit er dem Amerikaner<br />

beweisen könne, daß das Leben in Deutschland ganz normal verlief.31 In diesen<br />

Jahren glaubte <strong>Webern</strong> noch immer aufrichtig daran, daß die sich mehrenden<br />

Berichte über nazistische Greueltaten übertriebene Propagandaerfindungen der<br />

radikalen Linksopposition darstellten und daß die ganze Situation durch Irrationalismus<br />

vernebelt werde. Mit einer Naivität, die sich irn Rückblick ebenso<br />

unvorstellbar wie tragisch ausnimmt, fuhr <strong>Webern</strong> fort, seine Freunde glauben zu<br />

430


machen, daß das Naziregime, sollte es jemals in Österreich Fuß fassen, zu einem Sieg<br />

der kulturellen Ziele führen würde, für die sie alle so lange gekämpft hatten. Felix<br />

Greissle erinnerte sich noch an die häufigen Diskussionen in den Jahren 1936 und<br />

1937, bei denen W ebern unbeirrt an seiner Ansicht festhielt, daß mit dem Beginn<br />

einer neuen Ordnung in Österreich auch Mahlers Musik endlich „ankom m en“<br />

werde. Nichts konnte ihn da<strong>von</strong> überzeugen, daß der Antisemitismus keine Achtung<br />

vor persönlicher Größe zeige, und erst als die Wirklichkeit ihm vor Augen führte,<br />

wie unrecht er hatte, erwachte er aus der Illusion, daß den W erken <strong>von</strong> Mahler,<br />

Schönberg und Karl Kraus das Schicksal erspart bleiben würde, das sich in der<br />

Bücherverbrennung angekündigt hatte. Hans Erich Apostel, ein Schüler Bergs,<br />

berichtete, daß W ebern sagte: „M an müßte eben versuchen, das Hitler-Regime <strong>von</strong><br />

der Richtigkeit des Zwölftonsystems zu überzeugen.“32 So blind war W ebern in<br />

seinem Optimismus noch zu einer Zeit, als sich in Deutschland systematische<br />

M aßnahmen zur Konsolidierung der <strong>von</strong> den Nationalsozialisten eingeführten<br />

kulturellen Dogmen überstürzten.33<br />

D er 30. August 1935 war das Datum einer Verordnung der Reichsmusikkammer,<br />

daß Nichtarier in deutschen Orchestern nicht mehr beschäftigt werden dürften. Von<br />

dieser Maßregelung waren nicht nur Juden betroffen, sondern auch alle, die einen<br />

jüdischen Eltern- oder auch nur einen einzigen jüdischen Großelternteil besaßen.<br />

Am 12. Oktober des nämlichen Jahres wurde alle Jazzmusik im deutschen<br />

Reichsrundfunk verboten, „um die letzten Spuren des kulturbolschewistischen<br />

Judentums zu beseitigen“ . Am 1. März 1936 gab Die Musik, Deutschlands führende<br />

Musikzeitschrift, eine antisemitische Sondernummer heraus. Zwei ihrer Artikel<br />

trugen die bezeichnenden Überschriften: „Mendelssohn, M ahler und wir“ und „Der<br />

Jude als M usikfabrikant“ . Dem Heft, versehen mit Abbildungen <strong>von</strong> Mendelssohn,<br />

Meyerbeer, Offenbach, Mahler, Sehönberg, T'ocli, Weill und Klemperer, waren<br />

Zitate aus Hitlers Ergüssen zum Thema der Juden in der Kunst vorangestellt.<br />

Internationale Aktivitäten jeglicher A rt waren des jüdischen Einflusses verdächtig.<br />

Einen Monat vor dem IGNM -Fest 1936 in Barcelona wurde in Baden-Baden ein<br />

'Musikfest als unverhüllte Gegendemonstration abgehalten. Das Programm enthielt<br />

nur Werke <strong>von</strong> denjenigen ausländischen Komponisten, die <strong>von</strong> den Organisatoren<br />

gebilligt worden waren. Um auch die letzten Überreste freien künstlerischen<br />

Denkens zu unterdrücken, wurde der seit 76 J ahren bestehende Allgemeine deutsche<br />

Musikverein im Verlauf einer Generalversammlung am 19. Juli 1937 in München<br />

aufgelöst. Die Gesellschaft wurde beschuldigt, ein Fremdkörper in der totalitären<br />

Philosophie des D ritten Reichs und deshalb unvereinbar mit den musikalischen<br />

Idealen der Hitlerjugend zu sein.<br />

Einen Tag zuvor hatte H itler eine Tirade über das Thema „entartete Kunst“ <strong>von</strong><br />

sich gegeben. Der Anlaß war die feierliche Eröffnung des Hauses der deutschen<br />

Kunst in München, eines trostlosen Bauwerks im pseudoklassischen Stil, bei dessen<br />

Entwurf Hitler selbst mitgewirkt hatte und das er selbst als architektonisch<br />

„einzigartig und unnachahmlich“ bezeichnete. D er Führer hielt sich selbst für einen<br />

echten Künstler, obwohl er mit seinen frühen Versuchen, Maler zu werden,<br />

Schiffbruch erlitten hatte. Sein Geschmack, <strong>von</strong> politischen Dogmen bestimmt,<br />

431


wurde jetzt zum absoluten künstlerischen Gesetz im Lande. An die 6500 Gemälde<br />

wurden aus deutschen Galerien entfernt.34 In seiner Rede vom 18. Juli verkündete<br />

Hitler die Kriterien, die in Zukunft für jegliche künstlerische Ausdrucksform zu<br />

gelten hätten: „ ‘Kunstwerke1, die an sich nicht verstanden werden können, sondern<br />

als Daseinsberechtigung erst eine schwülstige Gebrauchsanweisung benötigen, um<br />

endlich jenen Verschüchterten zu finden, der einen so dummen oder frechen Unsinn<br />

geduldig aufnimmt, werden <strong>von</strong> jetzt ab den Weg zum deutschen Volke nicht mehr<br />

finden!. . . Denn darüber möge sich niemand täuschen: D er Nationalsozialismus<br />

hat es sich nun einmal zur Aufgabe gestellt, das Deutsche Reich und damit unser<br />

Volk und sein Leben <strong>von</strong> all jenen Einflüssen zu befreien, die für unser Dasein<br />

verderblich sind. . . Mit der Eröffnung dieser Ausstellung aber hat das Ende der<br />

deutschen Kunstvernarrung und damit der Kulturvernichtung unseres Volkes<br />

begonnen. . . Wir werden <strong>von</strong> jetzt ab einen unerbittlichen Säuberungskrieg führen<br />

gegen die letzten Elem ente unserer Kulturzersetzung.“35<br />

1936 hatte Hitler sein Versprechen eingelöst, Deutschlands Militärmacht<br />

wiederherzustellen. Trotz allen Beteuerungen, daß er nur den Frieden wolle, hatte<br />

er in den ersten Märztagen dieses Jahres die Besetzung des entmilitarisierten<br />

Rheinlands durch deutsche Truppen befohlen. Die Franzosen, entzweit durch<br />

interne Auseinandersetzungen und <strong>von</strong> einer Stimmung des Defätismus erfaßt,<br />

sahen untätig zu, als Hitler bei seinen internationalen Beziehungen zum ersten Mal<br />

mit brutaler Gewalt vorging. Des Führers nächstes Ziel war es, die deutschsprachigen<br />

Volksteile anderer Länder ins großdeutsche Reich heimzuführen. Er, der selbst<br />

aus der österreichischen Grenzstadt Braunau stammte, hielt die Eingliederung<br />

seines Vaterlandes für unabdingbar. Besessen <strong>von</strong> dieser Vorstellung, hatte er vom<br />

ersten Tag seiner Machtübernahme als Kanzler auf ihre Verwirklichung hingearbeitet.<br />

Nach fünf Jahren <strong>von</strong> Intrigen, Untergrundaktionen und Aufruhr hatte er<br />

Österreich an den Rand einer Krise gebracht. Am 11. Februar 1938, dem Vorabend<br />

des vierten Jahrestages des blutigen sozialistischen Aufstandes, befahl Hitler den<br />

österreichischen Kanzler Dr. Kurt <strong>von</strong> Schuschnigg zum Adlerhorst, seinem<br />

Berghof bei Berchtesgaden. Im Verlauf einer stürmischen Aussprache am folgenden<br />

Tag erzwang der deutsche Diktator unter Androhung der militärischen Besetzung<br />

Österreichs <strong>von</strong> Schuschnigg die Unterzeichnung eines Abkommens, das weitgehende<br />

Konzessionen enthielt wie die Ernennung <strong>von</strong> Arthur Seyss-Inquart zum<br />

Sicherheitsminister (und damit zum Chef der Polizei), die Aufnahme mehrerer<br />

Nationalsozialisten ins Kabinett und eine Amnestie für im Gefängnis einsitzende<br />

österreichische Nazis. Triumphierend über seinen Erfolg hielt Hitler am 20. Februar<br />

eine Rundfunkansprache, die eine Reihe <strong>von</strong> Nazidemonstrationen in ganz<br />

Österreich auslöste. Schuschnigg, aufs höchste alarmiert, sprach vor dem Bundestag<br />

die W arnung aus: „Bis hierher und nicht weiter.“ Trotz seiner konzilianten Haltung<br />

gegenüber Deutschland schwor Schuschnigg gleichzeitig, daß Österreich seine<br />

Unabhängigkeit niemals freiwillig aufgeben würde. Unter Anspielung auf die<br />

Nationalfarben rief er aus: „Rot-weiß-rot bis zum Tod!“<br />

Diese durch den Rundfunk übertragene Rede war noch im Gange, als in Graz eine<br />

wilde Demonstration ausbrach'. Ein Mob <strong>von</strong> etwa 20 000 Nazisympathisanten zog<br />

432


tobend durch die Straßen, riß auf dem Hauptplatz der Stadt die Lautsprecher<br />

herunter und hißte die Swastika anstelle der österreichischen Flagge. Mit Hitlers<br />

Statthalter Seyss-Inquart als Kommandeur der Polizei wurde kein Versuch<br />

unternommen, den Aufruhr unter Kontrolle zu bringen. Offensichtlich war<br />

Schuschniggs Regierung am Zusammenbrechen. Seit der Februarrevolution <strong>von</strong><br />

1934 hatte ein Ein-Parteien-Regim e im Lande geherrscht. Schuschnigg unternahm<br />

einen letzten Versuch, die Unterstützung der Sozialisten zu gewinnen, doch es war<br />

zu spät. Wirtschaftlicher Druck beschleunigte das politische Chaos. Es gab auf der<br />

ganzen Linie Annullierungen <strong>von</strong> Aufträgen durch Firmen im Ausland, und die<br />

Banken wurden mit der Zurückziehung <strong>von</strong> Einlagen bestürmt. D er Tourismus,<br />

einer der Hauptzweige der Wirtschaft des Landes, war in Gefahr, nachdem<br />

Tausende <strong>von</strong> Besuchern überstürzt abreisten.<br />

In einem verzweifelten Zug kündigte Schuschnigg in einer Rede in Innsbruck am<br />

9. März 1938 an, daß am 13. März ein Volksentscheid stattfinden werde, um dem<br />

Verlangen der Bevölkerung nach Freiheit Ausdruck zu verleihen. Die Ü berraschungsaktion<br />

erboste Hitler. E r entschloß sich, Österreich mit militärischer Gewalt<br />

zu unterdrücken. Bis zum 11. März waren deutsche Truppen entlang der<br />

österreichischen Grenze mobilisiert, und H itler drang in Mussolini, seinen faschistischen<br />

Bundesgenossen, seinen Absichten nicht zuwiderzuhandeln. An diesem<br />

schicksalshaften Tag stellte Deutschland ein Ultimatum: der Volksentscheid müsse<br />

rückgängig gemacht werden oder die Invasion würde stattfinden. Als Schuschnigg<br />

sich beugte, wurde darüber hinaus sein Rücktritt gefordert. Er fügte sich.<br />

Louis Krasner war am Nachmittag jenes kritischen 11. März in <strong>Webern</strong>s Heim<br />

zugegen. <strong>Webern</strong> hatte das Radio mit den Worten eingeschaltet, daß sich in Kürze<br />

etwas Wichtiges ereignen würde. Am frühen Abend erklärte Schuschnigg über den<br />

Äther seinen Rücktritt und hielt eine Abschiedsansprache, die zur Grabrede für<br />

Österreich als unabhängiges Land werden sollte. Auf dem Höhepunkt seiner<br />

bewegenden Rede hieß es, daß er vor aller Welt erkläre, daß in Deutschland in<br />

Umlauf gebrachte Gerüchte über Unruhen in der Arbeiterschaft, über Blutvergießen<br />

und über das Entstehen einer Lage, die die österreichische Regierung nicht<br />

mehr kontrollieren könne, <strong>von</strong> A bis Z erlogen seien. Präsident Miklas habe ihn<br />

gebeten, dem österreichischen Volk zu sagen, daß die Regierung sich der Gewalt<br />

gebeugt habe, da man in dieser schrecklichen Stunde nicht noch Blut vergießen<br />

wolle. Die Armee sei angewiesen worden, keinen W iderstand zu leisten. So<br />

verabschiede er sich vom österreichischen Volk mit einem Wort, das ihm tief aus<br />

dem Herzen komme: „Gott schütze Österreich!“36<br />

Am Morgen des 12. März überschritten deutsche Truppen die Grenze, und Hitler<br />

kehrte im Triumph in seine Heimat zurück. Am Mittag verlas Goebbels eine<br />

Proklamation, derzufolge dem österreichischen Volk nunmehr die Gelegenheit zu<br />

einem „wirklichen Volksentscheid“ gegeben werden solle, über seine Zukunft zu<br />

entscheiden. Der Jubel, mit dem die deutschen Truppen <strong>von</strong> denen begrüßt wurden,<br />

die glaubten, eine starke A utorität werde den Jahren der Unsicherheit ein Ende<br />

bereiten, ermutigte Hitler, seine Intentionen ohne Verzug voll in die Tat<br />

umzusetzen. Am Nachmittag des 12. März beauftragte Hitler seinen Rechtsexper­<br />

433


ten Dr. Wilhelm Stuckart ein Gesetz vorzubereiten, das den „totalen Anschluß“<br />

vor sehe. (Ursprünglich hatte Hitler lediglich Österreichs Präsident werden wollen.)<br />

Die Unabhängigkeit des Landes endete in der Tat schon am Tag darauf, am 13.<br />

März, als die V ertreter der neuernannten Regierung unter Seyss-Inquart durch<br />

Unterschrift den Entwurf zum Gesetz erhoben. Es wurde am 10. April durch einen<br />

einer Farce gleichkommenden Volksentscheid bei einem Wahl verfahren ratifiziert,<br />

bei dem Einschüchterung und fragwürdige Prozeduren an der Tagesordnung waren.<br />

D er Name der Nation, Österreich, wurde abgeschafft, und das Land war <strong>von</strong> jetzt an<br />

nur ein Bestandteil des Deutschen Reiches.<br />

Am 12. März 1938, dem Schicksalstag, an dem die Hakenkreuzflaggen über<br />

Österreich gehißt wurden, als der Stechschritt deutscher Soldaten und das Rasseln<br />

ihrer Panzerfahrzeuge durch die Straßen der Städte und Dörfer dröhnten, als die<br />

M ilitärkapellen schmetterten und Sturmtruppen in ihren Braunhemden überall<br />

paradierten, das Horst- Wessel-Lied als Siegerhymne singend, schrieb W ebern an die<br />

<strong>Humplik</strong>s: „Ich bin ganz in meiner Arbeit und mag, mag nicht gestört sein.“ Eine<br />

Eintragung auf Seite 90 <strong>von</strong> Skizzenbuch IV lautet: „13. III. Eingliederung<br />

Österreichs ins Deutsche Reich.“ Welche Gefühle sich hinter der kargen Feststellung<br />

verbargen, mit der W ebern diesen ungeheuerlichen Augenblick verzeichnete,<br />

ist unmöglich zu sagen.<br />

434


Emst Diez, <strong>Webern</strong>, <strong>Josef</strong> Hueber und <strong>Josef</strong> Polnauer<br />

in der Kampl-Hiitte auf der Schneealpe (Juni 1933)<br />

I<br />

*<br />

\Vobcm in eleu<br />

(Juli 1937)<br />

hiztaler Alpen<br />

W ebern mit seinem Sohn Peter<br />

auf der Schneealpe (Juli 1941)<br />

435


28. Opus 26—28 (1935-1938)<br />

Für W ebern war Opposition aus ästhetischen Gründen schon fast seit dem Beginn<br />

seiner Laufbahn nichts ungewöhnliches gewesen. A ber sein Kampf um künstlerisches<br />

Ü berleben in Unabhängigkeit wurde hoffnungslos, als seine Ziele <strong>von</strong> der<br />

Politik überrollt wurden. Obgleich er Arier war und sich stets viel darauf zugute<br />

getan hatte, die große deutsche Tradition hochzuhalten, wurde seine Musik jetzt in<br />

Deutschland in Bausch und Bogen als „Kulturbolschewismus“ abgetan. Doch nicht<br />

einen Augenblick ließ er sich <strong>von</strong> seinem Kurs abschrecken. Überzeugt <strong>von</strong> der<br />

Unfehlbarkeit des <strong>von</strong> ihm erwählten Idioms, fuhr er fort, Werk auf Werk<br />

herauszubringen, wobei er die neue Sprache des Zwölftonsystems weiter vervollkommnete.<br />

E r konnte kaum hoffen, anerkannt zu werden oder seine Musik<br />

aufgeführt zu hören, doch fand er Freude und Genugtuung an der einsamen<br />

Weiterbeschäftigung mit seiner Kunst, ganz besonders jedoch an der steten<br />

Erforschung ihrer noch unerschlossenen Dimensionen.<br />

Nachdem er sich entschlossen hatte, am Prager Musikfest Anfang September<br />

1935 nicht teilzunehmen, fuhr W ebern fort, sich völlig einem W erk zu widmen, das<br />

ihn bereits seit dem Februar dieses Jahres beschäftigt hatte: Das Augenlicht op. 26<br />

für gemischten Chor und Orchester. Am 7. Februar, unmittelbar nach der<br />

Beendigung seiner Ricercar-Bearbeitung, hatte er Hildegard Jone geschrieben1:<br />

„D u fragst mich, was ich jetzt in meiner Arbeit vorhabe: ursprünglich, glaube ich,<br />

ein Orchesterwerk; aber es beschäftigt mich auch und zunächst mehr als dieses, ein<br />

Chorwerk mit Orchester zu schreiben, nach einem Text <strong>von</strong> Dir! Aber ich konnte<br />

diesen noch nicht finden. Ich bin alles, was ich <strong>von</strong> Dir besitze, daraufhin<br />

durchgegangen. Zu beschreiben, was mir vorschwebt, ist nicht möglich. Ist der Text<br />

da, dann weiß ich es. . . Wenn ich Deine neuen Arbeiten sehen könnte! . . .Es ist<br />

mir nur so dringend, denn ich möchte mich, muß mich gleich an die Arbeit machen.“<br />

Das Verlangen des Komponisten nach einer neuen dichterischen Vorlage sollte<br />

bald in Erfüllung gehen: „Ich habe schon gefunden, was ich suchte: ,Das Augenlicht1<br />

aus ,Viae inviae1 und bin schon an der A rbeit“, ließ er Hildegard Jone am 24.<br />

Februar wissen.<br />

Die Anfänge der Komposition tauchen auf Seite 22 <strong>von</strong> Skizzenbuch IV unter<br />

dem Datum 19. Februar 1935 auf. D er Entwurf der Reihe beschäftigte W ebern bis<br />

zum 14. März, als er mit der Ausarbeitung des Particells begann. Nach wenigen<br />

Takten jedoch wurde sein Fortschritt durch Vorbereitungen für das Aprilkonzert<br />

der Typographia und die darauffolgende Reise nach England unterbrochen. Erst am<br />

14. Juni konnte er Hildegard Jone schreiben: „Allmählich wird’s schon leichter: ein<br />

bißchen kann ich schon wieder zu meiner A rbeit schauen.“ Eine Datierung im<br />

Skizzenbuch bestätigt, daß er die Arbeit an der Komposition am Tag darauf<br />

436


wiederauf nahm. Bis zum 17. Juni waren die früheren Skizzen in einen neuen und<br />

endgültigen Anfang eingegangen, in dem die Chorstimmen mit dem Orchesterparticell<br />

kombiniert wurden. Die Tempobezeichnung war zu diesem Zeitpunkt noch Sehr<br />

fließend; merkwürdigerweise wurde dieses Konzept in Langsam in der Endversion<br />

abgeändert. Die Komposition scheint stetig bis zur Beendigung des Entwurfs<br />

(Skizzenbuch S. 42) am 13. September fortgeschritten zu sein; es war für W ebern<br />

immer ein besonderes Datum, war es doch Schönbergs Geburtstag.<br />

Tagebuchnotizen zwischen den Skizzen halten Familienereignisse fest: den<br />

Abschluß der Mittelschule für Peter, Amalies Hochzeit sowie eine Bergtour auf den<br />

Groß-Venediger. Am 21. Juli schrieb W ebern an Hildegard Jone: „Jetzt kann ich,<br />

G ott sei Dank, ganz bei meiner A rbeit sein“ und am 17. September teilte er ihr mit:<br />

„Das 'Augenlicht1 ist fertig. Jetzt schreibe ich die Partitur ins Reine. Wie gerne<br />

möchte ich Euch bald zeigen, was da geworden ist.“ Zwei Tage zuvor hatte er David<br />

<strong>Josef</strong> Bach in einer Mischung <strong>von</strong> Überschwang und Selbstironie geschrieben: „Ich<br />

bin mit meinem Chorstück fertig geworden. Und ich hoffe, daß es so gut ist, daß man<br />

mich (falls man es je kennen wird) reif für ein K. L. [Konzentrationslager] oder<br />

Irrenhaus erklärt!“<br />

Die Nachricht <strong>von</strong> der Vollendung der endgültigen Partitur erging an Hildegard<br />

Jone am 29. September. <strong>Webern</strong>, völlig in sich zurückgezogen, solange er in<br />

schöpferische A rbeit vertieft war, verspürte das Verlangen, sich mitzuteilen, doppelt<br />

stark, wenn sie beendet war. Am 15. O ktober schrieb er der Dichterin: „Und so<br />

möchte ich Dir. . . doch auf diesem Wege Einiges sagen, vor allem das, was ich gern<br />

schon längst zum Ausdruck gebracht hätte und insbesondere in dein Augenblick, da<br />

Du mich fragtest: was mir Dein Wort wieder war!<br />

,0 Meer des Blickes mit der Tränenbrandung!1<br />

(Es ist gerade die Mitte des Stückes und zugleich auch dessen dynamischer<br />

Höhepunkt.) Was für ein Gedanke! Und wenn Du dann in dessen Fortsetzung (hier<br />

folgt musikalisch unmittelbar der größte Gegensatz) eine Vorstellung erweckst, die<br />

nur der Inbegriff aller Lieblichkeit, Holdheit sein kann:<br />

,Die Tropfen, welche sie versprüht auf Wimpernhalme,<br />

vorn Herzen und der Sonne werden sie beschienen“,<br />

so ist damit eine Art der Darstellung gegeben, die mir als höchste erscheinen muß:<br />

die Träne, ein Wassertropfen, ,vom Herzen und der Sonne. . . beschienen“: und<br />

was sie fließen macht? Es bedarf der Antwort nicht mehr.“<br />

Das Augenlicht ist überschrieben: „M einer Tochter Amalie Waller“, eine<br />

Widmung, die zweifellos zum Gedenken ihrer Hochzeit bestimmt war. Amalie ahnte<br />

nichts <strong>von</strong> dieser Ehrung, bis ihr Vater sie beiläufig im Herbst dieses Jahres beim<br />

Heurigen im Hasenöhrl in Gumpoldskirchen erwähnte. Die Familie war <strong>von</strong> den<br />

Neuvermählten zu dem beliebten Wiener Zeitvertreib eingeladen worden, einen<br />

A bend in einem der vielen kleinen W irtshäuser zu verbringen, wo der neue Wein<br />

ausgeschenkt wird. Bei dem Zusammensein sprach <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> Anralies schönen<br />

Äugen, die so heil glänzten, wenn sie glücklich war, und die so unsagbar traurig sein<br />

konnten, wenn sie weinte. Er gab Geschichten aus ihrer Kindheit zum besten, aus<br />

den Zeiten, ais Passanten in den Straßen <strong>von</strong> Berlin Bemerkungen fallen ließen über<br />

437


ihre großen Augen, die aus dem Kinderwagen hervorlugten, oder wie er - der<br />

stolzeste aller Väter - W orte der Bewunderung <strong>von</strong> völlig fremden Leuten zu hören<br />

bekam, wenn er sie auf dem Arm trug.<br />

Es ist erwähnenswert, daß W ebern nur ein einziges weiteres Werk einem Mitglied<br />

der Familie widmete, nämlich die Symphonie op. 21, die seiner jüngsten Tochter<br />

Christine zugeeignet war. Seltsamerweise ließ er seiner Frau niemals eine ähnliche<br />

Ehrung zuteil werden, obwohl man weiß, daß er sie oftmals beim Komponieren nach<br />

ihrer Meinung zu seinen Ideen fragte. Allerdings zeigte keines seiner Kinder auch<br />

nur das geringste Interesse oder Verständnis für seine Musik.<br />

Die Uraufführung <strong>von</strong> Das Augenlicht fand am 17. Juni 1938 beim IGNM -Fest in<br />

London unter der Leitung <strong>von</strong> Herm ann Scherchen statt (vgl. 29. Kapitel). Um<br />

Studiermaterial für den Chor zur Verfügung stellen zu können, legte die Universal<br />

Edition in großer Eile im April 1938 einen Klavierauszug auf, den W eberns Schüler<br />

Ludwig Zenk angefertigt hatte. Es war dies das erste und einzige Mal, daß der<br />

Komponist diese Aufgabe einem anderen übertrug. Diesmal gab es allerdings einen<br />

triftigen Grund: Als W ebern Anfang Februar 1938 erfuhr, daß Das Augenlicht ins<br />

Festprogramm der IGNM aufgenommen worden war, hatte er gerade den<br />

Schlußsatz seines Streichquartetts op. 28 begonnen. D er Kompositionsauftrag, der<br />

ihm kurz zuvor durch Mrs. Coolidge erteilt worden war, sah vor, daß die<br />

Uraufführung des Werkes noch im Juli dieses Jahres stattfinden sollte. Dieser<br />

Termin war der Grund, der W ebern bewog, die Anfertigung des Klavierauszugs <strong>von</strong><br />

Das Augenlicht Zenk anzuvertrauen.2 Die Taschenpartitur des Werkes wurde erst<br />

1956 veröffentlicht.<br />

In seinem Brief an Hermann Scherchen vom 12. April 1938 gab der Komponist<br />

die folgenden Hinweise: „Das Werk dauert ca. 10 Minuten. Von den Chorstimmen<br />

ist nichts im Orchester (das ist ja die große Schwierigkeit), alles ist obligat in rein<br />

polyphoner Darstellung. Besetzung des Orchesters: 4 Holz, 3 Blech, Harfe, Celesta,<br />

Mandoline, etwas Schlagwerk und 8 Violinen - chorisch, 4 Bratschen, 4 Celli.- keine<br />

Bässe!“<br />

Im gedruckten Programm der Londoner Uraufführung erschien eine kurze<br />

analytische Beschreibung des Werkes.3 Es findet sich eine Menge textlicher<br />

Hinweise in der Synopsis des formalen Aufrisses, die aufzeigt, daß die Komposition<br />

eine zweiteilige Struktur darstellt mit dem Höhepunkt im zweiten Teil, einer<br />

modifizierten Reprise des ersten.<br />

Polnauer erzählte, daß W ebern ihm das Werk kurz nach seiner Vollendung<br />

mehrere Male auf dem Klavier vorspielte. Als Polnauer meinte, die Musik mache<br />

auf ihn den Eindruck, als ob sie voll <strong>von</strong> Kadenzen sei, war der Komponist so außer<br />

sich vor Freude, daß er ihn umarmte.4 Arnold Eiston, der zu dieser Zeit bei W ebern<br />

studierte, gab die folgende Information: „W ebern liebte die Musik <strong>von</strong> Brahms und<br />

führte sie immer wieder auf. Bei der Komposition <strong>von</strong> Das Augenlicht meinte er:<br />

,Mir schwebt eine Kantate vor in der A rt <strong>von</strong> Brahms’ Schicksalslied.1“<br />

Das Augenlicht op. 26, ein einsätziges Werk im Motettenstil, ist das erste einer<br />

Pantheon-Trilogie für Chor, die in den Kantaten op. 29 und 31 ihre Fortsetzung<br />

finden sollte. In der Behandlung der Stimmen alternieren homophone mit<br />

438


polyphonen Passagen, <strong>von</strong> denen einige a cappella gesungen werden. Jede<br />

Vokallinie stellt einen vollständigen Ablauf der Zwölftonreihe dar, und die<br />

Schichtung der Reihenkombinationen, oft Note gegen Note gesetzt, ruft eine<br />

euphonische Wirkung hervor. Die orchestrale Textur hingegen ist nach dem Prinzip<br />

der Klangfarbenmelodie gewoben und folgt der Methode, die W ebern in seiner<br />

Bach-Bearbeitung anwandte. Die Reihe erscheint fragmentiert, wobei Einzeltöne<br />

oder kurze zwei“ bis dreitönige Motive den verschiedenen Instrumenten zugeordhet<br />

werden. Die Holzbläser- und Schlagzeugstimmen werden solistisch behandelt, und<br />

der orchestrale Klang ist infolgedessen durchwegs <strong>von</strong> großer Transparenz.<br />

Obwohl das W erk beispielhaft ist für <strong>Webern</strong>s strengen kontrapunktischen Stil<br />

und kanonische Imitationen in großer Zahl aufweist, ist die Wirkung die einer<br />

spontanen Freiheit. Mögen die rein instrumentalen W erke der Spätzeit dazu neigen,<br />

den H örer die strenge Satzkunst und überragende intellektuelle Souveränität des<br />

Komponisten empfinden zu lassen, so sind die Vokalschöpfungen <strong>von</strong> der Lyrik der<br />

Texte durchdrungen und somit leichter zugänglich dank der U nm ittelbarkeit ihres<br />

emotionellen Inhalts und der Einfachheit der Diktion.<br />

Die Variationen für Klavier op. 27, <strong>Webern</strong>s nächstes W erk, fielen verhältnismäßig<br />

kurz aus, ihre Komposition nahm aber fast ein Jahr in Anspruch. Wenngleich es<br />

äußere Gründe für den langsamen Fortschritt gab, so war der Komponist des<br />

Glaubens, daß ein schöpferisches Produkt seine Zeit zum Reifen benötige. W ährend<br />

er an den Variationen arbeitete, äußerte sich Ludwig Zenk mißmutig darüber, daß<br />

er mit einer seiner eigenen Kompositionen nicht vorankam. W ebern beschwichtigte<br />

ihn, als er ihm am 12. August 1936 schrieb: „Natürlich muß es so sein. Die<br />

Beziehungen, die wir anstreben, lassen sich oft nur sehr langsam erzielen;<br />

langsamer, rascher: darüber brauchst Du Dir doch keine Gedanken machen.<br />

Goethe erzählte einmal Eckermann, daß er 40 Jahre über ein Gedicht nachgedacht<br />

habe! Also was willst D u!“<br />

Die Chronik <strong>von</strong> Opus 27 ist im Skizzenbuch IV (S. 43-56) graj<br />

dokumentiert. <strong>Webern</strong> nahm sein neues Projekt am 14. O ktober 1935 in A<br />

und kündigte es mit dem Titel „Klavier-Variationen“ und einem ersten Eiitwi.,,.........<br />

Tonreihe an. Zwei Tage später begann er mit der eigentlichen Niederschrift,<br />

Während der nächsten acht Monate wurden lediglich vier und eine halbe Seite<br />

beschrieben. Eine lange Reihe <strong>von</strong> Widrigkeiten, beginnend mit Bergs Tod, gibt<br />

eine plausible Erklärung für <strong>Webern</strong>s Unfähigkeit zur Konzentration. Am 12. Juni<br />

1936 schrieb er an Hildegard Jone: . . immer neuerliche Aufregungen<br />

beruflicher Art und <strong>von</strong> solcher Art, wie ich sie vielleicht noch gar nie mitzumachen<br />

hatte, lassen mich nicht zur Ruhe kornmen. So bin ich auch, abgesehen <strong>von</strong> kurzen<br />

Ansätzen, noch immer nicht so eigentlich bei meiner Arbeit. Aber jetzt muß es<br />

endlich werden. Alles abschütteln, nur das kann helfen. A ber es ist eben oft sehr<br />

schwer.“<br />

Es war in dieser seelischen Verfassung, daß <strong>Webern</strong> wieder an die Arbeit an den<br />

Variationen ging. Nach nicht weniger als sieben verschiedenen Anfängen wurde der<br />

Satz (der zum Schlußteil einer dreisätzigen Komposition werden sollte) am 8. Juli<br />

vollendet. Im ersten, aus 88 numerierten Takten bestehenden Entwurf, sind sieben<br />

439


Variationen vorgesehen. Zwei <strong>von</strong> ihnen, IV und VI, wurden für die endgültige<br />

Version verworfen.<br />

Zehn Tage später, am 18. Juli, begann W ebern mit einem weiteren Satz. An<br />

diesem Tage schrieb er den <strong>Humplik</strong>s: „Ich habe gute Arbeitszeit. Einen Teil meiner<br />

neuen A rbeit habe ich schon fertig gestellt. Ich erzählte Euch, daß ich etwas für<br />

Klavier schreibe. Das Fertige ist ein Variationen-Satz; es wird eine A r t,Suite4. Ich<br />

hoffe mit den Variationen etwas schon seit Jahren Vorgestelltes verwirklicht zu<br />

haben.44W ebern bringt dann das bereits Zenk gegenüber zitierte Goethe-W ort über<br />

die lange innere Vorbereitung, die manchmal für das Reifen einer schöpferischen<br />

Idee notwendig ist. Das Konzept einer „Suite41 wurde auch Polnauer gegenüber<br />

erwähnt, dem W ebern am 26. Juli, dem Tag seiner Abreise zu zweiwöchigen Ferien<br />

in Uttendorf, schrieb: „Ich war die letzte Zeit ununterbrochen bei meiner Arbeit<br />

und sehe nun, daß die Variationen weitergehn, wenn es auch ganz verschiedenartige<br />

Sätze werden.44<br />

Die ersten Skizzen zu dem neuen Satz mit den Datierungen 18. und 22. Juli geben<br />

nicht weniger als vier verschiedene Versuche zu erkennen, die Eingangstakte zu<br />

formulieren. Was immer es auch an Problemen gegeben haben mag, sie fanden<br />

während des Aufenthalts des Komponisten in der besinnlichen Umgebung der<br />

Berge ihre Klärung. W ieder zu Hause, begann er den Satz am 10. August nochmals<br />

ganz <strong>von</strong> vorne. Die A rbeit verlief dann glatt bis zum Schlußstrich mit dem Datum<br />

19. August. Dieser Abschnitt wurde später zur Eröffnung des Werkes bestimmt. Mit<br />

der Bezeichnung Sehr mäßig im 3/ie-Takt ist der Satz eine klare A-B-A-Form.<br />

Ständige Tempo-Wechsel verleihen ihm einen improvisatorischen Charakter, den<br />

<strong>Webern</strong> selbst, wie Peter Stadien später berichtete, mit dem eines Intermezzos <strong>von</strong><br />

Brahms verglich.5<br />

„Ich habe inzwischen wieder einen Teil meiner neuen Arbeit beendet. Nun<br />

kommt, denke ich, der dritte und letzte Teil daran44, schrieb <strong>Webern</strong> Hildegard Jone<br />

arn 23. August. Zwei Tage später begann er mit dem Skizzieren dieses Abschnitts,<br />

aus dem schließlich der M ittelteil werden sollte. Wiederum galt es, bei der<br />

Formulierung gewisse anfängliche Hindernisse zu überwinden. Erste Entwürfe<br />

tragen die Daten 25. und 29. August. Als <strong>Webern</strong> dann die endgültige Version arn 1.<br />

September in Angriff nahm, hatte er sie im Geiste so gründlich ausgearbeitet, daß sie<br />

bereits am nächsten Tag vollendet war. Nachträglich revidierte er die Abschlüsse der<br />

zwei Abschnitte des Satzes (die beide wiederholt werden). Die Schiußdatierang<br />

lautet „5. September 1936“ .<br />

Im ursprünglichen Entwurf versah W ebern diesen Satz mit der Tempobezeichnung<br />

Rasch. E r war in Viertelnoten Alla breve notiert. In der gedruckten Fassung<br />

jedoch wurde die Tempobezeichnung zu Sehr schnell und die Notation zu<br />

Achtelnoten im 2/.f-Takt abgeändert. Stadien zufolge verglich W ebern den Scherzo-<br />

Charakter des Satzes mit „dem der Badinerie aus Bachs h-M oll-Ouvertüre, die ihm,<br />

wie er sagte, bei der Komposition vorgeschwebt habe.146<br />

Als sich Aussichten auf eine frühzeitige Veröffentlichung angebahnt hatten,<br />

unterzog <strong>Webern</strong> den ersten Entwurf seiner Klavier-,,Suite44 einer umfassenden<br />

Revision: Der an zweiter Stelle komponierte Satz wurde zu einer A rt <strong>von</strong><br />

440


Präludium, das zuletzt geschriebene Scherzo wurde in die Mitte gestellt, und die<br />

zuerst entstandenen Variationen wurden zum Finale. Im letzteren wie auch im<br />

Scherzo änderte W ebern die Tempo- und Taktbezeichnungen: Aus dem früheren<br />

Fließend wurde Ruhig fließend, und das V M etrum wurde in 3h umgewandelt, wobei<br />

alle Notenwerte entsprechend abgeändert wurden.<br />

Das Werk, das die Universal Edition im Mai 1937 herausbrachte, trägt eine<br />

Widmung an Eduard Steuermann. Steuermann erinnerte sich später: „Bevor<br />

W eberns Variationen veröffentlicht wurden, schickte sie W ebern mir mit einer<br />

überaus herzlichen Widmung im Manuskript, das Zenk wunderschön abgeschrieben<br />

hatte.“ Auf die Frage, weshalb er das W erk niemals öffentlich gespielt habe, machte<br />

Steuermann „persönliche G ründe“ geltend,7 womit er auf die tragischen politischen<br />

Entwicklungen anspielte, die zur Entfremdung zwischen ihm und W ebern nach<br />

einer mehr als ein V ierteljahrhundert währenden Freundschaft geführt hatten (vgl.<br />

30. Kapitel).<br />

A m 16, O ktober 1937 teilte W ebern <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> mit: „Am 26.X. spielt ein<br />

hiesiger Pianist, der sehr talentiert ist und mit dem ich schon fleißig arbeite, meine<br />

Variationen für Klavier (das ist die erste Aufführung da<strong>von</strong>) und wiederholt sie am<br />

30.X. in einem Konzert unseres Vereines für neue Musik, in dem auch noch Werke<br />

<strong>von</strong> Schönberg kommen.“ D er junge Pianist war Peter Stadien. M ehr als 20 Jahre<br />

später beschrieb er <strong>Webern</strong>s unverdrossenes Engagement bei diesen Proben:<br />

„W ochenlang verbrachte er zahllose Stunden damit, die W iedergabe bis in die<br />

kleinsten Einzelheiten mit mir zu besprechen und festzulegen. Als er dabei sang und<br />

brüllte, mit den Armen wedelte und den Füßen stampfte, sich bemühend, das, was er<br />

den Inhalt der Musik nannte, zu verdeutlichen, war ich verblüfft darüber, ihn diese<br />

wenigen, fragmentarischen Noten wie Kaskaden <strong>von</strong> Klängen behandeln zu sehen.<br />

Immer wieder sprach er <strong>von</strong> der Melodie, die, wie er meinte, so beredt kommen<br />

müsse wie ein gesprochener Satz. Manchmal fand sich diese Melodie in den<br />

Spitzentönen der rechten und dann wieder für ein paar Takte aufgeteilt zwischen<br />

rechter und linker Hand. Sie war geformt <strong>von</strong> einer riesigen Anzahl ständiger rubati<br />

und einer höchst unberechenbaren Verteilung <strong>von</strong> Akzenten. Es gab aber auch alle<br />

paar Takte ausgesprochene Tempowechsel, die den Beginn eines ,neuen Satzes*<br />

hervorheben sollten. Dann gaben <strong>Webern</strong>s extreme Forderungen nach Differenzierung<br />

des Klanges, besonders im pianissimo-Bereich, damals den Anlaß zu einem<br />

gutgemeinten Gerücht, er habe jetzt auch das ,pem ato‘ erfunden. Gemeint war<br />

damit, daß ein Ton so unvorstellbar zart und leise sein mußte, daß man ihn nur<br />

denken durfte.“8<br />

Bei der Erörterung der pianistischen Besonderheiten des Werkes erwähnte<br />

Stadien das unangenehme Übereinandergreifen der Hände, das zur richtigen<br />

Ausführung des Scherzo-Satzes erforderlich ist: „<strong>Webern</strong> meinte, daß die unumgänglichen<br />

Schwierigkeiten bei seiner Wiedergabe ihm die richtige Art der<br />

Phrasierung verleihen würden.“ Andere Beobachtungen befassen sich mit der<br />

Problematik der Realisierung der stark synkopierten Rhythmik innerhalb des<br />

metrischen Komplexes und mit der ausgiebigen Verwendung des Pedals „nicht nur<br />

als Mittel der Variierung der Klangfarbe sondern auch als Ausgleich für die dünne<br />

441


Linearität der Textur, aber auch um ganz einfach den H öhepunkten ein größeres<br />

Klangvolumen zu geben“ . Die vom Komponisten empfohlene Verwendung des<br />

Pedals ist <strong>von</strong> besonderer Wichtigkeit, da die gedruckte Ausgabe keinerlei<br />

Pedalbezeichnungen enthält. Dieser und andere Gesichtspunkte veranlaßten<br />

Stadien zu der Schlußfolgerung: „W enn W ebern es unterließ, Interpretationszeichen<br />

zu setzen, ohne die er, wie ich weiß, seine Musik als bedeutungslos ansah, kann<br />

ich nur annehmen, daß der Grund hierfür in seiner dualistischen Einstellung zu<br />

seiner Musik zu suchen ist: Einerseits ging seine Neigung, außermusikalische Inhalte<br />

auszudrücken, so ins Extrem, daß die Noten beinahe nebensächlich und als bloße<br />

Ausdrucksträger angesehen wurden; andererseits war es sein Bestreben, die Musik<br />

gerade <strong>von</strong> dieser Bindung zu befreien und ihr jenen autonomen strukturellen Sinn<br />

wiederzugeben, den zu verlieren sie während der romantischen Epoche auf dem<br />

besten Wege war. Wie dem auch sei, es läuft darauf hinaus, daß eine authentische<br />

W iedergabe eines Werkes <strong>von</strong> W ebern ohne das direkte Festhalten an der Tradition<br />

unmöglich ist.“<br />

<strong>Webern</strong> selbst unterschied ganz klar zwischen kompositorischem Handwerk und<br />

emotioneller Einwirkung der Musik. Stadien zufolge pflegte er seinen Schülern zu<br />

sagen: „Ein Komponist muß lernen, die Grundreihe auszuhorchen und sie zu<br />

zwingen, ihre Geheimnisse preiszugeben.“ Was aber Interpreten und Zuhörer<br />

betraf, so wurde eine intime Vertrautheit mit den Manipulationsmöglichkeiten der<br />

Reihe als unnötig erachtet. In Stadlens Bericht heißt es: „W ährend dieser vielen<br />

Wochen der Einweisung und Vorbereitung berührte W ebern nicht ein einziges Mal<br />

den seriellen Aspekt seiner Klaviervariationen. Selbst als ich ihn danach fragte,<br />

lehnte er ein Gespräch darüber mit der Begründung ab, für mich sei es nur wichtig zu<br />

wissen, wie das Werk zu spielen, nicht aber, wie e s ,gemacht1sei. Dabei schien es sich<br />

keineswegs um eine reservatio mentalis zu handeln, als hätte <strong>Webern</strong> sich aus dem<br />

Gedanken heraus, ich oder sein Publikum seien für solche Erörterungen noch nicht<br />

reif, eine gewisse Zurückhaltung auferlegt. E r verhielt sich vielmehr so, als sei ihm<br />

der serielle Aspekt seiner Komposition nicht bewußt, oder zumindest, als käme er<br />

ihm beim Spielen oder Diskutieren des Werkes nicht in den Sinn. Sein Benehmen<br />

schien anzudeuten, daß es sich für ihn - und u n s.- lediglich um die prima fa d e<br />

Gestalt der aus der Partitur ersichtlichen Korrespondenzen und Strukturen handle<br />

und daß für ein vollkommenes Verständnis des Werkes die Kenntnis seiner seriellen<br />

Zusammenhänge nicht erforderlich sei.“<br />

Ungeachtet <strong>Webern</strong>s Meinung waren es gerade die seriellen Eigenschaften der<br />

Variationen, die sie zu einem bevorzugten Gegenstand <strong>von</strong> Untersuchungen durch<br />

die Theoretiker gemacht haben, die vornehmlich am inneren Mechanismus eines<br />

musikalischen Gebildes interessiert sind. Sie waren fasziniert <strong>von</strong> den geometrischen<br />

Aspekten der Reihenbehandlung, beispielsweise den horizontalen und<br />

vertikalen Spiegel Symmetrien, wie sie vor allem in den beiden ersten Sätzen<br />

entwickelt wurden. Wie die Genese des Werkes aufzeigt, entstanden diese zwei<br />

Sätze erst nach der Vollendung der ursprünglichen Serie <strong>von</strong> Variationen („Ich. . .<br />

sehe nun, daß die Variationen weitergehn“, hatte der Komponist Polnauer am 26.<br />

Juli 1936 geschrieben), und eine genaue Betrachtung der Schlußtakte des dritten<br />

442


Satzes läßt erkennen, wie sie <strong>Webern</strong> unmittelbar zur Gestaltung des ersten Satzes<br />

hinführten. So zeugte sich die Keimidee organisch fort. Dank einer in Beethoven<br />

und Brahms verankerten und durch Schönbergs Thesen bekräftigten Tradition hatte<br />

sich W ebern das Prinzip sich ständig weiterbildender Variationen so sehr zu eigen<br />

gemacht, daß es im Grunde zur Triebfeder seines gesamten musikalischen Denkens<br />

geworden war.<br />

W ährend W ebern noch an seinen Klaviervariationen arbeitete, erwog er kurz<br />

einen Vorschlag, den ihm der Geiger Louis Krasner machte und auf den er am 3.<br />

August 1936 <strong>von</strong> U ttendorf antwortete: „Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich bereits<br />

so gut wie entschlossen bin, etwas im Sinne Ihrer Anregungen zu schreiben.<br />

Namentlich der Gedanke an eine Solo- Violinsonate beschäftigt mich.“ W ebern bat<br />

Krasner, ihm etwas Zeit zu lassen, es gibt jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß<br />

er das Projekt weiterverfolgte, und in seinem Skizzenbuch erscheint unmittelbar<br />

nach dem Entwurf der Klaviervariationen der eines anderen Werkes. U nter der<br />

Überschrift „Streichquartett op. 28“ kündigt sich die neue Komposition am 17.<br />

November 1936 an (Seite 57 im Skizzenbuch IV). An diesem Tag wurden sowohl<br />

eine Tonreihe wie auch ein Aufriß entworfen. Von Anfang an wurde das Werk<br />

dreisätzig konzipiert. Seine formale Struktur und die Vorstellungen, die es<br />

inspirierten, wurden wie folgt festgehalten:<br />

Durchf.<br />

„1. Langsam: Keim, Leben, Wasser (Wald) Via.<br />

Sonatensatz Blüten Minn.<br />

3. Rondo: Glöckner - Mi., Chri. - Annabichl<br />

Scherzando Pe. —Ausklang (Persönliches)<br />

2. Fuge: Koralpe, Schwabegg Ais Einleitung z. 3. Satz“<br />

Wie schon früher erwähnt, handelte es sich bei den genannten Örtlichkeiten um<br />

<strong>Webern</strong>s Lieblingsplätze; wie immer, sind unter ihnen, die Gräber in Schwabegg und<br />

Annabichl. Die Abkürzungen stehen für seine Frau (Minna) und seine vier Kinder<br />

(Mali, Mitzi, Peter und Christi).<br />

Unter den Datierungen vom 19. und 21. November begann <strong>Webern</strong> die Arbeit an<br />

einem Satz, der mit „I“ überschrieben war (die Bezeichnung wurde später in „3.<br />

Satz“ geändert). Er unternahm mehrere Versuche, aus der Reihe melodische<br />

Gestalten zu formulieren, die er verschiedenen Instrumenten zuordnete. Ein<br />

ausgiebiger Prozeß des Experimentierens, in dessen Verlauf die Reihe allmählich zu<br />

ihrer endgültigen melodischen Zusammenstellung transformiert wurde, nahm<br />

ungewöhnlich lange Zeit in Anspruch, denn die nächste Datierung, die im unteren<br />

Teil der zweiten Seite erscheint, ist der 7. April 1937, also fast fünf M onate seit der<br />

Inangriffnahme des Projekts. Trotz des langsamen Fortschritts war der Komponist<br />

dennoch ständig mit seinem Werk beschäftigt. Am 3. Februar schrieb er an<br />

Hildegard Jone: „Ich bin bei einem Streichquartett. Vielleicht werde ich damit ganz<br />

besonders die Grundsätze erfüllen, die Du in Deinem Brief aufgestellt hast.“9


Welche äußeren Umstände W ebern während dieses Winters <strong>von</strong> seinem neuen<br />

W erk abgelenkt haben mögen, ist nicht bekannt. D ie einzige Tagebucheintragung<br />

aus dieser Zeit kündigt die G eburt <strong>von</strong> Amalies erstem Kind, Michael, am 22. März<br />

1937 an. Als stolzer Großvater verzeichnete W ebern das frohe Ereignis sowohl in<br />

seinem Tage- als auch in seinem Skizzenbuch. Im letzteren hielt er unter dem 9. Mai<br />

auch die Taufe des Kindes fest.<br />

Am 7. April machte W ebern einen energischen Anlauf zu einem völlig neuen<br />

Entwurf des Streichquartettsatzes, wobei er verschiedene Ideen aus früheren<br />

Versuchen mit hereinnahm. Es gab zahlreiche neue Ansätze, die mit Datierungen im<br />

Mai und Juni versehen sind. Jedes Mal versuchte der Komponist, seinen Problemen<br />

mit geringfügigen Veränderungen <strong>von</strong> Zeitmaß und Rhythmus, vor allem aber<br />

durch das Bemühen um eine befriedigende Zuteilung der verschiedenen Formen der<br />

Tonreihe an die einzelnen Instrumente beizukommen. Auf das letzte Datum, den 9.<br />

Juni, folgten noch drei weitere mißglückte Anfänge, bis (auf Seite 64 des<br />

Skizzenbuchs) endlich eine endgültige Version des Beginns zustandekam. Sie<br />

erstellte die kontrapunktische Aufteilung der Stimmen, doch die metrischen<br />

Bezeichnungen wichen noch erheblich <strong>von</strong> der endgültigen Niederschrift ab. Auch<br />

das Tempo sollte später vom ursprünglichen Sehr bewegt in Sehr fließend geändert<br />

werden. Am 20. Juli teilte W ebern Hildegard Jone mit: „Ich habe in den letzten<br />

Wochen fleißig gearbeitet. Deinen neuen Bildern, liebe Hilde, sehe ich mit größter<br />

Spannung entgegen und in der freudigen Erwartung, wieder bestätigt zu sehen, was<br />

sich mir immer deutlicher zeigt: wie ähnlich sich unsere Darstellungsarten sind.“ Am<br />

nächsten Tag fuhr <strong>Webern</strong> zu einer einwöchigen Tour in die Ötztaler Alpen. Er kam<br />

neugestärkt und inspiriert zurück und vollendete den Entwurf des Satzes arn 20.<br />

August.<br />

Vom 21. bis 23. August entspannte sich W ebern in seinem geliebten Kapellen,<br />

dem Dorf bei der Schneealpe, und am 3. September nahm er den Entwurf eines<br />

Variationensatzes (Skizzenbuch Seite 74) in Angriff, den er mit „II“ bezeichnete.<br />

(Er wurde später der Kopfsatz des Quartetts). Wiederum ergaben sich im Verlauf<br />

des schöpferischen Prozesses beträchtliche Schwierigkeiten. Viele Takte wurden<br />

durchgestrichen und neu entworfen. Während das 2/2~Metrum <strong>von</strong> Anfang an<br />

feststand, wurden die verwendeten Notenweite später halbiert: aus ganzen Noten<br />

wurden halbe, aus Viertel- Achtelnoten usf. Entsprechend wurden aus den 56<br />

numerierten Takten des ersten Entwurfs 112 Takte in der gedruckten Partitur, und<br />

die Tempobezeichnung, ursprünglich als Sehr langsam angegeben, wurde in Mäßig<br />

abgewandelt. Im Verlauf des Satzes bezeichnete <strong>Webern</strong> jede einzelne Variation.<br />

Bei Takt 7 legte er eindeutig die Darstellung seiner Assoziationen fest: „K. A. [Koralpe]:<br />

Fichtenwald, Quelle, G arten - Schwabegg,“ (Die beiden Örtlichkeiten<br />

Koralpe und Schwabegg waren bereits im ursprünglichen Aufriß enthalten.)<br />

Die Komposition dieses Satzes sollte W ebern beinahe fünf M onate beschäftigen.<br />

Sie war schon weit fortgeschritten, als ein Brief aus den Vereinigten Staaten mit<br />

einer freudigen Überraschung eintraf: das Angebot eines Auftrags <strong>von</strong> Mrs.<br />

Elizabeth Sprague Coolidge. Rudolf Kolisch hatte den Anstoß dazu gegeben. Nach<br />

seinem Konzert in Wien im Mai 1937 (sein Q uartett spielte damals W eberns Fünf


Sätze op. 5 zusammen mit der W iener Erstaufführung <strong>von</strong> Schönbergs Viertem<br />

Streichquartett, einem Auftrag <strong>von</strong> Mrs. Coolidge) hatte er bei der amerikanischen<br />

Mäzenin angeregt, W ebern zu helfen, der, in seinem künstlerischen Ringen völlig<br />

auf sich selbst gestellt, moralischer und finanzieller Unterstützung dringend<br />

bedurfte. In ihrem Brief vom 23. November 1937 bot Mrs. Coolidge dem<br />

Komponisten einen Auftrag an, „etwas für fünf Blasinstrumente, vorzugsweise ohne<br />

Klavier, zu schreiben“ .10 Kolisch konnte es jedoch erreichen, daß das Streichquartett,<br />

an dem W ebern gerade arbeitete, auch annehmbar war und teilte es ihm<br />

telegraphisch mit. Nachdem seine Hoffnungen auf Mrs. Coolidge’s Mäzenatentum<br />

schon einmal enttäuscht worden waren, war W ebern beglückt. Am 23. Dezember<br />

schrieb er den <strong>Humplik</strong>s über die gute Wende der Dinge, die die Weihnachtstage<br />

beträchtlich auf hellte: „Zur Bestellung aus Amerika ist ein sehr erfreulicher<br />

Nachtrag gekommen: man wünscht die Widmung eines Streichquartettes, statt, wie<br />

ursprünglich, einer anderen Art <strong>von</strong> Kammermusik: damit ist alles schönstens<br />

gelöst; denn meine gegenwärtige A rbeit ist ja ein Streichquartett! Ich brauche also<br />

diese nicht zu unterbrechen, bin nicht gedrängt und kann nun ohne viel Umstände<br />

rechtzeitig fertig w erden.“<br />

In gehobener Stimmung beendete W ebern den Variationensatz am 21. Januar<br />

1938 und teilte den <strong>Humplik</strong>s am 9. Februar mit, er „gehe jetzt an den dritten und<br />

wahrscheinlich letzten“ Teil. Als der Komponist am 17. Februar daran ging, diesen<br />

„letzten“ Teil zu entwerfen, überschrieb er ihn allerdings mit „1. Satz“ (im weiteren<br />

Verlauf wurde er in die Mitte des W erkes gestellt). Dieser Satz, den sein Pizzicato-<br />

Charakter kennzeichnet, ist wegen seiner rhythmischen Evolution <strong>von</strong> besonderem<br />

Interesse. Zunächst entwarf <strong>Webern</strong> die ersten zwölf Takte im 3/g-Takt. Die<br />

veröffentlichte Version steht jedoch im 2/V~Takt, und das gleiche Tonmaterial findet<br />

sich auf 18 Takte verteilt. Offensichtlich entsprang die ursprüngliche Konzeption<br />

einer völlig anderen Vorstellung vom rhythmischen Puls. Außerdem ist im ersten<br />

Entwurf keine Wiederholung der Schlußgruppe des Satzes vorgesehen; der erste<br />

Abschluß, wie er in der gedruckten Partitur erscheint, wurde erst später hinzugefügt.<br />

Der Satz, muß umfangreiche Revisionen erfahren haben, bis er seine endgültige<br />

Gestalt erhielt. Allerdings stand sein Tempo, Gemächlich, <strong>von</strong> Anfang an fest.<br />

<strong>Webern</strong> befand sich bereits in der Endphase der Ausarbeitung dieses .Satzes, als er<br />

in seinem Skizzenbuch das historische Ereignis der Annexion Österreichs durch<br />

Deutschland am 13. März 1938 verzeichnete. Am Vortag hatte er noch den<br />

<strong>Humplik</strong>s geschrieben, daß er zutiefst in seine Arbeit versenkt sei und sich nicht<br />

stören lassen wolle. Der Entwurf wurde am 26. März abgeschlossen und mit ihm ging<br />

Skizzenbuch IV zu Ende. (Auf einem beigelegten Blatt mit dem Dalum 1. Juni<br />

entwarf W ebern vier Takte in Q uartett-Partitur im 6/s-Takt, die die gleiche Tonreihe<br />

verwenden. Dieser nachträgliche Einfall wurde jedoch nicht wieder aufgegriffen.)<br />

Am 15. April schrieb der Komponist an Hildegard Jone: „Ich bin mit meiner Arbeit<br />

nun fertig geworden. Wie gerne möchte ich sie Euch zeigen. Ich habe ein gutes<br />

Gefühl und möchte versuchen, Euch das nächste Mal was darüber -wenigstens - zu<br />

sagen.“ Arn 5. Mai fügte er hinzu: „Die Partitur meines neuen Quartettes ist schon<br />

nach Am erika abgegangen.“ In einem ähnlichen Bericht an Reich vom 29. April


erwähnte <strong>Webern</strong>, daß die Stimmen per Post ans Kolisch-Quartett, das gerade in<br />

London spielte, gesandt worden seien.<br />

Es war Rudolf Kolisch, dem gegenüber der Komponist zum ersten Mal einige der<br />

strukturellen Züge seines neuesten Opus in einem Brief vom 19. April 1938 verriet:<br />

„Es ist freilich wieder nicht ein sehr umfangreiches Werk geworden - D auer gegen<br />

20 M inuten - aber ich habe es mir wohl nicht leicht gemacht: Vielleicht ist mir<br />

wirklich schon sehr die Verbindung der beiden Darstellungs-Arten - der horizontalen1u<br />

.,vertikalen“, wie Schönberg sie nennt - gelungen. . . Ich muß gestehn, daß ich<br />

kaum jemals einer A rbeit <strong>von</strong> mir gegenüber ein so gutes Gefühl (nach der<br />

Beendigung) gehabt habe, wie diesmal. Es ist mir so, als ob ich damit überhaupt erst<br />

begonnen hätte. Freilich ist es wieder Lyrik geworden. Aber in der Mitte steht schon<br />

ein recht langer Satz: ein Adagio in breitem a la breve; im Grunde ist es ein<br />

Variationen-Satz, aber die einzelnen Variationen sind funktionell die Glieder einer<br />

Adagio-Form, mit Hauptthema, Überleitendem Seitengedanken und Reprise (C oda);<br />

so ist es eine Verschmelzung der Darstellungs-Prinzipien <strong>von</strong> Variationen-Satz und<br />

Adagio-Form! Alles rein polyphon (canonisch, mit Augmentation und Diminution,<br />

welche beiden M omente den ganzen Satz beherrschen).<br />

Vor und nach diesem Adagio stehn zwei Sätze, die in ihrer Form mehrdeutig<br />

aufgefaßt werden können. Es ist so, daß der dem Adagio folgende formal gleichsam<br />

die Erfüllung des diesem vorangehenden bringt. Im Grunde ist es ein Scherzo,<br />

dessen Durchführungsteil aber eine Fuge (Doppel-Fuge) bringt, als deren dritte<br />

Durchführung die Reprise des Scherzo-Themas erscheint. (Ich möchte sagen, wenn<br />

jemals eine Reprise begründet war, so ist es diese.) Eine dritte Durchführung mit<br />

einem Doppel-Kanon u. obendrein im Krebs (Thema u. Gegenthema) als<br />

,Engführung1! Ja, so erscheint nämlich schon das Thema dieses Scherzos! Es ist-als<br />

Finale —auch ein ziemlich langes Stück geworden. Ich glaube, Du mußt verblüfft<br />

sein, wenn ich Dir einmal die Beziehungen, die darin sind, aufzeige (aber ich bin<br />

überzeugt, daß Du natürlich Vieles selber herausfinden wirst) u. Du diesen<br />

K onstruktionen' gegenüber Ausdruck u. Charakter des Stückes bedenkst. Es ist<br />

alles zart, ganz zart!<br />

Der erste Satz nun ist ein Miniatur-Rondo, oder eben auch ein Scherzo mit Trio!<br />

Das erste Thema ein unendlicher vierstimmiger Kanon, aber trotzdem in seiner Form<br />

ein ’Satz‘ (streng nach klassischem Prinzip) <strong>von</strong> 18 Takten; also Verbindung der<br />

beiden Darstellungs-Arten auch hier, wie sonst überall in dem Quartett; aber ein<br />

Kanon, in dem sich alles spiegelt obendrein, in kleineren Räumen; was hin geht, geht<br />

im nächsten Augenblick anderswo zurück u. s. w. aber alles im Einklang mit dem<br />

Bau eines ’Satzes1. (Konstruktive, rein konstruktive Verwendung der 'Reihen'; das<br />

ist der Schlüssel zu Allem!!!) Nun kommt das zweite Thema des Satzes,<br />

gewissermaßen das Trio. (Ein 3/s gegenüber einem 2k - wie ein langsamer Walzer zu<br />

einer ganz bedächtigen Polka; das tempo dieser Polka ist sehr heiklig, muß ganz,<br />

ganz ’g e m ä c h lic h so meine tempo-Vorschrift, sein.) Also dieses 2. Thema: es ist<br />

periodisch geformt, aber auch hier alles canonisch, sich spiegelnd u. s. w. Ihm folgt<br />

wieder unmittelbar - mit glaube ich besonders wirksamen Anschluß - das erste<br />

Thema, aber nun ist alles, alles umgestellt (übrigens sind in allen drei Teilen des<br />

446


.Stückes dieselben 'R eihen“verwendet!). Von gewissen Einschnitten lauft gegenüber<br />

dem erstenmale das Ganze zurück; bis auf den Schluß der hier in eine ’Stretta“<br />

verwandelt ist, mit der das ganze Ding hinausfliegt.----Als Ganzes mußt Du das<br />

,Quartett“ in seiner formalen Erscheinung so aufnehmen, wie es so manche der<br />

dreisätzigen Beethovenschen Klavier-Sonaten sind! In diesem Sinne habe ich zu<br />

gestalten versucht. (Schau Dir diese Satz-Formen bei Beethoven einmal recht genau<br />

an!)“<br />

Zu der Zeit, als W ebern Kolisch schrieb, enthielten weder die Partitur noch die<br />

Stimmen die Sätze in ihrer endgültigen Reihenfolge. Das Kolisch-Quartett führte<br />

das Werk mehrmals in der Satzfolge auf, wie sie im Skizzenbuch IV bezeichnet ist: II,<br />

I und III nach der gedruckten Partitur. Es ist bekannt, daß sich Rudolf Kolisch dafür<br />

eingesetzt hat, die ursprüngliche Reihenfolge beizubehalten, in der der mit<br />

Gemächlich überschriebene Satz den beiden rascheren Teilen vorangeht. Doch der<br />

Komponist war der Meinung, daß die Tempi in der Satzfolge, für die er sich bei der<br />

Drucklegung entschied, ausgewogener wären.<br />

Die Uraufführung des Q uartetts (in der früheren Anordnung der Sätze) fand<br />

während des 10. Berkshire Kammermusikfests statt, einer dreitägigen Veranstaltung<br />

mit fünf Konzerten unter dem Protektorat <strong>von</strong> Mrs. Coolidge in South<br />

Mountain, Pittsfield, Massachusetts. Das Werk, vom Kolisch-Quartett gespielt, war<br />

Teil der 11-Uhr-M atinee am 22. September 1938. Das Programm wurde mit<br />

Schuberts Q uartett a-Moll op. 29 eröffnet, gefolgt <strong>von</strong> den Uraufführungen <strong>von</strong> drei<br />

<strong>von</strong> Mrs. Coolidge in Auftrag gegebenen und ihr gewidmeten W erken: <strong>Webern</strong>s<br />

Streichquartett op. 28, Louis Gruenbergs Q uartett No. 2, op. 40 und Frederick<br />

Jacobis Hagiographa: Three Biblical Narratives für Streichquartett und Klavier.11<br />

Drei Wochen nach der Uraufführung, am 13. Oktober, schrieb <strong>Webern</strong> an<br />

Polnauer: „Ich kann Dir einen schönen Brief <strong>von</strong> Sehönberg zeigen, über mein neues<br />

Quartett. Die Kolischs haben es ihm vorgespielt. Von der Aufführung in Pittsfield<br />

selbst ist auch schon indirekte Kunde da (über die Universal Edition), sehr<br />

erfreuliche. Auch Stein hat sich inzwischen schon gemeldet. Es ist schon ein Brief<br />

<strong>von</strong> der englischen Firma [Boosey & Hawkes] da mit diversen Anfragen.“<br />

Einer Notiz im Skizzenbuch V zufolge war das Streichquartett arn 24. Juni 1938,<br />

also noch vor seiner ersten Aufführung, bei der AKM (Autoren, Komponisten,<br />

Musikverleger) angemeldet worden. Zu dieser Zeit war die Gleichschaltung aller<br />

österreichischen Belange mit der Gesetzgebung der NSDAP schon weit fortgeschritten.<br />

Die jüdischen Mitglieder der Geschäftsleitung der Universal Edition<br />

waren entlassen worden, und die neue Direktion war an die kulturellen Richtlinien<br />

des Hitler-Regimes gebunden. Das hatte zur Folge, daß <strong>Webern</strong>s Musik summarisch<br />

als „entartete Kunst“ eingestuft wurde, und daß das Haus, das für seine Werke<br />

Pionierarbeit geleistet hatte, zu seinen Lebzeiten nichts mehr <strong>von</strong> ihm veröffentlichte.<br />

Erwin Stein, der viele Jahre dem Redaktionsstab der Universal Edition angehört<br />

hatte, war es gelungen, zum Verlag Boosey & Hawkes hinüberzuwechseln, mit dem<br />

das Wiener Haus durch seine Londoner Niederlassung enge Beziehungen unterhielt.<br />

Durch Steins Vermittlung konnte eine Übereinkunft mit Boosey & Hawkes<br />

4 4 7


über die Veröffentlichung <strong>von</strong> W eberns Q uartett erzielt werden. Am 16. November<br />

1938 teilte der Komponist Stein mit: „Ich möchte nur hinzufügen, daß, als mein<br />

Vertrag mit der U.E. vor einiger Zeit abgelaufen war, wir ausdrücklich vereinbarten,<br />

ihn nicht m ehr zu erneuern sondern lieber eine A rt <strong>von</strong> moralischen Ü bereinkom ­<br />

men zu wahren. So steht also <strong>von</strong> dieser Seite einem Abschlüsse zwischen Boosey u.<br />

Hawkes gegenüber oder vielmehr der U.E.Ltd. in London und mir nichts im<br />

W ege.“ 12 Wenn auch die Bedingungen nicht so vorteilhaft waren, wie W ebern es<br />

sich erhofft hatte, waren die Vereinbarungen doch noch bis zum Jahresende<br />

abgeschlossen.13<br />

Sobald der Vertrag unterschrieben war, widmete der Komponist seine ganze<br />

Aufmerksamkeit der Herstellung der gedruckten Partitur, die er zum ersten Mal<br />

nicht persönlich würde überwachen können. Am 16. Januar 1939 schrieb er Stein<br />

und unterbreitete ihm im Detail seine Wünsche wie etwa die Anlage der Notenseiten<br />

der Partitur: „Bitte, nicht mehr als drei Systeme auf eine Seite! . . . Und wieder<br />

innerhalb der Systeme nicht zu eng, nicht zu viel Takte in einer Zeile, sondern eben<br />

möglichst nach meiner Vorlage!!! Die ganze Einteilung, die Verhältnisse innerhalb<br />

der Takte schließlich so genau als nur möglich nach meinem Manuskript! Nun sind ja<br />

rhythmisch kaum irgendwelche Komplikationen in meinem Quartett, aber der<br />

Gedanke muß plastisch durch das Bild in Erscheinung treten! Welche Hilfe bedeutet<br />

das für das Verständnis! Ich bitte Dich, das dem Verlag begreiflich zu machen! Falls<br />

er zuviel sparen will. . .“ W ebern bestand auch auf der deutschen Sprache für<br />

Tempi, Titelei und Widmung sowie der Verwendung der Antiquaschrift für den<br />

Text, wie in allen seinen arideren Partituren, und dem Verzicht auf jegliche A rt <strong>von</strong><br />

Ornam entik.14<br />

Mit der Ausnahme einer Schmuckleiste auf Umschlag- und Titelseite wurden alle<br />

Anweisungen befolgt. „Am 6. V. 1939, Partitur meines Streichquartetts op. 28<br />

erhalten“ , lautet die letzte Eintragung in <strong>Webern</strong>s Tagebuch, das seit 1931 nur noch<br />

gelegentlich zu Aufzeichnungen wichtiger Familienereignisse benützt worden war.<br />

Der Komponist war höchst befriedigt über das Herstellungsergebnis und gab Stein<br />

gegenüber wiederholt seiner Freude Ausdruck. Am 27. Juni schrieb er: „Je länger<br />

ich die Ausgabe sehe, umso mehr gefällt sie mir! Auch die Ausstattung! Hurnpliks<br />

finden diese ausgezeichnet, echter englischer Tradition gemäß, im Sinne alter<br />

Dickens- Ausgaben! “ 15<br />

Stein, der beabsichtigte, für das neuveröffentlichte Werk in der Zeitschrift <strong>von</strong><br />

Boosey & Hawkes, Tempo, Propaganda zu machen, hatte <strong>Webern</strong> am 29. April<br />

gebeten, ihm für den Artikel „einige Fingerzeige zu geben: Daten der Entstehung<br />

und vielleicht einige Winke, die mir die Analyse erleichtern.“ Dieses schlichte<br />

Ersuchen sollte ein Echo hervorrufen, das die erwarteten Ausmaße bei weitem<br />

überstieg. Im Mai verfaßte der Komponist in seiner eigenen Handschrift eine so<br />

umfassende und detaillierte Analyse, daß Stein sich zur Feststellung veranlaßt sah:<br />

„. . . eine Erleuchtung in allen Richtungen. . . ein ganzer Kursus in der<br />

Form enlehre“ . Es existiert noch eine Schreibmaschinenabschrift dieses Exposes, die<br />

auf Bitten <strong>Webern</strong>s angefertigt worden war, da er keine Kopie für sich selbst<br />

behalten hatte und die Analyse einigen Freunden zeigen wollte.16 Am 27. Juni bat er<br />

448


Stein, seinen Brief in ein paar Exemplaren zu vervielfältigen. „Doch müßte dabei<br />

unbedingt die Stelle, die <strong>von</strong> Polnauers Entdeckung (über mein Fugenthema: B-A-<br />

C-H) handelt, wegfallen. So viel ich mich erinnere, gienge es ganz leicht, ohne den<br />

Zusammenhang meiner Ausführungen dadurch zu zerstören.“<br />

Anscheinend wollte der Komponist einen Hinweis darauf vermeiden, daß die<br />

Intervallbeziehungen der ersten vier Töne der Reihe des Q uartetts eine Analogie zu<br />

Bachs letztem musikalischen Gedanken in der Kunst der Fuge darstellten, obgleich<br />

eine solche Parallele in der Tat gegeben ist. Die Grundreihe des Quartetts lautet:<br />

w F" M I" ~~s («f. “tre® {-<br />

ff ~~ “~~i<br />

j<br />

_ 1<br />

Die ersten vier Töne sind eine Transposition der B-A-C-H-Sequenz, die nächsten<br />

vier ihre Umkehrung und die letzten vier eine Transposition der ersten. Bei seiner<br />

Verarbeitung der Reihe verwendete W ebern die Motive oder „G estalten“ , wie er sie<br />

gern nannte, nicht nur als drei Vierergruppen, er unterteilte auch die Zwölftonreihe<br />

in zwei Gruppen <strong>von</strong> je sechs. In der letzteren Anordnung stellt die zweite<br />

Sechstongruppe die Umkehrung des Krebses der ersten dar. Folglich ist die<br />

Umkehrung der gesamten Reihe identisch mit ihrem transponierten Krebs. In<br />

seinen Reihentabellen, die im Skizzenbuch während der Anfangsstadien der<br />

Komposition entworfen worden waren, verwendete W ebern beide Unterteilungen,<br />

die in dreimal vier Töne wie auch die in zweimal sechs. Die zweifachen<br />

Verzweigungen dieser ersten Entwürfe lassen die Frage, ob sich der Komponist der<br />

Bach-Parallele tatsächlich bewußt war, offen.<br />

Als Stein <strong>Webern</strong> wissen ließ, daß der Artikel in Tempo unvermeidlicherweise<br />

gekürzt erscheinen müsse, war der Komponist enttäuscht und bat ihn inständig, es<br />

nochmals zu überdenken. In seinem Brief vom 27. Juni beharrte erdarauf, daß alles<br />

<strong>von</strong> Wichtigkeit sei, und gab als Begründung: „Ganz kürzlich ist mir auch erst so<br />

recht klar geworden, was im Scherzo der IX. <strong>von</strong> Beethoven vorgeht: im Grunde<br />

hier schon Synthese der beiden Darstellungsarten: Verbindung <strong>von</strong> Fuge und<br />

Scherzo-Form! Also was ähnliches, wie in meinem dritten Satz des Quartetts. Aber<br />

zeigen muß man, wie die Gesetzmäßigkeiten beider Arten erfüllt sind, ich meine bei<br />

Beethoven. Das muß ja erst alles geschehn, müßte wenigstens: denn hier geht es um<br />

wichtigste Probleme unserer Zeit überhaupt!!! Den Leuten endlich, endlich die<br />

Augen zu öffnen über unsere Musik.“<br />

Trotz <strong>Webern</strong>s Argumenten fiel Erwin Steins Einführungsartikel kurz aus. Unter<br />

dem Titel „W ebem ’s New Quartet“ erschien er 1939 in Tempo (No. 7). Im<br />

darauffolgenden Jahr —der Zweite Weltkrieg war bereits ausgebrochen —schrieb<br />

Egon Wellesz über das Werk in einer anderen englischen Zeitschrift, The Music<br />

Review. Bei seiner Nachzeichnung der Gesamtentwicklung der Wiener Schule<br />

stellte er fest: „Heute können wir erkennen, daß <strong>Webern</strong> aus der stilistischen<br />

Entwicklung der spätromantischen Musik des 19. Jahrhunderts die logischen<br />

Konsequenzen noch kompromißloser gezogen hat als Sehönberg. Eine genaue<br />

449


Untersuchung der Entstehungsdaten ihrer W erke und ein Vergleich ihrer Stile<br />

dürfte jederm ann die Tatsache vor Augen führen, die dem Freundeskreis durchaus<br />

bekannt war, daß W ebern seinen ehemaligen Lehrer zu einem musikalischen<br />

Radikalismus zwang, der Schönbergs Frühwerken fremd war.“ Wellesz faßte seine<br />

Einschätzung in den folgenden Gedanken zusammen: „M an kann die üblichen<br />

M aßstäbe auf dieses neue W erk <strong>Webern</strong>s nicht anwenden. Er ist ein Musiker <strong>von</strong><br />

staunenswerter Originalität, ein Künstler sui generis, dessen Stil durch seine<br />

Persönlichkeit geprägt ist und deshalb keine Nachfolger oder Nachahmer finden<br />

kann, es sei denn, sie hätten dieselben emotionellen Erfahrungen gemacht. Es<br />

schmälert die Bedeutung des Komponisten nicht im geringsten, wenn wir in seiner<br />

Kunst eine späte und subtile Blüte einer langen Evolution feststellen. Man kann ihm<br />

und seinen Zielen nur gerecht werden, wenn man sich dem Strom der Zeit mit<br />

unbeirrbarem Vertrauen auf seine Ideale entgegenstemmt.“ 17<br />

Das Streichquartett op. 28 war das letzte Werk <strong>Webern</strong>s, das zu seinen Lebzeiten<br />

im Druck erschien. Wenn auch die politischen Umstände seine Veröffentlichung im<br />

Ausland notwendig machten, war der Komponist dennoch aufs höchste befriedigt,<br />

war er sich doch dessen bewußt, daß er mit diesem Werk einen entscheidenden<br />

Schritt beim Aufstieg zu seinem eigenen Parnass getan hatte. Das erkannte Theodor<br />

W iesengrund-Adorno, als er schrieb: „G erade auf das Streichquarett op. 28 hat er<br />

die größten Stücke gehalten. Nicht weniger erwartete er da<strong>von</strong>, als daß es den Bruch<br />

der abendländischen Musikentwicklung überbrücke, den <strong>von</strong> Objektivität und<br />

Subjekt, der ihm in den historischen Typen der Fuge und der Sonate kodifiziert<br />

dünkte.“ 18<br />

Ganz abgesehen <strong>von</strong> der stilistischen Signalwirkung des Quartetts ist <strong>Webern</strong>s<br />

Analyse <strong>von</strong> einmaliger Bedeutung für das Verständnis seines gesamten musikalischen<br />

Denkprozesses. Aus diesem Grunde ist sie in Anhang II (S.669) im vollen<br />

Wortlaut wiedergegeben.<br />

450


29. l'olgcn des Anschlusses —<strong>Webern</strong>,<br />

der Lehrer (1938)<br />

Als <strong>Webern</strong> in seinem Skizzenbuch die Eingliederung Österreichs ins Deutsche<br />

Reich vermerkte, konnte er die schrecklichen Folgen, die dieses schwerwiegende<br />

Ereignis nach sich ziehen sollte, noch nicht voraussehen.<br />

Am Nachmittag des 14. März 1938 machte Adolf Hitler seinen triumphalen<br />

Einzug in Wien, der Stadt seiner vereitelten frühen Ambitionen. Das Delirium des<br />

Sieges verführte den Eroberer zu einem durch nichts zu zügelnden Machtanspruch.<br />

Kurzfristig wurden 79 000 Personen allein in Wien verhaftet, weil sie als politisch<br />

„unzuverlässig“ galten. Ein viel härteres Schicksal befiel die Juden, <strong>von</strong> denen es zur<br />

damaligen Zeit etwa 180000 in der Stadt gab. Ein Augenzeugenbericht liegt <strong>von</strong><br />

dem amerikanischen Korrespondenten William L. Shirer vor: „In den ersten paar<br />

Wochen war das Benehmen der W iener Nationalsozialisten schlimmer als alles, was<br />

ich in Deutschland gesehen hatte. Es gab eine Orgie des Sadismus. Tag für Tag<br />

konnte man sehen, wie zahllose jüdische Frauen und M änner Schuschnigg-<br />

Embleme <strong>von</strong> den Fußwegen schrubbten und die Rinnsteine säuberten. Während<br />

sie auf Händen und Knien arbeiteten, standen grinsende Sturmmänner über ihnen,<br />

und das Volk lief zusammen, sie zu verhöhnen. Hunderte <strong>von</strong> Juden, Männer und<br />

Frauen, wurden in den Straßen zusammengetrieben und mußten in den Quartieren<br />

<strong>von</strong> SA und SS arbeiten. Zehntausende wurden ins Gefängnis geworfen. Ihr Besitz<br />

wurde konfisziert oder gestohlen. Ich selbst konnte <strong>von</strong> unserer Wohnung in der<br />

Plösslgasse aus beobachten, wie Kommandos <strong>von</strong> SS-Männern Silber, Teppiche,<br />

Gemälde und anderes Raubgut aus dein Palais Rothschild nebenan fortschleppten.“<br />

1<br />

Nur wenige konnten rechtzeitig fliehen, da die Grenzen fast sofort hermetisch<br />

abgeriegelt wurden. Die Ausreise wurde <strong>von</strong> nun an durch das Am t für jüdische<br />

Auswanderung2 kontrolliert. Bis zum Ausbruch des Krieges im September 1939<br />

gestattete es etwa der Hälfte der jüdischen Bevölkerung, sich den Weg in die<br />

Freiheit um den Preis zu erkaufen, aller ihrer zurückgelassenen Habe verlustig zu<br />

gehen.3<br />

U nter den ersten Freunden <strong>Webern</strong>s, die fortgingen, waren Heinrich Jalowetz<br />

und Kurt Manschinger4, die beide über Prag entkommen konnten, wo sie Verwandte<br />

besaßen. Schließlich machten sie ihren Weg in die Vereinigten Staaten. Manschinger<br />

ließ sich in New York nieder und wurde Redakteur in einem Musikverlag; Jalowetz<br />

gelang es, eine Lehrstelle am Black Mountain College in North Carolina zu finden.<br />

Dr. Oskar Adler und Egon Wellesz wanderten nach England aus, wo der letztere<br />

einen Lehrauftrag an der Universität Oxford annahm. Willi Reich floh in die<br />

Schweiz und wurde später Musikkritiker einer Züricher Zeitung. Schönbergs<br />

451


Schwiegersohn, Felix Greissle, dem W ebern beim Packen und dem Unterstellen<br />

seiner Bücher half sowie bei der Ordnung seiner finanziellen Angelegenheiten,<br />

reiste mit seiner Familie nach New York, wo er eine leitende Stellung in einem<br />

Musikverlag übernahm. Das Unabwendbare voraussehend, hatten Eduard Steuermann<br />

und Paul A. Pisk Wien schon 1936, Ernst Krenek 1937 und M ark Brunswick<br />

1938 verlassen.<br />

Jedesmal, wenn W ebern <strong>von</strong> einem der Freunde Abschied nehmen mußte, erlitt<br />

er dieselben emotionellen Qualen, als ob er selbst seine Heimat verlassen müßte.<br />

Ü ber einen dieser Anlässe berichtete später Dr. Rudolph Kurzmann, der zum<br />

letzten Mal mit W ebern am Tag vor seiner Abreise nach Amerika im Juli 1938<br />

zusammen war: „D a ich wenig Zeit m ehr hatte, begleitete er mich den ganzen<br />

Vormittag auf meinen Besorgungen. Wir hatten dann Lunch auf der Terrasse eines<br />

G artenrestaurants. W ährend der Stunden des Zusammenseins sprachen wir das<br />

erstemal in all den Jahren über Politik, d.h. Hitler und seine verbrecherischen<br />

Helfer. In dem Restaurant war er so leidenschaftlich, daß ich ihn bitten mußte, seine<br />

Stimme in meinem Interesse, einen Tag vor meiner Abreise, dämpfen zu wollen.<br />

Eine Stunde später, mitten auf der Straße, gab er mir plötzlich ein Manuskript,<br />

umarmte mich und verschwand.“5<br />

Es waren nicht nur Juden, die versuchten, die <strong>von</strong> Hitler beherrschten Länder zu<br />

verlassen, sondern auch viele Nichtjuden, die nicht unter einem System leben<br />

wollten, das jegliche freie Meinungsäußerung unterdrückte, noch einem Regime zu<br />

dienen bereit waren, das so eindeutig auf militärische Eroberung und die<br />

Katastrophe eines Krieges hinsteuerte. Jeder einzelne dieser Zehntausende, die ins<br />

Exil gingen, tat dies unter mehr oder weniger abenteuerlichen Umständen. Wenn sie<br />

sich aber erst einmal in Sicherheit gebracht hatten, galt es, ungeheure praktische und<br />

emotionelle Probleme zu bewältigen. Entwurzelt <strong>von</strong> ihrer gewohnten Umgebung,<br />

ihrer Muttersprache beraubt, fanden sie sich alle —Intellektuelle und Arbeiter,<br />

Reiche wie Arme - zunächst einmal mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert.<br />

Viele, die oft mittellos ankamen, mußten niedrigste Arbeiten annehmen, um ihr<br />

tägliches Brot zu verdienen.<br />

Es nimmt nicht wunder, daß die Scheu, ein so hartes Dasein auf sich zu nehmen,<br />

viele veranlaßte, zu Hause zu bleiben in der Hoffnung, daß der Sturrn bald<br />

vorüberziehen oder daß Druck vom Ausland den Extremismus in der Heimat zügeln<br />

würde. Solche Illusionen sollten sich jedoch bald verflüchtigen. Breite Schichten der<br />

Bevölkerung, soweit sie noch nicht zum Nazismus bekehrt waren, söhnten sich<br />

allmählich mit ihm aus im Hinblick auf die positiven Aspekte des neuen Regimes:<br />

das Ende jahrelanger Unruhen, die W iedererrichtung <strong>von</strong> Ordnung, war sie auch<br />

noch so autokratisch, und ein beinahe unmittelbar einsetzender wirtschaftlicher<br />

Aufschwung, der die Arbeitslosigkeit beseitigte und zunehmenden Wohlstand<br />

brachte. Nicht zuletzt fegte eine Woge <strong>von</strong> großdeutschem Patriotismus die bittere<br />

Erinnerung an die Niederlage im Ersten Weltkrieg hinweg. Befreit <strong>von</strong> den letzten<br />

Fesseln der <strong>von</strong> den Deutschen als so demütigend empfundenen Friedensverträge,<br />

war die M ehrheit der Bevölkerung bald dazu bereit, ihrem Führer blindlings in die<br />

glorreiche Zukunft zu folgen, die er ihr so überzeugend vorgaukelte.<br />

452


Es dauerte nicht lange, bis so ziemlich jeder, dem nicht der Makel einer<br />

nichtarischen Abstammung anhaftete, der für ihn vorgegebenen Parteiorganisation<br />

beitrat, sei es aus politischer Überzeugung, sei es aus Nützlichkeitserwägungen oder<br />

aus Zwang. Die junge G eneration gab sich als erste dem neuen nationalen Glauben<br />

hin. <strong>Webern</strong>s Tochter Christine wurde Mitglied im Bund deutscher Mädchen, der<br />

Schwesterorganisation der Hitler-Jugend. Ein paar Wochen nach dem Anschluß,<br />

am 2. Juni 1938, heiratete sie Benno Mattel, einen aktiven SA-Mann. W ebern<br />

fungierte als Zeuge bei der Ziviltrauung vor dem Mödlinger Standesamt. Der<br />

Bräutigam trug die Parteiuniform mit dem Braunhemd, und über der Zeremonie<br />

hing die Fahne des D ritten Reichs. Man kann W eberns Gefühle nur ahnen, als er<br />

sein jüngstes Kind unter der Swastika, dem Symbol eingeschworener Feindschaft<br />

gegenüber seinen eigenen besten Freunden, vermählte. Verfolgte ihn nicht doch der<br />

Geist Schönbergs, um nur einen Namen zu nennen, bei diesem feierlichen Anlaß?<br />

Wie die Dinge nun einmal lagen, blieb den Eltern kaum etwas anderes übrig, als<br />

die Verbindung zu billigen. Christine war bereits im fünften M onat schwanger, und<br />

ihre Zukunft und die Ehre der Familie wogen schwerer als alle anderen<br />

Überlegungen. D er neue Schwiegersohn (sein Vater war ein Mödlinger Tierarzt,<br />

seine M utter italienischer Abstammung) war als Schuljunge in eine Schießerei<br />

verwickelt gewesen, die seinerzeit einiges Aufsehen erregt hatte. Jetzt eröffnete sich<br />

ihm die Aussicht auf eine einflußreiche Position als Parteifunktionär. Geschickt und<br />

gewitzt in seinen persönlichen Angelegenheiten, besaß er alle diejenigen Eigenschaften,<br />

die ihm mit Sicherheit großen materiellen Erfolg bei den verschiedenen<br />

Stationen seiner abenteuerlichen Karriere einbringen würden. Allerdings war er bei<br />

der Familie wenig beliebt, wie Gunter Waller, Amalies Ehemann, später offen<br />

berichtete.<br />

Waller selbst trat denn auch der NSDAP bei, ein Schritt, der damals anscheinend<br />

für alle Zweige des Berufslebens kaum zu umgehen war, besonders für Inhaber<br />

leitender Positionen. W eberns Sohn Peter, damals 22 Jahre alt, hatte sich der<br />

Bewegung verschrieben, noch bevor sie an die Macht gelangte. Während eines<br />

längeren Aufenthalts in Graz, wo er eine Niederlassung der Wallerschen Finna<br />

betrieb, war er aufs gründlichste mit der nazistischen Ideologie indoktriniert worden<br />

und war heimlich der damals noch illegalen Partei beigetreten. Mit dem Anschluß<br />

wurde er ein enthusiastischer und freimütiger Bekenner des Neuen Reiches und<br />

seiner Reformen.6 Von <strong>Webern</strong>s vier Kindern widerstand allein Maria der<br />

Massenpsychose. Schon seit Jahren hatte sie ein Liebesverhältnis mit einem jungen<br />

Mann jüdischer Abstammung, der sich zur Auswanderung gezwungen sah. Maria<br />

hatte beabsichtigt, ihm zu folgen, als aber 1939 der Krieg ausbrach, konnte sie nicht<br />

mehr ausreisen und heiratete schließlich einen anderen.<br />

Angesichts der mit politischer Spannung geladenen Atmosphäre im unm ittelbaren<br />

Familienkreis verfolgte <strong>Webern</strong> nur ein einziges Ziel. Es war Dr. Rudolph<br />

Kurzmann zufolge auf die „Rettung eines reinen Familienlebens“ ausgerichtet.7 Er<br />

verbot jegliche politische Diskussion zu Hause, und wenn <strong>von</strong> nazistischem<br />

Gedankengut die Rede war, begegnete er dem mit Schweigen.<br />

Als das neue Regime fest im Sattel war, befand sich W ebern tatsächlich an einem<br />

453


Scheideweg, als privates Individuum wie auch als Künstler. Wie war es in<br />

Wirklichkeit um seine Chancen unter der neuen Ordnung bestellt? W ebern als<br />

reinrassiger Arier war der Sproß einer Familie, die schon 1574 in den Adelsstand<br />

erhoben worden war. Im Verlauf der Jahrhunderte hatte diese seine Familie viele<br />

Persönlichkeiten <strong>von</strong> Namen und unzweifelhaftem Patriotismus hervorgebracht.<br />

W eberns Vater war zum Chef des Bergwerkswesens unter den Habsburgern<br />

auf gestiegen. <strong>Webern</strong>s eigene militärische Laufbahn während des Ersten Weltkriegs<br />

war, selbst wenn er keinen Frontdienst leistete, ehrenhaft. Mit Sicherheit wäre er<br />

den neuen M achthabern aufgrund seiner rein persönlichen Qualifikationen durchaus<br />

annehmbar erschienen. Ü ber seine einstige Verbindung zu einer sozialistischen<br />

Organisation hätte man bereitwillig ein Auge zugedrückt, hätte er sich mit der neuen<br />

Ordnung solidarisch erklärt und versucht, sich mit ihren Funktionären zu<br />

arrangieren. Weniger charakterfeste Leute hatten damit nicht gezögert, was sich für<br />

sie reichlich bezahlt machte. Als Komponist hätte sich <strong>Webern</strong> zu Elaboraten im<br />

tonalen Idiom erniedrigen und damit öffentlich seine Verirrungen abschwören und<br />

zugleich die Trugschlüsse der Theorien Schönbergs eingestehen können. Er hätte<br />

sogar ein solches Vorgehen rechtfertigen können: H atte sich nicht Schönberg selbst<br />

praktischen Notwendigkeiten gebeugt, als er einige tonale W erke in Amerika<br />

hervorbrachte?<br />

Es war gerade in diesem Bereich, der Prüfung seines künstlerischen Gewissens,<br />

daß W ebern seine wahre Größe bewies. Wenn er sich vorher der naiven Hoffnung<br />

hingegeben hatte, daß sich seine Musik im Laufe der Zeit dem neuen Regime als<br />

akzeptabel erweisen würde, wurde diese Illusion rasch zerstört. Bald nach dem<br />

Anschluß wurde im Wiener Künstlerhaus eine Propagandaausstellung unter der<br />

Parole „Entartete Kunst“ veranstaltet. Diese Schaustellung, die dem Muster der in<br />

München im Vorjahr gezeigten folgte, umfaßte nicht nur Gemälde, sondern auch<br />

Literatur und Musik. Auch <strong>Webern</strong>s Kompositionen befanden sich darunter, und<br />

somit war sein Werk einhellig und offiziell gebrandmarkt. Es brachte die<br />

Veranstalter in Verlegenheit, daß die Ausstellung Massen <strong>von</strong> Besuchern anzog,<br />

unter ihnen viele Studenten, und die Schlangen reichten bis weit auf die Straße. Ob<br />

dieses Interesse Ausdruck schweigender Solidarität war oder lediglich Neugierde,<br />

war <strong>von</strong> wenig Belang für die Künstler, die als dekadent und unerwünscht<br />

angeprangert waren.<br />

Diese unmißverständliche Warnung der neuen Kulturdiktatoren konnte W ebern<br />

jedoch nicht schrecken. Keinen Augenblick wich er <strong>von</strong> seinem Credo ab,<br />

geschweige denn <strong>von</strong> seiner Richtung. <strong>Josef</strong> Polnauer hat bezeugt, daß W ebern trotz<br />

des beruflichen Boykotts, mit dem er konfrontiert war, zunächst nicht entmutigt<br />

war. Er hoffte immer noch, daß sich die Lage „beruhigen“ werde und die Zeit für<br />

seinen Durchbruch bevorstehe.8 Nicht einmal die Übernahm e der Universal Edition<br />

durch eine nazistische Direktion konnte seinen Optimismus erschüttern, ebensowenig<br />

wie die Tilgung seiner Kompositionen <strong>von</strong> Programmen in Österreich oder<br />

Deutschland, auch nicht das Ausbleiben <strong>von</strong> Dirigierverpf 1ichtungen durch die<br />

Ravag, obwohl es infolge der Aussperrung der Juden mehr als genug Gelegenheiten<br />

gab. Polnauer zufolge wurde sich W ebern nur sehr allmählich darüber klar, was sich<br />

454


in der Welt rings um ihn zutrug. Drei ganze Jahre dauerte es, bis sein naiver Glaube<br />

an eine freundlichere künstlerische Zukunft ein für alle mal erschüttert wurde. Doch<br />

dann war es so weit, daß auch die politisch am unrealistischsten Denkenden die<br />

schrecklichen Auswirkungen eines verheerenden Krieges zu fühlen begannen.<br />

W eberns letzte W erke sind Zeugnis seiner Integrität und unverrückbaren<br />

Zielsetzung. In der völligen Identifikation mit seiner schöpferischen Sendung<br />

akzeptierte er die Tatsache, daß er für den Augenblick keinerlei Anerkennung oder<br />

Rückhalt zu erwarten hatte. Das Vakuum, in dem zu arbeiten er verurteilt war,<br />

stellte den Preis dar, den er für seine künstlerische Unabhängigkeit willig<br />

entrichtete.<br />

Bis zum Ausbruch des Krieges mag auch W ebern die Emigration erwogen haben.<br />

In seiner Korrespondenz mit Arnold Schönberg und Willi Reich finden sich<br />

Andeutungen. Er sprach darüber auch mit Polnauer. Es muß aber ernsthaft in Frage<br />

gestellt werden, ob er tatsächlich jemals einen so drastischen Schritt getan hätte. Vor<br />

allem war er emotionell gar nicht dazu fähig, sich <strong>von</strong> seinen Kindern zu trennen.<br />

Gleicherweise hätte er nur unter dem größten Widerstreben seinem Vaterland für<br />

immer den Rücken gekehrt. Seine Liebe zur heimatlichen Scholle war so stark, daß<br />

er bei jeder Auslandsreise die Stunden zählte, bis er die österreichische Grenze<br />

wieder passieren konnte. Nur in seinem Heimatland, mehr noch in seiner<br />

allerengsten Umgebung, fühlte sich seine sensible N atur geborgen. Man braucht nur<br />

seine Tagebuchnotizen zu lesen, um die Tiefe dieser einzigartigen Hingabe zu<br />

verspüren. Für <strong>Webern</strong> konnte sich der Glanz <strong>von</strong> Paris nicht im entferntesten mit<br />

dem Wiens messen, und die Palmen der Riviera waren nur ein bläßlicher Ersatz für<br />

das Grün der heimatlichen Wälder. E r war krank vor Heimweh, wenn er <strong>von</strong> der<br />

Familie auch nur für ein paar Tage getrennt war, und der bloße Gedanke, in einem<br />

fernen Land leben zu müssen, entwurzelt wie eine Pflanze <strong>von</strong> ihrem M utterboden,<br />

war genug, ihn in Angst und Schrecken zu versetzen.<br />

W eberns überwältigende Abneigung, sich <strong>von</strong> allem, an dem er mit jeder Faser<br />

hing, trennen zu müssen, entschied für ihn den W iderstreit zwischen Vernunft und<br />

Emotion, wann immer das Thema Emigration ernsthaft zur D ebatte stand. Statt<br />

dessen wählte er ein Doppelleben. Als Privatmann befolgte er die Maxime „Man<br />

muß der Obrigkeit gehorchen“, ganz gleich, welches System auch immer die<br />

Autorität vertrat. Paradoxerweise brachte er diese Philosophie mit einem künstlerischen<br />

Tem peram ent in Einklang, das ihn in Wirklichkeit <strong>von</strong> Anfang an zuin<br />

Rebellen gemacht hatte. Als schöpferischer Künstler wich er bewußt in die innere<br />

Emigration aus, indem er die letzten sieben Jahre seines Daseins der unbeirrten<br />

Weiterverfolgung seiner Visionen widmete. In diesem Exil einsamen Denkens<br />

herrscht Freiheit. Warum also zu fremden Gestaden fliehen? Indem er sich so in die<br />

Hand einer höheren Vorsehung begab, hatte sich <strong>Webern</strong> damit abgefunden, seine<br />

Zeit abzuwarten.<br />

Am 9. Februar 1938 schrieb W ebern an die <strong>Humplik</strong>s: „Unser Augenlicht, liebe<br />

Hildegard, kommt im Juli in London bei einem Musikfest [der IGNM] zur ersten<br />

Aufführung. Ich werde nicht selbst dirigieren, da ich doch die Sprache gar nicht kann<br />

455


und daher beim Chor-Studium zu viel Schwierigkeiten hätte. A ber ich möchte gern<br />

hinfahren, um zuzuhören und vielleicht auch indirekt fördernd, ,durch unsere<br />

offenen Augen . . .‘ “<br />

<strong>Webern</strong>s Hoffnungen sollten sich nicht erfüllen - die sich überstürzenden<br />

politischen Veränderungen, die der Anschluß im März im Gefolge hatte, machten<br />

alle Pläne zunichte. Ein unmittelbares Ergebnis war die Einstellung aller Aktivitäten<br />

<strong>von</strong> Organisationen, die mit den Doktrinen des D ritten Reiches nicht konform<br />

gingen. Zu dieser Kategorie gehörte auch die österreichische Sektion der IGNM,<br />

deren Präsident W ebern noch immer war. Bedrückt schrieb er Willi Reich am 29.<br />

April: „Von hier kann niemand kommen. Ich habe zwar eine Einladung bekommen,<br />

aber ich werde wohl kaum abkommen können. Einen ,D elegierten1der hiesigen<br />

Sektion wird es diesmal nicht geben. D eren Schicksal sowie des Vereins ist<br />

einstweilen noch nicht geklärt. Jedenfalls kann sie (laut Gesetz) nicht mehr<br />

,österreichisch4heißen. Zur Zeit zeichne ich allein verantwortlich.“<br />

W ebern hatte zum letzten Mal einem IGNM -Fest im April 1936 in Barcelona<br />

beigewohnt, als Herm ann Scherchen für ihn als Dirigent der Uraufführung des<br />

Violinkonzerts <strong>von</strong> Berg einspringen mußte. Die tiefe Erniedrigung, die <strong>Webern</strong><br />

damals hinnehrnen mußte, erfüllte ihn mit Ressentiments, und es hatte keinerlei<br />

persönliche Kontakte zwischen den beiden M ännern bis gegen Ende 1937 gegeben,<br />

als Scherchen dem Komponisten mitteilte, er werde seine Ricercar-Bearbeitung im<br />

Januar 1938 in England auf führen.9 Bald nachher willigte Scherchen ein, auch die<br />

Uraufführung <strong>von</strong> Das Augenlicht zu leiten. Am 12. April 1938 schrieb W ebern<br />

einen langen Brief an den Dirigenten, in dem er ihm für seine Bereitwilligkeit<br />

dankte, diese schwierige Aufgabe zu übernehm en.10 W ährend er auf Scherchens<br />

Verständnis für sein neues Werk Vertrauen setzte, hoffte er dennoch auf eine<br />

Gelegenheit, die Partitur vorher mit ihm in Wien durchzusprechen. Sein hauptsächlichstes<br />

Anliegen war, daß der BBC-Chor zur Aufführung herangezogen und daß<br />

der Text in der deutschen Originalsprache gesungen würde, einen Punkt, den er<br />

immer wieder mit Nachdruck betonte. Alle seine Wünsche sollten erfüllt werden,<br />

und die Chorproben begannen im Mai.<br />

Die Queen’s Hall in London, ein Saal mit 2500 Plätzen, war der O rt der<br />

Uraufführung, die am 17. Juni im Eröffnungskonzert des einwöchigen Musikfestes<br />

stattfand. Das Augenlicht stand im Programm am Schluß der ersten Hälfte und folgte<br />

auf Kompositionen <strong>von</strong> Viteslava Kaprälovä, <strong>Josef</strong> Koffler und Lennox Berkeley.<br />

Nach der Pause kamen Werke <strong>von</strong> Manuel Rosenthal, Julian Bautista und Igor<br />

Markevitch. <strong>Webern</strong>s Opus (zu dem er eine kurze Einführung im Programmheft<br />

beigesteuert hatte) erzielte einen unumstrittenen Erfolg. Am nächsten Tag schrieb<br />

der Kritiker <strong>von</strong> The Times: „Bei weitem das wirklich modernste und überzeugendste<br />

Werk dieses Programms war das des ältesten in ihm vertretenen Komponisten,<br />

A nton W ebern. Seine Vertonung eines kurzen lyrischen Gedichts, ,Das Augenlicht“,<br />

für Chor und Orchester auf ganz eigene A rt und sich abhebend <strong>von</strong> der<br />

Unverbindlichkeit jener Komponisten, die jetzt das sogenannte ,Zwölftonsystem“<br />

für sich beanspruchen, hinterließ einen bemerkenswerten Eindruck. Hier gibt es<br />

wenigstens kein Aufbereiten alter Schablonen durch zusätzliche Instrumente. Jede<br />

456


Note dieser delikaten Instrum entation hat ihren richtigen Platz, wenn er auch noch<br />

so ungewöhnlich anmutet, und das Gedicht ist in den Singstimmen aufs schönste<br />

gestaltet.“<br />

In anderen Zeitungen hieß es: „W ebern schließlich trat als der M eister in<br />

Erscheinung, trotz aller Exzentrizität seiner O rchesterpalette.“ (Daily Telegraph,<br />

18. Juni) „Das einzige Stück im Programm, das echten Respekt abnötigte, war<br />

<strong>Webern</strong>s Werk. Man kann sich kaum etwas Sonderbareres vorstellen als <strong>Webern</strong>s<br />

Denken, so ganz abseits ausgetretener Pfade, daß eingehendes Studium die<br />

Voraussetzung dafür ist, seine Musik auch nur ganz ungefähr so zu verstehen, wie er<br />

es selbst getan haben m uß; aber eines ist gewiß: hier ist ein Geist am Werk, was mehr<br />

ist, als was ich <strong>von</strong> ein oder zwei anderen Gehirnakrobaten zu sagen wage, mit denen<br />

wir noch bekanntgemacht wurden.“ (Sunday Times, 19. Juni)<br />

Die Fachzeitschriften waren gleichermaßen verschwenderisch mit ihrem Lob:<br />

„<strong>Webern</strong>s ,Das Augenlicht“war überzeugend und bewegend, trotz des ungewohnten<br />

Idioms. Die Qualität der W iedergabe des W erkes war erstaunlich gut, und Dank<br />

gebührt dem Dirigenten Hermann Scherchen sowie den BBC Singers, einem<br />

Klangkörper, der in Europa wohl seinesgleichen sucht.“ (Musical Times, Juli 1938)<br />

„Bei allen seinen kaum singbaren Intervallen und seinem anscheinend fragmentarischen<br />

Charakter gewann <strong>Webern</strong>s ,Das Augenlicht“ eine Anzahl neuer Anhänger<br />

für den musikalischen Glauben des Komponisten. Mag sein, daß diese unwirklichen,<br />

wie aus einer anderen Welt kommenden Klangsträhnen einen Sinn haben. Sie<br />

kamen zu maximaler Wirkung in einer wunderbaren Wiedergabe.“ (Musical<br />

Opinion, Juli 1938)<br />

Musiker <strong>von</strong> nah und fern fanden sich zu dem Fest ein. Von Florenz kam der<br />

Komponist Luigi Dallapiccola, der bereits drei Jahre zuvor bei der Uraufführung<br />

<strong>von</strong> W eberns Konzert op. 24 in Prag zugegen gewesen war. In einem langen<br />

Tagebuchbericht, der noch am Abend des Konzerts niedergeschrieben wurde, gab<br />

Dallapiccola den nachhaltigen Eindruck <strong>von</strong> W eberns Musik zusammenfassend<br />

wieder: „Im Augenblick stellt der Klang die größte Bereicherung dar, die diese<br />

Arbeit mir gegeben hat. Ein Klang, der allein genügen würde, um mich in Das<br />

Augenlicht eines der grundlegenden W erke unserer Zeit sehen zu lassen.“ 11<br />

W ebern, daran verhindert, selbst in London sein zu können, war hinsichtlich der<br />

Wiedergabe seines Werkes sehr besorgt gewesen. Am 11. Juni hatte er Reich<br />

geschrieben: „W enn Sie zu Proben <strong>von</strong> meinem Chorstück kommen, schreiben Sie<br />

mir, bitte, gleich <strong>von</strong> Ihren Eindrücken! List und Searle12, die, nach ihren<br />

Mitteilungen zu schließen, schon welche gehört haben müssen, berichteten noch<br />

nichts - ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen? Ich bin schon etwas nervös und<br />

möchte endlich wissen, wie es also der Chor macht, ob es überhaupt geht!. . . Da<br />

das Konzert übertragen wird, werde ich ja vielleicht den einen oder anderen Ton<br />

meines Stückes hören.“<br />

Die in Aussicht gestellte Übertragung fiel jedoch aus, und der Komponist wurde<br />

somit sogar um diese kleine Genugtuung gebracht. Desto größer war seine Freude<br />

über die vielen positiven Berichte, die ihn nach und nach erreichten. „Geschehen<br />

,Zeichen und Wunder“?“, brach es aus ihm hervor in einem Brief an Erwin Stein vom<br />

457


23. Juni, und Hildegard Jone schrieb er sechs Tage später: „Die ganze vergangene<br />

Woche sind wirklich hocherfreuliche Nachrichten über die Aufführung unseres<br />

,Augenlichts“ in London gekommen. Da stehen Worte wie: ,wahrer Trium ph“,<br />

Ju b el und Begeisterung“ usf. Da Du ja da miterklungen bist - es ist ja unser<br />

,Augenlicht“ - freut es mich so insbesondere, und deshalb darf ich wohl Dir<br />

gegenüber auch solches zitieren. Das eine oder andere mußt Du selbst lesen!“<br />

In einem Brief an Scherchen vom 1. Juli 1938 erkundigte sich der Komponist<br />

angelegentlich nach der spezifisch akustischen Realisation seiner Ideen (er selbst<br />

sollte das Werk nie aufgeführt hören): „Wie hat das Orchester geklungen? H at sich<br />

die <strong>von</strong> mir vorgeschriebene Streicher-Besetzung gut bewährt - sowohl im<br />

Verhältnis zum Chor (wie stark war dieser?) als auch zu den anderen Instrumenten?<br />

Wie ging’s mit der hohen Pauke? Also, Sie sehen, ich wüßte ganz gern noch Einiges.<br />

- Ist’s nicht begreiflich? Also ,nichts für ungut“! Ich weiß, Sie haben wenig Zeit zum<br />

Schreiben . . . Nach allem, was ich hörte, haben Sie meinem W erk - so wie Sie es<br />

mir in Ihrem ersten Schreiben darüber in Aussicht stellten - tatsächlich einen großen<br />

,Sieg‘ errungen! Alle Kunde, die kam, war hocherfreulich und mir gerade jetzt<br />

besonders bedeutsam .“ 13<br />

Am gleichen Tag, an dem W ebern an Hermann Scherchen schrieb, begann er mit<br />

der Komposition seiner I. Kantate, op. 29. D er Erfolg <strong>von</strong> Das Augenlicht inspirierte<br />

ihn nicht nur zu einem weiteren Werk im Chor-Medium, er half ihm auch, eine<br />

widerwärtige Begebenheit zu verwinden, <strong>von</strong> der ihn die Kunde aus England schon<br />

vorher im selben Jahr erreicht hatte. E r hatte die Geschichte in einem Brief an Reich<br />

am 29. April beschrieben: „Hörten Sie <strong>von</strong> dem schauderhaften Vorfall anläßlich<br />

der Aufführung meines Streichtrios in London? D er Cellist erhob sich mit den<br />

Worten: ,1 carmot play this thing!“, um vom Podium abzugehen!So was hat sich wohl<br />

noch nicht ereignet!“ 14 Dieser Zwischenfall sollte ein durchaus einmaliges Vorkommnis<br />

darstellen und dazu ein ganz untypisches für Großbritannien, wo das<br />

Publikum für <strong>Webern</strong>s Musik zu seinen Lebzeiten m ehr Verständnis aufbrachte als<br />

in irgendeinem anderen Land. Allein im Jahr 1938 konnte der Komponist mit<br />

Genugtuung Aufführungen <strong>von</strong> nicht weniger als acht seiner W erke verbuchen. Es<br />

waren seine Bach-Bearbeitung, das Streichtrio op. 20 (zweimal), die Fünf Sätze für<br />

Streichquartett op. 5, Das Augenlicht, die Stücke für Geige und Cello (op. 7 und 11),<br />

die Trakl-Lieder op. 14 und die Symphonie op. 21. Das letztere, in Birmingham<br />

gespielte Werk, wurde im Rundfunk übertragen.<br />

Von den beiden kurzen Urlauben, die W ebern in diesem Sommer mit seiner Frau<br />

machte, wurde der erste (25.-29. Juli) bei der Familie Diez in Vordernberg und der<br />

zweite (22. A ugust-2. September) in Kapellen verbracht. W ebern kehrte immer<br />

wieder dorthin zurück; er genoß die idyllische Abgeschiedenheit und, ganz<br />

besonders, die absolute Ruhe. Diesmal wohnten sie im Dorfgasthof Zum A bendstern.<br />

Das Wetter war schlecht, und es begann bereits frühzeitig in den Bergen zu<br />

schneien. Trotzdem fühlte W ebern sich in der ländlichen Stille wohl, wie er Polnauer<br />

am 24. August mitteilte, als er ihr nächstes Zusammensein verabredete.<br />

D er Kontakt zu Polnauer war nach dem Anschluß noch viel enger geworden.<br />

W ebern ließ sich durch den ständig anwachsenden Antisemitismus nicht abschrek-<br />

458


ken, und zahlreiche Briefe zeugen <strong>von</strong> seiner uneingeschränkten Bereitschaft,<br />

seinen jüdischen Freunden beizustehen. Er stattete diejenigen, die bereits ausgewandert<br />

waren, mit Einführungen und Empfehlungen aus und unterhielt einen<br />

lebhaften Briefwechsel, bis der Krieg jeglicher Korrespondenz ein Ende bereitete.<br />

Sogar aus der Ferne versuchte er zu helfen, wo er nur konnte. So beriet er einen<br />

jungen Schüler, George Robert15, am 9. O ktober 1938: „Für Ihre Entwicklung als<br />

Pianist, als Musiker, ist es selbstverständlich 1000-mal besser, daß Sie einstweilen in<br />

der Metropole bleiben können! [Robert dachte daran, <strong>von</strong> New York wegzugehen,<br />

das <strong>von</strong> immigrierten Musikern überfüllt war], . . Ich stelle mir vor, daß Sie<br />

demnächst wieder mit Herrn Steuermann arbeiten werden! Ich habe zwar schon<br />

lange keine Nachricht <strong>von</strong> diesem, glaube aber annehmen zu können, daß er über die<br />

Saison wieder in N.Y. sein wird.“ W ebern beschwor dann die junge Generation,<br />

ihrer Verpflichtung, sich für den W egbereiter Schönberg einzusetzen, eingedenk zu<br />

bleiben, eine Mahnung, die angesichts des Bannes, der solche Musik im nazistischen<br />

Bereich schon längst zum Schweigen gebracht hatte, doppelt rührend anmutet:<br />

„Eines möchte ich Ihnen, als Ihr alter Lehrer, besonders ans Herz legen: Sie müssen<br />

Ihre Berufung insbesondere darin fühlen, fü r das einzutreten (alsPianist zunächst),<br />

was wir aus der Production unserer Tage als das Zukünftige erkannt haben u.<br />

erkennen! Es ist höchste Zeit, daß die Jugend sich besinnt, nicht unsertwegen, nein<br />

sondern ihrethalben! Sie müssen, lieber Freund, erkennen, daß der schreckliche<br />

Tiefstand des heutigen Musiklebens (überall, auf der ganzen Welt!) seine Ursache<br />

darin hat, daß man sich heute, wie noch nie in der Geschichte, an dem Lebenden<br />

versündigt! Es müßte selbstverständlich sein, daß Sie, wenn sie z. B. heute<br />

,Vorspielen“, Schönberg spielen! Und Ihre Antwort auf ,eventuelles Verwundern“<br />

sollte nur lauten: Ja, was denn Anderes sollte ich s p ie le n Es ist höchste Z eit!Sonst<br />

muß zwangsläufig Alles, was uns in der Kunst wichtig ist, zu Grunde gehn!!!“<br />

Solcher Art waren die dringenden Appelle, die <strong>Webern</strong> seinen einstmaligen<br />

Schülern auf ihren Weg zu einem ungewissen Schicksal in fremden Ländern mitgab.<br />

Robert war nur einer der Privatschüler gewesen, die bis zum Anschluß <strong>Webern</strong>s<br />

hauptsächlichste Einkommensquelle darstellten. Dann aber waren, wie nach dem<br />

Läuten der Schicksalsglocke, die Schüler nach allen Richtungen auseinandergestoben.<br />

Diejenigen, die jüdischer Abstammung waren, und das traf auf die Mehrzahl<br />

zu, flohen ins Ausland, so schnell sie konnten. Der Rest wurde <strong>von</strong> der<br />

allgegenwärtigen Angst erfaßt. Der wöchentlich stattfindende Vortragskurs, den<br />

<strong>Webern</strong> im Haus <strong>von</strong> Dr. Kurzmann abgehalten hatte, wurde Ende März<br />

abgebrochen. Einen Monat später, nach der Machtübernahme des Hitler-Regimes,<br />

teilte <strong>Webern</strong> Reich in einem Brief vom 29. April mit: „M it den,Stunden“ist es auch<br />

so eine Sache; zunächst habe ich nur eine zu geben. Man muß Geduld haben!“ Der<br />

einzige Schüler, der seine Studien noch immer weiterbetrieb, war Emil Spira. Auch<br />

er sollte kurz nach der „Kristallnacht“ aus W eberns Kontobuch verschwinden, nach<br />

jenem Judenpogrom, das gegen das Ende des Jahres angezettelt wurde. Wie die<br />

sozialistische Revolution <strong>von</strong> 1934 <strong>Webern</strong>s Dirigentenlaufbahn praktisch beendet<br />

hatte, so brachte der Anschluß seine Lehrtätigkeit mehr oder weniger zum<br />

Stillstand. Als dieses unheilvolle Jahr zu Ende ging, schien <strong>Webern</strong>s Zuversicht<br />

459


erschüttert, wie aus einem Brief an Reich vom 27. Dezember hervorgeht: „An<br />

Schülern habe ich fast alles verloren. Bin manchmal sehr besorgt.“<br />

Kurz nach <strong>Webern</strong>s Tod schrieb Alfred Schlee, einer der D irektoren der Universal<br />

Edition, über ihn: „Seinen größten Einfluß übte er durch seine Lehrtätigkeit aus,<br />

obwohl sie nur einen kleinen Kreis <strong>von</strong> Privatschülern erreichte, die ihn vergötterten<br />

und die W allfahrt nach Wien aus vielen Ländern unternommen hatten. Wie kein<br />

anderer verstand er es, sein unerschöpfliches Wissen mitzuteilen, er förderte junge<br />

Talente mit der Zuneigung eines Vaters und ermahnte zu der gleichen Ernsthaftigkeit<br />

und Verantwortung, mit denen er selbst kom ponierte.“ 16 1935 hatte Arnold<br />

Schönberg geschrieben: „E r ist der leidenschaftlichste und intensivste Lehrer, den<br />

man sich denken kann.“ 17<br />

<strong>Webern</strong>s pädagogische M ethoden und seine geistige Einstellung zu ihnen können<br />

kaum zutreffender charakterisiert werden als durch die Zeugnisse derer, die bei ihm<br />

studiert haben. Die Erinnerungen seiner Schüler enthüllen einen Querschnitt <strong>von</strong><br />

Eindrücken, deren Summe zugleich höchst persönlich wie auch umfassend ist.18<br />

D er erste der Schüler <strong>Webern</strong>s in Mödling war Kurt Manschinger, der 1918 als<br />

Siebzehnjähriger zu ihm kam und ganze sechs Jahre unter seiner Obhut verblieb.19<br />

„Als ich W ebern zum ersten Male begegnete“ , erzählte Manschinger in seinen<br />

Erinnerungen, „gaben mir die hohe Stirn und die randlose Brille den Eindruck <strong>von</strong><br />

einem überaus interessanten und sensiblen Mann. E r sprach leise und immer ein<br />

wenig nervös, doch darunter verspürte man seine Wärme. . . Er nahm sein<br />

Unterrichten ebenso ernst wie sein Komponieren und pflegte zu sagen: ,Wenn<br />

jemand etwas weiß, dann hat er die Verpflichtung, es weiterzugeben.1 Er<br />

unterrichtete mich in Theorie, drängte mich aber auch, für Klavier und Cello zu<br />

anderen Lehrern zu gehen. Er war beim Unterricht stets sehr konzentriert und<br />

bem ühte sich, alles gründlich und präzise zu erklären. Sein oberstes Gesetz hierbei<br />

war das gleiche, das auch sein Komponieren regierte: ,Faßlichkeit1. Wenn er eine<br />

Beethoven-Sonate oder eine Brahms-Symphonie analysierte, entdeckte er so viele<br />

verborgene Beziehungen, die anderen entgingen und deren sich die Komponisten<br />

selbst vielleicht nicht immer bewußt gewesen sein mögen, daß ich heute glauben<br />

möchte, daß die Vorstellung <strong>von</strong> der ,totalen Organisation“ schon vor einem<br />

Jahrhundert geboren wurde.<br />

Seine Geduld war grenzenlos und mit der Zeit, die mir zustand, ging er sehr<br />

großzügig um. Eine Stunde, die 60 Minuten hätte dauern sollen, dehnte sich<br />

meistens auf das Doppelte aus. Beethoven war natürlich der größte Gott, nach ihm<br />

kamen Brahms und Mahler und schließlich Schönberg. E r achtete Strawinsky, fand<br />

aber kein gutes Wort für Strauss (Richard, nicht Johann, <strong>von</strong> dem er entzückt war).20<br />

E r war der erste, der mich auf Debussy aufmerksam machte, dessen La Mer ich zum<br />

ersten Mal in einer Bearbeitung für zwei Klaviere in Schönbergs Verein für<br />

musikalische Privataufführungen hörte, bei dem mich W ebern als neues Mitglied<br />

eingeführt hatte.<br />

Die ersten Kompositionen, die ich ihm zeigte, waren wild und unkontrolliert, und<br />

wenn er auch die guten Einfälle, die ich hatte, lobte, tadelte er mich, etwas versuchen<br />

460


zu wollen, dem ich noch nicht gewachsen sei. W ährend der ganzen Jahre, in denen<br />

ich bei ihm Komposition studierte, nahm er jeden Takt meiner Hausarbeiten<br />

auseinander und kritisierte auch das kleinste D etail.“<br />

Die beiden letzten Jahre waren kontrapunktischen Studien in ihrer strengsten<br />

Form gewidmet. Manschinger, aufgrund seiner lebhaften Veranlagung einer eher<br />

spontanen Musikkonzeption zugetan, erinnerte sich, daß er sich <strong>von</strong> der Nüchternheit<br />

dieser Disziplin wie „paralysiert“ gefühlt habe. E r brauchte eine gewisse Zeit,<br />

um sich zu „emanzipieren“ und zu seinem eigenen Stil zu finden, der ein<br />

Debussysches Flair annahm. <strong>Webern</strong>, der zweifellos das Naturell seines Schülers<br />

erkannt hatte, riet ihm da<strong>von</strong> ab, im atonalen Idiom zu schreiben. Trotzdem blieb er<br />

interessiert an allem, was Manschinger in späteren Jahren komponierte. Als ihm<br />

Manschinger 1932 die Partitur seiner ersten Oper Madame Dorette vorführte, hörte<br />

er sie sich vom Anfang bis zum Ende aufmerksam an, nickte beifällig und sagte:<br />

„Das ist nicht Musik, wie ich sie schreiben würde, doch sie ist gut.“ Dazu meinte<br />

Manschinger: „W ebern besuchte sogar ein Konzert mit Chansons für ,literarisches<br />

K abarett1, die ich für meine Frau, Greta Hartwig, geschrieben hatte, und machte<br />

auch keinen Hehl aus seinem Enthusiasmus darüber, sehr zur Bestürzung einiger der<br />

hartgesottenen Dodekaphonisten seiner Umgebung.“<br />

Im Gegensatz zu Manschingers expressiven Tendenzen standen die <strong>von</strong> Stefan<br />

Wolpe, der 1933 mit dem ausdrücklichen Verlangen zu W ebern kam, seinen Stil,<br />

damals noch beeinflußt <strong>von</strong> der üppigen Orchesterpalette eines Debussy, Ravel<br />

oder Strawinsky, <strong>von</strong> überflüssigem Beiwerk zu befreien.21 Wolpe war aus Hitlers<br />

Deutschland geflohen und völlig mittellos in Wien angekommen, doch W ebern ließ<br />

es sich nicht nehmen, ihn umsonst zu unterrichten. Das versetzte Wolpe in gewisse<br />

Verlegenheit, besonders als der Unterricht nie kürzer als zwei Stunden ausfiel, und<br />

sich oft ausgedehnte Unterhaltungen beim Kaffee anschlossen. „<strong>Webern</strong>s umgängliche<br />

Art schlug zu äußerster Intensität um, sobald er Musik las oder spielte“,<br />

erinnerte sich Wolpe später. Bei einer Bahnfahrt <strong>von</strong> Mödling nach Wien meinte<br />

<strong>Webern</strong> einmal zu ihm: „Wissen’s, seit ich mit den 12 Tönen arbeite, ist das<br />

Komponieren ganz leicht geworden.“<br />

Siegfried öhlgießer studierte bei <strong>Webern</strong> vom März 1932 bis zum Juli 1938. Für<br />

gewöhnlich fand sein Unterricht zusammen mit Emil Spira statt.22 öhlgießer<br />

erinnerte sich später an diese gemeinsamen Sitzungen: „Ich sehe ihn [<strong>Webern</strong>] vor<br />

mir mit dem Cigarrenstumpen und dem überlebensgroßen Feuerzeug, das schon auf<br />

dem Deckel des geöffneten Klaviers lag, im Zimmer in Maria Enzersdorf, in welches<br />

er nach uns eintrat. Ein Wort, ein Blick, es wurde warm im Zimmer, die Arbeit<br />

konnte beginnen. Unsere Kompositionsversuche, einen Einfall zu einem Gedanken<br />

zu gestalten, einen langsamen Satz zu schreiben, ein Variationenthema mit den<br />

verschiedensten Variationsideen auszuschöpfen, hatten wir mitgebracht und<br />

<strong>Webern</strong>s Blick sagte uns, noch bevor er es aussprach, ob sie für etwas taugten. Das<br />

Wesentliche war die Wahrhaftigkeit der musikalischen Aussage. Mit einem<br />

außerordentlichen Einfühlungsvermögen, das fähig war, nachzuvollziehen, was wir<br />

eigentlich hatten sagen wollen, und einem kurzen Hinweis:,Haben Sie das eigentlich<br />

nicht so gemeint?“verhalt er einem guten Einfall zu seinem Recht, klar und faßlich<br />

461


gestaltet zu werden. Immer hatte er Recht, aber nie war etwas Rechthaberisches<br />

daran, die Persönlichkeit des Schülers wurde geachtet, jede gelungene Arbeit voll<br />

gewürdigt, er konnte dann ganz warm werden, <strong>von</strong> seinen W anderungen in den<br />

Alpen während seiner Ferien erzählen, <strong>von</strong> der schöpferischen Idee und der<br />

organischen Entwicklung, die er überall in der Natur fand, vom organischen<br />

Wachstum einer Pflanze wie <strong>von</strong> der organischen Entwicklung eines Motivs. War er<br />

mit einer Arbeit nicht einverstanden, dann legte er die Ursachen bloß, und der<br />

Gewinn war geistiger und moralischer Art. Für alles konnte er Verständnis<br />

aufbringen bis auf Eines: Unwahrhaftigkeit, die ein Thema durch Ornamentik<br />

aufpäppeln wollte, eine Aussage vortäuschen wollte, wo gar keine vorhanden war.<br />

Das traf ihn schmerzlich - und der Schüler vergaß das nie mehr. Das Meiste lernten<br />

wir aus unseren eigenen Arbeiten, an denen uns W ebern alles zeigte, was zu zeigen<br />

notwendig war. Hinzu kamen, immer im richtigen Moment, Hinweise, wie<br />

Beethoven es gemacht habe - anhand einer Beethovensonate - und manchmal<br />

führte er selbst zu einem <strong>von</strong> uns gebrachten Thema eine ganze Variationenreihe aus<br />

und gab uns auf vorbildliche A rt eine Idee, worauf es bei dieser Form ankommt.<br />

Unvoreingenommenheit, Respekt vor einem wirklichen Ausdrucksbedürfnis, sei es<br />

noch so unbeholfen, sachliche Kritik, strenge Kritik bei Selbsttäuschungsversuchen<br />

- das war W ebern als Lehrer.“<br />

Arnold Eiston war <strong>Webern</strong>s Schüler vom Dezember 1932 bis zum Juni 1935.23 Im<br />

Verlauf dieser Jahre entwickelte sich ein enges persönliches Verhältnis, und <strong>Webern</strong><br />

lud ihn oft in den Kreis der Familie ein. Eistons Beobachtungen reflektieren seine<br />

eigenen tiefschürfenden Erkenntnisse als Komponist und Pädagoge: „<strong>Anton</strong><br />

<strong>Webern</strong>s Tätigkeit als Kompositionslehrer gab bei jeder Gelegenheit seine eigenen<br />

Erfahrungen als Schüler Arnold Schönbergs zu erkennen, <strong>von</strong> dem er immer mit der<br />

größten Verehrung und grenzenloser Bewunderung sprach, sowohl für den Künstler<br />

als auch für den Lehrer. <strong>Webern</strong> hielt sich in seinem Harmonieunterricht an<br />

Schönbergs Harmonielehre, beim strengen Kontrapunkt an Bellermanns Kontrapunkt<br />

(den auch Schönberg verwendet hatte) und seine erste Unterweisung in freier<br />

Komposition folgte im allgemeinen den in Schönbergs Models fo r Beginners in<br />

Composition aufgestellten Grundsätzen, wenn auch das letztere W erk zur Zeit<br />

meiner Studien mit W ebern noch nicht erschienen war.<br />

Als W ebern sich meine Schülerversuche aus der Zeit ansah, bevor ich meine<br />

Arbeit bei ihm aufnahm, stellte er gewisse französische Einflüsse fest, die auf<br />

Debussy und Ravel zurückzuführen waren. Seine damalige Reaktion überraschte<br />

mich. ,Wenn wir Philosophie verstehen wollen1, sagte e r ,,müssen wir uns die alten<br />

Griechen vornehmen, und wenn wir Musik verstehen wollen, müssen wir uns mit<br />

Mozart, Haydn, Beethoven und den anderen großen Meistern der deutschösterreichischen<br />

Tradition beschäftigen/ Das bedeutete in der Praxis, daß alles<br />

M aterial zur Analyse und alle Modelle für die Kompositionsstudien den deutschösterreichischen<br />

Klassikern entnommen wurden. Man mag dies als eine außerordentlich<br />

einengende Haltung <strong>Webern</strong>s verstehen - es gab keinen einzigen Hinweis<br />

auf Berlioz, auf Verdi oder Mussorgsky, ja nicht einmal auf das Liszt-Strauss-<br />

Elem ent in der deutschen Musik. A ber <strong>Webern</strong>s Denken war völlig ausgefüllt <strong>von</strong><br />

462


Bachs Musik und über die W iener Klassiker bis hin zu Wagner, Brahms und Mahler;<br />

hier fand er seine restlose persönliche Bestätigung als Komponist. Manchmal<br />

geschah es, daß er ein frühes W erk <strong>von</strong> Schönberg oder Berg analysierte, wobei er<br />

sich stets bemühte, ihre Bindung an die Tradition aufzuzeigen. Über sein eigenes<br />

Schaffen sprach er nur selten; im Gegenteil, er schien nur mit größtem W iderstreben<br />

dazu bereit zu sein, die konstruktiven Aspekte seiner Musik zu erörtern, doch es gab<br />

ein paar unvergeßliche Anlässe, wenn er mir das eine oder andere neue Lied auf dem<br />

Klavier vorspielte. Eine solche Vorführung war stets eine Offenbarung des Elans,<br />

dieser höchst intensiven Expressivität, <strong>von</strong> der jeder Ton erfüllt war, so daß man<br />

einer lebendigen Gegenwärtigkeit gewahr wurde und alle Fragen nach Reihenarbeit<br />

und Konstruktionsmitteln belanglos erschienen. Ich erwähne das, weil W ebern als<br />

Konstruktivist angesehen wird. Es war zwar sein Bemühen, eine absolut kristalline<br />

Klarheit der Form und ein Maximum an thematischer Strenge, vor allem in seinen<br />

Zwölftonwerken, zu erzielen, er hielt aber auch mit glühendem Eifer dafür, daß die<br />

größte Freiheit des Ausdrucks auf der größtmöglichen Ausübung <strong>von</strong> Genauigkeit<br />

und rigoroser Kontrolle über die Phantasie beruhe.<br />

D er Unterricht begann für gewöhnlich mit einer ausgiebigen, stummen Durchsicht<br />

der Musik, die ich mitgebracht hatte. W enn er dann schließlich begann, das<br />

Stück zu erörtern, war er bereits bis in sein Innerstes eingedrungen, hatte er jede<br />

m einer Intentionen verstanden, wußte er, wo ich Schwierigkeiten gehabt und<br />

weshalb ich diesen oder jenen Weg gewählt hatte, um einen Ausweg aus der<br />

Situation zu finden.<br />

Es muß vor allem gesagt sein, daß seine Kritik niemals an stilistische Dinge rührte.<br />

Meine Musik mochte den Einfluß der Ersten Kammersymphonie <strong>von</strong> Sehönberg<br />

oder der Sieben frühen Lieder <strong>von</strong> Berg verraten, und obwohl <strong>Webern</strong> Bemühungen<br />

solcher Art recht konservativ vorgekommen sein mußten (schließlich waren diese<br />

W erke zur damaligen Zeit bereits 25 Jahre alt), sprach er es niemals aus, noch<br />

drängte er mich in irgendeiner Weise, die Tonalität aufzugeben; aber als dann meine<br />

Musik aus der Tonalität ausbrach, legte er mir nahe, sie auf serieller Basis zu<br />

organisieren. Bei der Kiritk meiner Musik ging es ihm in erster Linie darum, den<br />

funktionellen Charakter einer jeden Phrase, Themas oder Abschnitts zu klären, und<br />

damit die organischen Bezüge der Teile zum Ganzen. War es meine Absicht, daß<br />

dies ein Hauptthema werden sollte? Im bejahenden Fall ging er daran, zu ergründen,<br />

weshalb sich die Motive verhältnismäßig rasch entwickelten, während der harmonische<br />

Rhythmus keine vergleichbare Steigerung der Animation zeigte. Wenn ihm die<br />

Musik irgend einen Bruch zu enthalten schien, konnte er sofort aus seinen<br />

Notenregalen eine Partitur eines der Meister herausholen, die einen ähnlichen<br />

Thementypus enthielt und zeigen, wie der Komponist damit fertig geworden war.<br />

Seine Kritik ging also, um es kurz zu sagen, Hand in Hand mit der Analyse <strong>von</strong><br />

Meisterwerken, womit sie stets auf durchaus objektive Weise ausgesprochen werden<br />

konnte; es war eigentlich ein Beethoven oder ein Brahms, der einem die Fehler bei<br />

seinem Vorgehen nachwies, und nicht der daneben sitzende Lehrer.<br />

Nur bei den seltensten Gelegenheiten unternahm es <strong>Webern</strong>, in dem, was ich<br />

geschrieben hatte, Verbesserungen anzubringen und das, wie ich vermute, nur<br />

463


äußerst ungern, war er sich doch dessen bewußt, daß dies gleichbedeutend war mit<br />

der Beeinträchtigung fremder ästhetischer Sensibilität, was gewissermaßen eine<br />

Verletzung der Gefühlswelt des Schülers bedeutete. Es war unumgänglich, daß ein<br />

Komponist mit einer so ausgeprägten Individualität wie W ebern nicht umhin<br />

konnte, gewissen ästhetischen Neigungen Ausdruck zu verleihen. ,Pausen klingen<br />

gut1, pflegte er zu sagen, wenn er eine Passage <strong>von</strong> ununterbrochen dichter Textur<br />

bemerkte, in der das Fehlen <strong>von</strong> Pausen zu einem Artikulationsverlust bei Phrase<br />

und motivischer Struktur führte. Oder wenn ein Abschnitt aus dem oder jenem<br />

Grunde zu kurz geraten schien, pflegte er zu sagen, indem er auf einen anderen<br />

verwies: ,Sie sollten es sich überlegen, diesen Abschnitt zu erweitern, um einen<br />

Ausgleich für die Kürze des anderen zu schaffen.* W ebern gab hiermit eine A rt <strong>von</strong><br />

persönlichem Rezept zum besten, das er ,die ausgleichende Gerechtigkeit1nannte<br />

und das ihn auch bei seinem eigenen Schaffen leitete. Und trotzdem hielt er sich<br />

zurück, wenn es galt, eine geeignete Lösung aufzuzeigen und überließ es dem<br />

Schüler, sie selbst zu finden.<br />

Tatsächlich bewies <strong>Webern</strong>s geradezu ängstliche Sorge, den Schüler bei seiner<br />

Stilwahl nicht zu beeinflussen, seine tiefe Achtung vor dessen eigener Fähigkeit, zu<br />

sich selbst zu finden und diese Suche nach dem authentischen musikalischen Ich, die<br />

W ebern so sorgfältig förderte, ging schließlich weit über eigene Anstrengungen zur<br />

Aneignung einer angemessenen Technik hinaus. Und wenn der Schüler einmal<br />

begriffen hatte, wie die Meister sich den Eingebungen des Geistes gebeugt hatten -<br />

auch dann, wenn es den Kampf mit den anspruchsvollsten technischen Problemen<br />

bedeutete und das Wagnis des Sprungs über die Routine hinweg in jenes Scheu<br />

einflößende, aus dem Zwang heraus geborene Unbekannte - wurde Lernen zum<br />

Inbegriff moralischer Stärke: Er fand sich in der Lage, seinen Vorrat an billigen<br />

Kunstgriffen über Bord zu werfen und seinen Visionen mit unverhüllter Seele,<br />

ehrlich und kompromißlos ins Äuge zu schauen. So stand W ebern vor seinem<br />

Schüler nicht nur als großer Künstler und Lehrer da, er wurde auch zur<br />

überhöhenden und reinigenden Kraft, deren Ausstrahlung zutiefst ins Innere<br />

eindrang.“<br />

Wie <strong>Webern</strong>s Musik zunächst im Ausland mehr gewürdigt wurde als zu Hause, so<br />

war auch seine Tätigkeit als Lehrer <strong>von</strong> Schülern aus fremden Ländern aufs höchste<br />

geschätzt. Sie bildeten in seiner Klasse ein starkes Kontingent. So kamen aus den<br />

Vereinigten Staaten außer Eiston Carl Buchman, Margaret Canlor, Gordon<br />

Claycombe, Maurice Kaplan und Roland Leich. <strong>Webern</strong> war diesen Amerikanern<br />

sehr zugetan. Ihre geistige Frische und Aufgeschlossenheit, ihre Großzügigkeit und<br />

Hilfsbereitschaft, die er auch bei Freunden wie Brunswick, Krasner und Weiss<br />

erfuhr, bestärkten seinen Glauben an die Neue Welt. Nur dort, meinte er einmal<br />

Weiss gegenüber, könnte die Verwirklichung seiner Visionen noch möglich sein.<br />

Roland Leich studierte bei W ebern während des Winters 1933/34.24 „Bei meiner<br />

ersten Stunde“ , erzählte er, „zeigte ich W ebern einige meiner Kompositionen,<br />

darunter eine Gruppe <strong>von</strong> Liedern nach A. E. Housman (die meinen Besuch in<br />

Europa finanziert hatten, nachdem ich mit ihnen den Bearns Prize der Columbia<br />

University gewonnen hatte). Er begann seinen Unterricht mit einer Diskussion<br />

464


darüber, daß die Musik ,Faßlichkeit“besitzen müsse, damit sie für ,den Mann in der<br />

Straße“ verständlich wird. Das mag diejenigen überraschen, die durch <strong>Webern</strong>s<br />

Musik verwirrt sind. (In Philadelphia hatte ich eine Aufführung <strong>von</strong> Opus 21 unter<br />

Stokowski gehört, und die Reaktion des Publikums ist noch unvergessen als ein<br />

öffentlicher Skandal.) Obgleich meine Housm an-Lieder Verständnis für Phrasierung<br />

und regel- und unregelmäßige Periodenstrukturen zeigten, analysierte W ebern<br />

Kom m t ein Vogel geflogen bis ins letzte Detail als Beispiel für den Periodenbau. Neu<br />

war für mich allerdings die Unterscheidung zwischen Periode und ,Satz“, die in<br />

englischen Lehrbüchern normalerweise nicht vor kommt.<br />

Bei einer der ersten Stunden dozierte W ebern in großer Ausführlichkeit über den<br />

absoluten Vorrang der deutschen Musik und betonte, daß die führenden Komponisten<br />

anderer Länder nur ein blasser Abglanz der deutschen Meister seien: Berlioz<br />

ein französischer Beethoven, Tschaikowsky ein russischer Schumann, Eigar ein<br />

englischer Mendelssohn usf. Für mich war das schockierend und erheiternd zugleich,<br />

doch ich war viel zu schüchtern für eine Entgegnung. . . Ich hatte die größte<br />

Hochachtung vor <strong>Webern</strong>s W ürde und unzweifelhafter Integrität. Ich spürte auch,<br />

daß er ein Träum er war, der seinen eigenen Ideen nachhing und daß er mehr an<br />

Widrigem erlebt haben mag, als einem Menschen zukom m t.“<br />

Gordon Claycombe, ein anderer Schüler aus Amerika, studierte bei W ebern <strong>von</strong><br />

1932 bis 1934.25 „W ebern“ , schrieb er später, „war ohne Frage einer der<br />

hervorragendsten Lehrer, die ich im Verlauf meiner Studien überhaupt hatte. Für<br />

gewöhnlich begann der Unterricht mehr oder weniger mit dem Augenblick, als ich<br />

das Notenpapier auspackte, auf dem ich die mir aufgegebenen Übungen ausgeführt<br />

hatte, die Komposition, an der ich arbeitete, oder meinen Band Beethoven-Sonaten,<br />

<strong>von</strong> denen ich jeweils eine für jede Stunde nach strukturellen Gesichtspunkten zu<br />

analysieren hatte. Ich saß dann neben W ebern auf der Klavierbank, und wir gingen<br />

diese Unterlagen zusammen durch. Wunderbar war bei <strong>Webern</strong> sein ansteckender<br />

Enthusiasmus für das Werk, das gerade studiert wurde, mag es Beethoven, Brahms<br />

oder Mahler gewesen sein. Er hatte diese Sonaten oder Symphonien sicherlich<br />

Hunderte <strong>von</strong> Malen vorher gesehen, aber man vermeinte bei diesen Stunden, daß<br />

er jedes Mal in ihnen etwas Neues entdeckte. <strong>Webern</strong> unterrichtete nicht nach der<br />

Uhr, sondern setzte jede Sitzung fort, bis das zur Diskussion stehende Thema<br />

erschöpft war. Gelegentlich pflegte er auf die Werke <strong>von</strong> Bach, Haydn oder Mozart<br />

zurückzublicken, oder auch vorwärts auf Brahms und Mahler, wobei er untersuchte,<br />

wie ein jeder dieser Meister mit der dreiteiligen Liedform oder anderen Grundformen<br />

verfuhr. Doch wohin wir uns auch bei unseren Analysen und Diskussionen<br />

verloren, immer kehrten wir wieder zu den Sonaten und Symphonien Beethovens<br />

zurück! . . .<br />

Oft ergab es sich, daß wir, während wir es uns nach meiner Stunde bei einer<br />

Zigarette gemütlich machten, über Dinge diskutierten, die nicht unbedingt etwas<br />

mit Musik zu tun haben mußten, sondern politische Themen, den Zustand des<br />

Wiener Kulturlebens, gemeinsame Freunde, Zenk, Stein, Steuermann, Adolf Loos<br />

und viele, viele andere Leute und Them en.“<br />

Auch britische Musiker zeigten, gleich ihren amerikanischen Kollegen, schon<br />

465


frühzeitig ihr Verständnis für den neuen <strong>von</strong> W ebern entwickelten Stil. Edward<br />

Clark hatte sich als erster für die Aufführungen seiner Musik in England eingesetzt.<br />

In der Folgezeit trug Humphrey Searle durch seine theoretischen Beiträge<br />

wesentlich zu ihrem weitverbreiteten Verständnis bei.26 Als Neunzehnjähriger war<br />

Searle <strong>von</strong> einer Sendung <strong>von</strong> Bergs Wozzeck zutiefst beeindruckt gewesen. Im<br />

September 1937, nachdem ihm das Octavia Travelling Stipendium des Royal<br />

College of Music zuerkannt worden war, ging er auf den Rat <strong>von</strong> Theodor<br />

W iesengrund-Adorno, der damals in Oxford lebte, zu <strong>Webern</strong>. Searles Studienplan<br />

war ganz besonders konzentriert, und das monatliche Stundengeld <strong>von</strong> 200<br />

Schillingen, das W ebern in seinem Kontobuch für die sechs M onate seiner<br />

Unterrichtung verzeichnete, war beträchtlich höher als das, was er jemals <strong>von</strong> einem<br />

anderen Schüler erhalten hatte.<br />

In einem Artikel, der noch zu <strong>Webern</strong>s Lebzeiten (1940) veröffentlicht wurde,<br />

schrieb Searle: „Bei unserer ersten Unterrichtsstunde erklärte er mit großem<br />

Nachdruck, daß die Musik das, was sie zu sagen hat, so klar wie möglich<br />

auszudrücken habe, daß aber komplizierte Ideen auch komplizierte Ausdrucksmittel<br />

benötigten. . . W ebern benützt beim Komponieren immer das Klavier, und<br />

seine Skizzenbücher sind voll <strong>von</strong> Varianten, die gemäß der Zwölftontechnik alle<br />

gleichermaßen möglich wären; ich vermute, daß er aus ihnen diejenige auswählt, die<br />

im Zusammenhang am besten klingt und er sich deshalb bis zu einem gewissen Grade<br />

auf sein Gehör verläßt, das - wie könnte es anders sein - verblüffend scharf ist. Er<br />

pflegte auch tatsächlich meine Harmonieübungen auf dem Klavier durchzuspielen,<br />

obwohl sie oft nur aus ganz einfachen Akkordprogressionen bestanden, und er tat<br />

das in einer Weise, die im Klang seiner eigenen Musik recht nahe kam, wobei er<br />

gewöhnlich die A kkorde arpeggierte und das zumeist im pianissimo mit plötzlichen<br />

explosiven forte-Ausbrüchen.“27<br />

Um diese Zeit hatten Heinrich Schenkers Theorien das musikalische Denken<br />

erfaßt und Searle fragte W ebern, was er <strong>von</strong> ihrer Gültigkeit halte. „Er räumte ein,<br />

daß Schenkers Ideen eine ganze Menge Gutes enthielten, und wies nach, daß, soweit<br />

es um klassische Musik ging, Schenker und Schönberg mehr oder weniger den<br />

gleichen Standpunkt vertraten; doch er verneinte natürlich Schenkers Behauptung<br />

<strong>von</strong> der Notwendigkeit <strong>von</strong> Tonalität sowie die Allgemeingültigkeit seiner<br />

Theorien.“ Searle beschloß seine Impressionen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: „Seine erstaunliche<br />

Sensibilität, gepaart mit einem lauteren schöpferischen Genius, lassen ihn zu einem<br />

der wenigen Komponisten unserer Zeit werden, auf die es wirklich ankommt.“28<br />

Zwei Jahrzehnte später ließ Searle einen weiteren Artikel über seine Eindrücke<br />

<strong>von</strong> W ebern folgen: „W ährend meines ersten Unterrichts sprach er für mehr als eine<br />

Stunde über den Akkord C-Dur in allen seinen Aspekten: Für ihn waren die<br />

musikalischen Gesetzmäßigkeiten ein lebendiger evolutionärer Vorgang, nicht nur<br />

eine Reihe abstrakter Formeln, die <strong>von</strong> den Theoretikern erdacht worden waren.<br />

Diese Vorstellungen <strong>von</strong> der Evolution waren <strong>von</strong> großer Bedeutung für ihn und<br />

bildeten die Grundlage seiner Einstellung gegenüber dem Leben und der Kunst; als<br />

fanatischer Naturliebhaber hielt er dafür, daß sich die Entwicklung der Musik<br />

gleichermaßen in logischen evolutionären Bahnen vollzogen habe, die vom<br />

466


M ittelalter über die W erke der großen klassischen und romantischen Komponisten<br />

bis hin zur Zwölftonmethode verliefen. Das heißt, daß er die Musik <strong>von</strong> Schönberg<br />

und seiner Schule nicht als einen Bruch mit der Vergangenheit ansah, sondern<br />

vielmehr als ihre logische Fortsetzung. Tatsächlich war er voller Bewunderung für<br />

eine Reihe <strong>von</strong> romantischen Komponisten, mit denen er, wie man glauben möchte,<br />

wenig gemein hatte. Ich selbst bin in meinen Schultagen durch eine Periode der<br />

W agner-Verehrung hindurchgegangen, habe aber dann die unvermeidliche R eaktion<br />

gegen ihn erfahren; aber wenn ich es wagte, an Wagner Kritik zu üben, wies<br />

W ebern mich mit Nachdruck zurecht: ,Wagner war ein großer Komponist1, meinte<br />

er, ,und Sie können einfach nicht sagen, daß Sie ihn nicht mögen.1Gleichermaßen<br />

war er ein großer Bewunderer Bruckners, und wir spielten manchmal seine<br />

Symphonien vierhändig, wobei W ebern einmal mitten im langsamen Satz der<br />

Siebenten die Bemerkung machte: ,Könnte Ihr Eigar so einen Melodiebogen<br />

schreiben?1<br />

Nachdem wir unsere Studien der Harmonielehre abgeschlossen hatten, analysierte<br />

W ebern für mich einige Zwölf tonwerke, darunter seine soeben vollendeten<br />

Klaviervariationen. Für mich als Kompositionsschüler war er bereit, das zu tun;<br />

doch war es seine Meinung, daß die Zuhörer, ja nicht einmal die Interpreten, über<br />

die technischen Vorgänge Bescheid wissen müßten, die die Konstruktion <strong>von</strong><br />

Zwölftonmusik ausmachten. E r ging die Dinge stets eher praktisch an als<br />

theoretisch; immer benützte er beim Komponieren das Klavier, wobei er sich sowohl<br />

auf sein außerordentlich feines Gehör als auch seine Kenntnis der musikalischen<br />

Gesetze verlassen konnte. Hierzu sagte er einmal zu mir: ,Vertrauen Sie nicht nur<br />

auf Ihre Ohren; Ihre Ohren werden Ihnen immer den rechten Weg weisen, Sie<br />

müssen aber auch wissen, was Sie tun.“Dieses dualistische Prinzip <strong>von</strong> Wissen und<br />

Praxis war, wie ich es sehe, die Grundlage seiner Musikauffassung.“29<br />

Zu der kärglichen Anerkennung, die der Musik <strong>Webern</strong>s zu Lebzeiten ihres<br />

Schöpfers zuteil wurde, meinte Searle abschließend: „E r wäre sicherlich erstaunt<br />

über den weltweiten Ruhm, der ihm heute beschieden ist. Dennoch kümmerten ihn<br />

derartige Überlegungen wenig; er wußte ganz einfach, daß das, was er tat, richtig<br />

war, und ob die Leute das akzeptierten oder nicht, war ihm nicht besonders wichtig.<br />

E r war in der Tat ein Idealist, aber einer, der sich seiner Umwelt stets sehr bewußt<br />

blieb; jedenfalls schloß er sich nicht in einem Elfenbeinturm ein. . . Heute hat sein<br />

Genius endlich seine universelle Anerkennung gefunden, und ich zumindest werde<br />

ihm für immer dankbar sein für seine Führung und sein Beispiel.“<br />

Ausbildung und Neigung ließen <strong>Webern</strong> bei allem seinem Tun zur ausgesprochenen<br />

Lehrerpersönlichkeit werden. Mit missionarischem Eifer predigte er, was er<br />

selbst in der Stille seiner Komponistenwerkstatt praktizierte. W ährend er im<br />

allgemeinen nur äußerst unwillig über seine eigenen Kompositionen sprach,<br />

verbreitete er sich uneingeschränkt über jeden Aspekt der Musik der großen<br />

Meister. Deshalb ergeben seine Äußerungen als Lehrer wichtige Hinweise für das<br />

Verständnis seines eigenen Schaffens. Friedrich Deutsch,30 einer seiner Schüler aus<br />

den Mödlinger Tagen, hat diesen Sachverhalt mit einigen aufschlußreichen<br />

Beobachtungen belegt: „W ebern begann den Unterricht streng, im Sinne des<br />

467


sechzehnten Jahrhunderts. Seine kontrapunktischen Regeln deckten sich etwa mit<br />

den M eisterwerken des A-cappella-Stils. Sie entsprachen ungefähr dem späteren<br />

Lehrbuch Gradus ad Parnassum <strong>von</strong> Fux, diesem Auszug der Satztechnik<br />

Palestrinas.<br />

Die Urquelle musikalischen Geschehens, der Ton, war als latente Kraft aller<br />

Entwicklung gedeutet. Die Frage des nächsten Schrittes, des unmittelbaren Steigens<br />

oder Fallens der werdenden Linie, wurde so höchst kritisch: Leben oder Tod der<br />

Entwicklung hing <strong>von</strong> der korrekten Antwort ab. W ebern zitierte den Gedanken<br />

<strong>von</strong> Karl Kraus, daß das Schicksal der Menschheit vom richtigen Beistrich bestimmt<br />

sei. Die Übertragung dieser Idee wurde <strong>von</strong> uns Lernenden bald begriffen.<br />

E r lehrte nicht nur den strengen Satz, sondern die noch strengere Disziplin des<br />

W artenkönnens, die Geduld für das Ausreifen sinnvoller Arbeit. So spiegelte seine<br />

Lehrweise seinen eigenen Schaffensprozeß, sein Suchen wertvollen Materials und<br />

dessen unentwegte Prüfung auf der Goldwaage feinsten Stilgefühls . . . <strong>Webern</strong><br />

unterrichtete auch den freien Satz auf der Basis des typischen Grundstils der W iener<br />

Meister. E r zeigte das neue Wechselverhältnis der Vielstimmigkeit und erklärte die<br />

spezifische Vorherrschaft des Melodischen. Doch bleibt das Stimmengewebe erfüllt<br />

<strong>von</strong> thematischer Arbeit. Alles ist motivisch erdacht. Dies ist der Stimmkomplex des<br />

,obligaten Akkom pagnements“[Guido Adler]. . .<br />

W ebern hat oft versucht, in seinen Schülern den Sinn für historisches Denken zu<br />

wecken und ihr Stilgefühl durch geschichtliche Kenntnis objektiv zu stützen. So half<br />

er auch mir, die tiefen W erte und die geistige Kompensation musikwissenschaftlicher<br />

A rbeit zu finden. Er zeigte mir meinen Weg in der Verbindung der praktischen<br />

und historischen Disziplinen der Musik, wie er ihn selbst als Student gegangen war.<br />

,Sie werden später meinen Rat verstehen. Einstweilen müssen Sie mir glauben.“<br />

Glauben! Dieses W ort war vielleicht das wichtigste in <strong>Webern</strong>s reichem Vokabular.<br />

Es war das Wesen seiner freien Konfession und führte als Brücke zu seiner Kunst.“31<br />

468


30. <strong>Webern</strong> und das Dritte Reich<br />

(1938-1941)<br />

Ermutigt durch seinen leichten Sieg, mit dem er Österreich Deutschland unterworfen<br />

hatte, wandte Hitler sich alsbald seinem nächsten Ziel zu: der Annexion des<br />

Sudetenlandes, dem westlichen Landstrich der Tschechoslowakei, der <strong>von</strong> einer<br />

starken M ajorität deutschsprechender Volksgruppen bewohnt war. Nach bangen<br />

Wochen einer internationalen Krise schien ein bewaffneter Konflikt unausweichlich.<br />

Und tatsächlich wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich<br />

und England, Staaten, die ein gegenseitiger Nichtangriffspakt mit der Tschechoslowakei<br />

verband, die Mobilmachung vorangetrieben. In letzter Stunde wurde der<br />

Krieg vermieden, als Neville Chamberlain, der englische Premier, und sein<br />

französischer Kollege Edouard Daladier Hitlers Forderungen mit der Unterzeichnung<br />

des Münchner Paktes vom 29.-30. September 1938 stattgaben. Die kleine<br />

tschechoslowakische Nation wurde <strong>von</strong> ihren Verbündeten im Stich gelassen für das,<br />

was Chamberlain nach seiner Rückkehr nach London als „Frieden in unserer Z eit“<br />

verkündete. Winston Churchill, damals noch ein einsamer Rufer in der Wildnis,<br />

besaß klarere politische Voraussicht. In einer Rede im Unterhaus ein paar Tage<br />

nach der Niederlage <strong>von</strong> München sprach er die Warnung aus: „Wir sind auf der<br />

ganzen Linie restlos besiegt worden. . . glauben Sie nicht, daß das das Ende ist. Es<br />

ist nur der Anfang.“<br />

Die Schwäche, die die westlichen Demokratien an den Tag gelegt hatten,<br />

überzeugte Hitler, daß er sich nicht länger irgendwelche Zurückhaltung aufzuerlegen<br />

brauche, um in seinem Lande sein antisemitisches Programm zu verwirklichen.<br />

Nachdem er bereits strenge Gesetze zur Ausschaltung jüdischen Einflusses in allen<br />

Bereichen des öffentlichen Lebens erlassen hatte, ging er nunmehr daran, die Juden<br />

selbst rücksichtslos vom deutschen Boden zu vertreiben. In der Nacht vom 9.<br />

November wurde ein notorisches Pogrom, das als „Kristallnacht“ in die Geschichte<br />

einging, inszeniert. Angeblich waren die begangenen Greueltaten ein spontaner<br />

Racheakt des deutschen Volkes, als ein politischer Mord bekannt wurde, den ein<br />

junger Jude in Paris begangen hatte.1 Am Tag nach den Ausschreitungen meldete<br />

Reinhard Heydrich (Himmlers Stellvertreter als Befehlshaber der gefürchteten SS<br />

und Leiter der Schrecken verbreitenden Gestapo) Göring die ersten Zahlen: 119<br />

Synagogen und 171 W ohnhäuser niedergebrannt, sowie 815 zerstörte Geschäfte<br />

(einen Tag später wurde verlautbart, daß 7500 Läden geplündert worden seien),<br />

20 000 zumeist wohlhabende Juden verhaftet und 26 getötet.2<br />

William L. Shirer gab den folgenden Bericht über das Pogrom: „M it dem<br />

Feuerschein und den Ausschreitungen der Nacht vom 9. November 1938 hatte das<br />

Dritte Reich vorsätzlich einen finsteren und barbarischen Weg eingeschlagen, auf<br />

dem es keine Um kehr geben sollte. Eine Menge Juden waren zwar schon vorher<br />

469


ermordet und gefoltert und ausgeraubt worden, aber diese Verbrechen mit<br />

Ausnahme derer, die sich in den Konzentrationslagern zu trugen, waren überwiegend<br />

<strong>von</strong> Rowdies im Braunhemd begangen worden, die aus Sadismus und Habgier<br />

handelten, während die Staatsgewalt untätig zusah oder wegschaute. Jetzt aber hatte<br />

die deutsche Regierung selbst ein ungeheuerliches Pogrom organisiert und<br />

Wirklichkeit werden lassen. Die Morde, die Plünderungen, die Brandstiftungen <strong>von</strong><br />

Synagogen und Häusern und Geschäften in der Nacht vom 9. November waren ihr<br />

Werk. Das traf auch auf die Verordnungen zu, die daraufhin im offiziellen<br />

Mitteilungsorgan, dem ,Reichsgesetzblatt1, veröffentlicht wurden, die der jüdischen<br />

Gemeinde eine Strafe <strong>von</strong> einer Milliarde M ark auferlegten, sie aus dem<br />

Wirtschaftsleben entfernten, den ihnen noch verbliebenen Besitz konfiszierten und<br />

sie ins Getto - oder noch Schlimmeres - trieben. Die Weltmeinung war schockiert<br />

und empört über solche Barbarei bei einer Nation, die sich einer Jahrhunderte alten<br />

christlichen und humanistischen Kultur rühmte. Hitler seinerseits war wütend über<br />

die weltweite Reaktion und bildete sich ein, daß dies lediglich ein Beweis für die<br />

Macht und die Ziele einer K onspiration des W eltjudentums1sei.“3<br />

Vielen Berichten zufolge war die Kristallnacht (die in Österreich eine Nacht<br />

später als in Deutschland in Szene ging) in Wien ganz besonders grauenvoll. Überall<br />

fiel man in jüdische W ohnungen ein unter dem Vorwand der Durchsuchung nach<br />

Waffen. Sogar die Wohlfahrtsküchen für mittellose Juden wurden geplündert.<br />

Tausende wurden verhaftet, ins Gefängnis geworfen und in Konzentrationslager<br />

verschleppt. Viele wurden so geschlagen, daß sie an den Folgen starben. Die Kunde<br />

des Grauens verbreitete sich mit Windeseile. Am frühen Morgen nach der<br />

Kristallnacht eilte W ebern zu den Wohnungen <strong>von</strong> David <strong>Josef</strong> Bach und <strong>Josef</strong><br />

Polnauer, um sich zu vergewissern, daß sie unversehrt seien, eine Handlungsweise,<br />

die großen persönlichen Mut erforderte. Seit dem Anschluß, als gesellschaftlicher<br />

Verkehr mit Juden ein regelrechtes Vergehen geworden war, hatte <strong>Webern</strong> es sich<br />

zum Vorsatz gemacht, seinen Freunden zu beweisen, daß er sich ihnen in<br />

unverbrüchlicher Loyalität verbunden fühlte. Bei diesem seinem Bemühen benahm<br />

er sich demonstrativ, mitunter sogar provokativ, etwa wenn er sich beim<br />

Spazierengehen auf dem Ring Arm in Arm mit Dr. Bach sehen ließ, dessen<br />

Erscheinung ausgesprochen jüdisch war.<br />

Die Greuel der Kristallnacht, deren Spuren für jedermann sichtbar waren,<br />

versetzten <strong>Webern</strong> einen tiefen Schock. Hueber erzählte, daß <strong>Webern</strong>, sooft er die<br />

Enzersdorferstraße entlangging, noch für geraume Zeit nachher vorsätzlich einen<br />

Umweg um die Synagoge wählte, die <strong>von</strong> den Nationalsozialisten niedergebrannt<br />

worden war. „Ich will nicht vorbei gehen“ , sagte er. „Begreifen Sie, daß ich mit den<br />

Leuten absolut nichts zu tun haben will.“<br />

W eberns Abscheu vor diesen Exzessen spornte ihn zu hingebungsvollen und<br />

unermüdlichen Bemühungen um seine verfolgten Freunde an. Noch in diesem<br />

November 1938 schrieb er an Erwin Stein und beschwor ihn, zu helfen, Mittel und<br />

Wege zu finden, um Polnauer die Flucht nach England zu ermöglichen. Als die<br />

Bachs im Januar nach London abreisten, halfen ihnen W ebern und seine Frau beim<br />

Packen ihres Hausrats. Als Abschiedsgeschenk überreichte er Bach das Manuskript<br />

470


seines Streichtrios op. 20. Ebenso schenkte er Hugo Winter, alserindieU SA aufbrach,<br />

nachdem er aus seiner Stellung als D irektor der Universal Edition hinausgedrängt<br />

worden war, das Autograph seiner Klavierbearbeitung der Trakl-Lieder op. 14.<br />

Gleichermaßen unermüdlich setzte sich W ebern für seine jüngeren Kollegen ein.<br />

Am 8. Juli 1938 schrieb er einen beredten Empfehlungsbrief für O tto Jokl, Alban<br />

Bergs einstigen Schüler und Assistenten, der emigrieren wollte.4 Als die erforderlichen<br />

Papiere nicht eintrafen, hoffte Jokl, die schlimmsten Auswirkungen der<br />

Verfolgung durch Ü bertritt zum Katholizismus abwenden zu können, und bat<br />

<strong>Webern</strong>, bei seiner Taufe die Patenschaft zu übernehmen. „Selbstverständlich“ ,<br />

hieß es in W eberns Antwortschreiben, und am 14. Juni 1939 trug er sich offiziell als<br />

„Pate“ in das Kirchenbuch <strong>von</strong> St. Ulrich in Wien ein.5 Jokls unglückliche Situation<br />

hielt bis Februar 1940 an, bis es ihm, als der Krieg bereits die meisten Fluchtwege<br />

blockierte, endlich gelang, nach Amerika zu entkommen.<br />

Nachdem fast alle seine alten Freunde und Schüler fortgegangen waren, wurde es<br />

recht still um <strong>Webern</strong>. „W ir leben ganz zurückgezogen. Ich arbeite viel“, schrieb er<br />

Franz Rederer am 3. Februar 1939. Briefe bedeuteten für ihn, mehr als je zuvor,<br />

eine lebensnotwendige Verbindung zur Außenwelt. Schon immer ein reger<br />

Briefeschreiber, versuchte er jetzt geradezu zwanghaft Kontakte aufrechtzuerhalten.<br />

Am 27. Juli teilte er Willi Reich mit: „Meine Post ist durch die neuen Umstände<br />

wirklich enorm angewachsen: täglich kommen doch, G ott sei Dank, Nachrichten<br />

<strong>von</strong> den Freunden, die ich alle zumeist gleich auf der Stelle beantworten m öchte.“<br />

Ironischerweise waren es W eberns Auslandsverbindungen, die ihn über die<br />

fortgesetzten Aufführungen seiner Werke auf dem laufenden hielten, nachdem sie<br />

zu Hause völlig zum Schweigen gebracht worden waren. Im Januar 1939 informierte<br />

ihn Ernst Diez, der in diesem Jahr am Bryn Mawr College lehrte, über eine<br />

Radioaufführung seiner Bearbeitung <strong>von</strong> Schuberts Deutschen Tänzen durch das<br />

New York Philharmonie Orchestra unter John Barbirolli. (Diez’ Kommentar: „Der<br />

Ansager sagte kein Sterbenswort, daß es <strong>von</strong> D ir bearbeitet ist - das solltest Du<br />

abstellen lassen! Von Deinem Verlag.“) Diez erwähnte auch eine bevorstehende<br />

Aufführung der Fünf Sätze op. 5 in der Bearbeitung für Streichorchester in<br />

Philadelphia. Im gleichen Monat berichtete Erwin Stein aus London, daß<br />

Aussichten auf eine Reihe <strong>von</strong> Aufführungen bestünden, darunter eine Wiederholung<br />

<strong>von</strong> Das Augenlicht. Arn 14. Februar bemerkte <strong>Webern</strong> zu David <strong>Josef</strong> Bach:<br />

„Übrigens geht die Serie meiner Aufführungen in L. [London] weiter: am 21. I.<br />

waren meine Schubert-Tänze in der BBC, am 27. spielte Stadien die,Variationen1u.<br />

am 7. II. war die Bach-Fuge (Dirigent: Leslie Heward <strong>von</strong> dem St. [Stein] schrieb,<br />

daß er als d e r, kommende' Mann in L. bezeichnet wird).6 Das war ja auch zu Deiner<br />

Begrüßung! Hast Du vielleicht zugehört? Ich konnte ganz gut hören, war aber<br />

enttäuscht. Man muß immer wieder sagen, diese Dirigenten u. s. w. — sie sind im<br />

Grunde keine Musiker! Meine Bach-Fuge soll demnächst in Florenz(l) aufgeführt<br />

werden. Heute erhielt ich die ,Kritik“ des Newman über meine Variationen (Sunday<br />

Times 2 9 .1.), sie ist kurz, doch heißt es am Schluß: ,and the odd thing about it is that<br />

in time one actually gets to like it!1 (das ! ist <strong>von</strong> ihm.)“ Ein weiteres Werk <strong>von</strong><br />

W ebern wurde am 17. April in der Aeolian Hall gespielt: Humphrey Searle leitete<br />

471


ein vom Komponisten Alan Bush neugegründetes Streichorchester in einer<br />

W iedergabe der Bearbeitung der Fünf Sätze op. 5.<br />

Die meisten dieser Aufführungen waren den Bemühungen <strong>von</strong> Erwin Stein zu<br />

verdanken. E r war es auch, der dem Komponisten am 22. Februar 1939 da<strong>von</strong><br />

Mitteilung machte, daß sein Streichtrio op. 20 bei Decca eingespielt worden war. Es<br />

war das erste Mal, daß eine kommerzielle Schallplatte <strong>von</strong> einer Komposition<br />

<strong>Webern</strong>s erschien, eine besonders bedeutsame Tatsache, ist doch dieses Werk bis<br />

zum heutigen Tage eines der am schwersten zugänglichen geblieben, für Interpreten<br />

wie auch Hörer. „Leider hat nicht Kolisch gespielt, sondern dieselben Leute, die das<br />

Trio im Dezember gespielt haben“ , schrieb Stein W ebern über das Kathleen<br />

W ashbourne Trio, das die Wiedergabe übernommen hatte. „Immerhin eine<br />

Rehabilitierung: Grammophon-Aufnahme ein Jahr nachdem ein Cellist erklärt hat,<br />

daß man das nicht spielen könne.“ Die Platte erreichte W ebern erst gegen Ende<br />

Oktober. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Krieg jegliche direkte Verbindung<br />

zwischen Wien und London unterbrochen, so daß W ebern seiner Reaktion nur<br />

Reich gegenüber Ausdruck verleihen konnte, als er ihm am 9. Dezember schrieb:<br />

„Die Schallplatte meines Trios ist als Platte sehr gut. A ber die Aufführung! Ich<br />

erkenne Fleiß und beste Initiative, doch nicht eigentlich meine Musik. A ber ich bin<br />

überzeugt, wenn man den Leuten nur einiges gesagt hätte, es wäre viel besser<br />

geworden. Also, ich respektiere die Leistung.“<br />

<strong>Webern</strong>s jüngstveröffentlichtes Werk, das Streichquartett op. 28 (<strong>von</strong> Boosey &<br />

Hawkes in London im Mai 1939 aufgelegt) erweckte rasch weitverbreitetes<br />

Interesse. Das Kolisch-Ensemble, das im September 1938 die Uraufführung des<br />

Werkes beim Berkshire Kammermusikfest gespielt hatte, stellte es am 1. November<br />

in New York und dann in London in einem <strong>von</strong> Boosey & Hawkes veranstalteten<br />

Privatkonzert vor. Es sollte auch vom Prager O ndncek-Q uartett am 17. April 1939<br />

beim 14. IGNM -Fest in Warschau gespielt werden, doch wurde diese Aufführung in<br />

letzter Minute abgesagt. Weitere Termine waren für Budapest und Holland geplant.<br />

Von der politischen Situation abgesehen, war es um die Aussichten auf einen Erfolg<br />

des Quartetts gut bestellt, und der Komponist war überaus zuversichtlich.<br />

Ohne Rücksicht darauf, ob das Publikum seine Musik bejahte oder ablehnte,<br />

wankte W ebern niemals in seiner Überzeugung, daß seine kompositorische<br />

Richtung unanfechtbar sei. Er, der in seinem Vaterland als Künstler mundtot<br />

gemacht worden war, wurde nicht müde, seinen Freunden im Exil im Vertrauen auf<br />

die Richtigkeit ihrer Sendung den Rücken zu stärken. Am 27. Juli 1939 schrieb er an<br />

Reich, der darum kämpfte, sich in der Schweiz eine Existenz aufzubauen: „A ber wir<br />

haben ja einen ,H alt‘ und der ist meines Erachtens unüberwindlich, und so habe ich<br />

(sowohl für mich als auch in der Sorge um die Anderen) den Mut wohl noch in<br />

keinem einzigen Augenblick sinken lassen! Ja aber, lieber Freund, das ist ja Allesl!!<br />

Von diesem ,Halt‘ aus erschienen mir die <strong>von</strong> Ihnen erwähnten - man muß schon<br />

sagen ,Herrschaften1- schon immer als ,Gespenster‘!“<br />

Derartige Anspielungen auf die nazistische Tyrannei auf der einen und die den<br />

Schönberg-Kreis einigenden Bande auf der anderen Seite wiederholen sich immer<br />

wieder. Am 3. Februar desselben Jahres hatte W ebern seinen früheren Schüler<br />

472


George Robert, der in New York eine Karriere als Pianist anstrebte, erneut<br />

ermahnt: „W enn es drüben auch schwierig sein mag in dieser Hinsicht: mit<br />

unerbittlicher Energie Schritt für Schritt erkämpfen: Schönberg spielen u. s. w. Nur<br />

da geht der Weg, es gibt nur einen; mit Allem anderen kommt man auf den ,Hund‘ -<br />

zwangsläufig!!! Es muß sich rächen, in der furchtbarsten Weise!“<br />

Solch kompromißloser Glaube an den Weg, den die neue Musik einzuschlagen<br />

habe, zieht sich wie ein cantus firmus durch W eberns Mitteilungen. Am 29. Juni<br />

beschwor er Robert aufs neue: „. . . sich besinnen u. immer nur allein vor Augen<br />

halten, daß es Musik <strong>von</strong> Schönberg u. s. f. gibt. W er anders denkt oder nicht die<br />

Energie aufbringt, die äußeren W iderstände zu überwinden, muß naturgesetzlich auf<br />

der ,Strecke“ bleiben. Die Anzeichen mehren sich! In 3 Jahrzehnten spielt sich<br />

immerhin etwas ab. D. h. nun nach solcher Zeit sieht es eben schon anders aus! Und<br />

jetzt wird es rapid gehn! Sie müssen auftreten als derjenige, der vor allem Schönberg<br />

spielt! Hinein in den Kampf! D er Ausgang ist klar gegeben!“<br />

Dergestalt beherrschte Schönberg auch weiterhin <strong>Webern</strong>s Denken. Briefe vom<br />

M eister waren selten geworden, aber wenn er schrieb, bekräftigten seine Worte, daß<br />

seine Gefühle für W ebern so warm wie immer waren und daß er ihn vor allen<br />

anderen schätzte. 1939 arbeitete Schönberg an seinem Lehrbuch Models for<br />

Beginners in Composition. Dreißig Jahre zuvor hatte W ebern zu der kleinen Schar<br />

<strong>von</strong> Jüngern gehört, die die Harmonielehre inspiriert hatten. Jetzt, als Schönberg<br />

wieder damit absorbiert war, einen theoretischen Leitfaden zu formulieren, wandte<br />

er sich an den Angehörigen des alten Kreises, <strong>von</strong> dem er erwarten durfte, daß eisernen<br />

Ideen am aufgeschlossensten und positivsten gegenüberstand. In einem<br />

langen Brief mit dem D atum vom 8. Juli umriß er seine neue Methode. Wie in alten<br />

Zeiten beflügelte die Notwendigkeit, seine Erkenntnisse präzis formulieren zu<br />

müssen, sein Denken und machte das Lehrer-Schüler-Verhältnis zu einer produktiven<br />

Gemeinschaftlichkeit. „Ich glaube“, schrieb Schönberg, „es wird etwas sehrgutes,<br />

ästhetisch, theoretisch, geistig und (ich glaube, dessen muß ich mich nicht<br />

rühmen) moralisch. Insbesondere aber: pädagogisch. . . Die <strong>von</strong> mir angefertigten<br />

Beispiele, die zum Teil fast einen Wert als Kompositionen haben (soweit das ohne<br />

thematische Originalität möglich ist), beruhen hauptsächlich auf dem Gedanken, zu<br />

zeigen, wie viele Lösungen, respektive Fortsetzungen aus einem bestimmten Fall<br />

folgen können. So geht durch das ganze Buch ein Motiv, erzeugt aus einem<br />

gebrochenen Akkord. Aus diesem Motiv sind lOOte <strong>von</strong> Phrasen, Vorder- und<br />

Nachsätzen, Perioden und Sätze verschiedenen Charakters mit verschiedenartigem<br />

Klaviersatz hergestellt.“<br />

W ährend Schönberg im einzelnen die zu behandelnden strukturellen Elemente<br />

aufzählte, erwähnte er als Beispiele eine Reihe <strong>von</strong> so anspruchsvollen Themen wie<br />

„C harakter“ , „Anweisungen zur Selbstkritik“ , „Polyphonie und Kontrapunkt in<br />

den Formen der Hom ophonie“, „Melodie und Thema, melodisch und unmelodisch“<br />

, „Die Tendenz der kleinsten N oten“ und „Ü ber den Höhepunkt“. Er hatte<br />

bereits den zweiten Entwurf seiner Abhandlung zur Hälfte beendet und räumte ein:<br />

„Wie die dritte Fassung aussehen wird, kann ich noch nicht ahnen. Es ist ja leider<br />

einer meiner Fehler, daß ich an solchen Sachen zu lange herumverbessere. Einmal<br />

473


muß ich eben sagen: Jetzt ist es fertig. Ich habe die Absicht und den Wunsch, das<br />

diesmal früher zu tun als bei der Harmonielehre ~ hoffentlich kann ich es!“<br />

Abschließend meinte Schönberg zu <strong>Webern</strong>: „Bitte sage nicht, daß ich ein altes<br />

Weib geworden bin, weil ich so lange und so ausführlich über mich und meine<br />

Angelegenheiten spreche. Meine Entschuldigung ist nicht: daß Du mich je gefragt<br />

hast, sondern, daß es mir unendlich wohl tut, endlich wiedereinmal zu jemandem<br />

reden zu können, der versteht, was ich meine und imstande ist, es zu werten.“<br />

Die Kunde <strong>von</strong> der erfolgreichen londoner Premiere <strong>von</strong> Das Augenlicht war<br />

auch zu Schönberg gelangt, und er erkundigte sich nach der neuen Kantate, an der<br />

W ebern arbeitete. Dieses im Juli 1938 begonnene Projekt sollte erst Ende<br />

November 1939 vollendet sein. Tagebuchnotizen, die sich in die musikalischen<br />

Skizzen eingestreut finden, geben Aufschluß über die Ereignisse, die sich zur<br />

gleichen Zeit in W eberns Familie zu trugen. Am 9. Januar 1939 wurde Peter aus dem<br />

Arbeitsdienst entlassen, zu dem er einberufen worden war, nachdem es sich<br />

herausstellte, daß sein Gesundheitszustand den körperlichen Anstrengungen nicht<br />

gewachsen war. Einen Monat später fand er eine Anstellung in einem Büro der<br />

Eisenbahn. Am 27. März verlor Amalie ihr zweites Kind bei der Geburt. Die tiefe<br />

Trauer, die die <strong>Webern</strong>s empfanden, wurde <strong>von</strong> Hildegard Jone geteilt wie auch<br />

seinerzeit die Freude, die mit den beiden ersten Enkelkindern, Amalies Sohn<br />

Michael und Christines Tochter Karin, ins Haus Im Auholz eingezogen war.<br />

Die Dichterin, selbst kinderlos, hatte am 16. Januar <strong>Webern</strong> einen verstehenden<br />

Brief über den Kreislauf der Generationen geschrieben: „Mein ganzes Leben, lieber<br />

Freund, habe ich mit Kunst zu tun gehabt, habe eigentlich mein ganzes Leben in sie<br />

hineingelebt. In der letzten Zeit sehe ich jedoch immer deutlicher vor mir, was viel<br />

größer ist als selbst die reinste Kunst. Nun, zum Beispiel die wunderschöne<br />

Selbstverständlichkeit, mit der Deine Frau das Kind ihres Kindes umsorgt u, so<br />

unmittelbar in ihr eigenes Leben aufgenommen hat. Auch <strong>von</strong> Dir gefällt uns das<br />

sehr. Ihr Beide wart doch, nachdem es in Euerer Kinderstube durch das Erwachsen-<br />

Werden Euerer Kinder still geworden war, langsam auf die Stille eingestellt. Nun<br />

aber klingt wieder dicht um Euch das neue Leben, wohl nicht immer erfreulich für<br />

Euch, besonders für Deine M usiker-Ohren, auf. Ich glaube aber, wenn man sich mit<br />

liebender Ergebenheit am eigenen Werk stören läßt, dann wird das nicht allein zur<br />

höchsten Vollendung dieses Werkes, nein auch zu der des eigenen L eb en s“1<br />

Hildegard Jones Sensibilität und Hellsichtigkeit waren eine nie versagende Quelle<br />

der Inspiration für <strong>Webern</strong>, der mit ihr während der Monate, in denen die Kantate<br />

entstand, einen intensiven Briefwechsel unterhielt. Am 27. Juli 1939 erwähnte er<br />

das Werk auch Reich gegenüber: „Ich bin schon recht weit in meiner Kantate. . .<br />

Nächste Woche ,spanne1ich ein bischen aus, gehe in die Berge!“ Die Ferien sollten<br />

recht kurz sein (29. Juli - 5. August) und <strong>Webern</strong>s stark beschnittenen Geldmitteln<br />

angemessen. E r verbrachte ein paar Tage in Kapellen und begab sich <strong>von</strong> dort ins<br />

nahe Vordernberg, um Ernst Diez zu besuchen, der wieder <strong>von</strong> Amerika zurück<br />

war. Am 4. August stieg er zur Leobener-H ütte auf, einem seiner Lieblingsplätze in<br />

den steirischen Alpen.<br />

In diesem Sommer verwandte W ebern viel Zeit und Mühe für seine Tochter<br />

474


Maria, die nach England reisen wollte, um ihrem jüdischen Freund Lebewohl zu<br />

sagen, bevor er nach Australien auswanderte. Wegen der strengen deutschen<br />

Devisenbestimmungen bat <strong>Webern</strong> Stein, Maria 5 Pfund zu geben als Vorschuß auf<br />

Tantiemen für sein Streichquartett op. 28. In einer Reihe <strong>von</strong> Briefen ersuchte er<br />

auch David <strong>Josef</strong> Bach in London, seiner Tochter mit Taschengeld auszuhelfen und<br />

sie in der fremden Stadt unter seine Obhut zu nehmen. Am 12. August war Maria<br />

wieder zu Hause. Drei Wochen später wäre sie in England gestrandet gewesen, als<br />

der Krieg über Europa entflammte und die Tore zwischen den Ländern sich<br />

schlossen.<br />

Die politische Spannung hatte sich schon seit langem dem Zerreißpunkt genähert.<br />

Am 1. September wurden die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, als die<br />

deutschen Armeen in Polen einfielen. Zwei Tage später erklärten England und<br />

Frankreich Deutschland den Krieg, und alle Mitglieder des British Commonwealth<br />

mit Ausnahme Irlands folgten ihrem Beispiel. Kaum 21 Jahre nach dem Ende des<br />

Ersten Weltkrieges befanden sich die Nationen wieder in einem Kampf auf Leben<br />

und Tod, der verheerender werden sollte als irgendeiner in der Geschichte der<br />

Menschheit.<br />

Der Ausbruch des Krieges wirkte sich unmittelbar auf <strong>Webern</strong> aus. Seine<br />

Beschäftigung beim Rundfunk wurde abrupt beendet. Sie hatte zwar nur aus der<br />

Routineaufgabe eines Programmabhördienstes bestanden, hatte aber immerhin seit<br />

März 1931 ein stetiges, wenn auch kleines Einkommen bedeutet. <strong>Webern</strong>s Lage war<br />

so verzweifelt, daß die Universal Edition sich bereit fand, in die Bresche zu springen.<br />

Ab Oktober 1939 ließ ihm der Verlag periodisch Aufträge zukommen wie das<br />

Lektorat neuer Kompositionen, Korrekturlesen <strong>von</strong> in der Herstellung befindlichen<br />

W erken sowie das Anfertigen <strong>von</strong> Bearbeitungen. D er erste Auftrag war der<br />

Klavierauszug der O per Johanna Balk <strong>von</strong> Rudolf Wagner-Regeny. W ebern ließ<br />

sich über diese Aufgabe aus, als er Reich am 20. Oktober schrieb: „Denken Sie, ich<br />

muß jetzt Arbeiten für die U.E. machen, einen dicken, dicken Klavierauszug. (Mehr<br />

verrate ich einstweilen nicht!) Ja, im September habe ich die gewisse Tätigkeit im<br />

Radio verloren; dieser Dienst ist liquidiert worden. Nun saß ich da! Also mußte ich<br />

rasch zugreifen!!! Es ist eine verflixte Situation. Zur Zeit habe ich keinen einzigen<br />

Schüler!“ Ein. Postskriptum lautete: „A ußer Polnauer sehe ich niemand mehr!<br />

Freilich <strong>Humplik</strong>s! ‘ ‘<br />

Wenn auch diese Tätigkeit <strong>Webern</strong> vom Oktober 1939 bis zum Januar 1940 ein<br />

M onatshonorar <strong>von</strong> 150 M ark eintrug, waren seine Geldmittel doch so beschränkt,<br />

daß er <strong>von</strong> M aria und Peter, die beide in G unter Wallers Firma beschäftigt waren,<br />

aber weiterhin zu Hause lebten, eine Beihilfe annehmen mußte. Ihre kleinen<br />

monatlichen Beiträge sind in <strong>Webern</strong>s Kontobuch aufgeführt, wie auch ein<br />

regelmäßig eingegangener Betrag <strong>von</strong> 20 Mark <strong>von</strong> „Mutter“, Wilhelmines Mutter,<br />

die ihre Unterstützung bis kurz vor ihrem Tod im Jahre 1944 fortsetzte.<br />

W ährend dieser trüben M onate klammerte sich W ebern an die Aussichten auf<br />

eine Konzertreise in die Schweiz. Reich hatte ihm im Frühherbst mitgeteilt, daß eine<br />

Aufführung seiner Passacaglia für den 7. Februar 1940 in Winterthur vorgesehen<br />

sei. Erich Schmid, ein ehemaliger Schönberg-Schüler, sollte dirigieren. Reich regte<br />

475


an, daß der Komponist nicht nur zu diesem Konzert eingeladen werden sollte,<br />

sondern auch zu einem Liederabend mit W erken <strong>von</strong> Schönberg, Berg und <strong>Webern</strong>,<br />

den die Basler Sektion der IGNM im Zusammenhang mit der Aufführung in<br />

W interthur plante. W ebern griff diese Aussichten begierig auf. In seiner enthusiastischen<br />

Antwort vom 20. O ktober spielte er Reich gegenüber ganz unverhüllt darauf<br />

an, daß sein Kommen durchaus seine Emigration nach sich ziehen könnte: „U nter<br />

Umständen könnte mein Besuch sogar <strong>von</strong> besonderer Tragweite für mich sein! Es<br />

wäre mir also an der Verwirklichung sehr gelegenl!! Ich bin sehr froh darüber, daß<br />

Sie daran gedacht haben. Sehr gut, lieber Reich! Ich danke Ihnen sehr! Schien doch<br />

Derartiges für mich schon ganz außer dem Bereich der Möglichkeit. Ich sehe es als<br />

gutes Zeichen!“<br />

W eberns Brief enthielt detaillierte Vorschläge zur Auswahl der Kompositionen<br />

für das Basler Programm. Ausgesprochen auf Wirkung bedacht, empfahl er eine<br />

Zusammenstellung <strong>von</strong> einzelnen Liedern aus verschiedenen Zyklen für die<br />

Vokalgruppe und schlug die folgende Reihenfolge vor: Dies ist ein Lied und Kahl<br />

reckt der Baum aus Opus 3, So ich traurig bin oder Eingang aus Opus 4, und Der Tag<br />

ist vergangen und Gleich und Gleich aus Opus 12. Für den Fall, daß ein<br />

Streichquartett zur Verfügung stehen sollte, regte er an, daß zumindest der 2., 4. und<br />

5. Satz, wenn nicht alle, aus seinen Fünf Sätzen op. 5 aufs Programm gesetzt würden.<br />

„Das ginge durchaus! Und gut!“ , schrieb W ebern und fuhr fort: „Ansonsten wären<br />

die Violinstücke günstiger als die Cellostücke. Die lieber gar nicht/Nicht, weil ich sie<br />

nicht gut finde. A ber sie würden ja nur ganz mißverstanden. Die Spieler und die<br />

H örer können nur schwer damit was anfangen. Nichts Experimentelles!!! Günstige<br />

Vorbedingung für die Aufführung der ,Passacaglia1schaffen!!! Sehen Sie, sehen Sie,<br />

alles das Genannte ist schon 3 Jahrzehnte alt!Und noch immer muß ich mich sorgen!<br />

Als ob’s um ,Uraufführungen“ ginge. Ach, endlich ein wenig begriffen zu<br />

werden. . . Und was Ihren Vortrag betrifft: Nichts Theoretisches! Sagen Sie lieber,<br />

wie Ihnen diese M usik gefällt! Das wird man Ihnen glauben, und damit ist günstige<br />

Wirkung erzielt.“<br />

D er Krieg hatte strenge Paßvorschriften zur Folge, und <strong>Webern</strong> benötigte ein<br />

besonderes Visum zur Reise in die Schweiz. Dazu war eine offizielle Einladung vom<br />

Veranstalter, dem Musikkollegium Winterthur, erforderlich. Als ihr Eintreffen auf<br />

sich warten ließ, wurde W ebern äußerst beunruhigt. Die Formalitäten konnten dann<br />

aber rechtzeitig erledigt werden, und die Reisegenehmigung wurde erteilt.8<br />

In W interthur, wo W ebern am 4. Februar eintraf, war er Gast seines alten<br />

Gönners Dr. W erner Reinhart. E r genoß in vollen Zügen den Komfort und die<br />

Eleganz des Heims seines Mäzens. Am 17. Februar, nach seiner Rückkehr nach<br />

Mödling, gab er Hildegard Jone diese enthusiastische Schilderung: „Ich war <strong>von</strong><br />

wunderbaren, exotischen Blumen umgeben: Orchideen, afrikanische Veilchen,<br />

Primeln, Narcissen u. s. w. Es war wirklich ein idealer Aufenthalt, wohl vor allem<br />

auch durch die Person meines Gastgebers.“<br />

Auf das Konzert in W interthur am 7. Februar folgte das in Basel am 10. Februar.<br />

Seit 1936 war W ebern nicht mehr außerhalb Österreichs gewesen, und er war<br />

hocherfreut über die Gelegenheit, seine Musik vor einem Publikum gespielt zu<br />

476


hören, das sie schätzte. U nter den Anwesenden war sein früherer Schüler Siegfried<br />

Öhlgießer, der vom nahen St. Gallen zu einem frohen Wiedersehen herübergekom ­<br />

men war. Zwei M onate später, am 21. April, berichtete W ebern einem anderen<br />

Schüler, George Robert, über die W iedergabe der Passacaglia: „Es war eine ganz<br />

ausgezeichnete Aufführung, übrigens ganz in klassischem Rahmen: mit der IV.<br />

Brahms u. dem Cellokonzert <strong>von</strong> Dvorak.9 Anschließend gab es dann noch einen<br />

Abend in Basel mit ausschließlich Liedern <strong>von</strong> Schönberg, Berg und mir, der auch<br />

sehr gut gelang. So waren diese Tage in der Schweiz wirklich hübsch und durchaus<br />

befriedigend.“<br />

D er Liederabend in Basel, der im Saal des städtischen Konservatoriums stattfand,<br />

wurde <strong>von</strong> Marguerite Gradmann-Lüscher mit Erich Schmid am Flügel bestritten.<br />

Nach Liedern <strong>von</strong> Schönberg und Berg hielt Reich einen Vortrag über das Thema<br />

„Arnold Schönberg und sein W iener Kreis“ . Die abschließende Gruppe, die<br />

W ebern gewidmet war, bestand aus dem vollständigen George-Zyklus op. 4 (So ich<br />

traurig bin, das zum ersten Mal schon 1925 in New York erklang, wurde<br />

irrtümlicherweise als Uraufführung angekündigt) und drei Liedern aus Opus 12 (in<br />

der Reihenfolge Nr. 2, 4 und 1).<br />

Als W ebern am nächsten Tag auf der Fleimreise war, führten ein Schneesturm und<br />

arktische Kälte zu wiederholten Unterbrechungen der Fahrt, und er kam erst in der<br />

Mitte der Nacht vom 12. Februar zu Hause an. Sturm und Schnee machten den Weg<br />

vom Bahnhof zum Plaus im Auholz so gut wie unpassierbar. W ebern berichtete<br />

darüber ausführlich in seinem Brief an Reich vom 8. April und fügte hinzu: „Ich muß<br />

sagen, ich bin wirklich sehr befriedigt heimgekehrt und habe viel Beruhigung<br />

mitgenommen.“ W erner Reinharts Großzügigkeit trug nicht unerheblich zur<br />

Genugtuung des Komponisten bei. Das Honorar <strong>von</strong> 1000 Mark ist rot umrandet in<br />

<strong>Webern</strong>s Kontobuch verzeichnet.<br />

Wesentlich wichtiger als der finanzielle Gewinn war der Auftrieb, den der Besuch<br />

<strong>Webern</strong> verlieh. Er hatte zur Folge, daß er jetzt begann, alle seine Hoffnungen an die<br />

Schweiz zu knüpfen, der einzigen Insel des Friedens, die es in Europa noch gab. In<br />

seinen Briefen an Reich erkundigte er sich wiederholt nach Aussichten auf<br />

Kompositionsaufträge, Aufführungen und Dirigierverpflichtungen. Er schlug die<br />

Uraufführung seiner soeben vollendeten Kantate op. 29 vor und fragte auch nach<br />

Chancen für eine Beihilfe für seine gegenwärtige Arbeit an den Variationen op. 30.<br />

Es war ihm bekannt, daß Paul Sacher Aufträge an Komponisten wie Honegger,<br />

M artinü und Bartök vergeben hatte, und er drängte Reich am 18. Juni 1940, sich für<br />

ihn zu verwenden: „Halten Sie es für möglich, daß Sacher eine Bestellung an mich<br />

ergehen läßt? In dem Sinne, wie er es ja. . . schon anderweits getan hat! Sie<br />

erwähnten den Fall B artök.10 Ich muß Ihnen gestehn, daß mir die Sache recht<br />

dringlich ist. A ber schließlich, es wäre doch die natürlichste A rt des,'Verdienern“für<br />

unsereinen. In der Vergangenheit war es ja vielfach so. Nur heute wird es so wenig<br />

praktiziert. Möchten Sie so lieb sein, die Sache (vielleicht recht bald) ein wenig zu<br />

sondieren? Es könnte möglicherweise, was ich zur Zeit arbeite, sehr gut gerade dafür<br />

in Betracht kommen! Es ist etwas Instrum entales.“<br />

Obgleich W ebern die Angelegenheit noch für einige Zeit mit Nachdruck<br />

4 7 7


weiterverfolgte, kam es zu keinem Kompositionsauftrag. Enttäuscht war er auch<br />

über Reinharts negative Reaktion auf seine Anfragen hinsichtlich Dirigierverpflichtungen.<br />

Reinhart hatte zweifellos die sich versteifende anti-deutsche Einstellung<br />

seiner Schweizer Landsleute zu berücksichtigen, die, völlig eingekreist <strong>von</strong><br />

totalitären Mächten, entschlossen waren, ihre Unabhängigkeit zu bewahren.<br />

W ebern spielte darauf an, als er am 3. März 1941 an Reich, in dem er seinen<br />

getreuen Sachwalter sah, schrieb: „Von Reinhart bekam ich Ende November einen<br />

sehr ausführlichen Brief. U. a. teilte er mir auch mit, daß ein Dirigentengastspie]<br />

meinerseits unter den gegebenen Verhältnissen nicht möglich sei, und begründete<br />

das durchaus freundschaftlich.“<br />

W ährend W ebern im Verlauf des Jahres 1940 unermüdlich Aussichten in der<br />

Schweiz nachging, blieb ihm Zeit im Übermaß, sich auf seine neue Orchesterkomposition<br />

zu konzentrieren. Die stille Häuslichkeit, die seinem Werk so förderlich war,<br />

erlitt in diesem Sommer eine vorübergehende Störung. Am 19. Juni wurde Christine<br />

<strong>von</strong> ihrer zweiten Tochter U te entbunden, und da ihr Mann zu einer Heeresdienststelle<br />

abkommandiert war, zog sie mit den Kindern zu den Eltern. So sehr auch<br />

W ebern seine jährlichen Ferien in den Bergen vermißte, fand er sich doch damit ab:<br />

„W ir Alten werden heuer kaum abkommen können,“ schrieb er <strong>Josef</strong> Hueber am<br />

25. Juli. „A ber wo ist es denn schöner im Sommer als hier im Auholz?“ Von dem<br />

Tag der Einberufung Huebers an hatten die Freunde einen lebhaften Briefwechsel<br />

unterhalten. Hueber war nach dem deutschen Blitzsieg in eine Garnison in<br />

Nordfrankreich verlegt worden. Da er W eberns Leidenschaft fürs Rauchen kannte,<br />

schickte er ihm oft Zigarren und Tabak aus seiner eigenen Zuteilung.<br />

Am 16. September war Peter zum Militärdienst eingezogen worden. Obwohl er<br />

bereits am 19. November wegen seiner Herzbeschwerden wieder entlassen wurde,<br />

blieb die schleichende Sorge, daß er jederzeit wieder einberufen werden könnte. Die<br />

wachsenden Belastungen durch den Krieg hatten begonnen, jeden Familienkreis zu<br />

erfassen, und dieser schwere Schatten hing über den ganzen letzten Jahren <strong>Webern</strong>s.<br />

So zurückgezogen er auch lebte, versunken in sein Schaffen, sollte auch er<br />

unwiderstehlich in die Flutwelle der dramatischen Ereignisse hineingerissen<br />

werden, die es niemandem ermöglichte, gleichgültig oder ohne Parteinahme zu<br />

bleiben. Wie jedermann, so sah auch er sein Geschick und seine Zukunft vor dem<br />

Hintergrund des ungeheuren Kriegsgeschehens. Mit Deutschland im Kampf<br />

verstrickt, war das Schicksal des Vaterlandes natürlich auch zur Hauptsorge eines<br />

jeden guten Bürgers geworden. <strong>Webern</strong>s gesamter Habitus, <strong>von</strong> seiner adeligen<br />

Herkunft bis hin zu seinem geradezu chauvinistischen Glauben an die Vormachtstellung<br />

der deutschen Musik, ließ ihn prädestiniert erscheinen für jene A rt <strong>von</strong><br />

Patriotismus, die ihn mit dem Ausbruch des Konflikts dazu trieb, sich hinter die<br />

Sache der Nation zu stellen. Wie die meisten seiner Landsleute ließ auch er sich<br />

blenden <strong>von</strong> den anfänglichen, alles überrollenden Eroberungen. Die verblüffende<br />

W iedererhebung eines Deutschlands, das er erst zwei Jahrzehnte zuvor besiegt am<br />

Boden gesehen hatte, zu einer Macht, die vielleicht über ganz Europa herrschen<br />

würde, war ein so überwältigender Triumph, daß es nicht ausbleiben konnte, daß er<br />

da<strong>von</strong> fasziniert und berauscht wurde. In <strong>Webern</strong>s Augen stand ein rascher und<br />

478


vollständiger Sieg außer Frage. Dauerhaften Frieden und Wohlstand würde es für<br />

Groß-Deutschland geben, und damit müßte sich für jeden alles zum Besten wenden.<br />

Für dieses hohe Ziel müßten vorübergehende Härten für den Einzelnen in Kauf<br />

genommen werden. Zum Wohle aller müßte eben auch eine totalitäre Regierungsform<br />

akzeptiert werden. Solcherart waren die Ideologien, denen W ebern wie auch<br />

die meisten Deutschen während der ersten Kriegsjahre anhingen. Sein Patriotismus<br />

schwoll zu solchen Dimensionen an, daß er eine Zeitlang sogar seine kulturellen<br />

Überzeugungen verzerrte. Beweis hierfür ist die tragische Selbsttäuschung, die in<br />

einer Reihe <strong>von</strong> Briefen zutage tritt, die er <strong>Josef</strong> H ueber schrieb, und aus denen die<br />

folgenden Auszüge hier wiedergegeben werden sollen:<br />

4. März 1940 (Bemerkungen <strong>Webern</strong>s zu Flitlers Mein Kampf, den H ueber ihm<br />

gegeben hatte): „Das Buch hat mir viel Aufklärung gebracht. Ich gieng dabei die<br />

darin behandelte Zeit (bis 1930) auch in Bezug auf persönlich Erlebtes durch u.<br />

wunderte mich wieder, wie doch so Entgegengesetztes nebeneinander möglich<br />

werden konnte. Ja, das ist schon zum ,wundern1. Was ich momentan zu sehn glaube,<br />

macht mich höchst zuversichtlich! Ich sehe sie kommen, die Befriedigung der ganzen<br />

Welt. Zunächst östlich des Rheins bis, ja, wie weit? Das wird <strong>von</strong> U.S.A. abhängen.<br />

A ber wohl schon bis zum Stillen Ozean! Ja, das glaube ich, glaube ich u. kann’s nicht<br />

anders sehn!“<br />

2. Mai 1940 (nach Deutschlands überraschender Invasion in Dänemark und<br />

Norwegen am 8. und 9. April): „Ihre Ausführungen, z.T. andeutungsweise, haben<br />

mich außerordentlich interessiert. Einiges da<strong>von</strong> geradezu aufgeregt. Das waren für<br />

mich enorm wichtige Beiträge: das liegt ja alles auf der Linie dessen, das ich<br />

erwarten möchte u. das auch zu erwarten ist. Es paßt genau in das Bild, das ich mir<br />

mache. Und geht es nicht mit Riesen-Schritten vorwärts! (Diese letzten Ergebnisse!<br />

Großartig!) Aber nicht nur der äußere Proceß! Auch der innere! Es ist erhebend! Ich<br />

habe unlängst einen sogenannten Kulturfilm gesehn, der das Leben in einem unter<br />

Naturschutz gestellten , Tümpel“zeigt (wo dieses Stück Erde gelegen ist, wurde nicht<br />

gesagt); es war prachtvoll! Ich meine nicht einmal so sehr das Gegenständliche, das<br />

da zu sehn war, als vielmehr das Niveau, auf dem so ein Film in Wort u. Bild steht.<br />

Das ist eines, nachdem ja schon immer unser Sinn gestanden ist. Da auch der<br />

Hauptfilm ,Befreite Hände* gut war u. z. B. die,Wochenschauen* jetzt auch in neuer,<br />

ganz ausgezeichneter Art sich zeigen, bin ich mit dem sicheren Gefühl aus dem<br />

,Kino‘ gegangen: ja, wenn dieses ,Publikum1nicht ganz verstockt ist, so müßte doch<br />

ein solcher Abend auf die Leute <strong>von</strong> läuternder Wirkung sein. Ich möchte es so<br />

gerne annehmen. Und das ist es ja, was den ,Filrn‘ so wichtig macht. Da er mit einer<br />

Eindringlichkeit, wie kaum etwas anderes heute, im Stande ist zu wirken! Nun, wir<br />

haben ja oft darüber gesprochen. Und es erfüllt sich schon, z.T. so schön, was ich mir<br />

in dieser Hinsicht erwarte. Und es wäre noch Einiges zu nennen, das auf ein<br />

Fortschreiten in der inneren Reinigung absolut hinweist. Das ist heute Deutschland!<br />

Aber eben das nationalsozialistischem Nicht irgendeines! Das ist eben der neue<br />

Staat, zu dem die Saat vor nun mehr 20 Jahrengelegt worden ist. Ja ein neuer Staat ist<br />

es, wie er noch niemals bestanden hat. Ein Neues ist es! Geschaffen <strong>von</strong> diesem<br />

einzigen Manne!!! Sehn Sie, Sie spüren meine Sorge: man könnte als selbstverständ-<br />

479


lieh (schließlich) nehmen, was so einmalig entstand, was eben nur dieser Natur<br />

entspringen konnte, diesen Einmaligen zum U rheber hat. Ja, also schreiben Sie mir<br />

recht bald wieder und berichten Sie mir, was Sie erfahren. Solche Beiträge, wie Ihre<br />

letzten, sind mir ungeheuer wichtig! Jeder Tag wird aufregender. Ich sehe so gute<br />

Zukunft. Es wird auch für mich anders werden.“<br />

7. Juli 1940 (Frankreich hatte am 22. Juni kapituliert): „Was, was ist alles<br />

geschehn indessen! Zur Fortsetzung habe ich meine besonderen Gedanken u. bin<br />

neugierig, ob sich da<strong>von</strong> etwas bewahrheiten wird. Ich habe mich eigentlich nicht<br />

sehr geirrt bisher. (Ich sagte vielleicht nur manchmal nicht alles so, wie ich’s<br />

insgeheim am Herzen hatte!)“<br />

21. Dezember 1940: „Ich möchte Ihnen noch sagen, daß ich bei Stefan George<br />

ganz eminent interessante Entdeckungen gemacht habe: im ,Stern des Bundes“, in<br />

dem er eine Lehre gibt, die jetzt vielfach ihre Verwirklichung erfährt - aber schon<br />

1914!!! u. im ,Neuen Reich1 (1921) in dem im Grunde die Dinge direkt genannt<br />

sind: er spricht vom ,wahren Sinnbild“ am ,völkischen Banner1!!! Nun einmal<br />

mündlich mehr darüber.“<br />

20 März 1941: „Es wird immer aufregender. Die beiden letzten Reden! Nun<br />

werden wir’s ja bald erleben.11<br />

5. Juni 1941: „Ob nicht doch die Möglichkeit eines baldigen Endes der Kriegszeit<br />

besteht! D er heutige Tag hat Nachrichten gebracht, auf Grund deren diese<br />

Möglichkeit gar nicht so unwahrscheinlich gelten mag! Noch ist ja nichts bestätigt,<br />

doch kann es jeden Augenblick sein, am liebsten würde ich dauern beim Apparat<br />

sitzen. Ist’s wahr, dann, Lieber, wäre auch das ,Rätsel im Osten1gelöst! Ich muß<br />

gestehn - u. Sie sind Zeuge - mir war diese Seite nie fraglich! Der Zusammenschluß<br />

gegen jene allein schuldige Macht: habe ich nicht schon nach Beendigung des<br />

russisch-finnischen Krieges gesagt, was könnte ihn, den Zusammenschluß, noch<br />

verhindern? Damals meinte ich: vom Rhein bis zum Pazifik; nun aber <strong>von</strong> dem<br />

Atlantik bis dorthin. Und ist’s nicht nur eine Frage der Zeit, daß bald die ganze Erde<br />

so zusammengeschlossen sein wird? Das ist mein Glaube!!! Es kommt herauf! Laßt<br />

uns in Ruhe warten, jeder auf seinem Posten! Wann, glauben Sie, werden Sie wieder<br />

a u f,U rlaub1kommen können, ob’s nicht früher schon ein definitiver wird? Sie sollen<br />

mich nicht auslachen.“<br />

18. Juli 1941 (nach Deutschlands Überfall auf Rußland): „Daß es nun doch so<br />

kommen mußte! Bis zum letzten M oment hatte ich es anders erwartet. Sie wissen ja,<br />

was ich meinte. Ich kann nun aber wohl nicht mehr da<strong>von</strong> lassen, <strong>von</strong> vornherein u.<br />

so lange es nur geht das Bessere anzunehmen u. bin dann nicht darüber unglücklich,<br />

in solcher Einsicht desavouiert worden zu sein, sondern ausschließlich über das sich<br />

Ereignende! Nun muß eben das Ziel, <strong>von</strong> dem ich neulich wieder schrieb, auf diese<br />

Weise erreicht werden - aber es kommt herauf, vielleicht nun noch rascher. Es ist<br />

kaum mehr zu fassen, was vorgeht! Und schon drohen wieder neue Gefahren. Es<br />

scheint, es muß wirklich unser ganzer Erdkreis um- und umgepflügt werden. -<br />

Haben Sie die Äußerungen des Herrn vom Kreml gelesen? Teuflisch dieser Plan -<br />

aber im Grunde: wie dilettantisch, wie albern! Und wieder schlägt die Vorsehung, im<br />

wort-wörtlichen Sinne meine ich das (wer hat wirklich jVorgesehn1, recht vorausge-<br />

480


sehn?), dem Feind die , Waffe aus der H and‘ (wieder im wörtlichen Sinn). Und so<br />

wird es alle treffen! Es ist ungeheuer, lieber Freund!“<br />

Weihnachten 1941 (Japan hatte Pearl H arbor am 7. Dezember angegriffen und<br />

damit den Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg beschleunigt): „Ja, mein<br />

Lieber, was hat sich nun wieder ereignet! Den Kriegseintritt Japans empfand ich als<br />

eine grundlegende, entscheidende Wendung! Als ein mächtiges Ereignis! Ich kann<br />

gar nicht sagen, wie mich das beschäftigt! Denn wer weiß, was <strong>von</strong> diesem Volk noch<br />

alles ausgehn wird! Ich muß sagen, dieser Gedanke erfüllt mich mit ganz besonderer<br />

Zuversicht. Denn, so wie ich es mir vorstelle, erscheint es mir ~~ das japanische Volk<br />

- als ein ganz gesunder Stamm! Durch u. durch! Zieht da nichts Neues herauf? Aus<br />

unbeschädigtem, uralten Grund! Ich sehe es nur so! Ich kann nicht anders! Und ich<br />

bin glücklich dabei!!! Was möchte ich noch alles dazu sagen. Wenn Sie wieder auf<br />

Urlaub da sind!“<br />

25. Februar 1942: „Was sich derzeit abzeichnet, ist ja enorm! Um Weihnachten<br />

herum waren wohl Tage voll schwerster Sorge! Aber jetzt!!! Was habe ich <strong>von</strong> den<br />

Japanern gesagt? Nun ist es nicht so? Und die ungeheueren Leistungen der<br />

Unsrigen! In diesem Winter, voll Grauen u. Leid!“<br />

Das Jahr 1942 brachte die ersten Rückschläge in Deutschlands Kriegsglück, und<br />

W eberns Briefe wurden bald wesentlich gedämpfter in ihrer Zuversichtlichkeit auf<br />

einen baldigen Sieg. Trotzdem hielt er seinen Optimismus lange aufrecht, wobei er<br />

in den mystischen Gedichten <strong>von</strong> Stefan George, dessen Ideologien ihn über mehr<br />

als 30 Jahre hinweg inspiriert hatten, Nahrung für seine Gläubigkeit suchte. Jetzt sah<br />

er in George den Propheten einer neuen deutschen Generation, durch die<br />

Vorsehung, wie er meinte, hinter einem erwählten Führer vereint. Erpicht darauf,<br />

mit seinen Freunden die geistige Quelle seines Patriotismus zu teilen, machte er sie<br />

auf Georges Schriften aufmerksam. Schon Weihnachten 1940 hatte er sowohl<br />

Hueber wie auch einem Mitglied des früheren Singvereins, Hans Humpelstetter, <strong>von</strong><br />

seinen „merkwürdigsten Entdeckungen“ erzählt. Humpelstetter, <strong>von</strong> Beruf Philologe,<br />

war damals an der Front. Er war stets ein aufrechter Sozialdemokrat gewesen.<br />

Deshalb äußerte sich W ebern vorsichtig, als er ihn auf Georges Stern des Bundes und<br />

Das neue Reich hinwies: „Nun schaun Sie da einmal hinein! Ich sage nichts weiter,<br />

aber ich bin neugierig, wie Ihnen diese ,Lehre“, so muß man wohl sagen, vorkommt.<br />

Ich nehme nicht Stellung! Ich weise nur darauf hin.“<br />

In Das neue Reich, im Abschnitt „Der Dichter in Zeiten der Wirren“, prophezeit<br />

Stefan George die Geburt eines künftigen Führers und besingt seine Taten:<br />

„Der sprengt die ketten fegt auf trümmerstätten<br />

Die Ordnung, geißelt die verlaufnen heim<br />

Ins ewige recht wo großes wiederum groß ist<br />

Herr wiederum herr, zucht wiederum zucht, er heftet<br />

Das wahre Sinnbild auf das völkische banner<br />

Er führt durch sturm und grausige Signale<br />

Des frührots seiner treuen schar zum werk<br />

Des wachen tags und pflanzt das Neue Reich.“


In Versen wie diesen identifizierte W ebern die Vision des Dichters mit der<br />

Wirklichkeit der neuen Ordnung in Deutschland unter Hitler. Unmißverständlich<br />

war für ihn „das wahre Sinnbild“ auf dem „völkischen banner“ die Swastika, die<br />

nationale Größe durch rassische Reinheit verkündete. Wie brachte W ebern es<br />

fertig, diese pan-germanischen Ideale mit seinen persönlichen Loyalitäten und<br />

künstlerischen Überzeugungen, die so untrennbar miteinander verknüpft waren, in<br />

Einklang zu bringen? Kein anderer außer ihm selbst könnte diese brennende Frage<br />

beantworten.<br />

Das Dilemma war <strong>von</strong> einschneidender Bedeutung, und W ebern sah sich bald<br />

einem Balanceakt zwischen diesen seinen Loyalitäten ausgesetzt. Sein Schüler und<br />

Freund Ludwig Zenk, vormals ein radikaler Linker, war ein glühender Nationalsozialist<br />

geworden und setzte alles daran, ihn zu bekehren. Brunswick zufolge war<br />

Zenk der „gefährliche Typ eines Nazi-Intellektuellen“ .11 Zenk, der sich dessen<br />

bewußt war, was er Juden wie Steuermann (dessen W iedergabe <strong>von</strong> Zenks<br />

Klaviersonate bei der Universal Edition den Anstoß zur Veröffentlichung des<br />

W erkes gab) schuldete12, hatte sich eine „modifizierte“ Form des Antisemitismus<br />

zurechtgelegt, wobei er Persönlichkeiten wie Arnold Schönberg, Karl Kraus und<br />

Gustav M ahler als „nichtbetroffen auf Grund ihrer künstlerischen Leistung“<br />

einstufte. (Das hinderte <strong>Webern</strong> nicht daran, es für zweckmäßig zu erachten,<br />

Flumpliks Büste <strong>von</strong> Mahler, die für mehr als ein Jahrzehnt in seinem Heim einen<br />

Ehrenplatz innegehabt hatte, in die Abgeschiedenheit seines Schlafzimmers zu<br />

verbannen, damit sie den wachsamen Augen <strong>von</strong> Nazi-Sympathisanten entginge.)<br />

Im selben Ausmaß, wie die politischen Ansichten sich.verhärteten, wuchsen auch<br />

die Spannungen und untergruben die Bande alter Freundschaften. Polnauer<br />

berichtete, daß er 1940 mit Zenk brach, als jener ihm bei einer Zufallsbegegnung auf<br />

der Straße unverblümt erklärte, daß der Krieg gewonnen werden müsse. Das löste<br />

bei Polnauer, einem Mann <strong>von</strong> cholerischem Temperament, einen Wutanfall aus.<br />

<strong>Webern</strong>, der <strong>von</strong> dem Streit erfuhr, versuchte zu vermitteln. Doch Polnauer<br />

erinnerte ihn daran, daß Zenk sich in der Kristallnacht gegenüber dem Schicksal<br />

David <strong>Josef</strong> Bachs, der sich lange für ihn eingesetzt hatte, gleichgültig verhalten<br />

habe, während „ein gewisser Dr. W ebern“ dem Freund sofort zu Hilfe geeilt war.<br />

Polnauer zufolge senkte <strong>Webern</strong> mit einem verlegenen Lächeln den Kopf, und<br />

entwaffnet unternahm er keinen weiteren Versuch mehr, die beiden zu versöhnen.13<br />

Seit dem Anschluß hatte es <strong>Webern</strong> zur Regel gemacht, Polnauer jeden Freitag<br />

zum Abendessen einzuladen. Sogar nachdem der gesellschaftliche V erkehr mit<br />

Juden verboten worden war, setzte er diese Gepflogenheit fort. Solche Mißachtung<br />

offizieller Verordnungen bedeutete eine ernstliche Gefahr für <strong>Webern</strong>, umsomehr<br />

als die Juden vom September 1941 an gezwungen waren, sich in der Öffentlichkeit<br />

durch das Tragen <strong>von</strong> gelben Armbinden mit dem David-Stern zu identifizieren.<br />

Diese Erniedrigung war für Polnauer besonders schmerzlich. Als hochgewachsener<br />

Mann mit blonden Haaren und blauen Augen entsprach er dem Idealfall des<br />

germanischen Typs, und er selbst hegte gewisse Zweifel, ob er tatsächlich jüdischer<br />

Abstammung war. E r vermutete, daß er der Sproß böhmischer Vorfahren war, die,<br />

als Hussiten verfolgt, es vorzogen, den jüdischen Glauben anzunehmen, anstatt sich<br />

482


dem Katholizismus zu beugen. Von der Kristallnacht an versuchte Polnauer mit<br />

<strong>Webern</strong>s Hilfe verzweifelt, auszureisen. D er Erfolg schien Anfang 1940 zum<br />

Greifen nahe, als ein Affidavit <strong>von</strong> Brunswick es ihm ermöglichte, die Überfahrt<br />

nach Am erika zu buchen. Doch in letzter M inute wurde ihm das Einreisevisum<br />

wegen der deutschen Invasion in Holland im Mai verweigert, da die Vereinigten<br />

Staaten nunmehr holländischen Flüchtlingen Vorzugsquoten zuteilten.<br />

Trotzdem W ebern in unerschütterlicher Loyalität zu seinen jüdischen Freunden<br />

stand, sprach es sich im Ausland sehr bald herum, daß sich in seiner Familie aktive<br />

Nationalsozialisten befanden, und so übertrug sich der Verdacht, mit dem neuen<br />

Regime zu sympathisieren, auch auf ihn. Eduard Steuermann ließ m ehrere Briefe<br />

unbeantwortet, weil er es W ebern zutiefst verübelte, daß er seinem Absender die<br />

Bezeichnung „Deutsches Reich“ zufügte. Steuermann sah dies als einen unnötigen<br />

und unentschuldbaren Affront für diejenigen an, die gezwungen worden waren,<br />

Österreich zu verlassen.14 So kostete W ebern seine pedantische Befolgung<br />

postalischer Vorschriften, ohne daß er es jemals gewahr wurde, Steuermanns<br />

Freundschaft.<br />

Was Schönberg betrifft, so kannte er W ebern gut genug, um sich nicht beunruhigt<br />

zu fühlen über Dinge, die andere übelnahmen. Er, der <strong>von</strong> jeher ein Realist war,<br />

hatte Verständnis für <strong>Webern</strong>s leicht beeindruckbares Naturell und erkannte das<br />

Dilemma, in dem er sich verfangen hatte. In m ehreren während seiner amerikanischen<br />

Jahre geschriebenen Artikeln nannte Schönberg <strong>Webern</strong> stets an erster Stelle,<br />

wenn er auf seine Schüler Bezug nahm. In „Flow One Becomes Lonely“ („Wie man<br />

vereinsamt“) (1937) erwähnte er „diese kleine Schar getreuer Freunde, meine<br />

Schüler, unter ihnen mein lieber Freund <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, der geistige Anführer<br />

der Gruppe, ein ausgesprochener Heißsporn, wenn es um seine Prinzipien geht, eine<br />

echte Kämpfernatur, ein Freund, dessen Treue nicht übertroffen werden kann, ein<br />

wahres Genie als Komponist.“ 15 Die Korrespondenz zwischen den Freunden ging<br />

weiter, bis mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg alle direkten<br />

Verbindungen unterbrochen wurden. Obwohl die Mehrzahl der Briefe Schönbergs<br />

verlorengegangen ist16, bestätigt eine Bemerkung in einem Brief, den <strong>Webern</strong> Reich<br />

am 3. März 1941 schrieb, daß Schönberg ihn bis zum Schluß über alle seine<br />

Aktivitäten auf dem Laufenden hielt: „Nachricht <strong>von</strong> Arnold: Krasner spielte sein<br />

Violinkonzert, Uraufführung unter Stokowski, auch Urauff. der eben vollendeten<br />

II. Kammersymphonie, die er schon 1906 begonnen hatte.“<br />

Hin und hergerissen zwischen seinen Loyalitätsprinzipien als Mensch und als<br />

Künstler, rang <strong>Webern</strong> darum, ein prekäres Gleichgewicht zu halten zwischen seiner<br />

Treue zum Vaterland und der Solidarität mit seinen Freunden. So quälend dieser<br />

Konflikt auch gewesen sein muß, es gab kein Schwanken und keinen Kompromiß bei<br />

der Verfolgung seiner künstlerischen Visionen. Bis zum Ende hatten sie den Idealen<br />

zu dienen, für die er so mutig in einer Phalanx mit Schönberg und Berg gekämpft<br />

hatte. Dieser seiner Mission, und damit seinen Freunden im Exil und im Tod, hielt er<br />

unverbrüchliche Treue, und darin bestand seine wahre Loyalität.<br />

483


Ölporträts <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

Oskar Kokoschka (1914)<br />

Tom <strong>von</strong> Dreger (1934)<br />

Hildegard Jone (1945)


31. Krieg —<strong>Webern</strong>s 60. Geburtstag —<br />

<strong>Webern</strong>-Bildnisse (1940-1943)<br />

<strong>Webern</strong>s Arbeit an seinen letzten drei Kompositionen (Opus 29, 30 und 31) wurde<br />

immer wieder <strong>von</strong> verschiedenen Aufträgen für die Universal Edition unterbrochen.<br />

Diese Beschäftigung half ihm, seine finanzielle Notlage zu lindern, und schützte ihn<br />

im weiteren Verlauf des Krieges davor, zu einem der Zivildienste eingezogen zu<br />

werden, die zur Unterstützung des nationalen Einsatzes aufgestellt wurden.<br />

Trotzdem haßte <strong>Webern</strong> diese unwillkommenen Pflichten, die er für weit unter<br />

seiner Würde hielt. Die Briefe an seine Freunde sind voll <strong>von</strong> Klagen über das, was<br />

er „Fronarbeit“ nannte, eine Tätigkeit, die er umsomehr verabscheute, hielt sie ihn<br />

doch vom eigenen Komponieren ab.<br />

„Ich hätte Ihnen schon früher geschrieben, hätte mich nicht eine Zwangsarbeit<br />

durch 4 Wochen ganz in Anspruch genommen: die wollte ich so schnell als möglich<br />

hinter mich bringen. Nun ist es so weit u. ich atme auf“, berichtete <strong>Webern</strong> <strong>Josef</strong><br />

Hueber am 25. Juli 1940. Er war zu dieser Zeit mit dem Korrekturlesen des <strong>von</strong> ihm<br />

verfertigten Klavierauszuges <strong>von</strong> Wagner-Regenys Johanna Balk beschäftigt. Der<br />

Auszug, anläßlich der Premiere der Oper in Wien am 4. April 1941 veröffentlicht,<br />

verschweigt <strong>Webern</strong>s Namen als Arrangeur, seine gewissenhafte Arbeitsweise tritt<br />

jedoch in jedem Detail in Erscheinung.<br />

Nach Johanna Balk erhielt <strong>Webern</strong> den Auftrag, die Klavierbearbeitung <strong>von</strong><br />

Othmar Schoecks Oper Das Schloß Dürande (in Berlin am 1. April 1943<br />

uraufgeführt) zu machen, sowie die <strong>von</strong> Alfredo Casellas Paganiniana op. 65 (einer<br />

Orchestersuite aus dem Ballett La Rosa delSogno). Schoecks umfangreiches Werk<br />

beschäftigte ihn vom August 1941 bis zum Februar 1942. <strong>Webern</strong> bezog sich auf<br />

diese mühselige Aufgabe, als er Willi Reich am 23. August 1941 schrieb: „Ich muß<br />

mich zur Zeit übrigens wieder mit einem Auszug schinden, <strong>von</strong> einer Oper - bitte, es<br />

nicht weiter sagen - eines Schweizer ,Meisters“. Wehe Ihnen, wenn Sie es verraten!<br />

(Wenn andere Schweizer ein Einsehen gehabt hätten, müßte ich es vielleicht nicht<br />

machen!)“ Die Schlußbemerkung richtet sich gegen die Absage <strong>von</strong> Paul Sacher,<br />

<strong>Webern</strong> einen Kompositionsauftrag für die Variationen für Orchester op. 30 zu<br />

erteilen.<br />

In ähnlicher Stimmung klagte <strong>Webern</strong> am 16. September Hueber sein Leid, wobei<br />

er sich dafür entschuldigte, daß er erst jetzt für eine Sendung Zigarren dankte: „Ich<br />

saß gerade um diese Zeit <strong>von</strong> früh bis spät mit einer Arbeit (für die U.E.), die ich aus<br />

verständlichen Gründen übernehmen mußte: es ist wieder ein Klavierauszug, einer,<br />

scheint es, schrecklich langen Oper. Eine Portion habe ich nun glücklich hinter mir u.<br />

kann nun wieder zu meiner eigenen Arbeit kommen.“ Mit dem Hinweis ist die II.<br />

Kantate gemeint, <strong>von</strong> der <strong>Webern</strong> bereits einen Satz vollendet hatte. Als seinem<br />

Bestreben, mit diesem Projekt voranzukommen, ein Riegel vorgeschoben war, und<br />

485


da er sich schämte, daß er Handlangerdienste für einen anderen Komponisten<br />

verrichten mußte, schüttete er den <strong>Humplik</strong>s am 7. Dezember sein Herz aus: „Ich<br />

bin nicht gut daran, es ist mit ein Grund, warum ich meinerseits so lang nichts hören<br />

ließ: es widerstrebt mir, sagen zu müssen, daß ich nun schon seit Wochen an die bei<br />

unserem letzten Beisammensein schon erwähnte Frohn-Arbeit gebunden bin und es<br />

noch etliche Wochen sein werde, somit wohl kaum vor dem neuen Jahr wieder zur<br />

eigenen kommen kann. Aber dann! Wenn die Sonne wieder steigt! Das ist ein ganz<br />

böser Zustand. Ich konnte ihm aber nicht ausweichen. So mußte ich schon im<br />

November die Arbeit an ,Freundselig ist das Wort1unterbrechen! Das ist schon<br />

kaum mehr auszuhalten! So schwieg ich. Aber endlich mußte ich es Euch sagen. Jetzt<br />

war auch das nicht mehr auszuhalten.“<br />

In seinem Weihnachtsgruß an Hueber verlieh <strong>Webern</strong> seiner Entschlossenheit<br />

Ausdruck, die verhaßte Arbeit so schnell als möglich abzuschließen: „Doch wird sie<br />

noch etliche Wochen erfordern. Es häufen sich meine Bögen schon zu hundertenl“<br />

Am 24. Februar 1942 war die „schreckliche Arbeit“ beendet, wie er Hueber am Tag<br />

darauf wissen ließ, und freudige Erleichterung spricht aus seinem Brief an Reich<br />

vom 28. Februar: „Ich habe wieder einen Klavierauszug verzapft, diesmal <strong>von</strong><br />

einem Ungeheur <strong>von</strong> fast 1000 Partiturseiten! Fragen Sie nicht weiter danach, ich<br />

mag nicht reden da<strong>von</strong> und sagen Sie auch niemand da<strong>von</strong>!!! Nun, jetzt habe ich es ja<br />

schon hinter mir! Fühle mich wie neugeboren. . . So kann ich mich wieder an meine<br />

eigentlichen Aufgaben begeben, die Unterbrechung war bös.“<br />

Die Unterbrechung hatte sich immerhin gelohnt. „Schließlich habe ich für meine<br />

Arbeit einen recht guten Preis erzielt“, meinte <strong>Webern</strong> zu Hueber am 25. Februar.<br />

Laut Kontobuch erhielt er <strong>von</strong> der Universal Edition ab Juli 1941 sechs monatliche<br />

Zahlungen <strong>von</strong> je 100 Mark und im März 1942 zum Abschluß einen Betrag <strong>von</strong> 900<br />

Mark. Die Ratenzahlungen wurden mit einem „R “ versehen, ein Hinweis darauf,<br />

daß Werner Reinhart bei der Erteilung des Auftrags seine Hand im Spie! gehabt<br />

haben mag. Der gedruckte Klavierauszug der Oper <strong>von</strong> Schoeck verschweigt, wie<br />

der zu Wagner-Regenys Werk, den Namen des Bearbeiters.<br />

Im Verlauf des Herbstes 1942 verzeichnete <strong>Webern</strong> zwei Zahlungen <strong>von</strong> der<br />

Universal Edition <strong>von</strong> insgesamt 500 Mark für seinen Klavierauszug <strong>von</strong> Casellas<br />

Paganiniana. (Die symphonische Suite des italienischen Komponisten wurde in<br />

diesem Jahr in Wien aufgeführt.) <strong>Webern</strong> äußerte sich zu der Bearbeitung auf einer<br />

Postkarte an Alfred Schlee vom 17. Oktober 1942.1Drei Sätze waren beendet und<br />

er war gerade an der Arbeit an dem umfangreichen vierten, der in seinen Worten<br />

„besonders viel Überlegung“ erforderte. Zur Begründung seiner langsamen<br />

Arbeitsweise meinte er: „Doch wäre mit Übereilung nichts getan. ,Gut D ing. . “<br />

Trotz <strong>Webern</strong>s unendlicher Sorgfalt sagte Casella die Bearbeitung nicht zu.<br />

Schlee zufolge fand er, daß sie zu dünn sei und der virtuosen Orchesterpartitur als<br />

Entsprechung nicht gerecht werde. Hier, wie auch in anderen Bearbeitungen, hatte<br />

sich <strong>Webern</strong> auf die Darstellung der entscheidenden Vorgänge beschränkt und die<br />

musikalische Struktur <strong>von</strong> allem entblößt, was er für Verpackung hielt. Es ging ihrn<br />

nicht um pianistische Wirkung, sei es technischer oder akustischer Art, sondern<br />

lediglich um die musikalische Substanz. Das Ergebnis war, daß das, was in Casellas<br />

486


illanter Orchesterbehandlung so eindrucksvoll erschien, viel <strong>von</strong> seiner Wirkung<br />

verlor, sobald es auf die bloße Substanz zurückgeschnitten war. <strong>Webern</strong>s kondensierendes<br />

Vorgehen, die Grundstrukturen eines Werkes bloßzulegen, zeigte unausweichlich<br />

auch jeden Mangel an Erfindung und Konstruktion auf. Casella scheint<br />

das gemerkt zu haben, und der Klavierauszug wurde nie veröffentlicht.2<br />

Abgesehen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Beschäftigung als Bearbeiter übertrug ihm die Universal<br />

Edition <strong>von</strong> Zeit zu Zeit auch das Lektorat eingereichter neuer Kompositionen. So<br />

gewissenhaft <strong>Webern</strong> Bearbeitungen <strong>von</strong> Werken, selbst wenn er sie nicht mochte,<br />

seine ganze Sorgfalt und Geschicklichkeit angedeihen ließ, so gnadenlos fiel sein<br />

Urteil aus über einige der abgeschmackten Produkte, die er zu rezensieren hatte.<br />

Die vorherrschende musikalische Strömung der Zeit war der Neoklassizismus, ein<br />

Stil, den <strong>Webern</strong> verabscheute, weil er ihn für pseudocharakteristisch hielt, und den<br />

er immer wieder aufs Korn nahm. Die folgenden Auszüge sind bezeichnend für seine<br />

Gutachten, die überwiegend negativ ausfielen. Die Namen der betreffenden<br />

Komponisten wurden nicht preisgegeben.<br />

„N.N. Tanz-Capriccio: Leidet an zu viel Wiederholungen, erscheint daher etwas<br />

primitiv, aber mag immerhin - durch das Tempo - <strong>von</strong> Wirkung sein.<br />

N.N. Ballett in einem Akt: Entschieden wertvoller als das Stück <strong>von</strong> V. Doch auch<br />

hier das Bestreben nach primitiven Wirkungen (soviel „Einstimmiges“ !)- Auch<br />

müßte man das „Scenische“ kennen.<br />

N.N. Vier Lieder: Durchwegs dilettantischer, elendiger Kitsch! Unbeschreiblich!<br />

N.N. Violinkonzert: Ich kann es nicht empfehlen. Erfindung offenbar nach Grieg.<br />

Wenigstens im 1. Satz. Im 2. und 3. ist’s wieder anders. Daher: wer weiß, ob der<br />

Mann wirklich <strong>von</strong> da oben ist? Doch weiter: wie miserabel ist das alles!<br />

Harmonisch: ein fortwährendes beziehungsloses Modulieren, meist aber ist dieses<br />

obendrein nichts als ein Herunterfallen um eine Quint; also das Kunstloseste in<br />

dieser Hinsicht. Will er anders, gelingt es ihm gar nicht! Da nun fortwährend<br />

herumkutschiert wird, kommt es auch zu gar keiner Gliederung. Vielleicht ist das<br />

Thema des zweiten Satzes nicht so schlecht. Der Beginn ist ganz warm<br />

empfunden; aber es wird ja nichts daraus! Ganz schlecht der letzte Satz. In der<br />

Instrumentation ganz Bedenkliches. Im Grunde: Dilettantismus! Dies andeutungsweise.<br />

Doch läßt sich natürlich alles genau belegen. Ich habe mir die Sache<br />

gut angeschaut. Es interessiert mich ja persönlich, dahinter zu kommen.<br />

N.N. Quintett für Bläser: Ist wohl das, was man als ein „Machwerk“ zu bezeichnen<br />

pflegt.<br />

N.N. Albumblätter: Unmöglich!<br />

N.N. Vorspiel für gr. Orchester: Man müßte noch anderes sehen; event. auffordern,<br />

Kammermusik, Lieder usw. einzusenden.“3<br />

Das waren fast durchwegs harte Urteile, aber sie waren überzeugt und ehrlich, und<br />

die Universal Edition wußte, daß sie sich auf die Integrität <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Rat<br />

verlassen durfte. Die Beziehungen zwischen Verlag und Komponist blieben<br />

unvermindert herzlich, trotzdem das Verbot „entarteter“ Musik das Unternehmen<br />

daran hinderte, sich aktiv für seine Werke einzusetzen. Ein ausgesprochener<br />

487


Gewinn, den <strong>Webern</strong> aus seiner fortdauernden Assoziation mit der Universal<br />

Edition zog, war die Möglichkeit, mit den musikalischen Strömungen der Zeit in<br />

Kontakt bleiben und gelegentlich Musiker, die zu Besuch kamen, treffen zu können.<br />

Als sich der florentinische Komponist Luigi Dallapiccola auf der Durchreise in der<br />

Stadt aufhielt, war <strong>Webern</strong> bei einem intimen Zusammensein in Schlees Heim<br />

zugegen. Dallapiccola, ein glühender Verehrer der Musik <strong>Webern</strong>s, hatte die<br />

Uraufführungen seines Konzerts op. 24 (Prag 1935) und <strong>von</strong> Das Augenlicht<br />

(London 1938) miterlebt. Er, wegen seiner Heirat mit einer Jüdin selbst<br />

diskriminiert, war ein leidenschaftlicher Hasser faschistischer Tyrannei, und die<br />

Unterdrückung aller jener Kunstformen, die den rassischen Doktrinen nicht<br />

entsprachen, erregte seinen Zorn. In seinem Tagebuch beschrieb Dallapiccola sein<br />

Zusammentreffen mit <strong>Webern</strong>: „ Wien, 9. März 1942. Ein Aufenthalt <strong>von</strong> 12 oder<br />

14 Stunden in dieser ausgestorbenen Stadt ist unvermeidlich, wenn man aus Ungarn<br />

nach Italien zurückfährt (zwei polizeiliche Kontrollen sind obligatorisch). Doch ich<br />

freue mich, denn heute abend habe ich im Hause Schlee Gelegenheit gehabt, <strong>Anton</strong><br />

<strong>Webern</strong> die Hand zu drücken. Ein Mystiker, ein kleines Männchen, das mit etwas<br />

österreichischem Tonfall spricht, sanft, aber zu Zornausbrüchen fähig und so<br />

herzlich, daß er mich wie seinesgleichen behandelte (,unsere gemeinsame Verantwortung“,<br />

sagte er).<br />

Ohne alle Scheu, rückhaltlos redet man vom Krieg. Das ist jetzt in allen Ländern<br />

das vordringlichste Thema. Und wir verstehen uns leicht. Auf welcher Seite der<br />

Barrikade wir uns befinden, steht uns auf der Stirn geschrieben. . . . Aber wir<br />

sprechen auch über Musik. Da <strong>Webern</strong> den immensen Erfolg <strong>von</strong> Das Augenlicht m<br />

London nicht selbst miterlebt hat, erzähle ich ihm <strong>von</strong> dem Eindruck, den das Werk<br />

damals auf mich gemacht hat. Und er fragt gleich: ,Auch einen Klangeindruck<br />

(Der Klang! Ich hatte richtig verstanden). Wir erörtern Probleme des Orchesterklangs,<br />

und der feine Sucher (den die Geschichte schon wegen seiner machtvoller!<br />

Beiträge zur Bildung einer neuen Tonsprache nicht wird ignorieren können) erklärt:<br />

,Ein Akkord <strong>von</strong> drei Trompeten oder vier Hörnern ist für mich nunmehr<br />

unvorstellbar.“<br />

Gelegentlich fällt der Name <strong>von</strong> Kurt Weill. Und <strong>Webern</strong> explodiert plötzlich. Er<br />

streckt den Zeigefinger gegen mich aus (aber ich war es nicht, der den Namen eines<br />

ihm nicht genehmen Komponisten vor ihm genannt hat!) und stellt mir die<br />

unumwundene Frage: ,Was finden Sie in einem solchen Musiker noch <strong>von</strong> unserer<br />

großen mitteleuropäischen Tradition, der Tradition, die Namen wie (und hier zählt<br />

er sie an den Fingern auf) Schubert, Brahms, Wolf, Mahler, Schönberg, Berg und<br />

den meinen umfaßt?“<br />

Ich bin verlegen. Nicht daß eine Antwort nicht möglich gewesen wäre; doch was<br />

mich verwirrt, ist, daß <strong>Webern</strong> das W ort,Tradition“gebraucht hat, ein Ausdruck,<br />

<strong>von</strong> dem ich - nach meiner Kenntnis der Variationen op. 27, der Kantate Das<br />

Augenlicht und, wenn auch nur ein einziges Mal gehört, des Konzerts op. 24 -<br />

angenommen hätte, daß er keinen Platz in <strong>Webern</strong>s Wortschatz fände. Aber nicht<br />

nur das - daß er sich als Sohn der Tradition betrachtet, d.h. daß er an die Kontinuität<br />

der Ausdrucksweise glaubt! Und daß er endlich verrät, was ihn <strong>von</strong> Kurt Weill


trenne, seien keine ästhetischen oder Geschmacksfragen, sondern allein die<br />

Tatsache, daß Weill die mitteleuropäische Tradition verworfen habe.<br />

<strong>Webern</strong> hat mir großen Eindruck gemacht, auch als Mensch. Und ich denke an<br />

das, was Theodor W. Adorno vor Jahren über ihn geschrieben hat - daß der Angriff,<br />

den Schönbergs Konstruktivismus wider die vermauerten Tore der musikalischen<br />

Objektivität begann, in <strong>Webern</strong>s Liedern op. 14 und op. 15 nur noch ein Zittern ist,<br />

das aus weiter Ferne zu uns dringt. Es ist eine einsame Seele, die vor den<br />

vermauerten Toren zittert und am Glauben sich hält: nichts sonst bleibt ihr.“4<br />

Gleich nach seiner Rückkehr nach Italien schlug Dallapiccola <strong>Webern</strong>s Passacaglia<br />

für das Programm der Biennale in Venedig im September 1942 vor und regte an,<br />

daß der Komponist eingeladen werde, sie zu dirigieren. Sonderbarerweise erstreckte<br />

sich das Verbot der Musik <strong>Webern</strong>s nicht auf diejenigen seiner Werke, die sich der<br />

traditionellen Tonalität bedienten, sondern nur auf solche, die mit Schönbergs Stil<br />

assoziiert waren und deshalb als Produkte eines „Judenknechts“ eingestuft wurden.<br />

Aufführungen seines Opus 1, der Schubert-Bearbeitung und erstaunlicherweise<br />

seiner Bach-Transkription waren erlaubt. Am 10. Januar 1941 hatte <strong>Webern</strong> an<br />

Hueber geschrieben: „Vor einiger Zeit hörte ich über Leipzig (als Reichssendung)<br />

meine Schubert-Tänze, in garnicht so schlechter Wiedergabe. Im Sommer ging<br />

da<strong>von</strong> einmal eine Sendung sogar über die italienischen Stationen.“ Ein Jahr später,<br />

am 25. Februar, berichtete er Hueber: „Staunen Sie: beim hiesigen Zeitgenössischen<br />

Musikfest“ im Mai möglicherweise eine Aufführung meiner ,Passacaglia“<br />

(Philharmoniker) unter Furtwängler oder Böhm.“ Aber am 3. Juni teilte <strong>Webern</strong><br />

dem Freund mit: „In Wien ist natürlich nichts geworden —Gott sei Dank, muß ich<br />

sagen, das war ein Programm!“ <strong>Webern</strong> sollte jedoch neue Nahrung für seinen nie<br />

versagenden Optimismus im weiteren Verlauf des Jahres bekommen: „Diesen<br />

Montag führt Rosbaud meine Passacaglia in Straßburg auf“, schrieb er Hueber arn<br />

12. Dezember. Mittlerweile war Dallapiccolas Bemühungen Erfolg beschieden,<br />

worüber <strong>Webern</strong> am 31. Juli 1942 Reich berichtete: „Meine ,Passacaglia“ sollte<br />

schon diesen Sept. (zum ,Biennale“) in Venedig sein unter meiner Leitung. Nun<br />

wurde das auf nächstes Jahr verschoben, als Sicheres! Wäre nicht unwichtig! Dieser<br />

Dallapiccola hat mir außerordentlich lieb geschrieben.“<br />

Noch am 17. Oktober 1943 äußerte sich <strong>Webern</strong> in einem Brief an Hueber voller<br />

Zuversicht: „In Berlin kommt irn Herbst meine Bach-Bearbeitung unter Schmidt-<br />

Isserstedt, dem neuen Kapellm. des Deutschen Opernhauses. Also, einiges rührt sich<br />

ja.“ Doch die naiven Hoffnungen des Komponisten auf einen gewissen Grad <strong>von</strong><br />

Anerkennung im Dritten Reich sollten bald völlig zunichte gemacht werden. Mit<br />

dem Beginn dieses Sommers 1943 trugen konzentrierte Luftangriffe den Krieg in<br />

jede größere Stadt einschießlich Wiens, und Konzerte fielen der daraus resultierenden<br />

Unterbrechung des öffentlichen Lebens als erste zum Opfer.<br />

Während des Frühstadiurns des Kriegs, als die siegreichen deutschen Armeen<br />

große Gebiete besetzten, hatte die allenthalben herrschende Zuversicht in der<br />

Heimat einen gewissen Grad <strong>von</strong> Normalität hervorgerufen. So hatte <strong>Webern</strong> Reich<br />

am 30. Oktober 1940 geschrieben: „Ich halte heuer wieder einen Kurs. Denken Sie,<br />

es ist doch wieder möglich geworden! Auch einen (einen!) neuen Schüler habe ich.<br />

489


Also leichte Besserung. Sonst in dieser Beziehung nichts Neues!“ Zu einem früheren<br />

Zeitpunkt des gleichen Jahres hatte sich eine Möglichkeit für eine Anstellung an der<br />

Musikschule der Stadt Wien abgezeichnet. <strong>Webern</strong> hatte eine Unterredung mit dem<br />

Direktor des Konservatoriums, Othmar Steinbauer, gehabt, wie er Hueber in seinen<br />

Briefen mitteilte. Es ergab sich jedoch kein Engagement, und er mußte sich<br />

weiterhin mit seinen anderen Einkommensquellen bescheiden. Seine Vortragskurse<br />

fanden regelmäßig am Freitag abend im Heim <strong>von</strong> Erwin Ratz statt, der nach der<br />

Emigration <strong>von</strong> Dr. Kurzmann Räumlichkeiten für <strong>Webern</strong>s Lehrtätigkeit im<br />

Fierzen Wiens zur Verfügung stellte. Die Reihe war so erfolgreich, daß sie Saison um<br />

Saison bis in die letzten Kriegsmonate hinein fortgesetzt wurde. Im Herbst 1942<br />

konnte <strong>Webern</strong> Hueber berichten, seine Klasse sei „sehr gut besucht (gegen 20<br />

Teilnehmer)“. Margaret Prohaska erzählte, daß einer der Vortragskurse <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong> in ihrer Wohnung in der Maxinggasse 18 (wo Johann Strauß einst lebte und<br />

seine Fledermaus komponierte) abgehalten wurde. Die Überwachung durch die<br />

NSDAP war inzwischen so streng geworden, daß die Kursteilnehmer einer nach dem<br />

ändern das Haus verließen, um der Verdächtigung politischer Konspiration zu<br />

entgehen.5<br />

Gleichzeitig mit dem Anwachsen der Hörerschaft für seine Vortragskurse nahm<br />

auch die Zahl seiner Privatschüler zu. <strong>Webern</strong> konnte in seinem Kontobuch ein<br />

gutes halbes Dutzend für den größten Teil der Jahre 1943 und 1944 verzeichnen,<br />

darunter einige aus Ländern, die Deutschland erobert hatte. Hocherfreut darüber,<br />

daß sein Ruf derart in die Ferne gedrungen war, schrieb <strong>Webern</strong> Reich am 28.<br />

Februar 1942: „Denken Sie, ich habe seit Herbst wieder zwei Auslands-Schüler:<br />

einen ganz jungen Flolländer der mir sehr talentiert erscheint u. einen Balten.“ Am<br />

17. Oktober des folgenden Jahres ließ er Hueber wissen; „Mit Oktober haben nun<br />

wieder alle ,Stunden“ eingesetzt u. auch wieder ein ,Kurs‘. Schülerzahl wieder<br />

gestiegen. Zur Zeit auch ein Serbe bei mir, ein schon älterer Mann, der<br />

Kapellmeister an der Belgrader Oper war.“<br />

<strong>Webern</strong>s Genugtuung darüber, für seine pädagogischen Neigungen wieder ein<br />

Betätigungsfeld gefunden zu haben, schlug sich in vielen Briefen an seine Freunde<br />

nieder. Am 10. Januar 1943 meinte er zu Reich: „Ich glaube in d er,Lehre“wieder zu<br />

recht guten Ergebnissen gekommen zu sein. Namentlich im Vordringen zur ,Idee‘<br />

der verschiedenen Principien. Und so ist, was ich den Schülern - auch im ,Kurs“-<br />

sagen kann, schon wieder recht anders, besser begründet! Und doch erst ein Anfang!<br />

Denn es ist mir, als ob mit der Erklärung der Vorgänge in der Musik (der Meister!)<br />

auch eine des Kosmos gegeben sein müßte. ,Das eine in sich selber Unterschiedene“,<br />

wie es Hölderlin übersetzt.“ Diesem Zitat stellte <strong>Webern</strong> einen Satz des Heraklit<br />

voran, den er in griechischen Buchstaben auf schrieb.<br />

Unterrichten war somit für <strong>Webern</strong> ein Weg zur Klärung seiner ästhetischen<br />

Gedankengänge, die darauf hinzielten, einen gemeinsamen Nenner zu finden, der es<br />

erlaubte, das Universum miteinzubeziehen. Seine restlose Hingabe ließ ihn seine<br />

Rolle als Erzieher weit über jegliche finanzielle Gesichtspunkte hinaus genießen.<br />

Die Herausforderung dieser Aufgabe nahm ihn so in Anspruch, daß er darüber<br />

völlig die Zeit vergessen konnte. Er war sich dieser Neigung durchaus bewußt und<br />

490


äußerte sich zuweilen ironisch darüber, wie etwa in einem Brief an Zenk vom 15.<br />

November 1942: „War die vergangene Woche durch den Besuch des Hartmann aus<br />

München, der jeden Tag eine ,Stunde1nahm, die sich meistens auf zwei ausdehnte,<br />

sehr aufgehalten.“<br />

Der Name <strong>von</strong> Karl Amadeus Hartmann, dem jungen bayerischen Komponisten,<br />

war zum ersten Mal zusammen mit dem <strong>Webern</strong>s auf dem Programm des IGNM-<br />

Festes in Prag 1935 erschienen, ais Scherchen seine Symphonische Dichtung<br />

'Miserae uraufführte. Hartmann hatte bereits eine Anzahl gelungener Werke<br />

geschrieben, als er im Frühherbst 1941 an <strong>Webern</strong> herantrat wegen einer<br />

Möglichkeit, daß die Universal Edition seine Kompositionen in Verlag nehmen<br />

könnte.6 Auf <strong>Webern</strong>s Rat hin kam er dann im November nach Wien, und obgleich<br />

sich sein Gang zum Verlag als vergeblich herausstellte, fand er den persönlichen<br />

Kontakt mit <strong>Webern</strong> so stimulierend, daß er im Jahr darauf zu einer Reihe <strong>von</strong><br />

täglichen Privatstunden wiederkam. So kurz die Zeit dieses konzentrierten<br />

Studiums war, sie führte dennoch zu einer dauernden Freundschaft. Die Briefe, die<br />

Hartmann seiner Frau Elisabeth unter dem frischen Eindruck dieser Tage in Maria<br />

Enzersdorf schrieb, enthalten zahlreiche aufschlußreiche Impressionen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

als Mensch und Künstler. Im folgenden einige Auszüge:<br />

„Du wirst fragen, wie sieht er aus? Daß <strong>Webern</strong> wie ein kleiner Beamter aussieht,<br />

kann nur der auf sich nehmen, der ihn nicht gesehen hat. Freilich macht er auf<br />

Gruppenfotos eine unscheinbare und bürgerliche Figur. Dabei ist er gerade unter<br />

den unbürgerlichen Köpfen der Nichtbürger, denn er stammt aus einer alten<br />

Adelsfamilie . .. Er ist kleiner als man ihn sich vom Bild her vorstellt. Bei der ersten<br />

Begegnung, als er das Gartengerät ablegte und mich ins Haus geleitete, stand schon<br />

einige Kühle und sachliche Strenge in seinem Gesicht. Als ich mich vorgestellt hatte,<br />

löste sich das sogleich und wich einem angenehmen wienerisch gefärbten Entgegenkommen.<br />

Dabei geht viel Charme und Bedeutung <strong>von</strong> ihm aus, ohne daß er lärmend<br />

wirkt oder irgendeine Pose entfaltet. Sieht man <strong>von</strong> der Brille ab, die ja jedem<br />

Gesicht leicht etwas Strenges gibt, so entwickelt er eine herzerwärmende Freundlichkeit.<br />

Sein Gesicht ist hager, er hat eine scharfe, gerade unter dem metallenen<br />

Brillenbügel hervorstechende Nase. Die Brille, ich komme nicht <strong>von</strong> ihr los, ist <strong>von</strong><br />

rührender Schlichtheit, was das Gestell betrifft und unterstreicht, was man längst<br />

<strong>von</strong> ihm weiß, daß seine Ansprüche nicht auf das Äußere gerichtet sind. Der Mund<br />

ist immerhin etwas schmallippig . . .<br />

Er kümmert sich in seiner peniblen Art auch um den Haushalt und übt auf das<br />

kleine Hauswesen einen patriarchalischen Einfluß aus. Als ich kürzlich etwas<br />

Straßennässe in sein Zimmer getragen hatte, begann der Unterricht nicht, bevor<br />

nicht alles sorgfältig aufgewischt war. Du kannst Dir vorstellen, mit welchem<br />

Gesicht ich dastand, während er mir mit dem Wischlappen zwischen den Beinen<br />

herumfuhr. Am Ende lerne ich bei ihm nicht nur das Winden kompositorischer<br />

Zopfgeflechte, sondern werde überhaupt noch ein ordentlicher Mensch . . .<br />

Nicht ohne meine Schuld kehrte das Gespräch immer wieder zur Politik zurück.<br />

Ich hätte es nicht dorthin lenken sollen, denn da erfuhr ich Dinge, die ich mit meinem<br />

starken Hang zum Anarchismus lieber nicht gehört hätte. Er vertrat nämlich<br />

491


ernstlich die Meinung, daß um der lieben Ordnung willen eine jede Obrigkeit<br />

respektiert werden müsse und der Staat, in dem man lebt, um jeden Preis<br />

anzuerkennen sei. Er rauchte dabei mit Behagen seine Zigarre, und ich hatte meine<br />

Not, an mich zu halten und nicht despektierlich zu werden. Sein Wohlwollen<br />

gegenüber denjenigen, die ihn an die Wand drücken, ist mir unbegreiflich, aber ich<br />

bin ja nicht hergekommen, um ihn weltanschaulich zu ergründen . . .<br />

Hier in Wien ist ein Musikfest und ich will Dir darüber berichten. Gestern war ich<br />

mit <strong>Webern</strong> in der Staatsoper und dachte mit viel Sehnsucht an die schönen Feste der<br />

IGNM in Prag, Paris und London. Die Bühne in der Staatsoper war überladen<br />

ausgestattet und kompensierte die Ärmlichkeit der Musik. Stell Dir einmal vor, ein<br />

zeitgenössisches Musikfest in Wien ohne Schönberg, Berg und <strong>Webern</strong>, eine<br />

Veranstaltung, in der <strong>Webern</strong> leibhaftig, doch wie ein Gespenst umgeht, das keiner<br />

sieht und keiner kennt. Ich muß froh sein, daß mich niemand zur Teilnahme<br />

aufgefordert hat, denn dann wäre ich mir wie ein Verräter vorgekommen.<br />

<strong>Webern</strong> wird weder zu einer Aufführung, noch zu anderen Feierlichkeiten,<br />

geschweige denn zum Empfang des Statthalters eingeladen. In der Oper erkannte<br />

ihn keiner der anwesenden Komponisten, sie hätten es auch gar nicht der Mühe wert<br />

gefunden, seine Bekanntschaft zu suchen. Wir, <strong>Webern</strong>, Erich Apostel und ich,<br />

gingen als Fremde im Theater umher und konnten uns mit Recht als Ausgestoßene<br />

fühlen. <strong>Webern</strong> trug es zunächst mit Gleichmut und wirkte unbeteiligt. Doch in der<br />

Pause erlebte ich seine einzige Auflehnung. Fast aufgelöst eilte er mir im Foyer<br />

entgegen und begann, ohne Rücksicht auf die Umstehenden, seinem Herzen Luft zu<br />

machen. Wie ein Rasender belegte er, der sich sonst nur gebildet und gesetzt<br />

ausdrückte, die aufgeführte Musik mit alttestamentarischen Flüchen und verdammte<br />

alle Plattheit und Pseudomodernität, die sich hier ausbreitete. Es war<br />

schmerzhaft und erlösend, wie er unter der Dummheit dieser Musik litt und darüber<br />

endlich einmal seine Verhaltenheit auf gab.<br />

Heute Nachmittag wurde kein Wort mehr <strong>von</strong> dem gestrigen Theaterabend<br />

gesprochen, wir arbeiteten an Analysen und dabei fühlte ich, daß er mir besonders<br />

zugetan ist. Wie viel wert ist mir diese Zuneigung und wie erwidere ich sie!<br />

Am Schluß der Lektion hatte ich noch ein paar Fragen über Schönbergs<br />

,Erwartung1. Ich hatte die Partitur mitgenommen und schlug sie auf, obwohl ich<br />

<strong>Webern</strong> mit meinen Fragen genugsam ermüdet hatte. Unvorhergesehen ergab sich<br />

daraus ein langes Gespräch. In seinem Verlauf wurde er immer gelöster und<br />

entflammter und sprach schließlich so glühend über dieses Werk, daß ich mir<br />

Vorkommen konnte wie derjenige, den Vergil durch Himmel und Hölle führte. Er<br />

begann das Werk vor mir zu entfalten, hob zuerst ein paar Töne hervor, die ein<br />

großes, unbestimmtes Gefühl zum Ausdruck bringen und eine wunderbare<br />

Architektur offenbaren. Im weiteren Verlauf zeigte er, wie das Werk nach allen<br />

Richtungen organisch wächst, bis es seine volle Gestalt gewonnen hat, und ich ahnte<br />

etwas <strong>von</strong> dem Schaffensrausch, der Schönberg ergriffen haben mochte. Das war<br />

seine Festaufführung als Antwort auf den abgeschmackten Vorabend . . .<br />

Nun bin ich schon etliche Zeit hier, meiner Hochstimmung ist noch immer keine<br />

Ernüchterung gefolgt. <strong>Webern</strong> hat zur Zeit keinen Schüler, und ich glaube, es<br />

492


kümmert sich kein Mensch um ihn. Mir kann das nur recht sein, denn er widmet sich<br />

mir den ganzen Nachmittag, und bei seiner konzentrierten Arbeitsweise ist der Stoff,<br />

den wir miteinander bewegen, immens. Drei bis vier Stunden wird jedesmal intensiv<br />

gearbeitet. Danach unterhalten wir uns über diesen oder jenen Komponisten, dann<br />

wertet er, stellt Theorien über die Zukunft der Musik auf und ähnliches. Wir haben<br />

meinen ,Simplicius‘ und meine I. Symphonie durchgesprochen; er ging dabei bis in<br />

die kleinsten Verästelungen <strong>von</strong> Form und Thematik. Dann analysierten wir<br />

klassische Werke - Beethovens Sonate op. 2 Nr. 3 und ein Streichquartett <strong>von</strong><br />

Reger. Reger schätzt er hoch, und es macht viel Freude, mit ihm das fis-Moll-<br />

Streichquartett zu zergliedern. Dabei kommt er mir vor wie ein Gelehrter, der unter<br />

der Lupe ein Insekt seziert und sich an den Flügeläderungen und dem Facettenauge<br />

erfreut. So sehr mir seine Einschätzung Regers einleuchtet, so wenig stimme ich<br />

seiner Ablehnung Bruckners zu. Er glaubt nicht, daß Bruckner für die Entwicklung<br />

der Musik etwas geleistet hat. Ist denn Bruckner so weit <strong>von</strong> seinem geliebten<br />

Mahler entfernt?<br />

Sein Verhältnis zu Strauss steht im Schatten seiner Liebe zu Mahler, und er hat<br />

mich überzeugt, daß Mahler für uns wichtiger und richtungsgebender ist als Strauss.<br />

Ich kann mich zwar nicht so entschieden auf einen der beiden festlegen. Aber am<br />

Ende kommt Mahler auch meinen Absichten weiter entgegen als der Programmdichter<br />

Strauss.<br />

Riesig freute mich, daß er Scherchen für den besten Dirigenten seiner Werke hält.<br />

Kein Wunder bei ihrer Ähnlichkeit, ihrer Aufgeschlossenheit für das Neue und ihrer<br />

Bereitschaft, uns Junge zu fördern. <strong>Webern</strong> läßt nie fühlen, daß er der Lehrer ist.<br />

Sein Temperament ist ausgeglichen, beherrscht und liebenswürdig. Es ist jedesmal<br />

eine Zeremonie, auf die ich mich schon freue, wenn er sorgfältig die Schublade<br />

aufzieht, eine Mappe hervorholt, diese auf die Kommodenplatte legt, dann<br />

aufschlägt durchblättert, ihr ein Blatt - die gesuchte Analyse.- entnimmt, die Mappe<br />

schließt, sorgsam beiseite legt und nach getanem Werk alle Verrichtungen irrt<br />

Krebskanon wieder rückwärts aneinanderreiht, mit unbeirrter Sorgsamkeit. Jede<br />

seiner Kompositionen ist mit peinlich genauen Analysen und mit den Abwandlungen<br />

der Reihe versehen. Er stellt mit mir präzise Untersuchungen über Rhythmik,<br />

Melodik und Thematik seiner Werke an, wobei er der Thematik den größten Raum<br />

gibt. Besonders eingehend besprachen wir heute seine Klaviervariationen op. 27,<br />

die ich analysieren mußte. Ein Klangwunder sind diese Variationen, <strong>von</strong> höchster<br />

Konstruktion. Könnte ich doch über den Aufbau dieser Zopfgeflechte hinaus<br />

erfahren, wie er es anstellt und worauf es beruht, daß seine Musik göttlichen Hauch<br />

enthält!<br />

Neulich sagte er mir in aller Treuherzigkeit: ,Meine Melodien wird noch einmal<br />

der Briefträger pfeifen!1 Ich glaube zwar eher, daß der Briefträger auf seine<br />

Melodien pfeifen wird. Zumindest wird der Briefträger ihm die Post der<br />

Bewunderer aus aller Welt zu bringen haben, was immer er auch dabei pfeift.<br />

In ruhiger und unaufdringlicher Weise findet er Worte für seine Berufung und die<br />

Stellung seines Werkes in der Musikgeschichte. Die Ungunst der derzeitigen<br />

äußeren Umstände berührt ihn dabei nicht.“ 7<br />

493


Eine Anekdote ist herumerzählt, ja sogar gedruckt worden,8 derzufolge <strong>Webern</strong><br />

während seiner letzten Lebensjahre so verarmt war, daß er es sich nicht leisten<br />

konnte, eine Eintrittskarte für eine Aufführung <strong>von</strong> Orffs Carmina Burana bei<br />

einem zeitgenössischen Musikfest zu kaufen, und sich das Werk außerhalb eines<br />

Wiener Konzertsaals stehend anhören mußte. Das ist, wenn auch noch so<br />

romantisch, zweifellos Legende. Zu allen Zeiten und unter jedweden Bedingungen<br />

blieb <strong>Webern</strong> der Aristokrat, und jegliches Eingeständnis seiner Armut in der<br />

Öffentlichkeit wäre mit seinem unbeugsamen Stolz unvereinbar gewesen. Mark<br />

Brunswick erinnerte sich, daß <strong>Webern</strong> es nie versäumte, ein ansehnliches Trinkgeld<br />

zu hinterlassen, sooft er zum Essen kam, obwohl er sich eine solche Geste<br />

gesellschaftlichen Wohl Verhaltens sogar in seinen besseren Jahren kaum hätte<br />

leisten können.9 Ein anderer Amerikaner, Adolph Weiss, berichtete: „Ich traf mich<br />

mit <strong>Webern</strong> gewöhnlich im Cafe Sacher, einem sehr beliebten Musikerlokal. Wir<br />

nahmen eine Tasse Kaffee oder ein Glas Bier, doch <strong>Webern</strong> ließ es nie zu, für ihn zu<br />

bezahlen. Er war ein sehr stolzer Mann, der stets darauf bestand, seine eigene<br />

Rechnung zu begleichen und der sich niemandem gegenüber verpflichtet fühlen<br />

wollte.“10<br />

Die Würde <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s persönlicher Haltung entsprach seiner Selbstgenügsamkeit.<br />

Als Sproß einer Familie, die Sparsamkeit als Tugend hochhielt, machte auch er<br />

nur die bescheidensten Ansprüche ans Leben. So sehr er auch den Luxus und den<br />

Komfort genoß, der ihm bei seltenen Anlässen auf einer Auslandsreise geboten<br />

wurde, war er mit seinem spartanischen häuslichen Dasein durchaus zufrieden. Nur<br />

seiner Familie zuliebe bedauerte er seinen beschränkten Lebensstandard, vor allem<br />

wenn er es mitansah, wenn Komponisten, deren Integrität er infrage stellte, sich<br />

eines Wohlstands erfreuten, der ihnen mit populärem Erfolg zufiel. Manchmal<br />

bedrückte es ihn, daß er nicht mehr als nur das Notwendigste zu bieten hatte. Amalie<br />

zufolge bestand das Familienmahl nicht selten nur aus Suppe und Kartoffeln. Der<br />

Tisch war jedoch mit Linnen und Silber stets aufs sorgfältigste gedeckt.11 Sogar bei<br />

den wenigen persönlichen Freuden, die <strong>Webern</strong> sich gönnte, Zigarren und etwas<br />

Wein, war er äußerst bescheiden. Hueber berichtete, daß <strong>Webern</strong> beim gesellschaftlichen<br />

Zusammensein nach Proben des Mödlinger Mannergesangvereins sich mit<br />

einem Achtel Wein zufriedengab.12 Strenge Sparsamkeit herrschte in seinem Haus.<br />

Während den Kindern alle nur möglichen Vergünstigungen zuteil wurden, versagten<br />

sich die Eltern, vor allem Wilhelmine, fast jeden auch noch so bescheidenen Luxus.<br />

Sogar der Kauf neuer Kleidung war ein seltenes Ereignis und der eines Fahrrads<br />

oder einer Schreibmaschine wurde in <strong>Webern</strong>s Tagebuch als Festtag verzeichnet.<br />

Trotz der Kärglichkeit des Alltags galt Gastlichkeit als eine unumgängliche<br />

gesellschaftliche Geste. Freunde waren immer willkommen, und an der traditionellen<br />

Jause oder einem kleinen Abendessen ermangelte es nie.<br />

Der <strong>Webern</strong>sche Pfaushalt, schon lange an mancherlei Entbehrungen gewöhnt,<br />

wurde durch die meisten Unannehmlichkeiten, die eine Kriegswirtschaft mit sich<br />

brachte, weniger in Mitleidenschaft gezogen, als die Knappheit <strong>von</strong> Lebensmitteln<br />

und Brennstoff zur Regel wurde. Finanziell blieb die Lage der Familie angespannt.<br />

<strong>Webern</strong> schlug sich gerade noch durch, brachte es aber doch irgendwie fertig, über<br />

494


eine kleine Reserve bei der Mödlinger Sparkasse zu verfügen. Aus seinem letzten,<br />

im August 1938 begonnenen Sparbuch geht hervor, daß ein Betrag in österreichischen<br />

Schillingen in 1400 Reichsmark konvertiert wurde. <strong>Webern</strong> hob zwar häufig<br />

kleinere Summen ab, doch gelegentliche Gutschriften <strong>von</strong> größeren Eingängen -<br />

wie die <strong>von</strong> Reinhart 1940 und der Universal Edition 1942 - ließen seine<br />

Ersparnisse wieder anschwellen. Allerdings überstiegen sie niemals 1500 Mark.<br />

1944 schmolzen diese Reserven merklich dahin und ergaben zuletzt einen Saldo <strong>von</strong><br />

nur 47 Mark und 83 Pfennigen. Niemals während seines ganzen Lebens geriet<br />

<strong>Webern</strong> in Schulden. Während er durchaus bereit war, die allzu seltenen Beihilfen<br />

vermögender Gönner als mit seiner Würde als schöpferischer Künstler vereinbar<br />

anzunehmen, verwahrte er sich gegen jede wenn auch noch so geringfügige<br />

Beeinträchtigung seiner Unabhängigkeit. Finanziell und künstlerisch blieb er sein<br />

eigener Herr.<br />

<strong>Webern</strong>s Kontobuch verzeichnet während der letzten Jahre - außer Einkünften<br />

aus Privatstunden, Vortragskursen und Arbeiten für die Universal Edition - auch<br />

Zahlungen <strong>von</strong> der Stagma, der Organisation, die die AKM als Verrechnungsstelle<br />

für Aufführungstantiemen ablöste. Diese Beträge beliefen sich aus Gründen, die auf<br />

der Hand lagen, auf nie mehr als ein paar Mark, und versiegten um die Mitte des<br />

Jahres 1942 völlig. Von 1940 bis 1944 erscheint im Kontobuch eine jährliche<br />

Zahlung <strong>von</strong> 50 Mark zu Weihnachten unter der Bezeichnung „Künstlerdank“<br />

sowie ein einmaliger Eingang <strong>von</strong> 200 Mark im Oktober 1942, als „Künstlerhilfe<br />

Wien“ deklariert. Beide Zuwendungen stellten Unterstützungsmaßnahmen während<br />

der kriegsbedingten Notzeiten dar.<br />

Peters kleiner monatlicher Beitrag zum Haushalt, den er seit Kriegsbeginn<br />

geleistet hatte, endete 1941. Am 5. April heiratete er Hermine Schubert, ein<br />

Mädchen, das er seit seinen Schultagen gekannt hatte. Sie war die jüngste <strong>von</strong> sechs<br />

Töchtern eines Schreinermeisters im benachbarten Perchtoldsdorf. Die Ziviltrauung<br />

fand vor dem Standesamt in Liesing statt mit <strong>Webern</strong> als Trauzeugen für<br />

Hermine, deren Vater vor nicht langer Zeit gestorben war. Die kirchliche<br />

Zeremonie folgte in der Pfarrkirche <strong>von</strong> Perchtoldsdorf. Anschließend fanden sich<br />

die beiden Familien zu einem Essen im Haus der Braut in der Hochstraße 43 ein,<br />

wo das junge Paar nach seiner Hochzeitsreise ein kleines Gartenhaus beziehen<br />

sollte.13<br />

Hildegard Jone, die die Vorrangstellung der Familie in <strong>Webern</strong>s Leben zu<br />

erfühlen vermochte, schrieb ihm zur Hochzeit am 23. April: „Auch hier schließt sich<br />

für Euch wieder wunderbar ein Ring Eurer herrlichen Gemeinsamkeit. Ihr könnt<br />

viel Freude an ihr haben, Du u. Deine Frau, lieber <strong>Anton</strong>. Nicht nur ein so ganzes<br />

Bild Deiner Kunst, auch ein reichstes Lebensbild hat sich Euch auf das glücklichste<br />

entwickelt! Aller Gottessegen über Euer Flaust'' Überfließend vor Dankbarkeit<br />

antwortete <strong>Webern</strong> am 3. Mai: „So wie Ihr uns versteht: wir haben es sonst noch <strong>von</strong><br />

keiner anderen Seite erfahren. Daß Du solchen Gedanken aussprichst! Ja, er enthält<br />

allerdings mein Ziel —ein Ziel unerreichbar!“<br />

Axn 19.-20. Juli nahm <strong>Webern</strong> Peter und seine junge Frau auf die Schneealpe mit,<br />

sein Lieblingsziel in den Bergen. Eine <strong>von</strong> Fiermine aufgenommene Photographie<br />

495


(Abbildung S. 435) zeigt ihn, wie er sich glücklich auf die Schulter seines Sohnes bei<br />

einer Rast auf einer Almwiese lehnt. Im Anschluß an diesen Ausflug blieb <strong>Webern</strong><br />

noch in Kapellen, wo eine seiner Klagenfurter Schwestern Ferien machte. Von hier<br />

schickte er Polnauer eine Postkarte, auf der er ihr nächstes Treffen für Freitag abend<br />

in seinem Haus verabredete. Diese regelmäßigen Besuche setzten sich, trotz der<br />

Gefahren, die sie für beide in sich bargen, bis ins Jahr 1942 fort. Zu dieser Zeit hatte<br />

der Antisemitismus derartige Ausmaße angenommen, daß Polnauer aus Angst vor<br />

Verhaftung und Verschleppung in ein Konzentrationslager untertauchte. Drei Jahre<br />

lang, ab Mai 1942, gewährte ihm eine mutige Frau (die er später heiratete), Obdach.<br />

Während dieser ganzen Zeit wurde er <strong>von</strong> dem furchtlosen Erwin Ratz, der auch<br />

mehrere andere Opfer politischer Verfolgung in ihren Verstecken versorgte, mit<br />

Lebensmitteln versehen. Einmal kam <strong>Webern</strong>, um Polnauer zu sehen, enthielt sich<br />

aber dann weiterer Besuche, als Polnauer ihn um ihrer beider Sicherheit willen<br />

beschwor, fernzubleiben.<br />

Mit Polnauer im Untergrund, Hueber beim Militär und den für häufigere<br />

Zusammenkünfte zu weit entfernt lebenden <strong>Humplik</strong>s, schloß sich <strong>Webern</strong> immer<br />

enger Ludwig Zenk an, der wegen eines Herzleidens vom Kriegsdienst befreit war.<br />

(Er war musikalischer Leiter des Theaters in der <strong>Josef</strong>stadt in Wien geworden; außer<br />

zu dirigieren, schrieb er auch Bühnenmusik zu Stücken, die in diesem reizenden<br />

alten Theater gegeben wurden.) Der Krieg hatte den ausgedehnten Bergtouren<br />

ihrer früheren Jahre ein Ende bereitet, und die Freunde mußten sich mit langen<br />

Spaziergängen im nahen Wienerwald bescheiden. Sie wandelten oft einen Hügel<br />

hinauf —<strong>von</strong> <strong>Webern</strong> als „unsere Wiese“ bezeichnet <strong>von</strong> wo man an klaren Tagen<br />

den Schneeberg, die östlichste Erhebung der Alpen, sehen konnte.<br />

<strong>Webern</strong>s unendliche Liebe zur alpinen Flora, die in früheren Jahren die Sehnsucht<br />

nach den Hochlagen der Berge in ihm wachhielt, hatte einen idealen Ausgleich<br />

gefunden, als er kurz nach seinem Umzug nach Maria Enzersdorf mit der Anlage<br />

eines Gartens auf dem Grund hinter dem Haus begann. Planung und Bebauung<br />

dieses ihm ans Herz gewachsenen Ortes wurden zu seiner bevorzugten Erholung<br />

und zum nie versagenden Beistand, wenn er sich unter emotionellem Druck befand.<br />

„Heute habe ich schon zeitlich früh im Garten gearbeitet, in der Erde gewühlt, um<br />

mich frei zu machen <strong>von</strong> den gestrigen Eindrücken. Und es gelang natürlich“,<br />

schrieb er einmal an Polnauer.14<br />

Bevor es jedoch so weit war, daß der Garten etwas gleichsah, galt es, viel<br />

Vorarbeit zu leisten: Der Boden, der hauptsächlich aus Lehm bestand, mußte<br />

aufbereitet werden, bis sich fruchtbarer Humus entwickelte, und Bäume und<br />

Sträucher, die das Licht fernhielten, wurden umgesetzt. Mehrere Jahre vergingen,<br />

bis <strong>Webern</strong>s Vorstellungen verwirklicht werden konnten. Er war dieser Beschäftigung<br />

so hingegeben, daß er den Wechsel der Jahreszeiten mit Körper und Seele<br />

mitempfand, wie er sich im Knospen, Blühen und Welken der vielen Gattungen <strong>von</strong><br />

Blumen und Sträuchern, die er gepflanzt hatte, widerspiegelte. Für <strong>Webern</strong> war sein<br />

Garten während der letzten Jahre seines Lebens eine Quelle reinsten Entzückens.<br />

Wie nicht anders zu erwarten, ging er seinem Steckenpferd mit dem Eifer eines<br />

Wissenschaftlers nach, studierte Bücher über den Gartenbau und eignete sich die<br />

496


lateinische Terminologie einer jeden floristischen Spezies an. Nicht zufrieden mit<br />

dem lokalen Angebot an Samen und Pflänzlingen, schickte er Bestellungen an Karl<br />

Foerster in Potsdam, einem bekannten Garten-Fachgeschäft. Mit geradezu kindlichem<br />

Überschwang beschrieb <strong>Webern</strong> jede Neuerwerbung Hueber und Zenk. <strong>Josef</strong><br />

Hueber, der selbst Gärtner aus Liebhaberei war, hatte den Anstoß zu <strong>Webern</strong>s<br />

Interesse an der Gärtnerei gegeben, als sie für kurze Zeit Nachbarn in der Penzingerstraße<br />

waren (Hueber versorgte dort ein großes Grundstück für den Hauseigentümer).<br />

In seinen Erinnerungen beschrieb Hueber den Enthusiasmus, mit dem <strong>Webern</strong><br />

seinen floristischen Mikrokosmos schuf: „Er arbeitete im Garten teils in den<br />

frühesten Morgenstunden, teils wenn er sich nach Unterrichtsstunden eine<br />

Ruhepause gönnte oder wenn er während des Komponierens Erholung und<br />

Erfrischung bedurfte . . . Der ,Bauer1in <strong>Webern</strong>, der Natur- und Blumenfreund,<br />

fühlte sich, der Enge des Gartens kaum achtend, dort ungemein wohl. Er<br />

beobachtete genau den Ablauf der Jahreszeiten und die Witterungseinflüsse auf das<br />

Gedeihen der innigst geliebten Blumen. Er konnte sich nicht genug tun, ihnen<br />

angenehmere Lebensbedingungen zu schaffen. Und er war ungemein glücklich bei<br />

solcher Tätigkeit.“<br />

In Brief auf Brief an Hueber während des Krieges berichtete <strong>Webern</strong> ausführlich<br />

über den Garten, seinen Stolz und seine Freude. Da kündigte er einmal „die neueste<br />

Zierde“ an, „ein Zwergwacholder (chin.) als liebes Geschenk <strong>von</strong> Zenk“ (20. Juni<br />

1940) und ein andermal das Eintreffen des Frühlings: „Im Garten entdeckte ich<br />

schon Crocustriebeü!“ (17. Februar 1941). Später stellte er mit Genugtuung fest:<br />

„Gern hätte ich Ihnen in den letzten Wochen meinen Garten gezeigt. Vieles war<br />

besonders schön heuer! Jetzt wirkt sich erst aus, was ich offenbar doch recht richtig<br />

überlegt hatte. Mit einem Wort, nun ist der Garten erst richtig voll! Kaum mehr ein<br />

toter Punkt. Und ich glaube, fürs ganze Jahr! Nicht bloß für die hier günstige Zeit.<br />

Ich habe es dem Klima u. Boden abgerungen. Es gibt auch Salat-Beete u. sonstiges<br />

Gemüse; erhielt Pflanzen aus Steiermark: also endlich wirkliches Gemüse!!!<br />

Verstehn Sie: so fühle ich mich heimatlich. Aber ich will Ihnen das Herz nicht schwer<br />

machen. Bald, bald, lieber Hueber, sind Sie wieder da.“ (5. Juni 1941).<br />

Wie immer, beklagte er das Schwinden des Sommers: „Aber wie alles anders wird,<br />

wenn sich die Sonne gewendet hat: jährlich spüre ich es mehr u. trauere mehr denn<br />

je.“ (16. September 1941). Um Weihnachten dieses Jahres, mitten im klirrenden<br />

Winter, schwärmte <strong>Webern</strong> bereits vom bevorstehenden Wiedererwachen: „Nur<br />

noch wenige Tage u. wieder beginnt es sich zu rühren -.die große Wende in der<br />

Natur, die ich jährlich eindringlicher empfinde. Wie wunderbar!“ (Weihnachten<br />

1941).<br />

Im gleichen Maße, wie der Krieg an Heftigkeit zunahrn, steigerte sich <strong>Webern</strong>s<br />

Versessenheit auf seinen Garten. „Eine Blüh löst die andere ab. Auch heuer ist<br />

wieder alles um vieles besser. Mit der Zeit kapiere ich doch auch die Gärtnerei<br />

etwas. An Gemüsen habe ich Zwiebeln, Paradeis, Petersilie, Rettich gepflanzt u.<br />

auch ein Mohnfeld angelegt! Alles steht sehr schön.“ (3. Juni 1942). Einige bei<br />

Foerster bestellte Alpenpflanzen erforderten besondere Überlegungen: „Ich habe<br />

497


schon meine Beete auf das hin umgeändert, beste Komposterde (aus der Mistgrube)<br />

hineinverarbeitet, sehr tief - also ich glaube, mein Garten wird ab nächstem<br />

Frühjahr etwas vollkommen anderes darstellenl!! Wenn das alles so wird, wie ich es<br />

mir ausgedacht habe (in sehr reiflicher Überlegung, mit Rücksicht auf Blütezeit,<br />

Farben u. s. w.), ich glaube, Sie werden sich auch freuen!“ (16. Oktober 1942).<br />

Gegen Ende des Jahres zählte <strong>Webern</strong> stolz seine jüngsten Neuerwerbungen auf:<br />

„Vor allem möchte ich nennen: Die ,Silberwurz“- Dryas, eine große Kostbarkeit;<br />

eine Pflanze aus der höchsten Alpenregion, aus der Arktis stammend, eine der<br />

ältesten dieser Erde! Nach ihr ist die ,Dryas-Periode* benannt. Ein ganz niederer<br />

Strauch, der elfenbeinweiß blüht. Dann eine ganz wunderbare Steinbrecherart;<br />

schon das Kraut ist ein ganz eigenartiger Anblick: wie ein großmächtiger Edelstein,<br />

sie blüht rot. Weiters wäre zu nennen: der Enzian-Polster und der des Hungerblümchens<br />

(Draba) - gelb, sowie das,Goldfingerkraut“(Potentilla, orange) und vier neue<br />

Irisarten, eine rote Schafgarbe, ein gelber Eisenhut, u. s. w. und schließlich eine ganz<br />

früh blühende Zwergiris, aus kleinwinzigen Zwiebeln, tief dunkelblau und endlich<br />

(Höhepunkt!!) die scharlachroten Wild-Tulpen! . . . Weiters habe ich zwei Apfel-<br />

Spindeln gesetzt u. vier Stachelbeer-Sträucher. Der alte Birnbaum ist fort, sowie der<br />

Weichselbaum vor dem Haustor. Auch hat Nachbar Perl Luft gemacht: alle Birken<br />

sind weg; nun wird nachmittag viel mehr Sonne sein! Und wie schön die freie<br />

Aussicht!! Es wird ein neuer Garten sein, wenn Sie wiederkommen!“ (12.<br />

Dezember 1942).<br />

Die üppige Vielfalt <strong>von</strong> Pflanzen wuchs im kommenden Jahr heran, und Mitte<br />

1944 war es so weit, daß <strong>Webern</strong> schreiben konnte: „In meinem Garten sieht es gut<br />

aus: nun blüht es ununterbrochen, schon sehr steingartenmäßig, schon viel näher<br />

meinen Vorstellungen da<strong>von</strong>: stellenweise der reinste Wildnisgarten . .. Nun plage<br />

ich mich aber schließlich schon mehr als zehn Jahre mit diesen Dingen: endlich<br />

einiger Erfolg!“ (17. Juni 1944).<br />

In völligem Kontrast zu diesen idyllischen Schilderungen stellen <strong>Webern</strong>s<br />

ständige Anspielungen auf den tobenden Krieg. 1942 schien das Endergebnis des<br />

gigantischen Kampfes noch günstig für die Achsenmächte zu stehen, und die<br />

deutsche Zuversicht auf den Sieg blieb unerschüttert.15 Am 3. Juni schrieb <strong>Webern</strong><br />

an Hueber: „Indessen, lieber Freund, sind wir wohl den <strong>von</strong> Ihnen angedeuteten<br />

,ganz großen“ Entscheidungen wesentlich näher gekommen. Ob nicht das Ende<br />

schon recht nahe ist! Manchmal überkommt mich so ein Gefühl, solche Hoffnung!!!“<br />

Dieser Brief wurde am Vorabend <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Abreise nach Klagenfurt<br />

geschrieben, wo er seine Schwestern Maria und Rosa besuchte, die er seit sieben<br />

Jahren nicht mehr gesehen hatte. Die Reise gab ihm auch wieder die Gelegenheit zu<br />

einer Wallfahrt zu den Gräbern seiner Eltern. Wilhelmine begleitete ihn zusammen<br />

mit Christine und ihren beiden kleinen Töchtern (eine dritte sollte im Herbst dieses<br />

Jahres zur Welt kommen). Der Urlaub wurde jedoch abgebrochen, als <strong>Webern</strong><br />

erkrankte und die Familie schon nach einer Woche wieder nach Hause zurückkehren<br />

mußte.<br />

Im Verlauf des Herbstes gediehen die Pläne zur Uraufführung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s


Variationen für Orchester op. 30 bis in ihr Endstadium. Nachdem Sacher und<br />

Ansermet kein Interesse bekundet hatten, wurde die Partitur zu Beginn des Jahres<br />

Scherchen zugesandt. Als Reich <strong>Webern</strong> wissen ließ, daß Scherchen hoffe, die<br />

Premiere bei einem Konzert in Winterthur einplanen zu können, meinte der<br />

Komponist am 31. Juli voller Erregung: „Ich habe ihm noch nicht geschrieben.<br />

Warum tut er es nicht? Hat er mir nichts zu sagen, da er nun diese Partitur gesehen<br />

hat? Ich warte naturgemäß darauf. Daß er das Stück auf jeden Fall mit seinem<br />

Orchester studieren will, freut mich ja ungemein. Und wenn es nun auch zu einer<br />

Aufführung kommen könnte und ich dazu eingeladen würde, ja das wäre mir schon<br />

sehr, sehr wertvoll! Es wäre schon gut, wenn endlich wieder ein Plan Wirklichkeit<br />

würde.“<br />

Wenig später konnte Reich <strong>Webern</strong> wissen lassen, daß die Premiere auf den 9.<br />

Dezember festgesetzt sei und daß er ihr beiwohnen solle. <strong>Webern</strong> war hocherfreut.<br />

Er bat Reich sofort um eine offizielle Einladung, damit er frühzeitig seine<br />

Reisegenehmigung beantragen könne: „Wieder bedarf es ja eines Beleges für die<br />

Dringlichkeit meiner Anwesenheit beim Studium des Werks!!!“ schrieb er Reich am<br />

4. September und verlieh seinen Vorgefühlen Ausdruck: „Wenn man so vor einer<br />

Erstaufführung steht, insbesondere einer orchestralen, denkt man naiverweise vor<br />

allem daran: wie wird es klingen? Und freut sich schon darauf, ebenso naiv! Wenn<br />

man schon aufführt, dann muß es aber auch die richtige sinnliche Erscheinung<br />

geben. Schwelgt in Klängen, dann tut Ihr recht, Dirigenten! So denkt doch<br />

hoffentlich auch der Sacher, wenn er es nun endlich auch mit mir versuchen will! Wie<br />

mir die U.E. mitteilte, hat er schon um die Passacaglia geschrieben. Also vielleicht<br />

wird es diesmal doch Ernst. Ich freue mich ja und käme natürlich gerne auch dazu!<br />

Zumal in Verbindung mit Albans Violinkonzert!!! Es wäre gar schön!“<br />

In seinem nächsten Brief vom 11. November erklärte <strong>Webern</strong> Reich, weshalb er<br />

ihm nicht schon früher geschrieben habe: „Ich mußte wieder einm al,schuften1und<br />

wollte diese Arbeit so rasch wie möglich hinter mich bringen. Von Zeit zu Zeit wird<br />

eben unter den gegenwärtig für mich gegebenen Verhältnissen derartiges notwendig.“<br />

Diese geringschätzige Bemerkung bezog sich auf den Klavierauszug <strong>von</strong><br />

Casellas Paganiniana, an dem <strong>Webern</strong> damals arbeitete. Mittlerweile war das<br />

Konzert in Winterthur auf den 3. März verschoben worden. <strong>Webern</strong> drang immer<br />

wieder in Reich, Sacher zu bewegen, die Passacaglia zur gleichen Zeit in Basel<br />

aufzuführen. Er würde sich über eine Einladung freuen, auch dorthin zu kommen,<br />

und meinte, es wäre nützlich für ihn, Beglaubigungsschreiben <strong>von</strong> zwei verschiedenen<br />

Veranstaltern zu haben im Hinblick auf die verschärfte Handhabung <strong>von</strong><br />

Anträgen für Visa.<br />

Der Postverkehr zwischen den beiden Ländern war überaus langsam geworden.<br />

Als <strong>Webern</strong> Reich am 10. Januar 1943 schrieb, berichtete er ihm, daß der letzte<br />

Brief drei Wochen unterwegs gewesen sei. Er wartete ungeduldig auf die<br />

erforderlichen Einladungen <strong>von</strong> Scherchen und seinem Winterthurer Gastgeber<br />

Reinhart: „Ich habe also noch immer nichts in der Hand, um meine Ausreise<br />

betreiben zu können.“ Die Hoffnung auf eine Aufführung der Passacaglia war<br />

inzwischen geschwunden; <strong>Webern</strong> meinte: „So schaltet also Basel aus“, und fügte<br />

499


hinzu: „Das ist so eine Sache mit diesem Sacher! Sein fortwährendes Ausweichen<br />

verdrießt mich schon.“ Bis zum Schluß wurde <strong>Webern</strong> in Ungewißheit gehalten.<br />

„Wenn alles klappt, fahre ich in der letzten Februar-Woche in die Schweiz“, schrieb<br />

er den <strong>Humplik</strong>s am 11. Februar. Endlich, am Tag seiner Abreise, erhielt er die<br />

Sichtvermerke für seinen Paß. Das offizielle Visum nannte als Grund für die Reise<br />

„Teilnahme Proben und Uraufführung eines eigenen Orchesterwerkes‘ ‘ und war auf<br />

zehn Tage beschränkt.<br />

Es sollte <strong>Webern</strong>s letzte Auslandsreise sein und auch das letzte Mal, daß er seine<br />

Musik in einer öffentlichen Aufführung hören konnte. Am 29. März gab er Hueber<br />

einen ausführlichen Bericht über seine Erlebnisse: „Nun war ich also doch in der<br />

Schweiz! Noch im letzten Moment ist die Bewilligung aus Berlin gekommen. Ich bin<br />

am Mittwoch d. 24. Februar abends, also als Sie noch da waren, abgereist und<br />

Samstag d. 6. März wieder nachhause gekommen. Die Aufführung meiner<br />

Variationen ist recht gut geworden und die Aufnahme über alle, fast möchte ich<br />

sagen: wider alle Erwartung geradezu hocherfreulich. Ja, lieber Freund, es ist nun<br />

doch so, glaube ich, daß man sich meiner Sache nicht mehr so leicht zu entziehen<br />

vermag. Wie lieb wäre mir gewesen, Sie hätten das hören können: ich darf wohl<br />

sagen, vom ersten bis zum letzten Moment eine völlig neue klangliche Erscheinung<br />

(auch gemessen an eigenem Früheren)!<br />

Natürlich ist es mir im Hause Reinhart wieder glänzend ergangen. Wunderbares<br />

Essen, herrlicher Kaffee, prächtige Zigarren (unbegrenzt!). Einen Autoausflug an<br />

den unteren Bodensee hat’s gegeben, wo Reinhart einen wundervollen Besitz hat.<br />

Viel Freundliches habe ich also erlebt. Auch gewisse Aussichten für nächste Saison<br />

sind kenntlich geworden. U. a. die Aufführungen einer meiner Chöre durch eine<br />

Vereinigung in Zürich, die Schwierigkeiten zu meistern im Stande sein soll,<br />

bestehend aus lauter Solisten. Eine der Sopranstimmen ist die Sängerin Gradmann,<br />

die das vorige Mal (als ich dort war) u. später dann noch Lieder <strong>von</strong> mir gesungen hat<br />

und mich diesmal mit den ersten Jone Texten - Liedern überrascht hat. Eine sehr<br />

begabte Frau.<br />

Nun denken Sie, kaum war ich in Winterthur angelangt, erkundigte sich der<br />

deutsche Konsul in Zürich in der freundschaftlichsten Weise bei Reinhart nach mir!<br />

Er war zum Konzert da; vorher hatten wir zusammen bei Reinhart zu Abend<br />

gegessen. Ihm in solchem Milieu und doch ganz intim, gewissermaßen bei mir<br />

zuhause, zu begegnen, war mir natürlich sehr willkommen. Nach dem Konzert war<br />

er noch mit in einem Restaurant. Und hatte am nächsten Tag noch zweimal<br />

angerufen!!!! Er erschien mir sehr sympathisch und ich muß gestehn, ich freute mich<br />

überaus: noch nie war es mir bisher passiert, daß sich der Vertreter meiner Heimat<br />

um mich gekümmert hätte! Nun aber bedenken Sie doch meine jetzige Lage in der<br />

Heimat selbst! Darf nur außerhalb der Grenzen die Heimat freundlich zu mir sein?<br />

Aber ich habe es als gute Vorbedeutung empfunden und als Lohn für meine Treue!“<br />

(Wenngleich <strong>Webern</strong> der Anwesenheit des deutschen Konsuls eine so große<br />

Bedeutung beimaß, so stellte sie wohl kaum mehr dar als nur eine diplomatische<br />

Geste zu einem Zeitpunkt, als die Beziehungen zwischen den beiden Ländern<br />

äußerst angespannt waren.)<br />

500


Das Konzert am 3. März wurde vom Musikkollegium Winterthur veranstaltet und<br />

fand im Stadthaus-Saal statt. Für den Anlaß wurde das Stadtorchester unter<br />

Scherchen verstärkt. <strong>Webern</strong>s Variationen erklangen zwischen Werken der<br />

Schweizer Komponisten Hans Studer und Conrad Beck. Es folgten Schuberts A u f<br />

dem Strom (in Scherchens Bearbeitung für kleines Orchester) und Albrechtsbergers<br />

Symphonie C-Dur.<br />

<strong>Webern</strong> war über die Aufführung so glücklich, daß sie noch lebendig vor ihm<br />

stand, als er fünf Monate später, am 6. August, Reich schrieb: „Daß ich mein Stück<br />

habe hören können, war mir sehr recht. Denn es war mir sehr darum zu tun, selbst zu<br />

kontrollieren, was es aufweist: ich glaube, Recht bekommen zu haben. Nämlich, daß<br />

auf Grund solcher Art des Zusammenhangs auch der aufgelösteste Klang völlig<br />

geschlossen wirken muß und daher in puncto ,Faßlichkeit1kaum ein Wunsch offen<br />

sein dürfte. Ist es nicht so? Ich glaube, das hat ja auch die Wirkung auf das Publikum<br />

gezeigt! Die Wiedergabe ist ja ausschließlich recht gut geworden.“<br />

Da die Schweiz zum einzigen Land geworden war, in dem <strong>Webern</strong>s Musik noch zu<br />

Gehör kam, klammerte er sich verzweifelt an diese letzte ihm gebliebene Chance. Im<br />

gleichen Brief an Reich verlieh er seinen Hoffnungen Ausdruck: „Ich wünsche mir<br />

so sehr, es könnte sich mir in der kommenden Saison wieder die Gelegenheit bieten:<br />

Wenn etwa Scherchen meine ,Sechs Orchesterstücke1op. 6 aufführen würde! Es<br />

sind die, die ich seinerzeit in der Instrumentation umgearbeitet habe. Die Partitur ist<br />

in Abschrift bei der U.E. - auch längst schon das Material. Wie lange warte ich schon<br />

auf eine Auff. dieser Stücke!!! In der Wirkung müßten sie den 5 Sätzen f.<br />

Streichquartett, die Rudi [Kolisch] so oft gespielt hat, entsprechen. Womit ich sagen<br />

will, daß etwa immer noch vorhandene Ängstlichkeit der Herren Dirigenten<br />

durchaus keine Berechtigung mehr haben kann!11.<br />

An demselben Abend, an dem <strong>Webern</strong> seine Reise in die Schweiz angetreten<br />

hatte, wurde sein Sohn wieder zum Militär eingezogen. Eine Zeitlang war seine<br />

Beschäftigung bei der Bahn als hinreichend wichtig angesehen worden, ihm einen<br />

Aufschub zu gewähren, aber die Rückschläge der deutschen Armeen, die in der<br />

Katastrophe <strong>von</strong> Stalingrad gipfelten,16 hatten eine sofortige Einberufung <strong>von</strong><br />

Reservisten zur Folge. <strong>Webern</strong> war bedrückt, als er Peter seine Uniform anziehen<br />

sah. Zum ersten Mal begann sein Glaube an den Sieg Deutschlands zu wanken, er<br />

war jedoch wieder hergestellt, als er Hueber am 29. März schrieb: „Ich möchte<br />

Ihnen noch sagen, lieber Freund, wie wohl es mir getan hat, als Sie in unseren letzten<br />

Gesprächen, in denen ich mich ja so düster geäußert habe, so unbeirrbar an Ihrer<br />

Zuversicht festhielten!!!! Und wie glücklich ich bin, daß nun alles wieder anders<br />

geworden ist, so wie Ihr guter Glaube Sie es voraussehn ließ!“<br />

Das waren trügerische Hoffnungen. Die fortgesetzten Rückschläge der Achsenarmeen17<br />

waren das Signal für die Partisanen im Untergrund in den Balkanländern,<br />

vor allem in Jugoslawien, mit ausgedehnten Kriegsoperationen zu beginnen. Die<br />

Einheit, der Peter zugeteilt wurde, hatte ihren Standort südlich <strong>von</strong> Belgrad und war<br />

zum Schutz der Eisenbahnlinien, die unter ständiger Gefährdung durch die<br />

Guerillas standen, eingesetzt. <strong>Webern</strong>s tiefe Besorgnis zeichnete sich in zahlreichen<br />

Eintragungen in seinen Skizzenbüchern ab. Während der paar Monate der<br />

501


Grundausbildung seines Sohnes in Olmütz und St. Pölten hielt er jeden Heimaturlaub<br />

fest. Als aber Peter dann Anfang Juli nach Serbien verlegt wurde, erhöhte sich<br />

seine Beklemmung und er verzeichnete jedes Datum, an dem eine Nachricht eintraf.<br />

<strong>Webern</strong>s Bangen spricht aus seinen Briefen, die nunmehr ihren patriotischen Eifer<br />

zu verlieren begannen: „Wann wird es einmal anders sein? Die Menschen erlöst <strong>von</strong><br />

diesen Gefahren?“, brach es aus ihm hervor am Ende eines umfangreichen Berichts,<br />

den er Hueber am 17. Oktober 1943 über Peters Geschicke gab.<br />

Die ersten Luftangriffe hatten stattgefunden, und der Krieg rückte der Heimat in<br />

seiner ganzen Realität näher, als dieser Brief geschrieben wurde. <strong>Webern</strong> spielte auf<br />

die Bombenangriffe an, als er fortfuhr: „Was hat sich seit Ihrer Abreise nun wieder<br />

alles ereignet! Auch bei uns direkt: 13. VIII. u. 1. X. Am letzteren Tage war es hier in<br />

Mödling schon recht aufregend.“ Ernüchterung und Zweifel hatten begonnen, sich<br />

in <strong>Webern</strong>s blinde Zuversicht einzuschleichen: „Ich las eben den Goebbels-Artikel<br />

aus dem ,Reich1vom 10. Okt. (,Uhr des Schicksals“). Ja, was bedeutet es, daß er zum<br />

ersten Male die Frage aufwirft, wie man den Krieg beenden könnte!!!!! Ist das nicht<br />

sonderbar? Auf was deutet das? Stehn wir vor völlig Unerwartetem?“<br />

Am Tag des ersten Bombenangriffs zog Christine mit ihren drei Kindern und ihrer<br />

Schwiegermutter ins <strong>Webern</strong>sche Heim. Bei seiner Lage am Stadtrand <strong>von</strong> Mödling<br />

versprach es größere Sicherheit als die Innenstadt. Die Vier blieben über zwei<br />

Monate, bis der Einbruch der kälteren Witterung die Kinder am Spielen im Freien<br />

hinderte und die Räumlichkeiten zu eng wurden. Doch bevor sie gingen, gab es noch<br />

einen weiteren Luftangriff. Am 10. Oktober bemerkte <strong>Webern</strong> darüber zu Zenk:<br />

„Der 1. Okt. war recht aufregend für uns heraußen, da sich einiges in unmittelbarer<br />

Nähe abgespielt hat.“ In einem Brief an Hildegard Jone am folgenden Tag ereiferte<br />

er sich: „Wenn man solche Scheußlichkeiten mit kleinen Kindern an der Hand über<br />

sich ergehen lassen muß!“<br />

Als das Jahr 1943 zu Ende ging, wurde das ganze Land <strong>von</strong> trüben Vorahnungen<br />

erfaßt. <strong>Webern</strong>s 60. Geburtstag am 3. Dezember ging in Wien fast unbemerkt<br />

vorbei. Im Gegensatz zu einem Jahrzehnt vorher, fand er <strong>von</strong> offizieller Seite<br />

keinerlei Beachtung, und nur die engsten Freunde gaben eine kleine Gesellschaft.<br />

<strong>Webern</strong> selbst beschrieb Reich den Anlaß am 10. Januar 1944: „Wir waren am<br />

Abend bei Ratz beisammen; es war ja gerade ,Kurs‘-Tag: Die Kursteilnehmer,<br />

Apostels und - was mich so besonders gefreut hat - Frau Helene [Berg]! - Wir,<br />

meine Frau und ich, waren schon nachmittags bei ihr in Hietzing, anschließend ist sie<br />

dann weiter mit uns zu Ratz gezogen, der mit einem prächtigen Büfett aufgewartet<br />

hat. So gab es dort an einem Freitag-(Kurs-)Abend einmal sta tt,gelehrter4Bissen<br />

besser bekömmliche Kost. Also so war es! Frau Gradmann hat mir sehr lieb<br />

geschrieben, aber noch vor der Basler-Matinee, <strong>von</strong> Erich Schmid war ein<br />

Telegramm gekommen. Doch hörte ich nichts <strong>von</strong> Scherchen, noch <strong>von</strong> Reinhart.<br />

Die U.E. hatte mir geschrieben, aber sonst hat sich <strong>von</strong> offizieller Seite nichts<br />

gerührt.“<br />

Die <strong>von</strong> ihm erwähnte Matinee war ein Konzert der Basler Sektion der IGNM. Es<br />

war durch die Initiative Reichs zustande gekommen und gedachte des 60. Geburtstages<br />

<strong>Webern</strong>s auf eine Weise, die sehr im Sinne des Komponisten war: mit<br />

502


einem Programm, das ausschließlich aus eigenen Werken bestand. Das Ereignis war<br />

ursprünglich als reines Vokalkonzert mit zwei noch unaufgeführten Liederzyklen<br />

gedacht. <strong>Webern</strong>, wie immer um jeden Aspekt der Programmzusammenstellung<br />

äußerst besorgt, hatte Reich am 23. Oktober geschrieben: „Daß diese Lieder, sechs<br />

sind es also (je drei, Op. 23 u. 25), an dem <strong>von</strong> Ihnen geplanten Abend in Basel<br />

uraufgeführt werden sollen - sie sind auch schon bald zehn Jahre alt —, ist mir sehr<br />

recht. Ich denke mir, daß es am günstigsten wäre, diese Lieder in die Mitte des<br />

Programms zu stellen und dazwischen die Klavier-Variationen zu spielen. Vor und<br />

nach dieser Gruppe: eine Auswahl aus den Klavierliedern op. 3, 4 u. 12. Was Frau<br />

Gradmann am besten liegt. Aus op. 3 etwa eins, vier u. fünf (die würde ich mir schon<br />

wünschen, Frau Gradmann hat sie aber, glaube ich, noch nicht gesungen), damit<br />

beginnen, aus op. 4, was sie am liebsten möchte, und aus op. 12 etwa eins, zwei u.<br />

vier. Also etwa zwei Gruppen zu je vier bis fünf Liedern. Und damit könnte ja die<br />

ganze Veranstaltung bestritten sein: sie würde dann etwa eine Stunde dauern, und<br />

das wäre hinlänglich genug, lieber Reich! Nicht mehr! Was nun den Termin<br />

anbelangt: binden Sie sich nur ja nicht an das bewußte Datum! Nicht eine direkte<br />

Geburtstagsfeier machen, nein, nein: eine Aufführung! Gar nicht reden da<strong>von</strong>, daß<br />

----------- ; wie unwichtig, wie nebensächlich, um Gottes Willen! Erfüllen Sie mir<br />

diesen Wunsch unbedingt!“ In diesem Brief macht <strong>Webern</strong> eine Feststellung, die für<br />

Interpreten <strong>von</strong> größter Bedeutung ist, nämlich daß er selbst mit der Auswahl<br />

einzelner Lieder aus mehreren Zyklen einverstanden wäre und nicht so sehr auf der<br />

Wiedergabe eines vollständigen Zyklus als organischer Einheit bestehe.<br />

Im Widerspruch zu der bescheidenen Bitte des Komponisten wurde das Konzert,<br />

das am Vormittag des Sonntags, 5. Dezember, stattfand, als Ehrung zum 60.<br />

Geburtstag angekündigt. Unter den Ausführenden waren die Sopranistin Marguerite<br />

Gradmann-Lüscher, der Pianist Paul Baumgartner, der Geiger Walter Kägi und<br />

der Cellist August Wenzinger. Das Programm eröffneten die Variationen für<br />

Klavier op. 27, gefolgt <strong>von</strong> den Drei Gesängen op. 23, den Vier Stücken für Geige<br />

und Klavier op. 7 und den Drei kleinen Stücken für Violoncello und Klavier op. 11.<br />

Nach einer Ansprache <strong>von</strong> Willi Reich wurde das Konzert fortgesetzt mit<br />

Wiederholungen der drei Instrumentalwerke und mit den Fünf Liedern op. 3. Alle<br />

dargebotenen Werke waren Erstaufführungen in Basel, die Drei Gesänge op. 23<br />

erklangen als Uraufführung. Die Universal Edition hatte der Sängerin eine<br />

Photokopie der noch unveröffentlichten Drei Lieder op. 25 zur Verfügung gestellt,<br />

doch die Uraufführung dieses Zyklus kam nicht zustande. Erwähnenswert ist die<br />

Tatsache, daß die Cello-Stücke trotz der großen Bedenken, die <strong>Webern</strong> vier Jahre<br />

zuvor Willi Reich gegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, im Programm enthalten<br />

waren.<br />

Diese Geburtstagsehrung aus dem Ausland bereitete dem Komponisten eine<br />

große Freude. Nachdem Reich ihm einen Bericht über den Erfolg des Konzerts<br />

geschickt hatte, versicherte ihn <strong>Webern</strong> am 10. Januar seiner tiefempfundenen<br />

Dankbarkeit für seine „unentwegte, mutige und aufopferungsvolle Treue“ sowie<br />

seinen „so grundprächtigen Einsatz“ . Er schloß, was für ihn als einem Mann<br />

striktester Förmlichkeit die höchste Anerkennung darstellte, mit den Worten: „Also<br />

503


seien Sie umarmt voll bester Gefühle, lieber Freund! Und die möchte ich auch<br />

dadurch zum Ausdruck bringen, daß ich Ihnen das ,Du‘ antrage.“<br />

Kurt List, einer der Schüler <strong>Webern</strong>s, der vor der Nazi-Verfolgung geflohen war,<br />

gedachte ebenfalls des Geburtstages seines Lehrers, jedoch in literarischer Form. Er<br />

veröffentlichte in Amerika einen Artikel „<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“ im November­<br />

Dezemberheft 1943 der Zeitschrift Modern Music. Politische Untertöne durchzogen<br />

den biographischen Teil des Essays, der, auf dem Höhepunkt des Krieges<br />

erschienen, den Komponisten als „ein tragisches Opfer der gegenwärtigen<br />

Verhältnisse“ bezeichnete. List schrieb: „Als Dirigent der Arbeitersymphoniekonzerte<br />

in Wien verband er sich mit der Sozialdemokratie. Doch in seiner völligen<br />

politischen Unwissenheit wurde er eine leichte Beute <strong>von</strong> persönlichen Einflüssen<br />

durch Familie und Freunde. Er lebte in einem Zustand ständiger Verwirrung<br />

hinsichtlich eines gangbaren echten Auswegs aus der traurigen Lage des verarmten<br />

Österreichs. Bald gab er seine früheren Bindungen zugunsten nationalistischerer<br />

Ideen auf. Diese Kursänderung mag ihn vor dem Konzentrationslager bewahrt<br />

haben, aber sie konnte seine Musik unter der Neuen Ordnung nicht retten. In den<br />

letzten Jahren verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Instrumentator und<br />

Bearbeiter <strong>von</strong> Operetten [sic!]. Um seine Werke aufgeführt zu hören, muß er in die<br />

Schweiz reisen: zu Hause werden seine musikalischen Prinzipien als ,jüdisch1und<br />

bolschewistisch angeprangert. ‘ ‘<br />

Lists Erörterung der Musik <strong>Webern</strong>s wurde in der Feststellung zusammengefaßt:<br />

„. . . obwohl diese Musik reinsten Expressionismus verkörpert, wobei sogar die<br />

Orchestrierung durch thematische Erfordernisse bedingt ist, hat ihre Färbung oft<br />

eine gewisse Ähnlichkeit mit impressionistischen Klängen. Was in der Musik<br />

wirklich vorgeht, ist eine Verbindung expressionistischer Substanz mit impressionistischer<br />

Farbe.“ Lists Einschätzung schließt: „<strong>Webern</strong>s Charakter befindet sich in<br />

vollem Übereinklang mit seinem Stil. Nur ein scheuer, in sich gekehrter Mann<br />

konnte eine so intime und individuelle Musik schreiben. Er exemplifiziert eine der<br />

Maximen Schönbergs: ,Man muß den Mut und die Kraft haben, sich so zu den<br />

Dingen zu stellen, daß alles, was man ansieht, durch die Art, wie man es ansieht, zum<br />

außergewöhnlichen Fall wird“. Es waren gerade diese Intimität und Dichte seiner<br />

Musik, die <strong>Webern</strong>s Erfolg im Wege gestanden sind. Eine Welt, die im Donner der<br />

Kriegsmaschinen taub geworden ist, hat wenig übrig für das Individuum, ist nicht<br />

eingestimmt auf das Flüstern einer Künstlerseele. Es bleibt zu hoffen, daß zu einem<br />

normaleren, nicht allzu fernen Zeitpunkt sich das erfüllen möge, was Sehönberg<br />

<strong>Webern</strong>s Musik wünscht: ,Möge diese Stille klingen.““1S<br />

<strong>Webern</strong> wußte nichts <strong>von</strong> diesem Tribut, der ihm in einem fernen Land zuteil<br />

geworden war. Doch erwärmten Briefe sein Herz, die er <strong>von</strong> der Handvoll ihm<br />

verbliebener Schüler und Freunde erhielt, unter ihnen Hartmann, Hueber, Zenk<br />

und Humpelstetter. Der letztere überraschte ihn mit einer Sammlung <strong>von</strong><br />

Erinnerungen an die Tage des Singvereins, die die Leistungen dieser vergangenen<br />

Epoche herausstellten und das Ausbleiben <strong>von</strong> Anerkennung beklagten, das<br />

<strong>Webern</strong> seither widerfuhr. In seinem Dankschreiben an Humpelstetter vom 14.<br />

Dezember 1943 zeigte sich <strong>Webern</strong> ausgesöhnt mit seiner Vereinsamung: „Ich<br />

504


freute mich auch so sehr darüber, daß Sie in Ihren Ausführungen in keiner Weise<br />

polemisch geworden sind - aber ich meine das natürlich nicht in Zusammenhang mit<br />

Gegenwärtigem, dauert mein Kampf nun schon bald 4 Jahrzehnte - nein, sondern<br />

überhaupt: denn nur auf das Positive kommt es an. Natürlich: schaut doch lieber,<br />

was ist. Als was nicht ist. Und daß das, was ist, doch schon gesehn wird - in meinem<br />

Falle - <strong>von</strong> einigen Wenigen - vielleicht sind es übrigens viel mehr, man weiß nur<br />

<strong>von</strong> ihnen vielleicht nicht - das erfüllt einem mit Freude, mit Beruhigung, für die<br />

man dankbar ist.“19<br />

<strong>Webern</strong> rundete die Vollendung seines sechsten Lebensj ahrzehnts mit einer Feier<br />

eigener Art: der Vollendung dessen, was zum Schlußsatz seiner II. Kantate op. 31<br />

werden sollte. Während der dreijährigen Entstehungszeit des Werkes hatte der<br />

Komponist engsten Gedankenaustausch mit Hildegard Jone unterhalten. Merkwürdigerweise<br />

hatte sich die Dichterin nicht unter den Gratulanten zu seinem 60.<br />

Geburtstag eingefunden. Sie vergaß ihn ganz einfach, versunken wie sie war in ihr<br />

eigenes Schaffen. Am Tag zuvor schrieb sie ihm: „Ich habe einige Lithographien<br />

fertig, die mir am Herzen liegen. Möchte sie gerne zeigen, nicht an einem fremden<br />

Ort überreichen. Bei uns ist es aber, weil das große Zimmer nicht zu heizen ist, gar<br />

nicht besonders gemütlich. Wenn aber doch jemand <strong>von</strong> Euch kommen wollte um<br />

die Blätter in Empfang zu nehmen?“<br />

Unter diesen Blättern war eine Lithographie <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, vielleicht Hildegard<br />

Jones beste Arbeit. Sie hatte heimlich an der Zeichnung gearbeitet,20 als sie <strong>Webern</strong><br />

bat, ihr eine Probe seiner Notenhandschrift zu überlassen. Ohne den Verwendungszweck<br />

zu nennen, hatte sie ihm am 28. Oktober 1942 geschrieben: „Am liebsten<br />

hätte ich die vom Chor gesungene Stelle ,Freundselig ist das Wort“. Es geht mir<br />

darum, eine Siegelstelle Deiner Musik unter die Zeichnung zu setzen. Gerade dieses<br />

kleine Notenbild wäre mir recht . . . eben diese Zeichnung erscheint mir recht<br />

geglückt. Es handelt sich um keine religiöse Zeichnung, für die die Noten<br />

gewissermaßen Erklärung wären. Sie sind selbst Bildteil,“<br />

Die fertige Lithographie bringt unter <strong>Webern</strong>s Porträt die ersten drei Takte des<br />

vierstimmigen Chors „Freundselig ist das Wort“ . Die Künstlerin hatte nicht nur<br />

diese Passage sondern auch <strong>Webern</strong>s Unterschrift aufs sorgfältigste nachgezeichnet.<br />

So vereinigte sich das Freundespaar in einem Kunstwerk, das die letzte Musikschöpfung<br />

feiert, in der es zusammengearbeitet hatte, die II. Kantate op. 31, „die große<br />

Kantate“ , wie Hildegard Jone sie später nannte. Die Lithographie, die nur in einer<br />

limitierten Anzahl <strong>von</strong> Exemplaren aufgelegt wurde, hat seither unter den Porträts<br />

des Komponisten Berühmtheit erlangt.<br />

Unter den nicht gerade zahlreichen <strong>Webern</strong>-Bildnissen befinden sich mehrere<br />

Arbeiten bekannter Künstler: Oskar Kokoschkas häufig reproduzierte Zeichnung<br />

(1912) und Ölporträt (1914), zwei Tuschzeichnungen <strong>von</strong> Egon Schiele (1917 und<br />

1918), zwei Lithographien <strong>von</strong> Emil Stumpp21 (beide datiert Mödling, 13. Februar<br />

1927), drei Tuschzeichnungen <strong>von</strong> Benedikt F. Dolbin (1920 und 1924), eine<br />

Zeichnung <strong>von</strong> Franz Rederer (1934) und ein Ölporträt <strong>von</strong> Tom <strong>von</strong> Dreger<br />

(1934). Für sie alle saß <strong>Webern</strong> Modell. Hildegard Jones Beiträge umfaßten, außer<br />

der Lithographie <strong>von</strong> 1943, mehrere Bleistift- und Kohlezeichnungen, die nach<br />

505


<strong>Webern</strong>s Tod entstanden. Ebenfalls posthum entstand ihr großes Ölgemälde<br />

„<strong>Webern</strong> in der Haustüre stehend, wenige Augenblicke vor seinem gewaltsamen<br />

Ende“ (1945).22 Dieses Bild ist häufig reproduziert worden, wie auch <strong>Humplik</strong>s<br />

Büste <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> (<strong>1928</strong>). Eine andere Skulptur des Komponisten fertigte <strong>Humplik</strong><br />

etwas früher an (1927). Unter den posthumen Porträts befindet sich auch ein großer<br />

Holzschnitt (1964) <strong>von</strong> Franz Rederer.23<br />

506


Oskar Kokoschka (1912)<br />

Egon Schiele (1917)<br />

Porträtzeichnungen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

Emil Stumpp (1927)<br />

Hildegard Jone (1943)<br />

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507


32. Opus 29-31 (1938-1944)<br />

Als <strong>Webern</strong> daranging, das Werk zu schreiben, das sich zu seiner I. Kantate op. 29<br />

entwickelte, sollte er einen Plan verwirklichen, der mehr als acht Jahre brachgelegen<br />

war. Die Grundidee umriß er in einem Brief an Hildegard Jone vom 8. September<br />

1930, lange bevor er damit begonnen hatte, ihre Dichtungen in seinen Kompositionen<br />

zu verwenden: „Seit ich Ihre schriftstellerischen Arbeiten kenne, verläßt mich<br />

der Gedanke nicht mehr, einmal etwas da<strong>von</strong> zu komponieren.. .. Nun beschäftigt<br />

mich sehr die Idee, eine Kantate zu schreiben. Und meine Bitte: würden Sie so einen<br />

Text für mich verfassen wollen? . . . Das Schema einer Kantate (wie ich sie<br />

beabsichtige) ist ungefähr so: Chor; Solo-Gesang; eventuell noch einer und wieder<br />

Chor; als Solo-Stimmen denke ich mir Sopran und etwa einen Baryton. (Aber das<br />

soll nichts Bindendes bedeuten.) Es bedarf also, da ich durchaus nicht an lange<br />

Musikstücke denke, im Grunde ganz wenigen Textes! Wozu noch kommt, daß man<br />

in Chorsätzen Textworte wiederholen kann. Oft ist in Bachischen Chorwerken ein<br />

Riesenstück auf ein paar Worten (einem einzigen Satz) aufgebaut. Denken Sie an<br />

das ,Kyrie eleison, Christe eleison1 der Messen. Doch das alles wieder nur zur<br />

allgemeinen Orientierung.<br />

Was nun das textliche Thema betrifft: ich sage rund heraus: Die ,Farbenlehre1!<br />

[ein Zyklus <strong>von</strong> Gedichten <strong>von</strong> Hildegard Jone], Schicken Sie mir ein paar Sätze aus<br />

Ihrer ,Farbenlehre1! So etwa stelle ich mir diesen Kantatentext vor! Nim verstehen<br />

Sie mich wohl! Ich wünsche mir Worte, die <strong>von</strong> diesen Wundern etwas darstellen. In<br />

so vielen Ihrer Gedichte haben Naturerscheinungen so überaus schöne Gestalt<br />

gewonnen. Aber der Text müßte durchaus nicht in Reimen oder irgendwie gebundener1<br />

Form sein. Deswegen sage ich ja: ein paar Sätze aus Ihrer ,Farbenlehre1!<br />

Ich wäre so glücklich, wenn Sie das fänden, was mir vorschwebt, und will nun<br />

weiter nichts mehr sagen. Haben Sie Lust? Die Hauptsache noch einmal: kurz.“<br />

Obwohl die endgültige Gestalt <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s I. Kantate diesem frühen Konzept<br />

sehr nahe kam, sollte die eigentliche Genese des Werkes ausgesprochen improvisatorisch<br />

und tastend verlaufen (was auf so ziemlich alle zyklischen Kompositionen<br />

<strong>Webern</strong>s <strong>von</strong> seiner mittleren Periode an zutrifft). Als der Komponist begann, hatte<br />

er weder den gesamten Text ausgewählt, noch war er sich des endgültigen<br />

Charakters des Werkes gewiß. Tatsächlich überschrieb er es zunächst mit<br />

„Symphonie“ . Diese Bezeichnung tauchte am 1. Juli 1938 auf der ersten Seite <strong>von</strong><br />

Skizzenbuch V auf, gefolgt <strong>von</strong> verschiedenen experimentellen Entwürfen der<br />

Tonreihe.<br />

Die ersten Anfänge <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s neuer schöpferischer Arbeit fielen mit höchst<br />

positiven Berichten zusammen, die ihn nach der Londoner Uraufführung <strong>von</strong> Das<br />

Augenlicht erreichten. Die guten Nachrichten, die zu einer Zeit kamen, als die<br />

508


‘r<br />

§<br />

:p = = = E = = = = ^<br />

' 1................................................... •.. ........................ t<br />

-f'T-V... .....-. — ... -... . .. . .<br />

i?' '<br />

'<br />

i<br />

jop *<br />

Kleiner Flügel Ahornsamen, zweiter Satz der L Kantate op. 29<br />

509


tiefgreifenden Auswirkungen des Anschlusses sich immer mehr spürbar machten,<br />

befreiten ihn aus einer lähmenden Depression und inspirierten ihn zu neuer<br />

konstruktiver Aktivität. Am 3. August war die endgültige Gestalt der Tonreihe (rot<br />

umrandet und überschrieben mit „gilt“) im Skizzenbuch festgehalten.<br />

Während der ganzen Zeitspanne der Komposition hielt <strong>Webern</strong> engen Kontakt zu<br />

Hildegard Jone. Am 20. Juli 1938 ließ er sie wissen: „Ich komponiere jetzt,Kleiner<br />

Flügel Ahornsamen schwebst im Winde . . .‘. Es soll der Schlüssel werden zu einem<br />

größeren symphonischen Zyklus für Solo, Chor und Orchester, in dem auch noch<br />

anderes <strong>von</strong> Dir Vorkommen wird; eine Art Symphonie mit vokalen Teilen.“<br />

Abgesehen <strong>von</strong> einem kurzen Ferienaufenthalt in Kapellen arbeitete <strong>Webern</strong><br />

ohne Unterbrechung an dem Satz. Mehrere Datierungen geben Aufschluß über die<br />

Stationen seines Fortschritts. Eingestreut zwischen die Skizzen findet sich eine<br />

Reihe <strong>von</strong> Tagebuchaufzeichnungen, wie die Abreise seines Sohnes zu einem<br />

deutschen Arbeitsdienstlager und die Geburt seiner ersten Enkelin Karin (die<br />

Tochter Christines). Mit Ausnahme <strong>von</strong> kleinen Änderungen in den Anfangsstadien<br />

schritt der Entwurf <strong>von</strong> Kleiner Flügel glatt voran bis zu seiner Vollendung am 14.<br />

Dezember. Die Heiterkeit der Musik läßt nichts ahnen <strong>von</strong> dem entsetzlichen<br />

Erlebnis der Kristallnacht, dem Pogrom, das sich zutrug, während <strong>Webern</strong> an der<br />

Komposition arbeitete.<br />

Wie gewohnt, ging er sogleich daran, das Particell in seine volle Instrumentation<br />

umzusetzen. Am 25. Januar 1939 konnte er Hildegard Jone schreiben: „ 'Mit gleicher<br />

Post schicke ich endlich das für Weihnachten Versprochene.1Es war längst fertig,<br />

doch mußte ich noch eine Kopie (für mich) herstellen, dadurch hat es sich verzögert.<br />

Also, es ist die erste partiturmäßige Niederschrift <strong>von</strong>,Kleiner Flügel Ahornsamen.<br />

. .‘. Sei sie hiermit Dir und Pepo [<strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>] überreicht. Ich bin überzeugt, Ihr<br />

entnehmt schon alles aus d e r,Zeichnung“, die durch die Noten entstanden ist. Aber<br />

was da so frei herumzuschweben scheint (,schwebst im W inde. . ,‘) - vielleicht hat es<br />

ein so Aufgelöstes musikalisch noch gar nicht gegeben - es ist das Ergebnis einer so<br />

strengen Gesetzmäßigkeit (die ,kleinen Flügel\ ,sie tragen in sich schon1 - aber<br />

wirklich, nicht bildlich - die ,ganze . .. Gestalt4. So wie Deine Worte sagen!), wie sie<br />

vielleicht noch niemals bisher einer musikalischen Konception zu Grunde gelegen<br />

ist. Aber wie sind mir diese Worte entgegen gekommen!!“<br />

<strong>Webern</strong>, der sich dessen bewußt war, daß die Dichterin und ihr Mann des<br />

Notenlesens nicht kundig und deshalb auch nicht in der Lage sein konnten zu<br />

erahnen, was die Notation vermittelte, ließ ihnen trotzdem alle seine Partituren<br />

zukommen, als ob er an die Wechselwirkung zwischen optischen und akustischen<br />

Phänomenen glaubte. In seinen Widmungen und Briefen finden sich viele Hinweise<br />

auf das so wichtige Zusammenspiel <strong>von</strong> Auge und Ohr. Das stand im Einklang mit<br />

seiner Grundphilosophie, die ihren Schwerpunkt in einem gemeinsamen Ursprung<br />

aller Manifestationen des Lebens hatte. Er konnte einer gleichgestimmten Reaktion<br />

<strong>von</strong>seiten Hildegard Jones gewiß sein. Als sie ihm für die Zusendung des<br />

Manuskripts <strong>von</strong> Kleiner Flügel dankte, meinte sie: „Ich sehe den Gedanken dieser<br />

Schöpfung durch das transparente Bild Deiner N oten.. . . Wie gut, daß heute ein so<br />

reines, gnadenvolles Gleichnis aufzuklingen, aufzuschweben vermag!“2<br />

510


Auf der Suche nach einem Text für den nächsten Abschnitt seiner „Symphonie“<br />

wandte sich der Komponist erneut an die Dichterin. Am 16. Januar 1939 schickte sie<br />

ihm eine Auswahl <strong>von</strong> Distichen (ihre bevorzugte Form konzentrierter poetischer<br />

Aussage) aus ihrem unveröffentlichten Zyklus Der M ohnkopf. Dieser Gruppe<br />

entnahm <strong>Webern</strong> drei: Blitz und Donner, Das Prisma und Doppelte Gabe.3 Er<br />

schrieb sie, wie es seine Gewohnheit war, sorgfältig ab, wobei er ihre lyrischen<br />

Qualitäten auf sich wirken ließ, um so sein musikalisches Denken herauszukristallisieren.<br />

Am 11. Februar begann <strong>Webern</strong> mit der Vertonung des ersten dieser Distichen<br />

für gemischten Chor und Orchester. Unter dem Titel „II. Symphonie Op. 29“<br />

(Skizzenbuch V, Seite 14) entwarf er einen schematischen Aufriß, in dem er den<br />

Versuch unternahm, Gestalt und Struktur des gesamten Zyklus, der ihm damals<br />

noch als Werk in fünf Abschnitten vorschwebte, zu formulieren:<br />

1. S[atz] Kl. Rondo Adagio-Form (Allegro)<br />

2. kleine Durchführung] Adagio-Form (Adagio)<br />

3. Kleiner Flügel 3teilig<br />

4. Scherzo (Thema - Seitensatz - Thema)<br />

5. Variationen (Chor)<br />

Wie bereits gezeigt, waren derartige architektonische Umrisse bezeichnend für<br />

<strong>Webern</strong>s Vorgehen, wenn er auch im Verlauf seiner Arbeit seine Vorstellungen<br />

häufig modifizierte. Am 15. März berichtete der Komponist Hildegard Jone über<br />

seine Fortschritte: „Indessen ist schon einiges aus den Dislichenin Arbeit gegangen!<br />

. . . Ich verschmelze drei zu einer musikalischen Einheit. Es wird für Chor und<br />

Orchester. Und dieser geplante Zyklus <strong>von</strong> Sätzen wird eine Kantate (also<br />

ausschließlich vokal) nach Worten <strong>von</strong> Dir!“<br />

Hier verlieh <strong>Webern</strong> zum ersten Mal seinem Werk die Bezeichnung „Kantate“ .<br />

Der Entwurf des neuen Satzes war arn 25. April beendet. Am 14. Mai ließ <strong>Webern</strong><br />

Hildegard Jone wissen, daß er an der endgültigen Orchestrierung arbeite, wobei er<br />

erklärte: „Ich habe nicht den ganzen ursprünglich in Aussicht genommenen Text<br />

verwendet, die musikalische Form verlangte es doch anders. Es ist rein Instrumentales<br />

darin, im Mittelpunkt Dein Distichon ,Zündender Lichtblitz des Lebens . . .‘<br />

[Textanfang <strong>von</strong> Blitz und Donner].“<br />

Der Komponist ging nunmehr daran, diesem Satz, der die Kantate eröffnen sollte,<br />

ein Pendant zu geben, so daß der orchestrale, früher vollendete Sologesang Klemer<br />

Flügel durch Chorsätze als Eckpfeiler flankiert werden könne. Dazu wurde ein<br />

Abschnitt aus Hildegard Jones unveröffentlichtem Gedicht Verwandlung der<br />

Chariten ausgewählt. <strong>Webern</strong> hatte sich zum ersten Mal zu diesem Vorwurf<br />

hingezogen gefühlt, als die Dichterin ihre Vorstellungen <strong>von</strong> „Charis“ erläuterte,<br />

und zwar in dem Brief, mit dem sie sich für das Manuskript <strong>von</strong> Kleiner Flügel<br />

bedankte: „Eis ist für mich ein so lieber Gedanke, daß ,charis* Gnade u. zugleich<br />

Anmut bedeutet. Ich wüßte kein Wort, das man Deiner Musik besser gesellte als<br />

dieses. Ich habe ein langes Gedicht geschrieben in diesem Sommer: Die Chariten,<br />

das mir in vieler Hinsicht lieb ist. Du weißt, wenn man ein Wunder zu fassen<br />

511


ekommt, reihen sich sogleich viele andere an. So bedeutet die Sanskritwurzel ,har‘:<br />

(<strong>von</strong> ,Claris“) sprühen, träufeln, sprengen, leuchten, brennen. Vedisch bedeutet<br />

,haritas“ = Sonnenrosse. Unter diesen sind aber die Farben des Spektrums gemeint.<br />

Herrlich!“<br />

Hildegard Jone, die aus Liebe zum antiken Griechenland eingehende Studien<br />

betrieb, entdeckte in dieser vergangenen Kultur eine unerschöpfliche Quelle des<br />

Sinnbildlichen. Sie war entzückt über Erscheinung und Bedeutung der Chariten, der<br />

Gottheiten, die als Musen der Künste Liebreiz und ewige Jugend verkörperten. In<br />

der Doppelbedeutung ihres Namens, A nm ut und Gnade, sah sie die Gestalt<br />

gewordene physische und göttliche Vollkommenheit. Die Zeilen, die <strong>Webern</strong> ihrem<br />

Gedicht entnahm, atmen dithyrambisches Feuer, und ihre leidenschaftliche Kraft<br />

erinnerte ihn zweifellos an Hölderlin, dessen Gedankenwelt ihm in seinen späteren<br />

Jahren viel bedeutete. Die eigenartige Qualität <strong>von</strong> Hildegard Jones Dichtung, die<br />

gleichermaßen mystisch und ekstatisch war, kam <strong>Webern</strong>s Temperament entgegen.<br />

Immer wieder beflügelte es seine Phantasie, ihre Wortmalerei in musikalische<br />

Dimensionen umzuformen. Während er das Gedicht Die Verwandlung der Chariten<br />

abschrieb, sann er bereits über seine Realisierung in Tönen nach, wobei er einen<br />

kompositorischen Umriß an den Textrand schrieb:<br />

Einleitung<br />

Thema<br />

Zusätze<br />

(Orchester allein)<br />

Durchf[ühmng]<br />

Reprise<br />

Coda<br />

(Urspr. Einleitung)<br />

Tönen die seligen Saiten A polls, wer nennt sie Chariten?<br />

Spielt er sein Lied durch den wachsenden Abend, wer denket Apollon?<br />

Sind doch im Klange die früheren Namen alle verklungen;<br />

sind doch im Worte die schwächeren Worte lange gestorben;<br />

und auch die blässeren Bilder zum Siegel des Spektrums geschmolzen.<br />

Charis, die Gabe des Höchsten; Die Anmut der Gnade erglänzet!<br />

Schenkt sich im Dunkel dem werdenden Herzen als T au der Vollendung.<br />

<strong>Webern</strong> begann mit der Textvertonung am 3. Juli 1939 (Skizzenbuch V, Seite 24).<br />

„Ich war vergangene Woche ein paar Tage weg. Sonst aber konstant an der Arbeit“,<br />

schrieb er Hildegard Jone am 12. August und bezog sich dabei auf seine kurzen<br />

Ferien in Kapellen und Vordemberg. Im gleichen Brief erwähnte er ihr gegenüber<br />

zum ersten Mal, welche Stelle aus ihrem Gedicht er ausgewählt hatte. Zwei Monate<br />

lang rang er um die Lösung einiger Anfangsschwierigkeiten (die ersten Seiten des<br />

Entwurfs legen Zeugnis ab <strong>von</strong> umfangreichem Experimentieren). Anfang September<br />

machte er einen neuen Beginn, der dann zu Ende geführt wurde. Eine Reihe <strong>von</strong><br />

Einzelheiten weicht beträchtlich <strong>von</strong> der Endversion ab. Während <strong>Webern</strong> an<br />

diesem Satz arbeitete, brach der Krieg aus. Merkwürdigerweise erwähnte er dieses<br />

welterschütternde Ereignis mit keinem Wort, obwohl seine Skizzen sonst mit<br />

Tagebuchnotizen übersät sind. <strong>Webern</strong>s Fortschritt an dem Satz wurde vorübergehend<br />

behindert, als er aus finanziellen Gründen einen Bearbeitungsauftrag<br />

(Wagner-Regenys Oper Johanna Balk) für die Universal Edition übernehmen<br />

mußte. In Anspielung auf diese Aufgabe schrieb er Reich am 20. Oktober: „So<br />

512


mußte ich leider die Arbeit an der ,Kantate* etwas auf schieben, wäre sonst vielleicht<br />

schon fertig. Aber ich hoffe, es wird doch bald sein können.“ Der Entwurf des Satzes<br />

wurde am 26. November 1939 beendet; das Datum erscheint sowohl auf Seite 41<br />

<strong>von</strong> Skizzenbuch V als auch im Inhaltsverzeichnis, das dem Buch vorangeht.<br />

Allerdings sollten noch weitere fünf Seiten mit Revisionen zur Vorbereitung der<br />

endgültigen Partitur gefüllt werden.<br />

Als <strong>Webern</strong> sich wieder aus der Klausur seiner schöpferischen Arbeit herausbegab,<br />

überkam ihn wie gewöhnlich das Bedürfnis, sich seinen Freunden mitzuteilen.<br />

Wie zu erwarten, waren die ersten, denen er über sein neues Werk berichtete, die<br />

<strong>Humplik</strong>s. Am 2. Dezember 1939 schrieb er: „Liebe Freunde, ich möchte Euch<br />

sagen, daß die ,Chariten1 nun fertig sind! Das Stück gab viel Arbeit. Seiner<br />

Konstruktion nach ist es eine vierstimmige Fuge: aber innerhalb dieser Gebundenheit<br />

wieder alle Bewegungsfreiheit zu gewinnen, so daß also <strong>von</strong> Zwang keine Rede<br />

sein kann, das war nicht leicht. So ist es auch noch was ganz anderes geworden, eine<br />

Scherzo-Form, die sich auf Grund <strong>von</strong> Variationen ergab. Aber doch eine Fuge! Nun<br />

bin ich bei der Anfertigung der Partitur. Das wird noch recht viel Zeit brauchen:<br />

nämlich einen Klang zu erzielen, wie er mir mannigfaltiger vielleicht noch niemals<br />

vorgeschwebt ist. Somit wäre diese ,Kantate1komponiert. Ich glaube, die,Chariten“<br />

werden das erste Stück sein müssen, aus musikalischen, aber auch textlichen<br />

Gründen. Geben der ,Kleine Flügel“und ,Blitz und Donner“nicht Antwort auf die<br />

Fragen der ,Chariten‘-Strophe, liebe Hildegard? Sagen sie nicht, was mit dieser<br />

gemeint ist, vom ,Klang“, vom ,Wort“, vom ,Siegel des Spektrums“? Natürlich sind<br />

auch die ,Chariten“ auf Grundlage der gleichen Folge der 12 Töne (,Reihe“)<br />

komponiert, wie die beiden anderen Stücke; auf Grund dieser ,Reihe“, die, wie ich<br />

Euch schon sagte, die Eigentümlichkeit hat, daß die zweiten 6 Töne in den<br />

Intervallen die Rückläufigkeit der Umkehrung der ersten 6 darstellen, so daß also,<br />

was immer geschieht, auf eine Folge <strong>von</strong> 6 Tönen zurückzuführen ist. Immer<br />

dasselbe: ob die ,seligen Saiten“, die .Anmut der Gnade“, der ,kleinen Flügel“, der<br />

,Lichtblitz des Lebens'' und ,Donner, der Herzschlag“. Sagt nicht diese Anführung,<br />

wie gut sich der Text in der erwähnten Folge bauen würde. Und so ist es auch<br />

musikalisch. Und doch jedesmal ein ganz anderes!“<br />

Überraschenderweise schien sich <strong>Webern</strong> über die endgültige Reihung der Sätze<br />

noch nicht schlüssig geworden zu sein. Als er Polnauer am „Nicolo-Tag“ schrieb,<br />

bekräftigte er seine Absicht hinsichtlich des Chariten-Clmrslücks: „Es wird aber das<br />

erste der Kantate sein.“ Erst im Verlauf der kommenden Wochen beim Instrumentieren<br />

der Chariten beschloß er die endgültige Satzfolge: 1. Blitz und Donner, 2.<br />

Kleiner Flügel, 3. Verwandlung der Chariten.<br />

Ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit mit dem Geleisteten atmet aus <strong>Webern</strong>s Brief<br />

an Reich vom 9. Dezember. Wie in der Beschreibung, die er den <strong>Humplik</strong>s gegeben<br />

hatte, erläuterte er ausführlich Besonderheiten des Chariten-Chors, da er aber<br />

einem Musiker schrieb, konnte er präziser sein: „Es ist der Konstruktion nach eine<br />

vierstimmige Doppelfuge. Aber Thema und Gegenthema verhalten sich wie<br />

Vorder- und Nachsatz (Periode), womit also wieder die Elemente der anderen<br />

(horizontalen) Darstellungsart hereinspielen.“<br />

514


Als sich das Bild der vollen Instrumentation entfaltete, konnte der Komponist der<br />

graphischen Bezüge und Dimensionen, die das Particell nicht zu erkennen gegeben<br />

hatte, gewahr werden. Er war entzückt über die Erscheinung des Notenbilds, das er<br />

als Spiegelung des musikalischen Geschehens ansah. Voller Erregung berichtete er<br />

den Freunden über diese visuellen Aspekte. Am 27. Dezember schrieb er Reich:<br />

„Es ergeben sich Partiturbilder, die mich selber überraschen. Die Begleitformen<br />

meines Themas und Gegenthemas werden sozusagen zum ,Continuo‘!“ Ähnliche<br />

Kommentare enthielten Briefe an Polnauer und Hildegard Jone.<br />

<strong>Webern</strong>s Konzentration auf die Orchestrierung des Chariten-Chors setzte sich bis<br />

ins neue Jahr hinein fort. Erst als er Hildegard Jone am 16. Januar 1940 schrieb, war<br />

das Werk vollendet und die richtigen Proportionen zwischen seinen Bestandteilen<br />

zu Ende gedacht: „Die Partitur m einer,Kantate1, d. h. des zuletzt gearbeiteten Teils,<br />

habe ich nun endgültig fertig gestellt. Wie gerne möchte ich es Euch schon zeigen:<br />

Wie Deine wunderbaren Worte, liebe Plildegard, musikalisch geworden sind;<br />

,Charis die Gabe des Höchsten: die Anmut der Gnade erglänzet“ oder die<br />

vorhergehende Stelle: ,und auch die blässeren Bilder zum Siegel des Spektrums<br />

geschmolzen“oder ,schenkt sich ein D unkel. . . “. Nun habe ich dieses Stück doch an<br />

den Schluß der Kantate gestellt. Musikalisch muß das der Abschluß sein. Im Plan lag<br />

es ja und es ist auch so geworden. Es gibt musikalisch in diesem Stück keinen<br />

einzigen Schwerpunkt. Die harmonische Konstruktion (als Ergebnis der Stimmen)<br />

liegt so, daß alles schweben bleibt.“<br />

Als <strong>Webern</strong> ein paar Tage später, am 22. Januar, Polnauer mitteilte, daß er mit<br />

der Arbeit an seiner Kantate fertig sei, konnte er kaum ein Hehl aus seinem Stolz<br />

machen: „Ich muß gestehn, ich bin befriedigt, wie kaum jemals. Ich glaube, Du wirst<br />

staunen. Dieses letzte Stück, vielleicht ist es das Beste, was ich bis jetzt erreichen<br />

konnte.“<br />

Bald nachher unternahm <strong>Webern</strong> eine kurze Konzertreise in die Schweiz. Er<br />

kehrte recht ermutigt zurück mit der Hoffnung auf eine baldige Uraufführung in<br />

diesem Lande, wo es kein Verbot gab für „entartete Musik“ . Am 19. März 1940<br />

schrieb er Hildegard Jone: „Ich kann berichten, daß die Partitur meiner,Kantate“in<br />

die Schweiz abgegangen ist - möglich, daß es in Basel zu einer Aufführung kommt.<br />

Freilich, es ist die Gefahr, daß man vor den großen Schwierigkeiten zurückschreckt.<br />

Aber schließlich, was war ich im Stande, meinem Chor (<strong>von</strong> anno dazumal) alles<br />

beizubringen!“<br />

Die Partitur war Paul Sacher, dem Begründer und Dirigenten des Basler<br />

Kammerorchesters und der Schola Cantorum Basiliensis zugeleitet worden. Willi<br />

Reich, der damals in Basel wohnte, spielte die Rolle des Vermittlers; als Sacher das<br />

Werk ablehnte, bot er es Hermann Dubs an. In seinem Briefwechsel mit Reich<br />

erklärte sich <strong>Webern</strong> dazu bereit, für die Schwierigkeiten der Chorpassagen im<br />

ersten Satz durch die Hinzufügung geeigneter Stützstimmen im Orchester Erleichterungen<br />

zu schaffen. Am 3. März 1941 schlug er sogar vor: „Unter Umständen<br />

könnte man das letzte Stück auch allein bringen.“<br />

Trotz <strong>Webern</strong>s Bemühungen sollte die Uraufführung jedoch erst 1946, im Jahr<br />

nach seinem Tod, stattfinden.4 Zu seinen Lebzeiten mußte sich der Komponist damit<br />

515


egnügen, das Werk lediglich einigen wenigen Freunden vorzustellen, die sich am<br />

18. August 1940 in der Wohnung <strong>von</strong> Ludwig und Maria Zenk am Stephansplatz 5<br />

einfanden.<br />

Vom Fenster ihres hoch über der Straße gelegenen Musikzimmers blickte man<br />

unmittelbar auf den herrlichen Turm des St. Stephans-Domes („Der Blick auf<br />

diesen heiligen Felsen erweckt den Eindruck, als befänden wir uns in Gebirgshöhen“<br />

, so lautete Hildegard Jones Beschreibung).5 Wenn die Glocken läuteten,<br />

was häufig geschah, dröhnten sie durch das Zimmer und übertönten jeden anderen<br />

Laut.<br />

Das war der Schauplatz, an dem <strong>Webern</strong>, selbst spielend und singend, seine<br />

Freunde feierlich in die Mysterien seiner Kantate einweihte. Die unbeschwerte<br />

Stunde hinterließ einen tiefen Eindruck bei dem kleinen Kreis, der sich <strong>von</strong> etwas<br />

Erhabenem, Transzendentalen gebannt fühlte. Für Augenblicke waren ihrer aller<br />

Ängste des Krieges geschwunden. Hildegard Jone schilderte ihre Eindrücke in<br />

einem Brief an <strong>Webern</strong> vom 27. August: „Lieber <strong>Anton</strong>! Es kann im Leben<br />

geschehen, daß eine Stunde so viel Er-leben zusammenfaßt, daß sie ihr Licht auf<br />

Gewesenes u. auch für die Zukunft Gewolltes so aufhellend, so durchleuchtend<br />

wirft, daß wir sie wirklich als klarste Gegenwart empfinden.. . . Eine solche Stunde<br />

war es, als Du uns - in der schweigenden Nachbarschaft der Glocken, in Turm-Nähe<br />

u. Höhe - Dein Werk mitteiltest, das wirklich eine mich geradezu bestürzende<br />

musikalische Aussage ist. Ich kenne u. liebe Deine Musik doch schon so lange: Aber<br />

hier ist noch etwas Neues geschehen. Ich würde wünschen, daß dieses Werk alle<br />

durch die Zeit ratlos Gewordenen hören könnten. Hier ist Ausblick u. Ausweg:<br />

Auskunft. . . . Seppi [<strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>] war auch ganz ergriffen. Er sagte, die Musik<br />

habe geklungen wie noch nie gehörte ganz große klassische Musik, eben wie die<br />

klassische Musik der Zukunft. Was sollte man anders dazusagen? Habe Dank,<br />

Freund!"6<br />

Im Herbst 1944 fertigte <strong>Webern</strong> einen .Klavierauszug mit Gesang <strong>von</strong> der Kantate<br />

an und setzte damit seine Praxis fort, Klavierauszüge aller seiner Vokalwerke, die<br />

instrumentale Ensembles verwendeten, zu erstellen (mit der einzigen Ausnahme<br />

<strong>von</strong> Das Augenlicht). Das Werk wurde erst 1954 veröffentlicht, sowohl als Partitur<br />

als auch als Klavierauszug mit Gesang, unter dem Titel I, Kantate für Sopransolo,<br />

gemischten Chor und Orchester op. 29. Die Orchesterbesetzung besteht aus Flöte,<br />

Oboe, Klarinette, Baßklarinette, Horn, Trompete, Posaune, Pauken, Schlagzeug,<br />

Harfe, Celesta, Mandoline und Streicher ohne Kontrabässe.<br />

Am 16. Januar 1940, dem Tag, an dem <strong>Webern</strong> Hildegard Jone da<strong>von</strong> in Kenntnis<br />

setzte, daß er soeben die Partitur seiner I. Kantate vollendet habe, kündigte er<br />

zugleich an: „Ich habe mich schon einer neuen Arbeit zugewendet; die wird diesmal<br />

rein instrumental.“<br />

Dieses Projekt waren die Variationen für Orchester op. 30. Wenn <strong>Webern</strong> zu<br />

diesem Zeitpunkt tatsächlich erste Skizzen zu der Komposition gemacht haben<br />

sollte, so sind sie nicht erhalten geblieben. Im Februar folgte er einer Einladung in<br />

die Schweiz, Aufführungen seiner Werke in Winterthur und Basel beizuwohnen.<br />

Der Erfolg dieser Reise bewog ihn, sein ganzes Hoffen auf ein baldiges<br />

516


Wiederkommen zu richten, vor allem darauf, einen Auftrag für seine neue<br />

Komposition zu erhalten.<br />

Der Datierung in Skizzenbuch V zufolge begann <strong>Webern</strong> mit dem eigentlichen<br />

Entwurf der Variationen erst am 15. April 1940, als er ein erstes Konzept verfaßte,<br />

das den folgenden Wortlaut hatte: „Thema: Periodl. zusammengesetzt aus<br />

satzartigen Teilen. Wiederholung in neuer Form.“ Unmittelbar darauf wurde eine<br />

Tonreihe aufgeschrieben. Ihre zweite Hälfte wurde einen Tag später geändert, und<br />

die sieh nunmehr ergebende Form der Reihe wurde zur endgültigen. Die letzten<br />

sechs Töne der Reihe stellen den Krebs der ersten sechs dar, und die Intervallmuster<br />

selbst bestehen aus Mikrostrukturen, die eine Vielfalt <strong>von</strong> Manipulationen<br />

gestatten. Im Wesentlichen operiert die Reihe mit drei Gruppen <strong>von</strong> jeweils vier<br />

Tönen, die sich sowohl motivisch wie auch harmonisch, horizontal wie auch vertikal<br />

verwenden lassen.<br />

Abgesehen <strong>von</strong> den Unterbrechungen durch Aufträge <strong>von</strong> der Universal Edition,<br />

schritt die Arbeit des Komponisten an dem Projekt stetig voran. Wie so oft, bot der<br />

Manuskriptentwurf ein farbiges Bild. Bleistift und roter, blauer und grüner Farbstift<br />

markierten verschiedene Reihen, dynamische und Tempoangaben, Taktbezeichnungen,<br />

Taktzahlen und Instrumente. Auf der fünften Seite des Entwurfs<br />

kündigte eine grüne Bleistifteintragung „Anfang“ die Einbeziehung aller vorhergegangenen<br />

Skizzen zu einem neuen Beginn an. Die frühere Bezeichnung Sehr bewegt<br />

wurde in Lebhaft abgeändert, was dann das endgültige Tempo wurde. Wie<br />

gewöhnlich waren in <strong>Webern</strong>s Skizzen verschiedentliche Tagebuchnotizen <strong>von</strong><br />

Familienereignissen eingestreut, wie die Geburt einer zweiten Enkelin, die<br />

Einberufung seines Sohnes zum Militärdienst sowie seine spätere Entlassung. Auch<br />

Deutschlands Blitzsieg in der Schlacht um Frankreich wird festgehalten: „Freitag<br />

den 21. VI. 40 Waffenstillstandsverh[andiung] zu Compiegne. Dienstag den 25. VI.<br />

l h35 früh, Waffenstillstand.“<br />

In diesem Sommer machte <strong>Webern</strong> keine Ferien und blieb an der Arbeit . Am 1.<br />

August berichtete er Hildegard Jone: „Es wird ein rein Instrumentales; ein ganz<br />

Buntes, aber auf Grund strengster Gebundenheit.“ Im Verlauf der Komposition<br />

ergaben sich sechs Variationen, deren jede <strong>Webern</strong> in einer anderen Farbe<br />

numerierte. Am 30. Oktober war es so weit, daß er Reich mitteilen konnte: „Oft u,<br />

oft hatte ich daran gedacht, Ihnen zu schreiben, aber es hat mich die ganze Zeit her<br />

meine Arbeit so sehr in Anspruch genommen und sie tut es noch, nur mit dem<br />

Unterschied, daß sie jetzt dem Ende zugeht. Es ist das erwähnte Orchesterstück,<br />

Variationen in Form einer ,Ouvertüre/. Es wird recht lang und braucht viel Skizzen<br />

u. s. w. Nun kommt erst die Anfertigung der Partitur, was wird da wieder zu<br />

überlegen sein.“<br />

Der Entwurf des Particells wurde am 25. November 1940 abgeschlossen<br />

(Skizzenbuch V, Seite 79). Zu diesem Zeitpunkt nahm der Komponist eine<br />

gründliche Revision in Angriff, und es wurde Mitte Dezember, bis er mit der<br />

Niederschrift der Partitur beginnen konnte. Sie wich beträchtlich vom ersten<br />

Entwurf ab hinsichtlich Metrum, Rhythmus und Fixierung der Tonhöhen. Am 21.<br />

Dezember teilte <strong>Webern</strong> <strong>Josef</strong> Hueber mit: „Ich habe die ganze Zeit her in<br />

517


angespanntester Arbeit gelebt, bin nun fertig u. arbeite jetzt die Partitur aus. Es sind<br />

Variationen für Orchester <strong>von</strong> ziemlicher Ausdehnung geworden. Und schon sind<br />

meine Gedanken bei der nächsten Arbeit.“ Am Tag darauf schrieb er für Hildegard<br />

Jone zwei vier-tönige Gruppen aus seinem Werk auf als Beispiele für das, was er<br />

„Keime“ für die „Metamorphosen“ nannte.<br />

Die endgültige Orchestrierung nahm <strong>Webern</strong> länger in Anspruch, als er erwartet<br />

hatte. Erst am 14. Februar 1941 konnte er der Dichterin mitteilen: „Das hat sich<br />

gezogen, wiewohl ich ununterbrochen an der Arbeit war: sie war sehr schwierig,<br />

langwierig, doch ist, glaube ich, das Ergebnis ein höchst einfaches. Nun aber ist es<br />

soweit. Ich bin am Ende damit.“ Nachdem das jüngste Kind seiner Muse das Licht<br />

der Welt erblickt hatte, ließ <strong>Webern</strong> mit väterlichem Stolz auch die anderen<br />

Freunde, wie Humpelstetter und Hueber, an dem Ereignis teilhaben. Dem letzteren<br />

schrieb er am 17. Februar: „So wäre wieder ein opus fertiggestellt. Einstweilen wird<br />

es wohl kaum beachtet werden. Aber, ich denke, es wird alles noch seinen ,Sinn‘<br />

bekommen.“<br />

So resignierend diese Schlußbemerkung klang, so weit war <strong>Webern</strong> da<strong>von</strong><br />

entfernt, bei der Förderung seiner eigenen Musik untätig zu sein. Schon in den<br />

frühen Jahren mit Schönberg war ihm bewußt geworden, daß für den Erfolg eine<br />

sorgfältige und stete Propaganda unerläßlich war. Im Verlauf seiner ganzen Karriere<br />

ließ er Interpreten und Dirigenten seine Kompositionen zukommen, obgleich das,<br />

vor allem zu Beginn, die mühselige Notwendigkeit bedeutete, <strong>von</strong> Hand Abschriften<br />

anzufertigen. Sogar nachdem die Universal Edition sein Verlag geworden war,<br />

ergänzte <strong>Webern</strong> ihre Routinewerbung durch zahlreiche Briefe an Musiker und<br />

Veranstalter, die seine Werke programmieren könnten. So bat er nach seiner<br />

Rückkehr aus der Schweiz Anfang 1940 Reich umgehend, Paul Sacher zu einem<br />

Kompositionsauftrag für sein neues Orchesterstück zu bewegen. Eine Reaktion<br />

blieb allerdings aus. Nachdem die Partitur nunmehr beendet war, brachte <strong>Webern</strong><br />

das Thema wiederum zur Sprache, als er Reich arn 3. März 1941 schrieb. Bevor er<br />

jedoch zur Sache kam, gab er ihm einige allgemeine Informationen: „Das Stück<br />

dauert so circa eine gute Viertelstunde,7 fast durchwegs sehr rasch im Tempo, aber<br />

zum Teil <strong>von</strong> getragener Wirkung. Es soll, dabei ist es geblieben, formal im<br />

Gesamtergebnis eine Art Ouvertüre vorstellen, doch auf Grund <strong>von</strong> Variationen,<br />

auch der Titel lautet so: .Variationen für Orchester“. Die Besetzung ist klein: Fl.,<br />

Ob., Kl., Baßkh, Hr., Trp., Po., Tuba, Gel., Hrf., Pauke, Streicher (mit Kontrabaß).<br />

Es ist wohl wieder die Synthese da: im Formalen ,horizontale“, in allem Übrigen die<br />

,vertikale“Darstellung. Im Grunde ist meine ,Ouvertüre“eine ,Adagio‘-Form, doch<br />

erscheint die Reprise des Hauptthemas in Form einer Durchführung, also dieses<br />

Element ist auch drin.,Prometheus“<strong>von</strong> Beethoven und die,Tragische“<strong>von</strong> Brahms<br />

z. Bsp. sind auch Ouvertüren in Adagio-Formen und nicht in der eines,Sonatensatzes“!!!<br />

Aber dies alles kommt bei mir auf Grund eines Themas und so u. so vieler<br />

Variationen zustande.“<br />

Auf den Kompositionsauftrag zurückkommend, den er neun Monate zuvor<br />

angeregt hatte, stellte <strong>Webern</strong> Reich dann die direkte Frage, ob er persönlich<br />

intervenieren könne: „Es ist mir der Modus nicht genau bekannt, aber ich kann mir<br />

518


ihn ja beiläufig denken. D. h am sympathischsten wäre mir natürlich, es ergienge der<br />

,Ruf <strong>von</strong> Sacher persönlich und direkt.. . . Nun äußern Sie sich, lieber Guter, und<br />

machen Ihren Einfluß geltend, dies bitte ich Sie. Wenns nur überhaupt zu einer<br />

Beachtung meiner neuen Arbeit käme!“<br />

Um <strong>Webern</strong>s Bemühungen zu unterstützen, fertigte die Universal Edition eine<br />

Photokopie der Partitur an, die Alfred Schlee auf eine Geschäftsreise in die Schweiz<br />

mitnahm. Der Komponist steuerte auch, um den Boden zu bereiten, einen<br />

analytischen Aufriß bei. Er war zwar in der Form eines Briefes an Reich abgefaßt,<br />

war aber eigentlich zur Verwendung für Sacher gedacht, dessen Neigung eher den<br />

konservativeren Strömungen in der zeitgenössischen Musik galt. Am 3. Mai, dem<br />

Tag <strong>von</strong> Schlees Abreise nach Basel, teilte <strong>Webern</strong> Reich mit, daß er Schlee, „damit<br />

er nicht so völlig ahnungslos etwas übergibt, ein wenig in das Werk eingeweiht“<br />

habe. Er fuhr fort: . . [ich] möchte auch Ihnen, ganz kurz, jetzt einiges dazu<br />

sagen, was Sie vielleicht wirksam möglichen Einwänden des Sacher entgegenhalten<br />

können.“<br />

Die Art und Weise, in der <strong>Webern</strong> daranging, Charakter und Form seiner<br />

Variationen zu erläutern, erinnert an die Lebhaftigkeit, die er als Vortragender vor<br />

einer Klasse <strong>von</strong> Schülern an den Tag legte. Er stellte rhetorische Fragen und<br />

begegnete ihnen alsbald mit seinen eigenen Thesen. Dieses Vorgehen legte für seine<br />

Befähigung als Lehrer ebenso Zeugnis ab wie für seine Autorität als Komponist, und<br />

das Ergebnis war eine anschauliche wie auch gründliche Beschreibung: „Dürfte es<br />

nicht etwa gleich beim ersten Anblick dieser Partitur heißen: Ja, da ist ja ,nichts<br />

drin‘!!! Es gehen dem Betreffenden nämlich die vielen, vielen Noten ab, die er sonst<br />

zu sehen gewohnt ist, etwa bei R. Strauß usw. Richtig! Aber das berührt nun wohl<br />

den wichtigsten Punkt: es wäre grundlegend zu sagen, hier (mit meiner Partitur) ist<br />

eben ein anderer Stil gegeben. Ja, aber was für einer? Wie eine Partitur aus der<br />

vorwagnerischen Zeit, etwa Beethoven, sieht es auch nicht aus, auch wie Bach nicht.<br />

Soll man noch weiter zurückgehen? Ja, aber - da gab’s ja noch keine Orchester-<br />

Partituren! Und doch, eine gewisse Verwandtschaft mit der Art der Darstellung, wie<br />

sie bei den Niederländern gegeben ist, dürfte schon zu finden sein. Also etwas<br />

,Archaistisclres‘? Etwa ein orchestrierter Josquin? Die Antwort müßte ein<br />

energisches ,Neiri‘ sein! Was denn also? Nichts dergleichen!<br />

Jetzt wäre entscheidend zu sagen: Das (meine) ist eben Musik, die ebenso auf den<br />

Gesetzen ruht, zu denen die musikalische Darstellung nach den Niederländern<br />

gelangt ist. Die die Entwicklung, die dann gekommen ist, doch nicht verleugnet,<br />

sondern ganz im Gegenteil weiterf ühren will, in die Zukunft, und nicht zurück in die<br />

Vergangenheit strebt. Was für ein Stil also? Ich glaube, eben doch ein neuer. Im<br />

Material genau der gesetzmäßigen Natur folgend, wie die früheren, vorhergegangenen<br />

Formen der Tonalität, also eine Tonalität bildend, aber eine, die die<br />

Möglichkeiten, welche die Natur des Tones bildet, noch anders nützt, nämlich auf<br />

Grund eines Systems, das die bisher in der abendländischen Musik gebräuchlichen<br />

12 verschiedenen Töne eben, wie Arnold es ausgedrückt hat, aufeinander bezieht1,<br />

aber deswegen doch nicht, möchte ich erklärend hinzufügen, die Gesetzmäßigkeiten,<br />

wie sie durch die Natur des Tones gegeben sind, nämlich im Verhältnis der<br />

519


Obertöne zu einem Grundton, außer acht läßt. Was ja gar nicht sein kann, wenn es<br />

weiter um sinngemäß in Tönen Ausgedrücktes gehen soll! Aber daß wir das etwa gar<br />

nicht wollten, wird doch wirklich niemand behaupten. Ein Stil also, in der Materie<br />

solcher Art, und in der Formgebung die beiden möglichen Darstellungsarten<br />

aufeinander beziehend.<br />

Nun würde ich Ihnen gerne an der Hand der Partitur das Stück erklären. Einiges<br />

Wichtige aber noch in Kürze:<br />

Das ,Thema* der Variationen reicht bis zum ersten Doppelstrich; es ist periodisch<br />

gedacht, hat aber einleitenden“Charakter. Es folgen sechs Variationen (je bis zum<br />

nächsten Doppelstrich). Die erste sozusagen das Hauptthema der Ouvertüre<br />

(Andanteform) in voller Entfaltung bringend: die zweite die Überleitung, die dritte<br />

den Seitensatz, die vierte die Reprise des Hauptthemas - es ist ja eine Andanteform!<br />

- aber in durchführender Art, die fünfte, Art der Einleitung und Überleitung<br />

wiederholend, führt zur Coda: sechste Variation.<br />

Alles nun, was in dem Stück vorkommt, beruht auf den beiden Gedanken, die mit<br />

dem ersten und zweiten Takt gegeben sind (Kontrabaß und Oboe)! Aber es<br />

reduziert sich noch mehr, denn die zweite Gestalt (Oboe) ist schon in sich rückläufig:<br />

die zweiten zwei Töne sind der Krebs der ersten zwei, rhythmisch aber in<br />

Augmentation. Ihr folgt, in der Posaune, schon wieder die erste Gestalt (Kontrabaß),<br />

aber in Diminution! Und im Krebs der Motive und Intervalle. So nämlich ist<br />

meine Reihe gebaut, die mit diesen dreimal vier Tönen gegeben ist.<br />

Aber der motivische Ablauf macht diesen Krebsgang mit, jedoch unter<br />

Benützung <strong>von</strong> Augmentation und Diminution! Diese beiden Arten <strong>von</strong> Veränderung<br />

führen nun fast ausschließlich zu den jeweiligen Variationsideen, das heißt:<br />

eine motivische Veränderung geht, wenn überhaupt, nur in diesem Rahmen vor sich.<br />

Aber durch alle mögliche Verlegung des Schwerpunktes innerhalb der beiden<br />

Gestalten entsteht immer etwas Neues in Taktart, Charakter usw. Vergleichen Sie<br />

nur die erste Wiederholung der ersten Gestalt mit deren erster Form (Posaune bzw.<br />

Kontrabaß)! Und so geht’s durch das ganze Stück, für das mit den ersten zwölf<br />

Tönen, also mit der Reihe, alles an Inhalt im Keim schon da ist! Vorgebildet ist!!! Mit<br />

Takt eins und zwei auch die beiden Tempi (Metronomisierung beachten!) des<br />

Stückes!!!<br />

Nun, das war ein bißchen was. Ich muß aber jetzt aufhören. Doch erzähle ich gern<br />

ein andermal wieder was darüber.“8<br />

Zum Abschluß seiner Abhandlung meinte <strong>Webern</strong> zu Reich: „Wenn Sie Sacher<br />

Einiges da<strong>von</strong> weitergeben wollten, wäre es mir schon sehr recht. Ich hoffe, er<br />

entscheidet sich positiv.“ Was dann herauskam, sollte eine weitere Enttäuschung<br />

sein: trotz vereinter Bemühungen <strong>von</strong> Komponist, Reich und Schlee konnte eine<br />

Unterstützung durch den Schweizer Musikmäzen nicht gewonnen werden.9<br />

Daraufhin wurde die Partitur der Variationen, wiederum erfolglos, Ernest<br />

Ansermet unterbreitet. Anfang 1942 wurde Hermann Scherchen darauf aufmerksam<br />

gemacht, der dann die Uraufführung am 3. März 1943 in Winterthur dirigierte<br />

(Einzelheiten vgl. 31. Kapitel). Der Komponist wohnte diesem Ereignis bei, wieder<br />

auf Einladung <strong>von</strong> Werner Reinhart, dem <strong>Webern</strong> seine Dankbarkeit erwies, indem<br />

520


er ihm das Werk widmete (wie er es bereits früher mit seinem Opus 4 getan hatte).<br />

Die Universal Edition stellte für die Premiei'e das Orchestermaterial her, doch<br />

eigentlich unter Vertrag genommen wurde das Werk erst nach <strong>Webern</strong>s Tod, und<br />

die gedruckte Partitur wurde erst 1956 veröffentlicht.<br />

Der schöpferische Schwung, der die ununterbrochene Kette der letzten Werke<br />

<strong>Webern</strong>s hervorbrachte, gipfelte in der II. Kantate op. 31, deren Genese drei volle<br />

Jahre in Anspruch nehmen sollte. Während dieses langen Zeitraums vollzog sich<br />

eine dramatische Wende im Verlauf des Krieges, vor dessen Hintergrund die<br />

Evolution der Komposition sich abspielte: als das Werk 1941 begonnen wurde,<br />

nährte Deutschland noch ungetrübte Hoffnungen auf eine rasche und siegreiche<br />

Beendigung des Konfliktes; als jedoch die Kantate 1943 ihrer Vollendung<br />

entgegenging, hatten die Bomben angefangen auf Wien niederzugehen.<br />

<strong>Webern</strong> nahm das neue Projekt kurz nach der Fertigstellung der endgültigen<br />

Partitur seiner Variationen op. 30 im Februar 1941 in Angriff. Wieder waren es die<br />

Gedichte Hildegard Jones, in denen er seine Inspiration fand. Als er ihr arn 11. März<br />

1941 schrieb, gab er den ersten Hinweis, daß eines ihrer Gedichte erneut einen<br />

Funken in ihm gezündet hatte: „Nie bin ich etwa in der Absicht - ich kann die ja gar<br />

nicht haben - Vokales (ein Lied, einen Chor usf.) zu schreiben, gewissermaßen auf<br />

Ausschau nach einem ,Text‘ gegangen. Nie war es so, sondern immer war der zuerst<br />

gegeben! War er aber da, dann sollte wohl eben , Vokales“entstehen . . . Ich glaube<br />

sehr, sehr, daß mit Deinem Gedicht ,Freundselig ist das Wort . . .‘ wieder was für<br />

mich gekommen ist.“<br />

Arn 20. März kündigte <strong>Webern</strong> Hueber an: „Nun gehe ich an meine nächste<br />

Arbeit.“ Und am 3. Mai konnte er Reich mitteilen: „Ich bin bei neuer Arbeit und<br />

schreibe Ihnen demnächst darüber. Es wird wieder Vokales.“ Nach <strong>Webern</strong>s<br />

Bemerkung zu schließen, hatte er vorbereitende Skizzen gemacht, die jedoch nicht<br />

erhalten geblieben sind. Der erste Entwurf (Skizzenbuch V, Seite 82) ist ein paar<br />

Tage später, mit dein 7, Mai, datiert. Ihm ist zu entnehmen, daß der erste Satz der<br />

Gestalt annehmenden Kantate die Vertonung eines mit den Worten „Leichteste<br />

Bürden der Bäume . . beginnenden Textes für Solosopran mit Orchester war. Es<br />

war also nicht „Freundselig ist das W ort“, wie verschiedentlich im Hinblick; auf<br />

<strong>Webern</strong>s Bemerkung in seinem Brief an Hildegard Jone vom 11, März geschrieben<br />

wurde. Der chronologische Ablauf, in dem <strong>Webern</strong> die Sätze dieser Komposition,<br />

der umfangreichsten unter seinen Spätwerken, schrieb, möge hiermit vorweggenommen<br />

werden: der vierte, fünfte und sechste Satz entstanden zuerst, in dieser<br />

Reihenfolge, während die drei Sätze, denen schließlich die erste, zweite und dritte<br />

Position zugeordnet wurde, nachfolgten. Ein siebenter Satz wurde verworfen. Die<br />

Skizzen zu vier der Sätze (IV, V, VI und I) füllen den Rest <strong>von</strong> Skizzenbuch V,<br />

diejenigen zu den anderen Sätzen sind in Skizzenbuch VI enthalten.<br />

Bei der Betrachtung der klassischen Proportionen der zyklischen Werke <strong>Webern</strong>s<br />

überrascht es, vorn Komponisten selbst zu erfahren, daß seiner Arbeitsweise<br />

keinerlei Vorausüberlegungen zugrunde lagen, und daß er sich bei der Suche nach<br />

einer letztlich befriedigenden Form <strong>von</strong> seiner Intuition leiten ließ. Als er Hildegard<br />

521


Jone am 26. Mai ankündigte, daß er eine neue schöpferische Reise angetreten habe,<br />

meinte er: „Nun w ird:,Leichteste Bürden der Bäum e. . . Wo es dann stehen wird,<br />

ich weiß es noch gar nicht recht; auch noch nicht, was alles noch dazukommen wird.<br />

Aber es wird wieder. Ich spüre schon, ich bin wieder geführt. Ja, wie soll ich das<br />

anders sagen!“ Ähnlich war der Tenor des Briefes <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> an Hueber vom 5.<br />

Juni: „Ich bin dabei, den Grund zu neuer Arbeit zu legen -b ald muß es erreicht sein<br />

- u. das ist immer eine Zeit, die mich sehr absorbiert. Es ist wieder Vokales.<br />

Vielleicht sehr Umfangreiches. Doch ist das noch ziemlich offen. Zunächst laß ich<br />

mich treiben.“ Diese Schlußbemerkung mag eher dem Poeten anstehen, der sich zu<br />

seiner Abhängigkeit <strong>von</strong> der Inspiration bekennt, als dem Fachmann, der am<br />

Reißbrett der Zwölftonkonstruktion arbeitet.<br />

Freilich ließ <strong>Webern</strong> sich nicht einfach „treiben“ . Seine geduldige Suche nach der<br />

Inspiration zielte stets darauf hin, dem musikalischen Einfall die Zügel eines<br />

strukturellen Rahmens aufzuerlegen, was letzten Endes das Ideal eines jeden<br />

wahren Kunstwerks darstellt: das Wechselspiel <strong>von</strong> Phantasie und Können. Als der<br />

Satz Gestalt annahm, wußte er, daß er auf dem rechten Wege war. Am 15. Juli, ein<br />

paar Tage bevor er zu einem kurzen Urlaub in den Bergen aufbrach, schrieb er voller<br />

Erregung an <strong>Josef</strong> Polnauer: „Ich muß noch fleißig sein bis zu meiner Abreise, will<br />

einen bestimmten Abschnitt in meiner Arbeit erreichen. Plötzlich wurde mir klar<br />

daß, was zur Zeit wird, ein recht ausgedehntes Recitativ ist, der Form nach. Aber in<br />

der Konstruktion strenger noch als alles, was ich bisher schrieb. Es wird meine neue<br />

Kantate einleiten.“ Drei Tage später schrieb er Hueber: „Ich arbeite ununterbrochen.<br />

Ich sammle ein, soweit rnir’s gegönnt ist.“<br />

Am nächsten Tag fuhr <strong>Webern</strong> mit Peter und Hermine zu seiner geliebten<br />

Schneealpe. Nach einem kurzen Besuch in Kapellen kehrte er am 24. Juli nach<br />

Hause zurück. Neugestärkt durch den Aufenthalt in den Bergen ging er seine Arbeit<br />

mit frischer Schaffenskraft an und beendete den Entwurf des Satzes am 31. Juli.<br />

Tatsächlich skizzierte <strong>Webern</strong> das Stück zweimal, doch zeigten die beiden<br />

Versionen nur geringfügige Abweichungen. Es ist <strong>von</strong> Interesse, daß die beiden<br />

Entwürfe Achtel- und Sechzehntelnoten als metrische Einheiten verwenden. Sie<br />

wurden jeweils in halbe und Viertelnoten geändert, als der Komponist mit der<br />

Arbeit an dem Satz in die Schlußphase eintrat. Als Vorstufe für die volle<br />

Orchestrierung schrieb <strong>Webern</strong> ein Particell auf sechs Notenzeilen. Er ließ dieses<br />

Zwischenstadium des Manuskripts, das mit Recitativ bezeichnet war, den <strong>Humplik</strong>s<br />

zugehen und schrieb ihnen am 13. August: „Liebste Freunde! Ich sende Euch mit<br />

gleicher Post das erste Stück meiner neuen Arbeit. Es ist ,Ber Wind1. So einfach und<br />

unscheinbar es aussieht, so war doch die konstruktive Aufgabe, die ich mir damit<br />

gestellt hatte, geradezu äußerst schwierig! Es soll die neue ,Kantate1—oder was<br />

immer da werden wird - m it,zartestem Hauch1einleiten . . . Und folgt,Freundselig<br />

ist das Wort1- als Chorstück.“<br />

Der Titel Der Wind erschien tatsächlich auf dem Manuskript, das <strong>Webern</strong> den<br />

<strong>Humplik</strong>s zusandte. Da er jedoch gewöhnlich nur Ausschnitte aus Hildegard Jones<br />

Gedichten verwendete, wurden alle diese Überschriften in der endgültigen Partitur<br />

fortgelassen. Am 18. August dankte die Dichterin <strong>Webern</strong> überschwenglich:<br />

522


„Lieber guter <strong>Anton</strong>! Was hast Du mir u. Seppi für eine große Freude gemacht mit<br />

den Noten Deines neuen Werkes . . . Wenn ich die Noten auch nicht sachlich-real<br />

lesen kann, so liegen sie vielleicht doch dem inneren Blick durchsichtiger da, als man<br />

meinen könnte . . . Dieser Hauch am Schluß des Textes wird wohl unirdisch zart<br />

sein u. nachklingen als Läuten des Schweigens, lange, lange.“<br />

Wenn auch die intuitive Reaktion <strong>von</strong> Hildegard Jone den Komponisten mit noch<br />

so großer Genugtuung erfüllt haben muß, hatte sich doch der Fachmann, der er war,<br />

einem kundigen Musiker mitzuteilen. Er war sich dessen sicher, daß er den Schlüssel<br />

zu einem inneren Sanctum in der Hand hielt, in dem sich ihm alsbald zahllose<br />

Metamorphosen einer Grundidee enthüllen würden. Am 23. August schrieb er<br />

Reich, daß sein neues Projekt an Umfang sogar noch den einer Kantate übertreffen<br />

könnte, und in zwei späteren Briefen an Reich (28. Februar und 31. Juli 1942)<br />

sprach <strong>Webern</strong> tatsächlich <strong>von</strong> einem „Oratorium“ . Indem er die Fertigstellung der<br />

endgültigen Partitur des ersten Stückes ankündigte, erörterte er sein Werk mit dem<br />

Engagement des schöpferischen Künstlers, der sich zu unbegrenzten Möglichkeiten<br />

emporgetragen sah: „Es ist formal ein Einleitendes, ein Rezitativ! Aber nun liegt<br />

diesem Gebilde eine Konstruktion zugrunde, wie sie vielleicht kein ,Niederländer“<br />

sich jemals ausgedacht hat; es war die vielleicht schwerste Aufgabe, die ich (in<br />

solcher Hinsicht) je zu erfüllen hatte! Zugrunde liegt nämlich ein vierstimmiger<br />

Kanon kompliziertester Art. Wie er ausgeführt ist aber, glaube ich, war nur möglich<br />

auf Grund des Reihengesetzes, das hier in ganz besondere Erscheinung tritt, ja,<br />

dessen Sinn hier vielleicht erst so ganz wirksam wird. Im Platon habe ich gelesen, daß<br />

,Nomos“(Gesetz) auch die Bezeichnung für ,Weise“(Melodie) war: Die Weise nun,<br />

die das Sopran-Solo in meinem Stück singt als Einleitung (Rezitativ), sie möge das<br />

Gesetz (Nomos) sein für Alles, was noch folgt! Im Sinne der Goethesehen<br />

,Urpflanze“: ,Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu kann man alsdann noch<br />

Pflanzen ins Unendliche erfinden . . . Dasselbe Gesetz wird sich auf alles übrige<br />

Lebendige anwenden lassen.“ Ist das nicht im tiefsten der Sinn unseres Reihen-<br />

Gesetzes?“<br />

Von Anfang an war das „Rezitativ“, dessen Reihe das „Gesetz“ aufstellte, als<br />

eine Einheit mit dem nachfolgenden Satz konzipiert. Bezeichnenderweise schließt<br />

eine der beiden Skizzenbuch-Versionen <strong>von</strong> Der Wind, mit <strong>Webern</strong>s Hinweis<br />

„attaeca No. 2“ . Dieser „zweite“ Satz sollte eine Vertonung <strong>von</strong> „Freundselig ist das<br />

Wort“10 sein. Die erste Skizze ist mit 24. September 1941 datiert, es sollten jedoch<br />

beinahe zehn Monate vergehen, bis es am 2. Juli 1942 zur Vollendung dieses ersten<br />

Entwurfs kam. Die Erklärung für diese lange Verzögerung ist in einem größeren<br />

Auftrag zu suchen, den <strong>Webern</strong> zwischenhinein für die Universal Edition<br />

auszuführen hatte - dem Klavierauszug zu Schoecks Oper Das Schloß Dürande, der<br />

ihn vom August 1941 bis Ende Februar des folgenden Jahres beschäftigte. Sich<br />

bitter beklagend über die Zeit, die ihm für sein eigenes Schaffen verloren ging, teilte<br />

er Hueber mit, daß er gerade den ersten der vier Akte der Oper vollendet hatte, als<br />

er mit dem Entwurf <strong>von</strong> „Freundselig ist das W ort“ begann.<br />

Die Skizzen geben die Schwierigkeiten zu erkennen, denen <strong>Webern</strong>, zu ständigen<br />

Unterbrechungen genötigt, bei seinem neuen Satz begegnete. Auf den Skizzenbuch­<br />

523


seiten 89 bis 94 finden sich seine anfänglichen Versuche, in denen sich die Metren<br />

und Notenwerte <strong>von</strong> den endgültig gewählten unterscheiden. Auf Seite 95 wurde<br />

der Satz in der rhythmischen Disposition der Endversion neu begonnen. Zahlreiche<br />

vi-de-Zeichen und umfangreiche Änderungen finden sich im ganzen Entwurf. Die<br />

einzige Datierung in seinem Verlauf, der 24. Juni 1942, erscheint kurz vor dem<br />

Schluß.<br />

Freundselig ist das Wort wurde für Sopransolo, gemischten Chor und Orchester<br />

mit obligater Solovioline vertont. Wiederum arbeitete <strong>Webern</strong> eine Zwischenpartitur<br />

aus, die er den <strong>Humplik</strong>s schickte. Bevor er den Satz beendet hatte, schrieb er<br />

Hildegard Jone am 3. Juni, daß er ihn als „Arie“ konzipiert habe und bemerkte<br />

dazu: „Es glückt mir darin - glaube ich - ein, fast möchte ich sagen, ganz neuer<br />

Darstellungsstil: ich komme nämlich auf rein polyphoner Grundlage so gut wie in die<br />

entgegengesetzteste Art der Darstellung.“<br />

Wenn sich ein Werk im Stadium der Evolution befand, war <strong>Webern</strong> in seinen<br />

Äußerungen darüber im allgemeinen kurz und zurückhaltend; sie wurden jedoch<br />

geradezu überfließend, sobald er das fertige Erzeugnis erörtern konnte. Aus seinem<br />

Brief an Hildegard Jone vom 25. Juli sprach seine Befriedigung: „Du fragst nach der<br />

,Gestalt4: im Mittelpunkt stehn die Worte: ,WeiI er am Kreuz verstummte, müssen<br />

wir ihm nach, in allen Ernst der Bitternis, ihm folget unser Hauch.1Was vorher war,<br />

wiederholt sich nachher rückläufig. , Wiederholt“sich: ,Alle Gestalten sind ähnlich<br />

und keine gleichet der ä n d e r n und so deutet der Chor auf ein geheimes Gesetz, auf<br />

ein heiliges Rätsel! Du kennst dieses Goethe-Wort! (Metamorphose). Daß aber<br />

gerade jene Worte die Mitte der musikalischen Gestalt ausmachen, kam ganz <strong>von</strong><br />

selbst, was nicht anders sein konnte. Schwer war der Schluß .Feindseligkeit“ -<br />

,Kälte1: in dieser Wärme und Freundseligkeit Deiner Worte!!! Und so klingt hier<br />

musikalisch an (wie ein Hauch): ,dann wenden wir uns selig . . Aber auch das sehe<br />

ich erst jetzt—auch das ist ohne Absicht gekommen.“<br />

Auf die mühselige Transformation anspielend, die vom ersten Entwurf bis zur<br />

endgültigen Partitur erforderlich war, schrieb <strong>Webern</strong> Ludwig Zenk am 30. Juli:<br />

„Das Problem ökonomischer Instrumentation (insbesondere bei meiner Ausdrucksweise)<br />

war wieder nicht so ohne weiters zu lösen. Aber ich denke, es ist alles klar<br />

geworden. Am liebsten würde ich es ja so halten wie Bach in seiner ,Kunst der<br />

Fuge4.“<br />

Als <strong>Webern</strong> am nächsten Tag Reich die technischen Aspekte des Satzes<br />

beschrieb, wiederholte er weitgehend die Prinzipien, die er bereits anhand des<br />

vorhergegangenen „Rezitativ“-Satzes erläutert hatte. Wiederum verbreitete ersieh<br />

über den Begriff „Nomos“, wobei die „Weise“ die Rolle der „Gesetzgeberin“<br />

übernimmt, und schloß: „So war es ja immer in der Musik der Meister! Ob ich es so<br />

treffe, wie diese, weiß Gott allein, aber ich habe doch wenigstens erkannt, worum es<br />

geht! In meinem Falle: Nichts ereignet sich nun, was nicht durch diese Weise vorherbestimmt<br />

ist! Sie ist das Gesetz: also wahrhaftig der ,Nomos4!!! Aber vorherbestimmt<br />

auf canonischer Grundlage! Natürlich: die ,Reihe4an sich stellt ja schon ein<br />

Gesetz dar; sie müßte aber nicht auch die ,Weise4sein. Da sie es aber in meinem Fall<br />

tatsächlich ist, so bekommt nun wohl die,Reihe4ganz besondere Bedeutung, in einer<br />

524


höheren Ebene sozusagen, wie etwa die Choralmelodien in den Bearbeitungen<br />

Bachs. Im allgemeinen sind ja damit die Vorstadien unserer Technik gegeben, aber<br />

ich komme, glaube ich, noch in einem ganz besonderen Sinne darauf zurück.“<br />

Diese Hochstimmung beflügelte den Komponisten ohne Unterbrechung durch<br />

den ganzen nächsten Satz der Kantate hindurch. Innerhalb eines Monats nach der<br />

Vollendung des „zweiten“ Stücks beendete er das „dritte“. Es war die Vertonung<br />

eines Gedichts betitelt Das Neugeborene (aus Hildegard Jones unveröffentlichtem<br />

Zyklus Alltag) für gemischten Chor. <strong>Webern</strong> komponierte es als vierstimmigen<br />

Kanon, wobei die Manipulation der Tonreihe einen Doppelkanon ergab. Der<br />

Entwurf des Chores (Skizzenbuch V, Seite 107-110) trägt am Beginn das Datum<br />

„August 1942“. Die ersten drei Seiten sind Versuchen mit der melodischen Linie<br />

und ihren metrischen Aufteilungen gewidmet. Auf der vierten Seite, die am Ende<br />

den Vermerk „26. August 1942“ trägt, wurden die vier Chorstimmen voll<br />

ausgeschrieben, während die Orchesterinstrumente, die die Vokalstimmen Note für<br />

Note nachvollziehen, nur mit ihren Namen verzeichnet wurden. Die Tempoangabe<br />

in diesem Entwurf lautet Sehr fließende Achtel und durch den ganzen Ablauf<br />

hindurch finden sich verschiedene Taktbezeichnungen: 3/8, 5/s, 6k, Vs und 9ls. Kurz<br />

darauf jedoch setzte <strong>Webern</strong> die halbe Note als Puls-Einheit fest, ordnete ihre<br />

metrischen Werte Zeitdauern unterschiedlicher Längen zu und eliminierte die<br />

Taktbezeichnungen vollends. Diese Änderungen sind bereits in der A -cappella-<br />

Partitur des Chors enthalten, die <strong>Webern</strong> den <strong>Humplik</strong>s schickte.<br />

Als er das Manuskript am 4. September zur Post gab, ließ er sie wissen, daß der<br />

Satz „sozusagen als ,Choral1“ zu verstehen sei und daß er den ersten „Abschnitt“ in<br />

seinem Gesamtplan beschließe, einer Folge <strong>von</strong> integral verbundenen Stücken<br />

(beginnend mit dem Sopran-Rezitativ Der Wind und gefolgt <strong>von</strong> der Arie mit Chor<br />

Freundselig ist das Wort). Er machte darauf aufmerksam: „Den erwähnten ,Choral''<br />

dürft Ihr Euch nicht im Bachischen Sinne denken, rein musikalisch meine ich. Es ist<br />

etwas ganz a n d e r e s <strong>Webern</strong> fuhr fort mit einer Beschreibung seiner Handhabung<br />

des Chors, doch wurde dieser Aspekt in einem Brief an Reich, den er am gleichen<br />

Tage schrieb, eingehender erläutert. Bei der Erörterung des „Choralliedes“ , das<br />

„den ersten Teil des geplanten ,Oratoriums““ beschließen sollte, wies er auf die<br />

„Beziehungen“ im polyphonen Gefüge hin: „Die zweite Stimme (Alt) singt die<br />

Töne der ersten (Tenor) zurück, die dritte (Sopran) bringt die Umkehrung der<br />

zweiten und die vierte (Baß) ist die Umkehrung der ersten, singt aber überdies die<br />

Töne der dritten zurück! Also doppelte Verschränkung: eins u. vier, sowie zwei und<br />

drei (Umkehrungsverhältnis) und wieder: eins und zwei sowie drei u. vier<br />

(Krebsgängigkeit). Ich glaube, Sie werden erstaunt sein über dieses Partiturbild.<br />

Große Notenwerte, aber sehr fließendes Tempo.“<br />

Als der Komponist am Ende der ersten organischen Einheit seines Werkes<br />

angelangt war, hatte er das weitere strukturelle Schema deutlich vor Augen. Es gab<br />

kein „Sich-Treiben-Lassen“ mehr. Die Sequenz „Rezitativ-Arie-Chor“ erschien<br />

seinem Sinn für Ausgewogenheit als so befriedigend, daß er sich entschloß, die<br />

gleiche musikalische Anordnung auch für den nächsten Abschnitt zu verwenden,<br />

wobei eine Kontrastwirkung durch entsprechende Abwechslung im Bereich der


Media zu erzielen war. Darauf wies er in seinem Brief an die <strong>Humplik</strong>s vom 4.<br />

September hin: „Nun beginnt ein neuer Abschnitt; er wird beginnen mit: .Schweigt<br />

auch die Welt, aus Farben ist sie immer . . .‘ und wieder gewissermaßen ein<br />

Recitativisches (für Baß-Stimme), darauf die ,Arie‘: ,Sehr tief verhalten innerst<br />

Leben singt. . (,Die Stille um den Bienenkorb in der Heimat“). . . . Leider muß ich<br />

nun auf einige Zeit meine Arbeit unterbrechen: Brot-Arbeit zwingt mich dazu.“<br />

Mit dieser Schlußbemerkung war der Auftrag der Universal Edition gemeint,<br />

einen Klavierauszug <strong>von</strong> Casellas umfangreicher Orchesterpartitur Paganiniana<br />

anzufertigen, eine Aufgabe, die <strong>Webern</strong> mehr als zwei Monate in Anspruch nahm.<br />

Der Datierung in seinem Skizzenbuch (Seite 111) zufolge, konnte er sich seinem<br />

eigenen schöpferischen Projekt erst am 16. November 1942 wieder zu wenden.<br />

Einen Tag später kündigte eine Tagebuchnotiz die Ankunft des dritten Kindes<br />

seiner Tochter Christine, Liesa, an. Am 19. November verlieh <strong>Webern</strong> Hildegard<br />

Jone gegenüber seinem Entzücken über das ewige Wunder der Geburt Ausdruck<br />

unter Anspielung auf ihr Gedicht Das Neugeborene, den Text seines „Choral<br />

Satzes. Er fuhr fort: „Nun wird:, Schweigt auch die W elf.“ Die Verse sind Strahl und<br />

Klang entnommen, Bestandteil der unveröffentlichten Sammlung Licht und Lied.<br />

Am 12. Dezember ließ der Komponist Hueber, seinen bewährten Baritonsolisten<br />

bei vielen Ereignissen der Vergangenheit, wissen: „Nun schreibe ich etwas für Sie:<br />

im Rahmen meiner neuen Arbeit: Recitativ und Arie für Baß-Stimme. Zum ersten<br />

Male!!! Natürlich wird der Baß (neben Sopran-Solo) auch noch weiter in Aktion zu<br />

treten haben.“ (In Wirklichkeit hatte <strong>Webern</strong> Lieder für die Baß-Bariton-<br />

Stimmlage schon vorher komponiert, die sehr frühe Wolkennacht (1900) nach<br />

einem Gedicht <strong>von</strong> Avenarius sowie eine unvollendet gebliebene Vertonung <strong>von</strong><br />

Goethes Gegenwart (1917).)<br />

Nach nur drei Seiten vorbereitender Skizzen nahm der Entwurf für sein neues<br />

„Rezitativ“ beinahe endgültige Gestalt an. Tempo, Metrum und andere Einzelheiten<br />

waren so gut wie identisch mit der Endversion. Der Satz wurde am 21. Januar<br />

1943 vollendet und wieder ging <strong>Webern</strong> daran, ihn in Particellform auszuschreiben,<br />

in der die Instrumentierung auf vier Notenzeilen zusammengezogen war. Als er am<br />

11. Februar den <strong>Humplik</strong>s das Manuskript schickte, schrieb er: „ ,Strahl und Klang1<br />

ist fix und fertig. Auch die Orchesterpartitur schon hergestellt. Das Stück hat<br />

verhältnismäßig viel Zeit beansprucht. Die Gründe möchte ich Euch gern einmal<br />

mündlich auseinandersetzen. Einer, der Hauptgrund, lag wohl im Formalen: es ist<br />

eine Form entstanden, die wohl schon lange, lange nicht da war. Aber nun auf Grund<br />

unserer Harmonik: ich komme darin bis zur Bildung 12-stimmiger A kkorde.,. . .<br />

dann klingt es auf. . Aber vor allem möchte ich Dir, liebe Hildegard, sagen, was<br />

ich im Zusammenhang mit der Komposition <strong>von</strong> Deiner Dichtung so Schönes<br />

entdeckt habe: daß nämlich mit Ausnahme des letzten (vierten) Satzes (was im<br />

Zusammenhang mit der Schlußbildung —musikalisch gesehen nur selbstverständlich<br />

erscheint) jeder der 3 vorhergehenden die gleiche Silbenzahl enthält (16)!<br />

[Tatsächlich 17] So daß ich also in meinen Tonreihen b e i,Farben1, ,Farbenschimmer1,<br />

,Farbige1und im 3. Satz (entsprechend) ,das Aug mehr bindet1, sowie bei den<br />

Bestimmungen ,so lang1, ,wenn nachts1, ,werm nichts* und im 4. (sinngemäß als<br />

526


Erfüllung) ,tritt das Bewegende4jedesmal zur selben Stelle gekommen bin!!!! Nun<br />

denke: was für eine Entsprechung auch im Musikalischen!!!“<br />

Unter den Überresten <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Bibliothek fanden sich die Texte, die den<br />

sechs Sätzen der Kantate zugrunde lagen. Zwei <strong>von</strong> ihnen, Die Stille um den<br />

Bienenkorb in der Heimat und Der Wind, waren in einem Zyklus <strong>von</strong> vierzehn<br />

Gedichten unter dem Titel Das Feldpostpäckchen in der Ausgabe der katholischen<br />

Zeitschrift Die Christliche Frau vom Juli 1940 veröffentlicht worden. Die anderen<br />

Texte wurden aus Gedichten ausgewählt, die Hildegard Jone als Manuskript zur<br />

Verfügung gestellt hatte. Alle diese Vorlagen enthalten Anmerkungen <strong>Webern</strong>s für<br />

die Vertonung. Sie erstrecken sich <strong>von</strong> Silbenzahlen bis zu Hinweisen auf<br />

strukturelle Pläne, sie belegen seine eingehende Beschäftigung mit den wesentlichen<br />

Zwischenbeziehungen <strong>von</strong> dichterischem Metrum und Tonreihe, Aufstellungen und<br />

Krebsbeziehungen <strong>von</strong> Tonfolgen, in Zusammenhang gebracht mit ihren verbalen<br />

Entsprechungen.<br />

Arn Abend des 24. Februar 1943 begab sich <strong>Webern</strong> auf eine Auslandsreise, die<br />

seine letzte werden sollte. Er wohnte den Proben und der Uraufführung seiner<br />

Variationen für Orchester op. 30 in Winterthur bei. Nach seiner Rückkehr am 6.<br />

März trug er die hiermit verbundenen Einzelheiten auf der Eröffnungsseite <strong>von</strong><br />

Skizzenbuch VI ein, dem letzten seiner musikalischen Arbeitsbücher. Am 1. April<br />

nahm er die Arbeit an seiner Kantate mit der Skizzierung der Melodielinie für den<br />

Text der projektierten „Arie“ wieder auf. Wie im vorangegangenen „Rezitativ“ ist<br />

sie ganz dem Solobaß Vorbehalten. Ü ber die dichterische Vorlage des neuen Satzes<br />

gab <strong>Webern</strong>s Brief an die <strong>Humplik</strong>s vom 22. April Aufschluß. Er schrieb zwei kurze<br />

Melodienphrasen mit Text heraus und meinte dazu: „D ie,Stille um den Bienenkorb<br />

in der Heimat4ist schon sehr weit gediehen: ich hoffe Euch das Stück bald schicken<br />

zu können.“ Die Erwartungen des Komponisten sollten jedoch nicht so rasch<br />

Wirklichkeit werden. Am 18. Mai erklärte er Hildegard Jone: „Meine Arbeit geht<br />

ihren Gang. Was ich im ,Bienenkorb1durchführe, bedarf allerdings wieder seiner<br />

Zeit!“<br />

Der Entwurf füllt die ersten siebzehn Seiten des neuen Skizzenbuchs. Mil einer<br />

Lange <strong>von</strong> 74 Takten sollte der Satz zum umfangreichsten der Kantate werden. Für<br />

die ihn eröffnenden zwei Verszeilen skizzierte <strong>Webern</strong> das Baßsolo zunächst eine<br />

kleine Terz tiefer als die wenig später als endgültig erstellte Tonhöhe. Feste<br />

metrische Angaben, die in der fertigen Partitur wieder fallengelassen wurden,<br />

ziehen sieh durch den ganzen ersten Entwurf hin. Rhythmische Werte zeigen eine<br />

Reihe <strong>von</strong> Abweichungen <strong>von</strong> der Endversion.<br />

Die beiden ersten Seiten der Skizzen sind übersät mit Tagebuchaufzeichnungen:<br />

Amalie mußte sich einer weiteren Operation unterziehen und Maria heiratete arn<br />

20. Mai 1943. Die meisten Eintragungen drehen sich um Peter. Er war am 24.<br />

Februar zum aktiven Militärdienst einberufen worden und <strong>von</strong> diesem Zeitpunkt an<br />

wurden alle Geschehnisse um ihn in jedem Detail festgehalten, bis er Ende Juni nach<br />

Serbien verlegt wurde. <strong>Webern</strong>s ernste Besorgnis um seinen Sohn steht in krassem<br />

Gegensatz zu der Lieblichkeit und Gelassenheit des Gedichts, das ihm zu dieser Zeit<br />

als Vehikel für sein musikalisches Denken diente.<br />

527


Der Entwurf des Satzes wurde am 6. Juli abgeschlossen. In der sich hieraus<br />

ergebenden Zwischenpartitur wurde die anfängliche Tempobezeichnung Sehr<br />

langsam in allegorischer Übereinstimmung mit den Anfangsworten „Sehr tiefverhalten<br />

innerst Leben singt / im Bienenkorb in stiller Mitternacht“ in Sehr verhalten<br />

geändert. In diesem Particell, das wieder an die <strong>Humplik</strong>s geschickt wurde, war der<br />

Orchestersatz auf drei Notenzeilen zusammengefaßt, allerdings noch ohne Instrumentenangaben.<br />

Am 6. August, nach der Fertigstellung der Partitur, beschrieb<br />

<strong>Webern</strong> Reich den neuen Satz: „Da ist alles noch strenger und eben deshalb auch<br />

noch freier geworden. Das heißt: ich bewege mich auf der Basis eines ,unendlichen<br />

Doppelkanons in der Umkehrung“in völliger Freiheit. Durch Variation, Diminution<br />

u.s.w. - etwa wie Bach mit seinem Thema in d er,Kunst der Fuge“verfährt. Aber der<br />

Form nach ist die Arie dreiteilig, mit einem ca. 32 Takte langen periodisch gebauten<br />

Thema: also wieder engstes Ineinandergreifen der beiden Darstellungsarten. Im<br />

Charakter eine Art Hymne: ,Die Stille um den Bienenkorb in der Heimat“.“<br />

Genau eine Woche später, am 13. August, wurde diese Stille jäh zerstört, als die<br />

ersten Bomben auf das idyllische Mödling fielen. Die Schrecken des Kampfes auf<br />

Leben und Tod begannen, <strong>von</strong> der Front bis zu jeder Haustür im Lande<br />

vorzudringen. <strong>Webern</strong>s Heim wurde zur vorübergehenden Zuflucht für seine<br />

Tochter Christine, ihre drei Töchter und ihre Schwiegermutter. Anscheinend<br />

ignorierte der Komponist gelassen den Tumult und ließ seine Arbeit durch ihn keine<br />

Unterbrechung erfahren. Am 16. August schrieb er den <strong>Humplik</strong>s: „Nach dem<br />

,Bienenkorb“ folgt nun .Schöpfen aus Brunnen des Himmels nach Wassern des<br />

Worts ist das Läuten . . .“Es wird ein großes Chor-Stück.“ Am selben Tag begann<br />

<strong>Webern</strong> mit der Vertonung dieses Gedichtes, das ihm Hildegard Jone im Herbst<br />

1942 geschickt hatte.11 An dem dramatischen Charakter der Verse, die den<br />

Ausbruch des drohenden Sturmes voraussagten, entzündete sich die Phantasie des<br />

Komponisten genau zu der Zeit, als sich das Rasen des Krieges vor seinen eigenen<br />

Augen entlud. Am 19. August, drei Tage nach Inangriffnahme der Komposition,<br />

schrieb er Zenk: „Der Grund dürfte bald gelegt sein. Doch wird’s schon manchmal<br />

schwer, sich zu conccntrieren.“<br />

Am 1. Oktober war Mödling das Ziel eines schweren Luftangriffs. Das Erlebnis<br />

versetzte den sensiblen Komponisten in tiefe Niedergeschlagenheit, aber dennoch<br />

widmete er sich ganz seiner schöpferischen Arbeit, über die er Hildegard Jone am<br />

11. Oktober schrieb: „Ich habe ununterbrochen gearbeitet: mein neues Stück dürfte<br />

bald beendet sein. Es ist: ,Schöpfen aus Brunnen des Himmels“für dreistimmigen<br />

Frauen-Chor und Sopran-Solo (mit Orchester). Auf die ,Stille der Mitternacht1<br />

folgend, nun ein sehr bewegtes Stück: doch nicht so sehr aufgeregt als vielmehr (um<br />

mich im Goetheschen Sinne auszudrücken) ein ,Aufgeregtes darstellend1—so hoffe<br />

ich wenigstens. Also im Sinne Deines wundervollen Gedichtes: .Sturmläuten muß<br />

nun die Liebe“.“<br />

Es war nicht das erste Mal, daß sich <strong>Webern</strong> mit dem Medium eines Frauenchors<br />

befaßte. Schon im Winter 1913/14 hatte er es in einem frühen Entwurf <strong>von</strong> „Schien<br />

mir’s, als ich sah die Sonne“ (aus Strindbergs Gespenstersonate) verwendet, doch<br />

wurde dieses erste Konzept später zu dem als Op. 12 Nr. 3 bekannten Lied<br />

528


529


umgestaltet. Während des Sommers 1930 hatte er den Beginn eines weiteren<br />

Frauenchors auf die Worte „Der Spiegel sagt mir: ich bin schön!“ (aus Goethes<br />

Westöstlichem Divan) skizziert. Jetzt, in der letzten seiner Kompositionen, der<br />

Vollendung beschieden war, vereinte er einen dreistimmigen Frauenchor mit einem<br />

Solosopran zu einer musikalischen Aussage voller dissonanter Erregung. In ihr<br />

hallte der alles verzehrende Krieg wider, die Vorahnung der Katastrophe, eine<br />

glühende Beschwörung der Liebe, die in der Stunde des Untergangs sowohl ein<br />

Requiem für die Toten als auch die Flamme der Hoffnung im letzten Flackern des<br />

Daseins zu sein hat.<br />

Der Vorentwurf zu diesem Satz (Skizzenbuch VI, Seite 18-31) wurde am 16.<br />

August begonnen und am 3. November beendet. Die ersten paar Zeilen dienten<br />

vorbereitendem Experimentieren, wobei der Komponist verschiedene Reihengestalten<br />

aufzeichnete, die mit Nummern versehen wurden. Erst dann wurde die<br />

Melodie entworfen, gefolgt <strong>von</strong> Versuchen, sie kontrapunktisch zu verarbeiten.<br />

Obwohl es so aussah, als ob ein glatter Fortschritt gesichert sei, geben die<br />

nachfolgenden Skizzen Schwierigkeiten zu erkennen. Zahlreiche vi-de Zeichen<br />

dienen als Leitfaden durch das Gewirr <strong>von</strong> Passagen und ihrer Neuformulierungen.<br />

Als <strong>Webern</strong> Reich am 23. Oktober schrieb, erwähnte er ,,allerschwierigste<br />

Probleme“.<br />

In merkwürdigem Gegensatz zu den verschlungenen Gedankengängen, die die<br />

Skizzen enthüllen, steht eine Eintragung am unteren Rand <strong>von</strong> Seite 27, wo <strong>Webern</strong><br />

eine einfache diatonische Melodie im Charakter eines Kinderliedes hinschrieb.<br />

Über die letzten fünf Noten schrieb er den Namen Karin und brachte sie so<br />

offensichtlich mit dem Motiv in Verbindung. Er versah die ganze Aufzeichnung mit<br />

einem roten Kreis und dem Datum 15. Oktober, dem fünften Geburtstag seiner<br />

Enkelin. Mit kindlicher Unschuld, wie mit fröhlichem Lachen, dringt die lustige<br />

Melodie in das gestrenge Tun des Komponisten ein, der seine anspruchsvolle Arbeit<br />

unterbrochen hatte zur Feier des Geburtstages des kleinen Mädchens, das damals<br />

unter seinem Dach lebte.<br />

Ein paar Wochen später, am 3. Dezember, beging <strong>Webern</strong> seinen eigenen<br />

Geburtstag, den sechzigsten. Zum Zeitpunkt, als er diesen Lebensabschnitt<br />

erreichte, hatte er den jüngsten Satz bereits völlig instrumentiert, wobei er mit einem<br />

Particell arbeitete, das er Hildegard Jone zu Weihnachten schenkte.12 Eine weitere<br />

integrale Einheit <strong>von</strong> drei Sätzen war hiermit vollendet, und ohne Unterbrechung<br />

wandte sich der Komponist dem nächsten Abschnitt dessen zu, was ihm noch immer<br />

als ein „Oratorium“ vorschwebte. Er hatte bereits den Text ausgewählt, den er<br />

Hildegard Jones Gedicht Verwandlung der Chariten entnahm, aus dem er bereits<br />

einen Auszug für den letzten Satz seiner I. Kantate verwendet hatte.<br />

Auf Seite 33 <strong>von</strong> Skizzenbuch VI findet sich der Anfang dieses siebenten Satzes.<br />

Unter dem Datum 18. Dezember entwarf <strong>Webern</strong> die Melodie für die Verszeilen<br />

„Kleiner sind Götter geworden und wohnen in Kelchen der Blumen / wohnen in<br />

Kehlen der Vögel: denn einzig ist Gott uns geworden.“ Die Skizzen setzen sich fort<br />

mit der Ausarbeitung eines vierstimmigen Doppelkanons für gemischten Chor auf<br />

zwei Systemen.13 Am 10. Januar 1944 schrieb <strong>Webern</strong> Reich: „Ich arbeite<br />

530


ununterbrochen: bin zur Zeit beim 7. Stück des geplanten Cyklus . . . bald näheres.<br />

Zur Zeit ist mein Bub auf Urlaub da!“ (Tagebuchnotizen am unteren Rand der<br />

Skizzenbuchseite verzeichnen, daß Peter am 28. Dezember nach Hause kam und<br />

drei Wochen später wieder abreiste.)<br />

Überraschenderweise wurde der projektierte siebente Satz wenig später fallengelassen.<br />

Der Komponist nannte Hildegard Jone seine Gründe in einem Brief vom 28.<br />

Januar: „Während ich an ,Kleiner sind Götter geworden . . .‘ - ich habe Dir ja<br />

neulich angekündigt, daß dieses Stück folgen solle - bereits sehr intensiv arbeitete<br />

(der Grund war schon gelegt), spürte ich auf einmal mit völliger Sicherheit - es hatte<br />

sich allerdings schon vorher das eine oder andere Mal angekündigt -, daß nämlich<br />

diese Arbeit mit den fertigen 6 Stücken musikalisch zu Ende sei! Ich zögerte noch,<br />

entschloß mich aber bald endgiltig dazu, diese fertigen Stücke zu einer ,Kantate“<br />

zusammen zu fassen. Ich brauche bloß (gegenüber der Entstehungsreihe) eine<br />

kleine Umstellung vorzunehmen - aus musikalischen, aber auch aus Gründen des<br />

textlichen Zusammenhangs - und bin <strong>von</strong> dem Ergebnis in jeder Hinsicht befriedigt.<br />

Nun schau’ Dir die Reihenfolge an: ist’s nicht im Grunde eine ,missa brevis“<br />

geworden?<br />

1) ,Schweigt auch die Welt . . .‘ (Baß-Solo) ist es nicht ein ,Kyrie“?<br />

2) ,Sehr tief verhalten . . .‘ (B&ß-Solo): das, Gloria in excelsis deo‘ der Stille um den<br />

,Bienenkorb in der Heimat“!<br />

3) ,Schöpfen aus Brunnen des Himmels . . .“(Frauenchor mit Sopran-Solo). Ist es<br />

nicht ein ,Credo“?<br />

4) ,Leichteste Bürden der Bäume . . .“(Sopran-Solo)<br />

und<br />

5) ,Freundselig ist das Wort . . .“(Sopran-Solo u. gemischter Chor) ein ,Benedictus<br />

qui venit in nomine dornini“ u. ,Sanctus“? Ist nicht ,gebenedeit‘, was der Wind<br />

durch die ,Räume“trägt: die ,Düfte“, der ,Linde Gestalt“? Und heilig, heilig, ,das<br />

Wort“, wenn es ,um alles Deine weiß“? ,Heilig, heilig“: ,doch wenn es wieder<br />

aufklingt in der Morgenfrühe“, schließlich:<br />

6) ,Gelockert aus dem Schöße . . .“(Chor): ,Agnus dei“- das ,Larnm Gottes“.<br />

Ich glaube schon, daß meine Auswahl Zusammenhang aufweist. Nun sage Du, wie<br />

Du es siehst! Was ich jetzt in Arbeit habe, ist eine rein instrumentale Sache. Ich hoffe,<br />

Euch bald Näheres darüber sagen zu können.“<br />

Die Schlußbemerkung bezieht sich auf ein instrumentales „Konzert“, das <strong>Webern</strong><br />

zwei Tage zuvor begonnen hatte, ein Projekt, das er dann in ein weiteres Vokalwerk<br />

umwandelte (vgl. 35. Kapitel).<br />

In ihrer Antwort vom 7. Februar stimmte Hildegard Jone <strong>Webern</strong>s Entscheidung<br />

zu: „Die neue Zusammenfassung Deiner Kantate leuchtet mir ganz wunderbar ein.<br />

Was für eine Herrlichkeit dieses Werk! ,Missa brevis1 —das ist es!“ <strong>Webern</strong>s<br />

Anwendung der Liturgie auf seine Kantate war dazu angetan, der Dichterin zu<br />

gefallen. Religiöse Inbrunst und christliche Symbolik ~ die vor allem in den Texten<br />

in Erscheinung treten, die <strong>Webern</strong> für den dritten, fünften und sechsten Satz<br />

benützte —sind in vielen ihrer Dichtungen hervorstechende Züge.<br />

531


Am 23. Februar teilte <strong>Webern</strong> Reich mit, daß das Werk vollendet sei und fügte<br />

hinzu: „Es ist mein Plan eine Photokopie der neuen Kantate an Reinhart zu<br />

schicken, zur Aufbewahrung und Sicherstellung.“ Die Bemerkung spielt auf<br />

<strong>Webern</strong>s wachsende Besorgnis über den Schutz seiner Manuskripte vor den<br />

Verwüstungen durch die Luftangriffe an. Eine der Photokopien, die die Universal<br />

Edition <strong>von</strong> der großen Dirigierpartitur angefertigt hatte, fand sich im Nachlaß des<br />

Komponisten. Sie enthielt <strong>Webern</strong>s eigene Angaben für die Spieldauern der<br />

einzelnen Sätze: 1-2', II—6', III—2', IV -4', V -7', V I-3'. Die Gesamtzeit <strong>von</strong> 24<br />

Minuten weicht <strong>von</strong> der geschätzten halben Stunde in <strong>Webern</strong>s Brief an Reich vöm<br />

23. Februar ab. Die Aufführungspraxis ist weit unterhalb dieser Richtlinien<br />

geblieben. Trotz der Metronomangaben des Komponisten haben sich Dirigenten<br />

unterschiedliche Tempoauffassungen zu eigen gemacht.14<br />

Die Aufführungsdauer wurde tatsächlich etwas länger, als der Komponist sechs<br />

Monate nach Vollendung des Werkes noch einen nachträglichen Einfall hatte. In der<br />

oben erwähnten Photokopie der Partitur bestand der Schlußsatz noch aus dem<br />

originalen Text <strong>von</strong> Das Neugeborene, einer einzigen fünfzeiligen Stanze. (Das<br />

Typescript der Gedichte, das der Partitur vorangestellt war, enthielt ebenfalls nur<br />

diese eine Strophe.) Wie bereits erwähnt, betrachtete <strong>Webern</strong> den Chor <strong>von</strong> Anfang<br />

an als einen „Choral“ . Doch dieser allgemein mit der Tradition der liturgischen<br />

Musik assoziierte Begriff beinhaltet die strophische Wiederholung der Hymnenmelodie.<br />

Und so entschloß sich der Komponist zum ersten und einzigen Mal in seinem<br />

gesamten musikalischen Schaffen zu einer dreifachen Wiederholung. Während des<br />

Sommers 1944 erörterte er mit Hildegard Jone die Möglichkeit, das Gedicht um<br />

zwei zusätzliche Strophen zu erweitern. Die Anregung war rasch ausgeführt, denn<br />

schon am 12. September konnte <strong>Webern</strong> ihr schreiben: „Ich bin tief berührt <strong>von</strong> den<br />

neuen Strophen und glücklich, sie so bald erhalten zu haben! Sie sind wundervoll<br />

und fügen sich besonders gut ins musikalisch Gegebene! Sei überaus bedankt!“ Eine<br />

Woche später meinte <strong>Webern</strong> noch dazu: „Die neuen Texte habe ich schon in die<br />

Partitur eingetragen: es stimmt wunderbar.“ 15<br />

Die Orchesterbesetzung der Kantate besteht aus Piccolo, Flöte, Oboe, Englischhorn,<br />

Klarinette, Baßklarinette, Altsaxophon, Fagott, Horn, Trompete, Posaune,<br />

Baßtuba, Glockenspiel, Glocken, Celesta, Harfe und Streichern. <strong>Webern</strong>, der die<br />

Notwendigkeit eines Klavierauszugs mit Gesang für Studienzwecke voraussah,<br />

besorgte die Plerstellung im Herbst 1944, in dem er auch einen für die I. Kantate<br />

an fertigte. Der Klavierauszug wurde <strong>von</strong> der Universal Edition erst 1951 gedruckt<br />

(die Chorpartitur erhielt 1949, noch vor der Uraufführung des Werkes 1950, den<br />

Copyright-Vermerk), die Herausgabe einer Studienpartitur folgte 1956. Ungereimterweise<br />

verzeichnen die beiden Veröffentlichungen abweichende Aufführungsdauern:<br />

der Klavierauszug mit Gesang gibt ca. 13 Minuten an, die Partitur ca. 16<br />

Minuten. Der offizielle Titel lautet II. Kantate für Sopran- und Baß-Solo,<br />

gemischten Chor und Orchester op. 31.<br />

Die II. Kantate war die Krönung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s schöpferischem Dasein. Das Werk,<br />

das als ein „Durchbruch“ angesehen wurde,16 hat den Anstoß zu zahlreichen<br />

theoretischen Diskussionen gegeben. In der Vielfalt faszinierender Aspekte umfaßt<br />

532


es Archaisches wie auch Zukunftweisendes. Daß der Schlußsatz des letzten<br />

vollendeten Werkes des Komponisten aus einer dreifach wiederholten musikalischen<br />

Stanze besteht, stellt ein in seinem Oeuvre einzig dastehendes Phänomen dar,<br />

das dadurch besondere Bedeutung erhält, weil er mit dieser abschließenden Geste<br />

seine Bindung an die Tradition aufs neue bekräftigt. Mit diesem strophischen Choral<br />

umspannt und versöhnt er die Extreme <strong>von</strong> Kompliziertheit und Simplizität.17 Das<br />

Werk als solches steht da als die Verkörperung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Stil und Genius. Seine<br />

emotionelle Eindringlichkeit und seine intellektuelle Strenge halten sich die Waage.<br />

533


33. Krieg in der Heirnai —Peters Tod<br />

(1943-1945)<br />

Das Neugeborene, das Gedicht, das <strong>Webern</strong> für den Schlußchoral seiner II. Kantate<br />

op. 31, seines letzten vollendeten Werkes, verwendete, hatte für ihn mehr als nur<br />

symbolische Bedeutung: seine Botschaft war so wirklich wie das Leben selbst, und<br />

seine Aussage wuchs im selben Ausmaß, wie der Krieg immer tiefer an die<br />

Grundlagen der menschlichen Existenz rührte. Vom Jahr 1944 an trugen alliierte<br />

Luftangriffe Verwüstung in die <strong>von</strong> den Nazis besetzten Länder. In diesem Herbst,<br />

am 18. Oktober, schrieb <strong>Webern</strong> an Karl Amadeus Hartmann, als er die Geburt <strong>von</strong><br />

Amalies zweitem Sohn Christian ankündigte:1 „Ein 6. Enkerl, ein Bub, ist<br />

angerückt. Halten wir uns unentwegt solches Freundliche vor Augen. Die<br />

Schlussworte meiner II. Kantate lauten: ,1m Friedensschoss gestalten uns, weil ein<br />

Kindlein spricht, der Liebe Urgewalten.4 4<br />

Als in der Nation eine Stimmung der Beklemmung um sich griff, klammerte sich<br />

<strong>Webern</strong> enger denn je an seine Familie und die wenigen ihm noch verbliebenen<br />

Freunde. Einer <strong>von</strong> ihnen war Ludwig Zenk, dem <strong>Webern</strong> zur Weihnachtszeit des<br />

Vorjahres geschrieben hatte: „In wenigen Tagen die Wende! [Gemeint ist die<br />

Wintersonnenwende, die das Längerwerden der Tage ankündigt.] Die Wende, käme<br />

sie nur auch sonst! Dies sei unser Weihnachtsgedanke! 4<br />

In diesem Jahr (1943) feierten <strong>Webern</strong> und seine Frau Weihnachten zum ersten<br />

Mal nicht in ihrem eigenen Heim, da alle ihre Kinder verheiratet waren und das<br />

Elternhaus verlassen hatten. Sie gingen stattdessen zu Christine und ihren drei<br />

kleinen Mädchen in die Mödlinger Wohnung der Matteis. Die Enkelkinder waren<br />

für Webei 'ii eine nie versiegende Quelle der Freude; er überschüttete sie mit der<br />

gleichen liebevollen Zuneigung, die er auch seinen eigenen Kindern hatte<br />

angedeihen lassen, und fortan spielen sie eine dominierende Rolle in seinen<br />

Tagebucheintragungen: am 9. Februar 1944 verzeichnete er die Geburt <strong>von</strong> Marias<br />

erstem Kind in seinem Skizzenbuch und am 26. Februar seine Taufe. Der Junge<br />

erhielt den Vornamen Peter nach <strong>Webern</strong>s eigenem Sohn.<br />

Es hätte keinen hingabevolleren Vater und Großvater geben können, und zu<br />

normalen Zeiten wäre die Familienidylle vollkommen gewesen. Inmitten der<br />

Bedrängnis durch den Krieg bedeutete für <strong>Webern</strong> sein häusliches Dasein eine Insel<br />

des Friedens und der Hoffnung. Es verlieh ihm in der damaligen Situation die<br />

Stärke, der wachsenden Zahl <strong>von</strong> Prüfungen standzuhalten, die auf ihn wie auf jeden<br />

anderen zukamen im anschwellenden Inferno, das bald zur Desintegration jeglichen<br />

normalen Lebens führen sollte. Während dieser ganzen bedrückenden Zeit hielt er<br />

unerschütterlich an seiner Zuversicht fest und wurde es nie müde, ehrgeizige Pläne<br />

zu schmieden.<br />

534


Nach dem Erfolg seiner Konzertreisen in die Schweiz in den Jahren 1940 und<br />

1943 hatte <strong>Webern</strong> Grund anzunehmen, daß man ihn wieder dorthin einladen<br />

werde. Fest entschlossen, seine einzige ihm noch verbliebene Verbindung mit der<br />

freien Welt aufrechtzuerhalten, beschwor er Willi Reich, sich für Aufführungen<br />

seiner Werke zu verwenden. In einem Brief mit dem Datum 10. Januar 1944 regte er<br />

an, daß Scherchen seine Sechs Stücke für Orchester op. 6 ansetzen möge oder die<br />

Streichorchesterbearbeitung seiner Fünf Sätze op. 5. Er erkundigte sich auch nach<br />

Aussichten für eine Aufführung <strong>von</strong> Das Augenlicht op. 26 unter Robert Blum in<br />

Zürich und nach Frau Gradmanns Plänen für eine Uraufführung seiner Drei Lieder<br />

op. 25. Reich zufolge hoffte die Basler Sektion der IGNM, das Konzert wiederholen<br />

zu können, das sie als Geburtstagsehrung für <strong>Webern</strong> veranstaltet hatte. Nach<br />

Erwähnung aller dieser Möglichkeiten schloß der Komponist: „Pläne wären ja<br />

genug sichtbar: ob nun was wird und ich vielleicht sogar wieder kommen könnte?<br />

Bin neugierig.“<br />

Für <strong>Webern</strong> war Optimismus eine Lebenshaltung, und so bedeutete für ihn<br />

konstruktives Tun die ihm gemäße Lebensform. Sein Temperament und seine<br />

Gläubigkeit trieben ihn dazu, diese Einstellung angesichts aller Widrigkeiten<br />

beizubehalten. Als er Willi Reich am 23. Februar 1944 schrieb, zitierte er den<br />

Grundsatz, der die Philosophie verkörperte, die ihm dazu verhalf, seinen Weg durch<br />

alle Fährnisse hindurch weiterzugehen: „Leben heißt eine Form verteidigen, so etwa<br />

drückt es Hölderlin aus. Gern sage ich Dir es: dieser Dichter beschäftigt mich schon<br />

seit geraumer Zeit sehr intensiv. Ermesse, welchen Eindruck es auf mich gemacht<br />

hat, als ich in den Anmerkungen zur Oedipus-Übersetzung die Stelle fand: ,Auch<br />

ändern Kunstwerken fehlt, mit den griechischen verglichen, die Zuverlässigkeit;<br />

wenigstens sind sie bis jetzt mehr nach Eindrücken beurteilt worden, die sie machen,<br />

als nach ihrem gesetzlichen Kalkül und sonstiger Verfahrungsart, wodurch das<br />

Schöne hervor gebracht wird.'' Brauche ich erst zu sagen, warum mich die Stelle so<br />

ergriffen hat?“<br />

Nach diesem philosophischen Diskurs ging <strong>Webern</strong> zu praktischen Dingen über:<br />

„Deine Anregungen u. Wünsche, Materialien u. Partituren betreffend, habe ich<br />

sogleich mit der U .E. besprochen.“ Verschiedene Kompositionen wurden sowohl<br />

an Reich wie auch an Radio Lugano geschickt. Um die Dinge voranzutreiben,<br />

drängte <strong>Webern</strong> Reich, sich erneut als sein Vermittler bei Scherchen und Sacher<br />

einzuschalten. In einem Postskriptum erwähnte er, daß Briefe ins Ausland wegen<br />

der immer strenger werdenden Zensur auf zwei irn Monat beschränkt worden seien.<br />

Seit dem Sommer 1943 waren <strong>Webern</strong>s Briefe an Reich mit einem großen grauen<br />

„X“ gestempelt worden, das die Sichtung durch den Zensor bedeutete.<br />

Derartige scharfe Sicherheitsmaßnahmen ließen auf die sich vertiefende Besorgnis<br />

schließen, die die verheerende Wende in Hitlers Kriegsgiück hervorgerufen<br />

hatte.2 Obwohl ein Ring <strong>von</strong> Stahl die Heimat fest umschlossen hielt und Bomben<br />

unerbittlich auf die unselige Zivilbevölkerung herabgingen, gab es kein Abbröckeln<br />

der Moral. Zu lange hatte der Führer seine Unüberwindbarkeit demonstriert, und<br />

seine glänzenden Siege hatten dem deutschen Volk einen blinden Glauben an sein<br />

militärisches Genie eingeflößt. Sogar die ältere Generation, uneingedenk der<br />

535


itteren Lektion, die ihr im Ersten Weltkrieg erteilt worden war, glaubte noch<br />

immer an den Endsieg. Solche Selbsttäuschung war ebenso verbreitet wie tragisch.<br />

Als Edwin Komauer, <strong>Webern</strong>s erster Musiklehrer in Klagenfurt, seine Erinnerungen<br />

Ende 1943 zu Papier brachte, beschloß er sie bezeichnenderweise: „Eine große<br />

Freude bedeutete es für mich, als mir im Oktober 1943 als Anerkennung für meine<br />

Leistungen als Musikerzieher, Pianist und Komponist vom Gauleiter der Gaumusikpreis<br />

für das Jahr 1943 zuerkannt wurde. Habe ich den herrlichen Aufstieg unseres<br />

Volkes unter seinem Führer Adolf Hitler erleben dürfen, so ist es mein sehnlichster<br />

Wunsch und mein Gebet, der Herrgott möge mich in dem gewaltigen Völkerringen,<br />

das sich jetzt abspielt, den Endsieg des deutschen Volkes noch erleben lassen.“3<br />

Komauer wurde die Agonie der Ernüchterung erspart. Er starb am 20. März<br />

1944. In seiner autobiographischen Skizze, in der seine große Liebe, die Musik, im<br />

Mittelpunkt stand, sprach er auch <strong>von</strong> den Schülern, die er sich rühmte, im Verlauf<br />

der Jahre angeleitet zu haben. <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Name wurde unter ihnen nicht<br />

erwähnt. Ironischerweise findet sich keiner der Schüler, die Komauer als seine<br />

talentiertesten anführte, in irgendeinem der gebräuchlichen Musiklexika. Ob die<br />

Auslassung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Namen ihren Grund in ästhetischen oder politischen<br />

Überlegungen hatte, sie erwies sich jedenfalls als eine Fehleinschätzung, die ebenso<br />

groß war wie der Traum des alten Musikers vom „Tausendjährigen Reich“ .<br />

Als Komauer im Sterben lag, versank überall um ihn herum dieses Reich in Schutt<br />

und Asche. Unter den Luftangriffen brachen die Schutzmaßnahmen zusammen, und<br />

Zivilisten wurden mobilisiert, um der schlimmsten Notstände an der Heimatfront<br />

Herr zu werden. Am Montag, dem 17. April 1944, sah <strong>Webern</strong> sich <strong>von</strong> heute auf<br />

morgen zur Luftschutz-Polizei eingezogen, einem zivilen Arbeitskorps, aufgestellt<br />

zur Beaufsichtigung der Luftschutzbunker und für Aufräumungsarbeiten nach den<br />

Bombenangriffen.4Noch am gleichen Abend mußte er <strong>von</strong> daheim fort. Herausgerissen<br />

aus seiner geliebten Häuslichkeit, war er völlig außer sich und sandte Zenk am<br />

20. April eine dringliche Botschaft: „Ich glaube, Ihr wißt ja schon was mit mir los ist:<br />

ich kann nur sagen, es ist die Hölle! Also holt mich heraus!. . . Ich konnte Dich gar<br />

nicht verständigen, so rasch ist es gekommen.“ Am gleichen Tag schilderte <strong>Webern</strong><br />

den <strong>Humplik</strong>s seine Lage: „Ich bin ,kaserniert“, kann nicht zu Hause wohnenundso<br />

meiner Arbeit völlig entrissen!!!! Versucht Euch das vorzustellen! Meine Dienststelle<br />

ist Mödling, das Gymnasium mein Wohnplatz, d.h. meine Kaserne! Und<br />

natürlich in Uniform sein. Von 6h früh bis 5h abends geschunden. Dienste: etwa wie<br />

ein Maurer: Sand schleppen und dgl. Nur alle drei Tage um 5h (bis 10h) Ausgang.<br />

Doch kann man mich an den übrigen Tagen ab 5h besuchen. U.s.w., U.s.w.. . . Ich<br />

bin müde, abgekämpft!“<br />

Nach weniger als einer Woche wurde <strong>Webern</strong> vorübergehend beurlaubt, als er an<br />

Grippe erkrankte. Er durfte sich zu Hause auskurieren, aber die Ungewißheit seiner<br />

Zukunft bedrückte ihn. <strong>Webern</strong>s Freunde, besorgt um seinen verzweifelten<br />

Zustand, unternahmen Schritte, um ihn freizubekommen. Eine Flut <strong>von</strong> Eingaben<br />

erging an die Behörden, darunter eine, die <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> einem hohen Beamten<br />

persönlich unterbreitete. Doch alles war vergebens, und am 8. Mai mußte <strong>Webern</strong><br />

zu seiner Dienststelle zurückkehren. Am Tag zuvor schrieb er Zenk: „Du kannst Dir<br />

536


doch denken, daß ich verdrossen genug bin über alle diese Hindernisse - wenn ich<br />

auch trotz allem seit einigen Tagen wieder arbeite.“<br />

Während dieser schweren Zeit schrieb Hildegard Jone häufig und verlieh damit<br />

Halt und Ermutigung. In einem Brief vom 10. Mai drückte sie <strong>Webern</strong>s Frau<br />

gegenüber ihr Bedauern aus über seine erneute Einberufung: „Nicht auszudenken,<br />

daß der arme <strong>Anton</strong> wieder diesem bitter Schweren u. Ungewohnten nachgehen<br />

mußte. So schön grün ist die Welt in diesem Frühling; man wäre wahrlich reif<br />

geworden, die Freude an diesem lieben Neu-Werden ganz im eigenen Tun wirken zu<br />

lassen - nun aber wieder Alarm. Dieser grauenhafte Ton, der sagt, daß in wenigen<br />

Minuten viele Menschen, die jetzt in das Blühen u. Grünen schauen, Nacht haben.“<br />

Am 14. Mai, einem Sonntag, den <strong>Webern</strong> in der Kaserne verbringen mußte,<br />

dankte er den <strong>Humplik</strong>s für ihre „verständnisvolle Sorge“ : „Ja, wie tut das wohl! Es<br />

ist schon recht fatal, was mir jetzt aufgesetzt ist! Vielleicht könnt Ihr es Euch nicht<br />

einmal so recht vorstellen . . . Das Böse nur, daß man, statt die Zeit nützen zu<br />

können, sie so rasch als möglich vergehen lassen möchte. Wirklich: ,schad um die<br />

Zeit“.“ Es gab jedoch einen Lichtblick. Die Schule, die als Kaserne diente, war in<br />

nächster Nähe der Mattelschen Wohnung: „Christi wohnt nur ein paar Häuser <strong>von</strong><br />

mir! Die Gärten stoßen zusammen: ich kann übern Zaun mit den Kindern sprechen,<br />

sie durch die Spalte sehn! Zur Nacht: nicht weit <strong>von</strong> mir atmen sie!“<br />

Um diese Zeit war Christa Fuhrmann5 <strong>Webern</strong>s Schülerin. Ihr Vater hatte eine<br />

gehobene Position bei der Mödlinger Polizei inne, und seinem Einfluß war es zu<br />

verdanken, daß <strong>Webern</strong> schließlich aus dein aktiven Dienst entlassen wurde. Vom<br />

20. Mai an war es dem Komponisten gestattet, untertags nach Hause zurückzukehren<br />

; er hatte aber noch immer die Nächte auf der Dienststelle der Luftschutzwarte zu<br />

verbringen, bis seine Entlassung am 1. Juni amtlich bestätigt wurde. „Also, das wäre<br />

überstanden!“, schrieb er Zenk zwei Tage später mit unverhohlener Erleichterung.<br />

Dessen ungeachtet mußten <strong>Webern</strong> und seine Frau zur Stelle sein, wenn der<br />

Bevölkerung ein „allgemeiner Einsatz“ zur Trümmerbeseitigung nach Luftangriffen<br />

befohlen wurde. Letztere ereigneten sieh <strong>von</strong> nun an mit immer größerer<br />

Häufigkeit. Auf sie spielte <strong>Webern</strong> an, als er Hildegard Jone am 2. Juni schrieb: „An<br />

die Stürme <strong>von</strong> Mittwoch voriger Woche, Montag, Dienstag und der Nacht<br />

dazwischen (für uns ein glücklich überstandenes) mit Worten zu rühren, habe ich<br />

eine Scheu, wir danken nur Gott!“<br />

Die Heftigkeit der Bombardements nahm mit der Invasion der Alliierten in der<br />

Normandie am 6. Juni noch zu. Am Tag darauf begaben sich <strong>Webern</strong>s Töchter<br />

Maria und Christine mit ihren vier Kindern in die Geborgenheit des abgeschiedenen<br />

Gebirgsdorfes Mittersill, wo Marias Schwiergervater, Major Halbich, am Ortsrand<br />

ein Haus, Burk Nr. 31, besaß. Obwohl <strong>Webern</strong> die Notwendigkeit ihrer Abreise<br />

einsah, war sie dennoch ein schwerer Schlag für ihn. <strong>Webern</strong>, der noch immer unter<br />

dem Eindruck seiner Erlebnisse im Kriegsdienst stand, begann sich jetzt der<br />

Sinnlosigkeit und der Aussichtslosigkeit des Kampfes bewußt zu werden. Der Ton<br />

des Briefes, den er am 17. Juni Hueber schrieb - die letzte Nachricht, die den Freund<br />

erreichte, bevor er an der Westfront in Kriegsgefangenschaft geriet war merklich<br />

bedrückt. Seine Anspielung auf die soeben erfolgte Landung der Alliierten in<br />

537


Frankreich („Es ist also so weit, vielleicht doch entscheidend!“) gab die Möglichkeit<br />

einer Niederlage zu. Hueber zufolge, der im früheren Verlauf des Jahres auf<br />

Heimaturlaub gewesen war, hatte <strong>Webern</strong> bei ihrem letzten Abschied geweint und,<br />

da er seiner Depression nicht Herr werden konnte, ihn nicht zur Gartentür begleitet,<br />

wie es sonst seine Gewohnheit war.<br />

Er war so ernüchtert und entmutigt, daß er sich tatsächlich mit dem Gedanken<br />

trug, Österreich den Rücken zu kehren. Am 6. Juli schrieb er Reich, daß Alfred<br />

Schlee, der auf dem Weg in die Schweiz war, ihm die Einzelheiten über seine<br />

Einziehung zum Kriegsdienst berichten würde: „Er wird auch <strong>von</strong> einem Plan<br />

sprechen, über den nachzudenken und den zu betreiben ich Dich allerdringendst<br />

bitte. Ich stelle es mir nicht so schwer vor, das Richtige zu finden: der Form nach<br />

müßte es eine Berufung sein. Dann gäbe es weiter gar keine Schwierigkeiten. Für die<br />

Basler gelte ich also schon als ,populär1: vielleicht könnte man an diesem Punkt<br />

ansetzen. Die materielle Frage müßte <strong>von</strong> privater Seite (Seiten) gelöst werden.“<br />

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Anzahl der Menschen, die aus allen Teilen<br />

Europas in die Schweiz flüchteten, die Gastfreundschaft dieses kleinen Landes, das<br />

um die Aufrechterhaltung seiner prekären Neutralität rang, bereits in hohem Maße<br />

überbeansprucht. Als der Krieg sich seiner Endphase näherte, sahen sich die<br />

Schweizer außerstande, den zahllosen Flüchtlingen Asyl zu gewähren. So kam auch<br />

<strong>Webern</strong>s Hilferuf der letzten Stunde zu spät.<br />

In seinem Brief an Reich äußerte sich <strong>Webern</strong> noch immer mit Zuversicht über<br />

neue musikalische Pläne. Schlee nahm die Partitur der II. Kantate in die Schweiz<br />

mit, nachdem <strong>Webern</strong> ihn noch persönlich mit den wesentlichen Zügen seines<br />

Werkes vertraut gernacht hatte. „Was wirst Du dazu sagen? Wenn Du z. Bsp. das<br />

Bild des sechsten Stückes gewahrst?“, fragte der Komponist. Er war entzückt <strong>von</strong><br />

dem Plan für ein Radiokonzert in Basel und schlug ein Programm vor, das mit<br />

Schuberts Unvollendeter Symphonie eröffnet würde, gefolgt <strong>von</strong> seinen eigenen<br />

Bearbeitungen <strong>von</strong> Schuberts Deutschen Tänzen und Bachs Ricercar und zum<br />

Abschluß seiner Passacaglia op. 1. In seinem Bestreben, in der Schweiz Asyl zu<br />

finden, hatte er seine ganzen Hoffnungen auf Basel gesetzt, war es doch die Stadt, in<br />

der seine Musik wiederholt erklungen war (Paul Baumgartner hatte soeben die<br />

Variationen op. 27 wieder gespielt). Wiederum beschwor er Reich zu versuchen,<br />

Sacher an der Streichorchesterbearbeitung seiner Fünf Sätze op. 5 zu interessieren,<br />

und erkundigte sich erneut nach den Aussichten auf eine Aufführung <strong>von</strong> Das<br />

Augenlicht in Zürich.<br />

In diesem Brief, in dem der Komponist auch sein jüngstes Projekt beschrieb (das<br />

vermutliche Op. 32), war außerdem noch <strong>von</strong> Schönberg die Rede. Seit 1941 hatte<br />

der Krieg jegliche Korrespondenz zwischen den Freunden unterbrochen. Bis zu<br />

Schönbergs '70. Geburtstag waren es nur noch zwei Monate, und so bat <strong>Webern</strong><br />

Reich, ihm eine Botschaft zukommen zu lassen. Sie enthielt eine Erklärung seiner<br />

unsterblichen Loyalität und Zuneigung (die letzte, die er abgeben sollte):<br />

„Übermittle mein innigstes Gedenken, das mich Tag und Nacht beherrscht, meine<br />

unsagbare Sehnsucht! Aber auch meine niemals aussetzende Hoffnung auf eine<br />

glückliche Zukunft!“<br />

538


Am 14. Juli schrieb <strong>Webern</strong> seiner Schwester Rosa über erneute Luftangriffe, die<br />

so schwer waren, daß er und Wilhelmine sich gezwungen sahen, in einem<br />

öffentlichen Bunker nicht weit <strong>von</strong> ihrem Heim Zuflucht zu suchen. Trotz der streng<br />

gehandhabten Reisebeschränkungen planten er und seine Frau in naher Zukunft<br />

einen Besuch in Mittersill, um ihre Töchter wiederzusehen. Sie freuten sich auf eine<br />

so dringend benötigte Atempause nach der ständigen nervlichen Belastung, die sich<br />

nach einem weiteren schweren Luftangriff am 16. Juli noch erhöhte. Notizen in<br />

<strong>Webern</strong>s Skizzenbuch zufolge reisten sie am Abend des 24. Juli <strong>von</strong> Wien ab und<br />

blieben in Mittersill bis zum 16. August.<br />

Eine Postkarte, die <strong>Webern</strong> am 30. Juli Zenk schrieb, gibt seine befreienden<br />

Gefühle zu erkennen: „Wir sind also, wie geplant, nachts hierher gereist. Im D-Zug<br />

bis Salzburg. Wirbel u. Trubel, aber <strong>von</strong> dort im Personen-Zug das Salzachtal<br />

aufwärts, in d e r,Morgenfrühe4, Ruhe u. Frieden! War das erquickend, beglückend,<br />

lang entbehrt, kaum mehr geahnt! Ich habe an Euch gedacht u. Euch solche<br />

Atemzüge gewünscht. Es war wohl ein Aufatmen! Und hier: friedlich, wie eh u. je.<br />

Wir sind gut untergebracht. Sehen vom Haus aus quer übers Salzachtal ins Felbertal<br />

hinein und auf den an dessen Ende befindlichen, schon vergletscherten Tauernkogel,<br />

einen Vorberg des Venediger <strong>von</strong> sehr imposanter Form! Umgeben <strong>von</strong> näheren,<br />

aber auch mit Schnee bedeckten Gipfeln. Es ist ein großartiger Anblick; ein<br />

langentbehrter, der mich nun mit besonderer Macht trifft! Das Wasser, lieber<br />

Freund, das aus dem Felbertal kommt! Ein Wunder, das mir zur Zeit vielleicht am<br />

allernächsten geht! Heute Wolkenziehn am Tauernkogel. Seit 2 Tagen ist es trüb,<br />

mir so ganz u. gar recht. Vor allem, weil wir doch immer an zuhause denken müssen.<br />

[Luftangriffe waren weitgehend durch gutes Flugwetter bedingt.] Arn Mittwoch<br />

muß es ja wieder schlimm gewesen sein gerade in der Mödlinger Gegend. Schreibe<br />

bald! Seid beschützt u. innigst gegrüßt <strong>von</strong> uns Allen. Wir sind hauptsächlich im<br />

Kreise unserer Kinder u. der Kleinen, die wir alle bestens aussehend angetroffen<br />

haben.“<br />

Die majestätische Geöirgswelt, die <strong>Webern</strong> so tief beeindruckte, war der<br />

Schauplatz, an dem er selbst die letzten Monate seines Lebens verbringen sollte.<br />

Seine heitere Gelassenheit in dieser Idylle (zwei Tage zuvor hatte er auch den<br />

<strong>Humplik</strong>s die Szenerie verlockend beschrieben) wurde durch Nachrichten <strong>von</strong><br />

schweren Luftangriffen auf Wien beeinträchtigt. Am 24. Juli berichtete ihm<br />

Hildegard Jone, daß das Atelier ihres Mannes, das sich in der Hofzeile in Grinzing<br />

befand, bei dem Luftangriff vom 16. Juli schwer beschädigt worden war. Die<br />

Druckwelle einer Explosion in der Nachbarschaft hatte das große Atelierfenster<br />

eingedrückt, ein Loch in die Decke gerissen und mehrere Kunstgegenstände in<br />

Mitleidenschaft gezogen, darunter die Totenmaske <strong>von</strong> Adolf Loos.6<br />

Diese Nachricht, gefolgt <strong>von</strong> einem Bericht Amalies, daß Mödling am 26. Juli<br />

schwer getroffen worden sei, bedrückten <strong>Webern</strong> sehr. Er und seine Frau hatten<br />

vorgehabt, einen ganzen Monat zu bleiben, als er aber in einer Salzburger<br />

Tageszeitung las, daß die Erfassung aller Männer für Notstandsarbeiten unmittelbar<br />

bevorstehe, sah er sich veranlaßt, seinen Besuch abzubrechen. Resigniert schrieb er<br />

Hildegard Jone am 10. August: „Immerhin es waren ja schöne Tage . . . Die<br />

539


Kinderschar um uns ist ein so Beruhigendes, Erhebendes! Hilft weiter! Wollen wir<br />

weiter nur Glück vor uns sehen.“<br />

Als <strong>Webern</strong> am Abend des 16. August wieder zu Hause eintraf, sah er, daß seine<br />

Besorgnis über die Nachricht <strong>von</strong> der bevorstehenden Einberufung verfrüht<br />

gewesen war. Allerdings rechnete er mit der Unverrneidbarkeit, zu irgendeinem der<br />

Dienste eingezogen zu werden, und beriet sich deshalb mit der Universal Edition,<br />

wie er einer solchen Eventualität begegnen könnte. Am 19. August teilte er Zenk<br />

mit, daß die notwendigen Vorkehrungen getroffen seien. Als er sich dann ein paar<br />

Wochen später tatsächlich bei einer Arbeitseinheit melden mußte, intervenierte der<br />

Verlag, und er wurde freigestellt.<br />

Vom Oktober 1944 an, nachdem eine feste Anstellung zur Befreiung vom<br />

Kriegsdienst erforderlich geworden war, verbrachte <strong>Webern</strong> jeden Wochentag in<br />

der Universal Edition am Karlsplatz im Herzen Wiens. Seine Aufgaben erstreckten<br />

sich vom Korrekturlesen bis zur Lektorierung neuer Kompositionen. <strong>Webern</strong>, der<br />

schon immer besonders empfindlich war, wenn es um Dinge ging, die seinen<br />

persönlichen Stolz betrafen, hielt seine Beschäftigung geheim, außer seinen<br />

intimsten Freunden gegenüber. Diese Position brachte ihm zwar finanziell wenig<br />

ein, ließ ihm jedoch Zeit, auch eigene Arbeiten auszuführen. Am 7. November<br />

berichtete er Humpelstetter: „Zu kompositorischer Arbeit kaum mehr die nötige<br />

Sammlung möglich. Ich arbeite zur Zeit aber an schon lange fällig Gewordenem, zu<br />

dem ich mir nur noch nicht die Zeit genommen hatte: Auszüge für Klavier meiner<br />

letzten vokalen Werke; das sind zwei Kantaten größeren Umfangs für Soli, Chor u.<br />

Orchester. Das Notenbild, das da entsteht, ist, glaube ich, schon recht bemerkenswert<br />

u. neu.“<br />

<strong>Webern</strong>s Arbeit für die Universal Edition ließ ihm auch Zeit, seine Lehrtätigkeit<br />

fortzusetzen. Seine Privatschüler waren zwar wenige an der Zahl, dafür um so<br />

treuer, und seine Klassenkurse wurden regelmäßig <strong>von</strong> einer wenn auch kleinen<br />

Schar unbeirrbarer Jünger besucht. Jeden Mittwoch und Freitag unterrichtete er<br />

nachmittags und abends im Heim <strong>von</strong> Erwin Ratz, das er über Jahre hinweg als<br />

günstig gelegenes Studio in der Stadt benützt hatte. Ratz selbst war einer seiner<br />

festen Privatschüler. Bis zum Schluß genoß <strong>Webern</strong> seine Rolle als Lehrer.<br />

Besonders der Klassenunterricht bereitete ihm viel Genugtuung und regte ihn stets<br />

zu neuen Ideen an.<br />

Nur zu oft wurden diese friedfertigen Verrichtungen <strong>von</strong> Luftangriffen unterbrochen.<br />

<strong>Webern</strong>s Korrespondenz ist voll <strong>von</strong> Erwähnungen der Bombardements, die<br />

inzwischen zur fast alltäglichen Begebenheit geworden waren. Da es seiner<br />

Veranlagung zuwiderlief, sich den düstereren Aspekten des Lebens hinzugeben,<br />

erwähnte er das zunehmende Ungemach nur mit wenigen Worten und mit<br />

offensichtlichem Widerwillen. Und dennoch sprachen seine kurzen Kommentare<br />

Bände: „Schlimmes ist Wien passiert, besonders in den letzten beiden Tagen“,<br />

schrieb er Humpelstetter am 7. November. „Gestern auch wieder unsere Umgebung.<br />

Wollen wir weiter hoffen!“<br />

Kurz zuvor, am 26. Oktober, hatte <strong>Webern</strong> seiner Schwester Rosa versichert, daß<br />

das Gebäude, in dem sich die Universal Edition befand, einen bombensicheren<br />

540


Keller habe, und er beschrieb einige der damals herrschenden Zustände: „Vorige<br />

Woche hat Meidling sehr gelitten. Poldi [Wilhelmines Schwester Leopoldine Gross]<br />

hat Schweres mitgemacht. Ihrem Haus ist nichts geschehen, wohl aber der<br />

allernächsten Umgebung. Eine Woche lang war die Verbindung nach Mödling sehr<br />

umständlich. Unter 2 Stunden pro Fahrt ist es kaum abgegangen.“<br />

Als die Bedrohung durch den Tod Realität wurde, rückte man in der Familie<br />

zusammen wie nie zuvor, und die Sicherheit der nächsten Anverwandten wurde zur<br />

Hauptsorge. Durch Jahre hindurch waren <strong>Webern</strong>s Beziehungen zu seinen<br />

Schwestern (<strong>von</strong> denen keine ihm auf seinem Höhenflug als Komponist zu folgen<br />

vermochte) mehr oder weniger beiläufig gewesen. Doch jetzt, als Klagenfurt wegen<br />

seiner strategischen Lage als Verkehrsknotenpunkt für Italien und Jugoslawien<br />

ständigem Bombardement aus der Luft ausgesetzt war, unterhielt <strong>Webern</strong> engeren<br />

Kontakt. Am 6. November berichtete er: „Meine liebe Rosi, nach schweren Tagen!<br />

Wir sind aber gesund. Am Montag hat es auch in unserer Gegend wieder Böses<br />

gegeben. Aber Wien am Sonntag! Ich war seither zuhause, da auch die Verbindung<br />

gelitten hat. Doch scheint es schon wieder besser zu sein. Du mußt bedenken, daß<br />

sich durch die vielen Störungen alles auf ein paar Verbindungen zusammendrängt;<br />

Massen <strong>von</strong> Menschen. Ja, auch das ist schon sehr erschwert. Wie geht es Euch?<br />

Schreibt fortlaufend! Seid nur, um Gottes Willen, vorsichtig! In Poldis Nähe ist es<br />

wieder niedergegangen. Wir haben aber über den Sonntag u. Montag noch keine<br />

Verständigung. Telefonieren kann man zur Zeit nicht. Auch hinter der Votiv-Kirche<br />

in unmittelbarer Nähe <strong>von</strong> Beryls Wohnung [Beryl Diez, die Frau <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Vetter Ernst], Wissen auch <strong>von</strong> dieser noch nicht, wie es ihr g e h t. . . Wäre es nur<br />

endlich wieder leichter! Hoffen wir!“<br />

Etwa um diese Zeit fertigte <strong>Webern</strong> aus Furcht vor einer Katastrophe eine<br />

Aufstellung aller seiner noch nicht veröffentlichten Werke an. Die Liste enthielt<br />

auch Angaben über den Ort der Verwahrung der Originialmanuskripte, deren<br />

Mehrzahl im Keller der Universal Edition lagerte.7 Ein paar befanden sich zur<br />

Aufbewahrung bei Einzelpersonen wie Werner Reinhart in der Schweiz. Derartige<br />

Vorsichtsmaßnahmen waren geboten angesichts der um sich greifenden Verwüstung.<br />

In einem der Luftangriffe im November wurde <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>s Atelier völlig<br />

zerstört.8 Die sinnlose Vernichtung ihres schöpferischen Werkes war ein grausamer<br />

Schlag für die Künstler. <strong>Webern</strong>, bei seinem Drang zu helfen zur Tatenlosigkeit<br />

verurteilt, konnte seinen schmerzlichen Empfindungen lediglich in einem Brief an<br />

Hildegard Jone am 18. November Ausdruck verleihen: „Es ist gar nicht zu sagen,<br />

wie sehr es uns aufregt: die immer dringendere Frage, wann endlich wird es genug<br />

sein?“<br />

Gegen Ende dieses Monats fand als Antithese zu dem unerbittlichen Drama des<br />

Zeitgeschehens eine Stunde geistiger Besinnung statt. Am Mittwoch, dem 29.<br />

November, fand sich ein kleiner Kreis <strong>von</strong> geladenen Gästen in einem Saal des<br />

erzbischöflichen Palais in Wien am Stephansplatz 3 zu einer Veranstaltung ein, die<br />

als „Abend zeitgenössischer Dichtung“ angekündigt war. Dr. Otto Mauer, ein hoher<br />

geistlicher Würdenträger, war der offizielle Gastgeber bei diesem Ereignis, das<br />

ausschließlich Dichtungen Hildegard Jones gewidmet war.<br />

541


Der Plan hierzu war schon im Frühjahr geboren worden und hafte ursprünglich<br />

die Lesung aller Jone-Gedichte vorgesehen, die <strong>Webern</strong> vertont hatte,9 wobei einige<br />

seiner Kompositionen als Bestandteile des Programms gedacht waren. <strong>Webern</strong><br />

hatte die Zyklen Opus 23 und 25 vorgeschlagen und angeregt, daß eine schwedische<br />

Sängerin, die damals in Wien lebte, hierfür gewonnen werden solle. Als Begleiter<br />

empfahl er einen seiner Schüler aus Holland, Free Focke, den er Hildegard Jone am<br />

27. Juni als „einen glänzenden Pianisten und ausgezeichneten Musiker“ beschrieb.<br />

Es ergaben sich jedoch Schwierigkeiten, als die Sängerin ein paar Wochen vor<br />

dem Ereignis unerwartet Forderungen nach einem Honorar stellte. Es war<br />

Hildegard Jone, die sich dagegen verwahrte. Am 11. Oktober ließ sie <strong>Webern</strong><br />

wissen, daß sie nicht willens sei, dieses Ansuchen an Dr. Mauer zu einem Zeitpunkt<br />

weiterzuleiten, zu dem die für die Veranstaltung zuständige Kirchenbehörde ihre<br />

ganzen Mittel zur Linderung der allerdringendsten Kriegsnöte brauche. „Es ist ja<br />

eine nahezu häusliche Aufführung für einander Bekannte“, schrieb sie. „Ein<br />

Mensch, der Geld verlangt für seine Leistung, paßt gar nicht dazu! Wie gerne würden<br />

wir die Lieder hören, das magst Du mir glauben!“<br />

Nach der ursprünglichen Programmkonzeption hätte Focke die Variationen op.<br />

27 spielen sollen. Doch als dieser Plan dann scheiterte, entschloß sich <strong>Webern</strong> zu<br />

einer völlig anderen Lösung und bat die Pianistin Olga Novakovic, eine Vertraute<br />

aus den Tagen der Schönberg-Gesellschaft, in die Bresche zu springen. Am 25.<br />

November, vier Tage vor dem Ereignis, erläuterte er Hildegard Jone seinen<br />

Standpunkt: „Daß ich den musikalischen Teil des Abends geändert habe - es ist<br />

schon so - hat seinen Grund vor allem in meinem Bestreben, einen möglichst<br />

befriedigenden Verlauf Deines Abends zu sichern: es soll niemand Anlaß haben,<br />

den Kopf zu schütteln usw. Es könnte ja gar nicht anders kommen, wäre ich bei<br />

unserem ursprünglichen Beschluß geblieben. Ich habe es gut, gut überlegt: sei also,<br />

bitte lOOOmal, nicht enttäuscht!!! Es ist entschieden besser so, glaube mir. Ich habe<br />

genügend Erfahrung. Hätten es die Lieder sein können, wäre es noch was anderes<br />

gewesen! Aber es ist noch ein äußerer Grund dazugekommen: Dr. M. ersuchte (wie<br />

mir die Pianistin mitteilte) um einen musikalischen Vortrag für den Beginn. Dafür<br />

konnte ich nur klassisches wählen. Es wird also 'Mozart den Abend eröffnen, eine<br />

selten gespielte ,Fantasie“[in c-Moll, KV. 475], Zwischen den beiden Abteilungen<br />

der Dichtung dann die Sonate <strong>von</strong> Berg; mit meinen Variationen wäre es zuviel an<br />

Musik für den Abend überhaupt. Dem Freund diesen Platz, den ich so hoch<br />

einschätze, einzuräumen, wie teuer ist mir das! O,- Du verstehst mich schon! Es tut<br />

mir selber leid, aber es ist bestens gemeint. Sei überzeugt! Vertraue mir!“<br />

<strong>Webern</strong>s Verzicht sollte ihn um die letzte Gelegenheit bringen, seine Musik<br />

gespielt zu hören. Aber er wußte, daß der Geschmack der Zuhörer, die, wie zu<br />

erwarten war, hauptsächlich Geistliche sein würden, der klassischen und romantischen<br />

Tradition zutiefst verhaftet sein dürfte, und es lag ihm einzig und allein daran,<br />

daß der Abend, der in erster Linie als eine Hommage an Hildegard Jone gedacht<br />

war, ein Erfolg werden sollte. Er bat Werner Riemerschmid, <strong>Josef</strong> Huebers<br />

Schwager, der in seiner Nachbarschaft in Mödling lebte, die Gedichte zu lesen.10 Dr.<br />

Riemerschmid hatte die Position eines Dramaturgen beim Wiener Rundfunk inne;<br />

542


er war selbst Dichter und ein erfahrener Schauspieler. Das hielt <strong>Webern</strong> nicht da<strong>von</strong><br />

ab, ihm mit unendlicher Sorgfalt die Nuancen der Texte einzuprägen, wie er sie bei<br />

seiner musikalischen Realisierung empfunden hatte.11<br />

So erfolgreich der Abend auch war, so spürte <strong>Webern</strong> doch Hildegard Jones<br />

Enttäuschung, daß seine Musik weggelassen worden war. Er hielt es für notwendig,<br />

seinen Standpunkt nochmals darzulegen und schrieb ihr am 8. Dezember: „Ich hatte<br />

nur das Bestreben, dem Abend alles Problematische (für die Zuhörer) und damit<br />

diesen gegebenenfalls Belastende, ja Störende zu nehmen! Glaubt mir, ich kenne<br />

das: wenn es plötzlich so flau zu werden beginnt. Ein Leben langhabe ich es ja schon<br />

hinnehmen müssen: für meine Person hätte es mir also nichts weiter ausgemacht, es<br />

wieder zu erleben, aber an diesem A bend hätte ich es nicht ertragen; Deinethalben,<br />

liebe Hildegard: die tiefe Wirkung Deines Worts, deren ich ganz sicher war - so ist es<br />

ja auch gekommen - nicht zu stören, durch nichts da<strong>von</strong> abzulenken, das allein hatte<br />

ich im Sinne!“<br />

Wenn auch Hildegard Jone auf ihrer Ansicht beharrte, daß sich der kleine Kreis<br />

<strong>Webern</strong>s Musik gegenüber ebenso aufgeschlossen gezeigt hätte wie ihrer Dichtung,<br />

war sie doch dem Komponisten in höchstem Maße dankbar für seine Bemühungen<br />

um sie. Am 11. Dezember faßte sie ihre Eindrücke <strong>von</strong> dem Abend in einem Brief an<br />

<strong>Webern</strong> zusammen: „So war das Ganze in unserer unvorstellbar dunklen Zeit doch<br />

ein lieber Lichtblick, dessen ich gerne gedenke.“<br />

Es war Advent und die Dichterin beschloß ihren Brief mit einer Weihnachtsbotschaft,<br />

die die Ängste und Nöte der Zeit im überhöhenden Sinne deutete:<br />

„Hoffentlich wird uns noch ein Frühling! Jetzt wäre die Zeit da, reine Dinge<br />

auszusagen mit Ton, Form, Farbe u. Wort! Das Licht der Weihnacht wollen wir<br />

dennoch fassen wie noch nie! Ich wünsche es tief in Eure Herzen, Freunde!“<br />

Von allen Weihnachtsfesten seit dem Ausbruch des Krieges war das <strong>von</strong> 1944 das<br />

trostloseste. Die deutschen Kriegsherren ließen sich in einem letzten Versuch, sich<br />

aus der Umklammerung zu befreien, die <strong>von</strong> den Alliierten ringsherum ausgeübt<br />

wurde, auf ein verzweifeltes Vabanquespiel ein. Am 16. Dezember eröffneten sie<br />

eine Gegenoffensive an der Westfront. Ein starker Stoßtrupp, geführt <strong>von</strong><br />

Panzereinheiten, griff die nur dünn besetzten amerikanischen Linien im belgischen<br />

Ardennen-Abschnitt an. Die deutschen Formationen machten sich das nebelige<br />

Wetter und die totale Überrumpelung der Alliierten zunutze und drangen tief nach<br />

Belgien ein; mit Raketenbomben richteten sie schwere Verheerungen in den<br />

alliierten Nachschubzentren <strong>von</strong> Lüttich und Antwerpen an. Nur in Bastogne hielt<br />

eine kleine amerikanische Stellung gegen den Ansturm aus, bei dem beide Seiten<br />

unter der strengen Kälte und dem Schnee zu leiden hatten. Nach dem 24. Dezember<br />

half eine Besserung des Flugwetters den alliierten Gegenangriffen, die bis zur<br />

Januar-Mitte 1945 die deutschen Rückzugswege abschnitten. Hitlers letzte waghalsige<br />

Offensive hatte sich in eine völlige Niederlage gekehrt.<br />

Als <strong>Webern</strong> am 20. Dezember Humpelstetter schrieb, verlieh er seinem<br />

Weihnachtswunsch Ausdruck: „Wollen wir uns des Sinns dieser Festtage bewußter<br />

werden als je zuvor! Vielleicht hilft es! Gott gewähre uns endlich eine andere Zeit!“<br />

Es war nur zu verständlich, daß <strong>Webern</strong>s tiefste Sorge der Sicherheit seines eigenen<br />

543


Fleisches und Blutes galt. Von dem Tag an, als Peter im Frühsommer 1944 nach<br />

Jugoslawien abkommandiert worden war, lebte er in ständiger Sorge. Seine Ängste<br />

nahmen zu, als die jugoslawischen Partisanen mit dem einsetzenden Rückzug der<br />

Deutschen aus den Balkanländern ihre Operationen intensivierten. <strong>Webern</strong>s Briefe<br />

an Freunde waren voll <strong>von</strong> Erwähnungen Peters, und das Pendel seiner Emotionen<br />

schwang <strong>von</strong> größter Besorgnis, wenn sich sein Sohn in einer Gefahrenzone befand,<br />

zu froher Erleichterung, wenn er zu einem seiner zahlreichen Besuche zu Hause war.<br />

Bis zum Herbst 1944 war Peter in der Nähe <strong>von</strong> Belgrad stationiert, In seiner<br />

Eigenschaft als Wachsoldat hatte er regelmäßig Militärzüge zu begleiten, die<br />

zwischen Dresden und Belgrad verkehrten. Als er sich bei einer dieser Gelegenheiten<br />

im Wiener Hauptquartier für Armeeangehörige auf der Durchreise meldete,<br />

erlitt er einen Ohnmachtsanfall. „Auf der Rückreise packte ihn wieder sein Herz<br />

an!“, teilte <strong>Webern</strong> voller Sorge Ludwig Zenk am 4. Oktober mit. „Als er sich hier<br />

im Arsenal meldete, stürzte er zusammen! Liegt im Krankenrevier des Arsenals.<br />

Hoffen, daß er hier bleiben kann, daß er zur Behandlung in eine Anstalt kommt u.<br />

nicht etwa abreisen muß! Da hinunter! Hoffentlich fügt es sich gut.“<br />

Trotz der sehnsüchtigen Wünsche seines Vaters mußte Peter bald wieder zum<br />

aktiven Dienst zurückkehren. Er hatte jedoch den Kontakt zu seiner Einheit<br />

verloren und konnte ihn wegen der zusammengebrochenen Verbindungen auch<br />

nicht wieder herstellen; so wurde er während der nächsten paar Monate <strong>von</strong> einer<br />

Dienststelle zur ändern geschickt. Bei seiner Odyssee gab es eine verhältnismäßig<br />

ruhige Periode (<strong>von</strong> Ende November bis Anfang Februar 1945), als er in einem<br />

Nachschubdepot in Znaim Dienst tat, Wien nahe genug, um recht oft nach Hause<br />

kommen zu können.<br />

Zu Beginn des Jahres 1945 trat die hoffnungslose Lage der deutschen Armeen<br />

allgemein irs Erscheinung. Nur noch in Rückzugsgefechte verwickelt, wurden sie an<br />

allen Fronten zurückgedrängt. Am 30. Januar hielt Hitler eine Rundfunkrede ans<br />

deutsche Volk in einem letzten verzweifelten Versuch, dessen Glauben an seine<br />

Führereigenschaften neu zu beleben. Am nächsten Tag schriet) Peter an Hermine:<br />

„Gestern war ich bei einer Kundgebung in Znaim. Diese war in der Klosterbruggkaserne<br />

in der Reithalle. Es sprach Parteigenosse Frauenfeld, den Du ja vielleicht aus<br />

der Verbotszeit her kennen wirst. Er hat sehr gut und mitreißend gesprochen.<br />

Abends um 7 Uhr stieg dann unser Kameradschaftsabend in der Kantine. Es gab<br />

Bier und Wein, und außerdem bekam jeder zwei Butterbrote dick belegt mit<br />

Schinken und eine Gurke. Es war recht nett und wir plauderten und sangen.<br />

Nachdem ziemlich viel Wein vorhanden war, kamen wir auch in recht gute<br />

Stimmung.“ So versuchte die Armee, die Moral hochzuhalten.<br />

Peter fuhr fort: „Die Arbeit hier ist immer gleichbleibend, manche Tage weniger<br />

zu tun und dann wieder so viel Arbeit, daß der Tag zu kurz wird. Aber wenn es hier<br />

auch noch so viel Arbeit gibt, immer noch kein Vergleich mit den Anstrengungen<br />

und Entbehrungen, die die Landser an allen Fronten tragen müssen. Ja, meine liebe<br />

Hermi, es ist bestimmt eine sehr schwere und ernste Zeit, aber trotz alledem dürfen<br />

wir nicht den Mut verlieren. Es gibt jetzt nur für uns alle die eine Parole: ,Kämpfen<br />

und Arbeiten“ mit allen Anstrengungen bis der Sieg unser ist. Denn der Sieg wird<br />

544


unser sein, daran glaube ich noch genau so wie früher. Und heute, nachdem ich die<br />

Rede unseres Führers gehört habe, wurde ich in meinem Glauben noch gestärkt.<br />

Also, meine liebe Hermi, sei nicht verzagt und verliere den Mut nicht, und lasse Dich<br />

nicht durch die Miesmachereien so mancher Menschen beeinflussen. Auch für uns<br />

wird die Sonne wieder scheinen, und wir werden alles das wieder haben, was wir jetzt<br />

entbehren müssen. Wir werden unser Leben schön gestalten und alle unsere<br />

heimlichen Wünsche werden in Erfüllung gehen. Ich habe Dich doch so unendlich<br />

lieb und denke Tag und Nacht an Dich, und bist Du doch der wertvollste und liebste<br />

Mensch, den ich auf der Welt besitze. Ja, ich möchte Dir einmal so richtig sagen<br />

können, wie ich Dich liebe, aber diese Worte gibt es nicht, um Dir das sagen zu<br />

können, aber ich glaube Du wirst es fühlen wie ich Dich, mein Frauerl, liebe.“<br />

Zwei Wochen später war Peter <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> tot. Mit ein paar Kameraden <strong>von</strong> der<br />

Abteilung in Znaim war er nach Dresden geschickt worden, <strong>von</strong> wo er nach<br />

Jugoslawien weiterbeordert wurde. Am Abend des 10. Februar traf er überraschend<br />

in Perchtoldsdorf ein und besuchte am nächsten Morgen zusammen mit Hermine<br />

seine Eltern. Am selben Abend mußte er in die Kaserne zurück, und am Morgen war<br />

er bereits im Zug nach Agram in Jugoslawien. Während eines langen Aufenthalts in<br />

Wiener Neustadt schrieb er seiner jungen Frau: „Bis Mödling habe ich immer beim<br />

Fenster hinausgeschaut und meine Heimat betrachtet und daran gedacht, wieviele<br />

schöne Stunden ich in dieser Gegend mit Dir verbracht habe . . . Noch nie ist mir<br />

der Abschied so schwer gefallen wie gestern, ich weiß nicht wieso.“<br />

Es war bereits nach Mitternacht, als der Zug <strong>von</strong> Wiener Neustadt abfuhr. An<br />

diesem Tag - es war der 13. Februar, als Wien <strong>von</strong> besonders schweren<br />

Luftangriffen heimgesucht wurde —rollte der Truppentransport langsam seinem<br />

Bestimmungsort entgegen. Da die Schienen durch Luft- und Partisanentätigkeit<br />

aufgerissen waren, wurde die Fahrt wiederholt unterbrochen. Erst am 14. Februar<br />

gelangte der Zug in die Nähe <strong>von</strong> Lindenkogel in der Niedersteiermark, wo er <strong>von</strong><br />

einem Tiefflieger überrascht wurde. Drei Tage später schickte ein Kamerad Peters,<br />

Alfred Gundel, diesen Bericht an Hermine: „Auf der Strecke zwischen Marburg<br />

und Agram, kurz nach der Durchfahrt eines Tunnels, hielt der Zug an. Peter saß<br />

neben rnir in einem Abteil des ersten Waggons hinter der Lokomotive. Da im Abteil<br />

jemand da<strong>von</strong> sprach, der Zug sei mit einem anderen zusammengestoßen, wurden<br />

wir vorn unmittelbaren Abspringen aus dem Zug abgehalten. Erst als wir das<br />

Flugzeug herannahen hörten, sprangen wir ab, leider aber in der Aufregung nach der<br />

unrichtigen Seite. Nachdem ich den neben dem Geleise ziehenden Graben<br />

übersprungen hatte und zu Fall gekommen war, ging die erste Garbe aus der<br />

Bordkanone des Flugzeuges auf die Maschine des Zuges und damit noch auf die<br />

ersten Waggons. Peter, der eben in diesem Moment entweder noch am Abspringen<br />

war oder aber auch schon am Boden war, wurde <strong>von</strong> einer Kugel am Oberschenkel<br />

ziemlich stark auf gerissen, während unser Kamerad Eckert getötet wurde. Peter<br />

ertrug seine Schmerzen sehr tapfer und sprach sehr frisch mit mir, so daß ich sicher<br />

glaube, daß er wieder vollständig geheilt werden wird, nachdem er schon nach<br />

kürzester Zeit <strong>von</strong> einem Lazarettzug in die Heimat transportiert wurde.“<br />

Dieser Brief, wie auch eine Darstellung ähnlichen Inhalts eines anderen<br />

545


Kameraden, <strong>Anton</strong> Schnabel, traf erst am 13. März bei Hermine ein. Beide waren<br />

längst überholt <strong>von</strong> der offiziellen Mitteilung <strong>von</strong> Peters Tod. Als Hermine am<br />

Mittag des Samstags, des 3. März, <strong>von</strong> der Arbeit nach Hause kam, erwartete sie ein<br />

Brief <strong>von</strong> Major Goeser, dem Kommandeur der Garnison <strong>von</strong> Znaim. Er enthielt<br />

die Nachricht, daß Peter seinen Verletzungen im Lazarettzug erlegen sei. Sein<br />

Beileidsschreiben beschloß Major Goeser mit den Worten: „Mögen Sie Trost finden<br />

in dem Gedanken, daß Ihr Mann durch sein letztes Opfer und die höchste<br />

Pflichterfüllung dem Vaterlande gedient hat, und daß sein Tod beitragen wird zur<br />

endlichen Befreiung unseres Volkes.“<br />

Eine Stunde später suchte der Blockwart der Perchtoldsdorfer Ortsgruppe der<br />

NSDAP Hermine auf, da es üblich war, daß Todesnachrichten <strong>von</strong> einem<br />

Funktionär der Partei persönlich überbracht wurden. Er händigte ihr den offiziellen<br />

Bericht aus, der am 21. Februar in Marburg/Drau ausgefertigt worden war. In ihm<br />

hieß es, Peter sei am 14. Februar durch Lungenembolie gestorben und am 19. auf<br />

dem städtischen Friedhof „zusammen mit anderen verstorbenen bezw. beim<br />

Luftangriff auf Marburg gefallenen Kameraden mit milit. Ehren und im Beisein<br />

eines kath. Geistlichen“ beigesetzt worden.12<br />

Hermine war zunächst vom Schock wie gelähmt. Erst allmählich kam es ihr zum<br />

Bewußtsein, daß es ihre Pflicht war, Peters Eltern vom Tode ihres Sohnes zu<br />

benachrichtigen. Zusammen mit ihrer Schwester Lotte begab sie sich am gleichen<br />

Nachmittag zum Haus Im Auholz. Hermine erzählte später, wie <strong>Webern</strong> unter dem<br />

Schlag der tragischen Nachricht sich als erstes seiner Frau zuwandte und sie in die<br />

Arme schloß.13 Aber es war nicht er, der Trost spendete. Seine instinktive Geste war<br />

vielmehr die eines zutiefst Getroffenen, der der Hilfe bedurfte, der sich an jemanden<br />

klammern mußte, der stark genug war, ihn nicht zusammenbrechen zu lassen. So<br />

wurde Wilhelmine in dieser schweren Stunde für <strong>Webern</strong> wiederum zu der<br />

Dreifaltigkeit, für die er selbst die Worte: Minna, Mutter, Königin geprägt hatte.<br />

Und wie die Mutter der Schmerzen, waltete sie ihres Amtes.<br />

Später trafen Amalie und ihr Mann ein, und die gemeinsame Trauer im Kreis der<br />

Familie half, ihren Schmerz und ihre Pein zu lindern. Die <strong>Webern</strong>s bestanden<br />

darauf, daß Hermine diese Nacht bei ihnen verbringe. Sie schlief in Peters einstigem<br />

Zimmer im oberen Stockwerk. Am nächsten Vormittag, einem Sonntag, begleitete<br />

sie <strong>Webern</strong> zurück nach Perchtoldsdorf. Hermine erzählte, daß <strong>Webern</strong> sie beim<br />

Abschied mit den Worten umarmte: „Du hast nach Deinem Vater nun auch Deinen<br />

Mann verloren. Ich will jetzt beides für Dich sein.“ In ihrem Schmerz gewann<br />

Hermine ein tiefes Gefühl der Geborgenheit aus diesen Worten. Vater und<br />

Schwiegertochter standen lange auf der Straße und weinten offen, als sie einander<br />

umschlungen hielten.<br />

Hermine und <strong>Webern</strong> unterzogen sich gemeinsam der traurigen Pflicht, die<br />

Todesanzeige vorzubereiten. Infolge des Krieges hatten die meisten Druckereien<br />

längst aufgehört zu arbeiten. Wiederholt gingen Vater und Schwiegertochter zu den<br />

Mönchen der Abtei St. Gabriel und baten sie inständig, die Anzeigen zu drucken.<br />

Während eines dieser Besuche, die sich als vergeblich heraussteilen sollten, traten<br />

sie in die dunkle Kirche ein, um zu beten. Als sie durch das Mittelschiff auf den<br />

546


Hauptaltar zugingen, wurde die Stille plötzlich vom Klang der Orgel und <strong>von</strong><br />

Chorgesang unterbrochen. Es war Fastenzeit und die Mönche probten für die<br />

Passions- und Auferstehungsgottesdienste. In dieser feierlichen Stunde fand<br />

<strong>Webern</strong>s und Hermines Trauer Befreiung in hemmungslosen Tränen. Niemand war<br />

zugegen, der sie hätte sehen können, und ihr Schluchzen ging in der Musik unter. Es<br />

dauerte lange, bis sie sich wieder in der Gewalt hatten. Schließlich breitete die<br />

gleiche Musik, die ihre wunden Herzen so aufgewühlt hatte, einen Mantel des<br />

Trostes über sie. Gestärkt und gehobenen Mutes verließen sie die heilige Stätte.<br />

Die Todesanzeige wurde zu guter Letzt in Perchtoldsdorf gedruckt. Wegen der<br />

Materialknappheit mußte Hermine nicht nur das Papier beschaffen (<strong>von</strong> einem<br />

Schreibblock, den sie zu Hause fand), sondern auch den Trauerrand und das Kreuz<br />

mit <strong>Webern</strong>s Hilfe einschwärzen.14 Der Text lautete:<br />

M o!n [r.nlßslgßlieblar G o ü o , unser Sohn und B ru der<br />

Gefrelfer P a t e r ¥£10 W e ie r s !<br />

versch ied noch isdr-verar Verw undung am 14. Fc-kruar 1 9 4 S im A!i& r<br />

<strong>von</strong> 2 9 Jahren.<br />

E r v.-urd-a c n i 1 9 . F e b ru a r o : i sfö d lsc h e n F rie d h o fs !n M c u lu r ö e s /d D


nerte sich, daß die höhlenartige Kammer mit ihren tropfenden Felswänden <strong>Webern</strong><br />

zutiefst berührte.<br />

Als der Alarm vorbei war, begab sich Hermine mit den Eltern <strong>Webern</strong> zu dem<br />

kleinen Gartenhaus, das sie und Peter während der wenigen Jahre ihrer Ehe<br />

bewohnt hatten. An der Wand hing das Ölporträt, das Tom <strong>von</strong> Dreger 1934 gemalt<br />

und das <strong>Webern</strong> dem jungen Paar zu seinem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest im<br />

Jahre 1941 geschenkt hatte. Während sie in dem Zimmer saßen, in dem Peter einund<br />

ausgegangen war, versuchten die drei ihren Kummer durch Erinnerungen an<br />

bessere Tage zu beschwichtigen. Im Verlauf der nächsten Wochen kamen die<br />

<strong>Webern</strong>s mehrmals zu dem kleinen Haus zurück, als ob sie sich <strong>von</strong> dem Ort, wo ihr<br />

Sohn seine glücklichsten Stunden verlebt hatte, nicht losreißen könnten.


34. Katastrophe und Huebt (1945)<br />

Die arme Freude<br />

D er M ensch:<br />

„Liebe Freude, gingst du aus?<br />

Kommst du nim m erm ehr?“<br />

D ie Freude:<br />

„O, mich findet du und der.<br />

Blieb im Lebenshaus,<br />

auch in allerärgster Zeit:<br />

wohn in einer Kammer<br />

mit der Schwester Herzeleid,<br />

mit dem Bruder Jam m er.“<br />

Für Hildegard Jone war es eine liebgewordene Gepflogenheit, ihren Botschaften an<br />

<strong>Webern</strong> gelegentlich eines ihrer neuesten Gedichte beizulegen. Nicht selten brach<br />

sie sogar innerhalb <strong>von</strong> Passagen ihrer Briefe spontan in Verse. Dieses oben<br />

wiedergegebene kleine Gedicht, das in seiner Schlichtheit an Matthias Claudius<br />

erinnert, entsprang einer solchen plötzlichen Eingebung. Es erschien am Schluß des<br />

letzten erhalten gebliebenen Briefes, den Hildegard Jone <strong>Webern</strong> am 20. Februar<br />

1945 schrieb. In ihm offenbarte die Dichterin das volle Ausmaß ihrer menschlichen<br />

Größe. Ihre stets konstruktive Lebensphilosophie triumphierte über den Ansturm<br />

widriger Mächte, und mit allumfassender Liebe klammerte sie sich an die<br />

unvergängliche Schönheit des Daseins. Im gleichen Brief schrieb sie in Würdigung<br />

der Tapferkeit angesichts härtester Prüfungen für alle, die ihr nahestanden:<br />

„Überhaupt das Menschliche, das heute wie eine reine Flamme aus dem Brand der<br />

Zeit schlägt! Was für Aussichten in aller Unsichtigkeit. Vor dem neuen Kälteeinbruch<br />

habe ich schon einige Primeln gefunden, so zwischen Alarm u, Alarm. Die<br />

Freude an den kleinen Dingen, wie vermag sie groß zu sein!“<br />

Nur ein Mensch mit wirklich starkem Charakter konnte das flackernde Licht der<br />

Zuversicht mit solcher Gelassenheit am Verlöschen hindern. Eine schwächere<br />

Persönlichkeit hätte vielleicht schon unter einem einzigen harten Schicksalsschlag<br />

den Mut sinken lassen, wie etwa dem Luftangriff, der die dem Untergang geweihte<br />

Stadt am Tage, nach dem die Dichterin diese Zeilen zu Papier gebracht hatte,<br />

heimsuchte. Am 26. Februar, im letzten Brief, der Humpelstetter noch erreichte,<br />

bevor er in Gefangenschaft geriet, beschrieb <strong>Webern</strong> die Lage: „Was wir hier<br />

durchzumachen haben, da<strong>von</strong> werden Sie wohl erfahren: vergangenen Mittwoch, d.<br />

21. II., gab es einen Höhepunkt! Ich konnte schon eine ganze Woche nicht nach<br />

Wien gelangen: es gab keine Verbindung. Als ich heute vor acht Tagen zuletzt drin<br />

war, mußte ich ab Stadtbahn Meidling zu Fuß nach Hause. Ähnlich war es mir schon<br />

549


die Woche vorher ergangen. Ja, was schon allein die durch solche Einwirkungen<br />

hervorgerufene Verkehrscalamität in einer so großen Stadt bedeuten muß, war ja<br />

nicht vorstellbar, dazu der Mangel an Wasser, Licht und Gas. Was manche Bezirke<br />

schon allein dadurch getroffen hat, ist unsagbar. Aber ich will Ihnen nicht das Herz<br />

noch schwerer machen.“<br />

Eine Postkarte mit ähnlichen Schilderungen, die <strong>Webern</strong> Ludwig Zenk zwei Tage<br />

zuvor geschickt hatte, traf erst am 9. März ein (einem Bleistiftvermerk zufolge, den<br />

Zenk an den Rand geschrieben hatte). Die Tatsache, daß die Postzustellung<br />

innerhalb der Stadt dreizehn Tage benötigte, beleuchtet die damaligen chaotischen<br />

Zustände. In diesen schweren Tagen kamen <strong>Webern</strong> und Zenk häufig zusammen,<br />

ihr persönlicher Kontakt endete jedoch mit dem verheerenden Luftangriff vom<br />

21. Februar.1 Zenk erinnerte sich später: „<strong>Webern</strong> hat unter der Bombenzeit<br />

unermeßlich gelitten! Wir haben es alle - weiß Gott!!! Aber <strong>Webern</strong> war ganz am<br />

Rande . . ,“2<br />

Ende Februar 1945 versiegten <strong>Webern</strong>s Einkommensquellen. Die letzte Eintragung<br />

in sein Kontobuch, die sich auf seinen Vortragskurs bezieht, erscheint im<br />

Januar, und die Posten für Februar bestehen lediglich aus den Unterrichtshonoraren<br />

zweier Privatschüler (Ratz und Leyer) sowie einer Zahlung <strong>von</strong> der Universal<br />

Edition. <strong>Webern</strong> trug noch die Überschrift „März“ in sein Buch ein, aber die Seite<br />

darunter blieb leer, ein stummes Zeugnis für den sein Innerstes erschütternden<br />

Schmerz, der ihn mit dem Tod seines Sohnes erfaßte, <strong>von</strong> dem er am 3. März erfuhr.<br />

In diesem Monat trat der Krieg in seine Endphase ein. Die deutschen Armeen, die<br />

den Russen noch Widerstand geleistet hatten, befanden sich auf dem Rückzug. Am<br />

7. März überschritten die westlichen Alliierten den Rhein, nachdem sie die stark<br />

befestigte Siegfriedlinie durchbrochen hatten.3 Die Entscheidung in dem langen und<br />

qualvollen Kampf stand bevor. Seit dem Sommer 1944 hatte der Ansturm auf Wien<br />

und seine Umgebung aus der Luft an Intensität unaufhaltsam zugenommen. Die<br />

herrschenden Zustände wurden <strong>von</strong> Hermine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> beschrieben, die über<br />

diese Zeit ein Tagebuch führte. Sie trug das Büchlein immer bei sich und machte<br />

viele der Eintragungen bei Kerzenlicht in Bunkern und Keilern. Jedermann war in<br />

diesen Tagen aufs Radio angewiesen, wenn es galt, sofortige Information zu<br />

erhalten. Vor jedem Fliegerangriff unterbrachen Kuckuckrufe das jeweilige<br />

Programm. Dem Signal folgte eine Durchsage der drohenden Gefahr, aus welcher<br />

Richtung die feindlichen Verbände sich näherten und welche Bezirke das<br />

wahrscheinliche Ziel darstellten. Dann wurde der elektrische Strom abgeschaltet,<br />

und die Sirenen begannen in den Straßen zu heulen. Die Anweisungen der<br />

zuständigen Luftschutzwarte nicht zu befolgen oder nicht den nächstgelegenen<br />

Bunker aufzusuchen, wurde mit strengen Strafen geahndet.4 Jedermann hatte einen<br />

Rucksack mit warmer Kleidung, eine Decke und Notproviant bereitzuhalten, um<br />

gegebenenfalls auch längere Zeit in den oft feuchten Gewölben aushalten zu<br />

können. Gegen Kriegsende wurden Gasmasken ausgegeben.<br />

Unter solchen Bedingungen nehmen Hermines Tagebucheintragungen, knapp<br />

und sachlich, wie sie sich darstellen, eine drastische Unmittelbarkeit an. Aus der<br />

Fülle ihrer Notizen, die sie Anfang 1945 machte, seien nur einige wenige hier zitiert:<br />

550


„Mittwoch, 7. Feb. - 11.40 bis 15.30 h Alarm, zu Fuß nach Hause gegangen. Angriff<br />

Wien: Ring, Gauhaus, Rathaus, Burggasse, Franz-<strong>Josef</strong>-Bahnhof, Westbahnstrecke,<br />

viele Verbände, Rückflug über uns, Flugzeug abgeschossen, .Spielzeug<br />

abgeworfen [zu Propagandazwecken warfen Alliierte Flugzeuge gelegentlich<br />

Spielzeug für kleine Kinder ab].<br />

Donnerstag, 8. Feb. - 11.45 bis 14.15 Alarm, mit Fahrrad nach Hause gefahren,<br />

während erster Angriffswelle mit Schießen noch im Zimmer gewesen, Detonationen<br />

stark gehört. Angriff Wien.<br />

Dienstag, 13. Feb. - 11.30 bis 13.30 h Alarm, 14.30 h Kuckuck, Terrorangriff auf<br />

Wien: X., V., XI., III. Bezirk u. s. w. Arsenal. 19.45 h Anflug Kärnten-<br />

Steiermark, Angriff Graz, Bombe Rupp, kleine Bombe Marz, Hochstraße, nicht<br />

explodiert. [Die Häuser Rupp und Marz befinden sich in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft <strong>von</strong> Hermines Elternhaus.]<br />

Freitag, 16. Feb. - kein Licht, kein Gas, keine Straßenbahn, keine Sirenen. Voralarm<br />

11.15 bis 13.30 h.“<br />

Hermines Tagebuch hält auch die Angriffe fest, die am 19., 21. und 22. Februar<br />

folgten. Im benachbarten Liesing wurden das Versorgungslager und das Gebäude<br />

getroffen, in dem das Arbeitsamt (die Dienststelle, wo Hermine ihren Kriegsdienst<br />

ableisten mußte) getroffen. Es gab sieben Tote. Im März verdichtete sich die Folge<br />

der Bombardements. Alles, was sich nach Hermines Aufzeichnungen in Perchtoldsdorf<br />

zutrug, galt auch gleichermaßen für das nur vier Kilometer entfernte Maria<br />

Enzersdorf. Die <strong>Webern</strong>s und ihre Tochter Amalie (die Im Auholz 2, nur ein paar<br />

Häuser weiter wohnte) wurden dem öffentlichen Bunker in der Vorderbrühl<br />

zugewiesen, der etwa 15 Gehminuten entfernt war. Dieser Schutzraum wurde <strong>von</strong><br />

Amalie wie folgt beschrieben: „Er faßte ca. 2000 Menschen. In den Berg war ein<br />

Stollen gesprengt worden, richtig gestützt und betoniert, mit einem Rot-Kreuz-<br />

Dienst und Betreuung für Kinder und alte Leute. Bei all diesen Bunkern bestand die<br />

Sorge, daß durch eine Bombe der Ausgang verschüttet würde. Das hätte<br />

unweigerlich zu einem Massensterben geführt. Vater mochte diesen Bunker nicht.<br />

Ich war auch nicht oft darin, weil mir das Dahingehen zu beschwerlich wurde, zuerst<br />

in meiner Schwangerschaft und danach mit einem Kind am Arm, das andere an der<br />

Hand. Überdies wurden zum Schutze vor den Fliegern die nahegelegenen Ostmark-<br />

Werke (dort wurden Flugzeuge gebaut) vernebelt, und dieser Nebel zog sich in<br />

dichten Schwaden über den Wasserleitungsweg, welchen wir benutzen mußten, um<br />

zu diesem Bunker zu gelangen. Ich weiß nicht, was das für ein Gas war, jedenfalls<br />

stank es fürchterlich, und wir mußten alle heftig husten. So zogen wir es vor, in<br />

unserem Haus die Angriffe abzuwarten. Die Eltern kamen immer zu uns ins Haus,<br />

nicht weil es mehr Schutz hatte, sondern sollte etwas passieren, dann lieber gleich<br />

alle.“5<br />

Schon in den frühen Morgenstunden konnte inan Mütter und Kinder zu den<br />

Luftschutzräumen eilen sehen, da sie fest mit einem neuen Alarm rechneten. Sie<br />

glichen Ausflüglern auf dem Weg zu einem Ferientag auf dem Lande, ihr Rucksack<br />

enthielt aber nur Dinge, die ihnen am meisten ans Herz gewachsen waren oder deren<br />

sie dringend bedurften; denn keiner wußte, ob sein Haus bei seiner Rückkehr noch<br />

551


stehen würde. Schon Stunden vor dem eigentlichen Alarm bildeten sich Gruppen<br />

vor den Bunkern. Jeder wollte sich einen guten Platz sichern. Früher waren die<br />

Luftangriffe nur bei Tageslicht erfolgt, doch ab März begannen sie auch nachts<br />

stattzufinden. Die Alliierten teilten sich in die Bombardements: die amerikanischen<br />

Formationen flogen untertags vom Süden her ein, und die russischen Verbände<br />

griffen nachts vom Osten her an.<br />

<strong>Webern</strong>, durch Peters Tod bereits <strong>von</strong> Schmerz überkommen, litt unsägliche<br />

seelische Qualen durch die täglichen Luftangriffe. Das Geheul der Sirenen, das<br />

ständige Knattern der Flak und die ohrenbetäubenden Detonationen der Bomben<br />

waren zermürbend für einen Mann, der schon unter normalen Umständen<br />

ungewöhnlich lärmempfindlich war. Er, dessen Glaube zu allen Zeiten unerschütterlich<br />

gewesen war, begann an einer höheren Vorsehung zu zweifeln. Amalie, die<br />

im Erdgeschoß des Wallerschen Hauses wohnte und ihren Vater oft Vorbeigehen<br />

sah, hörte, wie er einmal ausrief: „Mein Gott, warum konntest Du dies zulassen?!“<br />

An der Ostfront trat eine rapide Verschlechterung der Lage ein. Die deutschen<br />

Armeen befanden sich voll auf dem Rückzug und die Russen drangen durch die<br />

Tschechoslowakei, Ungarn und die Balkanländer vor. Gerüchte über das Herannahen<br />

des Feindes schwirrten allerorts. Die Rundfunknachrichten klangen zwar nach<br />

wie vor beruhigend, aber die Tatsache, daß die Russen bereits in zwei österreichischen<br />

Provinzen, dem Burgenland und Niederösterreich, einmarschiert waren, ließ<br />

sich nicht verleugnen. Gegen Ende März begann die Massenevakuierung der<br />

Zivilbevölkerung. Die „U-Karte“, die offizielle Ermächtigung zur Umquartierung<br />

in einen anderen Wohnort, wurde zu einem neuen Begriff. Sie wurde zuerst nur an<br />

Mütter und Kinder ausgegeben, bald aber auch an Ältere und Kranke.<br />

Die <strong>Webern</strong>s machten bereits Pläne, mit Amalie und ihren beiden Buben nach<br />

Mittersill zu flüchten, wo sich schon Maria und Christine mit ihren Kindern<br />

befanden. Am Dienstag, 27. März, schrieb Hermine in ihr Tagebuch: „Nachmittags<br />

18 Uhr bei Schwiegereltern, sehr traurig, haben U-Karte für Mittersill erhalten,<br />

Vater hat mich zur Straßenbahn begleitet.“ Beim Abschied beschwor <strong>Webern</strong><br />

Hermine, mit ihnen zu kommen. Am darauffolgenden Tag, dem 28. März - es waren<br />

fünf Tage vor Ostern kamen <strong>Anton</strong> und Wilhelmine am Nachmittag nach<br />

Pei'chtoldsdorf, um Hermine und ihrer Mutter ein letztes Lebewohl zu sagen.<br />

Hermines Tagebucheintragung vom Karfreitag, 30. März, lautete: „Sehr traurig,<br />

jeder weinte auf der Straße, Siebenhirten-Vösendorf [Gemeinden in der unmittelbaren<br />

Nachbarschaft <strong>von</strong> Perchtoldsdorf] evakuiert. 10 bis 13.45 Uhr Alarm,<br />

Anflug <strong>von</strong> Westungarn, Angriffe im nördl. und nordöstlichen Wien. Mit Lotte Loch<br />

gegraben [um Wertgegenstände zu verstecken]. Am Nachmittag in Wien gewesen,<br />

alles in Aufruhr wegen Evakuierungen.“<br />

Am nächsten Tag schrieb Hermine in ihr Notizbuch: „10.30 bis 16.30 Uhr Alarm,<br />

Frau W. mit Kinder weg, vorm. bei Schwiegereltern gewesen, nicht mehr<br />

angetroffen, bereits um V2 6 Uhr früh zu Fuß nach Mittersill aufgebrochen. Mali mit<br />

Kindern evakuiert, Gunter Volkssturm, gegraben und gepackt.“ Frau W., die im<br />

Haus neben dem Schubertschen wohnte, war die Frau eines hohen Parteifunktionärs.<br />

Für Leute wie sie war es höchstes Gebot, bis zum letzten Augenblick<br />

552


auszuharren, und ihre überstürzte Abreise war das Signal: „Rette sich wer kann!“<br />

Wer das sinkende Schiff nicht verließ, richtete sich auf die Ankunft der Russen ein.<br />

Allerorts wurden Löcher gegraben, in denen Hab und Gut versteckt wurde.<br />

Hermine und ihre Schwestern verbargen auf diese Weise ihre Nähmaschinen und<br />

Fahrräder, die zuerst auseinandergebaut werden mußten, sowie ihre Wäsche,<br />

Kleider und sonstigen Hausrat. Die jungen Frauen hatten sich entschlossen, mit<br />

ihrer Mutter in Perchtoldsdorf zu bleiben und ihr Schicksal dort zu erwarten.<br />

Am 3. April überbrachte Gunter Waller, Amalies Mann, Hermine einen<br />

Abschiedsbrief, den <strong>Webern</strong> ihr am Abend des Karfreitags geschrieben hatte:<br />

„Mein liebes, liebes Kind! So ist es Wirklichkeit geworden: wir müssen morgen weg!<br />

Zu Fuß! Denn es gibt keine Fahrgelegenheit für uns! Mali mit den Buberln fährt in<br />

einem der Autobusse, die für die zu evacuierenden Frauen mit kleinen Kindern<br />

bereitgestellt sind! Unser Ort, sowie Mödling wird ab morgen (Samstag) früh 4h<br />

evacuiertü! Das ist so plötzlich gekommen, daß wir uns auf diese Weise <strong>von</strong> Dir und<br />

den Deinen verabschieden müssen. Haben den heutigen Tag benützt um alles in<br />

Ordnung zu bringen und unsere Sachen zu packen. Jeder hat einen Rucksack. Wir<br />

hoffen unterwegs in Lastautos u. s. w. unterzukommen - streckenweise wenigstens.<br />

Vielleicht gibt es auch weiter im Westen die Möglichkeit mit der Bahn zu fahren.<br />

Unser Ziel: Mittersill! Umquartierungsschein u. s. w. haben wir. Sind gedeckt. Auch<br />

ich als Mann! Man soll sogar gehen. Wann kommt Perchtoldsdorf dran? Vermutlich<br />

in den allernächsten Tagen. Bleibet im Verband der Evacuierten, insoweit Ihr<br />

darunterfällt! Hoffentlich geht alles gut. Schreibe uns nach Mittersill. Mutter und<br />

Elly [Hermines Schwester Gabriele, die durch Multiple Sklerose gelähmt war]<br />

werden sicher fahren können! (Autobus). Ihr Ändern habt ja Räder! Könnten wir<br />

zusammen bleiben!!! Wie schwer diese Trennung! Unter solchen Umständen! Gott<br />

beschütze Dich und die Deinen! Lebt wohl! Tausend innige Küsse! Auf Wiedersehen,<br />

hoffentlich bald!!! Vater und Mutter.“ In einer Aufwallung väterlicher Liebe<br />

fügte <strong>Webern</strong> hinzu: „Sei umarmt!“<br />

Zur Zeit, als Gunter diesen Brief überbrachte, war der Anfang vorn Ende<br />

gekommen. Am Ostersonntag, dem Tage nach <strong>Webern</strong>s Flucht, standen die Russen<br />

vor Baden bei Wien. Hermines Tagebucheintragungen berichten <strong>von</strong> nunmehr<br />

anhaltenden Fliegerangriffen. Arn Abend des 4. April sah sie vom Hochberg, einem<br />

Hügel in der Nähe, die Brände in Brunn am Gebirge, Maria Enzersdorf und<br />

Mödling. Am Donnerstag, dem 5. April, fiel Mödling. Herrnines Tagebucheintragung<br />

für diesen Tag lautete: „Unser Hochzeitstag (1941), Russen in Maria<br />

Enzersdorf, Gießhübl, Triesterstraße, seit 11 Uhr vormittags Artilleriefeuer, im<br />

Keller bei Onkel Tastl einquartiert - Weine, Schnäpse, Lebensmittel frei verteilt.<br />

DAF [Deutsche Arbeitsfront]-Gebäude in der Beatrixgasse gesprengt und angezündet.“<br />

Die Endkrise war hereingebrochen. Hermines Aufzeichnungen für die nächsten<br />

paar Tage sprechen für sich selbst:<br />

„Freitag, 6. April: Starkes Artilleriefeuer, Bomben ~~bei Schnötzinger [Hermines<br />

Schwester und Schwager] im Bunker gewesen - im Keller geschlafen.<br />

Samstag, 7. April: Sehr starkes Artilleriefeuer, konnten nicht mehr auf die Straße<br />

553


gehen - Essen nur wärmen. Nachmittags Einschläge und Brände in der Hochstraße,<br />

in Wohnung Fenster kaputt - im Keller geschlafen - bisher schlimmster Tag!<br />

Sonntag, 8. April: Nachts Artilleriebeschuß, untertags weiteres starkes Feuer - nur<br />

im Keller gewesen - 19 Uhr Panzerspitzen, 19.15 Uhr russische Infanterie <strong>von</strong><br />

Moskau <strong>von</strong> Semlergasse in die Hochstraße marschiert.“<br />

Hermine beobachtete das Eintreffen der ersten russischen Soldaten durch einen<br />

Spalt im Verschlag des Kellerfensters. Zuerst tauchten sie einzeln, dann in Gruppen<br />

<strong>von</strong> zwei oder drei Mann in der dunklen Gasse auf. In ihren Tamanzügen sahen sie<br />

wie Gespenster aus: über die Schultern hatten sie grün und braun gefleckte Planen<br />

geworfen und <strong>von</strong> ihren mit Zweigen besteckten Stahlhelmen hingen sandfarbene<br />

Netze. Mit den Gewehren im Anschlag bewegten sie sich lautlos <strong>von</strong> Tür zu Tür, zur<br />

Deckung mit dem Rücken gegen die Mauern der Häuser. Es war ein furchterregender<br />

Anblick.<br />

Zwei Tage später, am 10. April, fiel Wien. Ein Großteil der Stadt lag in<br />

Trümmern, und eine Reihe ihrer weltberühmten Bauten - wie der St. Stephans-<br />

Dom, die Staatsoper und das Burgtheater - waren so gut wie zerstört. Das Ende<br />

einer Epoche war gekommen.<br />

Am Abend des 31. März, dem Tage, an dem sie bei Morgengrauen <strong>von</strong> zu Hause<br />

aufgebrochen waren, erreichten <strong>Anton</strong> und Wilhelmine Neulengbach, eine Eisenbahnstation<br />

an der Linie nach Salzburg, nicht weit <strong>von</strong> St. Pölten. Sie hatten, bepackt<br />

mit ihren schweren Rucksäcken, die ganzen 25 Kilometer zu Fuß zurückgelegt. Die<br />

Strapazen und die auf diesem Gewaltmarsch ausgestandenen Ängste sind kaum<br />

vorstellbar. Wilhelmine hätte wohl den zur Evakuierung <strong>von</strong> Frauen und Kindern<br />

verfügbaren Autobus benützen können, doch sie weigerte sich, ihren Mann sich<br />

selbst zu überlassen. In Neulengbach hatte das Paar das Glück, in einen nach Westen<br />

fahrenden Zug einsteigen zu können.6<br />

Amalie Waller und ihre beiden kleinen Buben, die Mödling am gleichen Tag mit<br />

dem Bus verlassen hatten, fuhren in einer Gruppe <strong>von</strong> Flüchtlingen, deren Ziel<br />

Rosenheim in Bayern war, bis Innsbruck; dort faßte Amalie den Entschluß, sich<br />

abzusondern und sich zurück nach Mittersill durchzuschlagen. Ein Zug brachte sie<br />

nach Zell am See. Als sie dort am Ostermontag, dem 2. April, mit ihren Kindern auf<br />

dem Bahnsteig stand, um auf den Anschlußzug nach Mittersill zu warten, stand sie<br />

plötzlich ihren Eltern gegenüber. Später beschrieb sie das Wiedersehen: „Mein<br />

Vater war so erschüttert, daß er mich weinend in die Arme schloß und sagte: ,Mali,<br />

mein Kind, dies ist eine Fügung Gottes, nun wird alles gut.‘<br />

Zusammen stiegen sie in das Bähnchen ein, das durch den Pinzgau nach Mittersill<br />

führt, wo sie dann bald mit Maria, Christine und deren Kindern wiedervereint sein<br />

konnten. In der Geborgenheit des Hauses Burk Nr. 31 erlebte die Familie den<br />

Zusammenbruch des Deutschen Reichs. Am 30. April beging Hitler inmitten der<br />

rauchenden Trümmer Berlins Selbstmord. Deutschlands bedingungslose Kapitulation<br />

wurde am 7. Mai in Reims unterzeichnet und am Tag darauf in Berlin ratifiziert.<br />

554


Für die in ihrem entlegenen Zufluchtsort vereinte Familie <strong>Webern</strong> sollten noch<br />

bange Tage folgen, Tage, die erfüllt waren <strong>von</strong> der Sorge um die Sicherheit der<br />

Ehemänner der drei jungen Frauen. Wochen vergingen, bis der erste <strong>von</strong> ihnen,<br />

Gunter Waller, sich zu dem Dorf durchschlagen konnte. Er hatte Schlimmes hinter<br />

sich: Gegen Ende März war er zum Volkssturm eingezogen worden, einem in großer<br />

Hast aufgestellten Truppenkörper, zusammengewürfelt aus Jugendlichen und<br />

wehrunfähigen oder alten Männern, der noch als letzte Rettung zur Verteidigung<br />

des Vaterlandes aufgeboten wurde (Waller war in den ersten Kriegsjahren wegen<br />

einer permanenten Beinverletzung vom Wehrdienst befreit worden). Um 3 Uhr<br />

morgens hatte ihn ein Soldat aus dem Bett geholt und ihm befohlen, sofort<br />

mitzukommen. Er und andere Männer, die meisten gut über sechzig, wurden in<br />

Uniformen gesteckt und im Schnellverfahren in die rudimentärsten Dinge der<br />

Kriegsführung eingewiesen. Mit Panzerfäusten, deren Anwendung sie in einem<br />

Handbuch nachlesen mußten, gingen sie am 5. April an der Triesterstraße an einer<br />

mit gefällten Bäumen improvisierten Barrikade in Stellung, die sie vor den<br />

anrückenden russischen Panzern verteidigen sollten. Es währte nicht lange, bis eine<br />

Salve feindlichen Artilleriefeuers mehrere Volkssturmmänner tötete. Was <strong>von</strong> der<br />

Einheit übrigblieb, wurde rasch zurückgezogen und im LKW ins Waldviertel im<br />

Nordwesten <strong>von</strong> Wien zurücktransportiert. Während der Nacht verließen die<br />

Offiziere ihre Mannschaften und flohen, wobei sie die gesamten Benzinvorräte<br />

milnahmen. Ihrem Schicksal überlassen, schlugen sich die Männer bis in die Gegend<br />

<strong>von</strong> Linz durch, wo sie plötzlich <strong>von</strong> Insassen des Konzentrationslagers Mauthausen,<br />

die soeben befreit worden waren, angegriffen wurden. Aller ihrer Habseligkeiten<br />

beraubt, wurden einige zu Tode geprügelt, andere bewußtlos geschlagen. Gunter,<br />

dem nur die Unterwäsche arn Leib verblieben war, konnte sich in ein nahegelegenes<br />

Haus retten, wo ihn eine mitleidige Frau aufnahm und versorgte. Dann begab er sich<br />

auf einen abenteuerlichen Fußmarsch nach Mittersill. Einmal wurde er <strong>von</strong><br />

amerikanischen Soldaten gefangengenommen und in ein Lager gebracht. Von dort<br />

entkam er, indem er im Kugelhagel die eisige Salzach durchschwamm. Von nun an<br />

setzte er seinen Weg fast nur noch bei Nacht fort, auf freundlich gesinnte Bauern für<br />

Verpflegung und Unterschlupf angewiesen. Um die bewohnten Täler zu vermeiden,<br />

überquerte er die Hänge des mächtigen Hochkönigs, manchmal hüfttief im Schriee.<br />

Seine Stiefel waren ihm beim Überfall der Insassen des Konzentrationslagers<br />

abgenommen worden und die dünnen Lackschuhe, die man ihm dafür gelassen<br />

hatte, waren ein kümmerlicher Ersatz, der kaum imstande war, seine geschwollenen<br />

Füße zu schützen.<br />

In Mittersill stand Amalie eines Tages mit ihrem sieben Jahre alten Sohn Michael<br />

auf dem Balkon des Hauses, als ein abgerissen aussehender Mann den Hügel<br />

heraufwankte. „Da kommt ein Landstreicher, der will uns was wegnehmen!“, schrie<br />

ängstlich das Kind. Das war die Rückkehr Gunter Wallers zu seiner Familie, dessen<br />

Haar durch das, was er erlitten hatte, weiß geworden war.<br />

Die Schrecken des Krieges hielten auch nach Beendigung der Feindseligkeiten<br />

noch lange Zeit an. Überall kam es zu Ausschreitungen. Sogar in dem friedlichen Tal<br />

<strong>von</strong> Mittersill war die Atmosphäre mit Spannung geladen. Die Gebirgsbauern,<br />

555


verwurzelt wie sie waren in ihren uralten Lebensgewohnheiten, waren eigenwillig<br />

bis zum Letzten, und jeder Außenseiter war ihnen verdächtig. Als überzeugte<br />

Katholiken hatten sie sich der auf Vergötterung hinauslaufenden Verehrung Hitlers<br />

und seines Regimes hartnäckig widersetzt, und vor dem Zusammenbruch hatten sie<br />

<strong>von</strong> einem Kommando <strong>von</strong> SS-Leuten in Schach gehalten werden müssen. Nach<br />

Kriegsende marschierten als erste die Franzosen durch mit marokkanischen<br />

Truppen als Vorhut. Dann kamen die Amerikaner und blieben; sie stellten<br />

einigermaßen geordnete Verhältnisse wieder her. Doch wegen der überall herrschenden<br />

Unruhe mußte das Militär in Alarmbereitschaft bleiben. Es war bekannt,<br />

daß viele deutsche Soldaten und aktive Parteigänger der NSDAP sich noch in den<br />

Bergen versteckt hielten.8 Mittersill selbst war <strong>von</strong> Flüchtlingen aus vieler Herren<br />

Länder überfüllt. Einheimische und Fremde fanden sich oft in merkwürdige<br />

Vorfälle verwickelt. Ein amerikanischer Hauptmann wurde <strong>von</strong> Dorfbewohnern im<br />

Streit um ein Mädchen getötet. Ein rumänischer Prominenter, der einstmalige<br />

Finanzminister, wurde ermordet im Wald aufgefunden und ein hoher Geldbetrag,<br />

<strong>von</strong> dem man wußte, daß er ihn bei sich trug, war verschwunden.<br />

Gewalttaten jeglicher Art waren bei dem allmählichen Übergang vom Krieg zum<br />

Frieden an der Tagesordnung, besonders in den größeren Zentren wie Wien. In den<br />

ersten Tagen nach dem Einmarsch gab es viele Ausschreitungen. Plünderungen und<br />

Vergewaltigungen waren keine Seltenheit, und viele Zivilpersonen begingen in<br />

Panik Selbstmord. In zahlreichen Orten, wie Perchtoldsdorf, wurde das Standrecht<br />

ausgerufen. Dort und in der ganzen <strong>von</strong> den Russen besetzten Zone durchlebte die<br />

Bevölkerung eine Zeit fortwährender Ängste und Nöte. Hermines Tagebuchaufzeichnungen<br />

berichten <strong>von</strong> mehreren Plünderungen des Hauses ihrer Mutter. Viele<br />

Nächte versteckten sie und ihre Schwestern sich in einem Hohlraum zwischen den<br />

Feuermauern, um der Aufmerksamkeit betrunkener Soldaten zu entgehen. Für<br />

volle sechs Wochen kamen sie nicht aus den Kleidern, und die erste Nacht, die sie<br />

wieder im eigenen Bett zu verbringen wagten, war einer besonderen Erwähnung in<br />

Hermines Tagebuch wert. Gas und Strom blieben monatelang unterbrochen. Die<br />

Hungersnot war so groß, daß die Frauen im Spätsommer die bereits abgeernteten<br />

Felder absuchten.<br />

Unmittelbar nach dem Einmarsch richteten die russischen Militärbehörden in<br />

Perchtoldsdorf eine Schneiderei ein, um ihre Offiziere mit neuen Uniformen zu<br />

versorgen. Ein Schneidermeister aus dem Ort, Johann Strasser, der ein wenig<br />

Russisch sprach, wurde mit der Rekrutierung <strong>von</strong> Hilfskräften beauftragt, und<br />

Hermine und ihre beiden Schwestern Lotte und Grete hatten das Glück, angestellt<br />

zu werden. Sehr bald konnten die Schwestern das Vertrauen ihrer russischen<br />

Aufseher gewinnen. Das ermöglichte es Hermine, ein Vorhaben auszuführen, das<br />

ihr seit dem Tag der Flucht ihrer Schwiegereltern ganz besonders am Herzen gelegen<br />

war, nämlich in Erfahrung zu bringen, was aus deren verlassener Wohnung in Maria<br />

Enzersdorf geworden war. Am 2. Mai, als die Arbeit im Betrieb wegen einer<br />

nachträglichen Mai-Feier schon am frühen Nachmittag beendet wurde, überredete<br />

Hermine mit Hilfe <strong>von</strong> Meister Strasser den verantwortlichen russischen Offizier, sie<br />

und ihre Schwester Lotte zum Flaus Im Auholz 8 zu geleiten. Angesichts der vor<br />

556


allem jungen Frauen so bald nach dem Umschwung noch drohenden Gefahren war<br />

ein solcher Eskort durchaus geboten. Auf Befehl des Leutnants ging ein bewaffneter<br />

Soldat mit ihnen.<br />

Was sie dann im <strong>Webern</strong>schen Heim vorfanden, war ein Schauplatz der<br />

Verwüstung. Kontingente russischer Soldaten waren dort nacheinander einquartiert<br />

worden. Die Türen waren aufgebrochen und die Habseligkeiten der Familie lagen<br />

überall verstreut. Auf der Suche nach Wertgegenständen waren Sofas und<br />

Matratzen aufgeschlitzt und die Vertäfelung aus den Wänden gerissen worden. In<br />

die Mitte des runden Eßtisches war ein Loch gesägt worden, um einen Waschzuber<br />

aufzunehmen. Für Hermine war der Anblick dieses Chaos im einstmals so<br />

wohlgeordneten Haushalt niederschmetternd. Sie entschloß sich auf der Stelle zu<br />

retten, was sie nur konnte, und in den darauffolgenden Wochen trottete sie wieder<br />

und wieder die vier Kilometer <strong>von</strong> Perchtoldsdorf nach Maria Enzersdorf, jedesmal<br />

einen vollgepackten Rucksack nach Hause schleppend. Einige wenige Male halfen<br />

ihr ihre Schwestern und ein paar ihr wohlgesinnte Freundinnen. Anfangs kam noch<br />

immer ein russischer Soldat mit ihnen, doch als sich die Lage allmählich zu<br />

normalisieren begann, wagten sich die Frauen allein auf ihren Weg.<br />

Am 27. Mai kam Wilhelmines Schwester Leopoldine Gross zum ersten Mal nach<br />

Perchtoldsdorf, seit die Verbindungen zusammengebrochen waren. Jetzt erst erhielt<br />

sie Kenntnis da<strong>von</strong>, daß die <strong>Webern</strong>s beinahe zwei Monate zuvor geflohen waren.<br />

Als sie <strong>von</strong> Hermines Bergungsaktion erfuhr, erbot sie sich zu helfen und beschaffte<br />

einen Leiterwagen, mit dem sie umfangreichere Ladungen wegbringen konnten.<br />

Das versetzte Hermine in die Lage, auch größere Gegenstände transportieren zu<br />

können. Der größte Teil des Mobiliars, des Hausrats, der Bücher und Noten war<br />

bereits <strong>von</strong> den Besatzern ausgeräumt worden, um die Zimmer hin und wieder als<br />

Massenquartier benützen zu können. Die meisten Dinge waren in den Keller<br />

geworfen worden, und als dieser überquoll, wurde das, was nicht mehr hineinging,<br />

wahllos im Freien abgestellt.<br />

Da Plünderern bekannt war, daß viele Leute Silber und anderes Gut in ihren<br />

Gärten vergraben hatten, war das Grundstück bereits durchsucht und auch das<br />

Versteck unter dem kleinen Gartenhaus entdeckt worden, wo <strong>Webern</strong> einige seiner<br />

wertvollsten Besitztümer verborgen hatte, darunter auch einen Koffer mit Manuskripten.<br />

Die Diebe nahmen, was ihnen gefiel, und ließen den Rest umhergestreut<br />

liegen. Wind und Wetter begannen sehr bald ihr Zerstörungswerk: Bücher und<br />

Noten verschimmelten in der Nässe, und Manuskriptblätter wurden fortgeweht.<br />

Oft mußte sich Herrnine gefragt haben, ob sich die Bergung einiger der<br />

verschmutzten und beschädigten Gegenstände überhaupt noch lohne, da sie aber<br />

wußte, wie sehr ihr Schwiegervater an jedem Stück hing, las sie auf, was sie konnte.<br />

Aus vielen der größeren Bände waren ganze Lagen herausgerissen worden, wohl um<br />

damit Feuer zu machen. So wurde der wunderbar in Leder mit Goldaufdruck<br />

gebundene Klavierauszug <strong>von</strong> Alban Bergs Wozzeck mehrerer Teile beraubt. Ein<br />

stattliches Kunstbuch <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Vetter Ernst Diez, Die chinesische Landschaftsmalerei,<br />

war verstümmelt worden, als jemand aus dem Einband eine Schuheinlage<br />

herausschnitt. Das war bezeichnend für die Geringschätzung kultureller Werte zu<br />

557


einer Zeit, als lebensnotwendige Bedürfnisse Vorrang vor allem anderen hatten.<br />

Was schließlich <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Hab und Gut nach der Katastrophe erhalten blieb, ist<br />

hauptsächlich Hermines Einsatz zu verdanken. Sie brachte alles auf dem Speicher im<br />

Haus ihrer Mutter unter: Hausrat, Manuskripte und Bücher, aber auch Gegenstände<br />

wie <strong>Webern</strong>s Cello, das zerbrochen im Keller gelegen hatte, und mehrere<br />

Büsten <strong>von</strong> <strong>Humplik</strong> (die <strong>von</strong> Mahler, Christine als Kind und den ersten der beiden<br />

Köpfe <strong>Webern</strong>s).9<br />

In seinem Mittersiller Asyl hatte <strong>Webern</strong> keine Ahnung <strong>von</strong> alldem. Nach<br />

Kriegsende wurde eine Demarkationslinie zwischen den russisch besetzten Ostgebieten<br />

und der amerikanischen Zone im Westen errichtet. Am Anfang gab es<br />

keinerlei Verbindung zwischen diesen beiden Zonen, keine Post, keine Transportmöglichkeiten.<br />

Jeder, der die Grenze ohne die erforderlichen Papiere zu überschreiten<br />

versuchte, tat dies unter Todesgefahr, da sie scharf überwacht war, besonders<br />

<strong>von</strong> den Russen.<br />

Diesen Zuständen ist es zuzuschreiben, daß mehr als vier Monate vergehen<br />

sollten, bis <strong>Webern</strong> endlich erfuhr, daß seine Schwiegertochter noch am Leben war.<br />

In der Zwischenzeit hatte er viel Ungemach zu erdulden. Major Halbichs Haus, auf<br />

einer Wiese hoch oben über der Salzach gelegen mit weitem Blick auf das Dorf und<br />

die Gletschergipfel dahinter, wäre in normalen Zeiten ein perfektes Idyll gewesen.<br />

Doch mit siebzehn Erwachsenen und Kindern auf engstem Raum zusammengepfercht,<br />

waren die Nerven gereizt, und obwohl die Familie dankbar dafür war, heil<br />

und vereint zu sein, waren Reibungen kaum zu vermeiden. Die Lage entspannte sich<br />

etwas, als Benno Mattel (der kurz nach dem Waffenstillstand zurückgekehrt war) für<br />

sieh und seine Familie im Dorfe eine andere Unterkunft finden konnte. (Marias<br />

Ehemann war in Kriegsgefangenschaft in Jugoslawien und kam erst im Januar 1949<br />

zurück.)<br />

Während der ersten paar Monate war die Lebensmittelknappheit kritisch, und die<br />

Sorge eines jeden ging ums nackte Überleben. Die amerikanische Besatzungsmacht<br />

tat, was in ihren Kräften stand, doch die Versorgungsgüter reichten nicht .aus und<br />

mußten streng rationiert werden. Cesar Bresgen, ein junger Musiker, der damals im<br />

Haus neben dem <strong>von</strong> Major Halbich wohnte, beschrieb die langen Schlangen, die<br />

sich an Tagen, an denen Brot ausgegeben wurde, rund um die Kirche und entlang der<br />

Straße bildeten.10 Oftmals sah er <strong>Webern</strong> anstehen, geduldig wartend, bis er an der<br />

Reihe war. Die Brennstoffknappheit war gleichermaßen ernst. Amalie erinnerte<br />

sich, wie sie, gleich allen anderen, in die Wälder ging, um Fallholz aufzulesen. Klein<br />

wie sie war, mußte die junge Frau manchmal vor Verzweiflung weinen, wenn sie sich<br />

abrnühte, die schwere Kraxe mit ihrer wertvollen Last auf ihren Rücken zu laden.<br />

Im Mai forderten nervöse Erschöpfung und Unterernährung ihren Tribut <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>, und er erkrankte schwer. Eine heftige Ruhr schwächte ihn in kürzester Zeit<br />

derart, daß die Familie anfing, um sein Leben zu bangen. Einen Arzt gab es nicht und<br />

Medikamente waren nicht zu haben. Es schien deshalb wie ein Wunder, als <strong>Webern</strong><br />

sich im Juni nach mehreren Rückfällen wieder zu erholen begann. Als Folge seiner<br />

Krankheit war er äußerst abgemagert, und sein Gewicht fiel beträchtlich unter 50<br />

kg. Eine Photographie aus dieser Zeit zeigt ihn fast bis zur Unkenntlichkeit<br />

558


verändert. Die Trauer um seinen Sohn, die Aufregungen der letzten Monate,<br />

Hunger und Krankheit hatten tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben. Es war das<br />

Antlitz eines Mannes, der Schweres durchgemacht hatte (s. Abbildung S. 561).<br />

Mitte Juni unternahm Gunter Waller, den es drängte nach seinen Geschäften in<br />

Wien zu sehen, seinen ersten Versuch, die Demarkationslinie zu überschreiten. Er<br />

trug einen Brief bei sich, den <strong>Webern</strong> seiner Schwiegertochter am 13. Juni<br />

geschrieben hatte: „Meine liebe, liebe Hermi! 1000 innigste Grüße Dir und den<br />

Deinen! Wie hoffen wir, daß Gunter uns gute, gute Nachricht <strong>von</strong> Euch bringt: Daß<br />

Ihr die schlimmen Tage glücklich überstanden habt!!! O Gott, wie denken wir doch<br />

täglich, stündlich an Dich, liebes, teures Kind! Sobald es möglich geworden ist,<br />

kehren wir gleich nach Hause zurück, in der Hoffnung noch alle unsere Habe<br />

unversehrt vorzufinden. . . . Näheres <strong>von</strong> Gunter, der nun die Fahrt nach Wien auf<br />

,gut Glück“wagt und ehestens wieder zurückkommen will. Wie wir ihn in Gedanken<br />

begleiten, mit welcher Ungeduld u. Aufregung wir seine Nachrichten erwarten, das<br />

kannst Du Dir denken, insbesondere u. vor allem die Nachricht über Dich u. die<br />

Deinen! Seid uns innigst gegrüßt! Auf baldiges Wiedersehen! Es umarmen Dich in<br />

innigster Liebe<br />

Vater u. Mutter.“<br />

Gunters Reise fand ihr Ende an der Grenze der amerikanischen Zone in Enns, wo<br />

er angehalten wurde, weil er nicht im Besitz der erforderlichen Papiere war. Er<br />

kehrte nach Mittersill zurück, war aber bereit, es einen Monat später aufs neue zu<br />

versuchen. Wieder gab ihm <strong>Webern</strong> einen Brief an Hermine mit, der mit dein<br />

13. Juli datiert war und den ersten ergänzen sollte: „Anfang dieser Woche schickten<br />

wir Dir eine Karte (neue österr. Briefmarke) durchs Rote Kreuz, wozu,einmalig1die<br />

Gelegenheit gegeben war! Kannst Dir denken, mit welcher Aufregung wir diese<br />

ergriffen haben. Hoffentlich sind die 10 Worte, die man schreiben durfte, wirklich an<br />

Dich gelangt.11Wenn wir nur endlich wüßten, wie es Dir und den Deinen geht! Wie<br />

es zu Hause steht! Warst Du einmal drüben im Äuholz? Wie schaut es wohl dort aus?<br />

Bange Frage! Bitte Hermi, gib dem Gunter einen möglichst umfassenden Bericht:<br />

über die kritischen Tage nach Ostern u. s. w. Schließlich die Ernährungslage!!! Hier<br />

ist die nicht so schlecht, seit einer Woche gibt es sogar wunderbar weißes Brot u,<br />

'Mehl. Es ist ja alles in allem schon besser geworden. Hoffentlich auch in Wien. Doch<br />

hört man so Widerspruchsvolles darüber! Wie ist es nun wirklich??? Dies die<br />

brennende Frage! Wenn einmal Wien <strong>von</strong> allen 4 Mächten besetzt sein wird, dann<br />

dürfte ja der Zeitpunkt der Rückfahrtmöglichkeit endlich gegeben sein!!! Wie wir<br />

darauf warten!!!“<br />

Fünf Tage später, am 18. Juli, überbrachte Gunter Hermine beide Briefe. Auch<br />

auf dieser Reise hatte es Schwierigkeiten gegeben: So mußte er, um die<br />

Kontrollstellen zu vermeiden, im Morgengrauen durch ein Abwasserrohr kriechend<br />

die Grenze überwinden. Er ging daraufhin zu Fuß nach St. Valentin, dem ersten<br />

Bahnhof innerhalb der russischen Zone, <strong>von</strong> wo er die Fahrt nach Wien auf dem<br />

Dach eines Güterwagens machte. Sein Eintreffen in Perchtoldsdorf beendete für<br />

Hermine eine lange Periode, der Sorge, da sie seit Ende März über das Schicksal ihrer<br />

Schwiegereltern ebensowenig gewußt hatte, wie diese über ihres.<br />

Als Gunter wenig später wieder nach Mittersill zurückkehrte, konnte er die<br />

559


schlechten Nachrichten <strong>von</strong> der Verwüstung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Heim mit dem Bericht<br />

über eine verheißungsvolle Entwicklung der Dinge in Wien mildern: am 24. Mai war<br />

eine Zeitungsnotiz erschienen, derzufolge sich die österreichische Sektion der<br />

IGNM, die kurz nach dem Anschluß 1938 verboten worden war, neu konstituiert<br />

und <strong>Webern</strong> zum Präsidenten des vorläufigen Vorstandes gewählt hatte. Im Juni<br />

hatte bereits das erste Konzert der Gruppe stattgefunden mit Werken <strong>von</strong><br />

Schönberg, Eisler, Prokofjew, Hindemith und de Falla im Programm. Gunter<br />

brachte einen Brief mit, den Alfred Schlee, der Direktor der Universal Edition,<br />

<strong>Webern</strong> am 17. Juli geschrieben hatte: „Wir bedauern unendlich, daß Sie nicht in<br />

Wien sind. Es wird jetzt so viel für die ganze Zukunft Ausschlaggebendes beraten<br />

und durchgeführt, daß Ihre Anwesenheit <strong>von</strong> allerhöchster entscheidender Wichtigkeit<br />

wäre . . . Auch sonst warten sehr viele künstlerische Aufgaben auf Sie. Wie<br />

gesagt, auch das alles ist realisierbar erst, wenn Sie hier sind.“ 12<br />

Dieser Brief war Gunter <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Schwägerin Leopoldine durch Vermittlung<br />

ihres Mannes, des Geigers Wilhelm Groß, der zur Universal Edition Verbindung<br />

hatte, übergeben worden. Schlees eindringliche Worte bestärkten <strong>Webern</strong>s sehnlichen<br />

Wunsch, nach Wien zurückzukehren, nicht zuletzt auch deshalb, weil es ihn<br />

danach verlangte, sich wieder in einem eigenen Heim einzurichten. Die Überfüllung<br />

in der M ittersiller Zuflucht war für ihn und seine Frau ganz besonders bedrückend,<br />

weil es ihnen auf die Dauer sehr unangenehm wurde, die Gastfreundschaft der<br />

Schwiegereltern einer ihrer Töchter in Anspruch nehmen zu müssen. Die Aussicht,<br />

wieder ein Leben in Unabhängigkeit führen zu dürfen, gab <strong>Webern</strong>s seelischer<br />

Verfassung neuen Auftrieb und beschleunigte seine Wiederherstellung. In ihren<br />

Erinnerungen an diese Tage schrieb Amalie: „Es schien, als hätten wir das<br />

Schlimmste überstanden.“<br />

560


W ebern (1945)<br />

Das Haus Am M arkt 101<br />

in Mittersill, vor dem W ebern<br />

am 15. September 1945<br />

erschossen wurde


35. Mittersiller Notizbuch —Das vermutliche<br />

Opus 32 (1944/45)<br />

„D er Weg <strong>von</strong> der Innigkeit zur Größe geht durch das O pfer.“ Ein Stückchen<br />

Papier, auf das <strong>Webern</strong> diese Worte geschrieben hatte, wurde nach seinem Tode<br />

unter seiner Habe entdeckt. Er hatte noch hinzugefügt: „Zitat, gefunden in Rilke<br />

und Benvenuta,1 24. V. 1945, Mittersill.“ Es war eine lebenslange Gewohnheit<br />

<strong>Webern</strong>s, Stellen aus Büchern herauszuschreiben, die ihn besonders berührten. Er<br />

vertraute sie dann seinem Tagebuch an, um so ihre geistige Substanz auch dann noch<br />

gegenwärtig zu behalten, wenn das betreffende Buch längst schon beiseite gelegt<br />

worden war. Oftmals zitierte er auch solche konzentrierte Gedanken in Briefen an<br />

Freunde, als ob er so seine eigenen Ideen und Einstellungen rechtfertigen oder<br />

untermauern wollte.<br />

<strong>Webern</strong> war schwer erkrankt, als er den Satz aus Rilke und Benvenuta<br />

herausschrieb, der ihm so viel bedeutete. Während seiner langen Rekonvaleszenz<br />

exzerpierte er auch Stellen aus verschiedenen anderen Werken und schrieb sie in ein<br />

dünnes Notizbuch. Seine Seiten reflektieren die Gedankengärige und Empfindungen,<br />

die ihn während dieser letzten Monate in Mittersill beschäftigten. Dort hatte er<br />

Zeit und Muße genug, sich in Lektüre und Nachdenken zu vertiefen. Die<br />

Konzentrate <strong>von</strong> Vision und Weisheit, die er aus den Schriften seiner damaligen<br />

Lieblingsdichter auswählte, stellten ein Vademekum dar, das ihn durch die letzten<br />

Abschnitte seines Lebens begleitete.<br />

W ebern schrieb, als hätte er sein innerstes Denken bloßlegen wollen, diese Sätze<br />

aus Rainer Maria Rilkes Werk ab:<br />

„Was ist Opfer? Ich meine, es ist nichts anderes, als der grenzenlose, nirgends<br />

m ehr einschränkbare Entschluß eines Menschen zu seiner reinsten inneren<br />

Möglichkeit.“<br />

„ . . . denn Armut ist ein großer Glanz aus innen . , .“<br />

„ . . . wer je in der Kunst unter seinem gegenwärtig Größten sich zufrieden gegeben<br />

hat, der ist für sein Größtes verloren.“<br />

,, . . . wenn Musik spricht, so spricht sie doch zu Gott, nicht zu uns. Das vollendete<br />

Kunstgebilde hat keinen Bezug zum Menschen, außer den, daß es ihn übersteht.<br />

Freilich hat Musik andere Gesetze als alle anderen Künste, aber wir steheir ihr im<br />

Weg, da geht sie durch uns hindurch.“<br />

„ . . . Musik fürchtete ich fast, wenn sie nicht in einer Kathedrale vor sich ging,<br />

geradewegs an Gott hinan, ohne sich bei mir aufzuhalten . . , u. verstand es, daß im<br />

Alten Reich die Musik (so vermutet man) verboten war; sie durfte nur vor dem<br />

562


Gotte hervorgebracht werden, nur um seinetwillen, als ob er allein das Übermaß<br />

und die Verführung ihrer Süße ertrüge, als ob sie jedem Minderen tödlich<br />

sei.“<br />

Andere Zitate, die sich in das Notizbuch eingeschrieben finden, stammten <strong>von</strong><br />

Hölderlin, mit dessen Denken sich <strong>Webern</strong> schon seit langem identifiziert hatte. Des<br />

Dichters Maxime „Leben heißt eine Form verteidigen“ war zu seinem eigenen<br />

Leitprinzip geworden. Es gab ihm die innere Stärke, als Künstler auf seinem<br />

einsamen Posten auszuharren, so hoffnungslos dies auch im Hinblick auf die<br />

politischen Umstände geworden war. Hölderlins Hyperion, dieser leidenschaftliche<br />

Appell einer fühlenden Seele, konfrontiert mit Gleichgültigkeit und Verunglimpfung,<br />

die aufschreit über die Dummheit und Grausamkeit der Welt, hatte <strong>Webern</strong><br />

schon lange in seinen Bann gezogen. Kein Wunder, daß er Trost fand in des Dichters<br />

Mitgefühl, und daß dessen flammende Anklage gegen das Los des Propheten im<br />

eigenen Lande sowie sein inbrünstiges Hoffen auf eine bessere Zukunft ihm aus dem<br />

Herzen gesprochen waren. In früheren Jahren war das, was Hyperion ihm<br />

bedeutete, zumeist eine Frage ästhetischer Auseinandersetzung gewesen. Doch<br />

jetzt war es die weit größere Dimension des politischen Staates, in dem der Künstler<br />

zu leben gezwungen ist. <strong>Webern</strong> hatte den Aufstieg und den Fall des Dritten Reichs,<br />

dieser ungeheuerlichen Utopie, die in der Katastrophe endete, miterlebt. Sein<br />

eigener Sohn, einer <strong>von</strong> Millionen, hatte sein Leben hergeben müssen für diese<br />

Halluzination, <strong>von</strong> der jetzt nichts als ein rauchender Aschenhaufen übrigblieb.<br />

Wenn <strong>Webern</strong> vorübergehend, wie naiv auch immer, an dieser großen Illusion teil<br />

hatte, dann mußte er teuer dafür bezahlen. Wie Hölderlins „Eremit in Griechenland“<br />

stand er nun da mit nackter Seele, <strong>von</strong> allem entblößt. Und so schrieb er in sein<br />

Notizbuch die W orte aus Hyperion, die den ganzen Bereich des Daseins<br />

umschließen: <strong>von</strong> der wesensbedingten Einsamkeit des Menschen bis zu seinem nie<br />

versiegenden Sehnen nach verwandten Seelen, <strong>von</strong> der wahren Funktion irdischer<br />

Herrschaft bis hin zur göttlichen Erleuchtung, die für immer die letzte Erlösung<br />

bleiben wird. <strong>Webern</strong>s Beschwörung des Geistes des Hyperion liest sich wie ein<br />

Monolog, erhöht in seiner Aussagekraft durch die Aktualität seiner eigenen<br />

Erlebnisse:<br />

„Was ist Verlust, wenn so der Mensch in seiner eigenen Welt sich findet? In uns ist<br />

alles. Was kümmerte dann den Menschen, wenn ein H aar <strong>von</strong> seinem Haupte fällt?<br />

Was ringt er so nach Knechtschaft, da er ein Gott seyn könnte!“<br />

„Es ist ein Gott in uns, der lenkt, wie Wasserbäche, das Schicksal, und alle Dinge<br />

sind sein Element. D er sey vor allem mit dir!“<br />

„Ein freundlich W ort aus eines tapfern Mannes Herzen, ein Lächeln, worin die<br />

verzehrende Herrlichkeit des Geistes sich verbirgt, ist wenig und viel wie ein<br />

zauberisch Losungswort, das Tod und Leben in seiner einfältigen Sylbe verbirgt, ist<br />

wie ein geistig Wasser, das aus der Tiefe der Berge quillt und die geheime Kraft der<br />

Erde uns mittheilt in seinem krystallenen Tropfen. Wie hass’ ich dagegen alle die<br />

Barbaren, die sich einbilden, sie seyen weise, weil sie kein Herz mehr haben, alle die<br />

563


ohen Unholde, die tausendfältig die jugendliche Schönheit tödten und zerstören<br />

mit ihrer kleinen, unvernünftigen Mannszucht!“<br />

„Du räumst dem Staate denn doch zuviel Gewalt ein. Er darf nicht fordern, was er<br />

nicht erzwingen kann. Was aber die Liebe giebt und der Geist, das läßt sich nicht<br />

erzwingen. Das lass’ er unangetastet, oder man nehme sein Gesetz und schlag’ es an<br />

den Pranger! Beim Himmel! der weiß nicht, was er sündigt, der den Staat zur<br />

Sittenschule machen will. Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, daß ihn<br />

der Mensch zu seinem Himmel machen wollte. Die rauhe Hülse um den Kern des<br />

Lebens und nichts weiter ist der Staat. Er ist die Mauer um den Garten menschlicher<br />

Früchte und Blumen.“<br />

,,- fragst du mich, wann dies seyn wird? Dann, wann die Lieblingin der Zeit, die<br />

jüngste, schönste Tochter der Zeit, die neue Kirche, hervorgehn wird aus diesen<br />

befleckten veralteten Formen, wann das erwachte Gefühl des Göttlichen dem<br />

Menschen seine Gottheit, und seiner Brust die schöne Jugend wiederbringen wird,<br />

wann - ich kann sie nicht verkünden, denn ich ahne sie kaum, aber sie kömmt gewiß,<br />

gewiß. Der Tod ist ein Bote des Lebens, und daß wir jetzt schlafen in unsern<br />

Krankenhäusern, dies zeugt vom nahen gesunden Erwachen. Dann, dann erst sind<br />

wir, dann ist das Element der Geister gefunden!“<br />

Die beiden letzten Eintragungen in W eberns Notizbuch stammen wiederum <strong>von</strong><br />

Rilke. Die erste ist Robert Faesis Monographie des Dichters entnommen, die eine<br />

Passage aus einem Rilke-Brief enthält:<br />

„Der Glaube, daß Gott noch nicht da ist, daß er noch nicht da sein konnte,. . . hat<br />

die Angst <strong>von</strong> mir genommen, daß Gott vergangen und verbraucht sein könnte; er<br />

schließt die Gewißheit ein, daß Gott aus unserem wirkenden Willen, aus unserer<br />

langen Sehnsucht erschaffen werden wird. Die Einsamen, die alle schon gegebenen<br />

Formen für Gott, Besitzansprüche an Gott zurückweisen, die sind Im Begriff, Gott<br />

mit ihrem Herzen, ihrem Kopfe, ihren Händen zu erschaffen, sei es, daß sie die<br />

Dinge oder Zustände bilden. G ott wird in dem Maße, in dein die 'Menschen das<br />

Leben mit Seele, die Zeit mit Ewigkeit füllen/ “<br />

Das letzte Zitat ist die Schlußzeile <strong>von</strong> Rilkes Gedicht Requiem fü r Wolf Graf <strong>von</strong><br />

Kalchreuth. Die Resignation wie auch der endgültige Triumph, die aus ihr sprechen,<br />

verstehen sich als <strong>Webern</strong>s letztes Credo:<br />

„Wer spricht <strong>von</strong> Siegen? Überstehn ist alles.“<br />

Im Notizbuch finden sich noch eine Reihe anderer Eintragungen. Zwei Seiten<br />

enthalten eine Auflistung <strong>von</strong> Werken <strong>von</strong> Balzac und Thomas Mann. (<strong>Webern</strong><br />

verzeichnete, daß der vierte Band <strong>von</strong> Manns Tetralogie Joseph 1944 in Schweden<br />

herausgekommen war - die Nazis hatten den großen Schriftsteller aus der deutschen<br />

Literatur getilgt.) Von besonderem Interesse ist eine Seite, auf der <strong>Webern</strong> Notizen<br />

für eine geplante Gesamtausgabe seiner eigenen Kompositionen in fünf Bänden<br />

machte. Offensichtlich empfand er selbst die Aufteilung als schwieriges Problem. So<br />

564


werden nicht weniger als vier Alternativen für den Inhalt <strong>von</strong> Band 1 ins Auge<br />

gefaßt: eine <strong>von</strong> ihnen führt seine frühen Orchesterwerke (Opus 1,6 und 10) mit der<br />

Streichorchesterbearbeitung <strong>von</strong> Opus 5 an; eine andere beinhaltet alle Lieder mit<br />

Klavierbegleitung; wieder eine andere alle Streichquartette und das Streichtrio; und<br />

eine vierte einige der Chorkompositionen (Opus 2, 19, 26). <strong>Webern</strong>s Versuche,<br />

seine Werke nach Gruppen zu ordnen, einschließlich der Schubert- und Bach-<br />

Bearbeitungen, führten zu keinem endgültigen Ergebnis.<br />

Zwischen den Seiten des Mittersiller Notizbuchs befand sich auch Hildegard<br />

Jones Manuskript <strong>von</strong> ihrem Zyklus Lumen, aus dessen Gedichten <strong>Webern</strong> Auszüge<br />

für seine letzte, unvollendet gebliebene Komposition verwendete.2 Er hatte dieses<br />

Projekt im Januar 1944 in Angriff genommen und arbeitete noch in den letzten<br />

Februartagen des Jahres 1945 daran, wie er in einem Brief an Humpelstetter<br />

erwähnte. Da aber die letzten drei Seiten der Skizzen keinerlei Datierungen<br />

enthalten, kann eine Antwort auf die Frage, wann <strong>Webern</strong> tatsächlich mit dem<br />

Komponieren aufhörte, lediglich Mutmaßung bleiben. Der nachfolgende Bericht<br />

enthält alles, was mit Sicherheit über dieses wahrscheinlich als Opus 32 geplante<br />

Projekt anhand der sieben Seiten Entwürfe im Skizzenbuch VI und einer Anzahl<br />

<strong>von</strong> Hinweisen in seiner Korrespondenz in Erfahrung zu bringen war.<br />

Vor der Erörterung des Projektes in seinen Einzelheiten erscheint es als<br />

angebracht, auf einen Bericht <strong>von</strong> Cesar Bresgen, <strong>Webern</strong>s Nachbarn, zu verweisen,<br />

der zu weitverbreiteten Spekulationen Anlaß gegeben hat. In seinem Artikel<br />

„W eberns letzte M onate in Mittersill“ schrieb Bresgen: „Eis muß zwar als sicher<br />

gelten, daß <strong>Webern</strong> in jener Zeit keine Arbeiten auf das Papier gebracht hat,<br />

dennoch erinnere ich mich noch deutlich, daß er auf einer dürftigen Tischplatte<br />

wiederholt mit Bleistift und Zirkel tätig war, beschäftigt mit geometrischen Figuren<br />

oder Linien und Zeichen. Er erklärte mir auch einmal, daß es ihm nicht mehr darauf<br />

ankomme, sein Stück (durch Musiker gespielt) zu hören; das W erk töne ,in sich“..er<br />

selbst könne es durchaus hören, innerlich hören. Mit der graphischen Niederlegung,<br />

und sei es nur auf der bloßen Tischplatte, erachtete W ebern die eigentliche Arbeit<br />

als vollzogen, ,Der Klang ist ständig da“, sagte er, die Wiedergabe könne es gar nicht<br />

so vollkommen bringen. Mit anderen Worten: W ebern lebte damals mehr und mehr<br />

in einer Vorstellungswelt <strong>von</strong> Tönen, die e r ..mir erscheint dies wichtig...nicht nur<br />

vorberechnete, sondern wirklich zu hören imstande war.“3<br />

Während einige der <strong>Webern</strong> zugeschriebenen Bemerkungen selbstverständlich<br />

sind, da ja jeder erfahrene Komponist durchaus dazu fähig ist, seine musikalischen<br />

Vorstellungen mit seinem inneren Ohr zu hören, läßt Bresgens Geschichte <strong>von</strong> den<br />

abstrusen Manipulationen auf der Tischplatte keineswegs den Schluß zu, <strong>Webern</strong><br />

habe die Wege der herkömmlichen Notation ein für allemal verlassen zugunsten<br />

einer esoterischen Manier, Musik zu erfassen, zu konstruieren und zu hören. Amalie<br />

und Maria, die <strong>von</strong> Kind auf mit den Gewohnheiten ihres Vaters vertraut und in der<br />

Lage waren, ihn täglich in der engen Unterkunft in Mittersill zu beobachten,<br />

verneinen emphatisch ein derartiges Verhalten. Allerdings gehen ihre Meinungen in<br />

der entscheidenden Frage auseinander, ob '<strong>Webern</strong> sein Skizzenbuch auf die Flucht<br />

nach Mittersill mitgenommen habe oder nicht. Amalie war sicher, daß er es tat.<br />

565


Doch Maria meinte, ihr Vater würde nichts in seinen Rucksack gepackt haben außer<br />

dem absolut Notwendigsten; sie hielt auch an der Ansicht fest, <strong>Webern</strong> habe nach<br />

Peters Tod nicht mehr komponiert. Es ließe sich auch argumentieren, daß das<br />

Skizzenbuch, das dünnste <strong>von</strong> allen, leicht genug war, und daß <strong>Webern</strong> ohnehin ein<br />

kleines Tagebuch und das Lum en-Manuskript mitnahm. Das Vorhandensein des<br />

letzteren in Mittersill läßt darauf schließen, daß er sich in diese Verse nicht weniger<br />

vertiefte als in Rilkes und Hölderlins Gedankenwelt.<br />

Die Anfänge <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s letztem schöpferischen Projekt stammen aus dem<br />

Januar 1944. Während der ersten Wochen des Monats war <strong>Webern</strong> noch mit dem<br />

Entwurf eines siebenten Satzes zu seiner II. Kantate beschäftigt. Er gab jedoch<br />

dieses Vorhaben <strong>von</strong> einem Tag zum anderen zugunsten eines völlig neuen<br />

Konzepts auf: Am 26. Januar (dem oben auf Seite 35 des Skizzenbuchs<br />

erscheinenden Datum) steht der Titel „Konzert“, gefolgt <strong>von</strong> diesem kurzen Umriß:<br />

„1. Sonata 2. Adagio 3. Rondo.“ Zwei Tage später, am 28. Januar, erläuterte der<br />

Komponist Hildegard Jone, weshalb er es bei den sechs Sätzen der Kantate belassen<br />

habe und fügte hinzu: „Was ich jetzt in Arbeit habe, ist eine rein instrumentale<br />

Sache.“ Am 23. Februar schrieb <strong>Webern</strong> einen Brief ähnlichen Inhalts an Reich, der<br />

sowohl <strong>von</strong> der Vollendung der Kantate wie auch <strong>von</strong> dem neuen Projekt handelte,<br />

und in dem es hieß, das letztere sollte „ein mehrsätziges ,Konzert1für eine Anzahl<br />

<strong>von</strong> Instrumenten“ werden.<br />

Die Evolution der Komposition läßt sich anhand der Faksimile-Wiedergaben in<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches (1926-1945) verfolgen. Auf der ersten Seite des<br />

Entwurfs, der die Daten 31. Januar, 2. und 4. Februar trägt, versuchte der<br />

Komponist, die Tonreihe zu formulieren. Die Reihe, zu der er sich dann entschloß,<br />

wurde mit rotem Bleistift umrandet:4<br />

In seinem Kommentar zu Sketches geht Krenek auf die Symmetrie dieser Reihe<br />

ein und stellt fest, daß sie „bis an die Grenzen der dodekaphonen Möglichkeiten<br />

vorstößt . . . wir haben es mit einer Tonreihe zu tun, die lediglich aus vier<br />

Segmenten der chromatischen Tonleiter besteht. W ebern hatte sich schon vorher bis<br />

zu dem Punkt gewagt, <strong>von</strong> dem es keine Umkehr gibt, und hier, am nicht vorherzusehenden<br />

Ende seiner Laufbahn, nähert er sich wieder dieser äußersten Grenze“.<br />

Als <strong>Webern</strong> daranging, die Töne der Reihe einer melodischen Linie zuzuordnen,<br />

plazierte er das am Anfang stehende Fis über das hohe C und ließ einen großen<br />

Sprung zum G unterhalb des mittleren C folgen. Eine ähnliche musikalische Geste<br />

war bereits bezeichnend für den ersten Entwurf <strong>von</strong> „Orchesterstück (Ouvertüre)“,<br />

das später in das Konzert op. 24 einging. Auf Seite 35, der ersten Seite des Entwurfs,<br />

skizzierte der Komponist die Melodie mehrere Male, wobei er einmal der Violine<br />

das Eröffnungsmotiv zuteilte. (Tagebuchnotizen auf dem unteren Rand der Seite<br />

verzeichnen Geburt und Taufe seines Enkels Peter am 9. und 25. Februar.) <strong>Webern</strong><br />

fuhr auf Seite 34, der linken Seite des Skizzenbuchs, mit intensiver Ausarbeitung der<br />

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Melodie fort. Der große Sprung, so charakteristisch für die ersten Skizzen, wurde<br />

nunmehr auf eine Septime beschränkt. Ein weiteres spezifisches Instrument, die<br />

Bratsche, tritt ebenfalls in Erscheinung. Eine Reihe <strong>von</strong> Pizzicato- und Arco-<br />

Bezeichnungen lassen den Schluß zu, daß <strong>Webern</strong> vornehmlich an Streichinstrumente<br />

dachte. Bemerkenswert sind die bis ins einzelne festgelegten Vorschriften für<br />

die Ausführung, die schon in einem so frühen Stadium des schöpferischen Prozesses<br />

in die musikalische Formulierung integriert wurden. Unter ihnen finden sich<br />

Akzente und Sostenuto -Zeichen sowie eine ganze Reihe dynamischer Schattierungen,<br />

in denen plötzliche Wechsel <strong>von</strong> sforzando zu piano keine Seltenheit sind.<br />

Am 3. April 1944 schrieb <strong>Webern</strong> an die <strong>Humplik</strong>s: „Meine Arbeit schreitet ruhig<br />

fort. Doch bin ich schon den ganzen Winter über sehr mit ,Stunden‘-Geben geplagt.<br />

Es muß nun sein; doch hat es auch sein Gutes: es wachsen auch dadurch und gerade<br />

oft dadurch die Erkenntnisse.“ Zwei Wochen später wurde <strong>Webern</strong> plötzlich zum<br />

Dienst als Luftschutzwart eingezogen. Um ihn zu trösten und ihm Mut zu machen,<br />

ließ ihm Hildegard Jone damals ihre im Jahr 1940 gewonnenen Eindrücke <strong>von</strong> der<br />

I. Kantate zukommen, als der Komponist an einem Augustabend das Werk seinen<br />

Freunden vorgeführt hatte. Hocherfreut dankte ihr <strong>Webern</strong> aus der Kaserne am<br />

14. Mai: „Ja ist es nicht so: daß ich Dich verstanden, beweist Dir meine Musik; und<br />

daß Du mich verstehst, mir Dein Wort!“<br />

Im gleichen Brief kündigte <strong>Webern</strong> an: „Indessen ist ein neuer Plan gereift: ich<br />

werde, sobald ich nur wieder kann, Deine ,Lumen‘~Dichtung komponieren! Es wird,<br />

was ich seit der II. Kantate entworfen habe, ins erste ,Lumen‘-Gedicht übergehen.<br />

Das heißt, es ist der Grund dazu schon gelegt! Das ist aber nicht plötzlich<br />

gekommen, sondern war schon <strong>von</strong> Anfang an da! Also hoffentlich kann ich bald<br />

dabei sein! Immer weiter geht unsere Bahn!“ Hildegard Jones Antwort vom 22. Mai<br />

war in dem ihr eigenen ermutigenden Ton: „H ab Dank, lieber <strong>Anton</strong>, für Deinen<br />

Brief, der uns so ergreifend <strong>von</strong> Deiner Arbeit berichtet. O dieses Sichten des<br />

Lichtes im Raume der Dunkelheit. Einem Menschen geschieht /unerhörtes1..u.<br />

Unerhörtes beginnt in ihm zu erklingen!“<br />

<strong>Webern</strong> war schon seit dem Vorjahr im Besitz des Lum en-Zyklus gewesen. Arn<br />

28. Juni 1943 hatte er der Dichterin in überschwenglichen W orten über ihn<br />

geschrieben: „Was für ein Ergebnis Deines Denkens und Gestaltens! Wie sie vorn<br />

,Vorschein“bis zur ,Durchsichtigkeit1führt, <strong>von</strong> ,Helios“zum ,Licht der Lichter“!!!“<br />

Die Anspielungen charakterisieren den Inhalt des Werkes, eine Sammlung <strong>von</strong><br />

Gedichten, die die vielfältigen Brechungen des Himmelslichtes besingt, seine<br />

Spiegelung in Farbmustern und die philosophischen Deutungen, die es seinem<br />

göttlichen Ursprung verdankt. D er Einfluß <strong>von</strong> Goethes Farbenlehre ist unverkennbar.5<br />

Hildegard Jones Lumen ist ein literarisches Pantheon, in dem Beschreibungen<br />

<strong>von</strong> Naturphänomenen eine Verbindung mit theosophischem Gedankengut eingehen.<br />

D er Zyklus beginnt mit den Worten:<br />

„Das Sonnenlicht spricht:<br />

Aufgeht der Vorhang der Nacht! Durch Licht wird die Herrlichkeit sichtbar,<br />

sichtbar die Säulen des Seins: Sehet, die Farben stehn auf!“6<br />

567


Diese Verse inspirierten <strong>Webern</strong> offensichtlich dazu, sein Instrumentalkonzert in<br />

ein Vokalwerk umzuwandeln. Es ist anzunehmen, daß er zu diesem Zeitpunkt noch<br />

nicht wußte, ob sich die Komposition wiederum zu einer Kantate entwickeln oder<br />

vielleicht gar die Dimensionen eines Oratoriums annehmen würde, jener anspruchsvolleren<br />

Form, die ihm bereits bei seinem Opus 31 vorgeschwebt hatte. Wieder hätte<br />

er sich „treiben lassen“, indem er es seinem schöpferischen Impuls gestattete, auf<br />

Richtung, Form und Ausmaß des Werkes Einfluß zu nehmen. „Komme ich wieder<br />

zu einer vokalen Arbeit, wird es ja doch wieder was ganz anderes sein!“ , hatte er<br />

Reich am 23. Februar 1944 geschrieben und am 6. Juli erneut berichtet: „Was ich<br />

für ein instrumentales Stück skizziert hatte . . . ist übergegangen in die Komposition<br />

einer sehr langen Dichtung <strong>von</strong> H. Jone. Entsprechend der Dichtung wird auch<br />

musikalisch eine zusammenhängende große Form entstehen, deren Lösung mich<br />

eben besonders interessiert. Wieder für Solis u. Chor (mit Orchester).“<br />

Das Flinüberwechseln <strong>von</strong> der ersten Konzeption des Werkes zu der zweiten war<br />

einfach genug. Was für das „Konzert“ bereits skizziert worden war, wurde nunmehr<br />

dem neuen Plan als Introduktion des Orchesters zum ersten Vokaleinsatz<br />

eingegliedert. Die Seiten 36 und 37 des Skizzenbuchs enthalten Entwürfe zu den<br />

Eingangsversen <strong>von</strong> Lumen. Die Melodielinie für die ganze oben wiedergegebene<br />

Textpassage wurde endgültig festgelegt. <strong>Webern</strong> begann alsdann mit der Ausarbeitung<br />

für gemischten Chor.<br />

Trotz der zunehmenden Schwierigkeiten sich auf sein W erk zu konzentrieren,<br />

verursacht durch die vielen Luftangriffe, setzte der Komponist die Arbeit an seinem<br />

neuen Vorhaben mit Begeisterung fort. In der Genugtuung darüber, daß er einen<br />

verheißungsvollen Anfang gemacht hatte, brach er mit seiner Gewohnheit, nur<br />

ungern über eine im Entstehen begriffene Komposition zu sprechen, als er Hildegard<br />

Jone am 27. Juni schrieb: „Du weißt, es wird: ,Das Sonnenlicht spricht . .<br />

Natürlich ist auch diese Zeile, die im Grunde wie ein Titel Deinem Gedieht vorsfehf,<br />

in der Komposition enthalten. . . . Hier hast Du sie:<br />

JfaubuLtrtiß<br />

Diese sechs Noten aber sind die 2. Hälfte des ,Keimes1 (d. h. der 12-Tonreihe),<br />

besser noch zwei Viertel: da die letzten 3 Töne die,Umkehrung1der vorhergehenden<br />

sind, was auch in der ersten Hälfte gegeben ist. Auch im ,Motivischen1sind diese 6<br />

Noten das Ergebnis eines in mehrfacher Hinsicht allerstrengsten Zusammenhanges:<br />

sie sind also auf Grund <strong>von</strong> Gesetzen da!“<br />

Das war <strong>Webern</strong>s letzter direkter Hinweis auf diese Komposition in seinen<br />

Briefen. Die letzten Daten im Skizzenbuch erscheinen in Gestalt <strong>von</strong> zwei<br />

Tagebuchnotizen unten auf Seite 37: am 7. Juni 1944 reisten seine Töchter Maria<br />

568


und Christine nach Mittersill ab und in der Zeit vom 24. Juli bis 16. August begab<br />

sich das Ehepaar <strong>Webern</strong> selbst zu einem Besuch dorthin. Die Skizzen werden auf<br />

den Seiten 38 und 39 fortgesetzt. Sie zeigen den Komponisten hauptsächlich um die<br />

Aussetzung der Textstelle „Aufgeht der Vorhang der Nacht“ für vierstimmigen<br />

Chor bemüht. Der Entwurf erstreckt sich über 18 numerierte Takte. Auf Seite 41<br />

(Seite 40 blieb leer) wird ein neuer Anlauf mit der anscheinend als endgültig<br />

gedachten Version gemacht, dieser vielversprechende Anfang bricht jedoch nach<br />

nur sechs Takten ab. Vier <strong>von</strong> ihnen werden einer instrumentalen Introduktion<br />

zugeteilt, die sich auf eine Aufstellung der Reihe beschränkt, gefolgt <strong>von</strong> den<br />

Anfangsworten „Das Sonnenlicht spricht“, zu denen die Altstimme herangezogen<br />

wird. In sämtlichen Skizzen ging <strong>Webern</strong>, getreu seinem Chorstil der späten Jahre,<br />

sowohl homophonen wie auch kontrapunktischen Möglichkeiten nach. Die rhythmische<br />

Struktur, die im Verlauf der Genese eines Werkes so oft Veränderungen<br />

unterzogen wurde, blieb dieses Mal konsistent im Rahmen eines ^-M etrum s.<br />

Mit dem Herbst 1944 nahmen die Luftangriffe auf Wien ständig zu. „Zu<br />

kompositorischer Arbeit kaum mehr die nötige Sammlung möglich“, schrieb<br />

<strong>Webern</strong> an Humpelstetter am 7. November. Zur Weihnachtszeit meinte er zu<br />

seinem jungen Kollegen, dem Münchener Komponisten Karl Amadeus Hartmann:<br />

„Daß Sie ja doch arbeiten, das ist gut, lieber Freund! So müssen wir durch.“ 7Am<br />

26. Februar 1945, zu einem Zeitpunkt, als die Bombenangriffe ihren Höhepunkt<br />

erreicht hatten, versuchte W ebern in einem Brief an Humpelstetter, sich noch<br />

immer seinen Optimismus zu bewahren: „Wollen wir weiter hoffen! Es wird<br />

Frühling! Ich arbeite nach Möglichkeit!“ Fünf Tage später erfuhr er, daß sein Sohn<br />

gefallen war. Es folgten Wochen tiefster Verzweiflung, und arn 31. März machte er<br />

sich noch vor Morgengrauen auf zur Flucht nach Mittersill. Wann und wo W ebern an<br />

seinem vermutlichen Opus 32 zum letzten Mal arbeitete, wird für immer ein Rätsel<br />

bleiben müssen, in Dunkel gehüllt durch den Tod des Komponisten.<br />

569


Die Grabmale <strong>Webern</strong>s<br />

1945-1955<br />

Das Ehrengrab, das die Gemeinde Mittersill<br />

am 24. Juni 1972 errichtete


36. <strong>Webern</strong>s Tod (15. September J945)<br />

„H ier möchte ich einmal begraben sein“ , sagte W ebern einmal zu seiner Frau, als er<br />

auf einer Bank hinter der Dorfkirche <strong>von</strong> Mittersill saß.1Diese Stelle, <strong>von</strong> der der<br />

Blick über die Reihen <strong>von</strong> Gräbern zu den leuchtenden Schneefeldern und den<br />

Felstürmen der Berge dahinter aufsteigt, war als sein Lieblingsplatz bekannt.<br />

Peter Ehrenstrasser, der Priester des Dorfes, wie auch Cesar Bresgen, der bei der<br />

täglichen Zelebration der Messe ministrierte, berichteten, daß <strong>Webern</strong> des öfteren<br />

dem Frühgottesdienst beiwohnte, ohne allerdings die Kommunion in Empfang zu<br />

nehmen. In seinen Erinnerungen schrieb Bresgen: „Ich machte den Versuch, mit<br />

dem mir damals anvertrauten Kirchenchor <strong>von</strong> Mittersill in den Frühmessen eine<br />

gewisse Choralpflege einzuführen. W ebern hatte darüber seine besondere Freude.<br />

. . . Nach einer solchen Messe sagte er: ,Endlich einmal wieder eine reine Linie,<br />

diese herrliche Einstimmigkeit - es ist reinste Musik, welche in sich vollkommen<br />

ist.1“2<br />

Während dieser Zeit spielte Bresgen mit einem anderen Flüchtling, einem Geiger<br />

aus Wien, Kammermusik, und bei zwei oder drei Anlässen war W ebern bei ihren<br />

Impromptu-Konzerten zugegen. Die Programme enthielten Werke der alten<br />

Meister, aber auch <strong>von</strong> Debussy, Hindemith und Bresgen selbst. Zu Bresgens<br />

Kompositionen meinte <strong>Webern</strong>, daß sich noch der fortdauernde Einfluß Debussys<br />

bem erkbar mache, der sich bei den W iener Komponisten seit den zwanziger Jahren<br />

besonders stark ausgewirkt hatte. In diesem Zusammenhang erinnerte sich Bresgen:<br />

„Beim Vorspiel meiner eigenen Arbeiten äußerte er sich aufmerksam-kritisch, ohne<br />

je zu verletzen. Die Formulierung der Beurteilung war knapp, aber nie entmutigend.<br />

Freilich ging er <strong>von</strong> der Voraussetzung aus, daß jetzt eine vollständig neue<br />

Entwicklung der Musik beginnen würde. D er kommende Komponist werde jedoch<br />

<strong>von</strong> selbst dieses Neue ergreifen, werde ,diese neue Morgenluft atmen und als<br />

selbstverständlich aufnehmen“. ,In spätestens 50 Jahren1, so sagte er wörtlich,<br />

,werden alle Menschen diese Musik als ihre natürliche Musik erleben, ja selbst den<br />

Kindern wird sie zugänglich sein - man wird sie singen.“. . . Dieses Bild erhob sich<br />

durch den Stolz, den seine Überzeugung <strong>von</strong> der Richtigkeit seiner neuen<br />

musikalischen Schau, der Fortdauer seiner Gedanken im Sinne einer Lehre mit sich<br />

brachte. Dann leuchtete das Angesicht des Mannes seltsam, auf, so, wie es nur jenen<br />

vergönnt ist, die um die letzte W ahrheit wissen.“<br />

Mittersill, das zunächst lediglich ein Zufluchtsort zum Überleben gewesen war,<br />

wurde für W ebern sehr bald zu einer Stätte der Besinnlichkeit. Die unvergleichliche<br />

Schönheit der alpinen Natur gab ihm Trost und neue Kraft, und er sah sich bestärkt<br />

in seinem lebenslangen Glauben, daß der Luft, der Sonne, dem Wasser, der Erde<br />

und den Gebirgspflanzen metaphysische Mächte innewohnten. Die idyllische<br />

571


Landschaft verlockte ihn beständig zu ausgedehnten Wanderungen. Sein Lieblingsziel<br />

war der Wald über der malerischen Burg <strong>von</strong> Mittersill. Bresgen hat <strong>von</strong> einer<br />

Begebenheit berichtet, die <strong>Webern</strong>s Faszination mit dem Mikrokosmos in der Natur<br />

beleuchtet: „In dieser einsamen Zeit ging ich gerne auf Pilzsuche und kreuzte<br />

mitunter <strong>Webern</strong>s Spaziergänge. Ein Abend - etwa zehn Tage vor <strong>Webern</strong>s Tod -<br />

blieb mir besonders im Gedächtnis. Der Meister bestaunte meinen reichgefüllten<br />

Pilzkorb, in welchem einige seltene und interessante Pilze lagen. Von dem Anblick<br />

offenbar berührt, sprach er bewundernd <strong>von</strong> dem Formenreichtum der Natur. Wir<br />

gerieten in eine Betrachtung des so absonderlichen Daseins der Pilze, Moose,<br />

Flechten, und ich erinnere mich noch der Gesprächsstelle, an welcher <strong>Webern</strong><br />

innehielt, um eine seltsame Flechte genau anzusehen, welche einen großen Stein so<br />

überzogen hatte, daß er wie gezeichnet aussah. Dieses wundersame Geäder stimmte<br />

nachdenklich und zugleich irgendwie ergreifend: war es doch Leben, organisch und<br />

planvoll gewachsen, einem höheren und verborgenen Sinn verpflichtet.“<br />

Bresgen, der <strong>Webern</strong> stets in heiterer Stimmung antraf, beschrieb die Atmosphäi'e<br />

der zu Ende gehenden Jahreszeit: „Jene Tage waren ganz erfüllt <strong>von</strong> einem<br />

Spätsommerleuchten strahlender Art: Früher Schnee auf den Nordseiten, dagegen<br />

auf den Sonnenhängen noch echter Sommer, darüber ein Himmel, der nur im<br />

Hochgebirge so blau sein kann. Diese Reinheit der Farben, dazu der Friede, der <strong>von</strong><br />

dem so harmonischen Talbild mit seinen alten Bauernhäusern und Kirchen ausgeht,<br />

hat W ebern immer wieder beglückt; in den letzten Tagen seines Lebens muß er<br />

diesen Frieden vielleicht besonders empfunden haben, denn die Tage waren<br />

ungewöhnlich heiter und harmonisch.“<br />

Am 30. August unternahm W ebern mit seiner Frau einen Ausflug nach dem nicht<br />

weit entfernten Zell am See. Hier schrieb er auch seinen letzten Brief, der an seine<br />

Schwiegertochter gerichtet war: „Meine liebe, teure Hermi! Endlich wieder<br />

Gelegenheit, Dir Nachricht zu geben: Gunter fährt, nach 4-wöchentlichem<br />

Aufenthalt hier in Mittersill, wieder -zurück [nach Wien], Wie gerne täten wir es<br />

auch! Aber Mutter und ich können nicht riskieren, was er riskiert! Müssen abwarten,<br />

bis es anders geht. Aber wenn nicht alle Anzeichen trügen, muß das doch<br />

verhältnismäßig bald ~ vielleicht in ein paar Wochen —möglich werden! So schön es<br />

auch hier ist - sitzen momentan am Strand des Zellersees - wie denken wir doch<br />

unausgesetzt an die Heimreise, an Dich, liebes Kind, und sind so besorgt!!! Was man<br />

hier hört über die Zustände zuhause - man möchte verzweifeln!!! A ber in der<br />

heutigen Zeitung (Salzburg) arnerik. Gebiet - steht zu lesen <strong>von</strong> der Ankunft des<br />

ersten englischen Lebensmittelzuges in Wien. 450 Tonnen: Fleisch, Mehl, Zucker,<br />

Kartoffel, Bohnenkaffee! Es muß ja bald besser werden, auch in Wien!<br />

Hier ist es, nach dem zu schließen was wir hören, wohl besser: in der laufenden<br />

Periode immerhin schon etwas mehr Brot (5 kg. pro 4 Wochen). In Stadt Salzburg<br />

gibt es herrliche reinweiße Semmeln. Auch in Mittersill seit Wochen schon<br />

blütenweiße Wecken! Um 10 dkg? Fleisch mehr (für die ganze Periode), auch<br />

Bohnenkaffee kommt ab nächster Woche - welche Sensation! Es ist natürlich <strong>von</strong><br />

Allem wenig, wenig! Aber man bekommt doch das Wenige!<br />

Doch wie gesagt: alles deutet darauf hin, daß auch für Wien günstigere<br />

572


HT<br />

Verhältnisse unmittelbar bevorstehen! Warst Du wieder einmal im Auholz bei uns<br />

nachschaun? Ist nicht doch noch das Eine oder Andere <strong>von</strong> unserem Hab u. Gut<br />

vorhanden u. noch zu retten? Der elektrische Herd soll ja noch stehen! Hoffentlich ist<br />

er nicht indessen auch geraubt worden. Die Bücher sollen zum Teil im Keller liegen!<br />

Nimm, wenn Du kannst, was mit, d.h. bringe es draußen - etwa gleich beim<br />

Nachbarn (Herrn Gasteker oder bei Perl) in Sicherheit! Aber sei äußerst<br />

vorsichtig!!! Für jede Kleinigkeit werden wir Dir ewig dankbar sein! Ist aus dem<br />

Versteck unter dem Gartenhaus wirklich alles weg??? Koffer mit meinen Jugend-<br />

Manuscripten, Schreibmaschine u. - denke nurll - alles unser ,Silber'\\\ Etwas<br />

Kleidung, Wäsche, u. s. f., das Wichtigste und Dringendste war dort verstaut! Alles<br />

weg??<br />

Wo wir wohnen werden??? Probleme in Hülle u. Fülle! Hängt natürlich da<strong>von</strong> ab,<br />

was die nächste Zeit für Wien bringen wird. -<br />

Und wie kommt Ihr durch diese Schrecknisse? Täglich sprechen wir da<strong>von</strong> u.<br />

denken, daß doch Euer Garten etwas Zuschuß liefern müßte! Seid Ihr wohl gesund?<br />

Mutter u. mich hat die Ruhr sehr hergenommen. Ich besonders war 4 Wochen immer<br />

wieder rückfällig, so daß ich sehr, sehr geschwächt bin. Schleiche mühsam! Aber es<br />

wird täglich besser, Gott sei Dank. Und Mutter ist - wenn auch sehr abgemagert -<br />

wieder gut beisammen, die Tapfere, Brave, Unermüdliche!<br />

Leb nun wohl, auf baldiges Wiedersehn! Grüße die Deinen vielmals. Es schließt<br />

Dich, liebes Kind, in die Arme _ .<br />

Dem alter Vater.“<br />

Am nächsten Tag, wieder zurück in Mittersill, legte Wilhelmine dem Brief ihres<br />

Mannes noch einen eigenen bei. Beide Botschaften sollten <strong>von</strong> Gunter Waller<br />

überbracht werden, der bald einen nochmaligen Grenzübergang versuchen wollte.<br />

Wilhelmine erklärte, ihrer Schwiegertochter, daß die Anstrengungen und das Risiko<br />

einer solchen Reise für <strong>Webern</strong> bei seinem geschwächten Zustand zu viel wären. „Er<br />

ist erschreckend abgemagert“, schrieb sie. „A ber G ott sei Dank erholt er sieh<br />

allmählich.“ Zur Lebensrnittellage meinte sie: „Wir bekommen in 4 Wochen pro<br />

Person ’h kg. Butter, 30 dkg. Nährmittel, l ’h kg. weißes Mehl, 'h. kg. Zucker, 40 dkg.<br />

Marmelade, 6 kg. Brot, 90 dkg. Fleisch u. mit Zusätzen lU kg. Vollfettkäse oder 'h kg.<br />

Magerkäs.“ Voller Zuversicht auf eine baldige Wiedervereinigung beschloß<br />

Wilhelmine ihren Brief: „Nun liebe Herrni, hoffen wir, Dich bald wiederzusehen,<br />

wir müssen viel beisammen sein, bist Du doch für uns ein Teil unseres lieben Peter.“<br />

Trotz der in Wien herrschenden Zustände hatte <strong>Webern</strong> guten Grund, mit<br />

Ungeduld seiner Rückkehr entgegenzusehen. Es war ihm bedeutet worden, daß ihm<br />

eine Professur an der Staatlichen Akademie für eine'Meisterklasse in Komposition<br />

angeboten werden solle. Außerdem sollte er eine feste Anstellung als Dirigent beim<br />

Wiener Rundfunk erhalten, eine Position, die ihm laut Polnauer eine völlig freie<br />

Programmwahl ermöglichen würde. Kein Wunder, daß er sehr darauf erpicht war,<br />

diese professionellen Chancen zu nutzen, die er als längst: überfällige Anerkennung<br />

durch seine Vaterstadt und als einen A kt der Wiedergutmachung ansah für die<br />

vielen Ungerechtigkeiten, die er jahrelang hatte erdulden müssen.<br />

Zu dieser Zeit waren Einheiten der U .S. 42nd Division (der „Rainbow Division“ ,<br />

573


die durch ihre Kriegstaten Berühmtheit erlangt hatte) in Mittersill stationiert. In<br />

Anbetracht der vielen Flüchtlinge, die dichtgedrängt in der Gegend lebten, wurden<br />

strenge Kontrollen eingeführt. Jeder Einwohner des Dorfes hatte sich zu melden<br />

und erhielt eine Kennkarte in englischer und deutscher Sprache. <strong>Webern</strong>s<br />

Beschäftigung war mit „Komponist“ angegeben und seine Personalbeschreibung<br />

lautete: „braune Haare, graue Augen, Gewicht 50 kg, Höhe 161 cm.“ Seine Karte<br />

war am 13. September 1945 datiert, ganze zwei Tage bevor sie ihre letzte tragische<br />

Funktion zu erfüllen hatte.<br />

Bald nach seinem Eintreffen in Mittersill hatte Benno Mattel Kontakt zu einigen<br />

amerikanischen Soldaten aufgenommen, um sich auf dem schwarzen Markt zu<br />

betätigen. Mit einem scharfen Sinn fürs Geschäftemachen ausgestattet, fand er<br />

seinen Handel in Kürze durchaus einträglich und schreckte auch nicht davor zurück,<br />

seine Lebensmitteltransaktionen auf die amerikanische Währung auszudehnen. Es<br />

konnte nicht ausbleiben, daß sein Wagemut Aufsehen erregte. Andrew W. Murray,<br />

First Sergeant of Headquarters Company, 242nd Infantry Regiment, bezeugte<br />

später: „Zwei oder drei Tage vor dem 15. September 1945 kam Ray Bell [der<br />

Kompaniekoch] zu mir und teilte mir mit, Mattel sei an ihn herangetreten mit dem<br />

Wunsche, Zucker, Kaffee und dergleichen, vor allem aber amerikanisches Geld zu<br />

kaufen.“4 Die Devisenvorschriften zu jener Zeit waren so strikt, daß nicht einmal<br />

Militärangehörige im Besitz amerikanischer Banknoten sein durften, doch war es<br />

Mattel bekannt, daß viele Soldaten die eine oder andere bei sich trugen.<br />

Auf Matteis Angebot hin gingen Murray und Bell zu ihren Vorgesetzten, die<br />

ihnen anrieten, das Counter Intelligence Corps (Gegenaufklärung) in Zell am See<br />

aufzusuchen. Hauptmann Richardson, der Leiter dieser Dienststelle, litt unter<br />

Personalmangel in seiner Abteilung und bevollmächtigte deshalb die beiden<br />

Soldaten, eine Scheintransaktion in die Wege zu leiten und Mattel in flagranti zu<br />

verhaften. Zur Ausführung ihres Auftrages erhielten die Soldaten die Erlaubnis,<br />

Lebensmittel aus dem Vorratslager zu nehmen, und wurden auch ermächtigt,<br />

Revolver zu tragen. Der fingierte Handel wurde für den Abend des 15. September in<br />

Matteis Wohnung im Erdgeschoß des Hauses Am Markt 101 vereinbart. Frau Elsie<br />

Fritzenwanger, die Hauseigentümerin, die mit ihrem jungen Sohn im oberen<br />

Stockwerk lebte, wurde <strong>von</strong> der Militärbehörde angewiesen, an diesem Abend das<br />

Haus nicht zu verlassen und mit niemandem über diesen Sonderbefehl zu sprechen.<br />

An diesem Tag, einem Samstag, waren <strong>Webern</strong> und seine Frau <strong>von</strong> den Matteis<br />

zum Nachtmahl eingeladen worden. Es war das erste Mal seit ihrem Eintreffen in<br />

Mittersill, daß das Ehepaar sich auf einen Abend außer Haus einrichten konnte.<br />

<strong>Webern</strong>s große Vorfreude wurde später <strong>von</strong> Amalie beschrieben: „Für meinen<br />

Vater war das ein Fest. Schon Tage vorher freute er sich auf die ihn erwartenden<br />

Genüsse. . . . Ich badete gerade mein Kind, als sich mein Vater das letzte Mal <strong>von</strong><br />

mir verabschiedete. Er umarmte und küßte mich, wie immer, mit all seiner<br />

väterlichen Liebe. Er mußte eine schmale Bodentreppe hinuntersteigen, noch<br />

einmal drehte er sich um und winkte mir zu. Ich habe ihn in diesem Augenblick zum<br />

letzten Male mit seinem lieben, freundlichen Lächeln gesehen. . . . Meine<br />

Schwester Maria stand auf dem Balkon des Hauses, als mein Vater das Plaus verließ.<br />

574


IMmiiiy Carl f c .439. ...<br />

Kor Mr. Mrs. Miss: -<br />

Vf n ’o e r n<br />

Surname<br />

Dateof birth:<br />

0X1<br />

Christian Name<br />

3.D ^ T ^ r } \ / e J r ü v M ,<br />

ki 2n a t u r e<br />

I d e n t i t ä t s a u s w<br />

für Herrn / Frau / Frl. Dr<br />

...« e..b. e r n<br />

Familienn<br />

geb. am<br />

5 « Bfl Z Citl 0 J<br />

»*' - W ien<br />

ledig, verh., verw., gesch.: J i i Ä .<br />

vor Beruf i<br />

K nm poniet<br />

wohnhaft in: l i l 11 l-r ^ I 1} yjui’k<br />

Haar » - . Auge»:' ■ gFUll<br />

0 e w i eh t: -5 ^ k g! Gr 5 ße: er;,<br />

Staatsangehöriger: Österreicher<br />

Gültigkeitsdauer 6 Monate vom Tag dei<br />

Ausstellung.<br />

Unterschrift des Inhabern<br />

.u l Ihe 1 3 • } • •:K‘4jÄ W ’ 1 1 . am ] ’7) f (i . 1,21, Sj*<br />

iie iid a rm e rie p o ste n M^prsssi (j^ M a rm e rie p o sfe n rlifiersHi<br />

8ta“Kreis Zell ai» i-dSalatero. l. s ^ is Zell ' '< • ■<br />

Bi^ü^Urre aigu^ture oi of isBiimg iasujfQg officFQjjg^<br />

V ' M )<br />

Unterschrift des auyftirt<br />

f t '<br />

Beamten.<br />

^ b n e r ,G e n ^ ,<br />

* s<br />

Letzter Personalausweis (die Beschädigung rührt wahrscheinlich <strong>von</strong> einer Kugel her)


Er blickte zu ihr hinauf, als sie ihm nachwinkte, und sagte die bedeutungsvollen<br />

Worte: ,Weißt Du auch, was heute für ein historischer Tag ist?“ “Er meinte dies in<br />

bezug auf die erste amerikanische Zigarre. Sie war ihm <strong>von</strong> Benno Mattel als<br />

besondere Attraktion für den Abend in Aussicht gestellt worden.<br />

Als <strong>Webern</strong> mit seiner Frau den Wiesenhang ins Tal hinabstieg und dann das<br />

kurze Stück bis zum Flaus ging, schloß sich der Ring des Schicksals um sie. Zur<br />

gleichen Stunde liefen die Vorkehrungen, Mattel bei seinen Schwarzmarktgeschäften<br />

zu fassen. Der folgende Bericht über die Ereignisse der Nacht ist aus den<br />

Aussagen <strong>von</strong> drei Personen zusammengestellt worden, die bei dem Geschehen<br />

zugegen waren: Wilhelmine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, Sergeant Murray und Martin U. Fleiman,<br />

ein Soldat deutscher Abstammung, der dem Regiment als Dolmetscher zugeteilt<br />

war.5 So spielten sich die Ereignisse ab:<br />

Es war gegen 8 Uhr abends, als <strong>Anton</strong> und Wilhelmine im Haus eintrafen. Das<br />

Abendessen wurde später <strong>von</strong> Amalie beschrieben (die ihrer Schilderung den<br />

Bericht ihrer Mutter zugrunde legte): „Das Nachtmahl bei den Matteis war<br />

wunderbar gewesen, und alle waren sie fröhlich und guter Laune. Der Abschluß und<br />

die Krönung des Essens war für meinen Vater eine herrliche amerikanische Zigarre.<br />

Vater war leidenschaftlicher Zigarrenraucher, und diese erste, so lange entbehrte<br />

Zigarre machte ihm besondere Freude.“<br />

Bei ihrer offiziellen Vernehmung sagte Wilhelmine: „Mein Schwiegersohn,<br />

Benno Mattel, erzählte uns, daß er während des Abends Amerikaner erwarten<br />

würde. Sobald diese ankamen, gegen 21 Uhr, gingen mein Mann, meine Tochter und<br />

ich zum Nachbar-Zimmer, wo die Kinder schliefen.“ Dieser Raum ging rechts <strong>von</strong><br />

dem kleinen Eingangsflur ab, direkt gegenüber der Küche, in der das Abendessen<br />

stattgefunden hatte. <strong>Webern</strong> saß während der nächsten Stunde mit Frau und<br />

Tochter neben den drei friedlich schlafenden Kindern. Wilhelmine berichtete über<br />

das Geschehen, das die Idylle dieser Stunde grausam zerschlug: „Um 21.45 Uhr<br />

(genau) sagte mein Mann, daß wir bald nach Hause gehen müßten, zum Hause 31,<br />

weil wir dort um 22.30 Uhr ankommen müßten. Er wollte eine Zigarre rauchen, die<br />

er am selben Abend <strong>von</strong> unserem Schwiegersohn erhalten hatte. Er sagte, daß er nur<br />

einige Züge rauchen wollte und außerhalb des Zimmers, damit er die Kinder nicht<br />

belästige. Das war das erste Mal, daß er das Zimmer verließ. Mein Mann war nur 2-3<br />

Minuten außen, als wir 3 Schüsse hörten. Ich war sehr verängstigt, aber dachte nicht,<br />

daß mein Mann in irgendeiner Weise verwickelt sein könnte. Dann wurde die Türe<br />

zu unserem Zimmer <strong>von</strong> meinem Mann geöffnet, der sagte: ,Ich wurde erschossen.“<br />

Zusammen mit meiner Tochter legte ich ihn auf eine Matratze und öffnete seine<br />

Kleider. Mein Mann konnte noch die Worte sagen ,Es ist aus“ und fing an, die<br />

Besinnung zu verlieren. Ich sah nur eine Wunde an der linken Seite des Bauches und<br />

im Magen. Ich bat meine Tochter, etwas zu tun, und schlug vor, einen kalten<br />

Umschlag um den Kopf zu machen; dann ging ich nach außen, um Hilfe zu holen. Ich<br />

sah die Küchen-Tür geöffnet, und mein Schwiegersohn war innen mit erhobenen<br />

Händen. Dann ging ich nach oben, um die Leute zu bitten, einen Doktor zu holen.<br />

Als ich nach unten kam, war mein Mann allein mit den Kindern; er gab Anzeichen<br />

des nahenden Todes. Meine Tochter war auch in der Küche zu dieser Zeit mit empor<br />

576


gehobenen Händen. Kurz darnach bat ich einen amerikanischen Soldaten um<br />

ärztliche Hilfe; er antwortete, daß schon jemand deshalb gegangen sei. Darnach<br />

kamen mehr Amerikaner, und ich wurde zur Küche geführt und aufgefordert, mich<br />

hinzusetzen.“<br />

An diesem Abend fand im gleichen Gasthaus <strong>von</strong> Mittersill, wo auch die Küche<br />

und das Vorratslager der Stabskompanie des Hauptquartiers untergebracht waren,<br />

ein Tanz statt. Kurz vor 22 Uhr kam Raymond Bell angerannt, um Martin U.<br />

Heiman herauszuholen, der beim Tanz zugegen war. In seiner eidesstattlichen<br />

Erklärung berichtete Heiman, daß Bell ihn bat, „ihm in ein nahegelegenes<br />

Privathaus zu folgen, um bei der Festnahme eines Schwarzmarkthändlers, eines<br />

Mannes namens Benno Mattel, behilflich zu sein, und um als Dolmetscher zu<br />

fungieren in Sachen einer Erschießung, die im Zusammenhang hiermit erfolgt war.<br />

Als ich dorthin gelangte, traf ich den Hauptfeldwebel der Stabskompanie des<br />

Hauptquartiers vom 242. Infanterieregiment, der Herrn Mattel bewachte. In<br />

demselben Haus jedoch, im Erdgeschoß gegenüber der Küche, wo Herr Mattel<br />

eingesperrt war, lag ein Mann, tot, soeben seinen Schußverletzungen erlegen. Es war<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, Professor für Neue Musik aus Wien. Seine Ehefrau, Wilhelmine<br />

<strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, saß neben ihm, völlig betäubt vom erlittenen Schock. Ihre Tochter<br />

Frau Mattel war ebenfalls zugegen. In diesem Augenblick kam weiteres US-Armee-<br />

Personal, Offiziere und Sanitäter. Auf Befehl des rangältesten anwesenden Offiziers<br />

hatte ich nicht nur Herrn Mattel, sondern auch Frau Mattel in Gewahrsam zu<br />

nehmen. Sie stand unter dem Verdacht der Mithilfe bei den beabsichtigten oder<br />

verwirklichten Schwarzmarktgeschäften ihres Ehemanns. Es gelang mir indes, nach<br />

zwei Tagen ihre Entlassung aus dem Gefängnis in Mittersill zu erwirken.“<br />

In der <strong>von</strong> den Militärbehörden unmittelbar nach der Erschießung eingeleiteten<br />

Untersuchung wurde Heiman zum Dolmetscher bestimmt. So wurde er mit jeder<br />

Einzelheit des Falles vertraut. Die Tragödie erweckte so große Anteilnahme in ihm,<br />

daß er eine Kopie der offiziellen Aussage Wilhelmines während der Verhandlung<br />

über die Todesursache für sich zurückbehielt. Heiman beschrieb die Ereignisse in<br />

der Küche nach dem Eintreffen <strong>von</strong> Murray und Bell gegen 21 Uhr folgendermaßen:<br />

„Nach einigem Verhandeln einigte man sich auf die Preise für die Nahrungsmittel<br />

und Gebrauchsgegenstände, und Herr Mattel war im Begriff zu zahlen.<br />

Daraufhin zogen die zwei US-Soldaten ihre Pistolen, ließen den Vorwand der<br />

Zusammenarbeit fallen und nahmen den überraschten Mattel fest. Es sollte an<br />

dieser Stelle vermerkt werden, daß der in diese Angelegenheit verwickelte Koch,<br />

schon unter normalen Umständen überaus nervös, leicht aufgebracht und erregbar,<br />

keineswegs aber - nach meinen Erfahrungen - ein schlechter Charakter war, daß er<br />

sich vielmehr manchmal hilfsbereit zeigte. Nachdem Herr Mattel in die Falle<br />

gegangen war, verließ der Koch den Raum (die Küche) im Erdgeschoß und begab<br />

sich in das in der Nähe gelegene Restaurant, um den Unterzeichneten zu holen,<br />

damit ich Herrn Mattel in offiziellen Gewahrsam nehmen und ins Ortsgefängnis<br />

überführen würde zum Verbleib, bis weitere Maßnahmen erfolgten. Der Koch,<br />

bereits in einem sehr erregten Zustande, ging hinaus in den Hausflur, trat aus dem<br />

Haus, geriet in die Dunkelheit hinein und stieß prompt auf eine Gestalt, durch die er


sich angegriffen fühlte. Er feuerte ,in Notwehr6drei Schüsse ab; dann ging er weiter<br />

und begab sich in das Restaurant, um den Unterzeichneten zu holen.“<br />

Sergeant Murrays Darstellung der Vorgänge des Abends war wie folgt: „Ehe wir<br />

uns in das Haus Martels[sic] begaben, hatten wir, Bell und ich, keinen Alkohol<br />

getrunken, damit wir uns bei der Ausführung der Festnahme voll in der Gewalt<br />

hätten. In dem Hause Nr. 101 in Mittersill nahmen wir im Laufe einer Stunde<br />

dreimal ein Getränk <strong>von</strong> Martel an. Nachdem wir das notwendige, <strong>von</strong> uns<br />

gewünschte Beweismaterial in die Hände bekommen hatten, setzten wir Martel<br />

unter bewaffneten Arrest. Bell und ich hatten einen Plan entworfen, wonach Bell<br />

zuerst aus der Türe hinausgehen sollte, um in dem engen Raum <strong>von</strong> Hausflur und<br />

Hauseingang eine Überlistung seitens Martels zu verhindern. Einmal war Bell im<br />

Laufe des Abends an das Fenster an der Frontseite des Hauses getreten, um es zu<br />

schließen. Auch hatten wir Schritte gehört, die vom Hausflur hinausführten. Ich<br />

stand in dem Raum zusammen mit Martel, der die Hände über den Kopf erhoben<br />

hatte, deutlich sichtbar draußen, <strong>von</strong> der Vorderseite des Hauses her. Alles, was in<br />

den nächsten dreißig bis fünfundvierzig Sekunden geschah, kann ich nur nach<br />

bestimmten Geräuschen beschreiben, die ich vernahm. Die Küchentür war halb zu.<br />

Ich hörte, wie die nach draußen führende Haustüre geöffnet wurde, wie sie gegen die<br />

Wand schlug, und somit ganz offen stand; ein gellender Schrei <strong>von</strong> Bell, den ich am<br />

besten als Überraschung beschreibe; ein Scharren <strong>von</strong> Füßen auf der Schlacke; und<br />

dann drei Schüsse, schnell abgefeuert. Ich hörte keinen Aufschrei danach, nur das<br />

hysterische Schreien einer Frau. Ich war überzeugt, daß es Beil war, der<br />

angeschossen worden war. Nachdem ich die Überraschung, Schüsse zu hören,<br />

überwunden hatte, rief ich nach Bell, erhielt aber keine Antwort. Dann glaubte ich<br />

fest, Bell sei erschossen worden. Später erfuhr ich indessen, daß er nach Flilfe<br />

ausgegangen war. Daraufhin befahl ich Martel und seiner Frau, die in die Küche<br />

gekommen war, mir durch die Türe voranzugehen. Ich führte sie die Straße<br />

hinunter, als ich Bell in Begleitung <strong>von</strong> vier Offizieren begegnete; ich kehrte dann<br />

mit Leutnant Shaneyfelt, dem S-2-Regimentsoffizier vom Dienst, in das Haus Nr.<br />

101 zurück. Erst dann entdeckte ich, daß tatsächlich jemand erschossen worden war.<br />

Als ich durch die Haustüre eintrat, blickte ich in den Raum zur Rechten; dort sah ich<br />

auf einer Matratze einen Mann liegen, der vorn an seinem Hemd Blut hatte. Ein<br />

Offizier sandte sofort nach Sanitätspersonal.“<br />

Nachdem Wilhelmine hatte mitansehen müssen, wie ihr Mann auf einer Bahre<br />

weggetragen und ihre Tochter und ihr Schwiegersohn ins Gefängnis abgeführt<br />

wurden, verbrachte sie diese schreckliche Nacht allein mit den drei kleinen Kindern.<br />

Ihre Tochter Amalie beschrieb, wie sie am nächsten Tag <strong>von</strong> der Tragödie erfuhr:<br />

„Gegen 4 Uhr früh wurde ich <strong>von</strong> Nachbarn geweckt, die mir mitteilten, ich möge zu<br />

den Matteis gehen, es sei etwas Furchtbares geschehen. Da meine Schwester, Frau<br />

Dr. Halbich, mit ihrem zweiten Kind im 8. Monat in der Schwangerschaft war,<br />

mußte ich allein den Weg zu den Matteis gehen. Ich wartete allerdings bis um 7 Uhr,<br />

weil mir in diesen Zeiten der Weg durch Wald und Feld allein zu so früher Stunde zu<br />

gefahrenvoll war. Als ich zu dem Hause kam, voll Sorge, nicht ahnend, was auf mich<br />

wartete, war das erste, daß ich nicht in das Haus durfte. Es war <strong>von</strong> amerikanischem<br />

578


Militär mit aufgepflanztem Bajonett umstellt. Auf meine Fragen und meine<br />

Bestürzung durfte ich mich <strong>von</strong> der Straße über den Garten mit meiner Mutter<br />

verständigen. Mutter sah erschreckend aus. Keine Träne, kein Klagen, nur mit vor<br />

Angst gezeichneten Zügen sagte sie: ,'Der Vater wurde gestern abend angeschossen<br />

und gleich <strong>von</strong> amerikanischen Soldaten weggebracht. Bitte suche ihn. Mich hat man<br />

mit den Kindern eingesperrt, Christi und Benno sind auch abgeführt worden.“Ich<br />

lief, um meinen Vater zu suchen, in das Krankenhaus. Es war Sonntag, alle<br />

Krankenschwestern waren in der Kirche, niemand war da, um mir Auskunft zu<br />

geben. Vor dem Krankenhaus stand ich nun beinahe vergehend vor Angst und<br />

Sorge. Endlich kamen die Schwestern <strong>von</strong> ihrem Kirchgang zurück. Keine wußte mir<br />

etwas zu sagen. Die Nachtschwester meinte: ,Ja, heute nacht wurde ein alter Mann<br />

gebracht, aber der war schon tot, als er bei uns eintraf. Er liegt in der Totenhalle,<br />

schauen Sie hinein, vielleicht ist es der <strong>von</strong> Ihnen Gesuchte.“ Und er war es. Auf<br />

einer Decke, auf dem Fußboden der Kapelle, lag mein Vater - tot. Seine Augen<br />

waren offen, grauenhaftes Entsetzen stand darin.“<br />

Die Kapelle, die als Totenhalle diente, war die Annakirche, ein kleiner<br />

Barockbau. Sie war Mittersills erste Pfarrkirche gewesen und steht nicht weit <strong>von</strong><br />

dem Krankenhaus, in das <strong>Webern</strong> gebracht worden war.<br />

Die militärische Untersuchung des Vorfalls wurde <strong>von</strong> Major Cunningham als<br />

Bevollmächtigtem des Regimentskommandeurs Oberst Norman C. Caum geleitet.<br />

Sie wurde am 17. September abgeschlossen. An diesem Tage wurde auch<br />

Wilhelmine vernommen, noch bevor ihr Mann zu Grabe getragen war. Als ihr Beils<br />

Aussage, er habe in Notwehr gehandelt, vorgehalten wurde, meinte sie schlicht und<br />

einfach: „Mein Mann war Wieder-Genesender und wog nur ungefähr 50 Kilo; er ist<br />

ungefähr 160 cm hoch. Nach meiner Ansicht würde es gegen seine Natur sein, irgend<br />

jemanden, besonders einen Soldaten anzugreifen.“<br />

Im Verlauf der Vernehmung zeigte der Kompaniekoch eine Wunde arn<br />

Schienbein vor und behauptete, sie sei ihm <strong>von</strong> dem Mann zugefügt worden, <strong>von</strong><br />

dessen Gegenwart er überrascht worden sei, als er die Türe öffnete und in die<br />

Dunkelheit hinaustrat. Den Anwesenden kam es allerdings recht unwahrscheinlich<br />

vor, daß eine Wunde so rasch hatte heilen können, und es kam der Verdacht auf, daß<br />

sie <strong>von</strong> einem früheren Anlaß herrühre. Zweifellos war Bell mit <strong>Webern</strong><br />

zusammengestoßen, und der physische Kontakt hatte ihn erschreckt. Zu diesem<br />

Punkt kommentierte Heiman: „Selbstverständlich behauptete er, in Notwehr<br />

gehandelt zu haben, und zweifellos ließ sein zu dem Zeitpunkt des Vorfalls stark<br />

erregter Gemütszustand ihn glauben, er werde angegriffen. Ich weiß nicht, was<br />

Major Cunninghams Bericht über Schuld oder Unschuld des Kochs bei der<br />

Erschießung konstatierte. Auf jeden Fall wurde der Stubenarrest des Kochs kurz<br />

nach der Beendigung der Untersuchung aufgehoben; der Koch arbeitete fortan<br />

wieder in der Küche, bis er einige Monate später in die Vereinigten Staaten<br />

zurückkehrte. Ebensowenig weiß ich, was der Untersuchungsbericht über die Rolle<br />

des Herrn A. <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> konstatierte - abgesehen <strong>von</strong> der Zeugenaussage seiner<br />

brau. Nach meinem besten Wissen existierte aber auch nicht der leiseste Beweis<br />

darüber, daß Herr <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> den Koch angegriffen habe, <strong>von</strong> der Zeugenaussage<br />

579


des Kochs abgesehen, eines Mannes, der ungefähr zwei Kopf größer war als sein<br />

Gegenüber. Nicht ein einziger all der Offiziere, die mit dem Fall vertraut waren und<br />

mit denen ich sprach, glaubte, daß Herr <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> an irgend etwas mit dieser<br />

Angelegenheit Zusammenhängendem schuldig war. Nach meiner Meinung war er<br />

bestimmt nichts als ein völlig unschuldig Beteiligter gewesen. Beinahe jeder hatte in<br />

dieser traurigen Angelegenheit ein höchst ungutes Gefühl, und dies um so mehr, als<br />

vage bekannt wurde, um was für einen berühmten Mann und großen Künstler es sich<br />

handelte.“<br />

Am Vormittag des 21. September wurde <strong>Webern</strong> auf dem Friedhof hinter der<br />

Dorfkirche <strong>von</strong> Mittersill beigesetzt. Das Requiem wurde <strong>von</strong> Dechant Peter<br />

Ehrenstrasser und zwei Ministranten zelebriert, <strong>von</strong> denen einer Cesar Bresgen war.<br />

Während der Zeremonie erfüllten die Klänge Gregorianischen Choralgesangs, den<br />

<strong>Webern</strong> so geliebt hatte, das Gotteshaus, in dem sein Leichnam lag. Bresgen<br />

erinnerte sich: „Draußen war wieder jener strahlend blaue Himmel, und früher<br />

Schnee lag auf den Bergen. Still, durch nichts Lärmendes und Unreines getrübt,<br />

wirkt diese Stunde im Gedächtnis fort.“ Es war nur eine Handvoll <strong>von</strong> Leidtragenden,<br />

die der Witwe und ihren drei Töchtern das Geleit gaben zum offenen Grab an<br />

der rückwärtigen Mauer des Friedhofs.<br />

Einige Wochen später stand Benno Mattel vor einem Gericht der US-<br />

Militärregierung in Zell am See unter dem Vorsitz <strong>von</strong> Leutnant Friedman. Heiman<br />

berichtete: „Während der Gerichtsverhandlung wurde Benno Mattel wegen<br />

Schwarzmarktgeschäften zu einer Gefängnisstrafe <strong>von</strong> einem Jahr verurteilt; der<br />

Tod des Herrn <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> jedoch wurde nicht zum Gegenstand dieser<br />

Gerichtsverhandlung gemacht.“<br />

Verzweifelt über den Verlust ihres Mannes und zutiefst getroffen <strong>von</strong> der<br />

Publizität, die die Verurteilung ihres Schwiegersohns nach sich zog, weigerte sich<br />

Wilhelmine, mit irgend jemandem über Einzelheiten der Tragödie zu sprechen. Sie<br />

verpflichtete auch ihre Töchter zum Stillschweigen. Das hatte zur Folge, daß viele<br />

und unterschiedlichste Gerüchte in Umlauf kamen. Die ersten Zeitungsberichte, die<br />

erst einen Monat später erschienen, brachten die Nachricht, daß <strong>Webern</strong> in einem<br />

Unfall das Leben verloren habe und daß sein Schwiegersohn verhaftet worden sei.6<br />

Zunächst wurden diese knappen Verlautbarungen dahingehend interpretiert, daß<br />

Benno Mattel selbst seinen Schwiegervater „aus Versehen“ getötet habe. Dieses<br />

und viele andere Gerüchte hielten sich durch viele Jahre hindurch. Das bewirkte,<br />

daß die widersprüchlichsten Geschichten kolportiert wurden: nach einer Version<br />

wurde <strong>Webern</strong> <strong>von</strong> einem betrunkenen Soldaten niedergeschossen, nach einer<br />

zweiten wurde er <strong>von</strong> einem Querschläger getroffen und nach einer dritten befand er<br />

sich nach der Sperrstunde noch auf der Straße und wurde erschossen, als er den<br />

Anruf eines amerikanischen Postens nicht beachtete. Ein anderer Bericht wollte es,<br />

daß er mit seinem Schwiegersohn verwechselt wurde, als er das <strong>von</strong> Wachen<br />

umstellte Haus verließ, und ein weiterer, daß er mutwillig <strong>von</strong> einem schießfreudigen<br />

Soldaten ermordet wurde. Alle diese Gerüchte, die in immer neuen Entstellungen<br />

kursierten, waren nur zu geeignet, das Geschehen in einen Schleier des<br />

Geheimnisvollen zu hüllen, der erst fünfzehn Jahre später mit der Veröffentlichung<br />

580


des Buches Der Tod <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s / Ein Drama in Dokumenten1 gelüftet<br />

wurde. Nach Beendigung der Forschungen zu diesem Dokumentarbericht wurden<br />

seine Ergebnisse <strong>von</strong> der Familie <strong>Webern</strong> bekräftigt. Nur ein Detail wäre noch<br />

hinzuzufügen: Frau Elsie Fritzenwanger, in deren Heim Wilhelmine starb, erzählte,<br />

daß sich die Witwe während ihrer letzten Lebensjahre mit Selbstvorwürfen quälte,<br />

weil ihr Mann auf ihre Bitte hin wegen der in dem kleinen Zimmer schlafenden<br />

Kinder nach draußen gegangen sei, um jene schicksalhafte Zigarre zu rauchen.<br />

Dieses letzte Glied in der Kette der Geschehnisse vertieft noch die Traurigkeit der<br />

dramatischen Verknüpfungen, die mit der Ausweglosigkeit einer griechischen<br />

Tragödie abliefen. Ein Jahrzehnt später, fast auf den Tag genau, fiel der Mann, der<br />

<strong>Webern</strong> getötet hatte, selbst dem Schuldgefühl zum Opfer, das ihn seit jenem<br />

Augenblick der Panik verfolgt hatte. Raymond Bell, der zum Trinker geworden war,<br />

starb daran am 3. September 1955. Seine Frau Helen, eine Schullehrerin in Mt.<br />

Olive, North Carolina, schrieb später: „Ich weiß über den Unglücksfall nur sehr<br />

wenig. Als mein Mann aus dem Kriege heimkehrte, erzählte er mir, er habe in<br />

Ausübung seiner Dienstpflicht einen Mann getötet. Ich weiß, daß er sich hierüber<br />

sehr gegrämt hat. Jedesmal, wenn er betrunken war, sagte er: ,Ich wünschte, ich<br />

hätte den Mann nicht getötet!1 Ich bin überzeugt, daß dies dazu beitrug, seine<br />

Krankheit herbeizuführen. Er war ein sehr gütiger Mensch gewesen, der jeden gern<br />

hatte. Dies sind die Folgen des Krieges. So viele müssen leiden.“8<br />

581


Epilog: Wilhelmine —JJie Ara <strong>Webern</strong>“<br />

Unter den wenigen persönlichen Dingen, die <strong>Webern</strong> in seinem Rucksack auf seiner<br />

Flucht nach Mittersill mit sich führte, befand sich auch das kleine, in Leder und<br />

Brokat gebundene Tagebuch, dem er <strong>von</strong> 1916 bis 1939 die meisten der Daten<br />

anvertraut hatte, die ihm als Mensch und Künstler wichtig waren. Als sich das<br />

Büchlein später im Nachlaß seiner Witwe fand, enthielt es noch eine letzte<br />

Eintragung <strong>von</strong> ihrer Hand: 1945<br />

15. Sept. 10h abends<br />

Toni t Mittersill<br />

14. II. Peter f bei Marburg<br />

alles verloren, muß aber weiter leben solange mich<br />

Mizi, Christi u. ihre Kinder brauchen.<br />

Mit diesen bewegenden Worten trat Wilhelmine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> in die letzte Spanne<br />

ihres Lebens ein, eine Zeit, die <strong>von</strong> Trauer, Armut, harter Arbeit und Krankheit<br />

überschattet war. Ihre Tochter Amalie war mit ihrem Mann und den beiden Söhnen<br />

bald nach <strong>Webern</strong>s Tod nach Wien zurückgekehrt. Wilhelmine hätte sich ihnen dort<br />

anschließen können, wäre sie nicht ihrem Entschluß treu geblieben, weiter in<br />

Mittersill zu leben, uni Maria und Christine eine Stütze sein zu können. Im Oktober<br />

1945 hatte Maria ihr zweites Kind, eine Tochter, die den Namen Johanna erhielt, zur<br />

Welt gebracht. Es sollten aber noch mehr als drei Jahre vergehen, bis ihr Mann, Fred<br />

Halbich, wieder zu seiner Familie stoßen konnte. Als Mediziner wurde er länger in<br />

Jugoslawien festgehalten als andere Kriegsgefangene. Es waren harte Zeiten für<br />

Maria, und sie waren gleichermaßen schwer für Christine. Benno Mattel hatte seine<br />

Gefängnisstrafe <strong>von</strong> einem Jahr abzusitzen und ging dann unmittelbar nach Italien,<br />

dem Heimatland seiner Mutter. Christine und die Kinder konnten erst nach einer<br />

Trennung <strong>von</strong> drei Jahren dort wieder mit ihm vereint sein.<br />

Wilhelmine, die ihr ganzes Leben lang unermüdlich gearbeitet hatte, sah sich in<br />

dieser schweren Zeit fast über die Grenzen des Tragbaren hinaus gefordert.<br />

Niedergebeugt <strong>von</strong> Trauer, wurde sie auch noch dauernd <strong>von</strong> harter Arbeit in<br />

Anspruch genommen. Ihre Töchter, vor allem Maria, waren oft krank, und sie<br />

mußte nicht nur sie pflegen, sondern auch ihre Enkel betreuen. Ab Dezember 1946<br />

lebte sie bei Maria, die wegen ständiger Reibereien mit ihrer Schwiegermutter aus<br />

dem Halbichschen Heim ausgezogen war und im Dorf im Haus Nr. 119 ein<br />

Unterkommen gefunden hatte.<br />

Die Witwe litt unter äußerster Geldknappheit, wenn auch ihre Lage anfänglich<br />

eine Erleichterung erfahren hatte, als die Universal Edition <strong>Webern</strong>s nachgelassene<br />

582


Werke Opus 17, 24, 25, 29, 30 und 31 unter Vertrag nahm. Auf die Nachricht vom<br />

Tode des Komponisten verlor das Verlagshaus keine Zeit, sich diese Werke zu<br />

sichern. Es beauftragte Leopoldine Groß und Hermine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, nach Mittersill<br />

zu fahren und die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Um für die beiden<br />

Frauen die Reisegenehmigung zu bekommen, schrieb Alfred Schlee am 16. Oktober<br />

1945 an das Staatsamt für Inneres: „Durch das Ableben des Komponisten<br />

<strong>Anton</strong> v. <strong>Webern</strong> ergibt sich die dringliche Notwendigkeit, sofort die bei ihm<br />

befindlichen Manuskripte sicherzustellen, die nicht nur einen bedeutenden kulturellen<br />

Wert besitzen, sondern auch für die Exporttätigkeit unseres Verlages <strong>von</strong><br />

größter Bedeutung sind. Da wir erfahren haben, daß bereits ein englischer Verlag<br />

sich für die Nachlassenschaft Herrn Professor <strong>Webern</strong>s interessiert, ist es <strong>von</strong><br />

größter Dringlichkeit, daß die Manuskripte sofort nach Wien gebracht werden. Auf<br />

Grund <strong>von</strong> mündlichen Vereinbarungen, die infolge des Verbotes <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Werken noch nicht schriftlich fixiert werden konnten, haben wir die Werke aus dem<br />

Nachlaß für unseren Verlag sichergestellt. Wir legen größten Wert darauf, daß diese<br />

Werke einem österreichischen Verlag erhalten bleiben. Mit Rücksicht auf die<br />

internationale Bedeutung <strong>Webern</strong>s und den kulturellen sowie materiellen Wert der<br />

Manuskripte bitten wir Sie, unsere Maßnahmen zu billigen und den beiden<br />

genannten Personen eine Bestätigung der Dringlichkeit einer Reise nach Mittersill<br />

(Salzburg) und zurück auszustellen, damit die notwendigen Schritte sofort unternommen<br />

werden können und die überaus wertvollen Manuskripte nicht in Verlust<br />

oder in falsche Hände geraten.“<br />

Arn 26. Oktober 1945 Unterzeichnete <strong>Webern</strong>s Witwe (die den Verlag darauf<br />

verweisen konnte, daß die Manuskripte in Wien zurückgelassen worden waren) den<br />

Vertrag, der eine einmalige Zahlung <strong>von</strong> 1000 Reichsmark sowie die üblichen<br />

Tantiemen vorsah. Dieser Barbetrag war eine Hilfe für den Augenblick, doch<br />

Wilhelmine erlebte es nicht mehr, daß ihr die Tantiemen zugute kamen. Arn<br />

14. September 1949, kurz vor ihrem Tode, setzte sie ihre Unterschrift unter eine<br />

weitere Vereinbarung mit Bomart, einem kleinen Verlagshaus in New York;1sie<br />

betraf <strong>Webern</strong>s frühes Quintett aus dem Jahre 1907, ein Werk, das der Komponist<br />

selbst schon seit langem veröffentlicht sehen wollte. Kurt List, ein ehemaliger<br />

Schüler <strong>Webern</strong>s, trat als Vermittler für die Ausfertigung des Vertrages auf, der die<br />

nominelle Zahlung <strong>von</strong> 1 Dollar sowie die Verrechnung der anfallenden Tantiemen<br />

stipulierte.<br />

Zwei Monate nach dem Tode ihres Mannes unternahm Wilhelmine die erste <strong>von</strong><br />

mehreren Reisen nach Wien, um über den Hausrat und andere Güter zu verfügen,<br />

die aus ihrem Heim in Maria Enzersdorf geborgen worden waren. Von Schmerz<br />

übermannt, war sie nicht imstande, sich dieser traurigen Aufgabe zu unterziehen.<br />

Bei einem anderen Besuch im Frühjahr 1946 nahm sie aus dem Garten ein paar der<br />

Alpenpflanzen, die <strong>Webern</strong> mit so viel liebevoller Hingabe gezogen hatte, zu seinem<br />

Grab nach Mittersill mit. Im Herbst dieses Jahres wurde ein schlichtes, <strong>von</strong> <strong>Josef</strong><br />

<strong>Humplik</strong> entworfenes Kreuz aus Lärchenholz2 als Grabmal errichtet. Im Mai 1948<br />

machte Hermine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> die erste bekannte Photographie des Grabes.<br />

Nachdem Christine mit ihren Kindern im September 1948 nach Italien gegangen<br />

583


war, wurde Wilhelmines Dasein noch einsamer. Sie vermißte die drei geliebten<br />

Enkeltöchter sehr3 und war bestürzt über Benno Matteis Plan, nach Südamerika<br />

auszuwandern.4 Als Marias Ehegatte im August 1949 eine Stellung an einem etwas<br />

entfernter gelegenen Krankenhaus angenommen hatte, entschloß sich Wilhelmine,<br />

in Mittersill zu bleiben, und bezog ein kleines Zimmer im oberen Stockwerk des<br />

Hauses Am Markt 101, das der freundlichen Frau Fritzenwanger gehörte, die<br />

einstmals der Familie Mattel Wohnräume vermietet hatte. Hier unter dem gleichen<br />

Dach, unter dem ihr Mann seinen letzten Atemzug getan hatte, verbrachte<br />

Wilhelmine, kränkelnd und vereinsamt, die ihr noch verbleibenden Monate ihres<br />

Lebens. Bis zuletzt machte sie sich zur Bewahrerin <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s künstlerischem<br />

Vermächtnis, niemals schwankend in ihrem Glauben an seine schöpferische<br />

Sendung. Begierig verfolgte sie die allzu seltenen Nachrichten <strong>von</strong> Aufführungen<br />

seiner Werke und unterhielt gewissenhaft eine rege Korrespondenz mit denen, die<br />

ihm am nächsten gestanden waren.<br />

Die tiefe Trauer, die sie seit dem Tode ihres Mannes umfangen hielt, spricht aus<br />

fast jedem ihrer Briefe. Am 26. Januar 1946, nach ihrer ersten Reise zu ihrem<br />

einstigen Heim, hatte sie Hildegard Jone geschrieben: „Der Aufenthalt in Wien war<br />

für mich so aufregend u. trostlos. So allein, das ist mir dort so ganz zum Bewußtsein<br />

gekommen.“5 Am 13. Juli desselben Jahres berichtete sie Hermine, wie traurig ihr<br />

60. Geburtstag (am 2. Juli) ohne ihren Mann und ihren Sohn gewesen sei. Am Tag,<br />

bevor sie diesen Brief schrieb, hatte die Uraufführung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s I. Kantate in<br />

London stattgefunden. Die Witwe war eingeladen worden, anwesend zu sein, lehnte<br />

aber ab aus Gründen, die sie Hermine nannte: „Wie schmerzlich war es für mich,<br />

daß ich nicht dabei sein konnte. Ich hätte keine Bewilligung bekommen u. hätte<br />

sowohl das Geld als auch die Kleider nicht dafür gehabt. Mußte eben wieder, wie<br />

schon so oft, darauf verzichten.“ Am 27. September berichtete sie Humpelstetter:<br />

„Ich habe Nachrichten über die Aufführung bekommen, die mich erschütterten. Es<br />

war ein großer u. wirklicher Erfolg. Daß das mein Mann nicht erleben konnte! Es<br />

wäre doch eine Genugtuung gewesen nach den letzten furchtbaren Jahren, in denen<br />

seine Musik verpönt u. verachtet war.“<br />

Am 10. Februar 1947 schrieb Wilhelmine Ernst Diez nach Amerika: „Du hast im<br />

Juli Heft <strong>von</strong> Turm die Briefe <strong>von</strong> Toni gelesen; hat es Dich nicht merkwürdig<br />

berührt, was der Herausgeber zur Einleitung geschrieben hat: ,Wien hat den<br />

tragischen Tod des Komponisten <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> vor einigen Monaten gerade<br />

nur als Nachricht zur Kenntnis genommen, <strong>von</strong> seinen Werken wurde aber nichts zu<br />

seinem Gedächtnis aufgeführt. Der aller Äußerlichkeit Abholde ist sang- u. klanglos<br />

aus dem Kunstleben Wiens geschieden/ Ist das nicht eine furchtbare Wahrnehmung,<br />

aber sie ist wahr! London u. Amerika haben anders an ihn gedacht. Im Herbst<br />

1945 wurde in der B. B. C. London ein sehr schöner Nachruf gesendet. Dann war<br />

dort beim Musikfest der G. f. N. M. im heurigen Sommer die Uraufführung seiner<br />

I. Kantate, die jetzt im Februar bei einem <strong>Webern</strong> Konzert in der B. B. C.<br />

wiederholt wird. Es wird auch Toni’s Orchester-Bearbeitung des ,musikalischen<br />

Opfers1dann aufgeführt. Nachricht hat mir Dr. Bach geschickt u. er schreibt,nichts<br />

anderes wird dazugegeben, seine Ehrung steht für ihn allein. Hier wenigstens haben<br />

584


die Freunde u. Bewunderer ihn nicht vergessen. ‘ Von Guido <strong>Webern</strong> bekam ich die<br />

Nachricht, daß in New York ,ein Konzert zu Ehren <strong>von</strong> Toni war*. Das sind nackte<br />

Tatsachen, es paßt so zu Toni’s Schicksal. Diese Wiener, diese Österreicher, u. wie<br />

hat er diese Stadt u. dieses Land geliebt. Allerdings im Sommer .1945 hat er wohi<br />

erkannt, daß er hier nicht mehr leben kann. Er war fest entschlossen nach England<br />

zu gehen, u. er hätte es auch durchgeführt.“<br />

Die <strong>von</strong> Wilhelmine erwähnte Gedenkfeier der B.B. C. fand am 3. Dezember<br />

1945 statt, dem 62. Geburtstag des Komponisten. David <strong>Josef</strong> Bach, <strong>Webern</strong>s<br />

langjähriger Freund, hielt die Gedächtnisansprache. Er war der erste aus dem<br />

Ausland gewesen, der mit der Witwe wieder Kontakt aufgenommen hatte. Als<br />

Antwort auf seine Fragen über die Umstände des Todes ihres Mannes hatte ihm<br />

Wilhelmine Anfang 1946 geschrieben: „Ich kann Ihnen leider nicht berichten, wie<br />

alles war. . . . Der Tod meines Mannes war zu furchtbar. Wenn er friedlich<br />

verschieden wäre, an der Folge seiner Krankheit, da wäre nur der Schmerz, aber so<br />

bin ich <strong>von</strong> einem solchen Grauen erfüllt, daß ich manchmal glaube, wahnsinnig zu<br />

werden. Warum mußte mein Mann ein solches Schicksal haben? Wie schwer waren<br />

für ihn die letzten 8 Jahre. Mein Mann war so verbittert, er hatte nur den einen<br />

Wunsch, aus diesem Land zu fliehen. Aber man war gefangen, willenlos. . . . Es war<br />

hart an der Grenze, was wir zu erleiden hatten. Und jetzt wäre für ihn eine bessere<br />

Zeit gekommen, u. da mußte das Unglück geschehen.“6<br />

Als sich Anfang 1947 Aussichten für eine Aufführung der Passacaglia in Wien<br />

abzeichneten, meinte Wilhelmine zu ihrer Schwiegertochter am 7. März: „Von<br />

Wien habe ich leider <strong>von</strong> niemand eine Nachricht, wann die Radio Aufführung <strong>von</strong><br />

Vaters Werk ist. Wahrscheinlich wieder verschoben. Es ist alles so kränkend u.<br />

traurig.“ Gegen Ende dieses Jahres, am 2. Dezember, schrieb sie Hildegard Jone:<br />

„Morgen ist sein Geburtstag; was für ein schöner Tag war das immer für mich. Wie<br />

unsagbar traurig, daß alles vorbei ist. Wie schön war mein Leben an seiner Seite.“<br />

Solche flüchtigen Augenblicke glücklicher Erinnerungen konnten Wilhelmines<br />

Trauer und Verzweiflung nicht verdrängen. Arn 4. Mai 1948 klagte sie Hildegard<br />

Jone: „Jetzt wird leider nirgends etwas <strong>von</strong> <strong>Anton</strong>s Werken aufgeführt. Ich hoffte<br />

so, daß in Wien etwas <strong>von</strong> seinen großen Orchesterwerken in dieser Saison<br />

aufgeführt wird. Seine Passacaglia u. die 6 großen Orchesterstücke sind ja schon<br />

klassische Werke; sie würden nicht den geringsten Widerstand auslösen. Aber kein<br />

Dirigent wagt sich daran. Haben sie Angst vor dieser Aufgabe, oder verstehen sie<br />

<strong>Anton</strong>s Werke absolut nicht? Ich kann es nicht verstehen, es betrübt mich sehr. Ein<br />

einziger, mir ganz unbekannter Dirigent, ein Pianist namens Häfner, hat am 22. XII.<br />

in der Ravag die geistlichen Lieder“ auf geführt.7In einigen Städten - München,<br />

Mainz, Heidelberg u. Prag - wollte man Werke <strong>von</strong> <strong>Anton</strong> aufführen, aber es scheint<br />

nicht dazu gekommen zu sein, denn ich habe vom Verlag keine Verständigung<br />

darüber bekommen. Sollte man <strong>Anton</strong> schon vergessen haben? Oder ist die<br />

furchtbare Zeit, in der wir leben, daran Schuld? Es ist alles so deprimierend. Ich<br />

kann nichts dagegen machen, obwohl ich es manchmal möchte, aber es wäre nicht im<br />

Sinne <strong>Anton</strong>s. So muß ich warten u. hoffen, daß es vielleicht doch einmal anders<br />

wird.“<br />

585


Während die Vernachlässigung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Musik in seinem Vaterland noch<br />

eine ganze Weile fortdauerte, konnte Wilhelmine Ernst Diez am 11. Februar 1949<br />

über mehrere Aufführungen im Ausland berichten: „Am meisten geschieht noch in<br />

Amerika, London u. Brüssel. Am meisten macht Radio Brüssel. Dort scheint ein<br />

sehr begabter Dirigent zu sein, Paul Collaer. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, das<br />

gesamte Werk der Komponisten der ,Wiener Schule1im belgischen Rundfunk zur<br />

Aufführung zu bringen. Von Toni wurde jetzt die I. Kantate am 17.1. gespielt, u. am<br />

14. II. werden die Orchestervariationen, Toni’s vorletztes Werk, aufgeführt. Von<br />

der Aufführung am 17. I. habe ich den Bericht bekommen, daß es ein sehr großer<br />

Erfolg war. Ist es nicht merkwürdig u. so traurig, daß dieses Werk am Namenstag<br />

<strong>von</strong> Toni war? Und die Aufführung am 14. II. ist am Todestag <strong>von</strong> Peter. Am<br />

14. April 1948 werden beim Brüsseler Musikfest die Klaviervariationen, die<br />

Violine- u. Cellostücke gespielt.“<br />

Auch in Frankreich war das Interesse an <strong>Webern</strong>s Musik im Steigen begriffen.<br />

Jean Louis Martinet, ein junger Komponist, kam nach Wien, um dort Pläne für<br />

mehrere Aufführungen in Paris während der Saison weiter zu verfolgen. „Er wollte<br />

mich hier besuchen“, teilte Wilhelmine Hildegard Jone am 14. September 1949 mit.<br />

„Ich habe, obwohl ich ihn sehr gerne kennengelernt hätte, abgelehnt. Bei mir geht es<br />

schwer, meine Fußlähmung macht mich menschenscheu. Auch meine Wohnung (ich<br />

habe ja nur ein Zimmer) ist doch so primitiv, fast ärmlich kann man sagen. Mir<br />

persönlich macht es nichts —ich habe meine Bücher, die Noten <strong>von</strong> <strong>Anton</strong> u. Bilder<br />

<strong>von</strong> meinen Lieben, das ist für mich ein Reichtum. Aber daß fremde Menschen<br />

Einblick haben sollen, will ich nicht. . . Martinet soll erfüllt sein <strong>von</strong> glühender<br />

Verehrung für die Werke <strong>von</strong> <strong>Anton</strong> und für seine Persönlichkeit. Er soll bei Hueber<br />

die I. Kantate (die er schon im Radio Paris aufgeführt hat) vorgeführt haben. Er soll<br />

das mit einem solchen Einfühlungsvermögen u. Hingabe vorgeführt haben, daß<br />

diese wunderbare Musik Alle ergriffen hat. Martinet erzählte auch, daß die Musik<br />

<strong>Anton</strong>s in Frankreich sehr viele Anhänger hat, und daß sie in ihrer Art vielmehr dem<br />

französischen Geist entspricht wie z.B. die Musik <strong>von</strong> Berg u. Schönberg, u. daß<br />

immer wieder Werke <strong>von</strong> <strong>Anton</strong> aufgeführt werden. Und da<strong>von</strong> hatte ich keine<br />

Ahnung, obwohl ich die U. E. immer wieder gebeten habe, mich <strong>von</strong> Aufführungen<br />

zu verständigen. Kann man das verstehn?“<br />

Unter den Werken <strong>Webern</strong>s, die in Paris im Herbst 1949 gespielt werden sollten,<br />

war als Uraufführung die II. Kantate. Das Konzert sollte auch im Radio übertragen<br />

werden. „Da geht mein ganzes Bestreben dahin, ein Radio zu kaufen. Hoffentlich<br />

gelingt es mir. Ich muß dieses Werkhören können!“, schrieb Wilhelmine an Hermine<br />

am 28. September. Ihr Wunsch sollte jedoch unerfüllt bleiben, als aus Martinets<br />

ehrgeizigem Projekt nichts wurde, und Wilhelmine starb, bevor das Jahr zur Neige<br />

ging. Am 29. Dezember 1949 erlag sie um 5 Uhr nachmittags in dem kleinen<br />

Zimmer im Obergeschoß des Hauses Am Markt 101 einem Gehirnschlag.<br />

Wilhelmine wurde an der Seite ihres Mannes beigesetzt. 1955 wurde das hölzerne<br />

Grabmal durch ein reich verziertes Kreuz aus Eisen ersetzt (<strong>von</strong> Maria Halbich bei<br />

einem Salzburger Kunstschmied in Auftrag gegeben). Die schlichte Inschrift lautet:<br />

586


ANTON WEBERN<br />

1883-1945<br />

MINNA WEBERN<br />

1886-1949<br />

Jahre später nahm die Familie ein Angebot des Gemeinderats <strong>von</strong> Mittersill zur<br />

Errichtung eines Ehrengrabs für den Komponisten und seine Frau an. Die offizielle<br />

Einweihung fand am 24. Juni 1972 statt. Ein großer Block aus afrikanischem<br />

Marmor kennzeichnet die neue Stätte, die weiträumiger und besser zugänglich ist als<br />

die frühere. Der <strong>von</strong> Amalie Waller in Auftrag gegebene Grabstein ist wegen seiner<br />

modernistischen Gestaltung und Beschriftung kritisiert worden (vgl. Abbildung<br />

S. 570 mit den drei Grabmälern).8<br />

In den Jahren, in denen das Leben ihrer Schwiegermutter seinem Ende zuging,<br />

begann Hermine, sich ihr eigenes Dasein still und tapfer wieder aufzubauen. Die<br />

Nachricht <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Tod, nur sieben Monate nach dem ihres Mannes, war für sie<br />

niederschmetternd. Hermine hatte erst am 3. Oktober durch Leopoldine Groß <strong>von</strong><br />

der Tragödie erfahren. Es mutet wie Ironie an, daß die aus zehn Worten bestehende<br />

Rote-Kreuz-Botschaft, die <strong>Webern</strong> seiner Schwiegertochter Anfang Juli geschickt<br />

hatte, erst am 16. Oktober bei ihr eintraf. Sie lautete:<br />

Auf Wiedersehen in allseitiger Gesundheit,<br />

sobald Reise möglich. Tausend Grüße.<br />

Am 4. Oktober, dem Tag, nach dem Hermine die Todesnachricht erhalten hatte,<br />

ging sie wieder zum Haus Im Auholz. Russische Soldaten waren noch in der<br />

Wohnung einquartiert, als sie am 17. September zum letzten Mal dort gewesen war.<br />

Dieses Mal waren sie nicht mehr im Haus, und Hermine nahm die große<br />

Porträtbüste <strong>Webern</strong>s <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> mit, die einstmals das Wohnzimmer<br />

geziert hatte.9 Am nächsten Tag begab sie sich erneut nach Maria Enzersdorf. Dieses<br />

Mal übergab ihr Frau Rose Kruppi, die früher im Erdgeschoß unter der<br />

<strong>Webern</strong>schen Wohnung gelebt hatte, einen Koffer voller Bücher, Noten und<br />

Manuskripte, die sie früher schon aus dem Haus geborgen hatte. Hermines<br />

Tagebucheintragung für den 5. Oktober lautete: ,,. . . bis 3U 12 Uhr nachts in<br />

Manuskripten geblättert.“<br />

Als Frau Barbara Fasching, die Eigentümerin des Hauses, erfuhr, daß <strong>Webern</strong> tot<br />

war und seine Witwe nicht mehr zurückkommen würde, ersuchte sie unverblümt<br />

darum, den noch verbliebenen „Mist“ und „Dreck“ vom Anwesen zu entfernen.<br />

Trotz aller ihrer Anstrengungen hatte Hermine nur einen verhältnismäßig kleinen<br />

Teil der <strong>Webern</strong>schen Habe fortschaffen können. Deshalb bat Frau Fasching<br />

Dr. Werner Riemerschmid, <strong>Webern</strong>s einstigen Nachbarn, mit ihr zum Haus zu<br />

gehen, um zu sehen, was noch getan werden könnte. In einem Brief, den er später<br />

Polnauer schrieb, berichtete Riemerschmid über die erschreckenden Zustände:<br />

587


„Von den Betten gab es nur noch die eisernen Einsätze; große Teile des Fußbodens<br />

waren verheizt; da und dort Reste <strong>von</strong> Möbelstücken. Teile der Bibliothek<br />

moderten auf der Kellerstiege, wo sie aufgestapelt waren, in Kammern zwischen<br />

alten zerbrochenen Einsiedegläsern. In einer Veranda mit zertrümmerten Fenstern<br />

türmten sich Partituren <strong>von</strong> Schönbergs Gurreliedern (Dirigierpartituren), Bücher,<br />

Bildwerke. Viele Umschläge zerfetzt, aufgeweicht, zerknittert. Sie [Frau Fasching]<br />

zeigte mir das kleine Gartenhäuschen, ein ,SalettP, durch dessen Dach der Regen die<br />

dort hingestreuten Briefe durchnäßt hatte. Auf einem Wiesenstreifen waren Reste<br />

<strong>von</strong> Asche zu sehen: man hatte haufenweise Briefe dort verbrannt. Den restlichen<br />

Teil hatte die Hausbesitzerin in Kohlensäcke gestopft zum ,Unterzünden“für den<br />

Ofen daheim. Ich bat sie, mich die Kohlensäcke durchsuchen zu lassen. Dort fand ich<br />

zwischen Schmutz, Knochen, toten Mäusen, Schulterklappen <strong>von</strong> Uniformen an die<br />

tausend Briefe <strong>Webern</strong>s an seine Gattin, Manuskripte, Notenskizzen, etliche<br />

hundert Briefe <strong>von</strong> Alban Berg, Arnold Schönberg, Alma Mahler, Marx und so<br />

weiter. Ich habe all diese Dinge, die ich hier herauszog, der Witwe <strong>Webern</strong>s<br />

anläßlich ihres Besuches in Mödling zurückerstattet. Die Briefe Bergs und<br />

Schönbergs überließ sie mir zum Ordnen und zu einer eventuellen Herausgabe.<br />

Dieses Ordnen wird demnächst abgeschlossen sein . . . In den etwa zwanzig<br />

Kohlensäcken hatten sich die Briefe natürlich vollkommen zerknittert, teilweise war<br />

die Tinte zerronnen, etliche waren <strong>von</strong> Mäusen angenagt, alles durcheinander, Teile<br />

<strong>von</strong> Briefen in diesem oder jenem Sack. Von etlichen sind nur Bruchstücke erhalten.<br />

Einen anderen Teil der Briefe hatte man in den Keller auf den Kohlenhaufen<br />

geworfen, auch Briefe der anderen Hausbewohner. Die Arbeit des Sortierens<br />

dauerte im Keller, wo es nur ein Kerzenlicht gab, mehrere Tage, bei den<br />

Kohlensäcken etwa zwei Wochen. Es war unsäglich traurig, diese Verwüstung eines<br />

so kostbaren Gutes zu sehen.“ 10<br />

Später stellte sich heraus, daß die <strong>von</strong> Riemerschrnid geretteten Dokumente 240<br />

Briefe und Postkarten, die Berg an <strong>Webern</strong> geschrieben hatte, sowie 29 Briefe <strong>von</strong><br />

Arnold Schönberg enthielten.11 Dr. Riemerschrnid fand auch <strong>Webern</strong>s erstes<br />

Skizzenbuch (1925), das die Witwe ihm dann in Anerkennung seiner mühevollen<br />

Arbeit schenkte (es wurde später <strong>von</strong> der Universal Edition erworben). Lediglich<br />

die Briefe, die <strong>Webern</strong> seiner Frau geschrieben hatte, <strong>von</strong> Riemerschrnid auf etwa<br />

tausend geschätzt, nahm Wilhelmine an sich. Amalie zufolge wurden sie alle auf<br />

Wunsch ihrer Mutter verbrannt, da sie so stark empfand, daß das, was in ihnen stand,<br />

nur für sie persönlich gedacht war und der Neugierde Außenstehender nicht<br />

zugänglich gemacht werden sollte.<br />

An einem kalten Januarmorgen des Jahres 1946 beendete Hermine ihre Mission.<br />

Mit Hilfe <strong>von</strong> Verwandten transportierte sie die noch verbliebene Habe ab und<br />

brachte sie in ihr Heim, wozu sie einen <strong>von</strong> einem Pferd gezogenen Karren benützte.<br />

Als Wilhelmine ihr am 22. Januar dankte, schrieb sie: „Ich habe mich ganz einfach<br />

nicht getraut, bei aller meiner Beherrschungskraft den Mitmenschen gegenüber.<br />

Hier aber hätte ich versagt. Meine Nerven hätten das nicht ertragen. Und ich möchte<br />

auch unser schönes Heim so in Erinnerung behalten, wie es war und nicht das<br />

zerstörte immer dann vor Augen haben.“<br />

588


Wilhelmine und Amalie kamen in der Folgezeit mehrere Male nach Perchtoldsdorf,<br />

um aus den Stapeln <strong>von</strong> Dingen die Gegenstände auszusuchen, die sie behalten<br />

wollten. Ludwig Zenk half ihnen beim Sortieren der Manuskripte und Bücher.<br />

Entsetzt vom Anblick so vieler Erinnerungsstücke - beschädigt, schmutzbefleckt<br />

und in völliger Unordnung - war die erste Reaktion der Witwe, alles aus ihrem<br />

Bewußtsein zu tilgen. So bat sie Hermine, das zerbrochene Cello ihres Mannes zu<br />

beseitigen.12 Sie traf Vorkehrungen für den Verkauf der meisten Möbelstücke, und<br />

am 5. Mai 1947 ließ sie ihre Schwiegertochter wissen, sie wolle „auch <strong>von</strong> den<br />

Büchern u. Noten soviel als möglich ins Dorotheum bringen“ . Das Dorotheum ist<br />

Wiens öffentliches Pfandhaus, und tatsächlich kam ein großer Teil <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Bibliothek unter den Hammer. So schmerzlich dies auch für die Witwe gewesen sein<br />

mag, der geringe Erlös trug dazu bei, ihre erdrückende Not zu lindern. <strong>Webern</strong>s<br />

Flügel, der in der Wohnung verblieben war, wurde <strong>von</strong> Alfred Schlee erworben, der<br />

das beschädigte Instrument wieder instandsetzen ließ.<br />

Amalie Waller, als die Älteste, übernahm nach dem Tode ihrer Mutter die<br />

Wahrung der Interessen der Familie. Weder <strong>Webern</strong> noch seine Frau hatten ein<br />

Testament hinterlassen. Am 26. Mai 1948 erließ das Bezirksgericht <strong>von</strong> Mödling<br />

eine amtliche Verfügung über <strong>Webern</strong>s Nachlaß, der auf 1168 Schillinge beziffert<br />

und in dem die Witwe als Alleinerbin benannt wurde. Nach Wilhelmines Tod<br />

bestimmte eine Verfügung des Bezirksgerichts in Mittersill vom 13. Juni 1950 die<br />

drei Töchter zu Erbinnen. Da Peter <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> vor seinen Eltern gestorben war,<br />

hatte Hermine keine Erbschaftsansprüche.<br />

Mit dem phänomenalen Ansteigen des Interesses an <strong>Webern</strong>s Musik zu Beginn<br />

der fünfziger Jahre13 schnellten auch die Tantiemen aus Aufführungen, Notenverkäufen<br />

und Schallplattenaufnahmen entsprechend empor. Amalie, die die Einkünfte<br />

auch im Namen ihrer Schwestern verwaltete, konnte am 18. April 1967<br />

schreiben: „Wenn Vater es nur wissen könnte, welch reiche Früchte sein Leben jetzt<br />

erst trägt in jeder Richtung, er würde sieh freuen, mein Gott, wie würde er sich<br />

freuen! Ich kann nur dankbar sein.“14<br />

Die Anerkennung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Genius, so spät sie auch kam, wurde weltweit und<br />

enthusiastisch. Zwischen 1962 und 1978 wurden allein sechs internationale <strong>Webern</strong><br />

Festivals veranstaltet.15 Der Höhepunkt des zweiten Festivals war die Enthüllung<br />

einer Erinnerungstafel aus Bronze an dem Haus in Mittersill, in dem <strong>Webern</strong><br />

zwanzig Jahre zuvor gestorben war. Sie war <strong>von</strong> der Internationalen <strong>Webern</strong>-<br />

Gesellschaft in Auftrag gegeben und <strong>von</strong> Anna Mahler, der Tochter des <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

so verehrten Komponisten, geschaffen worden. Die Einweihungsfeierlichkeiten<br />

wurden für die Teilnehmer zum unvergeßlichen Erlebnis. Sie wurden am Abend des<br />

4. August 1965 mit einem Konzert des LaSalle-Quartetts in der Annakirche<br />

eröffnet. Die Künstler, die an derselben Stelle vor dem Altar spielten, an der<br />

<strong>Webern</strong>s Leichnam in der Nacht, in der er getötet wurde, gelegen hatte, huldigten<br />

seinem schöpferischen Geist mit seinem Streichquartett (1905) und den Sechs<br />

Bagatellen op. 9 zusammen mit Musik <strong>von</strong> Purcell und Mozart. Dechant<br />

Ehrenstrasser, der ihn zu Grabe getragen hatte, intonierte mit der Gemeinde ein<br />

Pater Noster. Erfüllt vom Frieden des Sommerabends, schloß diese feierliche Stunde<br />

589


in der kleinen, reich mit Blumen und brennenden Kerzen geschmückten Kirche alles<br />

das ein, was <strong>Webern</strong> selbst sich als Ehrung seines Andenkens gewünscht haben<br />

würde.<br />

Nach der Frühmesse in der Dorfkirche versammelte sich am folgenden Morgen<br />

eine große Gemeinde am Grab. Der Chor sang Musik <strong>von</strong> Michael Haydn, ein Kranz<br />

wurde niedergelegt und das Gedicht Gebet <strong>von</strong> Ferdinand Avenarius gesprochen,<br />

dessen Verse den jungen Komponisten 1903 zu einer Liedvertonung angeregt<br />

hatten. Das Gedicht stellt eine Allegorie dar, die den fruchtbaren Humus mit dem<br />

menschlichen Herzen vergleicht. Beide müssen die Wunden des Pfluges erleiden,<br />

bevor der Sämann Gottvater seine Saat pflanzen kann.<br />

Der Sämann als Urheber des Wachstums ist auch der Leitgedanke des Textes der<br />

Gedenktafel, die kurz darauf am Hause Am Markt 101 enthüllt wurde. Hohe<br />

Würdenträger waren bei der Zeremonie zugegen: Der Kultusminister des Bundeslandes<br />

Salzburg hielt die Laudatio auf <strong>Webern</strong>s Genius, und der Bürgermeister <strong>von</strong><br />

Mittersill schloß sich den Ehrenbezeigungen an. Der Übertragungswagen des<br />

Österreichischen Rundfunks und die Presse waren gekommen, um das Ereignis im<br />

Gebirgsdorf der Welt zu verkünden. Die späten Fanfaren öffentlicher Lobpreisungen<br />

vermochten jedoch nicht, die stille Würde der Stunde zu stören. Aus dem<br />

Zimmer, in dem <strong>Webern</strong> zu Tode getroffen gelegen hatte, drangen <strong>von</strong> einer<br />

Schallplatte die Klänge seiner Bearbeitung des Bachschen Ricercars . Dann hielt<br />

Ernst Krenek die Gedächtnisrede, in der er den Sinn des alten lateinischen<br />

Palindroms ausdeutete, das das schöpferische Denken des Meisters inspiriert hatte.<br />

Das beziehungsvolle Wortquadrat bildet den Mittelpunkt der Gedenktafel (nebenstehende<br />

Abb.).<br />

Auf seinem einsamen Weg war auch <strong>Webern</strong> der Sämann gewesen. Seine Vision <strong>von</strong><br />

einer neuen Ästhetik wurde zum Pol, um den sich eine frische Kreativität drehen<br />

sollte. Zu seinen Lebzeiten war es ihm nicht gegeben, Zeuge des Aufgehens seiner<br />

Saat zu werden, aber wie der Gerechte aller Zeiten wird er fortleben kraft seines<br />

Glaubens.<br />

590


591


Anmerkungen und Quellennachweise<br />

Einleitung S. 9—14<br />

1 Hans M oldenhauer “The Last Evening of A nton W ebern’s Life” , The New York Times (25.<br />

Dezem ber 1960), S. 11.<br />

2 Hans M oldenhauer The Death o f A nton <strong>Webern</strong>: A Drama in Documents (New York, N. Y.:<br />

Philosophical Library, 1961). Deutsche Ausgabe: Der Tod A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s (Wiesbaden:<br />

Breitkopf & Härtel, 1970), Übersetzung <strong>von</strong> Gerd Sievers mit einem Vorwort <strong>von</strong> Igor<br />

Strawinsky.<br />

3 Diese Bezeichnung, in Kreisen der Wissenschaft als bequeme Referenz entstanden, bezieht sich<br />

auf eine der Forschung dienende Sammlung, die unter dem M otto „Musikgeschichte aus<br />

U rquellen“ entwickelt worden war. Die Archive, die umfangreiche Bestände <strong>von</strong> Notenm anuskripten,<br />

Briefen und sonstigen D okum enten enthalten, sind in Wirklichkeit ein Konglomerat<br />

vieler Einzelsammlungen; sie vermitteln eine Übersicht über alle Stilepochen aus erster Hand,<br />

angefangen <strong>von</strong> den Neumen des 10. Jahrhunderts. Die systematischste und umfassendste<br />

R epräsentation ist jedoch für die Ära des 20. Jahrhunderts erzielt worden. Seit der Inangriffnahme<br />

des Vorhabens vor über 30 Jahren sind die Bestände der Archive Wissenschaftlern und<br />

Musikern aus aller Welt zur Verfügung gestanden, und zahlreiche Studien, Aufführungen, V eröffentlichungen<br />

und Schallplattenaufnahmen verdanken ihnen ihr Zustandekommen.<br />

4 Eric Salzman “U nheard Scores of W ebern Found”, The New York Times (4. September 1961),<br />

S. 17.<br />

5 Raymond Ericson “New W ebern Haul Found in a Dark A ttic”, The New York Times (10. April<br />

1966), S. 11. Hans M oldenhauer “In Quest of W ebern”, Saturday Review (New York, 27.<br />

August 1966), S. 47..49, 60. Hans M oldenhauer “A W ebern Pilgrimage”, Musical Times<br />

(London, Februar 1968), S. 122-127.<br />

6 Hans M oldenhauer “A W ebern Archive in Am erica”, A nton <strong>von</strong> '<strong>Webern</strong>: Perspectives,<br />

zusammengestellt <strong>von</strong> Hans M oldenhauer, herausgegeben <strong>von</strong> D em ar Irvine (Seattle:<br />

University of Washington Press, 1966), S. 117..166.<br />

Prolog: Die Vorfahren. S. 15-23<br />

1 Geographische Bezeichnungen im Text entsprechen den Namen, die zur Zeit des Geschehens<br />

üblich waren. Die heutigen Bezeichnungen sind gegebenenfalls in Klammern beigefügt.<br />

2 Diese natürliche Barriere war durch die Jahrhunderte Schauplatz blutiger Kämpfe. Im Jahr 580<br />

besiegte der Herzog <strong>von</strong> Trient bei Salurn eine Arm ee der Franken, die vom Norden eingefallen<br />

war. Einige Historiker sehen aufgrund dieses Ereignisses Salurn als den südlichsten Vorposten<br />

des deutschen Sprach- und Einflußbereichs an.<br />

3 Es wurde <strong>von</strong> Guido <strong>von</strong> W ebern, einem V etter ersten Grades des Komponisten, nach Amerika<br />

gebracht. Nach seinem Tod in Dayton, Ohio, im Jahre 1962 wurde es zusammen mit anderen<br />

Familienzeugnissen dem W ebern-Archiv (im weiteren Verlauf mit W A bezeichnet), einer<br />

Abteilung der M oldenhauer-Archive, übergeben. Vgl. auch Einleitung.<br />

4 Das 1 öseitige, in kunstvollen Schriftzeichen ausgeführte D okum ent zählt die Rechte, Privilegien<br />

und Ehrungen auf, die der Adelstitel mit sich führt. In ihm verfügt der Kaiser, daß diese Rechte<br />

und Auszeichnungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu respektieren und Übertretungen<br />

593


mit einer festgesetzten Geldstrafe zu ahnden sind, deren Erlöse zu gleichen Teilen der<br />

kaiserlichen Schatulle und den betroffenen Familien zufließen sollen.<br />

5 Sie wurden beide am 1. März auf dem Friedhof <strong>von</strong> St. Andreas beigesetzt. Die Jungen, deren<br />

A lter im Sterberegister mit 6 Jahren, einem M onat, 12 Tagen und 2 Jahren, 9 M onaten<br />

verzeichnet ist, sind im Abstand <strong>von</strong> zwölf Stunden „zum Himmel geflogen“ („coelum<br />

volarunt“).<br />

6 Die Ursprünge der Burg lassen sich bis zur Römerzeit zurückverfolgen, obgleich sie erstmals in<br />

der Chronik <strong>von</strong> Benediktbeuren dokumentarisch genannt ist; in ihr erwähnt eine Geschichte<br />

aus dem Jahr 1053 das „Casteilum, quod SALURNA dicitur“ . Manch eine Legende wurde um<br />

die stolze Feste, dieses Wahrzeichen der Gegend, gewoben. „H aderburg“ , der Name, unter dem<br />

sie bei der Bevölkerung bekannt ist, beschreibt ihr trutziges Aussehen.<br />

7 Salurner Büchl, herausgegeben <strong>von</strong> R. Klebelsberg (Innsbruck, Universitätsverlag Wagner,<br />

1956), S. 50.<br />

8 Vier Persönlichkeiten, die dieser Katalog anführt, gehörten dem Klerus an. Zwei erklommen<br />

den Rang <strong>von</strong> Stiftsherren, die anderen waren Hofprediger und Schloßkaplan. Zwei weibliche<br />

W ebern nahmen den Schleier. Auch einige Militärs finden sich in dein Verzeichnis; zwei <strong>von</strong><br />

ihnen kämpften im Siebenjährigen Krieg zwischen Österreich und Preußen. Ein weiterer,<br />

Joseph W ebern <strong>von</strong> Treuenhausen und Postfelden, zeichnete sich aus bei der Verteidigung<br />

Südtirols während der napoleonischen Feldzüge, was auch für andere W ebern gilt, deren<br />

Ruhm estaten in D okum enten beschrieben sind, die das Ferdinandeum in Innsbruck verwahrt.<br />

D er Familienzweig „<strong>von</strong> W ebern zu Treuenhausen und Postfelden“ läßt sich bis zu ihrem<br />

A delsdekret vom 20. Mai 1705 zurückverfolgen, das sich im W iener Adelsarchiv befindet. Es<br />

wurde an Georg W eber, Ratsherrn und Steuereinnehm er in Leifers und Branzoll, sowie an seine<br />

drei in Bozen, Cavalese und A ltrei ansässigen Brüder verliehen, den O rten, die der<br />

ursprüngliche Wohnsitz, der Familie W eber nach ihrer Einwanderung aus dem Egerland waren.<br />

Von einem „H errn <strong>von</strong> W ebern“ ist die Rede in einem Brief Joseph Haydns an den Grafen<br />

A nton Georg Apponyi vom 2. Februar 1785. Haydn wartete damals mit Ungeduld auf seine<br />

Einführung in die Freimaurerloge Zur wahren Eintracht in Wien, der sein junger Kollege und<br />

Freund Wolfgang Amadeus Mozart bereits angehörte. Die Stelle in Haydns Brief: „Just gestern<br />

erhielt ich einen Brief <strong>von</strong> meinem zukünftigen Bürgen, H errn <strong>von</strong> W ebern“, bezieht sich auf<br />

Franz Philipp <strong>von</strong> W eber, den Meister vom Stuhl der Loge. Im damaligen deutschen<br />

Sprachgebrauch war „W ebern“ der Dativ <strong>von</strong> „W eber“ . Eine Namensliste <strong>von</strong> 1785 nennt als<br />

Haydns Bürgen „Franz Philipp W eber“ ohne Adelsprädikat. In derselben Liste wird ein<br />

Sigmund <strong>von</strong> W ebern geführt, der als H ofrat dem Kriegsrninisteriurn zugeteilt: war.<br />

9 Revolution in Am erica, Confidential Leiters and Journals 1776-1784 o f Adjutant General M ajor<br />

Baurmeister o f the Hessian Forces, übersetzt und herausgegeben <strong>von</strong> Bernhard A. Uhlendorf<br />

(New Brunswick, N .J., Rutgers University Press, 1957), S. 498.<br />

10 Alle diese Dokum ente verwahrt das WA.<br />

11 D er Stich (WA), signiert und datiert „I.E . v. W ebern, 1830“ , stellt das D orf Therl in der<br />

Steiermark dar. Inmitten <strong>von</strong> W äldern und Felswänden gelegen, ist es <strong>von</strong> der Ruine <strong>von</strong> Schloß<br />

Schachenstein beherrscht.<br />

12 In Liescha, einer Ansiedlung <strong>von</strong> vielleicht hundert Einwohnern, wurde Kohle gefördert, und<br />

Erz in der weitaus größeren Ortschaft Prävali.<br />

13 Hieronimus Pregl wird in einer Urkunde vom 7. Januar 1643 genannt. WA<br />

14 Guido <strong>von</strong> W ebern wurde am 15. Januar 1888 in Judenburg geboren. Als sein V ater im Alter<br />

<strong>von</strong> nur 44 Jahren starb, zog seine Witwe Elisabeth, geb. Kleinpell, nach Wien, um ihren drei<br />

Kindern eine bessere Erziehung zuteil werden zu lassen. 1907 übernahm ein Verwandter, Dr.<br />

Henry Kleinpell, der eine Arztpraxis in Chicago unterhielt, die Bürgschaft für die Übersiedlung<br />

der Familie nach Amerika. Guido <strong>von</strong> W ebern machte sich sehr bald einen Namen als Ingenieur<br />

und Erfinder. W ieder zurück in Wien, lernte er während seines Chemiestudiums an der<br />

Universität das soeben entwickelte Runddruckverfahren kennen. Am 15. Dezember 1912<br />

stellte er einen Teil der New York Sun in diesem Verfahren her, das erste Mal, daß diese Technik<br />

in der Geschichte des amerikanischen Zeitungswesens zur Anwendung kam. Nach dieser<br />

594


Pioniertat, für die der Erfinder noch selbst die Druckerschwärze und die Spezialplatten<br />

anfertigen mußte, hat er das Verfahren weiter verbessert. Später, als sein Arbeitgeber, die<br />

National Cash Register Company (Herstellerin <strong>von</strong> Registrierkassen), die schmucke Messingausrüstung<br />

der Maschinen durch den schlichteren Gerbstahl ersetzen wollte, erfand Guido <strong>von</strong><br />

W ebern die Technik, Holzmaserung auf fotografischem Wege auf Metall zu übertragen. Dieses<br />

Verfahren wurde in der Folge auch anderweitig nutzbar gemacht, so daß Guido <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Neuerungen in der Entwicklung zahlreicher anderer Industrieprodukte fortgewirkt haben,<br />

besonders auf dem Gebiet der Plastik. Alles in allem meldete er 87 Patente an. Nicht minder<br />

groß wie sein Interesse an der Technik war das an den Naturwissenschaften, vor allem Geologie<br />

und Botanik. E r war G ärtner aus Leidenschaft, die er auf seinem sieben Morgen großen<br />

Anwesen in der Nähe <strong>von</strong> Dayton, Ohio, voll ausleben konnte. D ort starb er am 21. Dezember<br />

1962. In seinem Nachlaß fanden sich mehrere Familienstücke, die er 55 Jahre zuvor mit nach<br />

Amerika gebracht hatte, sowie viele seiner Originalzeichnungen. Die letzteren legen Zeugnis ab<br />

<strong>von</strong> demselben erlesenen künstlerischen Geschmack und makellosen handwerklichen Können,<br />

das dieser V etter A nton <strong>von</strong> W eberns mit dem Komponisten gemein hatte.<br />

15 E m st Diez wurde am 27. Juli 1878 in Lölling in Kärnten geboren. Die Familie lebte später in<br />

Vordernberg in der Steiermark, wo der V ater Bergwerksdirektor war. Nachdem er seinen<br />

philosophischen D oktor nach Studien an den Universitäten Graz und Wien erworben hatte,<br />

wurde Ernst Diez zum prom inentesten Schüler des berühm ten Kunstexperten <strong>Josef</strong> Strzygowski,<br />

der ihn zu seinem Assistenten machte. D er junge G elehrte spezialisierte sich auf die<br />

Kunst des Ostens und unternahm noch vor dem Ersten W eltkrieg eine abenteuerliche<br />

Expedition in Gebiete des nördlichen Persiens, die damals <strong>von</strong> Kunsthistorikern noch völlig<br />

unerforscht waren. Sein unermüdlicher Reisetrieb führte ihn auch in die ländlichen Gebiete <strong>von</strong><br />

Indien und China, und sein Ruf brachte ihm Professuren ein nicht nur in den Vereinigten Staaten<br />

(an der W estern Reserve University und dem Bryn Mawr College) wie auch eine ausgedehnte<br />

Lehrtätigkeit an der Universität <strong>von</strong> Istanbul. Von seinen vielen veröffentlichten A rbeiten, die<br />

bis zum heutigen Tag gültig und lesenswert sind, ist die über islamische Kunst ein<br />

hervorragendes Beispiel. A ndere Abhandlungen waren der indischen Kunst und den byzanthinischen<br />

Mosaiken in Griechenland gewidmet. In Verbindung mit dem letzteren W erk erwies<br />

sich Diez als ein Pionier der Farbfotografie, damals noch in ihrem Anfangsstadium, zum Zwecke<br />

wissenschaftlicher Veröffentlichungen. U nter seinen Büchern, die das Verständnis für<br />

Kunstgeschichte auch bei der Allgemeinheit wecken sollten, war Entschleiertes Asien; es wurde<br />

ein Welterfolg und in alle wichtigeren Sprachen übersetzt. Ernst Diez starb am 8. Juli 1961 in<br />

Wien im Alter <strong>von</strong> 84 Jahren; bis zuletzt war er noch literarisch tätig und galt allgemein als der<br />

Nestor der österreichischen Kunsthistoriker. Sein literarischer Nachlaß befindet sich in den<br />

M oldenhauer-Archiven.<br />

16 D er Ehrenurkunde in kunstvollen Schriftzügen auf der Titelseite folgt ein fein kolorierter Stich,<br />

der die kleine Ansiedlung Liescha darstellt. Das Album war im Besitz <strong>von</strong> Guido <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>.<br />

WA.<br />

17 Im Jahre 1979 mußten die G räber der Familie <strong>von</strong> W ebern wegen der Enge des Friedhofes<br />

neuen Grabstätten Platz machen, aber an der die Friedhofsecke umschließenden M auer sind elf<br />

Gedenktafeln angebracht. Acht da<strong>von</strong> sind den hier Bestatteten geweiht, während drei<br />

Erinnerungstafeln denjenigen gewidmet sind, die andernorts zur letzten Ruhe gebettet worden<br />

sind: dem Komponisten A nton <strong>von</strong> W ebern, seinem Vater Carl und den Nachkommen Ida <strong>von</strong><br />

W eberns, der Schwester des Großvaters <strong>Anton</strong>. Sie hatte einen aus der Verbindung mit<br />

Erzherzog Johann (1782-1859), dem Sohn Leopolds II., stammenden unehelichen Sohn<br />

Friedrich, der zusammen mit seinem Sohn O tto auf dieser Tafel erscheint. D er letzte dieser<br />

Linie, Ottos Sohn Fritz <strong>von</strong> W ebern, ein in Graz lebender Diplomingenieur, ließ diese<br />

Gedenkstätte aus eigenen M itteln errichten. Ihre Einweihung fand am 17. Mai 1979 statt.<br />

18 U nter den Auszeichnungen, die Car! <strong>von</strong> W ebern während seines erfüllten Lebens zuteil<br />

wurden, befanden sich das Klaiserliche Komturkreuz sowie der Franz-<strong>Josef</strong>s-Orden mit Stern,<br />

der ihm 1907 verliehen wurde. Im Jahr zuvor machte ihn seine Alma Mater, die Bergwerksakademie<br />

Leoben, zum Ehrendoktor der Bergwerkswissenschaften (Dr. mont. h.c.). Seinem<br />

595


Einfluß hatte es dieses Institut zu verdanken, daß es Hochschulrang erhielt. Als unumstrittene<br />

A utorität in seinem Fach bekleidete Carl <strong>von</strong> W ebern zahlreiche Ä m ter in industriellen,<br />

pädagogischen und juristischen Körperschaften, denen Reformen und Gesetzgebung oblagen.<br />

19 M ontanistische Rundschau, VI (1920), S. 128-129.<br />

1. Jugend (1 8 8 3 -1 9 0 2 ). S. 2 4 -3 8<br />

1 Keine Urkunden erhalten. W eberns jüngerer Schwester Rosa W arto zufolge wurde das Kind im<br />

Jahre 1876 in Wien unehelich geboren und auch dort bestattet.<br />

2 Diese und die folgenden Zitate sind den Erinnerungen Rosa Wartos, 1963, entnommen.<br />

Manuskript, WA.<br />

3 Komauer war in Graz ein Protege <strong>von</strong> Dr. Heinrich Potpeschnigg, dem Freund Hugo Wolfs, der<br />

ihn in die musikalischen Kreise der Stadt einführte. So wurde er Assistent Wegscheiders, des<br />

D irektors des G razer Singvereins. Dr. Potpeschnigg empfahl auch der Ortsgruppe des dortigen<br />

Richard-W agner-Vereins, Komauer ein Stipendium zum Besuch <strong>von</strong> zwei Aufführungen der<br />

Bayreuther Festspiele (Parsifal und M eistersinger) zu verleihen. Diese Wallfahrt begründete<br />

Komauers nie erlahmenden Enthusiasmus für Wagners Musik.<br />

4 In seinen veröffentlichten M emoiren faßte Komauer seine Unterrichtsprinzipien wie folgt<br />

zusammen: „D as Hauptgewicht legte ich auf die Erzielung eines möglichst warmen Ausdruckes<br />

sowie eines streng gebundenen Legatospieles unter genauer Beobachtung der vorgeschriebenen<br />

Phrasierungen. Wesentlich war für mich auch der richtige Pedalgebrauch, wobei ich nach den<br />

Anleitungen Hugo Riemanns vorgegangen bin. Sehr gerne pflegte ich das Vierhändigspielen.<br />

Am liebsten unterrichtete ich aber die theoretischen Fächer, Flarmonielehre und Kontrapunkt.“<br />

(Edwin Komauer, „Kurze Selbstbiographie“, Jahresbericht des Musikvereins fü r Kärnten —<br />

1943, S. 11).<br />

5 Brief vom 3. November 1910.<br />

6 Erinnerungen <strong>von</strong> Doris Brehm-Diez, 1966 (Typescript, WA).<br />

7 Offensichtlich wurde die Abfolge des 2.. und 3. Satzes vertauscht.<br />

8 Im Verlauf seiner Karriere stieg Clementschitsch zum O berrichter arn Provinzialgericht <strong>von</strong><br />

Klagenfurt auf und wurde später mit dem Titel H ofrat ausgezeichnet,<br />

2. Universitätsjahre I (1902-1904). S. 39-48<br />

1 Aus seinem Maturazeugnis geht hervor, daß er in zwei der humanistischen Hauptfächer, nämlich<br />

Lateinisch und Griechisch, gerade noch ausreichende Zensuren erhielt; nicht viel besser erging<br />

es ihm in Mathematik, Physik und Naturwissenschaften. Dagegen wurde ihm in Deutsch ein<br />

„lobenswert“ zugesprochen, dem, als der M uttersprache, im Gymnasiallehrplan ganz besondere<br />

Bedeutung zukommt. Auch in Geographie und Geschichte waren seine Noten „lobenswert“<br />

und die in Religion und Philosophie „befriedigend“ . Das einsame „vorzüglich“ des Zeugnisses<br />

war für Singen; zweifellos wurden damit die vielfältigen musikalischen Aktivitäten berücksichtigt,<br />

die dem Schüler ein beträchtliches Ansehen in der Stadt eingetragen hatten.<br />

2 <strong>Josef</strong> Polnauer zufolge („Paralipomena zu Berg und W ebern“, österreichische Musikzeitschrift,<br />

V/VI, 1969, S. 2 9 2 -2 9 6 ) hatte W ebern in dieser Zeit auch Cellounterricht bei dem<br />

Komponisten Franz Schmidt, der damals Cellist bei den W iener Philharmonikern war, mit dem<br />

er sich jedoch überwarf wegen des Lehrers Einstellung zur Musik Mahlers.<br />

3 Brassart war Sänger und Komponist der Niederländischen Schule des 15. Jahrhunderts.<br />

3. Frühe K om positionen 1 (1 8 9 9 -1 9 0 4 ). S. 49-60<br />

1 Diese Unterlagen befinden sich großenteils im W ebern-Archiv, einer Abteilung der Moldenhauer-Archive.<br />

Zur Geschichte des W ebern-Archivs einschließlich der W iederentdeckungen<br />

zahlreicher posthumer Kompositionen W eberns in den 60er Jahren vergleiche die Einleitung.<br />

596


Als Vorfrühling!!im Werkverzeichnis aufgeführt, Anhang I, S. 655.<br />

Das Programm zu diesem Konzert wurde <strong>von</strong> W ebern verwahrt, der es sich zur lebenslangen<br />

Gewohnheit gemacht hatte, derartige Erinnerungsstücke aufzuheben. Es fand sich nach seinem<br />

Tode zwischen den Seiten seiner Tannhäuser-Partitur.<br />

Eine Übersicht findet sich im Werkverzeichnis.<br />

4. Arnold Schönberg - Universitätsjuhre II (1904-1906). S. 61-72<br />

Mitteilung an den Verfasser.<br />

W ebern selbst nannte in einem Photoalbum, das Sehönberg aus Anlaß seines 50. Geburtstages<br />

<strong>von</strong> seinen Schülern geschenkt bekam, „X. 1904-VI. 1908“ als den genauen Zeitraum seiner<br />

Studien.<br />

Horwitz’ frühzeitiger Tod am 18. August 1925 folgte dem Verlust des Gehörs nach seiner<br />

Erkrankung an Tuberkolose im Jahr zuvor. E r galt als einer der besten unter den frühen<br />

Schönberg-Schülern.<br />

Brief an den Verfasser.<br />

Giovanni Segantini (1858-1899) war berühm t für seine Darstellung grandioser Gebirgslandschaften.<br />

„D er Lehrer“ in A rnold Schönberg (München, Piper-Verlag 1912), S. 85-87<br />

Das erste Zitat stammt aus Wiiles Offenbarungen des Wacholderbaums, das zweite aus<br />

Liliencrons Gedicht Heimgang in der Frühe, das W ebern 1903 vertont hatte.<br />

In deutscher Sprache unter dem Titel Was wir lieben und pflegen müssen veröffentlicht.<br />

Im selben Jahr, in dem W ebern <strong>von</strong> Wedekinds Postulaten für eine neue Moral so tief bewegt<br />

war, erhielt Alban Berg durch Karl Kraus die erste Anregung zu seiner Oper Lulu nach<br />

Wedekinds Erdgeist und Büchse der Pandora. Diese ideologischen Gleichklänge festigten die<br />

Freundschaft der beiden jungen M änner weit über ihre musikalischen Bindungen hinaus.<br />

W eberns Dissertation, die Herausgabe <strong>von</strong> Heinrich Isaacs Choralis Constantinus, Zweiter Teil,<br />

ist Gegenstand des Anfangs des folgenden Kapitels.<br />

5. Frühe Kompositionen II - Opus 1-2 (1905-1908). S. 73..89<br />

Sein vollständiger Titel lautet: „Heinrich isaac Choralis Constantinus. Zweiter Teil. Graduale in<br />

mehrstimmiger Bearbeitung (a capella), bearbeitet <strong>von</strong> A nton <strong>von</strong> W ebern.“ <strong>Webern</strong>s<br />

Herausgabe wurde 1909 in Denkmäler der Tonkunst in Österlich (dem monumentalen<br />

Unternehm en, für das Guido A dler verantwortlich zeichnete) veröffentlicht, wo es in der ersten<br />

Abteilung des 16. Jahrgangs erscheint.<br />

In einem Brief an Paul Königer vom 3. November 1910 schwelgte W ebern in der Erinnerung an<br />

diese Kammermusik-Zusammenkünfte: „Q uartett spielen ist das herrlichste was es gibt. Wir<br />

haben seinerzeit sehr viel bei Schönberg Q uartett gespielt. So im Zim m er ist das erst das richtige.<br />

Wir spielten auch Schönbergs Q uartette. Als die Gutheil-Schoder das erstemal das zweite<br />

Q uartett studierte, haben wir sie begleitet (Dr. Adler, Jalowetz, ich und, ja das weiß ich nicht<br />

m ehr wer der Sekundgeiger war). Schönberg hat studiert. D as war damals wunderbar. Ja das<br />

sind schöne Erinnerungen. Auch mit der W internitz haben wir es so gemacht.“<br />

Das Gemälde, das Gebirgsszenen im Frühling, Sommer und W inter darstellt, war <strong>von</strong> der<br />

Pariser Weltausstellung in A uftrag gegeben worden, ist aber wegen des frühen Todes des<br />

Künstlers unvollendet geblieben.<br />

D er Musikwissenschaftler Heinz-Klaus Metzger schrieb in seiner Einführung zur Schallplattenaufnahme<br />

der Streichquartette <strong>von</strong> W ebern durch das LaSalle-Q uartett (Deutsche Grammophon<br />

2530 284): „W eberns erst vor wenigen Jahren entdecktes Streichquartett <strong>von</strong> 1905<br />

enthält, tonalen Partien konfrontiert, bereits ausgedehnte atonale Teile. D a die W iener atonale<br />

Revolution bisher Schönberg zugeschrieben und auf 1908 - das Finale <strong>von</strong> dessen Zweitem


Streichquartett op. 10 - datiert wurde, muß die Musikgeschichte in diesem Punkt umgeschrieben<br />

und Schönbergs Priorität fallengelassen werden. D arüber hinaus ist W eberns frühes<br />

Q uartett reich an präzisen strukturellen Vorwegnahmen späterer Werke: die unscheinbare<br />

gegenläufige chromatische Skalenbewegung als A uftakt zur kurzen Klimax der Gesamtform<br />

ward immerhin zur Keimzelle für den Schluß <strong>von</strong> Schönbergs Erwartung und danach noch finden<br />

Schluß der zweiten Szene am Teich in Bergs Wozzeck. Das motivisch-thematische Material<br />

des Q uartetts ist wesentlich aus einer gleich zu Beginn gesetzten dreitönigen Konstellation<br />

extrapoliert: erstaunlicherweise ist es bereits genau dieselbe Intervallkonstellation, die drei<br />

Jahrzehnte später die konsequente konstruktive Einheit <strong>von</strong> W eberns Konzert op. 24<br />

konstituierte. Noch erstaunlicher aber, daß sie schon 1905 jenen Perm utationen der<br />

A rtikulation unterworfen wird, die auf dem H öhepunkt des W ebernschen Konstruktivismus, in<br />

seinem späten Streichquartett op. 28, als erste Übertragung serieller Prinzipien auf andere<br />

Param eter des musikalischen Diskurses auffällt.“<br />

5 Eine vollständige Auflistung der Choral-Harmonisationen W eberns enthält Anhang I:<br />

Werkverzeichnis (S. 641 und 658).<br />

6 <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>, Der Weg zur neuen Musik, S. 52.<br />

7 Die komplette Partitur wurde <strong>von</strong> Edwin Haugan erstellt. WA.<br />

8 W eberns Analyse wurde in einem Heft des 49. Jahrgangs der Allgemeinen Musikzeitung<br />

veröffentlicht, das als Programmheft des Musikfestes diente. Ein Nachdruck findet sich in<br />

R udolf Stephan „W eberns W erke auf deutschen Tonkünstlerfesten“, österreichische M usikzeitschrift,<br />

III (1972), S. 121. W A verwahrt den ersten Entwurf dieser Analyse. D er Kommentar<br />

enthält viele Änderungen und Streichungen im Text, fünf Musikbeispiele sowie autobiographische<br />

D aten bis zu diesem Zeitpunkt.<br />

9 Sie wurde anläßlich der Aufführung des Werks auf dem Allgemeinen Deutschen Tonkünstlerfest<br />

in Düsseldorf (vgl. 15. Kapitel) herausgebracht.<br />

10 Brief <strong>von</strong> Paul A. Pisk an den Autor.<br />

6. Bescheidene Anfänge (1906-1910). S. 90-101<br />

1 Bad Ischl besaß eine kaiserliche Villa. Kaiser Franz Joseph und viele Mitglieder des Adels waren<br />

regelmäßige Besucher des Kurorts.<br />

2 Dresden, 25. Januar 1909.<br />

3 Max Marschalk, D irektor des Dreililien Verlags und Schönbergs erster Verleger.<br />

4 Ein Berg in Osttirol (3240 rn).<br />

5 Willi Reich, Alban Berg, (Zürich: Atlantis Verlag 1963), S. 30-32. (Sowohl Paul Stephan wie<br />

auch Richard Specht verlegen die Episode in die Jahre 1909 oder 1910).<br />

6 Eines der bekanntesten Gemälde Mopps ist seine Impression <strong>von</strong>. Gustav M ahler beim<br />

Dirigieren eines Sinfonieorchesters.<br />

7 Sein wirklicher Name war Richard Engländer.<br />

8 „T heater“ ist hier im übertragenen Sinne verwendet und meint den ganzen Bereich<br />

gesellschaftlichen Treibens.<br />

9 O tto Weininger war ein brillanter W iener Philosoph, der 1903 im Alter <strong>von</strong> nur 23 Jahren, kurz<br />

nach der Veröffentlichung seines bekanntesten Buchs Geschlecht und Charakter, Selbstmord<br />

beging.<br />

10 W ebern las regelmäßig Die Fackel, die <strong>von</strong> Karl Kraus herausgegebene literarische Zeitschrift.<br />

7. Opus 3 -8 - Zwei Opernprojekte (1908-1910). S. 102-120<br />

1 <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>, Der Weg zur neuen Musik, S. 54.<br />

2 ebd. S. 4 7 -4 8 .<br />

3 Die Gedichte <strong>von</strong> Opus 3 stammen alle aus dem Zyklus Lieder aus Der siebente Ring. In Opus 4<br />

598


ist das erste Lied die Vertonung eines Gedichtes aus dem Zyklus Traumdunkel, einem Teil des<br />

Siebenten Rings. Nr. 2, 3 und 5 verwenden Texte aus den Zyklen Waller im Schnee, Nach der<br />

Lese und Traurige 'Tänze aus Das Jahr der Seele, Nr. 4 findet sich in Das Buch der Sagen und<br />

Sänge unter dem U ntertitel Sänge eines fahrenden Spielmanns.<br />

4 D er Text zu Nr. 1 ist aus dem Zyklus Nachtwachen aus Das Jahr der Seele; die drei anderen sind<br />

dem Siebenten Ring entnom m en, Nr. 2 und 3 dem Zyklus Maximin und Nr. 4 den Gezeiten.<br />

5 Ein Exemplar dieser frühen Veröffentlichung mit einer eigenhändigen Widmung an Zemlinsky<br />

befindet sich im WA.<br />

6 Der Merker, X (Februar 1910), S. 37.<br />

7 „Konzert-Novitätenschau Saison 1909-1910“ , M usikbuch aus Österreich VIII (Herausg. Hugo<br />

Botstiber), Wien/Leipzig, 1911, Carl Fromme, S. 78.<br />

8 Laut Brief <strong>von</strong> W ebern an Berg vom 27. November 1912.<br />

9 W ebern spricht vom Erscheinungsbild seiner Partituren häufig als „Partiturbild“ oder<br />

„N otenbild“ .<br />

10 Das D atum der Komposition wurde später in der Literatur irrtümlicherweise mit 1910<br />

verzeichnet, was Anlaß zu Spekulationen über die Chronologie der ersten aphoristischen<br />

Orchesterstücke gab, nachdem Schönbergs unbetitelte drei kleine Stücke für Kammerorchester<br />

das D atum 8. Februar 1910 tragen. W ebern selbst bestätigte die Entstehungszeit, als er Berg am<br />

20. Septem ber 1910 schrieb, er sei damit beschäftigt, die Orchesterstücke abzuschreiben, die er<br />

„im Sommer 1909“ komponiert habe, um sie dem Deutschen Musikverein einzureichen.<br />

11 Dieser Satz bezieht sich auf das zweite Stück; die Beschreibung, die auf das vierte Stück folgt,<br />

bezieht sich auf den fünften und sechsten Satz.<br />

12 In einem Brief an Berg am 21. August 1913 spricht W ebern ausführlicher über seine Inspiration<br />

zu diesem Satz.<br />

13 W ebern meint Wilhelmine; da sie 1911 heirateten, war sie seine Frau zur Zeit, als er den Brief<br />

schrieb, jedoch nicht zur Zeit der geschilderten Ereignisse.<br />

14 Die Aufführung <strong>von</strong> W eberns Opus 6 wurde in Befolgung der kulturellen Richtlinien des gerade<br />

zur Macht gekommenen Nazi-Regirnes abgesagt.<br />

15 Zeitschrift für Musik, 100 (1933), S. 566-567.<br />

16 W ebern schenkte Schönberg eine Reinschrift des Manuskripts, die in der Folgezeit verlorengegangen<br />

ist. Eine Eintragung in Schönbergs Tagebuch vom 18. Februar 1912 in Zehlendorf<br />

lautet: „W ebern vormittags bei mir. Wir suchen (auch auf dem Dach-Boden, in allen Kisten)<br />

nach W eberns Orchesterstücken, die er mir in einer eigenhändigen, sehr sauberen und<br />

mühevollen Abschrift geschenkt hat. . . A ber sie ist nicht zu finden. Ich bin sehr unglücklich<br />

darüber, daß ich, der selbst so peinlich auf Manuskripte achtgibt, jemanden das antun muß. . ,<br />

Zuletzt verm uteten wir, daß unser gewesenes Dienstmädchen Mathilde Stepanek in ihrer<br />

Blödheit es entweder ,als A ndenken“mitgenommen oder verschleppt hat.“<br />

17 Ein handschriftliches (undatiertes) Werkverzeichnis ist charakteristisch für <strong>Webern</strong>s dauernde<br />

Unentschlossenheit bei der Festlegung <strong>von</strong> Opuszahlen für seine Kompositionen. W ährend in<br />

dieser Liste die Titel und Opuszahlen für Op. 1-6 endgültig feststehen, erscheint Op. 7 als „2<br />

Lieder mit O rchester“ . Op. 8 beinhaltet „No. 1 4 Stücke für Violine u. Klavier; No. 2 6 Stücke<br />

für Streichquartett; No. 3 3 Stücke für Cello u. Klavier; No. 4 5 Stücke für O rchester.“ Op. 9<br />

wird geführt als „3 Lieder mit O rchester“ , Op. 10 als „4 Klavierlieder“. Op. 11 als „4<br />

O rchesterlieder“ und Op. 12 als „5 Lieder mit Soloinstrumenten“ .<br />

8. Danzig (1910/11). S. 121 - 13 3<br />

1 Das M anuskript wurde 20 Jahre nach W eberns Tod unter den Ü berresten seiner Bibliothek<br />

entdeckt.<br />

2 A ußer den beiden Briefen, die W ebern Wilhelmine 1906 schrieb, sind die Briefe <strong>von</strong> 1910 die<br />

einzigen noch vorhandenen aus der umfangreichen Korrespondenz des Paares, die auf Ersuchen<br />

der Witwe nach dem Tod des Komponisten verbrannt wurde.<br />

599


3 Im Septem ber 1910, als W ebern der Uraufführung <strong>von</strong> Mahlers A chter Symphonie beiwohnte.<br />

4 Im gleichen Brief dankte W ebern Schönberg für das Hochzeitsgeschenk eines seiner Gemälde.<br />

5 Damaliger Gegenwert ungefähr 120 Mark.<br />

9. Berlin (1911/12). S. 134-144<br />

1 W ebern beabsichtigte, <strong>von</strong> allen W erken Schönbergs Klavierauszüge anzufertigen, beginnend<br />

mit Verklärte Nacht.<br />

2 Nach <strong>Webern</strong>s Tod wurde das Instrum ent <strong>von</strong> seiner Witwe an Alfred Schlee, den D irektor der<br />

Universal Edition, verkauft.<br />

3 W ebern versäumte die erste Vorlesung wegen seiner Reise nach München.<br />

4 Ferruccio Busonis Eindrücke <strong>von</strong> dieser Aufführung erschienen in der nächsten Ausgabe <strong>von</strong><br />

Pan: „V or den Tastaturen sitzen vier Jünglinge mit feinen, charakteristischen Köpfen: es wirkt<br />

fast ergreifend, wie sie ihre jungen Intelligenzen in den Dienst des noch U nenträtseiten stellen,<br />

hingebend und tüchtig. Im Hintergründe des kleinen Podiums glimmen unruhig zwei Augen, bewegt<br />

sich kurz und nervös ein Taktstock. Man erblickt nur den Kopf und die H and Schönbergs,<br />

der die vier W ackeren suggeriert, ihnen mehr und mehr <strong>von</strong> seinem Fieber mitteilt. Ein ungewöhnliches<br />

Bild, das, durch den ungewöhnlichen Klang unterstützt, eine Faszination ausübt.“<br />

5 Die folgende Tagebuchnotiz Schönbergs befaßt sich mit der Vormittagsprobe am 3. Februar:<br />

„Bei der Probe Weine Konflikte zwischen W ebern und Clark. W ebern wird ungeduldig, wenn<br />

Clark die Register nicht rechtzeitig zieht. Ich vermittle! W ar eigentlich lustig!“ Am 4. Februar,<br />

nach dem Konzert, schrieb Schönberg in sein Tagebuch, daß W ebern ihm „wie immer der<br />

Liebste“ war.<br />

6 Eine Polemik entstand allerdings in der Presse zwischen Schönberg und Dr. Leopold Schmidt,<br />

Kritiker des Berliner Tageblatts, der sich nur einen kleinen Teil des Programms angehört haben<br />

soll und dessen Besprechung Schönberg zutiefst verletzte.<br />

7 W ährend seines Berliner Aufenthalts lernte W ebern neben diesen auch andere namhafte<br />

Musiker kennen. Am 15. Februar 1912 stellte Schönberg ihn Richard Strauss vor nach einem<br />

Konzert, in dem Strauss die Berliner Philharmoniker als Gastdirigent leitete. Ü ber diese mehr<br />

beiläufige Begegnung hinaus scheint es nie wieder zu persönlichen K ontakten zwischen den<br />

beiden M ännern gekommen zu sein.<br />

8 W ebern nahm die feierliche Überreichung bei einem Empfang in Zemlinskys Haus vor, worüber<br />

Schönberg in seinem Tagebuch schreibt: „Wie gerührt er war, als er mir das Buch übergab.<br />

Feierlich und doch so schlicht. Fast wie ein Schuljunge; aber wie einer, der nur deshalb etwas<br />

eingelernt hat, um nicht überwältigt zu werden.“<br />

9 Linke, Wellesz, Neuniann, Stein, Jalowetz, Horwitz, W ebern, Königer und Berg.<br />

10 XIII, Nr. 7, Köln.<br />

11 W ebern buchstabiert in seinem A rtikel Franz Schrekers Namen fälschlich „Schrecker“ (S. 36),<br />

einer <strong>von</strong> einer ganzen Anzahl ähnlicher Fehler, die sich in seinen Schriften finden. Sie ergaben<br />

sich nicht zufällig, sondern beruhten auf Gewohnheiten, die über die Jahre hinweg fortdauerten;<br />

so schrieb er während seines ganzen Lebens „M endelsohn“ . W enn das schon für einen Doktor<br />

der Musikwissenschaft kurios ist, dann sind <strong>Webern</strong>s häufige Rechtschreibfehler <strong>von</strong> durchaus<br />

gebräuchlichen W örtern angesichts seiner gründlichen Gymnasialbildung um so verwunderlicher.<br />

Solche Fehler mögen sich mit <strong>Webern</strong>s stark ausgeprägtem Dialekt erklären lassen, der die<br />

Phonetik gewisser W orte veränderte. Seine Rechtschreibung wurde im Laufe der Jahre weniger<br />

fehlerhaft.<br />

12 W eberns Abreise zum Zeitpunkt einer in Berlin bevorstehenden Aufführung <strong>von</strong> Schönbergs<br />

Erstem Streichquartett durch das R ose-Q uartett gab A nlaß zu einer Auseinandersetzung<br />

zwischen Schönberg und seiner Frau. In seinem Tagebuch hielt Schönberg fest: „E r fährt nach<br />

Wien, um die VIII. Mahler-Symphonie zu hören. Täte ich ja auch gerne. Zeigt aber, daß er doch<br />

nicht so ausschließlich an mir hängt, wie er glauben machen möchte. Abends Diskusson darüber<br />

mit Mathilde. Resultat da<strong>von</strong>: wir sind halb und halb bös. Natürlich geht sie viel zu weit; denn sie<br />

600


hat aus gewissen G ründen (G) ein Bedürfnis, dem W ebern eins am Zeug zu flicken. Ich hielt ihr<br />

vor, daß ich selber mich gegen Mahler eigentlich oft nicht besser aufgeführt habe; daß Eltern<br />

gegen Kinder, Kinder gegen Eltern sich schlecht benehmen. D aß gut eben eine Abstraktion ist<br />

und nichts Absolutes. D aß es absolut gute und tadellose Menschen nicht gibt. Und daß ich nicht<br />

vergessen will, in wie vielen ändern Fällen sich W ebern ausgezeichnet zur mir benimmt. A ber<br />

das will sie nicht einsehen. Sie bleibt starr bei ihrer Behauptung und hört kaum zu.“ Mit der<br />

Initiale ,,G “ ist Richard Gerstl.gemeint, ein Maler, um dessentwillen Mathilde Schönberg 1908<br />

vorübergehend verließ. Sie kehrte zu ihrem G atten und den beiden kleinen Kindern erst auf die<br />

Vorhaltungen <strong>von</strong> Freunden hin zurück, vor allem <strong>von</strong> seiten <strong>Webern</strong>s. Gerstl, der erst 25 Jahre<br />

alt war, beging am 4. November desselben Jahres Selbstmord.<br />

13 In Wirklichkeit mußte W ebern seinen Dienst schon am 22. Juni aufnehmen.<br />

14 Das wurde <strong>von</strong> W eberns jüngerer Schwester Rosa bestätigt, die ihren Anteil (nach damaligem<br />

W ert etwa 45 000 Mark) in Obligationen anlegte und dann erleben mußte, wie in der Inflation<br />

ihre ganze Erbschaft verlorenging.<br />

15 In diesem Frühjahr sahen Berg und W ebern zusammen in Wien Strindbergs Totentanz. Nur<br />

wenige Tage vorher, am 14. Mai 1912, war der große schwedische Schriftsteller gestorben.<br />

W ebern, ein vorbehaltloser Bewunderer Strindbergs, sammelte seine sämtlichen W erke in<br />

seiner Bibliothek. Die gequälte menschliche Kreatur, das Thema der Dramen des Dichters,<br />

erwies sich als in höchstem Grade konform mit den sozialen und psychologischen Problemen der<br />

Zeit. Strindbergs Stücke und andere Schriften waren die Mode dieser Jahre, und W ebern und<br />

Berg, zusammen mit vielen anderen schöpferischen Künstlern, waren <strong>von</strong> seinen Gedankengängen<br />

zutiefst berührt.<br />

16 Die Tschechoslowakai war damals Teil der österreichischen Monarchie.<br />

17 Richard Goldschmied, ein Schüler <strong>von</strong> Emil Sauer, war damals Lehrer am W iener Neuen<br />

Konservatorium. Später war er Mitglied des Lehrkörpers des Konservatoriums in Hamburg.<br />

1942 wurde er nach Riga deportiert und dort umgebracht.<br />

10. Stettin (1912/13). S. 145..156<br />

1 Schönberg war über diese Bemerkung zutiefst verärgert und machte W ebern Vorwürfe, die<br />

Postkarte abgeschickt zu haben.<br />

2 D er Architekt Adolf Loos.<br />

3 Eine der vielen Possen und Revuen <strong>von</strong> Jean Gilbert (Pseudonym für Max Winterfeld).<br />

4 Nachgedruckt aus H. H. Stuckenschmidt, Schönberg. D er Brief Mathildes an ihren Mann,, aus<br />

dem in diesem Kapitel ein Abschnitt wiedergegeben ist, entstammt der gleichen Quelle, ebenso<br />

die Zitate aus Schönbergs Tagebuch.<br />

5 Stettins Musikleben scheint tatsächlich recht wagemutig und progressiv gewesen zu sein,<br />

jedenfalls was das Theater betrifft, Im D ezember brachte Jalowetz Ariadne auf Naxos <strong>von</strong><br />

Richard Strauss heraus, weniger als zwei M onate nach der Uraufführung der O per in Stuttgart,<br />

W ebern, der das Ensemble einstudierte, hielt sie für das beste Werk des Komponisten und fand<br />

in ihr viele „köstliche“ Stellen.<br />

6 Siehe A rnold Schönberg Briefe. S. 32..34.<br />

1 Die Partie der W aldtaube wurde <strong>von</strong> Marya Freund (1876-1966) kreiert, die im Verlauf ihrer<br />

langen und erfolgreichen Laufbahn zur glühenden Vorkämpferin aller Avantgarde-Kom ponisten<br />

wurde.<br />

8 Alban Berg assistierte bei den Chorproben. Da das seine erste Erfahrung auf diesem Gebiet war,<br />

erbot sich W ebern, ihn zu beraten. Am 27. D ezember 1912 schrieb er ihm <strong>von</strong> Stettin, er solle<br />

stimmenweise beginnen und schwere Stellen <strong>von</strong> kleineren G ruppen der betreffenden Stimme,<br />

ja sogar einzeln singen lassen. Jede Stimme sollte einzeln bis zu einem Abschnitt in der<br />

Komposition geprobt werden, dann zusammen, oder zuerst die Frauenstimmen zusammen und<br />

dann die Männerstimmen. W enn es dann nicht ginge, dann sollten gleich die Stimmen wieder<br />

einzeln genommen werden. W ebern erm ahnte Berg, „so langsam als möglich“ vorzugehen,<br />

601


eventuell nur ein paar Takte bei der ersten Probe, „aber möglichst viel gleich fertigstellen. Dann<br />

haben die Leute das Gefühl, sie haben was gelernt. Ein erstmaliges Durchsingen ist beim Chor<br />

unmöglich; das geht nur im O rchester“ .<br />

9 W iedergegeben aus der Publikation Arnold Schönberg zum fünfzigsten Geburtstage, 13. Sept.<br />

1924. Sonderheft der Musikblätter des Anbruch VI (Aug.-Sept. 1924) S. 321-323. Dieser<br />

Zeitungsartikel deckt sich mit dem nachfolgenden unveröffentlichten Augenzeugenbericht, der<br />

dem Verfasser <strong>von</strong> Paul Amadeus Pisk zur Verfügung gestellt wurde. E r stammt aus dem<br />

Tagebuch des bekannten Architekten Richard Neutra: „H eute abend war ich bei dem Konzert,<br />

das Schönberg dirigierte. Gleich zu Anfang begannen die Leute, heißt ein paar Leute, gröhlend<br />

zu lachen und zu schreien. Gesprochen und gerufen und herumgetrampelt wurde fort ohne<br />

Pause. Die Canaillen hatten eben das Gefühl, daß es da jem and auf billige Weise zu schlachten<br />

gab, jem and vogelfreien. Es war alles ganz natürlich, aber über die Maßen empörend zuzusehen.<br />

Leute, die mit Kunst so viel zu tun haben, wie ich mit Kartenspiel, machten fortwährend Witze,<br />

die <strong>von</strong> den dazugehörigen Nachbarinnen für glänzend gehalten wurden. Stellenweise glaubte<br />

ich aus der H aut zu fahren. Nach der Schönberg-Symphonie, die mir trotz alldem noch einen<br />

Eindruck <strong>von</strong> Macht und Kunstwerk machte, ging ein höllischer Lärm los, auf der 2. Galerie<br />

wurden ein paar Leute nach harter Rauferei hinausgeworfen. Die Lieder <strong>von</strong> Berg wurden aus<br />

unerfindlichem G rund durch schallendes Gewieher unterbrochen. Schon vorher hatte sich der<br />

Loos fast bis zu Tätlichkeiten eingelassen. Schönberg schrie ins Auditorium D rohungen hinein.<br />

Man brachte die Lieder noch zu Ende. D ann waren alle Grenzen offen, Leute forderten sich,<br />

wurden auseinander gerissen, brüllten, lachten, pfiffen. D er A rthur Schnitzler ist mir gegenüber<br />

ruhig in der Loge 2 gesessen. Jem and rief dem Publikum zu, sich gesittet zu benehmen oder zu<br />

gehen. Einer schrie ,Lausbub1zurück. D er erstere sprang hinunter und in den Haufen und haute<br />

dem vermeintlichen Schimpfer eine mächtige Ohrfeige herunter. D er ganze Saal verfolgte diese<br />

Handlung gespannt. Dann wieder Gejohle. Ein uniformierter Kommissär schrie irgend etwas.<br />

Jetzt erscheint mir alles komisch, aber dort zitterte ich am ganzen Leib vor Wut. - Die Musiker<br />

verließen den Saal, dem Pöbel war es gelungen, das Konzert zu sprengen. U nten wurde über<br />

irgendein Ding gestritten. Oskar Straus spielte den Vermittler. - Das Publikum ist eine feige,<br />

kunstfremde und kunstfeindliche Bestie, die sich für das ihr auferlegte Kuschen vor dem<br />

A nerkannten, durch dieses Niederbrüllen, durch diese Hetze des Vogelfreien entschädigt“<br />

11. IV ien-K rankheit (1913/14). S. 157-170<br />

1 Drei Monate später, im O ktober, sublimierte W ebern das schreckliche 'Erlebnis in einem<br />

Bühnenstück mit dem Titel Tot (vgl. 12. Kapitel).<br />

2 Die Zeichnung wurde zum ersten Mal in Oskar Kokoschka, Dramen und. Bildet- (Leipzig, Kurt<br />

Wolff Verlag 1913), veröffentlicht.<br />

3 Nur drei der Lieder wurden tatsächlich aufgeführt: Das Wappenschild, Voll jener Süße und<br />

Wenn Vöglein klagen. D er Solist war der H eldentenor Hans Winkelmann, der Sohn des<br />

berühm ten W agner-Tenors Hermann Winkelmann.<br />

4 Dieses und die folgenden Zitate aus Bergs Briefen an seine Frau stammen aus Alban Berg, Briefe<br />

an seine Frau.<br />

5 Etwa 3000 Mark nach damaligem Kurs.<br />

6 Sie war die Frau des prominenten Anwalts Dr. Felix Zehme.<br />

7 Das WA verwahrt drei Schnappschüsse, die Schönberg, W ebern und Stein an der holländischen<br />

Nordseeküste zeigen. Die Aufnahmen wurden <strong>von</strong> Alban Berg gemacht, der sich den Freunden<br />

in Berlin für die Reise nach Holland angeschlossen hatte.<br />

8 Veröffentlicht in der österreichischen Musikzeitschrift, XXVII (März 1972), S. 127-130.<br />

9 In den nachfolgenden Jahren ergänzte W ebern seinen Katalog. Im Jahr 192.9, in d e m die letzten<br />

Eintragungen vorgenommen wurden, fehlten noch immer die Namen <strong>von</strong> Bartök, Ravel und<br />

Strawinsky in der Liste zeitgenössischer Komponisten. D er Katalog umfaßt 129 Seiten. WA<br />

10 Die Manuskripte <strong>von</strong> Berg und Schönberg sind verschollen.<br />

602


12. Opus 9—11 - Andere W erke..Tot (1911-1914). S. 171-188<br />

1 Ein anderes A utograph in der Pierpont Morgan Library (Sammlung R. O. Lehman) nennt am<br />

Schluß das Jahr 1919. Das Werk, damals „Sechs Stücke“ genannt, erschien in den Programmen<br />

des Vereins für musikalische Privataufführungen.<br />

2 A nton W ebern, Der Weg zur Neuen Musik, S. 55.<br />

3 W ebern an Nicolas Slonimsky, 14. Januar 1937; wiedergegeben in Slonimsky, Music since 1900,<br />

S. 117. W ebern spricht in diesem Brief <strong>von</strong> „etwa 20 .Stücken“, die erzwischen 1911 und 1913<br />

schrieb „als Äußerungen musikalischer Lyrik“ .<br />

4 „A nton <strong>von</strong> W ebern“, Die M usik 22 (August 1930), S. 814.<br />

5 Emanuel Swedenborg (1688-1772) war ein schwedischer Wissenschaftler, dessen theosophische<br />

Lehren nach seinem Tode zur Gründung der Kirche <strong>von</strong> Neu-Jerusalem führten. Seine<br />

Philosophie übte einen tiefen Einfluß aus auf seine Zeitgenossen, unter ihnen Kant und Goethe,<br />

dessen Urfaust unter seinem Eindruck geschrieben war, wie auch spätere lite ra te n wie Balzac<br />

und Strindberg, die seine Theorien in ihren W erken verarbeiteten.<br />

6 Berg scheint Schönbergs V orbehalte nicht geteilt zu haben; in einem Brief an W ebern vom Juli<br />

1914 erwähnt er Tot als „mir über alle Maßen liebgewordenes Theaterstück“ .<br />

7 Von Peter Westergaard.<br />

8 Alle drei Lieder wurden erst nach W eberns Tode entdeckt. Sie wurden 1968 unter dem Titel<br />

Drei Orchesterlieder (1913-14) in der <strong>von</strong> W ebern angegebenen Reihenfolge veröffentlicht.<br />

9 In diesem Zusammenhang ist eine Aufzeichnung <strong>von</strong> Alma M ahler vom 5. März 1915 <strong>von</strong><br />

besonderem Interesse; „W ebern brachte wenige aber originelle Kompositionen. E r wurde<br />

immer radikaler, und Schönberg klagte einmal Werfel und mir, wie sehr er unter dem<br />

gefährlichen Einfluß W eberns leide und daß er seine ganze Kraft brauche, sich dem zu<br />

entziehen.“ (Alma Mahler-Werfel, Mein Leben, S. Fischer, Frankfurt 1960, S. 77).<br />

10 Das Originalmanuskript (WA) trägt die Inschrift: „Meinem lieben V ater z. 27. V. 1914, Tfoni].“<br />

11 Veröffentlicht 1970 bei Carl Fischer, New York, herausgegeben <strong>von</strong> Friedrich Cerha.<br />

13. Erster Weltkrieg ~ Prag - Mödling (1914-1918). S. 189..201<br />

1 Der Entwurf zu diesem Brief fand sich unter <strong>Webern</strong>s Dokumenten. WA.<br />

2 Schönberg an Zemlinsky. Dieser eindringliche, im O ktober 1915 geschriebene Brief wurde am<br />

23, Januar 1916 in einer Prager Zeitung abgedruckt.<br />

3 Dieses und nachfolgende Zitate aus W eberns Briefen an Hertzka stammen aus die reihe 2<br />

(1955). Verschiedene Zitate aus W eberns Briefen an Berg und Scherchen haben die gleiche<br />

Quelle.<br />

4 M emoiren <strong>von</strong> A nton Anderluh. Typescript. WA.<br />

5 A ußer diesem Schnappschuß existiert noch ein Foto, das W ebern in der Ausgehuniform eines<br />

Gebirgsjägers mit Umhang und Federhut zeigt. Ein drittes Foto aus W eberns Kriegsjahren zeigt<br />

ihn mit vier Kameraden bei einem Gebirgsmanöver im Jahre 1915. WA.<br />

6 U nter <strong>Webern</strong>s A ndenken fand sich eine Ansichtspostkarte, die die attraktive Lage des Hauses<br />

zeigt (im Distrikt <strong>von</strong> Kral. Vinohrady). Sie enthält einen <strong>von</strong> W eberns Hand stammenden<br />

Nachweis über die D auer seines dortigen Verbleibs: „12. VIII. 1917-31. V. 1918“ . WA.<br />

1 Sie war die Schwester des Konzertpianisten Bruno Eisner.<br />

14. Verein fü r musikalische Privataufführungen (1918-1922). S. 202-218<br />

1 Diese und andere Einzelheiten finden sich in einem Brief <strong>von</strong> Berg an seine Frau vom<br />

13. Septem ber 1918.<br />

2 Den Inhalt <strong>von</strong> W eberns Mitteilung überm ittelte Berg seiner Frau am 16. September 1918.<br />

3 Inhalt und Ton des Briefes, als Nr. 32 in Schönbergs Briefen (S. 56) unter der Überschrift<br />

„A dressat unbekannt“ veröffentlicht, lassen keinen Zweifel, daß er an W ebern gerichtet war.<br />

603


4 Die Satzungen wurden <strong>von</strong> Dr. Ludwig Pisk ausgearbeitet, dem Vater <strong>von</strong> Paul A. Pisk.<br />

5 Das erste erfaßt die Jahre 1918-20, das zweite das Jahr 1921. WA.<br />

6 Eine umfassende Darstellung des Wirkens des Vereins ist noch nicht geschrieben w orden; es gibt<br />

nur kurze Berichte <strong>von</strong> Paul A. Pisk („D er Verein für musikalische Privataufführungen“ in<br />

A rnold Schönberg zum fünfzigsten Geburtstage 13. Sept. 1924, Musikblätter des Anbruch VI<br />

(A ug.-Sept. 1924, S. 325-326) und <strong>von</strong> Leonard Stein (“The Privataufführungen Revisited” in<br />

Paul A. Pisk, Essays in his Honour, S. 203-207) sowie verschiedene Aufzeichnungen und<br />

A nekdoten <strong>von</strong> Reich, Slonimsky, Steuermann u. a. Ein Bericht neuesten Datums ist enthalten<br />

in “Memories of Schönberg” <strong>von</strong> Paul A. Pisk, veröffentlicht in Journal ofthe Arnold Schönberg<br />

Institute 1/1 (Okt. 1976), S. 39-44.<br />

7 Die Aufführung der Fünf Lieder op. 3 gab den Anlaß zur ersten Veröffentlichung des Werkes<br />

unter der offiziellen Ägide des Vereins.<br />

8 W ebern und seine Familie wohnten damals wieder bei Tante Poldi (Leopoldine Schmid) in der<br />

W ienerstraße 104.<br />

9 Später wurden auch seine beiden Töchter und ihre Ehegatten im selben Grab beigesetzt.<br />

10 D en Mitteilungen Nr. 8 ,4 . Mai 1919, war ein Beitrittsformular zum A bonnem ent der Konzerte<br />

beigelegt.<br />

11 Die Vereins-Mitteilungen Nr. 13, 21. November 1919, kündigten als Interpreten Rudolf<br />

Kolisch, W alter Seligmann, M aria Lazansky, Hans Neumann und Karl Hein an.<br />

12 A ndere aufgeführte Komponisten waren Busch, Casella, Chausson, Debussy, Dresden,<br />

Haivorsen, Malipiero, Mussorgsky, Nielsen, Pijper, Ravel, Reger, Röntgen, Schmitt, Schnabel,<br />

Scott, Skrjabin, Strässer, Strawinsky und Suk.<br />

13 W eberns Exemplar des reich ausgestatteten, 236seitigen Amsterdamer Festprogramms<br />

befindet sich im WA.<br />

14 Noch 1923 räum t Bela Bartök dem Pianisten Rudolph Ganz (dem Ravel den Satz Scarbo in<br />

Gaspard de la nuit gewidmet hatte) gegenüber ein: „Von Ravel kenne ich noch überhaupt<br />

nichts.“ (Brief Bartöks an Ganz, 17. April 1923, M oldenhauer Archives).<br />

15 Wiedergegeben in G ünther Schüller “ A Conversation with Steuerm ann” in Perspectives o f New<br />

Music, III (1964), S. 22.<br />

16 W eberns Transkription des Schatzwalzers befindet sich jetzt in der W iener Stadtbibliothek.<br />

17 Im darauffolgenden Jahr (1922) gründete Kolisch sein eigenes Streichquartett. Es war das erste<br />

Ensemble, das die klassische Standardliteratur auswendig spielte. Es setzte sich auch für<br />

zeitgenössische Musik ein mit Uraufführungen <strong>von</strong> W erken <strong>von</strong> Bartök, Berg, Schönberg,<br />

<strong>Webern</strong> und anderen. Rudolf Kolisch (1896-1978) war einer der wenigen Berufsgeiger, der den<br />

Bogen mit der linken Hand führte. E r studierte Violine bei Sevcik und Komposition bei<br />

Schreker an der Musikakademie. E r hörte auch Vorlesungen bei Adler an der Universität und<br />

studierte privat bei Schönberg.<br />

18 Für biographische Angaben über Kurt Manschinger vgl. Anmerkung 19, 29. Kapitel.<br />

19 U nter Stella Eisners Beiträgen zu den Konzerten des Vereins war Mussorgskys Kinderstuben-<br />

Zyklus. Ihre fesselnden M emoiren sind voll <strong>von</strong> musikalischen Einzelheiten und persönlichen<br />

A nekdoten <strong>von</strong> W ebern, Schönberg und ihrem inneren Kreis. Typescript WA.<br />

20 Instruktoren waren außer W ebern Berg, Polnauer und Stein. Von Schönberg als Seminar für<br />

Komposition im Herbst 1917 ins Leben gerufen, fanden diese Kurse auch weiterhin in der<br />

Schwarzwaldschule statt, bis auch sie Anfang 1923 der Inflation zum Opfer fielen.<br />

21 Es ist erwähnenswert, daß nach W eberns Tod mehrere seiner Orchesterwerke erfolgreiche<br />

choreographische Interpretationen <strong>von</strong> Balanchine, Cranko u. a. inspirierten.<br />

22 Die Pianistin Olga Novakovic war Schülerin Schönbergs und eine bekannte Astrologin.<br />

23 Arnold Schönberg Briefe, S. 80-81.<br />

24 Am 19. Juni 1922 schrieb W ebern Berg, daß er gegenwärtig sehr „eingespannt“ sei mit Arbeit<br />

für das Gastspiel des Vereins in Prag; er erwähnt ausdrücklich, daß er „ein zweites Pierrot-<br />

Ensemble“ einstudiere. In einem Brief an Zemlinsky vom 24. November 1922 spricht er da<strong>von</strong>,<br />

daß er mit Felicie Hiini-Mihacsek Lieder <strong>von</strong> ihm korrepetiert habe. Seine eigenen George-<br />

Lieder op. 3 waren im selben Programm enthalten.<br />

604


Schönberg an Raffael da Costa, Deutsche Allgemeine Zeitung, 18. Juni 1930, Arnold Schönberg<br />

Briefe, S. 152.<br />

Aus W olf-Eberhard <strong>von</strong> Lewinsky, „Junge K omponisten“, die reihe 4, Junge Komponisten,<br />

(1958), S. 2. Das Zitat ist einem Brief Debussys an Chausson entnommen.<br />

15. A u f dem Wege zur Anerkennung (1921-1924). S. 219-237<br />

Die Jahresberichte wurden <strong>von</strong> Gustav Grainer, dem Sekretär des Vereins, zusammengestellt.<br />

Dieser Betrag, im Nennwert identisch mit dem, den W ebern 1912 als seinen Anteil am Verkauf<br />

des Preglhofs erhalten hatte, stellte wegen der galoppierenden Inflation nur noch einen<br />

Bruchteil seines einstigen W ertes dar.<br />

Das Programm, das aus W erken <strong>von</strong> Beethoven, W eber, W agner und Hugo Wolf bestand, war<br />

eine Replik des ersten, am 28. Dezember 1905 veranstalteten Konzerts.<br />

Berg und <strong>Webern</strong> hatten Mahlers D ritte Symphonie schon früher als vierhändiges Klavierarrangement<br />

gespielt.<br />

Das W erk war in der gleichen Saison (15. November 1921) bereits unter Hermann Scherchen in<br />

Leipzig gespielt worden.<br />

Brief <strong>von</strong> Paul A. Pisk an den Verfasser.<br />

Briefzitat aus dem A uktionskatalog Nr. 574 <strong>von</strong> J. A . Stargardt (Nov. 1965), S. 151.<br />

Es existiert ein Dankschreiben W eberns mit dem D atum 27. Januar 1923 an einen Mäzen in<br />

Prag (der Name wird nicht genannt). Vermutlich erhielt er in diesem W inter eine zweite<br />

Zuwendung.<br />

Die Gesellschaft basiert auf Prinzipien, die erstmals <strong>von</strong> Rudolf Reti und Egon Wellesz<br />

formuliert worden waren. Edward J. D ent wurde zu ihrem ersten Präsidenten gewählt.<br />

Memoiren <strong>von</strong> Rudolph Ganz, Typescript. WA. U nter den Erinnerungsstücken <strong>von</strong> Ganz in den<br />

Moldenhauer-Archiven befindet sich auch seine Taschenpartitur <strong>von</strong> W eberns Fünf Sätzen op.<br />

5, die er in diesem Konzert benützte.<br />

Francis Poulenc, der W ebern bereits <strong>von</strong> einem früheren W iener Besuch in diesem Sommer mit<br />

Milhaud kannte, schenkte ihm bei dem Musikfest ein Exemplar seiner Impromptus, in das er<br />

schrieb: ,,ä W ebern que j ’admire corame W eber cequiest ä m onsens le plus joli compliment que<br />

je puisse lui faire. Bien arnicalement, Francis Poulenc. Salzburg, Aoüt 1922“ („Für W ebern, den<br />

ich wie W eber bewundere, was, glaube ich, das hübscheste Kompliment ist, das ich ihm machen<br />

könnte. In aufrichtiger Freundschaft, Francis Poulenc, Salzburg, August 1922“ ) WA.<br />

Schönberg entschloß sich, das Fest nicht zu besuchen, obwohl sein zweites Streichquartett auf<br />

dem Programm stand.<br />

Unveröffentlichter Brief. Mit freundlicher Genehmigung <strong>von</strong> Mrs. Boris Aronson.<br />

Einer Mitteilung W eberns an Jalowetz am 16. November 1922 zufolge wurden seine Sechs<br />

Stücke op. 6 in Bochum am gleichen Tag aufgeführt wie die Passacaglia in Prag. Die Bochumer<br />

Aufführung fand unter Rudolf Schulz-Dornburg statt.<br />

A rnold Schönberg Briefe, S. 74-75.<br />

D er Zeitpunkt wurde <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> Polnauer bestätigt, der bei dem Treffen zugegen war.<br />

<strong>Josef</strong> Polnauer, Ansprache anläßlich der Enthüllung <strong>von</strong> zwei Gedenktafeln an den Häusern, in<br />

denen Schönberg und W ebern in Mödling gewohnt haben, am 6 . Dezember 1959. Typescript.<br />

WA.<br />

Seine Mitglieder waren Gustav Piavemann, Georg Kniestädt, Hans Mahlke und Adolf Steiner.<br />

Ein Entwurf der Programmnotizen W eberns für die Aufführung der Schubert-Messe fand sich<br />

unter seinen Papieren. WA.<br />

Präludium und Reigen; der abschließende Marsch mußte entfallen.<br />

Arnold Schönberg Briefe, S. 102-104.<br />

Im ganzen existieren 16 solche Umschläge als A ndenken an die Sommerreisen bis einschließlich<br />

1938. WA.


23 „Peps“ wurde sicherlich nach Richard Wagners Lieblingshund benannt. Die Tagebucheintragung<br />

lautet: „Dienstag, den 18. März 1924: Peps verloren. Am Montag d. 29. Januar 1923 ist er<br />

zu uns gekommen (durch eine Kollegin der Mali <strong>von</strong> Luxemburg). Im Januar (Ende) 1924<br />

erkrankte er; wurde sehr schwach. Erholte sich wieder, doch <strong>von</strong> da an sehr schlecht bei Appetit.<br />

2. Märzwoche wieder Verschlimmerung. Sonntag, d. 16. beim Tierarzt. Stellte hoffnungslose<br />

Erkrankung fest. Verschrieb Pulver und Badesalz (Darmgeschwüre). Nacht vom 17. auf 18. sehr<br />

schlecht. 18. früh Tierarzt geholt. D ann Peps dorthin gebracht, wo er erlöst wurde; circa 10h<br />

vormittag. Von ihm 2 Bilder: Eines mit den Kindern, eines mit Minna. Wir danken ihm viele<br />

schöne glückliche Stunden. Ich möchte auch aufschreiben, daß seine grenzenlose Liebe u.<br />

Anhänglichkeit zu Minna so besonders schön war. Auf Schritt u. Tritt gieng er ihr nach. Und wie<br />

hatte er die Kinder gern! Wie lieb spielte er mit Christerl. Leb wohl, mein lieber Pepsi<br />

24 Die Schwester des Komponisten und Musikwissenschaftlers Hans Gäl.<br />

25 Das Ereignis ist in W eberns Tagebuch verzeichnet zusammen mit dem Ort: die Bürgerschule in<br />

der Stubenbastei.<br />

26 Auf dem Programm dieses besonderen Ereignisses stand auch Pierrot Lunaire.<br />

21 W eberns Exemplar ist noch vorhanden, ebenso die offiziellen Schreiben, in denen ihm die<br />

Zuerkennung des Musikpreises 1924 und 1931 mitgeteilt wurde.<br />

28 Clara Kwartin, die russischer Abstammung war, wirkte beim Prager IGNM -Fest mit, wo<br />

W ebern sie zum ersten Mal hörte. 55 Jahre später erinnerte sie sich: „Ich war damals noch sehr<br />

jung und hatte keine Ahnung <strong>von</strong> Schönberg, W ebern, Berg, Hindemith usf., die alle aus diesem<br />

Anlaß zugegen waren. Ich kehrte dann mit meinem Vertrag nach Wien zurück, als <strong>Webern</strong> mich<br />

inständig bat, seinen Trakl-Zyklus in Donaueschingen zu singen. Es war eine schwere Aufgabe<br />

für mich . . .W ie ich <strong>Webern</strong> im Gedächtnis behalten habe, war er die G üte selbst, geduldig und<br />

irgendwie naiv um nicht zu sagen primitiv. E r erschien mir als ,der reine T or“, der nur der Musik<br />

und N atur lebte und darüberhinaus nichts kannte. E r wußte, daß ich Jüdin war, und trotzdem<br />

machte er mir vier Jahre später, als ich an der Berliner O per sang, das Angebot, seine Lieder im<br />

Frankfurter Rundfunk zu singen. Damals konnte ich mich nicht freimachen . . . Wenn ich ihn<br />

auch nur für kurze Zeit kannte, so verblieb mir doch der Eindruck <strong>von</strong> seiner Aufrichtigkeit und<br />

G üte.“ (Brief an den Autor).<br />

29 W ebern meint das A m ar-Quarteft, dem Hindemith als Bratscher angehörte.<br />

30 Für Schönberg und W ebern war es eine einzigartige Gelegenheit, gemeinsam an der<br />

repräsentativen Veranstaltung teilzunehmen, zu der sich so viele prominente Musiker<br />

einfanden. Ein während des Fests aufgenommenes Foto zeigt die beiden Komponisten, flankiert<br />

<strong>von</strong> O tto Klemperer und Hermann Scherchen.<br />

31 Das Menü dieses Soupers, versehen mit den Unterschriften Schönbergs, Bergs, <strong>Webern</strong>s und<br />

anderer Teilnehmer ist erhalten. WA.<br />

32 In Arnold Schönberg zum fünfzigsten Geburtstage, 13. Sept. 1924, S. 272.<br />

16. Opus 12-16 - Unvollendete Projekte - Bearbeitungen (1914—1924).<br />

S. 238-254<br />

1 Unveröffentlichter Brief Bergs an W ebern, undatiert (August 1912).<br />

2 Das Buch der hängenden Gärten op. 15.<br />

3 D er expressionistische Dichter Georg Trakl (1887-1914) veröffentlichte seinen ersten<br />

G edichtband im Jahr 1913, kurz vor seinem frühen Tode zu Beginn des 1. Weltkriegs. Trakl, der<br />

heute als Österreichs bedeutendster Elegiker gilt, verleiht seinen Klagegesängen über die<br />

Gegenwart einen versöhnlichen Aspekt durch die Beschwörung des Goldenen Zeitalters einer<br />

pastoralen Vergangenheit. Die Intensität der Verse Trakls, die das persönliche Schicksal des<br />

Dichters reflektieren, war wie geschaffen, bei W ebern einen Widerhall zu finden, und er war<br />

wahrscheinlich der erste, der Gedichte <strong>von</strong> ihm vertonte.<br />

4 D er in Particell vorliegende Entwurf zu diesem Lied trägt das D atum 4. Juni 1917, aber <strong>Webern</strong><br />

hatte zweifellos den 4. Juli gemeint.<br />

606


5 Es handelt sich hier um denselben Brief, in dem W ebern, noch unter dem frischen Erlebnis einer<br />

Besteigung des Hochschwabs, Berg erklärte, daß seine Leidenschaft für die Berge metaphysische<br />

Hintergründe habe (vgl. 14. Kapitel).<br />

6 Ein Blatt, das den Schluß <strong>von</strong> Abendland II und den Anfang <strong>von</strong> Abendland III enthält, fehlt.<br />

7 Im November 1938 schrieb W ebern in diesen Klavierauszug eine Widmung zum Abschied <strong>von</strong><br />

Hugo Winter. Winter, der nach mehr als 25 Dienstjahren bei der Universal Edition zur Position<br />

eines Geschäftsführers aufgestiegen war, wurde durch das Nazi-Regime seines Postens<br />

enthoben. E r wurde daraufhin Vizepräsident der Associated Music Publishers, Inc., in New<br />

York. Es ist durchaus vorstellbar, daß W ebern hoffte, daß der Klavierauszug im Ausland verlegt<br />

werden könnte wie sein Streichquartett op. 28, nachdem die Universal Edition sich einem<br />

K ulturdiktat unterwerfen mußte, das seine Musik als „entartete Kunst“ klassifizierte.<br />

8 A nton <strong>Webern</strong> Briefe an Hildegard Jone und <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>. Alle weiteren Zitate entstammen<br />

derselben Quelle.<br />

9 Fragment eines undatierten Briefes.<br />

10 Die Skizzen zu diesem Lied sind <strong>von</strong> besonderer Bedeutung, da sie einen Plan der verwendeten<br />

Zwölftonreihe enthalten nebst ihrer Umkehrung, Krebs und Umkehrung des Krebses (vgl. 18.<br />

Kapitel).<br />

11 Eines dieser Exemplare wurde Hildegard Jone am 25. Juni 1929 gewidmet. WA.<br />

12 Die Jury bestand aus Eric Delamarter, Carl Engel, Edward Burlingame Hill, Albert Stoessel und<br />

Augustus Stephen Vogt.<br />

13 Ein Exemplar der Druckausgabe, das W ebern Willi Reich schenkte, enthält die deutschen<br />

Ü bersetzungen der Texte in der Handschrift des Komponisten. WA.<br />

14 Als der Komponist Daniel Ruyneman eine Konzertreihe zeitgenössischer Musik vorbereitete,<br />

die Anfang 1930 in Amsterdam stattfinden sollte, schlug er W ebern Aufführungen der Fünf<br />

Canons op. 16 und der Zwei Lieder op. 19 vor. W ebern wies dieses Vorhaben zurück mit der<br />

Begründung, diese W erke wären viel zu schwierig, um ohne „viele, viele Proben“ unter seiner<br />

persönlichen Aufsicht realisiert zu werden, und daß der Boden für ein echtes Verständnis seiner<br />

Musik in den Niederlanden zunächst einmal besser vorbereitet werden müsse. Für diesen Zweck<br />

schlug er eine Auswahl aus seinen Liederzyklen Opus 3, 4 und 12 vor. (Paul Op de Coul:<br />

„Unveröffentlichte Briefe <strong>von</strong> Alban Berg und A nton W ebern an Daniel Ruynernan“).<br />

15 Für Einzelheiten zu diesen Bearbeitungen vgl. 5. Kapitel (Opus 1), 7. Kapitel (Opus 6 ) und 12.<br />

Kapitel (Opus 10).<br />

16 Die gedruckte Partitur <strong>von</strong> Die Glückliche Hand, die Schönberg W ebern zu W eihnachten 1921<br />

schenkte, ist erhalten geblieben. In einer umfangreichen und launigen Widmung drückte<br />

Schönberg unter Anspielung auf den Titel des Werkes die Überzeugung aus, daß für Menschen<br />

wie W ebern und ihn selbst das Glück auf einer einzigen Fingerspitze Platz finden könne. WA.<br />

17. Wachsender Erfolg (1925-<strong>1928</strong>). S. 255-276<br />

1 Solist der Uraufführung war W alter Berry.<br />

2 Die A nekdote wurde dem Verfasser <strong>von</strong> Doris Brebm-Diez erzählt.<br />

3 Erinnerungen <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> Hueber. Typescript. WA. Die später folgenden Zitate stammen aus der<br />

gleichen Quelle.<br />

4 W eberns Briefe an Guido A dler befinden sich in der Guido Adler Collection der Universität <strong>von</strong><br />

Georgia, Athens, Georgia.<br />

5 Erinnerungen <strong>von</strong> Kurt Manschinger. Typescript. WA. Die später folgenden Zitate stammen<br />

aus der gleichen Quelle.<br />

6 Die Professur war verbunden mit dem Stimmrecht im Senat der Akademie, wo Schönberg den<br />

seit Busonis Tod im V orjahr verwaisten Sitz einnahm.<br />

7 Nach Beendigung ihrer Ausbildung am Institut kehrte D onna Zincover in ihre V aterstadt<br />

zurück und konnte 1939 bei Kriegsausbruch untertauchen. Sie überlebte die Schrecken, die den<br />

Bewohnern des Gettos zugefügt worden waren und emigrierte 1949 nach New York. D ort fand<br />

607


Donna Zincover, eine sensible und hochintelligente Frau, eine Anstellung als Korrektorin am<br />

Hebrew Braille Institute. 1963 überm ittelte sie dem A utor ihre Erinnerungen an W ebern.<br />

8 Erinnerungen <strong>von</strong> K. H. Lehrigstein (eigentlicher Name Klapper). Typescript. WA.<br />

9 Bei der zweiten Aufführung wurde das 200. Arbeitersym phoniekonzert mit Ansprachen des<br />

Präsidenten der Bundesrepublik Österreich und des Oberbürgermeisters der Stadt Wien<br />

offiziell gefeiert. Vor ihren Reden dirigierte W ebern die Fanfare <strong>von</strong> Richard Strauss für<br />

Blechbläser und Pauken. Mahlers Achte Symphonie folgte auf den offiziellen Akt.<br />

10 M aria G erhart, Karl Ettl, O skar Eisenberg, Sylvia Feiler, Emilie Bittner, M ax Klein und Yella<br />

Schmeidl-Braun.<br />

11 Brief an den A utor, 29. September 1972.<br />

12 Es konnte nicht ausbleiben, daß das in strenger Zwölftontechnik in den Jahren 1923/24<br />

komponierte Q uintett wegen seines noch völlig ungewohnten Idioms provokativ wirkte.<br />

13 Brief an den Autor, 4. August 1964.<br />

14 Erinnerungen <strong>von</strong> Ruzena Herlinger. Manuskript. WA.<br />

15 Abgedruckt in „Blätter aus Ö sterreich“, Der Turm. Monatsschrift für österreichische Kultur,<br />

l.Jg . Wien 1945/46, Heft 12.<br />

16 Bergs Wozzeck, eine expressionistische O per im atonalen Idiom, erlebte am 14. Dezember 1925<br />

ihre sensationelle Uraufführung. Nach nicht weniger als 137 Proben ging sie an der Berliner<br />

Staatsoper unter der Leitung <strong>von</strong> Erich Kleiber über die Bühne. Trotz der Kontroverse, die das<br />

W erk anfänglich umgab, stellte es in der Geschichte der O per einen gewaltigen Schritt nach<br />

vorne dar. Es erzielte einen Durchbruch bei der Verwendung der A tonalität auf der Bühne und<br />

machte somit die „Neue W iener Schule“ dem internationalen Publikum in der ganzen Welt<br />

schmackhaft. W ebern, der aus Geldmangel bei der Premiere nicht zugegen sein konnte, hatte<br />

Berg am 6 . D ezember 1925 geschrieben, daß er die Partitur kürzlich wieder einmal<br />

durchgesehen und dabei solche „Erschütterungen“ mitgemacht habe, daß er sich Sorge machte,<br />

wie er „eine Aufführung überstehn könnte“ . E r bekannte: „Je älter ich werde, um so größer<br />

wird meine Empfindsamkeit. Oft kann ich mich ihrer gar nicht mehr erw ehren.“<br />

17 Die Gründlichkeit seiner Vorbereitung gibt sich auch in seiner Dirigierpartitur zu erkennen, die<br />

übersät ist mit roten, grünen, blauen und schwarzen Bleistifteinzeichnungen. WA.<br />

18 Schönbergs M onatshonorar zu dieser Zeit waren 150 Mark für eine und 250 Mark für zwei<br />

Wochenstunden. Diese Bedingungen wurden in einem Brief <strong>von</strong> Beaulieu sur Mer vom<br />

10. Februar 1925 an den Vater <strong>von</strong> Julius Schloss genannt (letzterer wurde später ein Schüler<br />

Bergs). D er Brief befindet sich in der Schönberg-Abteilung der M oldenhauer-Archive.<br />

19 Die Partitur wurde <strong>von</strong> W ebern benützt, als er das Werk später in London dirigierte, und enthält<br />

seine Einzeichnungen in Buntstift. WA.<br />

20 Das Ereignis trug den Namen „Republik-Feier“ zum Gedenken des 10. Jahrestages der<br />

Revolution vom November 1918.<br />

21 D er Brief ist wiedergegeben in die Reihe 2, S. 26-27. Das Original befindet sich im WA.<br />

18. Zwölftontechnik - Opus 17—21 —Andere W erke..Liszt-Bearbeitung<br />

(1924-<strong>1928</strong>). S. 277-298<br />

1 O tto W agner (1841-1918) wurde zunächst viel wegen seiner modernistischen Ansichten<br />

angegriffen. Später jedoch übte er einen weitreichenden Einfluß aus und gilt heute allgemein als<br />

ein Begründer und Vorkämpfer der modernen Richtung der Architektur in Europa.<br />

2 Über die Klangfarbe (1919), Vom Wesen des Musikalischen (1920), Deutung des Melos (1923),<br />

Vom Melos zur Pauke (1925), Zwölftontechnik (1926).<br />

3 D er Brief befindet sich in der Hauer-A bteilung der M oldenhauer-Archive.<br />

4 Arnold Schöhberg Briefe, S. 109.<br />

5 Die betreffenden Skizzen finden sich auf der Rückseite des Entwurfs <strong>von</strong> Morgenlied, op. 15 Nr.<br />

2, komponiert am 22. Juli 1922.<br />

6 Dem kleinen Stück, das für mehr als vier Jahrzehnte in Vergessenheit geraten war, war eine<br />

608


Wiedererweckung ohnegleichen auf dem ruhmreichen Podium der Philharmonie Hall in New<br />

York City beschieden. D er A nlaß war ein Igor-Strawinsky-Festival, das <strong>von</strong> der New York<br />

Philharmonie Society organisiert wurde und dessen Programm der so geehrte Komponist selbst<br />

zusammenstellte. In dem Konzert vom 22. Juli 1966 wurde die Erstaufführung des Kinderstücks<br />

passenderweise einer neunjährigen Pianistin, Caren Glasser, anvertraut, einer Stipendiatin an<br />

der Juilliard School of Music. D er Kritiker der New Y ork Times, Howard Klein, der sich sonst<br />

dem Konzertprogramm gegenüber negativ äußerte (es enthielt W erke <strong>von</strong> Babbitt, Boulez,<br />

Carter, Foss, Strawinsky und Varese), nahm das Kinderstück aus als den „einzigen M oment <strong>von</strong><br />

W ärm e“ . Seinem Bericht zufolge (New York Times, 23. Juli 1966) „pickte“ die jugendliche<br />

Interpretin „ihren Weg durch das eine M inute und vierzig Sekunden lange Klaviersolo wie eine<br />

fertige kleine Musikerin“ . Sie erhielt eine Ovation und entzückte ihre Zuhörer, gleichzeitig als<br />

Kompliment für Strawinsky, der im Saal anwesend war, mit einem kurzen Arrangem ent der<br />

Trompetenmelodie aus Petruschka. D er Kritiker kommentierte die beiden W ebern-W erke, die<br />

zur Aufführung kamen - das zweite war das Streichtrio op. posth. (1925) - wie folgt: „Es<br />

dauerte länger, das Podium für seine Stücke herzurichten, als sie zu spielen. Doch W ebern, einer<br />

der wahren E rneuerer des Jahrhunderts, macht in diesem delikaten Pointilismus dank seiner<br />

komprimierten Zeitabläufe eine gute Figur. In der kurzen Zeit, die er der gesamten Entwicklung<br />

seines Materials zubilligt, überkom m t einen nicht der leiseste Zweifel an der Unvermeidbarkeit<br />

dessen, was noch kommt. Und wenn es endet, dann gibt es auch darüber keinen Zweifel.“ Wenig<br />

später, im Jahr 1967, bot sich mit der Veröffentlichung des Kinderstücks durch Carl Fischer,<br />

Inc., New York zum ersten Mal auch jungen Interpreten die Möglichkeit, an W eberns Musik<br />

aktiv teilzuhaben.<br />

7 D er fehlende Takt wurde in einer <strong>von</strong> Wallace McKenzie besorgten Ausgabe realisiert.<br />

8 Diese fünf Skizzenbücher befinden sich im W ebern-Archiv. Das erste Skizzenbuch, einstmals im<br />

Besitz der Universal Edition, Wien, ist jetzt in der R obert Owen Lehman Collection der<br />

Pierpont Morgan Library in New York. Diese Sammlung verwahrt auch die meisten Werlte<br />

W eberns in Reinschriften des Komponisten, die er als Stichvorlagen anfertigte.<br />

9 Zusammen mit Mitgliedern des österreichischen Kreises, wie Schönberg, Berg, Krenek und<br />

Zemlinsky, war auch die internationale Bruderschaft schaffender Musiker vertreten, darunter<br />

Casella, Janäcek, Kodäly, Malipiero, Milhaud, Respighi und Szymanowski. Das Geschenkalbum<br />

wurde später auseinandergenommen. Einige M anuskripte, unter ihnen die <strong>von</strong> W ebern,<br />

Berg und Schönberg, wurden einzeln verkauft. Die restlichen 49 Manuskriptproben wurden arn<br />

23./24. Mai 1967 durch J. A. Stargardt, Marburg, versteigert.<br />

10 <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> '<strong>Webern</strong>: Sketches (1926-1945), kommentiert <strong>von</strong> Ernst Krenek mit einem Vorwort<br />

<strong>von</strong> Hans M oldenhauer (1968). Dieser Band enthält Faksimilereproduktionen <strong>von</strong> Material ans<br />

den Skizzenbüchern II, III und VI, das bis dahin unbekannt gewesen war: Projekte, die nie zu<br />

Ende geführt wurden (wie A u f Bergen, in der reinsten Höhe), fallengelassene Sätze, die<br />

ursprünglich dazu gedacht waren, bekannte Kompositionen zu erweitern, sowie erste Konzepte,<br />

die später in anderen W erken Verwendung fanden als denen, für die sie anfänglich bestimmt<br />

waren. Das Buch, das in Form at und Aussehen den originalen Skizzenbüchern gleicht, enthält<br />

47 Reproduktionen.<br />

11 Eine in Tinte geschriebene Partitur der beiden vollendeten Sätze, in der W ebern noch viele<br />

Änderungen vornahm, machte der Komponist 1939 David <strong>Josef</strong> Bach zum Geschenk und<br />

befindet sich jetzt in einer Privatsammlung in Basel.<br />

12 Eine Faksimilereproduktion findet sich in <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches (1926-1945),<br />

Abbildungen 4-8.<br />

13 Der Weg zur Neuen Musik, S. 60.<br />

14 Dr. Hermann Springer, Vorstandsmitglied der IGNM und Vorsitzender des Verbandes<br />

Deutscher Musikkritiker.<br />

15 Reproduziert in A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches (1926-1945), Abbildungen 9-11.<br />

16 Smallens, in St. Petersburg geboren, war zu dieser Zeit zweiter Dirigent des Philadelphia<br />

Orchestra, das unter Stokowski <strong>Webern</strong>s Passacaglia bereits in Amerika vorgestellt hatte. Am<br />

Tag nach der Premiere <strong>von</strong> W eberns Opus 21 erklärte der Kritiker der New York Times, Olm<br />

609


Downes: „Die Symphonie ist eines dieser wispernden, glucksenden, blutleeren Stücke, die<br />

W ebern komponiert, wenn er an winzigen und unergiebigen Einfällen heruinschnippelt, bis ihm<br />

die Perfektion des Überflüssigen gelungen ist und er genaugenommen nichts geschrieben hat.<br />

,D er letztendliche Sinn des Nichts“- das wäre die angebrachte Bezeichnung für dieses Stück. Es<br />

ging im Lachen des Publikums unter, und dieses Gelächter erstarb auch nicht, da <strong>Webern</strong>s<br />

kleines Orchester an nichts so sehr erinnerte wie an eine Katze, die mit krummem Buckel,<br />

funkelnden Augen und gesträubtem Fell miaute, knurrte oder fauchte.“ Downes revidierte<br />

seine negative Einschätzung <strong>von</strong> W eberns Musik auch in späteren Jahren nicht. Nach einer<br />

Aufführung des Streichquartetts op. 28 schrieb er am 22. Mai 1941 in der New York Times, das<br />

W erk sei „eine Ausgeburt des Toten Meeres und Musik auf einem toten Geleise . . . Die<br />

Fenster waren zu, weil, wie man vernahm, die delikate Musik <strong>Webern</strong>s nicht zu hören wäre,<br />

wenn sie offen blieben. Die frische Luft oder das ungeschlachte Ungestüm der W elt bekommen<br />

dieser Musik nicht. Denn sie ist die letzte Konsequenz einer methodischen und wohlerwogenen<br />

Auflösung. . . . Nimmt es W under, daß die Kultur, der sie entstammt, gerade jetzt in Flammen<br />

aufgeht?“ .<br />

17 Der Weg zur Neuen Musik, S. 56.<br />

18 ebd., S. 56.<br />

19 ebd., S. 60<br />

20 W ebern an Berg, 5. Juni 1929.<br />

21 Die Geschichte des Werks und die Quelle, die W ebern seiner Transkription zugrunde legte, sind<br />

in Dunkel gehüllt. Die W iener Stadtbibliothek verwahrt ein lOseitiges M anuskript <strong>von</strong> Liszts<br />

Hand, in dem nur die erste Strophe auskom poniert ist; im weiteren Verlauf ist die Musik nur<br />

flüchtig skizziert. In einem umfangreichen Vorwort zu der 1954 erfolgten Veröffentlichung des<br />

W erks durch Zenemükiado Vällalat, Budapest, schreibt Denes Bartha, daß seines Wissens kein<br />

gedrucktes Exemplar der originalen Komposition <strong>von</strong> Liszt existiert. Abgesehen <strong>von</strong> dem<br />

W iener M anuskript wird noch ein nachweisliches Quellenmaterial im Liszt-Museum in Weimar<br />

verwahrt. Es sind dies die Korrekturabzüge, die Liszts handschriftliche Eintragungen enthalten.<br />

Titel und Daturn fehlen, doch schrieb Liszt in einem Begleitbrief zu den Abzügen an seinen<br />

Verleger: „D a die Zeitumstände einen ganz abnorm en Commentar zur Arbeiter-Frage liefern,<br />

so könnte es zweckmäßiger erscheinen, die Publication dieses A rbeiter Chor’s aufzuschieben.<br />

D arüber gebe ich Ihnen die Entscheidung anheim .“ Das Schreiben könnte möglicherweise eine<br />

Erklärung dafür sein, daß das Werk seinerzeit nicht herausgegeben wurde. D er Liszt-Biograph<br />

Peter Raabe verlegt seine Entstehung in die Zeit vor 1848. Zweifellos war Liszt <strong>von</strong> den politisch<br />

turbulenten Zeiten inspiriert, die ein gewaltiges Anschwellen des sozialen Bewußtseins der<br />

Arbeiterklasse erlebten. D er A utor des Gedichts ist unbekannt; Bartha unterstellt, daß der<br />

D ichter einer <strong>von</strong> Liszts Bekannten in W eimar gewesen sein könnte.<br />

22 D er Singverein führte den Arbeiterchor mehrfach unter W ebern auf, aber nach seiner Auflösung<br />

im Jahr 1934 gingen die Orchesterstimmen verloren. Möglicherweise wurden sie noch zu einer<br />

Aufführung in Budapest am 11. Dezember 1932 verwendet, die Denes Bartha registriert hat; es<br />

war ein „Jubiläum skonzert“ des ungarischen Arbeiterchors. Das Manuskript <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Partitur, das der Verfasser erst 1968 wiederentdeckt hat, ist noch unveröffentlicht. A ußer dieser<br />

Partitur existieren eine Lithographie des Klavierauszugs mit Bleistifteinzeichnungen <strong>Webern</strong>s<br />

und ein Satz Vokalstimmen. WA.<br />

19. Internationale Anerkennung - Hildegard Jone (1929). S. 299-310<br />

1 Bezeichnenderweise pflegte W ebern derartige informelle Beiträge mit derselben Sorgfalt<br />

vorzubereiten wie wichtige professionelle Auftritte. Typisch hierfür ist der Vorschlag, den er<br />

<strong>Josef</strong> Hueber in seinem Brief vom 7. D ezember 1927 machte: „H ätten Sie Lust u. Zeit, Samstag,<br />

d. 17. D ezember abends in Mödling bei der Jul-Feier des Alpenvereins mit mir ein paar Lieder<br />

zu singen? W enn ja, schlage ich vor etwa 3 o. 4; u. zwar Wolf u. Schubert. Von Wolf möchte ich<br />

die Christblume I (aus den Mörikeliedern) machen. Die müßte Ihnen ausgezeichnet liegen. Es ist<br />

610


ziemlich lang. Etwa dann noch einen Wolf u. einen Schubert: oder nur Wolf. Es würde mich sehr<br />

freuen, mit Ihnen diese Christblume zu machen. D er Anlass ist sehr schön u. passend. Das Lied<br />

vielleicht das schönste, das Wolf geschrieben. Geben Sie mir bald Nachricht. Wir müßten nur<br />

auch entsprechend probieren können.“<br />

2 Das belegen die zahlreichen Einzeichnungen, die W ebern in seinen Studierpartituren vornahm,<br />

<strong>von</strong> denen mehrere erhalten sind. D arunter befinden sich die W erke <strong>von</strong> Wolf und Mozart, die<br />

an jenem 22. O ktober im Rundfunkkonzert aufgeführt wurden. WA.<br />

3 Später als Drei Volksliedsätze veröffentlicht.<br />

4 Ausfallen mußte Es gingen zwei Gespielen gut, ein Lied aus dem 15. Jahrhundert. Reinschriften<br />

aller drei Chöre <strong>von</strong> W eberns H and sind erhalten. WA. Diejenigen, die zur Aufführung<br />

gelangten, weisen seine Einzeichnungen für Phrasierung und dynamische Schattierungen auf.<br />

5 Hanns Eisler (1898-1962), ein Schüler Schönbergs, identifizierte sich zeitlebens mit der Politik<br />

der Linken. Sogar nachdem er 1933 in die Vereinigten Staaten ausgewandert war, wo er <strong>von</strong><br />

1942 bis 1947 als musikalischer Berater Charlie Chaplins fungierte, führten seine radikalen<br />

Ansichten dazu, daß er schließlich unter die Bestimmungen der „freiwilligen D eportation“ fiel.<br />

E r lebte dann in Wien lind ab 1950 in Ost-Berlin. M ehrere seiner Arbeiterchöre und solche für<br />

die R ote A rm ee sind in der Sowjetunion populär geworden.<br />

6 Reproduziert in Faksimile im Tagebuch, Wien 1957.<br />

7 Theodor W iesengrund-Adorno (1903-1969) studierte bei Bernhard Sekles in Frankfurt und bei<br />

Alban Berg in Wien, war dann in seiner G eburtsstadt Frankfurt als Musikkritiker tätig und als<br />

Dozent an der Universität. Nachdem er die Jahre 1934-1950 in den Vereinigten Staaten<br />

verbracht hatte, kehrte er an die Universität Frankfurt zurück, wo er Ordinarius für Philosphie<br />

wurde. Seit seinem A ufenthalt in Amerika nannte er sich Theodor W. Adorno.<br />

8 Dr. Seligmann war ein ausgezeichneter Amateurgeiger und glühender Kammermusikenthusiast.<br />

Einer seiner vier Söhne war Schönberg-Schüler und wurde später Dirigent. U nter dem<br />

Druck des Nazi-Regimes wanderte die Familie später in die Vereinigten Staaten aus.<br />

9 Die Begebenheit veranschaulicht den zutiefst verankerten Stolz, der W ebern daran hinderte,<br />

sich vor irgend jem andem zu beugen außer seinem Idol A rnold Schönberg. Julius Schloss,<br />

jahrelanger Schüler und Assistent Alban Bergs, war Zeuge einer anderen Episode, die dies<br />

belegt: „Nach einem Konzert fragte Berg plötzlich: ,Wo ist eigentlich W ebern? Wir wollen alle<br />

noch ins Cafe gehen; rennen’s zur Stadtbahn und bringen’s ihn mit ins Cafe.“ Ich rannte zur<br />

Stadtbahn und sah W ebern, als er gerade hinuntergehen wollte. A ußer Atem stieß ich hervor:<br />

,H err D oktor, Berg hat mich geschickt und gesagt, ich solle Sie mit ins Cafe bringen.“Woraufhin<br />

W ebern eisig kalt sagte: ,M ich bringt niemand mit“, drehte sich um, und ging die Treppe zur<br />

Stadtbahn hinunter.“ (Mitteilung <strong>von</strong> Schloss an den Autor)<br />

10 Edward Clark (1888-1962), Schüler Schönbergs, den W ebern <strong>von</strong> seinen frühen Berliner<br />

Tagen her kannte, war zu einer leitenden Position in der British Broadcasting Corporation<br />

aufgestiegen. E r war es, der zu W ebern K ontakt aufgenommen und seine Reise in die britische<br />

H auptstadt in die Wege geleitet hatte.<br />

11 Am selben Tag fand die Uraufführung <strong>von</strong> W eberns Symphonie op. 21 in New York statt.<br />

12 Hagen war der Besitzer eines Gasthauses, das ein Künstlertreffpunkt war; daher der Name<br />

„Plagenbund“.<br />

13 Im Jahre 1945, am Ende des Zweiten Weltkriegs, barg Herm ine <strong>von</strong> W ebern, die<br />

Schwiegertochter des Komponisten, diese Büste wie auch die <strong>von</strong> M ahler aus den Trümmern<br />

<strong>von</strong> W eberns W ohnung und verwahrte sie auf dem Dachboden ihres Elternhauses in<br />

Perchtoldsdorf. Sie wurde erst 1965 vorn Verfasser wiederentdeckt. Die Büste (wie die <strong>von</strong><br />

Mahler) befindet sich jetzt im W ebern-Archiv. Eine Abbildung <strong>von</strong> ihr erschien auf dem<br />

Umschlag der Londoner Zeitschrift Musical Times vom Februar 1968 zusammen mit einer<br />

Schilderung der folgenreichen W iederauffindung <strong>von</strong> M anuskripten, die durch die Suche nach<br />

der Büste ausgelöst wurde.<br />

14 D er Bronzekopf W eberns wurde im Historischen Museum der Stadt Wien aufgestellt, wo er<br />

neben der Büste <strong>von</strong> Gustav M ahler <strong>von</strong> Auguste Rodin und der Hugo Wolfs <strong>von</strong> Franz Seifert<br />

zu sehen ist. Das Terrakottaoriginal war bei der Witwe des Bildhauers, Hildegard Jone, in ihrem<br />

611


Heim in Purkersdorf bis ein paar M onate vor ihrem Tod verblieben, als sie es dem Verfasser<br />

zusammen mit einer Anzahl anderer Kunstwerke übergab. D arunter befanden sich ihr großes<br />

Ölgemälde <strong>Webern</strong> in der Haustüre stehend, wenige Augenblicke vor seinem gewaltsamen Ende<br />

(1945), Ölporträts <strong>von</strong> Schönberg und Berg, Zeichnungen <strong>von</strong> W ebern, Schönberg, Berg, ihrem<br />

Mann und <strong>von</strong> sich selbst, <strong>Humplik</strong>s preisgekröntes Modell der Schönberg-Medaille (die vom<br />

Schönberg-Kuratorium hervorragenden Musikern verliehen wird) und eine Porträtbüste seiner<br />

Frau. Die letztere, ein Meisterwerk der Bildhauerei, ist in Bronze gegossen und auf einem Stück<br />

antiker griechischer Säule montiert. In strengem klassischen Stil gehalten, atmet die<br />

Nachbildung die ganze Anmut, Schönheit und H eiterkeit des Modells.<br />

15 Humpiik wurde am 17. A ugust 1888 in W ien geboren und starb dort am 5. April 1958. Zu den<br />

Galerien, in denen seine Plastiken perm anent Aufstellung gefunden haben, gehören die<br />

Österreichische Staatsgalerie, das Belvedere und das Historische Museum der Stadt Wien. Im<br />

letztgenannten steht Der Läufer, <strong>Humplik</strong>s preisgekrönte Schöpfung für die Kunst-Olympiade<br />

des Jahres 1936 in Berlin. Die österreichische Staatsregierung ehrte ihn 1937 mit dem Titel<br />

Professor, nachdem ihm schon vorher mehrere Staatspreise zuerkannt worden waren.<br />

16 Sie wurde am 1. Juni 1891 in der serbischen Stadt Sarajevo geboren (der Stadt, die durch die<br />

Ereignisse, die den Ersten W eltkrieg auslösten, Berühmtheit erlangte) und starb in Purkersdorf<br />

am 28. August 1963.<br />

17 Eine Anzahl <strong>von</strong> Gedichten wurde in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt. Das Bändchen<br />

Selige Augen (1938) erschien in der Reihe Zeugen des Wortes. Eine umfangreichere Sammlung<br />

ihrer Gedichte wurde 1948 unter dem Titel Anima, Gedichte des Gottesjahres veröffentlicht. Ihr<br />

immenser literarischer Nachlaß <strong>von</strong> M anuskripten, die sich alle durch ihre anmutigen<br />

Schriftzüge auszeichnen, wird in den Moldenhauer-Archiven aufbewahrt, wo er eine sinnvolle<br />

Ergänzung zum W ebern-Archiv darstellt. Die Archive beherbergen auch ihre zahlreichen<br />

A ndenken an <strong>Webern</strong>. U nter ihnen sind Manuskripte und Druckausgaben <strong>von</strong> Kompositionen<br />

mit persönlichen Widmungen des Komponisten; <strong>von</strong> W ebern verfertigte Reinschriften aller<br />

Gedichte <strong>von</strong> Hildegard Jone, die er vertont hatte; ihr Manuskript <strong>von</strong> „Stellen, die <strong>Anton</strong><br />

W ebern aus der Farbenlehre Goethes abgeschrieben hat“ ; „V ertonte V erse“, ihre Auszüge aus<br />

W eberns Briefen, die für Polnauers Edition bestimmt waren; ihr Belegexemplar der<br />

veröffentlichten Korrespondenz, in das sie einen unveröffentlichten Brief vom 7. Juli 1927<br />

einklebte, in dem ihr W ebern für ein Gemälde dankte, das sie ihm geschenkt hatte, sowie eine<br />

M appe mit Zeitungsartikeln, die mit W ebern zu tun hatten.<br />

18 A nton <strong>Webern</strong> Briefe an Hildegard Jone und <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>, herausgegeben <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> Polnauer.<br />

19 Als W ebern ihr im Sommer 1927 ein Exemplar der gedruckten Partitur seiner Sechs Bagatellen<br />

op. 9 überreichte, versah er sie mit folgender Widmung: „Sehr verehrte Frau Jone, ich weiß gar<br />

nicht, ob Sie Noten lesen können; aber wenn nicht, vielleicht verrät Ihnen das ,Bild‘, das diese<br />

ergeben im Verein mit den ihnen <strong>von</strong> Schönberg vorangeschickten Worten etwas <strong>von</strong> dem, was<br />

sie enthalten. Das würde sehr freuen Ihren Ihnen sehr ergebenen A. W ebern.“ Zwei winzige<br />

N otizblätter fanden sich in Hildegard Jones Exemplar der Druckausgabe <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Briefen.<br />

Auf dem einen hatte er für sie ein paar Grundbegriffe der musikalischen Notation<br />

herausgeschrieben. Auf dem anderen hatte er im lateinischen wie auch im griechischen Wortlaut<br />

den Leitsatz „Harmonia est diversitas identitate compensata“ (Harmonie ist Verschiedenheit<br />

ausgeglichen durch Identität) zitiert, eine Variante des Prinzips allen künstlerischen Schaffens,<br />

der „Einheit durch V erschiedenheit“ .<br />

20. A rbeit und Familie (1930) S. 311 -3 2 2<br />

1 Es ist <strong>von</strong> Interesse, festzustellen, daß Schönberg drei M onate später auf Anregung Franz<br />

Schrekers an Alban Berg wegen eines Lehrauftrags für Komposition und die damit verbundenen<br />

Nebenfächer an der Hochschule herantrat. Aus der Berufung ist nichts geworden und nichts ist<br />

über eine ähnliche Initiative zugunsten W eberns bekannt.<br />

2 <strong>Webern</strong>s Freude vergrößerte sich noch durch die Anwesenheit <strong>von</strong> Hildegard Jone, die dem<br />

612


Ereignis erhöhte Denkwürdigkeit verlieh, indem sie ihn mit dem Geschenk ihres Ölgemäldes<br />

Winter überraschte. Bei einem späteren Konzert, am 14. D ezember des gleichen Jahres,<br />

schenkte sie ihm das Gegenstück des Gemäldes, Frühling.<br />

3 Hierzu zählt W ebern auf: August 1906 (Simonyhütte), August 1915 (Gutenberghaus), Juni<br />

1925 (Adamekhütte).<br />

4 Polnauer erzählt, daß Schönberg auf dem Anninger die Idee zu seinen Gurreliedern gekommen<br />

war, als er nach einer durchzechten Nacht mit seinen Freunden bei Tagesanbruch hinaufwanderte.<br />

5 Adolf Loos (1870-1933), der nachdrücklich die Forderung nach der reinen Form und die ihr<br />

entsprechenden M aterialien erhob, polemisierte mit Heftigkeit gegen überflüssige Ornamentik.<br />

Er übte einen starken Einfluß aus auf die Entwicklung des funktionellen Stils, in dem er seine<br />

bahnbrechenden Ideen verwirklichte. Frank Lloyd Wright schrieb ihm das Verdienst zu, für die<br />

europäische A rchitektur erreicht zu haben, was ihm selbst in den Vereinigten Staaten gelungen<br />

sei. Ein bekanntes Beispiel für den Stil <strong>von</strong> Loos ist das Bürohaus am M ichaelerplatz im Herzen<br />

Wiens, das 1910 erbaut wurde und lange Zeit Gegenstand heftiger Kontroverse unter der<br />

konservativen Bürgerschaft war. Zwei Bände Essays <strong>von</strong> Loos, betitelt Ins Leere gesprochen<br />

(1921) und Trotzdem (1931) stellen ein Kompendium seiner Ideen dar. Wie groß <strong>Webern</strong>s<br />

Verehrung für Loos war, geht daraus hervor, daß er bis an sein Lebensende ein Stückchen Papier<br />

verwahrte, auf das der A rchitekt seinen Namen geschrieben hatte. Das Gedenkstück trägt<br />

W eberns Identifikation. WA.<br />

6 A d o lf Loos Festschrift (W ien, Verlag Richard Länyi, 1930).<br />

1 Die Feier wurde als Ehrung für Karl Renner (1870-1950), den sozialistischen Staatsmann,<br />

veranstaltet, der nach der Revolution <strong>von</strong> 1918 an der Spitze der provisorischen Regierung<br />

stand und dann der erste Kanzler der Republik Österreich wurde. Im D ezember 1945 wurde<br />

Renner nach der Befreiung Österreichs <strong>von</strong> der Naziherrschaft zum Präsidenten gewählt.<br />

8 Die Partituren dieser zwei Lieder mit W eberns Einzeichnungen befinden sich im WA.<br />

9 Die Aufführung fand als Gastspiel der A achener O per unter der Schirmherrschaft der<br />

Wagnervereeniging statt, einer holländischen Gesellschaft, die sich nicht nur mit Aufführungen<br />

W agnerscher Musikdramen, sondern auch wichtiger O pern aller Epochen einen Namen machte.<br />

Sanders, der die Aufführung des Wozzeck in Aachen besucht hatte, war es zu verdanken, daß das<br />

W erk in Amsterdam gezeigt wurde. E r und der holländische Komponist Willem Pijper sahen die<br />

O per wieder in Wien, als sie unter Clemens Krauss anläßlich des 10. IGNM - Fests im Juni 1932<br />

aufgeführt wurde. Sanders berichtet später: „Willem Pijper und ich wurden <strong>von</strong> Alban Berg<br />

eingeladen, in seiner Loge bei der Aufführung <strong>von</strong> W ozzeck zu sitzen, der auch <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

beiwohnte. Beide nahmen uns nachher zum Heurigen mit. Unser Gespräch drehte sich um<br />

meinen Vorschlag eines W ebern- Konzerts in Amsterdam, aus dem sich schon eineinhalb Jahre<br />

später eine offizielle Einladung ergab. Ich lud W ebern ein, ein Konzert des Concertgebouworkest<br />

zu dirigieren, das unter unserer Schirmherrschaft für Juni 1934 geplant war, womöglich in<br />

Verbindung mit einem Rundfunkkonzert. Leider machte die politische Situation diese Pläne<br />

zunichte.“ (Brief an den Verfasser, datiert 18./19. Januar 1977)<br />

10 Auf dem Umschlag erschien eine Liste des Kuratoriums <strong>von</strong> New Music. Sie enthielt die Namen<br />

der Ö sterreicher Berg, Krenek, W ebern und Wellesz, doch der <strong>von</strong> Schönberg fehlte<br />

auffallenderweise. Im internationalen Verzeichnis prom inenter Persönlichkeiten erschienen<br />

Namen wie Bartök, Bloch, Casella, de Falla, Kodäly, Malipiero, Milhaud, Poulenc und Roussel.<br />

Die amerikanischen Pioniere unter den Komponisten waren vertreten mit John Becker, Aaron<br />

Copland, Charles Ives, Carl Ruggles, Edgar Varese und anderen. In wachsender Selbstbestätigung<br />

hatte das amerikanische Kontingent 1926 die Pan American Association of Composers<br />

gegründet. Diese Gruppe, ähnlich der League of Composers, propagierte mit Nachdruck<br />

zeitgenössische Musik auf wahrhaft internationaler Basis. New Music, <strong>von</strong> Henry Cowell ins<br />

Leben gerufen und herausgegeben, diente diesen Zielen. In den Moldenhauer-Archiven<br />

befindet sich ein undatierter Brief <strong>von</strong> Charles Ives an Adolph Weiss, in dem er anregt,<br />

Schönberg, Berg und W ebern als „H onorary European-A m ericans“ in den Ehrenvorstand der<br />

Panamerikanischen Gesellschaft aufzunehmen.<br />

613


Die erste Seite des Briefs <strong>von</strong> W ebern ist im Faksimile wiedergegeben in A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>:<br />

Perspectives, zusammengestellt <strong>von</strong> Hans M oldenhauer und herausgegeben <strong>von</strong> D em ar Irvine,<br />

S. 37. Alle Briefe <strong>von</strong> W ebern an Weiss sind vorhanden. WA. D er vollständige musikalische<br />

Nachlaß <strong>von</strong> Adolph Weiss einschließlich seiner Korrespondenz befindet sich in den<br />

M oldenhauer-Archiven.<br />

Amalie belegte vormedizinische Fächer, aber ein chronisches Nierenleiden unterbrach ihre<br />

Universitätslaufbahn. Die Informationen über W eberns Familienleben stammen weitgehend<br />

<strong>von</strong> ihren und Marias Mitteilungen.<br />

21. Ehrungen und Diffamierungen (1931).<br />

S. 323-336<br />

Erinnerungen <strong>von</strong> Hans Humpelstetter, Typescript. WA. W eitere Zitate entstammen derselben<br />

Quelle.<br />

Schönberg vollendete die Begleitungsmusik zu einer Lichtspielszene am 14. Februar 1930; sie<br />

wurde im selben Jahr unter O tto Klemperer in Berlin uraufgeführt. Das W erk beschreibt<br />

filmische Emotionen, wie aus den Untertiteln hervorgeht: Drohende Gefahr, Angst und<br />

Katastrophe.<br />

Die Melodie datiert aus der Zeit der Bauernkriege des 16. Jahrhunderts.<br />

Ein Exemplar dieser Platte wurde in den 60er Jahren im Gelegenheitsangebot eines Wiener<br />

Schallplattengeschäfts durch den Sohn <strong>von</strong> Rudolf Schopf, einem einstigen Mitglied des<br />

Singvereins, entdeckt. WA.<br />

<strong>Webern</strong> bestätigte diese Situation in seinen Briefen an David <strong>Josef</strong> Bach vom 26. Januar 1929<br />

und 18. Juni 1929. WA.<br />

In einem Brief an W ebern vom 12. September hatte Schönberg über den „Tanz um das goldene<br />

Kalb“ geschrieben, wobei er seine Vorstellungen über die szenische Realisierung im<br />

allgemeinen und über die Rolle des Tanzes im besonderen erläuterte. In ihm bezeichnete er die<br />

Regisseure als „neue Beherrscher der Theaterkunst“ und meinte vom Tanz, „seine,Schönheit1“<br />

sei ihm „in ihrer versteinerten Mechanik odios“ . E r sei nunmehr entschlösse)"), das „landesübliche<br />

Ballettgehüpfe“ durch ganz besondere choreographische Anweisungen zu ersetzen, die „ein<br />

anderes Ausdrucksgebiet betreten“ würden. A rnold Schönberg Briefe, S. 165.<br />

In seiner Spalte „In Berlin traf ein“ , die für die Prominenz reserviert war, nahm das Berliner<br />

Tageblatt (11. Dezember) <strong>von</strong> dem Besucher mit einer Porträtzeichnung und einer Kurzbiographie<br />

Notiz. W ebern verwahrte den Zeitungsausschnitt unter seinen Papieren. WA.<br />

22. Hietzing - Maria Enzersdorf - Vorträge - Konzerte —Krankheit (1932).<br />

S. 337-350<br />

Arnold Schönberg Briefe, S. 164.<br />

ebd. S. 158.<br />

Dr. Rudolf Ploderer, Rechtsanwalt und einer <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s engsten Freunden, zeichnete die<br />

Vorträge in Kurzschrift auf. D er ursprüngliche Plan, sie in Fortsetzungen in 23, einem<br />

Musikmagazin, das Willi Reich gehörte und auch <strong>von</strong> ihm herausgegeben wurde, zu<br />

veröffentlichen, ließ sich nicht verwirklichen. Reich emigrierte bei der M achtübernahme durch<br />

das Hitler-Regime in Österreich in die Schweiz. Erst Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs<br />

und <strong>Webern</strong>s Tod konnte er Dr. Ploderers Stenogramm unter seinen alten Papieren<br />

wiederauffinden. Auf seine Initiative hin veröffentlichte die Universal Edition 1960 die<br />

Vorträge (Der Weg zur neuen M usik). In seinem „N achwort“ steuert Reich einige Erinnerungen<br />

an seinen Privatunterricht bei W ebern bei sowie Auszüge aus den Briefen, die ihm <strong>Webern</strong><br />

zwischen 1938 und 1944 schrieb. WA.<br />

Arnold Schönberg Briefe, S. 169.


5 Das Konzert, das am 6 . Juni 1931 in der Salle Gaveau stattfand und <strong>von</strong> Nicolas Slonimsky<br />

dirigiert wurde, enthielt W erke <strong>von</strong> Cowell, Ives, Roldan, Ruggles und Weiss.<br />

6 Auszüge aus <strong>Webern</strong>s Briefen an G erhard (WA) wurden in The Score XXIV, Nov. 1958, S.<br />

36-41, veröffentlicht. R oberto G erhard (1896-1970) war zwar schweizer Abstammung und<br />

Nationalität, galt jedoch als bedeutender Exponent der katalanischen Musik. E r war Schüler <strong>von</strong><br />

Pedrell und Schönberg und wurde ein bekannter Komponist und Musikwissenschaftler. Der<br />

spanische Bürgerkrieg veranlaßte ihn, 1936 nach England zu emigrieren; er ließ sich in<br />

Cambridge nieder, wo er zum H onorary Fellow der Universität ernannt wurde.<br />

7 Am 27. D ezember 1931, nach seiner Rückkehr <strong>von</strong> der Berliner Sitzung der Jury der IGNM,<br />

hatte W ebern an G erhard geschrieben: „Ich glaube, daß es gut war, gerade dieses W erk <strong>von</strong><br />

Ihnen zu wählen. Denn es wird allgemein ansprechen . . . Mir gefallen alle die Arbeiten, die Sie<br />

mir schickten, gar sehr u. ich war entschlossen, dafür zu kämpfen. A ber diese Lieder finde ich<br />

besonders entzückend. Und da die anderen Juroren es auch fanden, so hielt ich es für das Beste,<br />

raschestens dafür eine Einigung zu erzielen.“<br />

8 Das Programm ist in die Reihe 2, Abbildung VIII, wiedergegeben.<br />

9 A rnold Schönberg Briefe, S. 180.<br />

10 ebd. S. 180.<br />

11 Professor Singer hatte <strong>von</strong> Ruzena Herlinger erfahren, daß <strong>Webern</strong> sich in finanziell schwierigen<br />

Verhältnissen befand, und daß es sein Stolz nicht zulassen würde, sich <strong>von</strong> ihr die Kosten<br />

bezahlen zu lassen. „Wien hat stets Ärzte gehabt, die als erstes Ärzte waren“ , berichtete Mme.<br />

Herlinger in ihren Erinnerungen. „Ein paar M onate später, als ich W ebern zufällig im Gebirge<br />

begegnete, erzählte er mir, was für ein großartiger A rzt Professor Singer sei und daß er keinen<br />

Groschen <strong>von</strong> ihm genommen habe.“<br />

12 Hans Rosbaud (1895-1962), gebürtiger Grazer, studierte am H och’schen Konservatorium in<br />

Frankfurt. Von 1923 bis 1930 war er D irektor der Städtischen Musikschule in Mainz. Seine<br />

Dirigentenlaufbahn führte ihn zu Engagements in Frankfurt, Münster, Straßburg, München und<br />

Baden-Baden, wo er 1948 Chefdirigent des Südwestfunks wurde. Zugleich war er Leiter des<br />

Tonhalle-Orchesters in Zürich, wo er für die erste szenische Aufführung <strong>von</strong> Schönbergs Moses<br />

und A ron im Jahr 1957 verantwortlich war, nachdem er die konzertante Uraufführung bereits<br />

1954 in Hamburg dirigiert hatte. Dem Musikfestival in Aix-en-Provenee gab er entscheidende<br />

Impulse. U nter seinen zahllosen Gastspielen waren regelmäßige Engagements der Chicago<br />

Symphony und der New Yorker Philharmoniker. Seine Stärke war die Interpretation <strong>von</strong><br />

M ozart-Opern ebenso wie die zeitgenössischer Musik, wobei er viele neue W erke <strong>von</strong><br />

Hindemith und Strawinsky bis zu Boulez und Penderecki vorstellte. Rosbauds gesamter<br />

musikalischer Nachlaß befindet sich in den M oldenhauer-Archiven.<br />

13 Das Haus wie auch das Anwesen sind so gut wie unverändert geblieben. Auf der<br />

gegenüberliegenden Seite der Straße steht die imposante Villa, die einst <strong>von</strong> dem bekannten<br />

österreichischen Dichter A nton Wildgans bewohnt wurde. Die herrlichen W älder grenzen noch<br />

immer an die Straße an, und das malerische Schloß Liechtenstein beherrscht die liebliche<br />

Landschaft wie schon vor Jahrhunderten. Am 15. März 1972 wurde während des 5.<br />

Internationalen <strong>Webern</strong>-Festivals am Haus eine Steintafel enthüllt. Sie wurde <strong>von</strong> der<br />

Internationalen W ebern-Gesellschaft gestiftet und erinnert daran, daß W ebern hier <strong>von</strong> 1932<br />

bis 1945 sein Heim hatte. W ährend des gleichen Festivals wurde auch eine Plakette an <strong>Webern</strong>s<br />

W iener Geburtshaus in der Löwengasse 53A angebracht.<br />

14 U nter Benützung des Schillerschen Klagegesangs komponierte Brahms das W erk 1880 als<br />

Geste des Trostes für die M utter seines Freundes, des Malers Anselm Feuerbach, der kurz zuvor<br />

gestorben war.<br />

15 Diese Aufnahme wurde 1978 in die 1. Folge der <strong>von</strong> Pierre Boulez geleiteten Gesamtaufnahme<br />

<strong>von</strong> W eberns W erken einbezogen.<br />

16 Das Essay wurde erstmals am 21. April 1932 als Rundfunkvortrag durch den Siidwestfunk<br />

Baden-Baden bekannt gemacht.<br />

615


23. Schönbergs Emigration — <strong>Webern</strong>s 50. Geburtstag (1933) S. 351-368<br />

1 Dieser Kulturchauvinismus blieb nicht auf Deutschland beschränkt. Am 31. Dezember desselben<br />

Jahres wurde in Mohill in Irland eine Anti-Jazz-Kundgebung veranstaltet mit Spruchbändern, auf<br />

denen es „Nieder mit Jazz und Götzentum .'“ hieß, und Sean M acEntee, der Finanzminister, wurde<br />

wegen seiner Toleranz gegenüber Jazzbands im staatseigenen Rundfunk angegriffen.<br />

2 Toscanini war bereits M ittelpunkt eines Vorfalls im faschistischen Italien gewesen. Am 14. Mai<br />

1931 hatte ihn ein politischer Fanatiker geohrfeigt, weil er sich weigerte, die faschistische<br />

Hymne, die Giovinezza, zu Beginn eines Konzerts in Bologna zu dirigieren. Vier Tage später<br />

nahm das Syndikat der Künstler und Musiker <strong>von</strong> Bologna eine Resolution an, in derToscaninis<br />

Ablehnung als „widersinnig und unpatriotisch“ verurteilt wurde.<br />

3 Die Präsidentschaft <strong>von</strong> Richard Strauss sollte nur bis zum 13. Juli 1935 dauern. Der 71jährige<br />

Strauss erklärte seinen Rücktritt aus Altersgründen, doch Gerüchte schrieben ihn dem Druck<br />

zu, dem er sich wegen seiner Zusammenarbeit mit Stefan Zweig ausgesetzt sah, dem Librettisten<br />

seiner jüngsten Oper Die schweigsame Frau, uraufgeführt am 24. Juni 1935 in Dresden.<br />

4 A rnold Schönberg Briefe, S. 186.<br />

5 Später veröffentlicht in Schönberg, Style and Idea.<br />

6 Der Weg zur neuen Musik, S. 2 0 -2 1.<br />

7 Alban Berg, dem W ebern den Brief zeigte, machte sich eine Abschrift, und das ist die Quelle, aus<br />

der Willi Reich in seiner Biographie Arnold Schönberg einen Auszug veröffentlichte<br />

(S. 242-244). Die Zitate aus Briefen Schönbergs an <strong>Webern</strong> in diesem und dem folgenden<br />

Kapitel stammen <strong>von</strong> einer Abschrift, die <strong>Josef</strong> Plueber <strong>von</strong> den Originalbriefen machte, die sich<br />

damals im Besitz seiner Schwester, Frau Bertha Riemerschrnid, befanden. Die Briefe wurden<br />

inzwischen <strong>von</strong> Ernst Hilmar unter dem Titel „A rnold Schönberg an A nton W ebern: Eine<br />

Auswahl unbekannter Briefe“ in Arnold. Schönberg Gedenkausstellung 1974 (Wien, Universal<br />

Edition, 1974), S. 44-67, veröffentlicht.<br />

8 A rnold Schönberg Briefe, S. 201.<br />

9 Ein Foto, das <strong>Webern</strong> bei der Probe mit den W iener Symphonikern für dieses Konzert zeigt,<br />

findet sich in die Reihe 2, Abb. 7. Eine weitere Aufnahme, die zur gleichen Zeit gemacht wurde,<br />

ist als Abb. 404 wiedergegeben.<br />

10 Adolf Loos wurde später in einem Ehrengrab der Stadt Wien auf dem Zentralfriedhof neben<br />

dem <strong>von</strong> Karl Kraus beigesetzt.<br />

11 Gordon Claycombe beschrieb dem Verfasser den letzten Abend in Ploderers Leben. Wie so oft,<br />

saßen Claycombe und Ploderer bis lange nach M itternacht im Cafe Museum. Ihr Gespräch<br />

drehte sich zunächst um Schönbergs Emigration und die düsteren Aussichten auf die Zukunft,<br />

gelangte dann bei Plato an und schließlich bei A ristoteles’ Nikomachischer Ethik. Es gab jedoch<br />

keinerlei Anzeichen einer bevorstehenden Katastrophe. Ein paar Stunden später schied<br />

Ploderer still aus der aus den Fugen geratenen Welt.<br />

12 D er W ortlaut erschien 19.34 im Druck und wurde durch die Ortsgruppe der IGNM zugänglich<br />

gemacht.<br />

13 Eine <strong>von</strong> W ebern, Krenek, Reich, Steuermann und Apostel unterschriebene Postkarte wurde<br />

<strong>von</strong> dem Zusammensein an Julius Schloss geschickt. WA.<br />

14 Alma Mahlers Brief und das Foto mit der Widmung <strong>von</strong> Franz Schreker wurden in <strong>Webern</strong>s<br />

Nachlaß gefunden. WA.<br />

15 Hildegard Jones und <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>s Beiträge zu 23 sind in A nton <strong>Webern</strong> Briefe an Hildegard<br />

Jone und <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>, S. 70-71, aufgenommen worden.<br />

16 Sowohl die Zeichnung <strong>von</strong> W ebern wie auch ein Ö lporträt <strong>von</strong> Berg befanden sich im Nachlaß<br />

des Künstlers zur Zeit seines Todes in Zürich im Jahr 1965. Im Jahr zuvor schuf R ederer einen<br />

Holzschnitt <strong>von</strong> W eberns Kopf. WA.<br />

17 Die Fahnenabzüge enthalten Bergs umfangreiche Anmerkungen. WA.<br />

18 W eberns Antwort an Berg ist nicht erhalten, doch einige Wochen später, am 28. Januar 1934,<br />

greift Berg eine Anregung auf, die offensichtlich <strong>von</strong> W ebern stammte. Es ging um eine<br />

Aufführung des Liedes der Lulu als konzertante Voraufführung noch vor Vollendung der Oper.<br />

616


Bergs Antw ort auf diesen Vorschlag lautete:,,Sobald ich mit der ganzen O per fertig bin, gibt’s<br />

dann wieder die Möglichkeit Bruchstücke daraus aufzuführen. A ußer Deiner Arie, eine kleinere<br />

od. größere Anzahl anderer und 4 Zwischenspiele. Mir erschiene das viel entsprechender.“<br />

19 D er W eihnachten 1934 datierte Brief wurde dem Verfasser <strong>von</strong> Helene Berg aus A nlaß des<br />

Ersten Internationalen W ebern-Festivals überreicht.<br />

20 1933 vollendete Krenek die Partitur seiner großen O per Karl V ., in der er zum ersten Mal die<br />

Zwölftontechnik anwandte. D er junge Komponist des frivolen, international erfolgreichen<br />

Jonny spielt auf hatte sich hiermit der Bruderschaft der D odekaphonisten angeschlossen.<br />

24. A n der Schicksalswende (1934). S. 369-381<br />

1 Obwohl es nie zu einer Aufführung kam, probte der Singverein dieses Werk noch bis zum<br />

1. Februar 1934, wie aus einer Tagebucheintragung <strong>von</strong> Roland Leich, einem Schüler <strong>Webern</strong>s,<br />

hervorgeht.<br />

2 W ebern in seiner Eigenschaft als Präsident der W iener Sektion der IGNM nahm offiziell den<br />

Rücktritt <strong>von</strong> Pisk entgegen. Ein Brief vom 5. Mai 1934, der dies bestätigt, findet sich im<br />

Faksimile in Hans Moldenhauer, „Paul Amadeus Pisk and the Viennese Trium virate“ in Paul A.<br />

Pisk, Essays in Plis Honor, S. 216.<br />

3 G emeint ist der Schriftsteller G erhart Hauptmann.<br />

4 A rnold Schönberg Briefe, S. 210.<br />

5 W eberns Brief an Frau Emil H ertzka vom 12. Juli 1934, in dem er sich um ihre Unterstützung<br />

des Projekts bemühte, ist im Faksimile in Hans M oldenhauer, Der Tod A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

wiedergegeben, Abb. 4.<br />

6 W eberns Briefe an O tto Jokl (1891..1963) fanden sich in der umfangreichen Korrespondenz des<br />

Komponisten, in der sich auch zahlreiche Briefe Bergs befanden. Jokls gesamter künstlerischer<br />

Nachlaß (Kompositionen, Dramen, Gedichte und Gemälde) befindet sich in den Moldenhauer-<br />

Archiven.<br />

1 Später Mrs. E. Beller, Princeton, New Jersey.<br />

8 D er vollständige W ortlaut dieses und des folgenden Briefs an Frau Hertzka findet sich in Hans<br />

Moldenhauer, Der Tod A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s, S. 32-36.<br />

9 Schönbergs Geburtstagsbeitrag für Bach war ein dreistimmiger Kanon über eines seiner eigenen<br />

Gedichte. E r komponierte ihn, nachdem <strong>Webern</strong> ihm wie auch Berg zu verstehen gegeben<br />

hatten, daß es Bach sehr freuen würde, ein Werk gewidmet zu bekommen.<br />

10 Das Notizbuch besteht aus 99 Seiten und enthält viele Musikbeispiele. WA.<br />

25. Opus 22-25 - Schubert- und Bach-Bearbeitungen (<strong>1928</strong>-1935). S. 382-404<br />

1 In seinem Kommentar zu A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches (1926-1945) analysiert Ernst Krenek<br />

(auf S. 4) das Streichquartettfragm ent wie folgt: „Die. erste Zeile (sieben Takte, offensichtlich<br />

für Violine) zeigt <strong>Webern</strong>s Vorliebe für umkehrbare Modelle: <strong>von</strong> Takt 4 ab bewegt sich die<br />

Melodie wieder rückwärts. D a die Zwölftonreihe, die er schließlich verwendete, in allen vier<br />

Grundform en nur drei und vier Zeilen später erscheint, möchte man annehmen, daß er zuerst<br />

eine melodische Linie als G rundidee erfand und dann aus ihr eine gültige Tonreihe herleitete<br />

und formte. Natürlich verlief zu dieser Zeit sein Denken bereits so sehr in dodekaphonen<br />

Bahnen, daß seine spontanen Eingebungen schon fast zwölftönigen Mustern entsprachen . . .<br />

Sie [die Skizzen] sind vor allem wegen der beharrlichen U nterteilung der Reihe in drei- und<br />

zweitönige M uster interessant, wie sie in seinen Spätwerken zu einem charakteristischen Zug<br />

wurden, und wegen der Tendenz, kontrapunktische Fäden in ein äußerst dichtes Spektrum <strong>von</strong><br />

Tonhöhen zusammenzudrängen. ‘ ‘<br />

2 Im September 1927 war W ebern Mrs. Coolidge vorgestellt worden, unter deren Schirm herrschaft<br />

zwei Kammermusikkonzerte in Wien veranstaltet wurden. Am 13. Juni 1930, nachdem<br />

617


Adolph Weiss angeregt hatte, daß W ebern möglicherweise finanzielle U nterstützung <strong>von</strong> ihr<br />

erhalten könnte, wenn er ihr ein W erk anböte, antwortete der Komponist: „Frau Coolidge mein<br />

Q uartett für Geige, Klarinette, Saxophon und Klavier zu widmen, soll mir nur eine Freude<br />

sein!!! Natürlich warte ich die weiteren Nachrichten darüber ab, bevor ich das W erk dem<br />

Verlage (U. E.) übergebe! Noch bin ich ja nicht fertig dam it.“ In der Zwischenzeit hatte Weiss<br />

jedoch einen negativen Bescheid <strong>von</strong> Mrs. Coolidge erhalten, als sie ihm am 31. Mai schrieb;<br />

„Ich bedaure, daß ich mich nicht in der Lage sehe, auf Ihren jüngsten Brief zugunsten Mr. <strong>von</strong><br />

W eberns einzugehen, wie Sie es wünschten. Es ist nicht so, daß ich sein Talent nicht schätzte;<br />

auch hege ich nichts als freundschaftliche Gefühle gegen ihn, den ich unter so angenehmen<br />

Umständen kennenlernte, als ich vor fast drei Jahren in Wien war, ich habe aber gegenwärtig<br />

keinerlei Absichten im Hinblick auf Kompositionsaufträge . . . Mr. <strong>von</strong> W ebern ist überall so<br />

gut bekannt, daß ich meine, es müßte ihm durchaus möglich sein, die richtigen G önner und das<br />

richtige Publikum für seine Musik zu finden. Ich hoffe doch, daß er mehr in seiner Nähe<br />

jem anden finden wird, der ihn in der <strong>von</strong> Ihnen angesprochenen Weise unterstützen kann, und<br />

daß weder Sie noch er diesen Brief als unfreundlich oder gar für ihn geringschätzig auslegen<br />

werden.“ (1938 ehrte Mrs. Coolidge W ebern durch einen Auftrag für sein Streichquartett op.<br />

28, das ihr gewidmet ist.) Anfang O ktober 1930 bot W ebern sein Q uartett op. 22 Henry Cowell<br />

an. Sicherlich ermutigte ihn das H onorar <strong>von</strong> 100 Dollars, das er für den Abdruck <strong>von</strong> Liebste<br />

Jungfrau in New Music erhalten hatte, zu hoffen, daß sein Q uartett ebenfalls angenommen<br />

würde. Im November jedoch teilte er Weiss mit, daß er lediglich eine „vage A ntw ort“ erhalten<br />

habe, und er übergab dann das Werk der Universal Edition.<br />

3 Der Weg zur Neuen Musik, S. 63.<br />

4 Als W ebern Hildegard Jone ein Exemplar der veröffentlichten Partitur überreichte, schrieb er<br />

unter die eingedruckte Widmung: „Was D ir gehört, so wie mir, liebe Hildegard, nimm es<br />

entgegen mit <strong>Humplik</strong> <strong>von</strong> Deinem A nton W ebern, Mai 1936.“ Am unteren Seitenrand fügte<br />

die Dichterin ein Distichon hinzu, die epigrammatische Form, in die sie ihre Gefühle bei so<br />

ziemlich jedem besonderen Anlaß goß: „Alle die Künste sind wahrlich Geschwister: Form,<br />

Klang, Vers und Farbwelt. Sucht sie zur Einheit im Sein!“<br />

5 Das erste Zitat stammt aus Rene Leibowitz, Schönberg et son ecole, S. 223, das zweite aus seiner<br />

Introduction ä la musique de douze sons, S. 239.<br />

6 D er W ortlaut des Palindroms ist seit biblischen Zeiten bekannt. Rätselhaft ist die Bedeutung des<br />

Namens „A repo“ . Philologische Forschungen haben ihn mit einer Stelle im Alten Testam ent in<br />

Verbindung gebracht, in der der Prophet Ezekiel <strong>von</strong> einem Engel spricht, der auf Gottes<br />

Geheiß feurige Kohlen aufsammelt („Arripuit“ in der lateinischen Übersetzung des hebräischen<br />

Textes), um sie über der sündhaften Stadt auszustreuen. Den frühen Christen, die ihren neuen<br />

Glauben nur unter Lebensgefahr verbreiten konnten, diente das Palindrom dazu, sich<br />

gegenseitig erkennen zu geben, aber auch als Symbol der W arnung an ihre Verfolger, daß das<br />

Gericht G ottes nahe sei. Neben dieser bedrohlichen Bedeutung wurde dem W ortquadrat noch<br />

ein weiterer Symbolismus zugedacht: Die 24 Buchstaben des Palindroms, die das zentrale N<br />

umgeben, können so angeordnet werden, daß „Pater N oster“, die beiden Anfangsworte des<br />

Vaterunsers, einmal vertikal und einmal horizontal zu stehen kommen und sich an jenem<br />

zentralen N kreuzen, das in diesem Zusammenhang für „Nazarenus, König der Juden“ steht.<br />

Die übrigen Buchstaben, zweimal A und O, sind zum Symbol des christlichen Glaubens<br />

geworden, „A lpha“ und „O m ega“, der Anfang und das Ende. D er Buchstabe T hat die Gestalt<br />

der antiken Form des Kreuzes. Das älteste bekannte Beispiel des Palindroms stammt <strong>von</strong> einer<br />

Hauswand in Pompeji, der luxuriösen Römerstadt, die im Jahr 79 durch einen Ausbruch des<br />

Vesuvs zerstört wurde. Das Fragment ist im dortigen Museum zu sehen.<br />

7 A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches (1926-1945), S 5.<br />

8 Der Weg zur Neuen Musik, S. 60-61.<br />

9 <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches (1926-1945) Abb. 33 ff.<br />

10 Später veröffentlicht in Hildegard Jone, Anima, Gedichte des Gottesjahres (Wien: Verlag<br />

Herder, 1948).<br />

11 Ernst Krenek beschreibt das unverm utete Intermezzo wie folgt: „Bei näherer Betrachtung<br />

618


erscheint es kaum glaubhaft, daß W ebern tatsächlich vorhatte, diese zehn C hortakte in eine<br />

sonst rein instrumentale Komposition einzufügen. O der plante er, mit der Vertonung des ganzen<br />

Gedichts fortzufahren und die 25 Takte - Frucht intensivster A rbeit - als Einleitung zu einer<br />

K antate zu verwenden? Die Möglichkeit sollte nicht ausgeschlossen werden; denn ganz am Ende<br />

aller Skizzen traf gerade das ein. [Der Hinweis bezieht sich auf W eberns letzte unvollendete<br />

Komposition, die ebenfalls als Konzert begonnen und dann in eine K antate umgewandelt<br />

wurde.] Es besteht kein Zweifel, daß der Chorsatz <strong>von</strong> Seite 71 als Fortsetzung der 25 Takte des<br />

bis zu diesem Punkt ausgearbeiteten Konzerts gedacht war. Das beweisen nicht nur der<br />

Zusammenhang zwischen Taktzahlen und v/-rfe-Symbolen sondern auch die Tatsache, daß die<br />

Chorstimmen dieselbe Tonreihe verwenden wie das Konzert. Doch nur vier Tage später, am 15.<br />

Mai 1934, nimmt er ein anderes vi~ <strong>von</strong> Seite 49 des Skizzenbuchs bei Takt 24 wieder auf und<br />

springt <strong>von</strong> Takt 25 auf 37, der mit Takt 26 der gedruckten Partitur identisch ist - als ob nichts<br />

geschehen wäre . . . Es ist erstaunlich, daß die Kontinuität einer so komplizierten A rbeit im<br />

Kopf des Komponisten derart lebendig geblieben ist, daß er sie nach mehr als zwei Jahren<br />

wiederaufnehmen konnte, wobei er zur gleichen Zeit in Erwägung gezogen zu haben scheint,<br />

möglicherweise die Grundidee des ganzen W erkes umzuwerfen.“ (<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches<br />

[1926-1945] S. 6).<br />

12 Storia della dodecafonia, S. 125.<br />

13 Variationen über neue Musik, München: Nymphenburger Verlag, 1959, S. 189.<br />

14 Der Weg zur Neuen Musik, S. 60.<br />

15 In ihrem eigenen Exemplar (WA) gedachte Hildegard Jone am 21. April 1957 des Tages, an<br />

dem sie die Veröffentlichung in H änden hielt, mit einem Vierzeiler, den sie auf die Innenseite<br />

des Umschlags schrieb und der mit den W orten begann: „Vom Freund vertont ,Wie bin ich<br />

froh!1“ Die Verse verherrlichen den Frühling als den ewigen Quell des Lebens, als die<br />

Bestätigung der Verjüngung der Menschheit in der jährlichen W iedergeburt der Natur. Die<br />

■ Dichterin fügte die Bemerkung hinzu: „D as Gedicht ,Wie bin ich froh1 war Ferdinand Ebnere<br />

Freude vor seinem baldigen Sterben; es wurde ihm ,noch einmal alles grün1“. Ebner, der<br />

österreichische Schriftsteller und Philosoph, schätzte Hildegard Jones Dichtungen sehr. Sie<br />

sorgte für ihn während seiner letzten Krankheit, und nach seinem Tode am 17. O ktober 1931<br />

übernahm sie die Betreuung seines literarischen Nachlasses und traf Vorkehrungen für seine<br />

spätere Veröffentlichung.<br />

16 U ndatiertes Brieffragment.<br />

u Das Musikalische Opfer ist ein Kompendium kontrapunktischer Übungen, die Bach 1747<br />

geschrieben hat. D er Komponist war in diesem Jahr <strong>von</strong> Friedrich II., König <strong>von</strong> Preußen,<br />

eingeladen worden, am Hof in Potsdam zu erscheinen. W ährend seines Besuches hatte der<br />

Monarch, der selbst ein tüchtiger Komponist und Flötist war, seinem Gast ein eigenes Thema zur<br />

Improvisation vorgelegt. Mach Leipzig zurückgekehrt, machte Bach dieses königliche Thema<br />

zum Ausgangspunkt einer Abhandlung im strengen K ontrapunkt mit Fugen, Kanons und einer<br />

Triosonate. Seine Widmung an Friedrich den Großen lautete: „Kegis /ussu Cantio Et iteliqua<br />

Canonica ^4rte ßesoluta“ (Auf Befehl des Königs das Thema und einiges mehr in kanonischer<br />

Kunst ausgeführt). Als Akrostichon gelesen, ergibt die Widmung das W ort Ricercar, ein Begriff,<br />

der sich nicht nur auf den gelehrten C harakter der gesamten Studie bezieht, sondern auch auf<br />

den speziellen Typus der in ihr enthaltenen Fugen.<br />

18 M emoiren <strong>von</strong> Arnold Eiston. Typescript. WA.<br />

19 W ebern benützte sein M anuskript für beide Aufführungen. Die Partitur, die sich in den<br />

Archiven der Universal Edition befindet, enthält seine Dirigiereinzeichnungen.<br />

2° W ebern hatte ursprünglich darum nachgesucht, die Partitur in C zu setzen, aber der Verlag<br />

lehnte am 21. März 1935 mit der folgenden Begründung ab: „U nter den gegenwärtigen<br />

Verhältnissen besteht bei der überwiegenden M ehrheit aller M usiktreibenden nicht nur keine<br />

Lust zu Neuerungen, sondern eine geradezu panikartige Abneigung dagegen.. . . Wir müssen<br />

Sie also bitten, Ihren Wunsch nach einer C Partitur freundlichst aufzugeben, und wir hoffen, daß<br />

ein großer Erfolg des W erkes Sie für die Preisgabe eines vorwiegend theoretischen Postulats<br />

entschädigt.“<br />

619


21 Veröffentlicht in die Reihe 2, S. 25-26.<br />

22 Als Scherchen das Ricercar 1954 zum ersten Mal in Deutschland in einem Konzert der<br />

Kranichsteiner Ferienkurse in Darm stadt dirigierte, brach eine heftige Kontroverse über das<br />

Thema Bach-Bearbeitungen aus. Entzündet wurde sie durch einen schrillen Pfiff aus dem<br />

Publikum, der zur Unterbrechung der Aufführung <strong>von</strong> Schönbergs Transkription <strong>von</strong> Bachs<br />

Präludium und Fuge für Orgel führte. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß die Störung<br />

Ernst Krenek zufolge durch Luigi Nono ausgelöst wurde, der damit als Repräsentant des<br />

radikalen Flügels der damaligen Avantgarde „seine Verachtung für solches altmodische Zeug<br />

zum Ausdruck brachte“ . (Brief Kreneks an den Autor)<br />

23 Eine Faksimile-Reproduktion der ersten Seite des Briefes findet sich in A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>:<br />

Perspectives, S. 38.<br />

24 W eberns Ricercar-Bearbeitung faszinierte Igor Strawinsky so sehr, daß er sie selbst abschrieb.<br />

Als der A utor sich 1972 in der W ohnung Strawinskys in New York befand, zeigte ihm Robert<br />

Craft dieses M anuskript und berichtete ihm, daß sich Strawinsky auch eine Abschrift des<br />

Schlußsatzes <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s II. K antate angefertigt hatte (vgl. 32. Kapitel, Anmerkung 17).<br />

26. Letzte Auftritte als Dirigent in Wien - Alban Bergs Tod - Krise in<br />

Barcelona (1935/36) S. 405-416<br />

1 Brief an den Autor.<br />

2 „Die Musik Mendelssohns ist im D ritten Reich mit den unumstößlich und kompromißlos<br />

gültigen Gesetzen vom Primat der Rasse und des Blutes nicht mehr zu verantworten“ , hatte<br />

Friedrich W. Fierzog in Die M usik (1. November 1934) geschrieben. Dieses Journal,<br />

Deutschlands angesehenste Monatszeitschrift für Musik, war dazu gezwungen worden, ein<br />

Sprachrohr nazistischer D oktrin zu werden, als es ab 1. April 1934 als offizielles Organ der<br />

Reichsjugendführung erschien. D er Herausgeber gelobte, den Idealen der Hitlerjugend<br />

Rechnung zu tragen. Als Ersatz für Mendelssohns Sommernachtstraum-Mmik mit ihrer nie<br />

versiegenden Popularität in deutschen Theatern und Konzertsälen, wurden Rudolf Wagner­<br />

Regeny und Julius Weisrnann beauftragt, neue Bühnenmusiken zu schreiben. Sie wurden im<br />

Juni auf der Reichtstagung der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde in Düsseldorf vorgestellt.<br />

Eine derartige radikale Ausrottung hervorragender Bestandteile des deutschen kulturellen<br />

Erbes im Interesse „rassischer R einheit“ war nicht immer möglich. Heinrich "Heines Gedicht<br />

Die Lorelei, zutiefst verankert in der deutschen Tradition, wurde einfach beibehalten, doch der<br />

Name seines jüdischen Dichters wurde getilgt und durch das A ttribut Volkslied ersetzt. Solche<br />

A bsurdität und Verfälschung wurde allgemein üblich bei der Durchführung der politischen<br />

Richtlinien des D ritten Reichs.<br />

3 Brief an den Autor.<br />

4 Zu einer Zeit, als die Sturmflut des radikalen Nationalismus in seinem Vaterland ihren<br />

Höchststand erreichte, gehörte Karl Amadeus H artm ann (1905-1963) zu den ersten, die sich<br />

zum Pazifismus bekannten und im U ntergrund W iderstand gegen das Hitler-Regime leisteten.<br />

Miserae (dessen Uraufführung in Prag <strong>von</strong> Hermann Scherchen dirigiert wurde) trägt die<br />

folgende Widmung: „Meinen Freunden, die hundertfach sterben mußten, die für die Ewigkeit<br />

schlafen - wir vergessen Euch nicht (Dachau 1933-1934).“ Diese W orte gelobten Treue den<br />

unglücklichen politischen Gefangenen irn ersten der berüchtigten Konzentrationslager des<br />

nationalsozialistischen Deutschland. Die Partitur <strong>von</strong> Miserae befindet sich in den Moldenhauer-Archiven<br />

zusammen mit anderen Manuskripten Hartm anns, darunter sein letztes Werk,<br />

die Gesangsszene für Bariton und Orchester, die dem Verfasser gewidmet ist.<br />

5 Bergs Lulu-Suite war am 30. November 1934 in einem K onzeit der Berliner Staatskapelle im<br />

Opernhaus U nter den Linden uraufgeführt worden. Mit dieser Aufführung hatte der Dirigent<br />

Erich Kleiber Deutschlands Kulturdiktatoren, die jeden Schönberg-Jünger zum „Judenknecht“<br />

oder „Kulturbolschewiken“ gestempelt hatten, mutig die Stirne geboten. Vier Tage später<br />

wurde Kleiber gezwungen, <strong>von</strong> seinem Posten als G eneralm usikdirektor der Staatsoper<br />

620


zurückzutreten. E r emigrierte nach Südamerika unter offenem Protest gegen das nationalsozialistische<br />

Regime. Die L u lu S u h e wurde zwar prom pt und offiziell in Deutschland indiziert,<br />

wurde jedoch bald in Ländern aufgeführt, die noch frei waren <strong>von</strong> faschistischer Herrschaft.<br />

Berg, wie auch W ebern, bekam den bitteren Geschmack der Diskriminierung in zunehmendem<br />

Ausmaß zu spüren. Seine symphonischen Fragmente aus Wozzeck waren für die „Biennale“ in<br />

Venedig im Septem ber 1934 vorgesehen und er selbst war Mitglied des Festausschusses. Doch<br />

wurde aufgrund politischer Intrigen Bergs Name sowohl aus dem Programm wie auch aus der<br />

Liste des Vorstands entfernt. Nur durch die Intervention italienischer Kollegen wie Alfredo<br />

Casella und Gian Francesco Malipiero konnte die <strong>von</strong> faschistischer Seite manipulierte<br />

Verfügung rückgängig gemacht werden, und Berg konnte am 11. Septem ber persönlich Zeuge<br />

werden <strong>von</strong> der erfolgreichen Aufführung seiner Konzertarie Der Wein (anstelle der Wozzeck-<br />

Fragmente) im Teatro La Fenice. Es war die letzte Auslandsreise des Komponisten.<br />

6 Veröffentlicht als „Incontro con A nton W ebern“ in II M ondo (Florenz, 3. November 1945).<br />

7 Dieses und das vorhergehende Zitat stammen aus Willi Reich Alban Berg (Zürich: Atlantis<br />

Verlag 1963) S. 94-95.<br />

8 Helene Berg verfaßte einen persönlichen Bericht über die letzte Krankheit ihres Mannes in<br />

Form eines Unterzeichneten Dokuments, das sie dem A utor 1972 für eine spätere Veröffentlichung<br />

anvertraute. Es ist eine bittere Anklage gegen die Ärzte, die ihren M ann behandelten.<br />

9 Brief an den Autor.<br />

10 Erst nach Helene Bergs Tod am 30. August 1976 hat Friedrich Cerha den dritten A kt auf Grund<br />

des Particells hergestellt. Die erste Aufführung der dreiaktigen Lulu fand am 24. Februar 1979<br />

in der Pariser O per unter Leitung <strong>von</strong> Pierre Boulez statt.<br />

11 Diese Information sowie seinen Bericht über die Episode <strong>von</strong> Barcelona leitete Egon Wellesz<br />

dem A utor in einem Brief zu.<br />

12 Brief an den Autor.<br />

13 Brunswick und Krasner teilten dem A utor ihre Erinnerungen persönlich mit.<br />

14 Von dieser Sendung existiert eine Schallplattenaufnahme, <strong>von</strong> der Krasner ein Exemplar besitzt.<br />

15 Brief an den Autor.<br />

27. <strong>Webern</strong>, der Dirigent - Schönberg in Los Angeles - Vor dem A n ­<br />

schluß (1936-1938). S .417-435<br />

1 Zitat aus Günther Schüller ,,A Conversation with Steuermann“ in Perspectives o f New Music<br />

(Herbst-W inter 1964), S. 28.<br />

2 Berichtet im Verlauf eines Abendgesprächs mit dem Autor, wenige Wochen vor Steuermanns<br />

Tod 1964,<br />

3 Brief an den Autor.<br />

4 A nton <strong>Webern</strong> Briefe an Hildegard Jone und <strong>Josef</strong> H umplik, herausgegeben <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> Polnauer,<br />

S. 75-76, Anm. 6/3.<br />

5 Hans H. Heinsheimer, Best Regards to Aida. (New York: Alfred A. Knopf, 1968), S. 15,<br />

6 Brief an den Autor.<br />

7 Brief an den Autor.<br />

8 Brief an den Autor.<br />

9 Ernst Krenek, „A nton <strong>von</strong> W ebern: A Profile“ , A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Perspectives, S. 6 .<br />

10 <strong>Josef</strong> Polnauer, „In G edenken an A nton <strong>von</strong> W ebern“ , Mitteilungsblatt des Landes Wien des<br />

österreichischen Arbeitersängerbundes, IV (1963), S. 1.<br />

11 1975 sprach Plumpelstetter seine Erinnerungen auf ein Tonband, auf dem er bei direkten<br />

Zitaten W eberns Dialekt nachahrnte, WA.<br />

12 Zitiert <strong>von</strong> Linde Dietz in „A nton W ebern als Leiter der A rbeiter- Symphoniekonzerte und des<br />

Arbeiter-Singvereins“, Almanach der Wiener Festwochen 1969,(Wien; Verlag Jugend & Volk),<br />

S. 105-108.<br />

13 Gespräch Brunswicks mit dem Autor.<br />

621


14 Die Anspielung bezieht sich auf Fritz Busch (1890-4951).<br />

15 Erinnerungen <strong>von</strong> A rnold Eiston. Typescript. WA. Spätere Zitate stammen aus derselben<br />

Quelle.<br />

16 Frederick Deutsch-Dorian, „W ebern als Lehrer“ , Melos, XXVII (April 1960), S. 102.<br />

17 Gespräch mit dem Autor. D er Dirigent Fritz M ahler (1901-1973) war ein entfernter<br />

Verwandter Gustav Mahlers. E r ist der Verfasser der ersten veröffentlichten Analyse <strong>von</strong> Bergs<br />

Wozzeck.<br />

18 Brief an den Autor.<br />

19 D er Schal ist noch vorhanden, zusammen mit mehreren anderen persönlichen Gedenkstücken<br />

wie W eberns Brille, das Taschenmesser, das er zum Radieren benützte, sein Zigarettenetui, eine<br />

Brieftasche für Geldscheine aus Krokodilleder und die große Reisetasche, die er <strong>von</strong> seinem<br />

Vater geerbt hatte. WA.<br />

20 Die Suite in G-Dur, Schönbergs erste rein tonale Komposition seit dem 2. Streichquartett<br />

(1907-1908), war vor allem für Schulorchester gedacht. Derartige pragmatische Überlegungen,<br />

wie sie sich auch in Thema und Variationen für Blasorchester, op. 43A manifestieren,<br />

verursachten zur damaligen Zeit einiges Aufsehen, da Schönbergs Rückkehr zur Tonalität in<br />

diesen W erken als Aufkündigung seiner eigenen progressiven Theorien m ißinterpretiert wurde.<br />

D er stete Fluß <strong>von</strong> großen und bedeutenden Kompositionen in der Zwölftonsprache, der folgte,<br />

widerlegte dies in vollem Umfang.<br />

21 Arnold Schönberg Briefe, S. 214.<br />

22 W eberns Bekanntschaft mit Klemperer ging mehrere Jahre zurück. E r war ihm zum ersten Mal<br />

im privaten Rahmen im Flaus <strong>von</strong> Mark Brunswick begegnet, wo der Dirigent während seiner<br />

Besuche in Wien zu wohnen pflegte. Von ihrem ersten Zusammentreffen an gab es wenig<br />

Gemeinsames zwischen dem hünenhaften, überschäumenden und sprachgewaltigen Maestro<br />

und dem hageren, in sich gekehrten und leise sprechenden Komponisten. Brunswick erinnerte<br />

sich einer Episode, als Klemperer die Frage auf W ebern schoß: „Was denken Sie <strong>von</strong> Puccini?“ .<br />

Ganz still antwortete W ebern: „Ü berhaupt nichts!“<br />

23 Brief an den Autor.<br />

24 Brief an den Autor.<br />

25 Peter Stadien, „Serialismus Reconsidered“, The Score, XXII (Februar 1958), S. 12. Klernperers<br />

eigene Meinung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Werk fand ihren Ausdruck in einem Interview, das viele Jahre<br />

später veröffentlicht wurde: “ Heyworth: Und W eberns Musik? Klemperer: Ich verstehe sie<br />

nicht. Ich kenne sie natürlich. Ich dirigierte seine Symphonie in Berlin und in Wien. Ich konnte<br />

aber keinen Zugang zu ihr finden. Ich fand sie entsetzlich langweilig. So bat ich W ebern - ich<br />

befand mich in Wien - zu mir zu kommen und sie mir auf dem Klavier vorzuspielen. Vielleicht<br />

würde ich sie dann besser verstehen. Er kam und spielte jede Note mit ungeheurer Intensität und<br />

Verbissenheit. Heyworth: Nicht kühl? Klemperer: Nein, leidenschaftlich! Als er zu Ende war,<br />

sagte ich: ,Wissen Sie, so kann ich das nicht dirigieren. Ich kann eine derart enorm e Intensität<br />

einfach nicht in Ihre Musik hineinlegen. Ich muß es eben tun, so gut ich kann.1Das tat ich und es<br />

ging ganz gut. Ich glaube, daß W ebern froh war, wenn zur damaligen Zeit überhaupt jemand<br />

seine Musik spielte - es war um 1931. Ich bin sicher, daß er ein sehr guter Musiker war.<br />

Strawinsky hatte die größte Bewunderung für ihn. E r sagte einmal in etwa, W ebern stelle für uns<br />

den Extrakt eines Genies dar. A ber das glaube ich nicht. M einer Meinung nach ist <strong>Webern</strong>s<br />

Musik vielleicht ein Produkt der Zeit der Krise, in der sie entstand. Allerdings glaube ich an seine<br />

absolute Integrität. D aß ich aber sehr darauf erpicht gewesen wäre, seine Musik zu dirigieren,<br />

das kann ich nicht behaupten.“ (Peter Fleyworth, Flerausg., Conversations with Klemperer,<br />

London: Victor Gollancz, 1973, S. 76.)<br />

26 Das Programm enthielt noch Kompositionen <strong>von</strong> Honegger und Weill, die Uraufführung <strong>von</strong><br />

Kreneks Vier Bagatellen für Klavier vierhändig, gespielt vom Komponisten und Peter Stadien,<br />

sowie Strawinskys L ’Histoire du solciat.<br />

27 In einem geheimen Anhang zum deutsch-österreichischen V ertrag vom 11. Juli 1936 hatte<br />

Kanzler Schuschnigg Hitlers Anhängern in Österreich weitreichende Zugeständnisse gemacht.<br />

Von diesem Zeitpunkt an hatte Franz <strong>von</strong> Papen, der deutsche Sonderbotschafter in Wien, alle<br />

622


erdenklichen Anstrengungen unternomm en, Österreichs Unabhängigkeit zu unterminieren,<br />

wobei die Vereinigung des Landes mit dem nationalsozialistischen Deutschland das Endziel war.<br />

Finanziert und gelenkt <strong>von</strong> ihren deutschen Anführern, wurden die österreichischen Nationalsozialisten<br />

immer verwegener. Nachdem sie bereits Schuschniggs Vorgänger Dollfuß ermordet<br />

hatten, planten sie ein gleiches Schicksal für den neuen Regierungschef. Bei ihrer systematischen<br />

Terrorkampagne waren Bombenanschläge im ganzen Lande an der Tagesordnung.<br />

Ein Fackelzug <strong>von</strong> Tausenden <strong>von</strong> Studenten führte auf einen Platz gegenüber der Universität,<br />

auf dem die W erke aller A utoren, die man als zersetzend oder als Gefahr für die Wurzeln<br />

deutschen Geistes und deutschen Wesens ansah, zur Nahrung eines riesigen Scheiterhaufens<br />

wurden. U nter den deutschen A utoren befanden sich Thomas Mann, Stefan Zweig, Erich Maria<br />

Rem arque, Lion Feuchtwanger, der Wissenschaftler A lbert Einstein, aber auch politische<br />

Schriftsteller wie W alther Rathenau und Hugo Preuß (der letztere hatte die W eimarer<br />

Verfassung ausgearbeitet). Zu den österreichischen A utoren gehörten Sigmund Freud und<br />

A rthur Schnitzler. Solche anderer N ationalitäten waren Jack London, U pton Sinclair, H. G.<br />

Wells, A ndre Gide, Emile Zola und Marcel Proust.<br />

Gespräche mit dem Autor.<br />

Brief an den Autor.<br />

Gespräch mit dem Autor.<br />

Gespräch mit dem Autor.<br />

Am 6 . D ezember 1934 hatte sich Goebbels voller Zorn gegen die Badewannen-Arie in<br />

Hindemiths Oper Neues vorn Tage gewandt und die moralische Verkommenheit der „atonalen<br />

K omponisten“ verurteilt. Hindemith, als „Kulturbolschewik“ angeprangert, war fast <strong>von</strong> der<br />

ersten Stunde an unter Beschuß genommen und wegen seiner fortgesetzten Assoziierung mit<br />

jüdischen Musikern gerügt worden. Als die Angriffe bedrohliche Form en annahmen, erhob sich<br />

Wilhelm Furtwängler zur Verteidigung des Komponisten; am 25. November 1934 schrieb er in<br />

der Allgemeinen Musikzeitung, daß es sich Deutschland schlecht leisten könne, einen Musiker<br />

<strong>von</strong> Hindemiths Statur abzulehnen. Fast sofort wurde Furtwängler selbst öffentlich verklagt,<br />

und am 4. D ezember erklärte er seinen Rücktritt als Dirigent der Berliner Philharmoniker, als<br />

Vizepräsident der Reichsmusikkammer und als Generalm usikdirektor der Berliner Staatsoper.<br />

Dieser Protestschritt brachte das Regime in Verlegenheit und eine persönliche Aussprache mit<br />

Goebbels wurde für den 28. Februar 1935 vereinbart. Bei der Konfrontation sprach<br />

Furtwängler sein Bedauern darüber aus, daß seine öffentliche Stellungnahme für Hindemith<br />

politisch ausgelegt worden war. U nter Druck entschuldigte er sich, daß er sich auf ein Gebiet<br />

begeben habe, das nunmehr der Reichsführung unterstehe. Am 25. April wurde Furtwängler<br />

rehabilitiert. Hindemith hingegen nahm 1935 eine Einladung der türkischen Regierung an, die<br />

musikalischen Erziehungs- und Forschungsinstitute dieses Landes nach westlichem Vorbild<br />

aufzubauen. Seine offizielle Stellung ermöglichte es ihm, mehrere jüdische Kollegen aus<br />

Deutschland herauszubringen. (D er Pianist Eduard Zuckmayer, der 1924 mit Maurits Frank die<br />

Uraufführung <strong>von</strong> W eberns Drei Kleinen Stücken für Violoncello und Klavier op. 11 gespielt<br />

hatte, wurde D irektor des Instituts für Musikpädagogik in A nkara.) Nach drei längeren<br />

A ufenthalten in der Türkei, während derer er arn Konservatorium in A nkara unterrichtete, gab<br />

er im April 1937 sein D ebüt in Amerika während des Coolidge-Festivals in der Library of<br />

Congress. E r ließ sich daraufhin in den Vereinigten Staaten nieder.<br />

D arunter waren W erke <strong>von</strong> Cezanne, Chagall, Gauguin, van Gogh, Matisse, Picasso und<br />

anderen. D er deutschen Schule des Expressionismus mit Repräsentanten wie Ernst, Grosz,<br />

Kirchner, Kokoschka und Nolde erging es nicht besser.<br />

Es währte nicht lange, bis Hitlers K ulturdiktate auch in Österreich Gesetzeskraft erlangten. Ein<br />

inoffizieller Boykott jüdischer Künstler hatte bereits um sich gegriffen. K. H. Lehrigstein,<br />

W eberns jüngerem Kollegen im Lehrkörper des Israelitischen Blindeninstituts, zufolge war ein<br />

1937 stattfindender Klavierabend A rtur Schnabels, der für seine Beethoven-Interpretationen<br />

weltberühmt war, <strong>von</strong> kaum 50 Leuten besucht, <strong>von</strong> denen viele noch dazu Freikarten<br />

bekommen hatten.<br />

In seinen nach dem Krieg gemachten Aussagen bestritt Präsident Miklas, daß Schuschnigg bei


seiner Kapitulation mit seiner Billigung gehandelt habe. Miklas, der in der Stunde der<br />

Entscheidung große Charakterstärke zeigte, blieb standhaft, indem er nie als Präsident der<br />

Republik seinen Rücktritt erklärte und sich weigerte, jenes Dokum ent zu unterzeichnen, daß die<br />

Annexion seines Landes besiegelte.<br />

28. Opus 26-28 (1935-1938). S. 436-450<br />

1 Die sich vertiefende Freundschaft zwischen W ebern und den <strong>Humplik</strong>s hatte kurz zuvor zur<br />

vertraulichen A nrede mit „D u“ geführt.<br />

2 Im März 1938 legte Zenk seine Bearbeitung W ebern vor, der das M anuskript mit seinen<br />

Änderungen zurückschickte und einer lobenden Bemerkung über den „prächtigen Auszug“ .<br />

D er Komponist schickte Hildegard Jone ein Exemplar des gedruckten Klavierauszugs mit der<br />

W idm ung:,,. . . , und strömte als Freude sanft zurück1. . . Dir, liebe Hildegard, und <strong>Humplik</strong><br />

<strong>von</strong> Eurem W ebern, Mai 1938.“ WA.<br />

3 D er Entwurf zu den Programmnotizen fand sich unter W eberns Papieren. W enn auch nicht in<br />

seiner Handschrift, so gibt er doch zweifellos seine Ideen wieder. WA.<br />

4 Gespräch mit dem Autor. Die Erinnerungen <strong>von</strong> Luigi Dallapiccola, die in Anmerkung 11 zum<br />

29. Kapitel wiedergegeben sind, enthalten die Reaktion dieses Komponisten auf die<br />

Uraufführung <strong>von</strong> Das Augenlicht im Jahre 1938.<br />

5 Peter Stadien, „Serialism Reconsidered“, The Score XXII (Febr. 1958), S. 12, teilweise<br />

wiedergegeben in der vom Verfasser autorisierten deutschen Fassung, erschienen in Musica 13<br />

(Febr. 1959), S. 90, unter dem Titel „Kritik am Seriellen“ .<br />

6 ebd.<br />

7 G ünther Schüller, „A Conversation with Steuerm ann“ , Perspectives o f New Music III (1964),<br />

S. 28.<br />

8 Peter Stadien, „Serialism Reconsidered“, S. 89. Die folgenden Zitate entstammen derselben<br />

Quelle. Ein Faksimile der Ausgabe, die Peter Stadien benützte, als er das Werk mit W ebern<br />

erarbeitete, wurde <strong>von</strong> der Universal Edition 1979 veröffentlicht. Es enthält <strong>Webern</strong>s<br />

Einzeichnungen sowie einen umfangreichen Kommentar <strong>von</strong> Stadien.<br />

9 D er Brief, auf den W ebern anspielt, ging bedauerlicherweise in den Nachkriegswirren verloren.<br />

Nur 47 Briefe und Postkarten, die Hildegard Jone W ebern zwischen 1939 und 1945 schrieb, sind<br />

erhalten geblieben. WA.<br />

10 Mrs. Coolidge wollte das Werk durch das Bläserensemble <strong>von</strong> George Barrere beim Pittsfield<br />

Festival 1938 aufführen lassen.<br />

11 Das Manuskript <strong>von</strong> W eberns Q uartett befindet sich jetzt in der Library of Congress,<br />

W ashington, D.C. in der Coolidge Collection, in der auch <strong>Webern</strong>s Korrespondenz mit Mrs.<br />

Coolidge aufbewahrt ist. Im Mai 1938 vermerkte W ebern in seinem Kontobuch das Honorar,<br />

das er <strong>von</strong> Mrs. Coolidge für das Q uartett erhielt: 1850,41 Reichsmark, nachdem die deutsche<br />

W ährung nach dem Anschluß in Österreich eingeführt worden war. Bei der Umrechung der in<br />

Wirklichkeit <strong>von</strong> Mrs. Coolidge gezahlten $ 750 ging W ebern fast eines Drittels des Betrages<br />

infolge des Währungsausgleichs verlustig, der kurz vorher <strong>von</strong> Deutschland verfügt worden war.<br />

W ebern führte ausführliche Klage über den Verlust in zwei Briefen an Kolisch, wohl in der<br />

Hoffnung, Mrs. Coolidge würde für die Differenz aufkommen.<br />

12 <strong>Webern</strong>s Feststellung wurde <strong>von</strong> der Universal Edition am 9. November 1938 schriftlich<br />

bestätigt. D er Brief endete: „W ir erklären Ihnen ausdrücklich, daß wir - wiewohl ja ein<br />

Anbotszwang Ihrerseits vertraglich gar nicht vorhanden ist - durchaus damit einverstanden sind,<br />

daß Sie für Ihr Q uartett mit dem englischen Verlag abschließen. Mit dem Ausdrucke<br />

vorzüglichster Hochachtung und Heil H itler!“<br />

13 Die Bedingungen für die Veröffentlichung des W erkes, wie W ebern sie Stein vorschlug, waren<br />

recht bescheiden: eine einmalige Zahlung <strong>von</strong> £ 25-30 zusätzlich zu den Tantiemen, <strong>von</strong> denen<br />

W ebern hoffte, sie könnten sich in der Höhe <strong>von</strong> 20 % bewegen (die Universal Edition rechnete<br />

15% ab). Schließlich mußte W ebern mit £ . 15 und 15 % abschließen. Im Verlauf der<br />

624


einleitenden Korrespondenz hatte Stein eine Anfrage <strong>von</strong> Dr. Alfred A. Kalmus, dem D irektor<br />

der Londoner Niederlassung der Universal Edition, übermittelt, ob das Q uartett für<br />

Streichorchester bearbeitet werden könnte, ähnlich den Fünf Sätzen op. 5. Dieses Thema wurde<br />

jedoch nicht weiterverfolgt. Die Vereinbarungen mit Boosey & Hawkes, an denen Dr. Kalmus<br />

teilhatte, enthielten das Einverständnis einer späteren Übertragung des Copyrights an die<br />

Universal Edition, Wien, die <strong>von</strong> 1955 an das Werk unter ihrem Impressum herausgab.<br />

D ie diesbezüglichen Stellen in <strong>Webern</strong>s Brief an Stein lauten: „D a ja doch meine Anweisungen<br />

innerhalb des Notentextes - die Tempo-Vorschriften u. s. w. - deutsch kommen werden, was<br />

anderes kann ich doch kaum annehmen, andernfalls müßten wir uns ja erst eingehendst über die<br />

Übersetzung verständigen, so meine ich, könnte ja auch der Titel deutsch lauten. So wichtig ist<br />

mir das natürlich nicht, aber einheitlicher wäre es. Schriftsatz: Antiqua!!! So wie ich es schon seit<br />

Jahren in der U. E. hatte. Umschlag und Innentitel ganz gleich. Die Widmung, wenn es mit den<br />

,Lagen1 ausgeht, separat auf ein Blatt (in die Mitte), wenn nicht, am Innentitel oberhalb, oder<br />

noch besser auf dessen Rückseite! A ber nur am Innentitel, nicht auch am Umschlag! Die<br />

Widmung kann wohl auch deutsch sein? Bringt der Verlag Verzierungen auf den Umschlägen?<br />

Dann bitte ich um ausnahmsweise Opferung. Und überhaupt um möglichste Angleichung an die<br />

bisherigen Ausgaben meiner N oten.“<br />

In diesem Brief teilte W ebern Stein noch mit, daß er selbst Exemplare an Schönberg, Jalowetz,<br />

Bach und Polnauer verschicken werde und daß er weitere Exemplare an Brunswick, Krenek,<br />

Wellesz, Rosbaud, Scherchen, A nserm et, Steuermann und W inter übersandt haben möchte.<br />

Partituren mit Widmungen an die <strong>Humplik</strong>s und Zenk sind im W A vorhanden.<br />

Das A utograph <strong>von</strong> W eberns Analyse befindet sich in einer Schweizer Privatsammlung.<br />

“Reviews of Music: W ebern, A nton, String Q uartet, Op. 28“, Music Review I (Mai 1940),<br />

S. 177-178.<br />

Klangfiguren, S. 176.<br />

29. Folgen des Anschlusses - <strong>Webern</strong>, der Lehrer (1938). S. 451-468<br />

William L. Shirer, The Rise and Fallofthe ThirdReich (Greenwich, C onn.: Fawcett Publications,<br />

1964), S. 477. Deutsch: Aufstieg und. Fall des Dritten Reichs (Köln/Berlin: Kiepenheuer &<br />

Witsch), S. 334/335.<br />

Dieses Büro wurde <strong>von</strong> Hitlers Statthalter Reinhard Heydrich eingerichtet und <strong>von</strong> dem<br />

berüchtigten österreichischen Naziführer Adolf Eichmann geleitet.<br />

Baron Rothschild zum Beispiel wurde gezwungen, seine Stahlwerke den Hermann-Göring-<br />

W erken zu überschreiben.<br />

Kurt Manschinger verließ Wien ein paar Stunden nach Schuschniggs Abdankung. Er bestieg<br />

einen Zug arn 12. März um 6 Uhr morgens, demselben Morgen, an dem die deutschen Truppen<br />

in Österreich einmarschierten, und es gelang ihm, die tschechische Grenze zu überschreiten, nur<br />

weil seine Frau, die Schauspielerin war, durch Vortäuschung eines hysterischen Ohnmachtsanfalls<br />

die Grenzbeamten überlisten konnte.<br />

Brief an den A utor vom 29. April 1969. Das M anuskript war eine Reinschrift des dritten Satzes<br />

der Variationen op. 27, die W ebern mit der Inschrift „A uf baldiges W iedersehen, lieber Dr.<br />

Kurzmann. Im mer Ihr A nton W ebern 18. Juli 1938“ versehen hatte. Dr. Kurzmann schenkte<br />

später das A utograph Robert Mann vom Juilliard Q uartett. Es befindet sich jetzt in der<br />

Sammlung Robert Owen Lehman in der Pierpont Morgan Library, New York City.<br />

Peter <strong>von</strong> W ebern trat in den Reichsarbeitsdienst ein und erhielt dort eine Schulung für eine<br />

Führungsposition. Das Lager, in das er eingewiesen wurde, befand sich in Bernburg an der Saale.<br />

In einem Brief an seine Schwester Amalie vom 30. O ktober 1938 (WA) beschrieb Peter seine<br />

harte Ausbildung als zukünftiger Truppführer: „Sowohl im Dienst als auch außerhalb des<br />

Dienstes wird vollste und tadellose Disziplin <strong>von</strong> D ir verlangt. . . Unsere Ausbilder und Lehrer<br />

sind lauter Preußen, also kannst Du Dir ja vorstellen, wie es da zugeht. Unser Feldmeister ist ein<br />

Berliner, der hat ein Mundwerk, daß einem ordentlich warm wird, wenn er seine Stimme


erschallen läßt. Diese Schule ist gewiß für uns Österreicher sehr hart, aber sie wird uns bestimmt<br />

nicht schaden, denn wir werden dadurch zu harten und festen Menschen erzogen.“<br />

7 Gespräch mit dem Autor.<br />

8 Gespräch mit dem Autor.<br />

9 Am N eujahrstag 1938 schrieb W ebern an Scherchen: „Es freut mich sehr, daß Sie ,meine“ (so<br />

darf ich wohl sagen) Bach-Fuge in der B.B.C. aufführen! A ber insbesondere auch, daß Sie es mir<br />

mitteilen und so - für mich wenigstens — die Leitung zwischen uns, die mir nach den<br />

unglückseligen Tagen in Barcelona unterbrochen schien, wieder in Gang gebracht haben. Daß<br />

mich damals so gar niemand verstanden hat! Niemand begriffen hat, wie mir war, so unmittelbar<br />

nach Bergs Hinscheiden; daß ich den Aufregungen, die mir die Aufgabe verursachte, sein letztes<br />

W erk zum ersten Male aufzuführen - zu diesem so nahen Zeitpunkt - , einfach nicht mehr<br />

gewachsen war! Bis zum letzten Augenblick hatte ich gehofft, es aushalten zu können. A ber es ist<br />

doch nicht gegangen!“ (Veröffentlicht in die Reihe 2, S. 25)<br />

10 Veröffentlicht in Willi Reich, „Berg und W ebern schreiben an Hermann Scherchen“, Melos<br />

XXXIII (Juli-A ugust 1966), S. 227.<br />

11 Veröffentlicht in „Incontro con A nton W ebern“, II M ondo (3. November 1945). Die folgenden<br />

Auszüge sind der <strong>von</strong> Luigi Dallapiccola autorisierten deutschen Fassung entnommen,<br />

erschienen in Melos XXXII (April 1965): „W eberns Musik ist zu neu, um beim bloßen Lesen<br />

alle Eigenheiten ihrer Klangfarbe zu enthüllen. Und der Wunsch, das W erk eines mir zu wenig<br />

bekannten Künstlers näher kennenzulernen, war ja einer der Gründe, die mich zu dieser Reise<br />

bestimmten. Um Das Augenlicht hören zu können, war es der Mühe wert, durch das grüne<br />

Frankreich und, <strong>von</strong> Möwen umschwirrt, über den Ärmelkanal zu fahren. . . A nton W ebern ist<br />

eine isolierte Erscheinung, die keiner anderen gleicht. E r ist ganz verschieden <strong>von</strong> Arnold<br />

Schönberg, seinem Lehrer, verschieden auch <strong>von</strong> A lban Berg, der ihm Freund und Bruder war.<br />

Man braucht sich nur die Verschiedenheit vor Augen zu halten, um zu schließen, daß das<br />

Zwölftonsystem nicht die Sackgasse sein kann, die so viele darin erblicken wollen; nicht jener<br />

unheilvolle Faktor, der die Musik aller Länder angeblich auf einen gemeinsamen Minimalnenner<br />

reduziert, wie allzu voreilig behauptet und verantwortungslos wiederholt worden ist;<br />

vielmehr eine Sprache, die sehr differenzierte Ausdrucksmöglichkeiten in sich birgt - und<br />

vielleicht werden nicht wir es sein, die ihre Ergebnisse sehen. Was in Das Augenlichtbeim ersten,<br />

leider einmaligen H ören zunächst überrascht, ist die Q ualität des Klangs. Die asketische<br />

Partitur, die beim Lesen tausend problematische Stellen zu bieten scheint , wäre allein genug, um<br />

die Grundlosigkeit soundsovieler Regeln aufzuzeigen, die unsere Lehrbücher der Instrum entierung<br />

sich sozusagen auf dem Erbwege weitergereicht haben. Ich denke da in erster Linie an die<br />

fast abergläubische Furcht, die ihre Verfasser vor der Gefahr jenes Nachlassens in der Partitur<br />

empfinden, das in der Fachsprache als ,Löcher* bezeichnet wird. Statt das Studium der<br />

Spätwerke Bachs zu empfehlen, das demütige und aufmerksame Sich-Vertiefen in die Canones<br />

diversi des Musikalischen Opfers und der Kunst der Fuge, statt <strong>von</strong> K ontrapunkt und Polyphonie<br />

zu sprechen, um den jungen Instrumentierer vor der Gefahr des Quicksand im Orchester zu<br />

warnen, empfehlen diese Theoretiker das Auffüllen der Stimmen - eben das, was in der zweiten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts - und auch in unserem - viel zu viele Partituren hat gestopft wirken<br />

lassen.<br />

W ebern zeigt uns, wie - auch wenn er nicht eigentlich im streng kontrapunktischen Sinn<br />

verfährt - zwei Töne der Celesta oder ein kaum hörbares Tremolo der Mandoline genug sein<br />

können, um Abgründe miteinander zu vereinen, die auf den ersten Blick durch unüberbrückbare<br />

Entfernungen getrennt schienen.<br />

Die Orchesterbesetzung ist aufs Wesentliche beschränkt. Und das gewiß nicht aus einem<br />

Wunsch nach Originalität noch aus dem Verlangen, sich möglichst weit vom Klang des<br />

Wagnerschen oder Strausschen Orchesters zu entfernen. W ebern hat alle Möglichkeiten aller<br />

Instrum ente ergründet und ist imstande, für die orchestrale Zusammensetzung zu schreiben, die<br />

ihm in einem bestimmten Augenblick geboten erscheint.<br />

Das Augenlicht offenbart beim Hören eine Fülle poetischer Harmonie. Stimmen und<br />

Orchester, oft sehr weit <strong>von</strong>einander entfernt, setzen ihre Klangebenen gegeneinander. Die<br />

626


Partitur scheint sich durch jene geheimnisvollen Schwingungen zu bereichern, die eine<br />

W iedergabe unter einer Glasglocke ihr verleihen würde. D er musikalische Aufbau besitzt einen<br />

inneren Rhythmus, der nichts mit dem mechanischen Rhythmus zu tun hat. Gewisse Feinheiten<br />

der Orchestrierung würden eine Behandlung für sich verdienen; so z.B. zu beobachten, wie<br />

W ebern soviel wie möglich jenes brüske Zurückrufen in die Wirklichkeit vermeidet, das durch<br />

das H ervorheben der Tonstärke entsteht und das hier unvermeidlich die traumhafte<br />

A tm osphäre zerreißen würde, die diese hochpoetische Komposition erfüllt. Im Augenblick stellt<br />

der Klang die größte Bereicherung dar, die diese A rbeit mir gegeben hat. Ein Klang, der allein<br />

genügen würde, um mich in Das Augenlicht eines der grundlegenden W erke unserer Zeit sehen<br />

zu lassen. U nd ganz besonders sollte man <strong>von</strong> den musikalischen Anspielungen sprechen, die<br />

gleich allerfernsten harmonischen Tönen aus der dodekaphonischen Serie und ihren Entwicklungen<br />

zu entspringen scheinen.“<br />

12 Kurt List und Humphrey Searle, Schüler <strong>Webern</strong>s.<br />

u Willi Reich, „Berg und W ebern schreiben an Hermann Scherchen“ , S. 227-228.<br />

14 The Daily Telegraph and Morning Postvom 16. März 1938 berichtete über den Vorfall unter der<br />

Überschrift „W arum der Cellist ging“ : „Mr. James W hitehead, der Cellist des Philharmonischen<br />

Trios, der am Dienstag abend nach Beginn der englischen Erstaufführung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

Streichtrio op. 20 das Podium der Wigmore Hall verließ, gab gestern einem V ertreter <strong>von</strong> The<br />

Daily Telegraph and. Morning Post gegenüber seine Version des Vorfalls ab. Das Philharmonische<br />

Trio spielte im dritten Adolph Hallis Kammerkonzert. Nachdem Mr. W hitehead ein paar<br />

Takte gespielt hatte, rief er aus: ,0 , ich kann dieses Ding nicht spielen!“und ging ab, in kurzem<br />

A bstand <strong>von</strong> seinen Kollegen gefolgt. ,Es tut mir leid, aber ich konnte dem Stück keine<br />

Sympathie abgewinnen und handelte aus einem mom entanen Impuls heraus“, sagte er gestern.<br />

,Als ich die Noten zum ersten Mal sah, weigerte ich mich, das zu spielen. Dann ließ ich mich<br />

überreden, daran zu arbeiten, und das bestärkte mich noch in meiner Ansicht. Für mich ist das<br />

keine Musik, sondern ein A lptraum und U nsinn.“Das Komitee der Adolph Hallis Kammerkonzerte<br />

ließ in einer <strong>von</strong> Mr. Adolph Hallis, Mr. Edward Clark, Mr. Christian Darnton und Mr.<br />

Alan Rawsthorne Unterzeichneten Erklärung verlautbaren, daß die Konzerte ein kooperatives<br />

U nternehm en unter finanzieller Beteiligung der Künstler sind, und bei dem sie ihre Zustimmung<br />

geben, die vom Komitee empfohlenen Stücke zu spielen. Das Philharmonische Trio, so heißt es,<br />

habe bereits im Mai seine Zustimmung gegeben, <strong>Webern</strong>s Streichtrio zu spielen, und erst arn<br />

Sonntag zeigten sich Vorbehalte gegenüber dem Werk. Das Komitee bezeichnet Mr. Whiteheads<br />

Verhalten als ,unentschuldbar“ und als einen .Vertrauensbruch gegenüber dem<br />

Publikum“.“<br />

15 Robert wurde später Mitglied der Fakultät für Musik an der Universität <strong>von</strong> New Mexico. Unter<br />

seinen Erinnerungsstücken befand sich ein großes Notenbuch, das seine Harmoniestunden bei<br />

W ebern enthält. WA,<br />

16 Alfred Schlee, “Vienna since the Anschluß”, Modern Music, XXIII (Frühjahr 1946), S. 95.<br />

1' A rnold Schönberg Briefe, S. 210.<br />

18 Zusätzlich zu den hier zitierten Äußerungen erscheinen die Erinnerungen <strong>von</strong> Karl Amadeus<br />

H artm ann im 31. Kapitel.<br />

19 Kurt Manschinger (1902..1968) nahm den Namen Ashley Vernon an, nachdem er sich 1940 in<br />

New York niedergelassen hatte. Das Verzeichnis seiner Kompositionen ist umfangreich und<br />

enthält mehrere O pern und symphonische W erke. Manschingers gesamter musikalischer<br />

Nachlaß befindet sich in den Moldenhauer-Archiven.<br />

20 In einem seiner Vorträge gab W ebern allerdings zu: „ D ie ,Salome“bleibt“. Zitiert <strong>von</strong> Frederick<br />

Deutsch-Dorian, „W ebern als Lehrer“ Melos XXVII (April 1960), S. 104.<br />

21 Stefan W olpe (1902-1972) war russisch-jüdischer und österreichischer Abstammung. E r war<br />

auf dem Weg nach Palästina, <strong>von</strong> wo er 1938 nach Amerika auswandern sollte. In den<br />

Vereinigten Staaten wurde er weithin als Komponist bekannt. Seine Kommentare über W ebern<br />

sind einem Brief an den A utor entnommen.<br />

22 Öhlgießer und Spira, beide jüdischer Abstammung, flohen nach Hitlers Machtergreifung aus<br />

Österreich. Öhlgießer entkam in die Schweiz, wo er sich in Zürich niederließ. Spira, gebürtiger<br />

627


Pole, emigrierte nach England. Öhlgießers Erinnerungen wurden dem A utor in einem Brief<br />

übermittelt.<br />

23 A rnold Eiston (früher Eistein, 1907-1971), in New York City geboren, hatte während seiner<br />

Laufbahn Professuren an den Universitäten <strong>von</strong> Oregon und California inne. Gleichzeitig<br />

machte er sich einen Namen als Komponist und Schriftsteller. Seine Erinnerungen an W ebern<br />

als Lehrer wurden eigens für diese Biographie geschrieben.<br />

24 Roland Leich (geb. 1911), der es bis zu einer Professur am Carnegie-Mellon Institute in<br />

Pittsburgh brachte, ging zu W ebern auf den R at eines früheren Kommilitonen am Curtis<br />

Institute of Music in Philadelphia. D ort hatte er eine vierjährige, rigorose Ausbildung in<br />

K ontrapunkt bei dem konservativen Rosario Scalero erhalten, hatte aber kaum Erfahrung in der<br />

Komposition größerer Formen. Seine Äußerungen über W eberns Unterricht sind in einem Brief<br />

an den A utor enthalten.<br />

25 Nach seiner Rückkehr nach Amerika im Jahre 1935 war Gordon Claycombe (geb. 1909)<br />

zunächst als Musikpädagoge und Journalist tätig, dann in leitender Stellung beim Rundfunk und<br />

als Verwalter eines Krankenhauses. Seine M emoiren wurden eigens für diese Biographie<br />

geschrieben.<br />

26 Humphrey Searle (geb. 1915) kam zu W ebern nach Studien in klassischen Sprachen und<br />

Philosophie an der Universität Oxford. Gleichzeitig hatte er am Royal College of Music in<br />

London bei John Ireland und Reginald Owen Morris Unterricht genommen. In seinen<br />

Kompositionen benützte Searle später eine gemäßigte serielle Technik. Put away the Flutes für<br />

Tenor und sechs Instrum ente entstand 1947 zum G edenken <strong>Webern</strong>s, ebenso wie seine Fünfte<br />

Symphonie aus dem Jahr 1964. (Die Partitur der letzteren befindet sich in den Moldenhauer-<br />

Archiven.) Searle ist der Verfasser des Artikels über W ebern in der 5. Ausgabe <strong>von</strong> Grove’s<br />

Dictionary o f Music and Musicians.<br />

27 Humphrey Searle, “Conversations with W ebern”, The Musical Times 81 (O ktober 1940),<br />

S. 405-406.<br />

28 ebd.<br />

29 Humphrey Searle, “W ebern the Evolutionist”, Sunday Telegraph (London, 16. April 1961).<br />

Die zitierten Auszüge sind Searles Originalmanuskript (WA) entnom men; sie weichen<br />

geringfügig vom gedruckten Text ab.<br />

30 Friedrich Deutsch (geb. 1902) änderte seinen Namen in Frederick Deutsch-Dorian, als er 1936<br />

in die Vereinigten Staaten emigrierte, wo er eine Professor an der Carnegie-Mellon University in<br />

Pittsburgh übernahm. E r ist der Bruder des Schönberg-Schülers Max Deutsch, einem<br />

Dirigenten und Pädagogen, der sich in Paris niederließ.<br />

31 Frederick D eutsch-Dorian, „W ebern als Lehrer“ , S. 102..106.<br />

30. <strong>Webern</strong> und das Dritte Reich (1938-1941). S. 469-484<br />

1 Am 7. November 1938 drang der 17jährige Herschel Grynszpan in die deutsche Botschaft in<br />

Paris ein mit der Absicht, den Botschafter zu töten. E r wollte damit vor der Welt gegen die<br />

Verfolgung der Juden in Deutschland protestieren, vor allem aber gegen die in jüngster Zeit<br />

erfolgte Behandlung <strong>von</strong> Zehntausenden <strong>von</strong> ihnen, darunter sein eigener Vater, die in<br />

Viehwagen nach Polen deportiert worden waren. Ironischerweise tötete der Junge nicht den<br />

Botschafter, sondern seinen 3. Sekretär, Ernst vom Rath, der selbst antinazistischer Haltung<br />

verdächtig war, nachdem er sich geweigert hatte, die Ausschreitungen im Zusammenhang mit<br />

der Durchführung der Nürnberger Gesetze zu billigen.<br />

2 Auch Vergewaltigungen waren Bestandteil der Greueltaten. Nachdem die N ürnberger Gesetze<br />

den Geschlechtsverkehr zwischen Ariern und Juden längst zum Verbrechen erklärt hatten,<br />

wurden die Vergewaltiger konsequenterweise aus der NSDAP ausgeschlossen; alle anderen<br />

Übergriffe wurden im Zuge der Befehlsausführung geduldet.<br />

3 The Rise and Fall o f the Third Reich, S. 586.<br />

628


4 O tto Joki (1891-1963) war nicht nur ein tüchtiger Komponist, er war auch D oktor der<br />

Philosophie und eine A utorität in der lateinischen Sprache. Nachdem er sich in New York<br />

niedergelassen hatte, betätigte er sich als R edakteur bei Associated Music Publishers.<br />

5 D er Taufschein und W eberns Briefe an Jokl sind erhalten geblieben. WA.<br />

6 Das BBC-Programm vom 7. Februar führte den Titel: “The Composer as A rranger” .<br />

7 Es handelt sich hier um den ersten vorhandenen Brief Hildegard Jones an W ebern. WA.<br />

8 W eberns neuer Paß, ausgestellt am 10. Januar 1940, trägt die Swastika des D ritten Reiches auf<br />

dem Umschlag. WA.<br />

9 Am 7. Februar 1940 machte W ebern in der Schweiz Gebrauch <strong>von</strong> der Möglichkeit,<br />

Nachrichten an seine Freunde im Ausland zu schicken; so schrieb er an David <strong>Josef</strong> Bach: „Ist<br />

sie [die Passacaglia] vielleicht (nach 32 Jahren) schon ein Stück Geschichte geworden?“<br />

10 In Basel waren bereits zwei Uraufführungen <strong>von</strong> Bartök gespielt worden: Musik für<br />

Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta (im Jahre 1937) und Sonate für zwei Klaviere und<br />

Schlagzeug (im Jahre 1938). Am 11. Juni 1940, eine Woche vor W eberns Brief an Reich, hatte<br />

die U raufführung des <strong>von</strong> B artök für das Basler Kammerorchester geschriebenen Divertim entos<br />

für Streichorchester stattgefunden.<br />

11 Brief an den Autor.<br />

12 Eduard Steuermann erzählte: „Später entdeckte ich, daß er [Zenk] außerdem noch ein<br />

waschechter Nazi war. Also wieder eine Variante des W iener ,doppelten K ontrapunkts1.“<br />

(G ünther Schüller, “A Conversation with Steuerm ann” , S. 28).<br />

13 Diese Begebenheit wurde dem A utor <strong>von</strong> Polnauer berichtet, der auch seinen Briefwechsel mit<br />

W ebern zur Verfügung stellte. WA.<br />

14 Dem A utor <strong>von</strong> Steuermann kurz vor seinem Tode mitgeteilt.<br />

15 A rnold Schönberg, Style and Idea, S. 41.<br />

16 Schönbergs letzte erhalten gebliebene Nachricht an W ebern war die am 28. Januar 1941 datierte<br />

Anzeige <strong>von</strong> der G eburt seines Sohnes Lawrence am Tag zuvor.<br />

31. Krieg - <strong>Webern</strong>s 60. Geburtstag - <strong>Webern</strong>-Bildnisse (1940-1943).<br />

S. 485-507<br />

1 Im Faksimile reproduziert in die Reihe 2, Abb. 3.<br />

2 W eberns M anuskript befindet sich im Archiv der Universal Edition, Wien.<br />

3 Veröffentlicht in die Reihe 2, S. 29.<br />

4 „Incontro ccm <strong>Anton</strong> W ebern“, II Mondo, Florenz, 3. November 1945. Autorisierte deutsche<br />

Übersetzung: Melos XXXII, Nr. 4, S. 115-117.<br />

Gespräch mit dein Autor,<br />

6 1936 wurde sein Firstes Streichquartett in Genf im Carillon-W ettbewerb mit dem ersten Preis<br />

ausgezeichnet und 1938 in London beim IGNM -Pest gespielt. 1937 erhielt seine Kantate<br />

A nno ’48-Friede einen Preis <strong>von</strong> der Emil-Hertzka-Gedächtnis-Stiftung. Zu seinen frühen<br />

Kompositionen zählt auch eine Oper, Simplicius Simplicissimus. Karl Amadeus Hartmann<br />

(1905-1963) war eine Persönlichkeit <strong>von</strong> überschäumendem Tem peram ent und großem<br />

Charme. Politisch gehörte er zu einer kleinen Gruppe <strong>von</strong> Deutschen, die <strong>von</strong> Anfang an in<br />

kompromißloser Opposition zum Hitler-Regime standen. E r entging dem Militärdienst, indem<br />

er sich wiederholt für längere Zeit verborgen hielt, und begründete mit ein paar zuverlässigen<br />

Freunden den Kern einer Widerstandsbewegung. Nach dem Kriege organisierte er die Musica<br />

Viva in seiner V aterstadt München. Mit seinen acht Symphonien wurde er zu einem<br />

herausragenden V ertreter der deutschen symphonischen Tradition.<br />

' Zitiert aus „Lektionen bei A nton W ebern“ , Karl Amadeus Hartmann, Kleine Schriften,<br />

S. 26-32. Das künstlerische Tem peram ent Hartmanns prädestinierte ihn zu einer musikalischen<br />

Ausdrucksweise, die dein Stil Alban Bergs (dem er sein frühes Chorwerk A nno ’48-Friede<br />

widmete) naher kam als dem <strong>Webern</strong>s. Dies scheint der junge Komponist deutlich empfunden<br />

zu haben, denn er sandte seiner Frau vor seiner Heimreise <strong>von</strong> Wien nach München am<br />

629


14. November 1942 das folgende Telegramm: . . H EU T E G EH T D E R KURS ZU EN D E<br />

SEHR INTERESSANT A B E R MIR FREM D K EIN KONTAKT MIT W EBERN . .<br />

8 In Schriften <strong>von</strong> Borris, Craft, Kolneder u. a.<br />

9 Gespräch mit dem Autor.<br />

10 Brief an den Autor.<br />

11 Brief an den Autor.<br />

12 Gespräch mit dem Autor.<br />

13 Am nächsten Tag schickte W ebern einen Brief an das junge Paar, das sich auf dem Wege nach<br />

Garmisch -Partenkirchen befand, nach München. Mit rührender Sorge gab er Peter eingehende<br />

Ratschläge für seine Reise, vor allem wie er am besten U nterkünfte finden könne, die durch die<br />

Kriegsumstände knapp waren. Indem er den Umschlag mit „Peter <strong>von</strong> W ebern“ adressierte, sah<br />

der Vater, wie stets, darauf, daß die adelige Familientradition gewahrt bliebe, die seinen<br />

Kindern vor Augen zu halten er nie müde wurde. WA.<br />

14 Am 15. Mai 1935.<br />

15 Die Wellen der japanischen Aggression bestimmte die Kriegsführung der Vereinigten Staaten<br />

im Pazifischen Raum, und die volle Mobilisierung der amerikanischen Streitkräfte und Industrie<br />

benötigte Zeit. Mittlerweile, während des Spätsommers 1942, gingen die westlichen Alliierten<br />

durch ihre dunkelsten Stunden. Die Achsenstreitkräfte unter Rommel ergossen sich nach<br />

Ägypten und bedrohten den Suez-Kanal. An der russischen Front wurde eine konzentrierte<br />

Offensive gegen Stalingrad eingeleitet. Im Atlantischen Ozean führten deutsche U -Boote ihr<br />

Regiment und kreuzten sogar längs den Küsten der Vereinigten Staaten und im Golf <strong>von</strong><br />

Mexiko; alliierte Schiffe wurden in nie dagewesenen Mengen versenkt.<br />

16 Am 2. Februar 1943 mußten sich 330 000 Truppen der Achsenmächte den Russen ergeben.<br />

17 Nach ihrem Sieg <strong>von</strong> Stalingrad gingen die Russen im Osten zu fast ununterbrochenen<br />

Offensiven über. Im Mittelmeerraum eroberten die Alliierten, nachdem sie den Feind aus<br />

Afrika vertrieben hatten, im Juli und August Sizilien. Es folgte die Invasion des italienischen<br />

Festlandes.<br />

18 Zitat aus Schönbergs Vorwort zu W eberns Sechs Bagatellen op. 9.<br />

19 Einer <strong>von</strong> denen, der W eberns Jubiläumsgeburtstages ohne dessen Wissen gedachte, war Luigi<br />

Dallapiccola; er machte die folgende Eintragung in sein Tagebuch: „Fiesole, 3, Dezember 1943.<br />

H eute wird <strong>Anton</strong> W ebern sechzig Jahre alt. ,Eine einsame Seele, die sich am Glauben h ä lt. .<br />

In Florenz, wie übrigens nunmehr in allen italienischen Städten, nimmt die Verfolgung ein<br />

beängstigendes Tempo an. Auch ich fühle mich heute mehr denn je als eine einsame Seele . . .<br />

Ich sagte, ich würde dem Meister meine Sex Carmina Alcaei, die ich nach dein Kriegsende<br />

übergeben will, mit dem Zagen widmen, das wohl kennt, wer sein eigenes W erk dem Urteil eines<br />

Mannes unterbreitet, der so viel mehr ist als er. (Veröffentlicht in „Incontro con <strong>Anton</strong><br />

W ebern“).<br />

20 D er Beginn der Entstehung der Arbeit fiel in die Adventszeit 1941, als die Dichterin <strong>Webern</strong> die<br />

Photographie eines Selbstporträts geschickt hatte, auf das sie die ersten Zeilen <strong>von</strong> „Schöpfen<br />

aus Brunnen des Himmels“ geschrieben hatte, eines der Gedichte, das in die neue Kantate<br />

einging. Auf die Rückseite schrieb sie eine Botschaft: „Eigentlich weiß ich ja gar nicht, ob Dir<br />

die Zeichnungen etwas Wesensnahes zu sagen haben, - mir sind sie gegenwärtig die<br />

notwendigste Aussage.“ In seinem Weihnachtsbrief dieses Jahres erwiderte W ebern mit einem<br />

Notenzitat aus „Freundselig ist das W ort“, der Chorpassage, die den Kantatensatz eröffnet, an<br />

dem er damals arbeitete. W ährend des folgenden Sommers (1942) begann Hildegard Jone, sich<br />

auf Lithographien zu konzentrieren. Auf sie bezog sie sich, als sie W ebern am 9. Juli schrieb: „Es<br />

liegen ja Lebensjahrzehnte in so einigen Linien. Die Klarheit auszusagen, das verlangt Zeit u. ist,<br />

wenn es irgendwo gelingt, vielleicht ein Augenblick der Ewigkeit. Man könnte noch einfacher<br />

sagen: Das Zeitlose verbraucht viel Lebenszeit.“<br />

21 D er Künstler starb am 5. April 1941 in Spandau als politischer Gefangener der NSDAP.<br />

22 Hildegard Jone schuf dieses berühm te Gemälde im H erbst 1945, als sie noch frisch unter dem<br />

Schicksalsschlag <strong>von</strong> W eberns Tod stand. Die Darstellung ist <strong>von</strong> einer Atmosphäre<br />

erschreckender Dramatik (die Künstlerin berichtete, daß sie es während eines tobenden<br />

630


Gewitters malte). Dem gleichen Erlebnis entsprangen auch mehrere Gedichte, die der A utor auf<br />

Ersuchen der Dichterin 1963 zu einem Zyklus mit dem Titel „Requiem in memoriam A nton <strong>von</strong><br />

W ebern“ zusammenstellte.<br />

23 Alle diese Kunstwerke befinden sich im W ebern Archiv mit Ausnahme der folgenden:<br />

Kokoschkas Ö lporträt (Sammlung Charlotte Knize, New York City), Dolbins Zeichnungen<br />

(Sammlungen Benedikt F. Dolbin, New York City, und A ndre Meyer, Paris), Zeichnung <strong>von</strong><br />

R ederer (Margit Rederer, Zürich) und Schieies Zeichnung <strong>von</strong> 1917 (Jacob Kaplan, New York<br />

City). Die andere Schiele-Zeichnung (1918) und die Kokoschka-Zeichnung (1912) befinden<br />

sich in ungenannten Privatsammlungen.<br />

32. Opus 29-31 (1938-1944). S. 508-533<br />

1 Das M anuskript, das W ebern schickte, ist eine der schönsten seiner Partituren, die sich alle<br />

durch vorzügliche Kalligraphie auszeichnen. Zehn Jahre zuvor, am Anfang ihrer Bekanntschaft,<br />

hatte der Komponist der Dichterin ebenfalls eine exquisite Partitur geschenkt, die Reinschrift<br />

seines Doppelkanons Fahr hin, o Seel’ aus den Fünf geistlichen Liedern op. 15. Im Mai 1962<br />

überm ittelte sie beide Autographe zusammen mit der II. K antate dem A utor anläßlich des<br />

Ersten Internationalen <strong>Webern</strong>-Festivals in Seattle.<br />

2 U ndatierter Brief, in dem Hildegard Jone den Wunsch äußerte, daß der Satz lediglich Kleiner<br />

Flügel anstatt Kleiner Flügel Ahornsamen genannt werde.<br />

3 Die Texte lauten:<br />

Blitz und Donner<br />

Zündender Lichtblitz des Lebens schlug ein aus der Wolke des Wortes.<br />

D onner, der Herzschlag, folgt nach, bis er in Frieden verebbt.<br />

Das Prisma<br />

Wird Dir das Herz zum Christall, so läßt es leicht sich bewegen:<br />

wird so zum Prisma des Lichts, das alle Farben umfaßt.<br />

Doppelte Gabe<br />

Alles war doppelt geschenkt mir was je mir als Freude gegeben:<br />

ging mit der Träne des Lids über zum Thau meines Lieds.<br />

4 Die Uraufführung fand in London auf dem ersten IGNM -Fest nach dem Kriege statt. Wieder<br />

war es England, das führend war in der Anerkennung <strong>von</strong> '<strong>Webern</strong>s Genius und seiner Musik den<br />

Weg zur Rückkehr in die Konzertsäle ebnete, sobald das Tosen der Schlachten verstummt war.<br />

Das W erk wurde am 12. Juli 1946 vom Orchester und Chor der BBC unter der Leitung <strong>von</strong><br />

W eberns einstigem Schüler und neu ernannten Dirigenten der Covent-G arden-O per Karl<br />

Rankl vorgestellt. Emelie H ooke sang das Sopransolo. Die Aufführung wurde allgemein als der<br />

H öhepunkt des Festes gerühmt. Humphrey Searle berichtete in The M onthly Musical Record<br />

(Dezember 1946): ,,. . . während des ganzen Stückes ist man gebannt <strong>von</strong> den außerordentlichen<br />

klanglichen Qualitäten, die erzielt werden. Wie die meisten Spätwerke W eberns ist auch<br />

dieses wie ein Mosaik aus kleinen, <strong>von</strong> den verschiedenen Instrum enten beigesteuerten<br />

Fragmenten zusammengesetzt; doch geschieht das nicht auf impressionistische oder pointilistische<br />

A rt, sondern nach architektonischer Gesetzmäßigkeit, und die kristallklare Struktur bindet<br />

logisch wie eine Bach-Fuge.“<br />

5 Hildegard Jone, „Eine K antate“, die Reihe 2, S. 14.<br />

6 Zehn Jahre nach dem Tode des Komponisten wurde Hildegard Jone um einen Beitrag zur<br />

W ebern-Gedenkausgabe <strong>von</strong> die Reihe, einer der seriellen Musik gewidmeten Zeitschrift,<br />

gebeten. Ihr Artikel, betitelt „Eine K antate“ , ging aus <strong>von</strong> ihrer Erinnerung an dieses<br />

Zusammensein in kleinstem Kreis im August 1940. Indem sie W eberns tragischen Tod zum<br />

überhöhenden Ausgangspunkt machte, erläuterte sie die Essenz ihres Chariten-Textes: „Was<br />

mir das W ort A nm ut bedeutet, sagt das Gedicht; vor allem bedeutet sie mir unendlich mehr als<br />

631


ein mit dem schwersten Ernst Nicht-zu-Verneinendes. A nm ut vermag ja selbst das Reinste und<br />

Tiefste des Lebensernstes zu sein, sie ist nicht nur der Hauch der Schönheit alles Heilen und<br />

Ganzen, sie ist auch das Heilen des W unden und die gute Hinnahme des Unheilbaren . . .<br />

Anm ut ist Mut, die O rdnung der W elt aus der Liebe zu versuchen!“<br />

7 Diese Schätzung, wie auch die Hildegard Jone gegenüber gemachte <strong>von</strong> zwanzig Minuten, liegt<br />

weit über den im allgemeinen bei Aufführungen erzielten Spieldauern.<br />

8 Nicht ganz so fachmännisch war die Beschreibung der Variationen, die W ebern Hildegard Jone<br />

im gleichen M onat gab, in dem er Reich seinen Kommentar schickte. Am 19. Mai 1941 bat ihn<br />

die Dichterin, ihr Genaueres über sein neues W erk mitzuteilen: „Es ist doch so schön, was man<br />

gefunden hat, auch in W orten zu haben. Bei meiner Malerei geht es mir immer so.“ Hocherfreut<br />

antwortete der Komponist am 26. Mai: „Wie mir Deine Frage teuer ist! Stelle Dir vor: da sind<br />

sechs Töne gegeben, in einer Gestalt, die durch die Folge und den Rhythmus bestimmt ist und<br />

was nun kommt (in der D auer dieses ungefähr 20 M inuten langen Stückes) ist nichts anderes als<br />

immer wieder diese Gestalt!!!! Freilich in fortwährender ,M etamorphose“ (im musikalischen<br />

heißt dieser Vorgang ,Variation“) - aber sie ist es mir doch immer wieder. Goethe sagt vom<br />

,U rphänom en‘:<br />

,ideal als das letzte Erkennbare,<br />

real als erkannt,*<br />

symbolisch weil es alle Fälle begreift,<br />

identisch mit allen Fällen.“**<br />

* In meinem Stück ist sie doch das, nämlich die erwähnte Gestalt! (Der Vergleich soll ja nur den<br />

Vorgang verdeutlichen.)<br />

** Nämlich in meinem Stück! Das tut sie doch!<br />

Aus dieser Gestalt wird nun zunächst das ,Them a“ und dann folgenden 6 Variationen dieses<br />

Themas. Das ,Them a“ selbst stellt aber, wie gesagt, ja selbst schon nichts als Variationen<br />

(M etamorphosen dieser ersten Gestalt) dar. Als Einheit ist es wieder Ausgangspunkt für<br />

neuerlich .Variationen“. A ber dieses Thema mit seinen 6 Variationen ergibt schließlich und<br />

endlich in formaler Hinsicht einen Bau, der gleichzusetzen ist dem eines ,Adagios“, aber dem<br />

Charakter, dem Inhalt nach ist mein Stück das gar nicht - sondern nur der Form nach. D enk’<br />

etwa an eine klassische .O uvertüre“. Also, wenn ich das Stück auch .Variationen“betitelt habe,<br />

so sind die doch ihrerseits wieder verschmolzen zu neuer Einheit (im Sinne einer anderen Form).<br />

So und so viele Metamorphosen der ersten Gestalt ergeben d a s,Them a“. Dieses als neue Einheit<br />

geht wieder durch so und so viele Metamorphosen; diese wieder zu neuer Einheit verschmolzen,<br />

ergeben die Form des Ganzen. So ungefähr also die Gestalt des ganzen Stückes. Vielleicht sagen<br />

Dir diese Ausführungen doch etwas.“<br />

9 In seinem Brief an Reich vom 23. August 1941 verlieh W ebern seiner Enttäuschung Ausdruck:<br />

„Sollte wirklich ein Mensch wie Sacher - um auf diesen Fall zurückzukommen .. solchen<br />

Gedankengängen ganz unzugänglich sein? [<strong>Webern</strong> meint damit die Naturgesetze, denen nach<br />

seiner Ansicht die Zwölftonkomposition gehorcht.] W enn er, wie er versichert (in seinem<br />

Schreiben an die U. E.) kein .Publikum“ für die Wahrheit hat, ist er nur selber schuld! Ich war<br />

übrigens nicht so sehr überrascht <strong>von</strong> dem negativen Ergebnis und bin daher auch nicht so<br />

sonderlich enttäuscht. Seien Sie jedenfalls noch ganz besonders für Ihre Bemühungen bedankt,<br />

lieber Freund, und seien Sie nur ja nicht verdrossen: wir bekommen noch recht! Grüßen Sie<br />

Sacher herzlich <strong>von</strong> mir. Sagen Sie ihm: ich weiß, auch er wird mir noch recht geben!“<br />

10 In Hildegard Jones M anuskript ist der Titel des Gedichts „Freund-selig“ geschrieben, eine<br />

Manier, mit der sie häufig familiären W örtern einen neuen Sinn geben wollte, wie etwa<br />

„Er-leben“ oder „N eu-werden“ .<br />

11 Hildegard Jones M anuskript des Textes (aus dem Zyklus Alle Glocken, eine Abteilung der<br />

unveröffentlichten Sammlungen Der M ohnkopf) trägt die Überschrift „Ne avertas faciem tuam<br />

a me“ („Mögest du dein Gesicht nicht <strong>von</strong> mir abwenden“). Die zwei Anfangszeilen standen<br />

unter der Photographie des Selbstporträts, die Hildegard Jone den W eberns zur Adventszeit<br />

1941 schickte. Sie zitierte damals die Verse als M otto für die Festtage unter dem Titel Glocken<br />

632


der Weihnacht und W ebern erwiderte mit einer Notenstelle aus Freundselig ist das Wort, dem<br />

Satz, der damals in A rbeit war.<br />

12 Die Partituren, die W ebern den <strong>Humplik</strong>s jeweils nach Vollendung eines Satzes schickte,<br />

wurden <strong>von</strong> Hildegard Jone in einer M appe aufbewahrt, die mit „Die große Kantate, die 2.<br />

K antate 1944 Freundseligkeit“ beschriftet war. WA.<br />

13 Faksimilereproduktion in <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches (1926 -1945), Abbildung 40.<br />

14 Die Schallplattenaufnahme <strong>von</strong> Pierre Boulez (W estminster) dauert etwas über 12 Minuten und<br />

die <strong>von</strong> R obert Craft (Columbia) nur 10 Minuten 30 Sekunden.<br />

15 Polnauer bringt in seinen Anmerkungen zur Ausgabe der Korrespondenz beide Hinweise<br />

irrigerweise mit W eberns letzter unvollendeter Kantate, dem vermutlichen Opus 32, in<br />

Verbindung.<br />

16 Theodor W. Adorno, Klangfiguren, S. 178.<br />

17 Strawinsky, fasziniert <strong>von</strong> dem Choral-Satz, machte sich eine handschriftliche Kopie (wie er es<br />

zuvor schon mit der Bearbeitung des Ricercar <strong>von</strong> Bach getan hatte). Robert Craft berichtete,<br />

daß Strawinsky „die Musik auf eine einzige metrische Einheit reduzierte, nicht um W ebern zu<br />

,korrigieren1, sondern um sich selbst das Lesen des musikalischen Ablaufs zu erleichtern“ (Brief<br />

an den Autor).<br />

33. Krieg in der Heimat - Peters Tod (1943-1945). S. 534-548<br />

1 Das Kind wurde am 13. September, dem Geburtstag Schönbergs, geboren, ein Umstand, dem<br />

W ebern viel Bedeutung beimaß.<br />

2 Bis zum Anfang des Jahres 1944 hatten die Alliierten eine überwältigende Übermacht in der<br />

Luft erzielt. Unablässige Luftangriffe trugen Zerstörung in noch nie dagewesenem Ausmaß in<br />

G roßstädte wie Hamburg, Köln und Berlin. Strategische Verkehrsknotenpunkte und Industrieanlagen<br />

im ganzen <strong>von</strong> den Deutschen besetzten Europa wurden systematisch verwüstet. Die<br />

konzentrierte Luftoffensive galt der Vorbereitung der Landung alliierter Truppen in der<br />

Normandie am 6 . Juni. Nach erbitterten Kämpfen dort und in der Bretagne, sowie einer<br />

weiteren alliierten Landung in Südfrankreich am 15. August, sahen sich die Deutschen einer<br />

soliden Front im Westen gegenüber. Im Süden war der Fortschritt der alliierten Kampagne<br />

langsam, aber stetig. Nach blutigen Schlachten urn Anzio und Cassino fiel Rom am 4. Juni. An<br />

der Ostfront ergossen sich die russischen Armeen durch die baltischen Staaten, Ostpolen,<br />

Belorußland und die Ukraine und erzwangen die Kapitulation Rumäniens am 23, August.<br />

Finnland folgte am 4. Septem ber und Bulgarien am 10. September. Die deutschen Truppen<br />

begannen ihren Rückzug aus dem Balkan.<br />

3 Edwin Komauer, „Kurze Selbstbiographie“, Jahresbericht des Musikvereins fü r Kärnten (1943),<br />

S. 18.<br />

4 W ebern wurde trotz einer mit dem 6 . April 1944 datierten Beglaubigung der Universal Edition<br />

eingezogen, die seine Bedeutung als Komponist und Lehrer unterstrich. Das D okum ent begann<br />

mit der Feststellung, daß W ebern „Mitglied zweier Fachschaften der Reiehsmusikkarnrner“ sei,<br />

und ersuchte, „H errn Dr. W ebern <strong>von</strong> einer Dienstleistung freizustellen“ .<br />

5 Sie heiratete später den H aydn-Forscher IT. C. Robbins Landon und machte sich selbst einen<br />

Namen als Schubert-Expertin. Im H erbst 1977 kam sie bei einer Flugzeugkatastrophe auf<br />

M adeira ums Leben.<br />

6 In diesem Brief zitierte Hildegard Jone, was der bedeutende A rchitekt Rudolf Schwarz ihr<br />

geschrieben hatte, als sein prachtvolles Haus, das er selbst entworfen hatte, in einem anderen<br />

Angriff am 20. Juli völlig zerstört wurde: „Wo so unsäglich Werteres stirbt oder bedroht ist, sind<br />

solche Schläge kaum verspürbar. Man denkt nicht daran, da so viel Schlimmeres hereinstürzt.<br />

W ären es nur schwere oder bittere Dinge, die da kommen wollen, dann könnte man sie<br />

hinnehmen wie die leichten, jedes zu seiner Zeit. A ber was da kommen will ist eingewoben in das<br />

Mysterium iniquitatis |M ysterium des Bösen], Gebe G ott, daß wir alle am rechten O rt stehen,<br />

wenn sie da sind.“<br />

633


7 Die Aufstellung fand sich in W eberns Nachlaß. WA.<br />

8 <strong>Humplik</strong>s A telier war schon bei zwei früheren Angriffen schwer beschädigt worden. Nach dem<br />

zweiten hatte Hildegard Jone W ebern am 2. O ktober geschrieben: „W ir haben arge Sorgen<br />

wegen Seppis neuer Figur, die nun schon Tag u. Nacht unter Wasser steht.“<br />

9 Hildegard Jone bat W ebern, ihr Abschriften der betreffenden Texte zukommen zu lassen, da<br />

ihre Manuskripte in einem Luftschutzkeller sichergestellt worden seien. Die Reinschriften des<br />

Komponisten fanden sich später im Nachlaß der Dichterin, die sie in einer M appe mit<br />

Brokateinband auf bewahrt hatte. WA.<br />

10 Zuerst wollte Hildegard Jone, daß W ebern selbst die Gedichte lese und begründete dies in ihrem<br />

Brief vom 25. April 1944: „Irgendwie ist im <strong>von</strong> Dir gesprochenen W ort ja schon ganz die<br />

Musik, die Du ihm abhörst: eben D eine Musik.“ W ebern lehnte ab, da er nicht als Mitwirkender<br />

auf dem Programm erscheinen wollte. E r erinnerte die Dichterin an den tiefen Eindruck, den sie<br />

kurz zuvor mit Rezitationen <strong>von</strong> G oethe und eigenen W erken auf ihn und seine Frau gemacht<br />

habe und drang in sie, die Lesung selbst zu übernehmen. Sie weigerte sich jedoch.<br />

11 Die Gründlichkeit, mit der W ebern dieses kleine Ereignis vorbereitete, geht aus vier erhalten<br />

gebliebenen Briefen an Riemerschmid hervor. Am 3. Dezember 1944 drückte W ebern ihm<br />

seine Freude darüber aus, daß sein Vortrag so bemerkenswert mit seiner eigenen Auffassung<br />

<strong>von</strong> den Gedichten übereingestimmt habe.<br />

12 Peter <strong>von</strong> W ebern wurde in einem namenlosen Massengrab bestattet. Es war eine seltsame<br />

Fügung des Schicksals, daß der letzte männliche Sproß der Linie der Familie in derselben Stadt<br />

zu Grabe getragen wurde, in der sein U r-U rgroßvater <strong>Josef</strong> Eduard <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> 1812 geheiratet<br />

hatte, und aus der die späteren Generationen hervorgegangen waren.<br />

13 Alle Erinnerungen Hermine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s, die in ihren Tagebüchern und Briefen belegt sind,<br />

wurden dem A utor 1968 in einer Reihe <strong>von</strong> Gesprächen mitgeteilt.<br />

14 Zusammen mit der gedruckten Todesanzeige verschickte W ebern persönliche Schreiben an<br />

seine engsten Verwandten und Freunde. Alle tragen das D atum 8 . März 1945 und die fast<br />

gleichlautenden Briefe an W eberns Schwester Rosa und ihren Mann, an Ludwig Zenk und die<br />

<strong>Humplik</strong>s sind erhalten geblieben. D er Text wurde in <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> Briefe an Hildegard Jone<br />

und <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>, S. 62-63, abgedruckt.<br />

34. Katastrophe und Flucht (1945). S. 549-5 6 1<br />

1 N ach der Schließung aller W iener T h eater im Septem ber 1944, einschlief Theaters in<br />

der <strong>Josef</strong>stadt, wo Z en k engagiert war, m ußte er sich zunächst für den W eh id dann für<br />

die A rbeit in einer W affenfabrik registrieren lassen. A ufgrund eines Nervemctucus, das eine<br />

Lähm ung seiner linken H and zur Folge hatte, w urde er für untauglich erklärt. U m W eihnachten<br />

w urde er als N achtluftschutzw art der G esellschaft der M usikfreunde zugeteilt, die sich im<br />

gleichen G ebäude befand wie die U niversal Edition. M itte F ebru ar 1945 fand er sich plötzlich<br />

zum V olkssturm eingezogen, einer T ruppe, die aus M ännern bestand, die zum regulären<br />

W ehrdienst untauglich waren.<br />

2 B rief <strong>von</strong> Ludwig Z en k an E rnst D iez, geschrieben am 10. D ezem ber 1946.<br />

3 Z uvor, im Januar, w aren die R ussen in O stpreußen und der Tschechoslow akei einm arschiert.<br />

Rasch ero b erten sie alle G ebiete östlich der O der und setzten zu ihrem A ngriff auf B erlin an.<br />

4 Die rigorose Disziplin, die <strong>von</strong> den Luftschutzwarten ausgeübt wurde, führte beinahe zur<br />

Entdeckung <strong>Josef</strong> Polnauers, der sich seit 1943 versteckt gehalten hatte. W ährend eines<br />

besonders schweren Luftangriffs suchte er Schutz in einem öffentlichen Bunker. Als die Tore<br />

verschlossen waren, erfolgte eine unerwartete Überprüfung der K ennkarten. Polnauer war<br />

außer sich vor Angst. Doch die Entwarnung wurde gegeben, kurz bevor die Kontrolle bis zu ihm<br />

vordrang und jederm ann konnte gehen. So entging Polnauer um Haaresbreite der Verhaftung<br />

und der sicheren Deportation in ein Konzentrationslager. (Dieser Vorfall wurde dem Autor <strong>von</strong><br />

Polnauer selbst erzählt.)<br />

5 Brief an den Autor.<br />

634


6 Die Fahrkarte für diese Bahnfahrt bewahrte W ebern bei seinen Papieren auf. WA.<br />

7 Dieses und folgende Zitate aus Amalie Wallers Bericht wurden erstmals in Hans M oldenhauer<br />

Der Tod <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s veröffentlicht.<br />

8 Einer dieser Flüchtlinge war Heinrich Walz, im Privatleben ein namhafter Dresdner<br />

Goldschmied, der Unteroffizier in der Waffen-SS gewesen war. E r hatte in einer abgelegenen<br />

A lm hütte hoch oben über dem Felber Tal Zuflucht gesucht. Als er erfuhr, welche Einstufung ihn<br />

automatisch wegen seiner politischen Vergangenheit erwartete, nämlich bis zu zwanzig Jahren<br />

verschärften Kerkers, erschoß er sich und seine hübsche Frau. Ihre Leichen, die ein Hirtenjunge<br />

in einer Bergwiese verscharrt hatte, wurden Jahre später (1962) auf den Friedhof <strong>von</strong> Mittersill<br />

überführt.<br />

9 Zwei Jahrzehnte lang lagen die Überreste, einschließlich eines Koffers mit Manuskripten,<br />

vergessen in dem Versteck. Ein ausführlicher Bericht über ihre W iederentdeckung im Jahre<br />

1965 findet sich in Hans M oldenhauer “In Quest of W ebern”, Saturday Review (New York,<br />

27. August 1966), S. 47-49, 60 und in Hans M oldenhauer “A W ebern Pilgrimage”, Musical<br />

Times (London, Februar 1968), S. 122-127.<br />

10 Gespräch mit dem Autor.<br />

11 Diese Botschaft <strong>von</strong> 10 W orten ist erhalten, wie auch ähnliche, die W ebern am gleichen Tage<br />

den <strong>Humplik</strong>s und Ludwig Zenk schickte. Sie waren alle unglaublich lange unterwegs. Mit einem<br />

Salzburger Poststempel vom 12. O ktober versehen, mehr als drei Monate nachdem sie <strong>von</strong><br />

Mittersill abgegangen waren, erreichten sie ihre Empfänger erst Mitte O ktober, einen ganzen<br />

M onat nach W eberns Tod. D er Text der Postkarte an die <strong>Humplik</strong>s ist in A nton <strong>Webern</strong> Briefe<br />

an Hildegard Jone und <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>, S. 63, wiedergegeben.<br />

12 Veröffentlicht in die Reihe 2, S. 28.<br />

35. Mittersiller Notizbuch - Das vermutliche Opus 32 (1944-1945). S. 562-570<br />

1 M agda <strong>von</strong> Graedcner-Hattingberg, R ilke und Benvenuta/Ein Buch des D ankes (W ien:<br />

W ilhelm A nderm ann V erlag, 1943). Die R ilke-Z itate in diesem K apitel stam m en aus dieser<br />

Q uelle mit A usnahm e der letzten zwei.<br />

2 E benfalls eingelegt war ihr Zyklus Enthüllte Form (Distichen um 5 im Kriege entstandene<br />

Plastiken <strong>von</strong> 1 9 4 1 -4 4 ).<br />

3 A n to n <strong>von</strong> W ebern: Perspectives,'S. 111-112.<br />

4 In der Beilage zum Schallplattenalbum A n to n <strong>Webern</strong>: The Complete M usic zitiert Robert Craft<br />

irrtüm licherw eise eine der früheren Versionen der Reihe.<br />

3 Hildegard Jone hatte mit <strong>Webern</strong> eine grenzenlose B ew underung für dieses W erk gemein. Ihr<br />

N achlaß enthielt ein neunseitiges M anuskript in ihrer H andschrift betitelt „Stellen, die <strong>Anton</strong><br />

<strong>Webern</strong> aus der Farbenlehre abgeschrieben h a t“ . Die A uszüge gew ähren einen Einblick in die<br />

wissenschaftlichen V orstellungen, die den K om ponisten dazu bewogen, A nalogien zu seinen<br />

eigenen ästhetischen E rkenntnissen zu ziehen.<br />

6 Polnauers Wiedergabe dieses Textes, der sich in seinen A nm erkungen zu der V eröffentlichung<br />

der B riefe W eberns an die H um pliks findet, enthält verschiedene A bw eichungen: zweifellos<br />

hatte er Schw ierigkeiten, W eberns H andschrift im Skizzenbuch, das seine einzige Q uelle war, zu<br />

entziffern.<br />

7 P o stkarte vorn 23. D ezem ber 1944.<br />

36. <strong>Webern</strong>s Tod (15. September 1945). S. 571-581<br />

1 Das wurde dem A utor <strong>von</strong> W eberns Töchtern Amalie und M aria berichtet.<br />

2 Cesar Bresgen „W eberns letzte Monate in Mittersill“, A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Perspectives,<br />

S. 111-115. Die nachfolgenden Zitate stammen aus der gleichen Quelle.<br />

3 1 Dekagramm = 10 Gramm.<br />

635


4 Aus einem Brief an den A utor vom 17. Mai 1960.<br />

5 Zur vollständigen Dokum entation siehe Hans Moldenhauer, Der Tod <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s, Ein<br />

Drama in Dokumenten. Alle Briete und Dokumente, die in diesem Buch angeführt werden,<br />

befinden sich im WA.<br />

6 Wiener Kurier, 10. O ktober; österreichische Volksstimme, Zentralorgan der Kommunistischen<br />

Partei Österreichs, 12. O ktober; Österreichische Zeitung, Zeitung der Roten Arm ee für die<br />

Bevölkerung Österreichs, 20. O ktober 1945.<br />

7 Vom A utor der vorliegenden Biographie.<br />

8 Brief an den A utor vom 7. April 1960.<br />

Epilog: Wilhelmine - „Die Ära <strong>Webern</strong>“. S. 5 8 2 -5 9 1<br />

1 Später Boelke-Bomart, Inc., Hillsdale, New York.<br />

2 Die Originalzeichnung befindet sich im <strong>Webern</strong>-Archiv.<br />

3 Am 19. August 1949, kurz vor ihrem Tod, schrieb die Witwe an Hildegard Jone: „Ich habe ja<br />

auch meine ändern Enkel sehr lieb, aber diese drei sind halt doch meine Lieblinge; auch für<br />

meinen Mann waren sie es, besonders Karin hat er abgöttisch geliebt.“<br />

4 Nach Wilhelmines Tod zog die Familie nach Argentinien, wo es Mattel bald gelang, zu großem<br />

Reichtum zu kommen.<br />

5 Wilhelmines Briefe an Hildegard Jone fanden sich im Nachlaß der Dichterin. WA. Hildegard<br />

Jone verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens in dem weitläufigen Haus in der Wintergasse 13<br />

in Purkersdorf, inmitten ihrer Bilder und den Skulpturen <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>s. Ihr Ehegatte starb am<br />

5. April 1958, und die kränkelnde und verarmte Dichterin blieb allein in der verfallenden Villa<br />

zurück. Malend und schreibend verbrachte sie die ihr verbleibenden Jahre. E inen großen, zum<br />

Überfließen mit unveröffentlichten Manuskripten angefüllten Bauernschrank nannte sie ihre<br />

„A rche-N oah“, eine Fundgrube für die Nachwelt. Sie starb am 28. August 1963 und w urde in<br />

dem an einem Hügel des W iener Walds gelegenen Friedhof oberhalb <strong>von</strong> Purkersdorf neben<br />

ihrem M ann und der <strong>von</strong> ihr so sehr geliebten M u tter beigesetzt. D as G rabm al ist ein aus rosa<br />

M arm or gehauenes H erz, das sie selbst für ihr „A ltersheim “ entw orfen hatte, wie sie ihre letzte<br />

R uhestätte gern mit einem heiteren Lächeln nannte.<br />

6 U ndatierter Brief.<br />

7 Im Juni 1950 dirigierte H erb ert Häfner die U raufführung der II. K antate in Brüssel.<br />

8 D as vorherige K reuz aus Eisen zeigt jetzt die G rabstätte <strong>von</strong> W eberns Schwiegersohn Dr. Fred<br />

Halbich (gest. 20, F ebru ar 1977) an, der auf dem Friedhof <strong>von</strong> St, V eit im Pongau beigesetzt<br />

w orden ist.<br />

9 Es w ar diese Skulptur, die zwei Jahrzehnte später zu der dram atischen E ntdeckung wichtiger<br />

M anuskripte führte (siehe Einleitung).<br />

10 Brief Riemerschmids an Polnauer vom 9. IVlärz 1947.<br />

11 1968 wurden die Besitzverhältnisse dieser Briefe Gegenstand eines Rechtsstreits. Wegen des<br />

großen dazwischenliegenden Zeitraumes konnte der Richter die Auseinandersetzung nur<br />

dadurch schlichten, indem die Korrespondenz zwischen W eberns Erben und Riemerschmids<br />

Witwe geteilt wurde. Die Parteien erklärten sich dann dazu bereit, alle Briefe der Wiener<br />

Stadtbibliothek zur Verfügung zu stellen.<br />

12 Statt dessen behielt Hermine das Instrum ent und ließ es wieder instand setzen. Später übergab<br />

sie es dem W ebern-Archiv zur Aufbewahrung.<br />

13 Die Renaissance, die als „Die Ä ra W ebern“ bezeichnet wurde, begann, als die internationale<br />

Komponistenavantgarde W ebern auf ihren Schild erhob. Ihre Protagonisten, unter ihnen Pierre<br />

Boulez und Karlheinz Stockhausen, sahen in ihm den Initiator einer Musik, die für sie zum<br />

Ausgangspunkt einer völlig neuen Ästhetik und Technik wurde. Eine ganze Generation <strong>von</strong><br />

Jüngern eiferte W ebern nach, und ein H eer <strong>von</strong> Theoretikern zeigte seinen Einfluß auf die neue<br />

Richtung auf. 1955 schloß sich Altm eister Strawinsky, damals 73 Jahre alt, seinen jungen<br />

Kollegen in ihrer Begeisterung an. E r huldigte W ebern mit einer Lobpreisung, die das<br />

636


Sonderheft der Zeitschrift die Reihe, herausgegeben zum zehnten Todestag des Komponisten,<br />

einleitete. „D er 15. Septem ber 1945, A nton W eberns Todestag“, so schrieb Strawinsky, „sollte<br />

ein Trauertag für jeden aufnahmefähigen Musiker sein. Wir müssen nicht nur diesen großen<br />

Komponisten verehren, sondern auch einen wirklichen Helden. Zum völligen Mißerfolg in einer<br />

tauben Welt der Unwissenheit und Gleichgültigkeit verurteilt, blieb er unerschütterlich dabei,<br />

seine Diamanten zu schleifen, seine blitzenden Diamanten, <strong>von</strong> deren Minen er eine so<br />

vollkommene Kenntnis hatte.“ In einem späteren Artikel erklärte Strawinsky, W ebern sei für<br />

ihn „le juste de la musique“ . 1957 produzierte R obert Craft, Strawinskys enger M itarbeiter, eine<br />

Schallplattenreihe mit dem Titel “A nton W ebern, The Complete Music”, die alle damals<br />

bekannten Kompositionen enthielt. Crafts Pioniertat hat wesentlich dazu beigetragen, daß<br />

W eberns Musik weiteste Beachtung zuteil geworden ist.<br />

14 Brief an den Autor.<br />

15 Das Erste Internationale W ebern-Festival fand unter dem Protektorat der University of<br />

Washington in Seattle, Washington, vom 25. bis 29. Mai 1962 statt. Bei diesem Anlaß wurde die<br />

Internationale W ebern-Gesellschaft ins Leben gerufen. Hans Moldenhauer, der Initiator und<br />

Vorsitzende des Festivals, wurde zum Präsidenten gewählt, und G ertrud Schönberg, Helene<br />

Berg, Plildegard Jone und Amalie Waller (die anwesend war) wurden zu Ehrenmitgliedern<br />

ernannt. Es folgten fünf weitere Festivals: Salzburg/Mittersill im Rahmen der Salzburger<br />

Festspiele (1965); State University of New Y ork in Buffalo (1966); D artm outh College in<br />

H anover, New Hampshire (1968); Wien unter dem Patronat der Österreichischen Gesellschaft<br />

für Musik (1972) und Louisiana State University in Baton Rouge mit einem Schlußkonzert in<br />

New Orleans (1978). Alle diese Feste stellten verschiedene posthume Kompositionen <strong>Webern</strong>s<br />

vor, die <strong>von</strong> den A utoren in den 60er Jahren entdeckt worden waren.<br />

637


ABKÜRZUNGEN ZUM WERKVERZEICHNIS<br />

a) Sachbegriffe b) Instrumente<br />

anon. anonym Bklar. Baßklarinette<br />

Auff. Aufführung Cel. Celesta<br />

Ausg. Ausgabe EH Englischhorn<br />

Bem. Bemerkung Fg. Fagott<br />

Bs Besetzung Fl. Flöte<br />

BWV Wolfgang Schmieder, Bach-Werke- Git. Gitarre<br />

Verzeichnis - Thematisch-systema- Glsp. Glockenspiel<br />

tisches Verzeichnis der Werke <strong>von</strong> Harm. Harmonium<br />

J. S. Bach (Leipzig 1950, Breitkopf Hfe. Harfe<br />

& Härtel) Hn. Horn, H örner<br />

CF Carl Fischer, New York Kb. Kontrabaß<br />

D O tto Erich Deutsch, Schubert - Kfg. Kontrafagott<br />

Thematic Catalogue ofall his Kl. Klavier<br />

Works in Chronological Order Klar. Klarinette<br />

(London 1951, Dent) Mand. Mandoline<br />

Dir. Dirigent Ob. Oboe<br />

Ges. Gesang P Pauken<br />

Instr. Instrumente Picc. Piccoloflöte<br />

IWF International W ebern Festival Pos. Posaune<br />

Kl.-A. Klavierauszug S Schlagzeug<br />

kompl. komplett Sax. Saxophon<br />

MS Manuskript Str. Streicher<br />

OD O rt und Datum der Komposition Ten.-Sax . Tenorsaxophor<br />

Orch. Orchester Trp. Trompete<br />

Sketches <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches V Violine<br />

(1926-4945) (New York 1968, Via. Viola (Bratsche<br />

Carl Fischer) Vc. Violoncello<br />

St. Stimme(n) Xyl. Xylophon<br />

Str.-Qu. Streichquartett<br />

U A Uraufführung<br />

UE Universal Edition, Wien<br />

T Takte<br />

Tx Text<br />

W Widmung<br />

638


AnhangI:<br />

Werkverzeichnis<br />

Das Werkverzeichnis ist in fünf Abteilungen gegliedert:<br />

A. Veröffentlichte W erke mit Opuszahlen<br />

B. Veröffentlichte W erke ohne Opuszahlen<br />

C. A ndere W erke und Projekte<br />

D. Bearbeitungen (1. Eigene W erke 2. W erke anderer Komponisten)<br />

E. Schriften<br />

Jede Abteilung ist in sich chronologisch angeordnet (wobei als einzige Ausnahme die beiden<br />

nacheinander angeführten Versionen <strong>von</strong> Opus 6 in A bteilungA zu nennen sind). Der<br />

Chronologische Index, der dem Werkverzeichnis vorangestellt ist, enthält sämtliche Kompositionen<br />

(Abteilungen A -D ) in fortlaufender Numerierung. Dieses Nummernsystem zeigt die<br />

Beziehungen zwischen den vier Abteilungen auf und erstellt eine genaue Chronologie des (Euvres<br />

<strong>Webern</strong>s. Die Nummern liefern im besonderen eine H andhabe für die problemlose Identifizierung<br />

der vielen posthumen Kompositionen und Projekte <strong>Webern</strong>s. Sie dürften sich auch als<br />

Designationshilfe bewähren bei Aufführungen einzelner Lieder oder Sätze, wie sie W ebern selbst<br />

mehrfach angeregt hatte. D er Abteilungsbuchstabe, der jedem Titel des Index beigegeben ist,<br />

erleichtert das Auffinden des betreffenden Eintrags im Werkverzeichnis. D er Index ist auch eine<br />

Hilfe bei der Ortung der Verweisungen unter „Bem erkungen“ des Werkverzeichnisses.<br />

In den Zyklen, die sich der seriellen Technik bedienen, erlaubt die chronologische Anordnung<br />

ihrer Bestandteile die Feststellung der Grundform der Reihe. (Dies gilt ab Opus 19, mit dem der<br />

Komponist seine zyklischen W erke aus einer einzigen Grundreihe zu entwickeln begann.) Die<br />

Verfahrensweise der Auflistung einzelner Lieder oder Sätze zyklischer W erke ist bei Abteilung D<br />

nicht mehr beibehalten worden, da sich Bearbeitungen ohnehin an die bereits vorgegebene Abfolge<br />

des betreffenden W erkes halten. Innerhalb eines jeden Jahres werden Kompositionen, die eine<br />

feste Datierung tragen, zuerst angeführt; es folgen diejenigen, bei denen lediglich das Jahr auf dem<br />

Manuskript vermerkt ist; am Schluß erscheinen die W erke, deren Entstehungszeit Gegenstand <strong>von</strong><br />

Vermutung bleiben muß. Alle auf Mutmaßung beruhenden Daten stellen in eckigen Klammern. Im<br />

allgemeinen zeigen die D atierungen die Vollendung des Entwurfs einer Komposition an, doch<br />

finden sich in einer Reihe <strong>von</strong> Fällen sowohl die Anfangs- wie auch die Abschlußdaten. Die<br />

W erkkapitel enthalten ergänzende Information.<br />

Alle W erke in Abteilung B wurden posthum veröffentlicht. Sternchen besagen, daß die Titel der<br />

betreffenden Kompositionen wie auch ihre Reihung innerhalb <strong>von</strong> Zyklen nicht <strong>von</strong> W ebern<br />

herriihren, sondern <strong>von</strong> den Herausgebern für Aufführungs- und Veröffentlichungszwecke erstellt<br />

wurden.<br />

Das in Abteilung C enthaltene M aterial reicht <strong>von</strong> ausgearbeiteten Partituren bis zu Skizzen und<br />

Fragmenten. Um einen Hinweis auf den Umfang der unveröffentlichten W erke und Projekte zu<br />

geben, ist die Anzahl der Takte angeführt. In den meisten Fällen stellen die Taktzahlen<br />

zusammenhängendes musikalisches Material dar, gelegentlich enthalten sie aber auch N euentwürfe<br />

einzelner Passagen. Um bis zu einem gewissen G rad eine Vorstellung <strong>von</strong> der Beschaffenheit<br />

der Manuskripte zu vermitteln, wurde eine Unterscheidung zwischen Tinten- und Bleistiftschrift<br />

gemacht; W ebern verwendete Tinte im allgemeinen nur dann, wenn sich sein musikalisches<br />

D enken einem endgültigen Stadium näherte. Instrum ente werden' detailliert angegeben außer bei<br />

den projektierten Orchesterliedern der Jahre 1914-1924 (angeordnet nach den dichterischen<br />

Vorlagen), bei denen die Bezeichnungen in den Skizzen nicht hinreichend schlüssig sind. Eine<br />

Anzahl der in dieser Abteilung angeführten W erke sind zur Veröffentlichung vorgesehen.<br />

639


Abteilung E, die nicht in den Chronologischen Index aufgenommen wurde, enthält <strong>Webern</strong>s<br />

literarisches Schaffen: Gedichte, ein Bühnenstück, Artikel, Beiträge für besondere Anlässe und<br />

Analysen. Seine posthum veröffentlichten Vorträge und Briefe sind in dieser Abteilung nicht<br />

aufgeführt, erscheinen aber in der Bibliographie.<br />

Hans Moldenhauer<br />

O {RONOLOGlSCimk INI<br />

(Abteilungen A -D )<br />

1899<br />

1 Zwei Stücke I B 29 Klavierstück C-Dur C<br />

2 Zwei Stücke II B 30 Klavierstück As-D ur C<br />

3 Vorfrühling B 31 Klavierstück C-Dur c<br />

32 Zwei Klavierstücke I c<br />

1900 33 Zwei Klavierstücke II c<br />

4 W olkennacht C 34 Elf kurze Klavierstücke I c<br />

5 Vorfrühling (Bearb.) D 35 Elf kurze Klavierstücke II c<br />

6 Vorfrühling II C 36 Elf kurze Klavierstücke III c<br />

37 Elf kurze Klavierstücke IV c<br />

1901 38 Elf kurze Klavierstücke V c<br />

7 Tief <strong>von</strong> fern B 39 Elf kurze Klavierstücke VI c<br />

8 Wehmut C 40 Elf kurze Klavierstücke VII c<br />

9 D u bist mein C 41 Elf kurze Klavierstücke VIII c<br />

10 D ämmerstunde C 42 Elf kurze Klavierstücke IX c<br />

43 Elf kurze Klavierstücke X c<br />

1902 4 4 Elf kurze Klavierstücke XI c<br />

11 Fromm B 45 Klavierstück A -Dur c<br />

46 Klavierstück C-Dur c<br />

1903 47 Streichorchester-Satz cis-MolI c<br />

12 Nachtgebet der Braut B 48 Streichorchester-Satz C-Dur c<br />

13 Wolf: Denk es, o Seele (Bearb.) D 49 Wolf: Lebe wohl (Bearb.) D<br />

14 Aufblick B 50 Wolf: Der Knabe und das Immlein<br />

15 Sommerabend B (Bearb.) D<br />

16 Siegfrieds Schwert C 51 Schubert: Thränenregen (Bearb.) D<br />

17 Heimgang in der Frühe B 52 Schubert: Ihr Bild (Bearb.) D<br />

18 D er Tod B 53 Schubert: Romanze aus „Rosam unde“<br />

19 G ebet B (Bearb.) D<br />

2 0 Blumengruß B 54 Schubert: D er Wegweiser (Bearb.) D<br />

21 Du träumst so heiß C 55 Schubert: Du bist die R uh’ (Bearb.) D<br />

2 2 Thema und Variationen a~Moll C Schubert:<br />

23 Variationen über „D er Winter 56 Klaviersonate op. 42/11 (Bearb.) D<br />

ist vergangen“ I (Kl.) C 57 Klaviersonate op. 122/III (Bearb.) D<br />

24 Variationen über „D er W inter 58 Klaviersonate op. 147/11 u. III (Bearb.) D<br />

ist vergangen“ II (Str.-Qu.)<br />

C<br />

25 Streichquartett-Variationen 1904<br />

F -D ur-f-M oll C 59 Freunde B<br />

26 Streichquartett-Satz e-Moll C 60 Gefunden B<br />

27 Streichquartett-Satz G -Dur C 61 Liebeslied C<br />

28 Streichquartett-Satz c-Moll C 62 Bild der Liebe B<br />

640


64<br />

65<br />

66<br />

67<br />

68<br />

69<br />

70<br />

71<br />

72<br />

73<br />

74<br />

75<br />

76<br />

77<br />

78<br />

79<br />

80<br />

81<br />

82<br />

83<br />

84<br />

85<br />

86<br />

87<br />

88<br />

89<br />

90<br />

91<br />

92<br />

93<br />

94<br />

95<br />

96<br />

97<br />

98<br />

99<br />

100<br />

101<br />

102<br />

103<br />

104<br />

105<br />

106<br />

107<br />

108<br />

109<br />

Im Sommerwind<br />

B<br />

H eiter<br />

B<br />

Hochsommernacht<br />

C<br />

Streichquartett-Satz C-D ur<br />

C<br />

Q uartett-Satz e-Moll<br />

C<br />

Scherzo und Trio a-MoIl<br />

C<br />

Zum Schluß<br />

C<br />

Streichquartett-Satz B-D ur<br />

C<br />

Orchester-Satz F-D ur<br />

C<br />

O rchester-Satz D -D ur<br />

C<br />

O rchester-Satz F-D ur<br />

C<br />

Streichorchester-Satz d-MoIl<br />

C<br />

Klavierstück a-Moll<br />

C<br />

Klavierstück G -D ur<br />

C<br />

Klavierstück Es-D ur - es-Moll C<br />

1905<br />

Langsamer Satz<br />

B<br />

Streichquartett (1905)<br />

B<br />

Streichquartett-Satz D -D ur - d-Moll C<br />

Klavierquintett g-MolI<br />

C<br />

Orchestervariationen D -D ur - d-Moll C<br />

1906<br />

Ideale Landschaft<br />

B<br />

Choralsätze:<br />

Komm heil’ger Geist<br />

C<br />

Christus, der ist mein Leben<br />

C<br />

Christ lag in Todesbanden<br />

C<br />

Nun freut euch<br />

C<br />

O Ewigkeit, du Don nerwort<br />

C<br />

H err Jesu Christ, dich zu uns wend’ C<br />

Nicht so traurig<br />

C<br />

Gib dich zufrieden<br />

C<br />

O Traurigkeit, o Herzeleid<br />

C<br />

Wenn wir in höchsten Nöten sein C<br />

Nun ruhen alle W älder<br />

C<br />

D anket dem H erren<br />

C<br />

Nun komm, der Heiden Heiland C<br />

H err Jesu Christ, du höchstes Gut C<br />

Von G ott will ich nicht lassen<br />

C<br />

H eut’ ist, o Mensch<br />

C<br />

Jesus, meine Zuversicht<br />

C<br />

Erschienen ist der herrliche Tag C<br />

O rchester-Satz h-Moll<br />

C<br />

Orchester-Satz E-D ur<br />

C<br />

Klavierquintett-Satz c-Moll<br />

C<br />

Streichquartett-Satz D -D ur —A -D ur C<br />

Streichquartett-Satz D -D ur<br />

C<br />

Streichquartett-Satz C-D ur<br />

C<br />

Streichquartett-Satz e-Moll<br />

C<br />

Streichquartett-Satz d-Moll<br />

C<br />

1 1 0 Streichquartett-Satz A -D ur -E -D u r C<br />

111 Streichquartett-Satz d-Moll C<br />

1 1 2 Satz für Klavier B<br />

113 Satz für Klavier F-D ur C<br />

114 Sonatensatz (Rondo) B<br />

115 Rondo B<br />

116 Klavierstück c-Moll C<br />

117 Satz für Violine und Klavier<br />

C<br />

1907<br />

118 Quintett B<br />

119 Nächtliche Scheu B<br />

1 2 0 Thema und Variationen cis-Moll C<br />

121 Streichquartett a-Moll C<br />

1 2 2 Streichquartett c-Moll - C-Dur C<br />

123 Instrum entalstück G-D ur c<br />

Drei Orchester-Studien über einen Basso<br />

ostinato:<br />

124 I c<br />

125 II c<br />

126 III<br />

c<br />

1908<br />

127 Passacaglia op. 1 A<br />

128 Alladine und Palomides C<br />

129 Entflieht auf leichten Kähnen op. 2 A<br />

130 Am Ufer B<br />

131 Himmelfahrt B<br />

1.32 Helle Nacht<br />

B<br />

1908/09<br />

133 Dies ist ein Lied op. 3/1 A<br />

134 Im Windesweben op. 3/II A<br />

135 An Bachesranft op. 3/III A<br />

136 Im Morgentaun op. 3/IV A<br />

137 Kahl reckt der Baum op. 3 /V A<br />

138 Eingang op. 4/1 A<br />

39 Noch zwingt mich Treue op. 4/II A<br />

40 Ja Heil und Dank dir op. 4/II1 A<br />

41 So ich traurig bin op. 4/IV A<br />

42 Ihr tratet zu dem Herde op. 4/V A<br />

43 Erwachen aus dem tiefsten Traurnesschoße<br />

B<br />

144 Kunfttag I B<br />

145 Trauer I B<br />

146 Das lockere Saatgefilde<br />

B<br />

1909<br />

147 Fünf Sätze op. 5/1 A<br />

148 Fünf Sätze op. 5/II A<br />

149 Fünf Sätze op. 5/III A<br />

150 Fünf Sätze op. 5/IV A<br />

151 Fünf Sätze op. 5/V A<br />

641


152 Sechs Stücke op. 6 (ursprüngliche Fas­ 186 Orchesterstücke (1913) V B<br />

sung) I A 187 Orchesterstücke (1913)1 B<br />

153 Sechs Stücke op. 6 (ursprüngliche Fas­ 188 Orchesterstücke (1913) II B<br />

sung) II A 189 Orchesterstücke (1913) IV B<br />

154 Sechs Stücke op. 6 (ursprüngliche Fas­ 190 A cht O rchester-Fragm ente I C<br />

sung) III A 191 A cht O rchester-Fragm ente II C<br />

155 Sechs Stücke op. 6 (ursprüngliche Fas­ 192 A cht Orchester-Fragm ente III c<br />

sung) IV A 193 Acht O rchester-Fragm ente IV c<br />

156 Sechs Stücke op. 6 (ursprüngliche Fas­ 194 Acht Orchester-Fragm ente V c<br />

sung) V A 195 Acht O rchester-Fragm ente VI c<br />

157 Sechs Stücke op. 6 (ursprüngliche Fas­ 196 A cht O rchester-Fragm ente VII c<br />

sung) VI A 197 A cht O rchester-Fragm ente VIII c<br />

158 Zwei Klavierstücke (atonal) I C 198 Schien mir’s (Chor) c<br />

159 Zwei Klavierstücke (atonal) II C<br />

160 Schönberg: G urrelieder, Vorspiel und<br />

Zwischenspiele (Bearb.)<br />

D<br />

1914<br />

199 Die Einsame op. 13/11<br />

A<br />

2 0 0<br />

1910<br />

Leise Düfte B<br />

2 0 1<br />

161 Vier Stücke op. 7/1 A<br />

Kunfttag III B<br />

2 0 2<br />

162 Vier Stücke op. 7/II A<br />

Cello-Sonate B<br />

163 Vier Stücke op. 7/III A<br />

203 Drei kleine Stücke op. 11/1 A<br />

164 Vier Stücke op. 7/IV A<br />

204 Drei kleine Stücke op. 11 /II A<br />

165 Die sieben Prinzessinnen C<br />

205 D rei kleine Stücke op. 11/III A<br />

166 Schönberg: Sechs Orchesterlieder op. £<br />

)<br />

(Bearb.)<br />

D<br />

206 Entflieht auf leichten Kähnen<br />

op. 2 (Bearb.)<br />

167 Du, der ichs nicht sage op. 8/1 A<br />

207 In einer lichten Rose c<br />

168 Du machst mich allein op. 8 /II A<br />

208 Streichquartett-Satz c<br />

209 M einer M utter C<br />

2 1 0 In tiefster Schuld C<br />

1911<br />

2 1 1<br />

169 Fünf Stücke op. 10/1 A<br />

Mutig trägst du die Last C<br />

170 Fünf Stücke op. 10/IV A<br />

171 Sechs Bagatellen op. 9/II A 1915<br />

172 Sechs Bagatellen op. 9/III A 212 D er Tag ist vergangen op. i 2/1 A<br />

173 Sechs Bagatellen op. 9/IV A 213 Schien mir’s op. 12/III A<br />

174 Sechs Bagatellen op. 9 /V A 214 In der Heimat C<br />

175 Schönberg: V erklärte Nacht op. 4 215 In den Nachmittag geflüstert c<br />

(Bearb.)<br />

D<br />

176 Schönberg: Pelleas und Melisande<br />

op. 5 (Bearb.)<br />

D<br />

1917<br />

Gleich und Gleich op. 12/IV<br />

Die geheimnisvolle Flöte op. 12/11<br />

216<br />

1912<br />

217<br />

177 Schönberg: Fünf Orchesterstücke 218 Mit silbernen Sohlen C<br />

op. 16 (Bearb.) D 219 Orchesterlied<br />

C<br />

2 2 0 Gegenwart<br />

C<br />

1913 2 2 1 Wiese im Park op. 13/1 A<br />

178 Sechs Bagatellen op. 9/1 A 2 2 2 A bendland III op. 14/IV A<br />

179 Schmerz, immer blick nach oben C 223 In der Frem de op. 13/111 A<br />

180 Sechs Bagatellen op. 9/VI A 224 Fahr hin, o Seel’ op. 15/V A<br />

181 Fünf Stücke op. 10/111 A 225 Verklärung C<br />

182 Fünf Stücke op. 10/11 A 226 Streichquartett-Sätze I C<br />

183 Orchesterstücke (1913) III B 227 Siebengesang des Todes C<br />

184 O sanftes Glühn der Berge B 228 Streichquartett-Sätze II C<br />

185 Fünf Stücke op. 10/V A 229 Streichquartett-Sätze III C<br />

642<br />

D<br />

A<br />

A


1918 1924<br />

230 Streichquartett-Sätze IV C 264 Vier Lieder op. 13 (Bearb.) D<br />

231 Ein W interabend op. 13/IV A 265 Morgenglanz der Ewigkeit C<br />

232 Vallorbe C 266 Kinderstück C<br />

233 Nächtliches Bild C 267 Kinderstück B<br />

234 Passacaglia op. 1 (Bearb.) D 268 A rm er Sünder, du op. 17/1 A<br />

235 Cirrus (Ges.-Orch.) C 269 Crucem tuam adoramus op. 16/V A<br />

270 Christus factus est op. 16/1 A<br />

1919 Liszt, Arbeiterchor:<br />

236 Vision des Erblindeten c 271 (Bearb. für Orch.) D<br />

237 A bendland II op. 14/111 A 272 (Bearb., Kl.-A.) D<br />

238 Gesang einer gefangenen Amsel<br />

op. 14/VI A 1925<br />

239 Nachts op. 14/V A 273 Streichtrio-Satz C<br />

240 A bendlandl op. 14/11 A 274 Heiland, unsre Missetaten op. 17/111 A<br />

241 Fünf Stücke op. 10 (Bearb.) D 275 Liebste Jungfrau op. 17/11 A<br />

276 Dein Leib geht jetzt der Erde zu C<br />

1920 277 Klavierstück B<br />

242 Triosatz c 278 Satz für Streichtrio B<br />

243 Sechs Stücke op. 6 (Bearb.) D 279 Streichquartett-Satz C<br />

244 D er Frühlingsregen C 280 Klavierstück C<br />

245 Christkindlein C 281 Schatzerl klein op. 18/1 A<br />

246 Flieder C 282 Erlösung op. 18/11 A<br />

247 Nachtergebung C 283 Ave, Regina coelorum op. 18/III A<br />

248 Die Heimkehr C 284 V erderben, sterben C<br />

285 Zwei Lieder op. 8 (Bearb.) D<br />

1921<br />

249 Strauß: Schatzwalzer (Bearb.) D 1926<br />

250 Schönberg: Die glückliche Hand 286 Weiß wie Lilien op. 19/1 A<br />

op. 18 (Bearb.) D 287 Ziehn die Schafe op. 19/11 A<br />

251 Die Sonne op. 14/1 A 288 Auf Bergen, in der reinsten Höhe C<br />

252 Das Kreuz, das m ußt’ er tragen<br />

op. 15/1 A 1927<br />

253 in G ottes Namen aufstehn 289 Streichtrio op. 20/11 A<br />

op. 15/111 A 290 Stpeichtrio op. 20/1 A<br />

254 Jahr C 291 Streichtrio-Satz (op. 20/HI) C<br />

255 Schönberg: Vier Orchesterlieder op. 22<br />

(Bearb.) D <strong>1928</strong><br />

292 Zwei Lieder op. 19 (Bearb.) D<br />

1922 293 Symphonie op. 21/11 A<br />

256 Morgenlied op. 15/11 A 294 Symphonie op. 21/1 A<br />

257 Mein Weg geht jetzt vorüber 295 Symphonie-Satz (op. 21/III) C<br />

op. 15/IV A 296 Sechs Stücke op. 6 (zweite Fassung) I A<br />

297 Sechs Stücke op. 6 (zweite Fassung) II A<br />

1923 298 Sechs Stücke op. 6 (zweite Fassung) III A<br />

258 Schönberg: Kammersymphonie op. 9 299 Sechs Stücke op. 6 (zweite Fassung) IV A<br />

(Bearb.) D 300 Sechs Stücke op. 6 (zweite Fassung) V A<br />

259 Dormi Jesu op. 16/11 A 301 Sechs Stücke op. 6 (zweite Fassung) VI A<br />

260 Crux fidelis op. 16/HI A<br />

261 Asperges me op. 16/IV A 1929<br />

262 Sechs Lieder op. 14 (Bearb.) I) 302 Fünf Sätze op. 5 (Bearb.) D<br />

263 Fünf geistliche Lieder op. 15 303 Nun weiß man erst C<br />

(Bearb.) D 304 Streichquartett-Satz c<br />

643


1930 1938<br />

305 Q uartett op. 22/11 A 329 Streichquartett op. 28/1 A<br />

306 Cirrus (Ges.-Kl.) C 330 Streichquartett op. 28/11 A<br />

307 D er Spiegel sagt mir C 331 Kleiner Flügel op. 29/11 A<br />

308 Q uartett op. 22/1 A<br />

309 Q uartett-Satz (op. 22/111) C 1939<br />

332 Zündender Lichtblitz op. 29/1 A<br />

1931 333 W agner-Regeny: Johanna Balk<br />

310 Orchesterstück (Ouvertüre) C (Bearb.) D<br />

311 Schubert: Deutsche Tänze (Bearb.) D 334 Tönen die seligen Saiten Apolls<br />

op. 29/111<br />

A<br />

1933<br />

312 H err Jesus mein op. 23/111 A 1940<br />

313 Es stürzt aus H öhen Frische op. 23/11 A 335 Variationen für Orchester op. 30 A<br />

1934 1941<br />

314 Das dunkle H erz op. 23/1 A 336 Leichteste Bürden op. 31/IV A<br />

315 Wie kann der Tod C<br />

316 Konzert op. 24/1 A 1942<br />

317 Wie bin ich froh op. 25/1 A 337 Schoeck: Das Schloß D ürande<br />

318 Instrum entaler Satz C (Bearb.) D<br />

319 Konzert op. 24/11 A 338 Freundselig ist das W ort op. 31/V A<br />

320 Konzert op. 24/111 A 339 Gelockert aus dem Schöße op. 31/VI A<br />

321 Sterne, Ihr silbernen Bienen op. 25/111A 340 Casella: Paganiniana (Bearb.) D<br />

322 Des Herzens Purpurvogel op. 25/11 A<br />

1943<br />

1935 341 Schweigt auch die Welt op. 31/1 A<br />

323 Bach: Fuga (Ricercata) (Bearb.) D 342 Sehr tiefverhalten op. 31 /II A<br />

324 Das Augenlicht op. 26 A 343 Schöpfen aus Brunnen op. 31/111 A<br />

1936 1944<br />

325 Variationen für Klavier op. 27/111 A 344 Kleiner sind G ötter geworden C<br />

326 Variationen für Klavier op. 27/1 A 345 I. K antate op. 29 (Bearb.) D<br />

327 Variationen für Klavier op. 27/11 A 346 II. Kantate op. 31 (Bearb.) D<br />

1937 1944/45<br />

328 Streichquartett op. 28/111 A 347 K onzert/III. Kantate C<br />

644


Chronolog.<br />

Nr.<br />

A. VKMÖFFIMTIJCHTK WFRKi7<br />

MIT OPUSZAHLEN<br />

127 Passacaglia für Orchester, op. 1<br />

„Sehr mäßig“<br />

Bs Orch. (je 3 Fl. {1 Picc.), Ob. {1 E H ),<br />

Klar. (1 B klar.), Fg. ( Kfg.); 4 Hn.,<br />

3 Trp., 3 Pos.,Tuba, P, S. Hfe., Str.)<br />

OD Wien, [Frühjahr] 1908<br />

Ausg. U E 1922<br />

U A Wien, 4. Nov. 1908, Orch. des Tonkünstlervereins,<br />

Dir. A nton <strong>von</strong> W ebern;<br />

vgl. auch 234<br />

129 „Entflieht auf leichten Kähnen“, op. 2<br />

„Z art bewegt“<br />

Bs gem. Chor a cappella<br />

Tx S tefan George Das Jahr der Seele<br />

(Zyklus Traurige Tänze)<br />

O D Wien, [Herbst] 1908<br />

Ausg. U E 1921<br />

U A Fürstenfeld (Steiermark), 10. Apr.<br />

1927, Dir. Franz Wiefler; vgl. auch 206<br />

Fünf Lieder ans Der siebente R ing <strong>von</strong><br />

Stefan George, op. 3<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Stefan George Der siebente Ring<br />

(Zyklus Lieder)<br />

O D [Wien oder Preglhof], 1908/09<br />

Ausg. Verlag des Vereins für musikalische<br />

Privataufführungen, 1919;<br />

U E 1921<br />

U A Wien, 6 . Juni 1919, FelicieHüni-<br />

Mihacsek, Ges., Eduard Steuermann, Kl.<br />

(kompl.); Einzellieder Wien, 8 . Febr.<br />

1910; vgl. auch 143,144<br />

133 I. „Dies ist ein Lied“<br />

134 II. „Im W indesweben“<br />

135 III. „A n Bachesranft“<br />

136 IV. „Im M orgentaun“<br />

137 V. „Kahl reckt der Baum “<br />

Fünf Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Stefan<br />

George, op. 4<br />

W W erner Reinhart<br />

Bs Ges. u. KI.<br />

Tx Stefan George<br />

OD [Wien oder Preglhof], 1908/09;<br />

endg. Version 1920<br />

Ausg. U E 1923 (kompl.)<br />

U A Basel, 10. Febr. 1940, Marguerite<br />

Gradmann-Lüscher, Ges., Erich Schmid,<br />

Kl. (kom pl.); Einzellieder Wien, 8 . Febr.<br />

1910;<br />

vgl. auch 145,146<br />

138 I. Eingang („W elt der G estalten“)<br />

Tx Der siebente Ring<br />

(Zyklus Traumdunkel)<br />

139 II. „Noch zwingt mich Treue“<br />

Tx Das Jahr der Seele<br />

(Zyklus Waller im Schnee)<br />

140 III. „Ja Heil und D ank dir“<br />

Tx Das Jahr der Seele<br />

(Zyklus Nach der Lese)<br />

141 IV. „So ich traurig bin“<br />

Tx Das Buch der Sagen und Sänge<br />

(Zyklus Sänge eines fahrenden Spielmanns)<br />

U A New York, 18. Jan. 1925, Greta<br />

Torpadie, Ges., RexTillson, Kl.<br />

142 V. „Ihr tratet zu dem H erde“<br />

Tx Das Jahr der Seele<br />

(Zyklus Traurige Tänze)<br />

Ausg. Der blaue Reiter, Mai 1912<br />

Fünf Sitze für Streichquartett, op. 5<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD Preglhof, Frühjahr 1909<br />

Ausg. U E 1922<br />

U A Wien, 8. Febr. 1910; vgl. auch 302<br />

147 I, „Heftig bewegt“<br />

148 II. „Sehrlangsam “<br />

149 III. „Sehr bewegt“<br />

150 IV. „Sehr langsam“<br />

151 V. „In zarter Bewegung“<br />

Sechs Sticke für großes Orchester, op. 6<br />

(ursprüngliche Fassung)<br />

W A rnold Schönberg<br />

Bs Orch. (4 Fl. (auch 2 Picc. u. 1 A ltfl.),<br />

2 O b., 2 EH, 3 Klar. (1 auch in E s), 2<br />

Bklar., 2 Fg. (1 auch Kfg.), je 6 Hn.,<br />

Trp., Pos.; Tuba, 2 Hfn., Cel., P, S, Str.)<br />

OD Preglhof, Sommer [Ende Aug.]<br />

1909<br />

Ausg. Selbstverlag 1913 (als „Op. 4“);<br />

645


U E 1,961<br />

U A Wien, 31. März 1913,Dir. Arnold<br />

Schönberg; vgl. auch 243<br />

152 I. „Etwas bewegte “<br />

153 II. „Bewegt“<br />

154 III. „Z art bewegt“<br />

155 IV. „Langsam ( J ) marcia funebre“<br />

156 V. „Sehr langsam“<br />

157 VI. „Z art bewegt“<br />

Sechs Stücke für Orchester, op. 6<br />

(zweite Fassung)<br />

W A rnold Schönberg<br />

Bs Orch. (2 Fl. (Picc.), 2 Ob., 3 Klar.,<br />

2 Fg., ( Kfg.), je 4 H n„ Trp., Pos.; Tuba,<br />

H fe.,C el.,P, S, Str.)<br />

OD Mödling, Aug.-Sept. <strong>1928</strong><br />

Ausg. U E 1956<br />

U A unbekannt<br />

296 I. „Langsam“<br />

297 II. „Bewegt“<br />

298 III. „M äßig“<br />

299 IV. „Sehr mäßig“<br />

300 V. „Sehr langsam“<br />

301 VI. „Langsam“<br />

Vier Stücke für Geige und Klavier, op. 7<br />

Bs V u. Kl.<br />

OD Preglhof, [Juni] 1910; endg. V ersion<br />

Sommer 1914<br />

Ausg. U E 1922 (kompl.)<br />

UA Wien, 24. April 1911, Fritz Brunner,<br />

V, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, Kl.<br />

161 I. „Sehr langsam“<br />

Ausg. Der Ruf, März 1912<br />

162 II. „Rasch“<br />

163 III. „Sehr langsam“<br />

167 IV. „Bewegt“<br />

Zwei Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Kalner<br />

Maria Rilke, op. 8<br />

Bs Ges. u. Instr. (Klar. (B klar.), Hn.,<br />

Trp., Gel., Hfe., V, Via., Vc.)<br />

Tx Rainer Maria Rilke Die Aufzeich ­<br />

nungen des Malte Laurids Brigge<br />

OD Preglhof, [10.] u. [30.] Aug. 1910<br />

(original); undatierte 2. Version; N euinstrumentierung<br />

(3. Version) Frühjahr<br />

1921; Revision zur Veröffentlichung (4.<br />

Version) Jan, 1925<br />

Ausg. U E 1926<br />

U A Brüssel, 14. März <strong>1928</strong>? Columbia<br />

Masterworks 1957: Grace-Lynne M artin,<br />

Ges., Dir. des Ensembles Robert<br />

Craft; vgl. auch 285<br />

167 I. „Du, der ichs nicht sage“<br />

168 II. „D u machst mich allein“<br />

SechsBagatellenfürStreichquartett,op.9<br />

Bs Str.-Qu.<br />

Ausg. U E 1924 (kompl.)<br />

Bem. Zusammengestellt aus II. Streichquartett<br />

(11, III, IV, V) und<br />

Drei Stücke fü r Streichquartett (I u. VI)<br />

U A als Sechs Bagatellen: Donaueschingen,<br />

19. Juli 1924, A m ar-Q uartett;<br />

U A <strong>von</strong> Drei Stücke in der Originalversion:<br />

New York, 11. April 1964, Juilliard<br />

String Quartet mit Adele Addison,<br />

Ges.; vgl. auch 179<br />

178 I. „M äßig“<br />

OD Mürzzuschlag, Juni-Juli 1913<br />

171 II. „Leicht bewegt“<br />

OD Preglhof, Sommer 1911<br />

172 III. „Ziemlich fließend“<br />

OD Preglhof, Sommer 1911<br />

173 IV. „Sehr langsam“<br />

O D Preglhof, Sommer 1911<br />

Ausg. Der Ruf, Mai 1913<br />

174 V. „Ä ußerst langsam“<br />

OD Preglhof, Sommer 1911<br />

180 VI. „Fließend“<br />

OD Mürzzuschlag, Juni-Juli 1913<br />

Fünf Stücke für Orchester, op. 10<br />

Bs Orch. (Fl. (Picc.), Ob., Klar.<br />

(B klar.), Klar. in Eis, Hn,, Trp., Pos.,<br />

Harm., CeL, Hfe.,Mand., Git., S, Solo-<br />

Str.)<br />

Ausg. U E 1923<br />

UA Zürich, 22. Juni 1926, Tonhalle-<br />

Orchester, Dir. A nton <strong>von</strong> W ebern; vgl.<br />

auch 241<br />

169 I. „Sehr ruhig und zart“<br />

OD Preglhof, 28. Juni 1911<br />

182 II. „Lebhaft und zart bewegt“<br />

OD Wien, 13. Sept. 1913<br />

181 III. „Sehr langsam und äußerst ruhig“<br />

OD Wien, 8 . Sept. 1913<br />

170 IV. „Fließend, äußerst zart“<br />

OD Preglhof, 19. Juli 1911<br />

185 V. „Sehr fließend“<br />

OD Wien, 6 . Okt. 1913<br />

646


Drei kleine Sticke für Violoncello und<br />

Klavier, op. 11<br />

Bs V c.u.K l.<br />

OD Wien, Friihjahr-Som m er [Juni]<br />

1914<br />

Ausg. U E 1924<br />

U A Mainz, 2. Dez. 1924, Maurits Frank,<br />

Vc., Eduard Zuckmayer, Kl.<br />

203 I. „Mäßige«/1“<br />

204 II. „Sehr bewegt“<br />

205 III. „Ä ußerst ruhig“<br />

Vier Lieder für Gesang und Klavier, op.<br />

12<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Ausg. U E 1925 (kompl.)<br />

U A Januar 1927 (kompl.)<br />

(Tagebucheintrag W eberns)<br />

212 I. „D er Tag ist vergangen“<br />

Tx Volkslied<br />

OD Wien, 13. Jan. 1915<br />

Ausg. Musikblätter des Anbruch, Mai<br />

1922<br />

217 II. Die geheimnisvolle Flöte<br />

(„A n einem A bend“)<br />

Tx Li Tai-po (Hans Bethge Die chinesische<br />

Flöte)<br />

OD Wien, 10. Apr. 1917<br />

213 III. „Schien m ir’s, als ich sah die Sonne“<br />

Tx August Strindberg Gespenstersonate<br />

OD Wien, 31. Jan. 1915<br />

216 IV. Gleich und Gleich („Ein Blumenglöckchen“)<br />

Tx Johann Wolfgang <strong>von</strong> Goethe Lieder<br />

O D Wien, 31. März 1917<br />

UA O ktober 1926 (Tagebucheintrag<br />

<strong>Webern</strong>s)<br />

Vier Lieder für Gesang und Orchester,<br />

op. 13<br />

W N orbert Schwarzmann<br />

Ausg. U E 1926<br />

U A W interthur, 16. Febr. <strong>1928</strong>, Clara<br />

Wirz-Wyss, Ges., Dir. Herm ann Scherchen;<br />

vgl. auch 264<br />

221 I. Wiese im Park<br />

(„W ie wird mir zeitlos“)<br />

Bs Ges. u. Instr. (Fl., Klar., Bklar., Hn.,<br />

Trp., Pos., Cel., Glsp., Hfe.; Soli V, Via.,<br />

Vc.,Kb.)<br />

Tx Karl Kraus Worte in Versen, Teil I<br />

OD Klagenfurt, 16. Juni 1917<br />

199 II. Die Einsame<br />

(„A n dunkelblauem Himmel“)<br />

Bs Ges. u. Instr. (wie I mit Picc. statt Fl.)<br />

Tx W ang-Seng-Yu (Bethge Die chinesische<br />

Flöte)<br />

O D Wien, 16. [Febr.] 1914<br />

223 III. In der Fremde<br />

(„In fremdem Lande“ )<br />

Bs Ges. u. Instr. (Picc., Klar., Bklar.,<br />

Trp., Cel., H fe.; Soli V, Via., Vc.)<br />

Tx Li Tai-po (Bethge Die chinesische<br />

Flöte)<br />

OD Klagenfurt, [4. Juli] 1917<br />

231 IV. Ein Winterabend<br />

(„W enn der Schnee“)<br />

Bs Ges. u. Instr. (Klar., Bklar., Trp.,<br />

Pos., Cel., H fe.; Soli V, Via., Vc., Kb.)<br />

Tx Georg Trakl (Zyklus Der Herbst des<br />

Einsamen)<br />

OD Mödling, 10. Juli 1918;rev.M ödling,<br />

März 1922<br />

Sechs Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Georg<br />

Trakl, op. 14<br />

Tx Georg Trakl<br />

Ausg. U E 1924<br />

U A Donaueschingen, 20. Juli 1924,<br />

Clara Kwartin, Ges., Ensemble geführt<br />

<strong>von</strong> Rudolf Kolisch, Dir. A nton <strong>von</strong><br />

W ebern; vgl. auch 262<br />

251 I. Die Sonne<br />

(„Täglich kommt die gelbe Sonne“)<br />

Bs Ges. u. Klar, in B, V, Vc.<br />

Tx (Zyklus Siebengesang des Todes)<br />

OD Mödling, 12. Aug. 1921<br />

240 II. Abendland I<br />

(„M ond, als träte ein Totes“)<br />

Bs Ges. u. Bklar., V,Vc.<br />

Tx (Zyklus Gesang des Abgeschiedenen)<br />

OD Mürzzuschlag, 28. Juli 1919<br />

237 III. A bendlandII<br />

(„So leise sind die grünen W älder“)<br />

Bs Ges. u. Klar, in B, V, Vc.<br />

Tx (Zyklus Gesang des Abgeschiedenen)<br />

OD Mürzzuschlag, 7. Juli 1919<br />

222. IV. Abendland 111<br />

(„Ihr großen Städte“)<br />

Bs Ges. u. Klar, in Es, Bklar., Vc.<br />

Tx (Zyklus Gesang des Abgeschiedenen)<br />

OD Klagenfurt, 23. Juni 1917<br />

239 V. Nachts<br />

(„D ie Bläue meiner A ugen“)<br />

Bs Ges. u. Klar, in Es, Bklar., V<br />

Tx (Zyklus Sebastian im Traum)<br />

OD Mürzzuschlag, 18. Juli 1919<br />

647


238 VI. Gesang einer gefangenen Am sel 260<br />

(„D unkler Odem im grünen Gezweig“)<br />

Bs Ges. u. Klar, in B, Bklar., V, Vc.<br />

Tx (Zyklus Gesang des Abgeschiedenen)<br />

OD Mürzzuschlag, 11. Juli 1919<br />

261<br />

Fünf geistliche Lieder, op. 15<br />

Ausg. U E 1924<br />

U A Wien, 9. Okt. 1924, Felicie Hüni-<br />

Mihacsek, Ges., Mitgl. des W iener 269<br />

Opernorchesters, Dir. A nton <strong>von</strong> W e­<br />

bern; vgl. auch 263<br />

252 I. „Das Kreuz, das m ußt’ er tragen“<br />

Bs Ges. u. Fl., Bklar., Trp., Hfe., Via.<br />

Tx anon.<br />

OD Mödling, 28. Aug. 1921<br />

256 II. Morgenlied<br />

(„Steht auf, ihr lieben Kinderlein“ )<br />

Bs Ges. u. B klar.,Trp., Hfe., V<br />

Tx aus Des Knaben Wunderhorn<br />

O D Traunkirchen, 22. Juli 1922<br />

253 III. „In Gottes Namen aufstehn“ 268<br />

Bs Ges. u. Klar., Trp., Via.<br />

Tx anon.<br />

OD Mödling, 3. Sept. 1921<br />

257 IV. „Mein Weg geht jetzt vorüber“ 275<br />

Bs Ges. u. Fl., Klar.<br />

Tx anon.<br />

OD Traunkirchen, 26. Juli 1922<br />

224 V. „Fahr hin, o Seel’ “<br />

Bs Ges. u. Fl., Klar., Trp., Hfe., V<br />

Tx anon.<br />

OD Klagenfurt, 20. Juli 1917<br />

Bem. In seiner handschriftlichen A b­<br />

schrift des Textes vermerkt <strong>Webern</strong> Peter<br />

Roseggers Erdsegen als Quelle 274<br />

Fünf Canons nach lateinischen Texten,<br />

op. 16<br />

Ausg. U E <strong>1928</strong><br />

U A New York, 8 . Mai 1951, Bethany<br />

Beardslee, Ges., Everett Matson, Klar.,<br />

R obert Olisar, Bklar., Dir. Jacques<br />

Monod<br />

270 I. „Christus factus est“<br />

Bs Ges. u. Klar., Bklar.<br />

Tx Graduale aus der Gründonnerstagabend-Liturgie<br />

281<br />

OD Mödling, 12. Nov. 1924<br />

259 II. „Dormi Jesu“<br />

Bs Ges. u. Klar. 282<br />

Tx aus Des Knaben Wunderhorn<br />

OD Mödling, Juli 1923<br />

III. „Crux fidelis“<br />

Bs Ges. u. Klar., Bklar.<br />

Tx Hymnus aus der Karfreitagnachmittag-Liturgie<br />

OD Mödling, 8 . Aug. 1923<br />

IV. „A spergesm e“<br />

Bs Ges. u. Bklar.<br />

Tx Psalm 50 (8,1)<br />

OD Mödling, 21. Aug. 1923<br />

V. „Crucem tu am adoram us“<br />

Bs Ges. u. Klar., Bklar.<br />

Tx Antiphon aus der Karfreitagnachmittag-Liturgie<br />

OD Mödling, 29. Okt. 1924<br />

D rei Volksfeste, op. 17<br />

Ausg. U E 1955 (kompl.)<br />

U A New York, 16. März 1952, Bethany<br />

Beardslee, Ges., Jeffrey Lerner, Klar.,<br />

A nthony Gilio, Bklar., Abram Loft,<br />

V -V la. (kompl.)<br />

I. „A rm er Sünder, du“<br />

Bs Ges. u. Klar., Bklar., V<br />

Tx anon.<br />

OD Mödling, Herbst 1924<br />

II. „Liebste Jungfrau“<br />

Bs Ges. u. Klar., Bklar., V<br />

Tx anon.<br />

OD Mödling, 17. Juli 1925<br />

Ausg. New Music 1930 (als Geistlicher<br />

Volkstext)<br />

UA New' York, 8. Mai 1951, Bethany<br />

Beardslee, Ges., Everett Matson, iClar.,<br />

R obert Olisar, Bklar., A braham Shevelov,<br />

V, Dir. Jacques Monod<br />

III. „Heiland, unsre Missetaten“<br />

Bs Ges. u. Klar., Bklar., Via.<br />

Tx anon.<br />

O D Mödling, 11. Juli 1925<br />

D rei Lieder, op. 18<br />

Bs Ges. u. Klar, in Es, Git.<br />

Ausg. U E 1927<br />

U A Los Angeles, 8 . Febr. 1954, Grace-<br />

Lynne Martin, Ges., Hugo Raimondi,<br />

Klar., Jack Marshall, Git., Dir. Robert<br />

Craft.<br />

I. „Schatzerl klein“<br />

Tx Volkslied<br />

OD Mödling, 10. Sept. 1925<br />

II. Erlösung<br />

(„M ein Kind, sieh an“)<br />

Tx aus Des Knaben Wunderhorn<br />

648


OD Mödling, 27. Sept. 1925<br />

283 III. „Ave, Regina coelorum“<br />

Tx Marianisches Antiphon<br />

OD Mödling, 28. Okt. 1925<br />

Zwei Lieder, op. 19<br />

W David <strong>Josef</strong> Bach<br />

Bs gem. Chor u. Instr. (Gel., Git., V,<br />

Klar., Bklar.)<br />

Tx Johann Wolfgang <strong>von</strong> Goethe<br />

(Chinesisch-deutsche Jahresund<br />

Tageszeiten)<br />

Ausg. U E <strong>1928</strong><br />

UA nicht bekannt. Columbia M asterworks<br />

1957: Marni Nixon, Grace-Lynne<br />

Martin, Richard Robin, Charles Scharbach<br />

(V okalquartett) Ensemble, Dir.<br />

R obert Craft; vgl. auch 292,288<br />

286 I. „Weiß wie Lilien“<br />

O D Mödling, Dez. 1925-Jan. 1926<br />

287 II. „Ziehn die Schafe“<br />

OD Mödling, 8 . Juli 1926<br />

Streichtrio, op. 20<br />

Bs V, Via., Vc.<br />

OD Sommer 1926-E nde Juni 1927<br />

Ausg. U E 1927<br />

U A Wien, 16. Jan. <strong>1928</strong>, Mitgl. des<br />

W iener Streichquartetts (Rudolf Kolisch ,<br />

■ -. V, Eugen Lehner, Via., Benar Heifetz,<br />

Vc.); vgl. auch 291<br />

290 I. „Sehr langsam“<br />

OD Mödling, Frühjahr 1927<br />

289 II. „Sehr getragen und ausdrucksvoll“<br />

OD Mödling, Sommer 1926-A nfang<br />

1927<br />

Symphonie, op. 21<br />

W Christine <strong>von</strong> W ebern<br />

Bs Kammerensemble (Klar., Bklar., 2<br />

Hn., Hfe., V Iu . II, Via., Vc.)<br />

OD Nov. 1927-Juni <strong>1928</strong><br />

Ausg. U E 1929<br />

U A New York, 18. Dez. 1929, Dir.<br />

Alexander Smallens; vgl. auch 295<br />

294 I. „Ruhig schreitend“<br />

OD Mödling, 27. Juni <strong>1928</strong><br />

293 II. Variationen<br />

(„Sehr ruhig“)<br />

OD Mödling, 27. März <strong>1928</strong><br />

Q uartett, op. 22<br />

W Adolf Loos<br />

Bs V, Klar., Ten.-Sax., Kl.<br />

OD Sept. <strong>1928</strong>-A ug. 1930<br />

Ausg. U E 1932<br />

U A Wien, 13. Apr. 1931, Rudolf Kolisch,<br />

V, Johann Löw, Klar., Leopold<br />

Wlach, Ten.-Sax., Eduard Steuermann,<br />

Kl; vgl. auch 309<br />

308 I. „Sehr mäßig“<br />

OD Mödling, 14. Aug. 1930<br />

305 II. „Sehr schwungvoll“<br />

OD Mödling, 12. Apr. 1930<br />

D rei Gesänge aus Viae inviae <strong>von</strong> Hildegard<br />

Jone, op. 23<br />

W Hildegard Jone<br />

Bs Ges. u. KI.<br />

Tx Hildegard Jone Viae inviae<br />

Ausg. U E 1936<br />

U A Basel, 5. Dez. 1943, Marguerite<br />

Gradmann-Lüscher, Ges., Paul Baumgartner,<br />

Kl.<br />

314 I. „Das dunkle H erz“<br />

OD Maria Enzersdorf, 15. März 1934<br />

313 II. „Es stürzt aus Höhen Frische“<br />

OD M aria Enzersdorf, 18. Aug. 1933<br />

312 III. „H err Jesus mein“<br />

OD Maria Enzersdorf, 14. Juli 1933<br />

K onzert für nenn Instrum ente, op. 24<br />

W A rnold Schönberg<br />

Bs Kammerensemble (FL, Ob., Klar..<br />

Hn., Trp., Pos., Kl., V, Via.)<br />

OD Jan. 1931—Sept. 1934<br />

Ausg. U E/Editions Dynamo (liege)<br />

1948<br />

U A Prag, 4. Sept. 1935, Dir. Heinrich<br />

Jalowetz<br />

Bem. Begonnen in Mödling als Orchesterstück<br />

(Ouvertüre); vgl. auch 310,315,<br />

318<br />

316 I. „Etwas lebhaft“<br />

OD Maria Enzersdorf, 25. Juni 1934<br />

319 II. „Sehr langsam“<br />

OD Maria Enzersdorf, 4. Aug. 1934<br />

320 III. „Sehr rasch“<br />

OD Maria Enzersdorf, 4. Sept. 1934<br />

Drei Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Hildegard<br />

Jone, op. 25<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Hildegard Jone (Zyklus Die Freunde)<br />

Ausg. U E 1956<br />

U A New York, 16. März 1952, Bethany<br />

649


Beardslee, Ges., Jacques Monod, Kl.<br />

317 I. „Wie bin ich froh!“<br />

OD M aria Enzersdorf, 16. Juli 1934<br />

322 II. „Des Herzens Purpurvogel“<br />

OD M aria Enzersdorf, 15. Nov. 1934<br />

321 III. „Sterne, Ihr silbernen Bienen“<br />

OD Maria Enzersdorf, 8 . Okt. 1934<br />

324 Das Augenlicht, op. 26<br />

(„D urch unsre offnen A ugen“)<br />

W Amalie Waller<br />

Bs gem. Chor u. Orch. (FL, Ob., Klar.,<br />

Alt-Sax., Hn., Trp., Pos., P., S, Cel., Hfe.,<br />

Mand., 8 V, 4 Via., 4 Vc.)<br />

Tx Hildegard Jone Viae inviae<br />

O D Maria Enzersdorf, F e b r.-l 3. Sept.<br />

1935<br />

Ausg. U E 1956<br />

U A London, 17. Juni 1938, BBC Orch.<br />

und Chor, Dir. Hermann Scherchen.<br />

Bem. Kl.-A. mit Ges. <strong>von</strong> Ludwig Zenk<br />

(U E 1938)<br />

V ariationen für Klavier, op. 27<br />

W Eduard Steuermann<br />

Bs Kl.<br />

OD M aria Enzersdorf, Okt. 1935-Sept.<br />

1936<br />

Ausg. U E 1937<br />

U A Wien, 26. Okt. 1937, Peter Stadien,<br />

Kl.<br />

326 I. „Sehr mäßig“<br />

OD 19. Aug. 1936<br />

327 II. „Sehr schnell“<br />

O D 5. Sept. 1936<br />

325 III. „Ruhig fließend“<br />

OD 8. Juli 1936<br />

Streichquartett, op. 28<br />

W Elizabeth Sprague Coolidge<br />

Bs Str.-Q u.<br />

OD Maria Enzersdorf, Nov. 1936-M ärz<br />

1938<br />

Ausg. Boosey & Hawkes (Hawkes &<br />

Sons) 1939; U E1955<br />

UA Pittsfield (Mass.), 22. Sept. 1938,<br />

Kolisch-Quartett<br />

329 I. „Mäßig“<br />

OD 21. Jan. 1938<br />

330 II. „Gemächlich“<br />

OD 26. März 1938<br />

328 III. „Sehr fließend“<br />

OD 20. Aug. 1937<br />

I. Kantate, op. 29<br />

Bs Sopransolo, gem. Chor u. Orch. (Fl.,<br />

Ob., Klar., Bklar., Hn., Trp., Pos., P, S,<br />

Hfe., Cel., Mand., V, Via., Vc.)<br />

Tx Hildegard Jone<br />

OD Maria Enzersdorf, Juli 1938-Nov.<br />

1939<br />

Ausg. U E 1954<br />

UA London, 12. Juli 1946, Emelie<br />

Hooke, Ges., BBC Orch. u. Chor,<br />

Dir. Karl Rankl; vgl. auch 345<br />

332 I. „Zündender Lichtblitz“<br />

Tx Blitz und Donner (Zyklus Der M ohnkopf)<br />

in Enthüllte Form<br />

OD 25. Apr. 1939<br />

331 II. „Kleiner Flügel“<br />

Tx (Zyklus Fons hortorum)<br />

OD 14. Dez. 1938<br />

334 III. „Tönen die seligen Saiten Apolls“<br />

Tx aus Verwandlung der Chariten<br />

OD 26. Nov. 1939<br />

335 Variationen für Orchester, op. 30<br />

„Lebhaft“<br />

W W erner Reinhart<br />

Bs Orch. (FL, Ob., Klar., Bklar., Hn.,<br />

Trp., Pos., Tuba, P, Hfe., Cel., Str.)<br />

O D M aria Enzersdorf, A pr.-25. Nov.<br />

1940<br />

Ausg. U E 1956<br />

UA W interthur, 3. März 1943, Stadtorchester,<br />

Dir. Hermann Scherchen<br />

II. Kantate, op. 31<br />

Bs Sopransolo, Baßsolo, gern. Chor u.<br />

Orch. (Picc., FL, Ob., EH., Klar., Bklar.,<br />

Alt-Sax., Fg., Hn., Trp., Pos., Tuba, S,<br />

Hfe., Cel., Str.)<br />

Tx Hildegard Jone<br />

OD M aria Enzersdorf, [April]<br />

1941—Nov. 1943<br />

Ausg. U E 1949,<br />

Chorpartitur<br />

U E 1956,<br />

D irigierpartitur<br />

U A Brüssel, 23. Juni 1950, Ilona Steingruber<br />

u. O tto Wiener, Ges., N IR Kammerorchester<br />

und Chor (Belg. Radio),<br />

Dir. H erbert Häfner; vgl. auch 346,344<br />

341 I. „Schweigt auch die W elt“<br />

Tx Strahl und Klang (Zyklus Licht und<br />

Lied)<br />

OD 21. Jan. 1943<br />

650


342 II. „Sehr tiefverhalten“<br />

Tx Die Stille um den Bienenkorb (Zyklus<br />

Das Feldpostpäckchen)<br />

OD 6 . Juli 1943<br />

343 III. „Schöpfen aus Brunnen“<br />

Tx Alle Glocken (Zyklus Der M ohnkopf)<br />

OD 3. Nov. 1943<br />

336 IV. „Leichteste B ürden“<br />

Tx Der Wind (Zyklus Das Feldpostpäckchen)<br />

O D 31. Juli 1941<br />

338 V. „Freundselig ist das W ort“<br />

Tx (Zyklus Freundseligkeit)<br />

O D 2. Juli 1942<br />

339 VI. „G elockert aus dem Schöße“<br />

Tx Das Neugeborene (Zyklus Alltag)<br />

O D 26. Aug. 1942<br />

15. VERÖFFENTLICHTE WERKE<br />

OHNE OPUS/AULEN<br />

D ie mit * versehenen Titel stammen nicht vom Komponisten, sondern wurden <strong>von</strong> den<br />

Herausgebern für Aufführungs- und Veröffentlichungszwecke erstellt (s. Einleitung zum W erkverzeichnis,<br />

S. 639).<br />

Chronolog.<br />

Nr.<br />

*Zwei Stücke (1899)<br />

Bs Vc. u. KI.<br />

Ausg. CF 1975<br />

U A Cleveland, 3. Juni 1970, Gregor<br />

Piatigorsky, Vc., Victor Babin, KI.<br />

1 I. „Langsam“ (G -D ur)<br />

OD Preglhof, 17. Sept. 1899<br />

2 II. „Langsam“ (F-Dur)<br />

OD [Preglhof], 1899<br />

Drei Gedichte für Gesang und Klavier<br />

Bs G es.«. K I<br />

Ausg. CF 1965<br />

U A Seattle, 26. Mai 1962 (1. IWF),<br />

Esther LaBerge, Ges., Rudolph Ganz,<br />

Kl.<br />

3 I. Vorfrühling<br />

(„Leise tritt auf“)<br />

Tx Ferdinand Avenarius Stimmen und<br />

Bilder (Zyklus Jahrbuch, erstes Gedicht<br />

der G ruppe Vorfrühling)<br />

OD Klagenfurt, 1899<br />

Bem. Das erste <strong>von</strong> zwei Manuskripten<br />

<strong>von</strong> Vorfrühling ist Klagenfurt 1899, das<br />

zweite Klagenfurt 12. Jan. 1900 datiert;<br />

vgl. auch 5<br />

12 II. Nacht gebet der Braut<br />

(„O Welt, wann darf ich“)<br />

Tx Richard Dehmel<br />

O D Preglhof, 10. Apr. 1903<br />

11 III. Fromm<br />

(„D er Mond scheint“)<br />

Tx Gustav Falke M it dem Leben<br />

OD Preglhof, 11. Sept. 1902<br />

* Acht frühe Lieder<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Ausg. CF 1965<br />

U A Seattle, 27. Mai 1962 (1. IWF),<br />

Esther LaBerge, Ges., Rudolph Ganz,<br />

Kl.<br />

7 I. Tief <strong>von</strong> fern<br />

(„Aus des A bends“)<br />

Tx Richard Dehmel Erlösungen, Zweiter<br />

Abschnitt<br />

OD Klagenfurt, 21. Apr. 1901<br />

14 II. A u f blick<br />

(„Ü ber unsre Liebe“)<br />

Tx Richard Dehmel<br />

OD Preglhof, 12. Aug. 1903<br />

20 III. Blumengruß<br />

(„D er Strauß, den ich“)<br />

Tx Johann Wolfgang <strong>von</strong> Goethe Lieder<br />

OD Wien, 1903<br />

62 IV. Bild der Liebe<br />

(„Vom Wald umgeben“)<br />

Tx M artin Greif Neue Lieder und Mären<br />

OD Preglhof, 11. Sept. 1904<br />

15 V. Sommerabend<br />

(„D u Somm erabend“)<br />

651


Tx Wilhelm Weigand<br />

OD Preglhof, 7. Sept. 1903<br />

64 VI. Heiter<br />

(„M ein H erz ist wie ein See“)<br />

Tx Friedrich Nietzsche<br />

O D [Wien od. Preglhof], 1904<br />

18 VII. Der Tod<br />

(„Ach, es ist so dunkel“)<br />

Tx Matthias Claudius Sämtliche Werke<br />

des Wandsbecker Boten, Sechster Teil<br />

O D Wien, 24. Nov. 1903<br />

17 VIII. Heimgang in der Frühe<br />

(„In der D ämmerung“)<br />

Tx Detlev <strong>von</strong> Liliencron Bunte Beute<br />

OD Wien, 21. Nov. 1903<br />

*Dreä Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Ferdinand<br />

Avenarius<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Ferdinand Avenarius Stimmen und<br />

Bilder<br />

Ausg. CF 1965<br />

UA Seattle, 26. Mai 1962 (1. IWF),<br />

Esther LaBerge, Ges., Rudolph Ganz,<br />

Kl.<br />

60 I. Gefunden<br />

(„Nun wir uns lieben“)<br />

Tx (Zyklus Ehe)<br />

OD [Wien od. Preglhof], 5. Apr. 1904<br />

19 II. Gebet<br />

(„Ertrage d u ’s“)<br />

Tx (Zyklus Stimmungen)<br />

OD Preglhof, 1903<br />

59 III. Freunde<br />

(„Schmerzen und Freuden“)<br />

Tx (Zyklus Ehe)<br />

OD [Wien], 6 . Jan. 1904<br />

6 3 Im Sommerwind<br />

(„Idylle für großes Orchester nach einem<br />

Gedicht <strong>von</strong> Bruno Wille“)<br />

„Ruhig bewegt“<br />

Bs Orch. (3 Fl., 2 Ob., EH, 2 Klar, in A,<br />

2 Klar, in B, Bklar., 2 Fg., 6 Hn., 2 Trp.,<br />

P, S, 2 Hfn., Str.)<br />

OD Preglhof, 16. Sept. 1904<br />

Ausg. CF 1966<br />

U A Seattle, 25. Mai 1962 (1. IWF),<br />

Philadelphia Orch., Dir. Eugene Ormandy<br />

78 Langsamer Satz<br />

„Langsam, mit bewegtem A usdruck“<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD Wien, Juni 1905<br />

Ausg. CF 1965<br />

U A Seattle, 27. Mai 1962 (1. IWF),<br />

University of W ashington String Quartet<br />

79 Streichquartett (1905)<br />

„D üster und schwer“<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD Preglhof, 25. Aug. 1905; rev.<br />

Schluß Vordernberg, 12. Sept. 1905<br />

Ausg. CF 1965<br />

U A Seattle, 26. Mai 1962 (1. IWF),<br />

University of W ashington String Q uartet<br />

112 *Satz für Kla vier<br />

„Lebhaft“<br />

Bs Kl.<br />

OD [Wien, 1906]<br />

Ausg. CF 3 970<br />

U A Wien, 2. Dez. 1958, Else Stock-<br />

Hug, Kl.<br />

114 Sonatensatz (Rondo) für Klavier<br />

„Bewegt“<br />

Bs Kl.<br />

OD [Wien, 1906]<br />

Ausg. CF 1969<br />

U A H anover (N.H.), 2. Äug. 1968<br />

(4. IWF), Noel Lee, Kl.<br />

115 Rondo<br />

„Bewegt“<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [Wien, 1906]<br />

Ausg. CF 1970<br />

UA H anover (N.H.), 1. Aug. 1968<br />

(4. IWF), Philadelphia String Quartet<br />

*Fiinf Lieder nach Gedichten <strong>von</strong><br />

Richard Dehmel<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Richard Dehmel<br />

Ausg. CF 1966<br />

U A Seattle, 26. Mai 1962 (1. IWF),<br />

Grace-Lynne Martin, Ges., Leonard<br />

Stein, Kl.<br />

83 I. Ideale Landschaft<br />

(„D u hattest einen Glanz“)<br />

Tx Weib und Welt<br />

OD Wien, Ostern 1906<br />

130 II. A m Ufer<br />

(„D ie W elt verstummt“)<br />

652


Tx Weib und Welt<br />

OD Wien, 1908<br />

131 III. Himmelfahrt<br />

(„Schwebst du nieder“)<br />

Tx Weib und Welt<br />

O D [Wien od. Preglhof], 1908<br />

119 IV. Nächtliche Scheu<br />

(„Zaghaft vom Gewölk“)<br />

Tx A ber die Liebe<br />

OD [Wien od. Preglhof], 1907<br />

132 V. Helle Nacht<br />

(„W eich küßt die Zweige“)<br />

Tx Weib und Welt<br />

OD [Wien od. Preglhof], 1908<br />

118 Quintett<br />

„M äßig“<br />

Bs 2 V, Via., Vc., Kl.<br />

O D Wien, Frühjahr 1907<br />

Ausg. Boelke-Bomart, 1953<br />

U A Wien, 7. Nov. 1907, O skar Adler,<br />

1. V, Georg Heim, 2. V, Heinrich Jalowetz,<br />

Via., Heinrich Geiger, Vc., Etta<br />

Jonasz, Kl.<br />

*Vier Stelan-C?eorge-LIedei*<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Stefan George<br />

OD [Wien od. Preglhof], 1908/09<br />

Ausg. CF 1970<br />

UA Buffalo, 29. Okt. 1966 (3. IWF),<br />

Ethel Casey, Ges., Cornelius Cardew, Kl.<br />

143 I. „Erwachen aus dem tiefsten T raum esschoße“<br />

Tx Das Jahr der Seele (Zyklus Nachtwachen)<br />

Bem. Ursprünglich für Op. 3 geplant<br />

144 II. K unfttagl<br />

(„D em bist du Kind“)<br />

Tx Der siebente Ring (Zyklus Maximin)<br />

Bem. Ursprünglich für Op. 3 geplant<br />

145 III. TrauerI<br />

(„So wart, bis ich dies“)<br />

Tx Der siebente Ring (Zyklus Maximin)<br />

Bem. Ursprünglich für Op. 4 geplant<br />

146 IV. „D as lockere Saatgefilde“<br />

Tx Der siebente Ring (Zyklus Gezeiten)<br />

Bem. Ursprünglich für Op. 4 geplant<br />

*Orchesterstttcke (1913)<br />

Bs Orch. (Picc., 2 Fl., 2 O b., EH, Klar, in<br />

Es, 2 Klar, in B, Bklar., 2 Fg., Kfg., 4 Hn.,<br />

3 Trp. in B, Trp. in Es, 3 Pos., Tuba, Git.,<br />

Hfe., Cel., Harm., P, S, Solo-u. Tutti-Str.)<br />

Ausg. CF 1971<br />

U A kompl.: Köln, 13. Jan. 1969, W DR<br />

Symphonieorchester, Dir. Friedrich Cerha.<br />

I, III, V: Philadelphia, 14. Apr. 1967,<br />

Philadelphia Orch., Dir. Eugene Or~<br />

mandy<br />

187 I. „Bewegt“<br />

OD [Wien, 1913]<br />

188 II. „Langsam (sostenuto)“<br />

OD [Wien, 1913]<br />

183 III. „Sehr bewegte Viertel“<br />

OD [Wien], 21. Sept. 1913<br />

189 IV. „Langsame V iertel“<br />

OD [Wien, 1913]<br />

186 V. „(Alla breve)“<br />

O D [Wien], 2. Dez. 1913<br />

D rei Orchesterlieder (1913/14)<br />

Bs Ges. u. Orch. (Fl. (Picc.), Ob., EH,<br />

Klar., Bklar., Hn., Trp., 2 Pos., Harm.,<br />

Cel., Hfe., Mand., Git., P, S, Solo-V,-<br />

V la.,-V c.,2K b.)<br />

Ausg CF 1968<br />

U A Buffalo, 30. Okt. 1966 (3. IWF),<br />

Marni Nixon, Ges., Buffalo Philharmonie<br />

Orch., Dir. Lukas Foss<br />

200 1. Leise Düfte<br />

(„Leise Düfte, Blüten so zart“)<br />

Tx A nton <strong>von</strong> W ebern<br />

OD [Wien], 23. März 1914<br />

201 II. K unfttagIII<br />

(„Nun wird es wieder Lenz“)<br />

Tx Stefan George Der siebente Ring<br />

(Zyklus Maximin)<br />

O D [W ien],2. Apr. 1914<br />

184 III. „O sanftes Glühn der Berge“<br />

Tx A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

O D [Wien], 30. Sept. 1913<br />

202 Cello-Sonate<br />

„Sehr bewegt“<br />

Bs Vc. u. Kl.<br />

OD Wien, 9. Mai 1914<br />

Ausg. CF 1970<br />

UA Cleveland, 3. Juni 1970, Gregor<br />

Piatigorsky, Vc., Victor Babin, Kl.<br />

267 Kinderstück<br />

„Lieblich“<br />

Bs Kl.<br />

653


277<br />

O D Mödling, H erbst 1924<br />

Ausg. CF 1967<br />

U A New York, 22. Juli 1966, Caren<br />

Glasser, Kl.<br />

*Klavierstück<br />

„Im Tempo eines M enuetts“<br />

Bs Kl.<br />

O D Mödling, [Sommer] 1925<br />

Ausg. U E 1966<br />

U A Wien, 8 . Februar 1963, IvanE röd,<br />

Kl.<br />

*Satz Sür Streichtrio<br />

„Ruhig fließend“<br />

Bs V, Via., Vc.<br />

OD Mödling, 9. Aug. 1925<br />

Ausg. U E 1966<br />

U A Wien, 8 . Febr. 1963, Viktor Redtenbacher,<br />

V, Eugenie Altmann, Via.,<br />

Friedrich Hiller, Vc.<br />

654


C. ANDERE WERKF UND PROJEKTE<br />

Chronolog.<br />

Nr.<br />

4 W olkennacht<br />

(„Nacht, dem Zauber“ )<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Ferdinand Avenarius Stimmen und<br />

Bilder<br />

OD Klagenfurt, 1900<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 46 T Bleistift<br />

U A London, 5. Jan. 1979, Stephen Varcoe,<br />

Ges., John Constable, Kl.<br />

6 Vorfrühling II<br />

(„D och schwer hinschnaubend“)<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Ferdinand Avenarius Stimmen und<br />

Bilder (Zyklus Jahrbuch; zweites Gedicht<br />

der Gruppe Vorfrühling)<br />

OD [1900]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 26 T Bleistift<br />

U A Buffalo, 29. Okt. 1966 (3. IWF),<br />

Fithel Casey, Ges., Cornelius Cardew, KI.<br />

8 Wehmut<br />

(„D arf ich einer Blume still“)<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Ferdinand Avenarius Stimmen und<br />

Bilder (Zyklus Jahrbuch)<br />

OD Preglhof, 15. Juli 1901<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 23 TBleistift<br />

U A Buffalo, 29. Okt. 1966 (3. IWF),<br />

Ethel Casey, Ges., Cornelius Cardew, Kl.<br />

9 „D u bist mein, Ich bin dein“<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx anon. Minnelied, ca. 12. Jahrh.<br />

OD [1901]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 20 T Bleistift<br />

10 Dämmerstunde<br />

(„Im Sessel du, und ich zu deinen<br />

Füßen“)<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Theodor Storm Gedichte (zweites<br />

<strong>von</strong> zwei Gedichten mit gleichem Titel)<br />

O D [1901]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 33 T Bleistift<br />

16 Siegfrieds Sch wert<br />

(„Jung Siegfried war ein stolzer K nab’“)<br />

Bs G es.u. Orch. (je 2 FL,O b.,K lar.,Fg.;<br />

Kfg., 4 Hn., 3 Trp., 3 Pos., P, S, Str.)<br />

Tx Ludwig Uhland Balladen und R o ­<br />

manzen<br />

OD Preglhof, 25. Sept. 1903<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 94 T ausgearbeitete Partitur in<br />

Tinte<br />

U A London, 3. Dez. 1978, R obertT ear,<br />

Ges., BBC Orch., Dir. David A therton<br />

21 „D u träumst so heiß im Sommerwind“<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx ?<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 23 T Bleistift<br />

22 Thema und Variationen, a-Moll<br />

Bs K l.;Str.-Q u.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 21 numerierte Variationen (Nr. 21<br />

für Str.-Qu.), 1881 Tinte<br />

Variationen über „Der W inter ist vergangen“<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. Thema nach einem Volkslied<br />

23 I. G -D ur<br />

Bs Kl.<br />

Bem. 72 T T inte; 10TBleistift<br />

24 II. G -D u r..g-Moll<br />

Bs Str.-Qu.<br />

Bem. 82 T Tinte<br />

25 Streichquartett-Variationen,<br />

F -D ur-f-M oll<br />

Bs Str.-Qu.<br />

655


OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. ca. 107TBleistift<br />

26 Streichquartett-Satz, e-MolI<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 14 T T inte; 2 1 T Bleistift<br />

27 Streichquartett-Satz, G -D ur<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 13 T Bleistift<br />

28 Streichquartett-Safe, c-Moll<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 17 T T inte u. Bleistift<br />

29 Klavierstück, C-Dur<br />

Bs Kl.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 3 4 T T inte; ca. 8 0 TBleistift<br />

30 Klavierstück, As-D ur<br />

Bs Kl.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 24 T T inte; ca. 4 0 T Bleistift<br />

31 Klswlerstiick, C-Dur<br />

Bs Kl.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 30 T T inte; 10 T Bleistift<br />

Zwei Klavierstücke<br />

Bs Kl.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

32 I. E-D ur<br />

Bem. 151 T Tinte; 38 T Bleistift<br />

33 II. e-Moll<br />

Bem. ca. 4 0 T T inte<br />

EU kurze Klavierstücke<br />

Bs KI.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. A ußer den hier angeführten<br />

M anuskripten in Tinte existieren insgesamt<br />

ca. 245 T Bleistiftskizzen<br />

34 I. B-D ur 8 T Tinte<br />

35 II. G -D ur 12 T T inte<br />

36 III. D-Dur 16 T T inte<br />

37 IV. a-Moll 21 T T inte<br />

38 V. F-D ur 20 T Tinte<br />

39 VI. C-Dur 27 T T in te<br />

40 VII. a-Moll 25 T Tinte<br />

41 VIII. C-D ur 31 T T inte<br />

42 IX. G -D ur 20 T T inte<br />

43 X. D -D ur 11 T T inte<br />

44 XI. E-D ur 23 T Tinte<br />

45 Klavierstück, A -D ur<br />

Bs Kl.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 80T T inte; 140TBleistift<br />

46 Klavierstück, C-Dur<br />

Bs KI.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 6 2 T T inte; ca. 9 0 TBleistift<br />

47 Streichorchester-Satz, cis-Moll<br />

Bs V I, V II, Via.,Vc., Kb.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 20 T Bleistift<br />

48 Streichorchester-Satz, C-Dur<br />

Bs V I, V II, Via., Vc., Kb.<br />

OD [1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bern. ca. 133 TBleistift<br />

61 Liebeslied<br />

(„O b ich lach“)<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Hans Böhrn<br />

OD 24. Apr. 1904<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 18 T Bleistift<br />

65 Hochsom m em acht<br />

(„Stille ruht die weite W elt“)<br />

Bs Vokalduett (Sopran, Tenor) u. K l<br />

Tx Martin Greif<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bein. 2 9 T T inte u. Bleistift<br />

656


U A Buffalo, 29. Okt. 1966 (3. IWF),<br />

Ethel Casey u. W arren Hoffer, Ges.,<br />

Cornelius Cardew, Kl.<br />

6 6 Streichquartett-Satz, C-Dur<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. ca. 138 T Tinte<br />

67 Quartett-Satz, e-Moll<br />

„Mäßig bewegt“<br />

Bs Klar., V, Via., Kl.<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 32 TBleistift<br />

6 8 ' Scherzo mul Trio, a-Moll<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 2 Versionen, 90 u. 71 T ausgearbeitete<br />

Partituren in Tinte<br />

UA Baton Rouge, 17. Febr. 1978 (6 .<br />

IW F), Concord String Q uartet<br />

69 Z um Schluß<br />

(„W en’ge sinds, die mich verstehen“)<br />

Bs Ges. u. Orch. (je 2 Fl., Ob., Klar., Fg.,<br />

T rp .; EH, Bklar., Kfg., 4 Hn., 3 Pos.,<br />

Tuba, P, Hfe., Str.)<br />

Tx ?<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 22 T Partitur, 'Finte<br />

7 0 Streichquartett-Satz, B -Dur<br />

„Schwer“<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 2 6 TBleistift<br />

71 Orchester-Satz, F-Dur<br />

Bs Orch. (Ob., Klar., Hn., mit Hinweisen<br />

auf Str.)<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. ca. 8 6 TParticell, Bleistift<br />

72 Orchester-Satz, D-Dur<br />

„Sehr bewegt“<br />

Bs Orch. (Picc., 2 FL, 2 Ob., EH, Klar, in<br />

D, 2 Klar, in B, Bklar., 2 Fg., Kfg., 6 Hn.,<br />

3 Trp., 3 Pos., Tuba, P, S, Hfe., Str.)<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 5 9 T Partitur, Tinte; 518T P articell,<br />

Bleistift<br />

73 Orchester-Satz, F-D ur<br />

„Kräftig bewegt“<br />

Bs Orch. (Picc., 2 FL, 2 Ob., EH, Klar, in<br />

Es, 2 Klar, in B, 2 Fg., Kfg., 4 Hn., 3 Trp.,<br />

3 Pos., P, S, Hfe., Str.)<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 36 T Partitur, T inte; 470 T Particell,<br />

Bleistift<br />

74 Streichorchester-Satz, d-Moll<br />

Bs Str.-Orch.<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 142 T Partitur, T inte; 2,76 T Particell,<br />

Bleistift<br />

75 Klavierstück, a-Moll<br />

„Schnell“<br />

Bs Kl.<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 14T Tinte<br />

76 Klavierstück, G -D ur<br />

„Langsam“<br />

Bs Kl.<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 2 1 T Tinte; auch für Str.-Qu.<br />

skizziert, 2 1T Tinte<br />

77 Klavierstück, E s-D ur..es-Moll<br />

Bs Kl.<br />

OD [1904]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 14 T Bleistift<br />

80 Streichquartett-Satz, D -D ur - d-Moll<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1905]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. ca. 6 6 T Bleistift<br />

81 Klavierquintett, g-MoIl<br />

Bs Kl. u. Str.-Qu.<br />

OD [1905]<br />

Ausg. MS; Bem. ca. 36TBleistift<br />

657


82 Orchestervariationen, D -D ur - d-Moll<br />

Bs Orch. (keine Besetzungshinweise)<br />

OD [1905]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 522T Particell, Bleistift<br />

Achtzehn deutsche Choralsätze<br />

Bs vierstimmig<br />

OD [Preglhof, Sommer 1906]<br />

Ausg. MS<br />

84 I. „Komm heil’ger Geist, du T röster<br />

m ein“<br />

Bem. 28 T ausgearbeitete Partitur,<br />

Tinte<br />

Quelle: Zahn, Die Melodien<br />

der deutschen Kirchenlieder,<br />

Bd. 1 (1889), Nr. 38<br />

85 II. „Christus, der ist mein L eben“<br />

BW V281<br />

8 6 III. „Christ lag in Todesbanden“<br />

BW V277<br />

87 IV. „Neun freut euch, Gottes Kind<br />

erall“<br />

BW V387<br />

8 8 V. „O Ewigkeit, du D onnerw ort“<br />

B W V397<br />

89 VI. „H err Jesu Christ, dich zu uns<br />

wend’ “<br />

BW V332<br />

90 VII. „Nicht so traurig, nicht so sehr“<br />

B W V384<br />

91 VIII. „Gib dich zufrieden und sei<br />

stille“<br />

BW V315<br />

92 IX. „O Traurigkeit, o Herzeleid“<br />

BW V404<br />

93 X. „W enn wir in höchsten Nöten<br />

sein“ BWV 431<br />

94 XI. „Nun ruhen alle W älder“<br />

BWV 392<br />

95 XII. „D anket dem Herren, denn er<br />

ist sehr freundlich“ BWV 286<br />

96 XIII. „Nun komm, der Heiden H eiland“<br />

BWV 36<br />

97 XIV. „H err Jesu Christ, du höchstes<br />

G ut“ BWV 334<br />

98 XV. „Von G ott will ich nicht lassen“<br />

BWV 417<br />

99 XVI. ,, H eut’ ist, o Mensch, ein<br />

großer“ BWV 341<br />

1 0 0 XVII. „Jesus, meine Zuversicht“<br />

BWV 365<br />

101 XVIII „Erschienen ist der herrliche<br />

Tag“ BWV 145<br />

102 Orchester-Satz, h-Moll<br />

„Sehr lebhaft“<br />

Bs 2 Klar., Hn., Str.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 7 T Partitur, Tinte u. Bleistift<br />

103 Orchester-Satz, E-D ur<br />

Bs keine Angaben<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 20 T Particell, Bleistift<br />

104 Klavierquintett-Satz, c-Moll<br />

Bs Kl. u. Str.-Qu.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 65 T Bleistift<br />

105 Streichquartett-Satz, D -D u r- A -D ur<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. ca. 112TBleistift<br />

106 Streichquartett-Satz, D -D ur<br />

„Sehr lebhaft“<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. ca. 93 TBleistift<br />

107 Streichquartett-Satz, C-Dur<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bern. 53 TBleistift<br />

108 Streichquartett-Safe, e-Moll<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 19T T inteu. Bleistift<br />

109 Streichquartett-Satz, d-Moll<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 46 T Bleistift<br />

110 Streichquartett-Satz, A -D ur - E-D ur<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1906]<br />

658


Ausg. MS<br />

Bem. 4 8 TBleistift<br />

111 Streichquartett-Satz, d-Moll<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 6 8 TBleistift<br />

113 Satz für Klavier, F-Dur<br />

Bs Kl.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 134 TTinte<br />

116 Klavierstück, c-Moll<br />

Bs KL<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 16 T Tinte; 25 T Bleistift<br />

117 Satz für Violine und Klavier, e-Moll<br />

„Sehr lebhaft“<br />

Bs V u.K l.<br />

OD [1906]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 113 T T inte; 385 T Bleistift<br />

120 Thema und Variationen, cis-Moll<br />

„Langsam“<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1907]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. Thema 15 T T inte; drei Variationen<br />

46 T Bleistift; Skizzen 55 T Bleistift<br />

121 Streichquartett, a-Moll<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1907]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 269 T T inte u. Bleistift; Partitur<br />

aus Skizzen und vorhandenen Stimmen<br />

V II u. Vc. rekonstruiert<br />

U A Baton Rouge, 16. Febr. 1978<br />

(6 . IWF), Concord String Q uartet<br />

122 Streichquartett, c-Moll - C-D ur<br />

„Sehr bewegt“<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1907]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 109 T T inte; 574 TBleistift<br />

123 Instrumentalstück, G -D ur<br />

Bs nur V II angegeben<br />

OD [1907]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. ca. 36 TParticell, Bleistift<br />

D rei Orchester-Studien über einen Bsssso<br />

ostinato, a-Moll<br />

Bs Orch.<br />

OD [1907]<br />

Ausg. MS<br />

U A London, 3. Dez. 1978, BBC Orch.,<br />

Dir. David A therton<br />

124. I. „Ruhig bewegt“<br />

Bs 2 FL, 2 Ob., EH, 2 Klar, in A, Bklar.,<br />

2 Fg., Kfg., 4 Hn., 3 Trp., 3 Pos., Tuba,<br />

Hfe., P, S, Str.<br />

Bem. 19 T ausgearbeitete Partitur, Tinte<br />

125 II.<br />

Bs 2 FL, EH , 2 Klar, inA , Bklar., Fg., 4<br />

Hn., Hfe., P, Str.<br />

Bem. 19 T ausgearbeitete Partitur, Tinte<br />

126 III.<br />

Bs Klar, inA , 4 Hn., Hfe., P, Str.<br />

Bem. 19 T ausgearbeitete Partitur, Tinte<br />

128 Alladine und Palomides<br />

Opernprojekt<br />

Tx Maurice Maeterlinck (zweites der<br />

Drei mystischen Spiele)<br />

OD [Frühjahr-Sommer] 1908<br />

Ausg. MS<br />

Bern. Vorspiel, Anfang <strong>von</strong> A kt 1 ,15 T<br />

Bleistift<br />

Zwei Klavierstücke (atonal)<br />

Bs Kl.<br />

OD [1909/10]<br />

Ausg. MS<br />

158 I. 19 T Bleistift<br />

159 II. 7 TBleistift<br />

165 Die sieben Prinzessinnen<br />

O pernprojekt<br />

Tx Maurice M aeterlinck (erstes der Drei<br />

mystischen Spiele)<br />

OD Preglhof, Sommer 1910<br />

Ausg. MS, verschollen<br />

179 „Schmerz, immer blick mach oben“<br />

Bs Ges. u. Str.-Qu.<br />

Tx A nton <strong>von</strong> W ebern<br />

OD Mürzzuschlag, Juni-Juli 1913<br />

659


Ausg. MS<br />

Bem. 13 Tausgearbeitete Partitur, Tinte<br />

Urspr. Nr. II aus Drei Stücke fü r Streichquartett;<br />

vgl. auch 178,180<br />

UA New York, 11. Apr. 1964, Adele<br />

Addison, Ges., Juilliard String Quartet.<br />

Acht Orchester-Fragmente<br />

Bs Orch. (Fl. (Picc.), Ob., Klar.<br />

(Bklar.), Hn., Trp. in B, Trp. in Es, Pos.,<br />

Mand., Git., Cel., Hfe., Glsp., XyL,<br />

Glock., Harm., S, Solo-V, Solo-Via., Vc.,<br />

Kb.)<br />

OD [Preglhof,Sommer 1911]-Wien,<br />

Herbst 1913<br />

Ausg. MS<br />

UA Wien, 16. März 1972 (5. IWF),<br />

Ensemble die reihe, Dir. Friedrich Cerha<br />

190 I. „Andante“ 6 TParticell, Bleistift<br />

191 II. „Langsam“ 3 T Partitur, Tinte<br />

192 III. 4 T Partitur, Tinte<br />

193 IV. 2 T Particell, Bleistift<br />

194 V. 3 T Particell, Bleistift<br />

195“ VI. 3 T Particell, Bleistift<br />

196 VII. 3 T Partitur, Tinte,<br />

womögl. eine Frühversion<br />

<strong>von</strong> Op. 10,Nr.4<br />

197 VIII. ,,Rasch“ 8 T Particell, Bleistift<br />

198 „Schien mir’s, als Ich sah die Sonne“<br />

Bs Frauenchor u. Instr.<br />

Tx August Strindberg Gespenstersonate<br />

OD [Wien], Winter 1913/14<br />

Ausg. MS<br />

Bem. S T Bleistift<br />

207 „In einer licliten Rose“<br />

Bs Ges. u. Orch.<br />

Tx Dante Göttliche Komödie, XXXI.<br />

Gesang <strong>von</strong> Buch III, Das Paradies<br />

OD 1914<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 20 TParticell, Bleistift<br />

208 Streichquartett-Safe<br />

„Lebhaft“<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD [1914]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 20 T Bleistift<br />

209 Meiner Mutter<br />

(„Wie oft sah ich die blassen Hände<br />

nähen“)<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Detlev <strong>von</strong> Liliencron Adjutantenritte<br />

und andere Gedichte; später in Sizilianen<br />

(Zyklus K am pfund Spiele)<br />

OD [1914 oder später]<br />

Ausg. MS<br />

Bern. 9 TBleistift<br />

210 „IntiefsterSchuIdvoreinem Augenpaar“<br />

Bs Ges. u. Klar., V, Harm.<br />

Tx ?<br />

OD [1914 oder später]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 9 TB leistift<br />

211 „M utig trägst du die Last“<br />

Bs G es.u.K l.;auchG es.u.V ,O b.,H arm .<br />

Tx ?<br />

OD [1914 oder später]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 5 T Bleistift; 10 T Bleistift<br />

Acht Trakl-Lieder<br />

Tx Georg Trakl<br />

OD 1915-1921<br />

Ausg. MS<br />

214 I. In der Heimat („Resedenduft durchs<br />

kranke Fenster irrt“)<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx (Zyklus Im Dorf)<br />

OD Wien, .1915<br />

Bem. 28 T Bleistift<br />

215 II. In den Nachmittag geflüstert<br />

(„Sonne, herbstlich dünn und zag“)<br />

Bs Ges. u. Instr.<br />

Tx (Zyklus Traum des Bösen)<br />

OD Wien, 1915<br />

Bem. 12 T Particell, Bleistift<br />

218 III. „M it silbernen Sohlen“<br />

Bs Ges. u. Orch.<br />

Tx Offenbarung und Untergang, Teil VI<br />

OD Wien, 1917<br />

Bem. 2 Skizzen, 11 u. 2 TParticell,<br />

Bleistift<br />

225 IV. Verklärung<br />

(„W enn es Abend wird“ )<br />

Bs G es.u.Instr.;G es.u.K l.<br />

Tx (Zyklus Siebengesang des Todes)<br />

OD Klagenfurt, 1917<br />

Bem. 5 Skizzen, 4 bis 13 T Bleistift<br />

227 V. Siebengesang des Todes<br />

(„Bläulich dämm ert der Frühling“)<br />

660


Bs Ges. u. Orch.<br />

Tx (Zyklus Siebengesang des Todes)<br />

OD 1917<br />

Bem. 16 T Particell, Bleistift<br />

247 VI. Nachtergebung<br />

(„Mönchin! schließ mich in dein<br />

D unkel“)<br />

Bs Ges. u. O rch.; auch Ges. u. Kl.<br />

Tx (Zyklus Offenbarung und Untergang)<br />

OD 1920<br />

Bem. 3 Skizzen, 9 u. 4 T Particell, Bleistift;<br />

8 T (Ges. u. Kl.) Bleistift<br />

248 VII. Die Heimkehr<br />

(„D ie Kühle dunkler Jahre“)<br />

Bs Ges. u. Orch.<br />

Tx (Zyklus Gesang des Abgeschiedenen)<br />

OD [1920]<br />

Bem. 2 Skizzen, 8 u. 6 T Particell,<br />

Bleistift<br />

254 VIII. Jahr<br />

(„D unkle Stille der K indheit“)<br />

Bs Ges. u. Klar., Via., Vc.<br />

Tx (Zyklus Gesang des Abgeschiedenen)<br />

OD 1921<br />

Bem. 3 TBleistift<br />

219 Orchesterlied<br />

(kein Text)<br />

Bs Ges. u. Orch.<br />

Tx ?<br />

OD Hietzing, 1917<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 13 T Particell, Bleistift; Vokalzeile<br />

leer<br />

Zwei Goethe-Lieder<br />

Tx Johann Wolfgang <strong>von</strong> Goethe<br />

OD 1917/18<br />

Ausg. MS<br />

220 I. Gegenwart<br />

(„Alles kündigt dich an!“)<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Lieder<br />

OD Wien, 1917<br />

Bem. 38TBleistift<br />

235 II. Cirrus<br />

(„Doch immer höher steigt der edle<br />

D rang“)<br />

Bs Ges. u. Orch.<br />

Tx Gott und Welt( Zyklus Howards E h­<br />

rengedächtnis)<br />

OD Mödling, 1918<br />

Bem. 4 Skizzen, 6 bis 13 T Particell,<br />

Bleistift<br />

Streichquartett-Sätze<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD 1917/18<br />

Ausg. MS<br />

226 I. „Spiccato“<br />

OD Klagenfurt, 1917<br />

Bem. 12 TBleistift<br />

228 II. „Sanft bewegt“<br />

OD Wien, Ende Jan. 1917-M ödling,<br />

1918<br />

Bem. ca. 45 T Bleistift<br />

229 III.<br />

OD 1917/18<br />

Bem. 14 TBleistift<br />

230 IV. „Mäßig bewegt“<br />

O D Mödling, 5. Juli 1918<br />

Bem. 12 TBleistift<br />

Drei Krans-Liecler<br />

Bs Ges. u. Orch.<br />

Tx Karl Kraus<br />

OD 1918-1920<br />

Ausg. MS<br />

232 I. Vallorbe<br />

(„D u himmlisches G eflecht“)<br />

Tx Worte in Versen, Teil III<br />

OD Mödling, 5. Aug. 1918<br />

Bem. 3 Skizzen., 6 3 ,37 u . 7 T Particell,<br />

Bleistift<br />

236 II. Vision des Erblindeten<br />

(„So, M utter, D ank!“)<br />

Tx Worte in Versen, Teil III<br />

OD Mürzzuschlag, 2. Juli 1919<br />

Bern. 39 TParticell, Bleistift<br />

246 III. Flieder<br />

(„N un weiß ich doch“)<br />

Tx W ortein Versen, Teil IV<br />

OD Mödling, 1920<br />

Bem. 4 Skizzen, 8 bis 15 T Particell,<br />

Bleistift<br />

Zwei Lieder ans Heiliges Die chinesische<br />

Flöte<br />

OD 1918-1920<br />

Ausg. MS<br />

233 I. Nächtliches Bild<br />

(„Vom Wind getroffen“)<br />

Bs Ges. u. Orch.<br />

Tx Tschan-Jo-Su<br />

661


OD Mödling, Herbst 1918<br />

Bem. 2 Skizzen, ca. 27 u. 26 T Particell,<br />

Bleistift<br />

244 II. Der Frühlingsregen<br />

(„D er holde liebe Frühlingsregen“)<br />

Bs Ges. u. Orch.; auch Ges. u. Kl.<br />

Tx Thu-Fu<br />

OD 1920<br />

Bem. 9 TParticell, Bleistift;<br />

2 Skizzen (Ges. u. Kl.), 11 u. 4 TBleistift<br />

242 Triosatz<br />

Bs Klar., Trp., V<br />

OD Mödling, 21. Aug. 1920<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 17TBleistift<br />

U A Baton Rouge, 17. Febr. 1978<br />

(6 . IWF), David DeFoe, Klar., Alan<br />

Sierichs, Trp., Dinos Constantinides, V<br />

245 „Christkindlein trägt die Sünden der<br />

Welt“<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx ?<br />

OD 1920<br />

Ausg. MS<br />

Bem. lO TBleistift<br />

265 „Morgenglanz der Ewigkeit“<br />

Bs Ges. u. Orch.<br />

Tx Christian Knorr <strong>von</strong> Rosenroth,<br />

1684 (Freylingshausen Gesangbuch,<br />

1704)<br />

OD Mödling, Frühjahr 1924<br />

Ausg. MS<br />

Bem. Auch „Vorspiel“ zum gleichen<br />

W erk; 3 Skizzen, 4 bis 8 TParticell,<br />

Bleistift<br />

266 Kinderstück<br />

„Lieblich“<br />

Bs KL<br />

OD Mödling, Herbst 1924<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 9 TBleistift<br />

273 Streichtrio-Satz<br />

„Ruhig“<br />

Bs V, Via., Vc.<br />

OD Mödling, Frühjahr 1925<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 24 TBleistift<br />

UA Baton Rouge, 17. Febr. 1978<br />

(6 . IWF), Mitgl. des Concord String<br />

Q uartet (Mark Sokol, V, John Kochanowski,<br />

Via., Norman Fischer, Vc.)<br />

276 „D ein Leib geht jetzt der Erde zu“<br />

Bs Ges. u. Klar., Bklar., Via.<br />

Tx ?<br />

OD [Sommer] 1925<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 7 T Bleistift<br />

2.79 Streichquartett-Satz<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD Mödling, 24. Aug. 1925<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 9 T Bleistift<br />

280 Klavierstück<br />

Bs KL<br />

OD Mödling, [Ende Aug.] 1925<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 4 Skizzen, 3 bis 10 T Bleistift<br />

284 „V erderben, sterben - idi leb’ ohne<br />

Trost“<br />

Bs Ges. u. Instr.<br />

Tx ?<br />

OD [1925]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. 9 TParticell, Bleistift<br />

288 „A uf Bergen, in der reinsten H öhe“<br />

Bs gem. Chor a cappella<br />

Tx Johann Wolfgang <strong>von</strong> Goethe Gott,<br />

Gemüt und Welt<br />

OD Mödling, Herbst 1926<br />

A.usg. Sketches<br />

Bem. G eplant für Op. 19<br />

291 Streichtrio-Satz<br />

„Sehr lebhaft“<br />

Bs V, Via., Vc.<br />

OD Hafning, [Juli/Aug.] 1927<br />

Ausg. Sketches<br />

Bem. G eplant für Op. 20<br />

U A Wien, 16. März 1972 (5. IWF),<br />

Viktor Redtenbacher, V, Eugenie<br />

Altmann, Via., Leonhard Wallisch,<br />

Vc.<br />

295 Symphonie-Satz<br />

Bs Orch.<br />

662


OD Mödling, Aug. <strong>1928</strong><br />

Ausg. Sketches<br />

Bem. G eplant für Op. 21<br />

U A London, 20. Dez. 1978, London<br />

Siiifonietta, Dir. David A therton<br />

303 „Nun weiß man erst, was Rosenknospe<br />

sei“<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Johann Wolfgang <strong>von</strong> Goethe (Zyklus<br />

Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten)<br />

OD Mödling, 7. März 1929<br />

Ausg. Sketches<br />

304 Streichquartett-Satz<br />

Bs Str.-Qu.<br />

OD Mödling, 30. Juni 1929<br />

Ausg. Sketches<br />

306 Cirrus<br />

(„Doch immer höher steigt der edle<br />

D rang“)<br />

Bs Ges. u. Kl.<br />

Tx Johann Wolfgang <strong>von</strong> Goethe Gott<br />

und Welt (Zyklus Howards Ehrengedächtnis)<br />

OD Mödling, 29. Juni-9. Juli 1930<br />

Ausg. Sketches<br />

307 „Der Spiegel sagt mir; ich bin schön!“<br />

Bs 4-st. Frauenchor<br />

Tx Johann Wolfgang <strong>von</strong> Goethe (Zyklus<br />

Westöstlicher Diwan)<br />

O D Mödling, 7.-[14.] Juli 1930<br />

Ausg. Sketches<br />

309 Quartett-Satz<br />

Bs V, Klar., Ten.-Sax., Kl.<br />

OD Mödling, 20. Aug,~[12.] Sept. 1930<br />

Ausg. Sketches<br />

Bern. G eplant für Op. 22<br />

310 Orchesterstück (Ouvertüre)<br />

Bs Orch. (Fl., Ob., Klar., Hn., Trp., Pos.,<br />

Hfe., Cel., Kl., P, S, V, Via., Vc.)<br />

OD Mödling, 16. Jan.-22. Febr. 1931<br />

Ausg. Sketches<br />

Bem. Vorstufe zu Op. 24<br />

315 „Wie kann der T o i so nah «1er Liebe<br />

wohnen?“<br />

Bs gem. Chor<br />

Tx Hildegard Jone Der Schnee<br />

OD Maria Enzersdorf, 11.—[14.] Mai<br />

1934<br />

Ausg. Sketches<br />

Bem. G eplant für Op. 24?<br />

318 Instrum entaler Safa<br />

„Sehr rasch“<br />

Bs Holzbläser, V, Via., Kl.<br />

OD Maria Enzersdorf,<br />

21. Juli 1934<br />

Ausg. Sketches<br />

Bem. G eplant für Op. 24?<br />

344 „Kleiner sind G ötter geworden“<br />

Bs gem. Chor<br />

Tx Hildegard Jone Verwandlung der<br />

Chariten<br />

O D Maria Enzersdorf, Dez. 1943-Jan.<br />

1944<br />

Ausg. Sketches<br />

Bem. G eplant für Op. 31<br />

347 K onzert<br />

wurde zur vermutlichen III. K antate entwickelt<br />

(„D as Sonnenlicht spricht“)<br />

Bs Sologes., Chor u. Instr.<br />

Tx Hildegard Jone (Zyklus Lumen)<br />

OD M aria Enzersdorf, 26. Jan.<br />

1944—[ 1945 ?]<br />

Ausg. Sketches<br />

663


D. BEARBEITUNGEN<br />

1. Eigene Werke<br />

5 Vorfrühling<br />

Bs Ges., Ob., 2 Hn. in Es, Hfe.<br />

OD [Klagenfurt, 1900]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. Anfang, 4 T ; vgl. auch 3<br />

206 „E n tflieht auf leichten K ähnen “ (op. 2)<br />

Bs gem. Choru. Instr. (V,Via., Vc.,<br />

Harm., Kl.)<br />

OD Wien, Frühjahr 1914<br />

Ausg. MS<br />

UA Saarbrücken, 14. März 1969, Schola<br />

Cantorum Stuttgart u. Mitgl. des Sinfo ­<br />

nieorchesters des Saarländischen Rundfunks,<br />

Dir. Friedrich Cerha<br />

2.34 Passacaglia für Orchester (op. 1)<br />

Bs 2 Kl. 6 -hdg.<br />

OD [Mödling, Ende 1918]<br />

Ausg. MS, vermutlich verloren<br />

UA privat: Wien, 2. Febr. 1919, Verein<br />

für musikalische Privataufführungen;<br />

öffentlich: Wien, 6 . Juni 1919, derselbe<br />

Veranstalter, Eduard Steuermann, Ernst<br />

Bachrich, Paul A. Pisk, Kl.<br />

241 Fünf Stücke für O rchester (op. 10)<br />

Bs Kammerensemble (V, Via., V c.,<br />

Harm., Kl.)<br />

OD [Mödling, 1919]<br />

Ausg. MS<br />

UA Wien, 30. Jan. 1920, Verein für<br />

musikalische Privataufführungen, Rudolf<br />

Kolisch, V, Walter Seligmann, Via., Maria<br />

Lazansky, Vc., Hans Neumann, Harrn.,<br />

Karl Hein, Kl., Dir, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

243 Sechs Stücke für großes O rchester (op, 6)<br />

Bs Kammerensemble (FL, Ob,, Klar., V<br />

I u. II, Via., Vc., S, Harm., KL)<br />

OD Mödling 1920<br />

Ausg. MS<br />

UA Wien, 16. März 1970, Ensemble die<br />

reihe, Dir. Friedrich Cerha<br />

262 Sechs L ieder nach G edichten <strong>von</strong> Georg<br />

Trakl (op. 14)<br />

Bs Ges. u. KL<br />

664<br />

OD Mödling, Okt.-Nov. 1923<br />

Ausg. MS<br />

UA Seattle, 26. Mai 1962 (1. IWF),<br />

Grace-Lynne Martin, Ges., Leonard<br />

Stein, KL<br />

263 Fünf geistliche Lieder (op. 15)<br />

Bs G es. u. KL<br />

OD [Mödling, 1923]<br />

Ausg. MS<br />

264 V ier L ieder für G esang und O rchester<br />

(op. 13)<br />

Bs Ges. u. KL<br />

OD Mödling, Febr. 192,4<br />

Ausg. UE 1926<br />

285 Zwei Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> R ainer<br />

Maria Rilke (op. 8)<br />

Bs Ges. u. KL<br />

OD [Mödling, 1925]<br />

Ausg. MS<br />

292 Zw ei Lieder (op. 19)<br />

Bs gem. Chor u. KL<br />

O D I. Mödling, 29. Febr. 1.928<br />

II. M ödling, 3. M ärz <strong>1928</strong><br />

Ausg. UE<strong>1928</strong><br />

302 Fünf Sätze für Streichquartett (op. 5)<br />

Bs Str.-O rch.<br />

OD Mödling, Som m er 1 9 2 8,1, Fassung;<br />

M ödling, Jan.-F ebr. 1929,<br />

2. Fassung<br />

Ausg. U E 1 9 6 1<br />

U A Philadelphia, 26. M ärz 1930, P hiladelphia<br />

Chamber String Sinfonietta, Dir.<br />

Fabien Sevitzky<br />

345 I. Kantate (op. 29)<br />

Bs KL-A. mit Gesang<br />

OD Wien, Herbst 1944<br />

Ausg. UE 1954<br />

346 II. Kantate (op, 31)<br />

Bs KL-A. mit Gesang<br />

OD Wien, Herbst 1944<br />

Ausg. UE 1951


2. Werke anderer Komponisten<br />

Nicht aufgeführt unter <strong>Webern</strong>s Schönberg-Bearbeitungen wurden seine Reduzierung der<br />

Instrumentation des Liedes der Waldtaube aus den Gurreliedern (Prag, Jan. 1916) sowie<br />

seine Verstärkung der Instrumentalbegleitung zu Friede auf Erden op. 13 (Wien, Nov. <strong>1928</strong>).<br />

Hugo Wölf: Drei Lieder<br />

13 I. D enk es, o Seele (Mörike-Lieder 16)<br />

Bs Ges. u. Orch. (je 2 FI., Ob., Klar., Fg.,<br />

Hn.,Trp.; 3 Pos., Hfe., S, Str.)<br />

OD Preglhof, 16. Apr. 1903<br />

Ausg. MS<br />

49 II. Lebe wohl (Mörike-Lieder 29)<br />

Bs. Ges. u. Orch. (je 2,Fl., Ob., Klar.,<br />

Fg., Hn.; Str.)<br />

OD [Wien, 1903]<br />

Ausg. MS<br />

Bem. Letzte 20 T erhalten.<br />

50 III. Der Knabe und das Immlein (Mörike-<br />

Lieder 2)<br />

Bs Ges. u. Orch. (je 2 Fl., Ob., Klar., Fg.,<br />

Hn.; Str.)<br />

OD [Wien, 1903]<br />

Bem. T 1-36 erhalten<br />

Franz Schubert: Fünf Lieder<br />

Bs Ges. u. Orch. (je 2 FL, Ob., Klar., Fg.,<br />

Hn.jStr.)<br />

OD [Wien, 1903]<br />

Ausg. MS<br />

U A Buffalo, 30. Okt. 1966 (3. IWF),<br />

Marni Nixon, Ges., Buffalo Philharmonie<br />

51<br />

Orch., Dir. Lukas Foss<br />

I. Thränenregen<br />

(Die schöne Müllerin, D 795,<br />

Nr. 10)<br />

52 II. Ihr Bild<br />

(Schwanengesang, D 957,<br />

Nr. 9)<br />

53 III. Romanze aus Rosamunde<br />

(D 797, Nr. 3a)<br />

54 IV. Der Wegweiser<br />

(Winterreise, D 911, Nr. 20)<br />

55 V. Du bist die R uh’ (D 776)<br />

Franz Schubert: Klaviersonaten<br />

Bs Orch. (je 2 FL, Ob., Klar.,<br />

Fg., Hn.; Str.)<br />

OD [Wien, 1903]<br />

Ausg. MS<br />

56 I. Op. 42 (D 845), 2. Satz<br />

T 1-52<br />

57 II. Op. 122 (D 568), 3. Satz<br />

T 1-36<br />

58 III. Op. 147 (D 575), 2. Satz<br />

T 1-13,3. Satz T 1-53<br />

160 Arnold Schönberg: Garretteder<br />

Vorspiel und Zwischenspiele<br />

Bs 2 KL 8 -hdg.<br />

OD Wien, [Winter 1909/10]<br />

Ausg. MS<br />

UA Wien, 14. Jan. 1910, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>, Etta Jonasz-Werndorff, Rudolf<br />

Weirich, Arnold Winternitz, KL<br />

166 Arnold Schönberg: Sechs Orchesterlieder,<br />

op. 8<br />

Bs Ges. u. KL<br />

OD Preglhof, Juli-A ug. 1910<br />

Ausg. UE1911 (Einzelausgaben)<br />

1913 (kompl.)<br />

17 5 Arnold Schönberg: "Verklärte Nacht,<br />

op. 4<br />

Bs KL<br />

OD [Berlin-Zehlendorf, 1911/12j<br />

Ausg. MS<br />

Bem . Bleistiftskizze, T 105..115<br />

17 6 Arnold Schömberg: Petteas and<br />

M elism de, op. 5<br />

Bs KL<br />

OD [B erlin-Z ehlendorf, 1911/12]<br />

Ausg. MS<br />

Bem . Bleistiftskizze, T 89-92 u.<br />

T 3 3 0 -3 4 0<br />

177 Arnold Schönberg: Fünf Orchesterstücke,<br />

op. 16<br />

Bs 2 KL 4-hdg.<br />

OD B erlin-Z ehlendorf, A pr. -M ai 1912<br />

Ausg. C.F. Peters, 1912<br />

249 Johann Strauß: Schatzwalzer (Zigeunerbarorn)<br />

Bs KL, Harm. V I (2), VII, Via., Vc.<br />

OD M ödling, [Frühjahr] 1921<br />

665


Ausg. MS<br />

UA Wien, 27. Mai 1921, Verein für<br />

musikalische Privataufführungen, Eduard<br />

Steuermann, Kl., Alban Berg, Harm.,<br />

Rudolf Kolisch u. Arnold Schönberg, VI,<br />

Karl Rankl, VII, Othmar Steinbauer,<br />

Via., <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, Vc.<br />

250 Arnold Schönberg: D ie glückliche Hand,<br />

op. 18<br />

Bs Kammerorch. (Fl. (Picc.), Klar.<br />

(Bklar.), Trp., Hn., Harm., Kl., 2 V,<br />

Via., Vc.,Kb.)<br />

OD Mödling, Juli 1921<br />

Ausg. MS, vermutlich verloren<br />

Bem. Aufführung geplant für die Saison<br />

1921/22 des Vereins für musikalische<br />

Privataufführungen<br />

255 Arnold Sehönberg: Vier Orchesterlieder,<br />

op. 2 2<br />

Bs Ges.u. Instr. (Kl., Harm., V, Via.,<br />

Vc.)<br />

OD [Mödling, 1921?]<br />

Ausg. MS?<br />

Bem. Aufführung geplant für die Saison<br />

1921/22 des Vereins für m usikalische<br />

Privataufführungen<br />

258 A rnold Sehönberg: Kanunersymphonie,<br />

op. 9<br />

Bs Fl. (od. VII), Klar. (od. Via.), V, Vc.,<br />

Kl.<br />

OD Mödling, 3. Nov. 1 9 2 2 - Jan. 1923<br />

Ausg. U E 1968<br />

UA Barcelona, 29. A pr. 1925, Franz<br />

Wangler, Fl, V iktor Polatschek, K lar.,<br />

Rudolf Kolisch, V, Joachim Stutschewsky,<br />

Vc., Friedrich Wührer, Kl., D ir.<br />

Arnold Schönberg<br />

271 Franz Liszt: Arheiterchor<br />

Bs Baßsolo,gem. Choru. Orch. (je 2 FL,<br />

Ob., Klar., F g .; 4 Hn., 2 Trp., 3 Pos., P, S,<br />

Str.)<br />

OD [1924]<br />

Ausg. MS<br />

UA Wien, 13. März 1925 (Arbeitersymphoniekonzert),<br />

Walter Berry, Ges.,<br />

Singverein, D ir. A n to n <strong>von</strong> W ebern<br />

272 Franz Liszt: Arbeiterchor<br />

Bs K l.-A . mit Ges.<br />

OD [1924]<br />

Ausg. Verlag des Reichsverbandes der<br />

Arbeitergesangvereine Österreichs<br />

311 Franz Schubert: Deutsche Tänze vom<br />

Oktober 1824 (D 820)<br />

Bs Orch. (je 2 FL, Ob.,Klar.,Fg.,Hn.;<br />

Str.)<br />

OD Mödling, Mai-[16.] Juni 1931<br />

Ausg. UE 1931<br />

UA Berlin,25.Okt. 1931,Dir.Her~<br />

mann Scherchen<br />

323 1. S. Bach: Fuga (Ricercata) a 6voci<br />

(Nr. 2 aus dem Musikalischen Opfer,<br />

BWV 1079, Nr. 5)<br />

Bs Orch. (FL, Ob., EH, Klar., Bklar.,<br />

Fg., Hn., Trp., Pos., P, Hfe., Str.)<br />

OD Maria Enzersdorf, Nov. 1934-21.<br />

Jan. 1935<br />

Ausg. U E 1935<br />

UA London, 25. A pr. 1935, B B C Orch.,<br />

Dir. <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

B em . D ie B earbeitung ist lid w ard C lark<br />

gewidmet.<br />

333 Rudolf Wagner-Regeny: Johanna Balk<br />

(O per)<br />

Bs K l.-A . m it Ges.<br />

O D Maria Enzersdorf, [Okt.] 1939<br />

Ausg. U E 1 9 4 1<br />

337 Othmar Schoeck: Das Schloß Dürmde<br />

(O per)<br />

Bs KL-A. mit Ges.<br />

O D M aria E nzersdorf, A ug. 1941-Febr.<br />

1942<br />

Ausg. UE 1942<br />

340 A lfred« C asella: Paganiniana, op. 65<br />

(Orchestersuite)<br />

Bs Kl.<br />

OD Maria Enzersdorf, [Sept.-Okt.]<br />

1942<br />

Ausg. MS<br />

666


E. SCHRIFTEN<br />

Zu Ausgaben <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Vorträgen und Briefen vgl. Bibliographie, S. 686/87<br />

Fünf frühe Gedichte<br />

[Klagenfurt oder Preglhof 1902]<br />

1. Waldweg<br />

2. Sonnenaufgang<br />

3. A n den Preglhof<br />

4. Frauen..Schönheit<br />

5. Traum<br />

(Zu den Texten der ersten vier Gedichte<br />

vgl. 3. Kapitel)<br />

„Einleitung“, Heinrich Isaac„Choralis Constantinus“.<br />

Zweiter Teil. Graduale in mehrstimmiger<br />

Bearbeitung (acapella), bearbeitet <strong>von</strong><br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> lieber« [Wien 1905-06]. D enkm ä­<br />

ler der Tonkunst in Österreich, Jg. XVI/1 -<br />

Bd. 32, S. [vii] —xii. (Auszüge in die R eihe!<br />

(1955), 30-32)<br />

„Schönbergs Musik“<br />

[ Berlin-Zehlendorf, Herbst 1911],<br />

in A rnold Schönberg, München 1912, Piper,<br />

22-48. Außerdem in Rheinische M usik- und<br />

Theaterzeitung (Köln) 13 (Februar 1912) unter<br />

dem Titel „Über Arnold Schönberg“ mit zusätzlichem<br />

Text.<br />

„Der Lehrer“ [Berlin-Zehlendorf,<br />

Herbst 1911 ], in op. eil, 85..87.<br />

Drei Gedichte [Klagenfurt oder Mürzzuschlag,<br />

Sommer 1913]<br />

1. „Schmerz, immer blick nach oben“<br />

(vgl. Werkverzeichnis 179)<br />

2. „ ö sanftes Glühn der Berge“<br />

(vgl. Werkverzeichnis 184)<br />

3. „Leise Düfte“<br />

(vgl. Werkverzeichnis 200).<br />

Theaterstück Tot, Sechs Bilder fü r die Bühne<br />

[Wien], Oktober 1913.<br />

MS (vgl. 12. Kapitel).<br />

„Über Arnold Schönberg als Dirigent“<br />

[Wien, Frühjahr 1914], in Rudolf Stephan<br />

„Ein unbekannter Aufsatz <strong>Webern</strong>s über<br />

Schönberg“, Österreichische Musikzeitschrift21,<br />

Nr. 3 (März 1972), 127-130.<br />

„Passacaglia für großes Orchester“<br />

[Mödling, Frühjahr 1922], Allgemeine M usikzeitung<br />

49 (1922). (Für Nachdruck<br />

vgl. Bibliographie: Stephan „<strong>Webern</strong>s Werke<br />

auf deutschen Tonkünstlerfesten“, 123-124.)<br />

[„Zum 50. Geburtstag“], Musikblätter des<br />

Anbruch 6 (August-September 1924)<br />

(Arnold Schönberg zum fünfzigsten Geburtstag,<br />

13. September 1924), 272.<br />

Beitrag zu A d o lf Loos zum 60. Geburtstag<br />

am 10. Dezember 1930 [Mödling, Oktober<br />

1930],<br />

Wien 1930, R. Länyi, 67.<br />

,, .Sechs Orchesterstücke“| op. 6 ]“<br />

[Maria Enzersdorf, Frühjahr 1933], Zeitschrift<br />

für M usik 100, Nr. 6 (Juni 1933),<br />

566-567. (Für Nachdruck vgl. Bibliographie:<br />

Stephan „<strong>Webern</strong>s Werke auf deutschen Tonkünstlerfesten“,<br />

126.)<br />

„Aus Schönbergs Schriften“ [Maria Enzersdorf,<br />

Frühjahr 1934], Musikblätter des<br />

Anbruch 16 (September 1934) (Arnold Schönberg<br />

zum 60. Geburtstag, 13. September 1934),<br />

11-14. Eine Anthologie aus Schönbergs<br />

Schriften, zusammengestellt und mit einem<br />

Vorwort versehen <strong>von</strong>. <strong>Webern</strong>.<br />

Analyse des Streichquartetts op. 28<br />

[Maria Enzersdorf, Mai 1939],<br />

(Vgl. Anhang II, S. 669)<br />

667


Anhangii:<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>:<br />

Analyse des Streichquartetts op. 28<br />

Die Analyse seines Streichquartetts op. 28 ist <strong>Webern</strong>s umfassendste Abhandlung über eines seiner<br />

eigenen Werke. Er schickte sie Erwin Stein im Frühsommer 1939 (vgl. 28. Kapitel). Der hier<br />

wiedergegebene Text der Analyse beruht auf einer Schreibmaschinenabschrift, die der Autor 1968<br />

<strong>von</strong> dem inzwischen verstorbenen Mario Uzielli aus Liestal in der Schweiz erhielt. Diese Abschrift<br />

wurde <strong>von</strong> dem Originalmanuskript der Analyse hergestellt, das sich in einer Schweizer<br />

Privatsammlung befindet. Die Abschrift enthält den Vermerk „geschrieben zwischen 8 . Mai und<br />

31. Mai 1939“. Hans Moldenhauer<br />

I. Satz<br />

Der 1. Satz ist ein Variationen-Satz; aber mit den Variationen ist auch eine Adagio-Form gegeben<br />

und das primär. D.h. diese liegt dem Satz in der formalen Konstruktion zu Grunde und<br />

dementsprechend sind die Variationen geworden. Also Gestaltung einer Adagio-Form auf Grund<br />

<strong>von</strong> Variationen. Nach meiner Auffassung ist der langsame Satz des Quartetts op. 135 <strong>von</strong><br />

Beethoven etwas Ähnliches, nur in kleinerem Ausmass, d. h. auf die Form eines 3teiligen Liedes<br />

sich beschränkend; aber die ist das primäre, dass es Variationen sind, ist form al nicht<br />

ausschlaggebend. Doch geht meine Anlage nicht auf diesen Fall zurück, ich fand das erst nachher,<br />

vor kurzem, und hatte nur grosse Freude über diese Bestätigung!<br />

Das Thema meines Satzes reicht bis Takt 16, mit diesem, - aber auftaktig! siehe weiter unten! -<br />

beginnt die erste Variation im Sinne einer Wiederholung des Themas. Diese selbst ist periodisch<br />

gebaut: Vordersatz bis Takt 9.<br />

Es ist g!eich zu Beginn, Bratsche - 1. Geige u. 2. Geige - Vlc. zu sehen, dass hier Augmentation<br />

und Diminution der Gestalten gegeben ist. Das ist für alle Variationen zum ,,Prinzip“ erhoben.<br />

Man wird es jeder Variation zu Grunde liegend finden. Es würde zu weit führen, dies jetzt in jedem<br />

einzelnen Falle nachzuweisen. Ich möchte hier nur angeben, welche Funktionen die einzelnen<br />

Variationen im Rahmen der Adagio-Form zu erfüllen haben. Also die erste ist, wie gesagt, die<br />

Wiederholung des Themas. Wieso es in einem Adagio zur Wiederholung des Themas kommt? Nun,<br />

weil seine erste Anführung trotz strenger Periodenform doch etwas Einleitendes hat.<br />

Die 1. Variation reicht bis Takt 33. Nun zählt aber Takt 16 , in dem sie beginnt, als A uftakt! T)as<br />

heisst, dass das Thema im Grunde 16 Takte umfasst, dieser 16. Takt spielt aber jedesmal eine<br />

andere Rolle. Die II. Var. beginnt mit Takt 33 und reicht bis 49. Takt 48 ist der 16. Takt und enthält<br />

wieder einen „Auftakt“ in die III. Var. 2. Geige. Die II. Var. stellt die Überleitung zum<br />

„Seitensatz“ dar, der mit der III. Var. gegeben ist und in der IV. seine Wiederholung findet. Hier<br />

bei der Angrenzung dieser beiden Var. reicht die Vorhergehende also die III. Var. über den 16.<br />

Takt hinaus, also bis 6 6 ; doch wird das wieder eingebracht, d. h. die IV. hat ihren 16. Takt im Takt<br />

80. Mit dem Auftakt in diesem zu 81 beginnt die V. Variation u. damit die Reprise des „Adagios“.<br />

Der 16. Takt dieser Var. ist Takt 96 als Auftakt zur VI. Var., die die Coda des Stückes darstellt.<br />

Also Thema und 6 Variationen. Die Variationen sind rein canonischer Natur! Doch wende ich<br />

dabei, wichtigeren Momenten folgend, gelegentlich auch Variationen an! Aber die Summe der<br />

Werte inclusive Pausen natürlich bleibt ab.solut dieselbe!!!<br />

Über die „Reihen“-Behandlung später, da es für alle Sätze gilt!<br />

D. h. die Reihen laufen immer linear horizontal. An keinem einzigen Punkt kommt es zu einem<br />

Übereinander <strong>von</strong> Tönen derselben Reihe! Immer deckt sich die Stimmführung mit dem Ablauf der<br />

Reihe, überwiegend auch im selben Instrument bleibend!<br />

669


II. Satz<br />

Er ist eine „Scherzos-Miniatur.<br />

„Scherzo“ bis Takt 19 bewegt; folgt das „Trio“, bis 37 wieder gemächlich, mit dem die Reprise<br />

d. h. das da capo des Scherzos beginnt.<br />

Die „Miniatur“ besteht darin, dass weder „Scherzo“ noch „Trio“ eine Durchführung haben,<br />

sondern bloss ein Thema, das zur Wiederholung gelangt: im „Scherzo“ und auch in dessen Reprise<br />

durch Wiederholungszeichen bedingt, im „Trio“ ausgeschrieben. Das Scherzo-Thema ist in „satz“-<br />

artiger Form ein unendlicher 4-stimmiger Canon.<br />

Auch im Trio alles canonisch. Beachte, wie bei der Reprise des „Scherzos“ das Ende des Canons<br />

ab secundo durch das doppelt so rasche Tempo die Funktion einer Stretta-Coda erhält.<br />

Dass in der Reprise des „Scherzos“ auch eine Wiederholung stattfindet, ist auf formale<br />

Abrundung und auf das Bedürfnis, die „ Unendlichkeit“ des Canons noch einmal zur Geltung zu<br />

bringen, zurückzuführen.<br />

Der Bau des „Trios“ ist aber nicht fest, sondern „durchführungsartig“; das Modell, also das, was<br />

ich oben sozusagen unter dem „Thema“ des Trios meinte, reicht bis 27. Nun die Wiederholung in<br />

ganz neuer Form.<br />

„Durchführungsartig“: d. h. man kann die Form des ganzen Stückes auch als dreiteilige Liedform<br />

nehmen. Dann erscheint das Trio als „ zweiter“ Teil des ganzen Gebildes.<br />

Und das ist wohl auch die übergeordnete Funktion dieses Abschnittes, im Sinne der ganzen<br />

„ Wuchsform“. Dieses Wort fand ich unlängst in einem prachtvollen Buche, betitelt „vom Bau der<br />

Kirche“ <strong>von</strong> Rudolf Schwarz.<br />

III. Satz<br />

Nun, Dir diesen Satz zu erklären, ja, das bringt mich geradezu etwas in Aufregung: er soll<br />

innerhalb des Werkes sozusagen die „Krönung“ der auch schon in 1. und 2. angestrebten<br />

„Synthese“ <strong>von</strong> „horizontaler“ und „vertikaler“ Darstellung (Schönberg!) sein. Wie bekannt,<br />

erwuchsen auf der Basis der ersteren die Formen des klassischen Cyklus, Sonate, Symphonie u. s. f.,<br />

auf der zweiten die „Polyphonie“ und die mit dieser gegebenen Formen, Canon, Fuge u. s. w. Und<br />

nun versuchte ich hier nicht nur allgemein die Gesetzmässigkeit beider zu erfüllen, sondern auch im<br />

Besonderen die Formen direkt zu verbinden: wie schon durch die Anwendung des „Canons“in den<br />

vorhergehenden Sätzen, so hier, in diesem Satz durch die der „Fuge“!<br />

Primär gegeben ist eine „Scherzo“~Form, mit ihr also Thema-Durchführung-Reprise. in dieser<br />

Hinsicht waren die Gesetzmässigkeiten der „horizontalen“ Darstellungsart massgebend. Aber die<br />

„Durchführung“ stellt eine Fuge dar, deren dritte „Durchführung“ die Reprise des Scherzo-<br />

Themas, Erfüllung der Scherzo-Form, ist!<br />

Die Fuge umschliesst also „Durchführung“ auf die Scherzo-Form bezogen und Reprise ebenso.<br />

Aber diese Reprise bedeutet, wie gesagt, auch die 3. Durchführung der Fuge. Demnach ist also das<br />

„Scherzo“-Thema schon so gestaltet, dass es bei einer Reprise die 3. Durchführung einer Fuge zu<br />

beinhalten vermag.<br />

Und nun zum Thema! Es reicht bis Takt 16; ist streng periodisch gebaut: Vordersatz 1. Geige 1-7<br />

incl, Nachsatz 8-13 incl., ich meine so wie es in der Stimme der ersten Geige gegeben ist. Nun aber<br />

ist der Nachsatz rhythmisch der Krebs des Vordersatzes gelegentlich variiert! und der „Reihe“ nach<br />

die Umkehrung. Dieses periodische Gebilde ist nun auch in den 3 anderen Stimmen gegeben:<br />

canonisch; aber in folgender Canon-Bildung: Cello: es bringt im Vordersatz die Töne des<br />

Vordersatzes, wie er in der 1. Geige ist, im Krebs und ausserdem dessen rhythmischen Krebs.<br />

Ebenso verhält sich rhythmisch der Nachsatz im Cello zu dem, wie er in der 1. Geige ist; in den<br />

Tönen aber ist es der Krebs des Nachsatzes, wie er in der Bratsche läuft!!!<br />

Ebenso verhalten sich Bratsche und 2. Geige zu einander...Es sind also 2 Paare gegeben: 1.<br />

Geige und Cello, Bratsche und 2. Geige im Vordersatz Krebs <strong>von</strong> Rhythmus und Tönen; im<br />

Nachsatz Krebs im Rhythmus, aber was die Töne betrifft: in der 2. Geige Krebs der Töne des<br />

Nachsatzes der 1. Geige und in der Bratsche Krebs der Töne des Nachsatzes vom Cello. Das ist also<br />

wohl als Doppel-Canon in Krebsform zu bezeichnen!<br />

670


Dieses Gebilde, es ist formal nichts anderes als ein periodisches Scherzothema auf die Form der 3,<br />

Durchführung einer Doppelfuge, das ist nämlich meine in der Durchführung des Scherzos<br />

beginnende Fuge, bezogen, heisst: Engführung <strong>von</strong> „Thema“ und „Gegensatz“, was noch nie da<br />

war, soviel ich weiss und zwar obendrein in einem Doppelcanon in Krebsform, schon gar nicht da<br />

war!!! Ist also nicht dieses Thema berechtigt, auch die 3. Durchführung einer Doppel-Fuge<br />

darzustellen? Und, um es noch einmal zu sagen, es ist doch aber nichts anderes als eine Periode,<br />

erfüllend die Gesetzmässigkeiten des Baues eines Scherzo-Themas, wie bei Beethoven, also die<br />

Darstellung in der Horizontalen. Aber als Engführung, 3. Durchführung einer Doppel-Fuge,<br />

zugleich auch erfüllend die Gesetzmässigkeiten der Darstellung in der Vertikalen, wie bei Bach. Ist<br />

das nun eine Synthese der beiden Darstellungsarten oder nicht?<br />

Nun weiter: mit Takt 16 beginnt der Durchführungsteil des Scherzos, d. h. in meinem Fall die<br />

Fuge! Das Thema zerfällt in 3 Gestalten, Cello, 16, 2. Geige, 17 und Bratsche Takt 18 und 19.<br />

„Beantwortung“ in der 1. Geige, 19 und 20, 2. Geige 20 und 21 und Bratsche 21 und 22. Wie<br />

erfolgt nun diese „Beantwortung“, da doch hier das einstige Prinzip, im Sinne der Gegenüberstellung<br />

<strong>von</strong> Tonika-Dominante; Übertragung auf das andere Uexachord nicht mehr anwendbar sein<br />

kann? Nun, was war denn die „Beantwortung“ in der alten Fuge primär? Die erste Wiederholung<br />

des Themas in dem oben erwähnten Sinne. Da den zu erfüllen nicht mehr möglich ist, heisst es eben,<br />

eine andere Form für diese Wiederholung finden: also wählte ich hier die Form des Krebses in den<br />

Tönen, aber <strong>von</strong> Gestalt zu Gestalt, der 3 Gestalten, die mein Thema ausmachen. Vergleiche 1.<br />

Geige mit Cello, 2. Geige mit eben dieser, und ebenso Bratsche! 3. und letzter Einsatz des Themas -<br />

die Fuge ist dreistimmig - in der „Exposition“, oder auch erste Durchführung genannt: der war<br />

doch immer oder meistens wieder in der Tonika-Form; also wiederholt er auch bei mir das Thema<br />

gleich: Cello: Takt 22 Auftakt „pizz.“ F und 23, Bratsche: 24 und 2. Geige: Auftakt 24 u. 25.<br />

Freilich sind die Gestalten variiert! Aber es ist eine Doppel-Fuge! Der „Gegensatz“ erscheint wie<br />

üblich mit der „Beantwortung“. Er stellt bei mir, und nun wird die Beziehung <strong>von</strong> „Scherzo-<br />

Thema“ und 3. Durchführung klar, rhythmisch den Krebs des Themas dar; in den Tönen, es sind<br />

auch hier wieder die 3 Gestalten auseinandergehalten: erste des Gegensatzes, Cello 20 mit Auftakt<br />

und 21, gleich 2. des Themas beim ersten Male, zweite des Gegensatzes, 1. Geige, 22 mit Auftakt<br />

gleich erster des Themas, dritte des Gegensatzes, 2. Geige, 22 u. 23 gleich Krebs der dritten des<br />

Themas. Aber das hatte sich <strong>von</strong> selbst ergeben auf Grund der Beschaffenheit der Reihe. Also<br />

rhythmischer Krebs auch mit gelegentlicher Variation der 3 Gestalten des Themas. Beim 3. Einsatz<br />

des Themas verhält es sich mit dem Gegensatz ebenso: 1. Geige 23 u. 24, Cello 25 und Bratsche 25<br />

u. 26 rhythmischer Rücklauf, in den Tönen aber wieder anderer Austausch.<br />

Die Exposition reicht also mit der Bratsche bis 26 einschl. Folgt, in diesem Takte beginnend, mit<br />

1. Geige, die erste „Episode“; sie reicht bis 38, gewichtig. Sie ist ein strenger 4-stimmiger Canon:die<br />

1. Geige beginnt mit ihm und bringt das Thema in rückläufiger rhythmischer Bewegung bis 34, d. h.<br />

also wieder den „Gegensatz“, aber in variierter neuer Form: die zweite Gestalt setzt ein im ’/» Takt,<br />

ist aber in ihren Werten trotzdem absolut gewahrt, ebenso die dritte; und ebenso ist es in den drei<br />

anderen Stimmen!<br />

Mit Takt 38 beginnt die zweite Durchführung der Fugei: Thema in der 2. Geige, die Nebennote<br />

der Triller gehört m it dazu, e / d es. Es sind wieder 3 Gestalten, 38-39, 40-41 und 42—4 3; dazu in<br />

der Bratsche der „Gegensatz“ dieselben Takte, der genau den rhythmischen Krebs darstellt und<br />

natürlich auch den Krebs in den Intervallen. Hier läuft also damit auch das Thema selbst zweimal,<br />

d. h. es sind damit schon zwei Einsätze gegeben was umgekehrt auch für den Gegensatz gilt. In den<br />

letzten 2 Takten, 42-43, beginnt aber bereits der 3. Einsatz <strong>von</strong> Thema und Gegensatz, also hier<br />

schon Engführung: 1, Geige, Gegensatz und Cello, Thema u. zw. mit denselben Noten, mit denen<br />

das erste Paar abschliesst. Diese Verdoppelung <strong>von</strong> 1. u. 2. Geige, und was sich in Bratsche u. Cello<br />

begibt, sind also keine „Instrumentationswitze“ ! sondern rein thematischen Inhalts! Dieser Einsatz<br />

<strong>von</strong> Thema und Gegensatz geht aber mit Takt 44, „sehr ruhig“, über in die zweite „Episode“. Sie ist<br />

wieder ein vierstimmiger Canon, auch in Gegenbewegung, bis Takt 52 reichend und in der 1. Geige<br />

beginnend, die aber darin das Thema zu Ende führt, <strong>von</strong> dessen zweiter Gestalt ab wieder in neuern<br />

Tempo und anderem Charakter, jedoch genau den Werten entsprechend. In den Tönen die<br />

restlichen 8 der mit dem Einsatz in 42 beginnenden „Reihe“. Dasselbe geschieht mit den restlichen<br />

671


Tönen der mit dem Einsatz des Themas im Cello, 42 und 43, beginnenden Reihe, nur gehen sie auf<br />

die Bratsche über. Mit dem Einsatz der 2. Geige und des Cello im Canon Takt 46, bezw. 47<br />

beginnen zwei neue „Reihen“, deren je letzte vier Töne übergehend auf Bratsche und 1. Geige den<br />

Inhalt <strong>von</strong> Takt 52 und 53 bilden, welche beide die Rückführung zur Reprise des Scherzo-Themas<br />

bringen in Anlehnung an dessen Gestalt zu Beginn.<br />

Es kann die Frage aufgeworfen werden, wie das möglich ist, im eben geschilderten Canon, meine<br />

ich: die einen haben die Töne 5-12 u. die anderen die Töne 1-8. Und trotzdem ist ein strenger<br />

Canon zwischen allen 4 Stimmen möglich? Ja, nun muss ich endlich sagen, wie die „Reihe“ gebildet<br />

ist und das ist wohl eine der wichtigsten Angelegenheiten in diesem Quartett, vielleicht das<br />

Grundlegendste! Die zweiten vier Töne der Reihe bilden nämlich den Intervallen nach den Krebs<br />

der ersten vier und die letzten vier stehen zu den zweiten vier im selben Verhältnis. Das heisst aber,<br />

dass dem ganzen Quartett nichts anderes zu Grunde liegt als diese bestimmte Folge <strong>von</strong> vier Tönen!<br />

Nun hat sich erwiesen, dass die ersten vier Töne der „Grundform“ in der Transposition auf b die<br />

vier Buchstaben B A C H ergeben. So bringt mein Fugenthema mit seinen 3 Gestalten zu je vier<br />

Tönen, die die zwölf Töne der Reihe beinhalten, also dreimal, aber nur insgeheim, denn<br />

andererseits kommt in diesem Zusammenhang niemals die Grundgestalt in der verfänglichen<br />

Transposition vor!!!, diesen Namen!!! Aber nun liegen doch diese vier Töne überdies dem ganzen<br />

Quartett zu Grunde!!!<br />

Aber weiter: wir sind nun bei der Reprise des Scherzo-Themas angelangt: Ab Takt 54 bis<br />

Schluss! Aber in anderem Sinne auch bei der dritten Durchführung meiner Doppelfuge oder auch<br />

bei der zweiten, je nachdem man <strong>von</strong> „Exposition“ oder 1. Durchführung spricht. Nun folgt genau<br />

der Vorgang im Verhältnis der vier Stimmen zu einander, wie beim ersten Auftreten des „Themas“,<br />

nur ist alles gänzlich anders angeordnet und das Ganze so gestaltet, dass damit auch die Coda des<br />

Stückes gegeben ist, also überdies den Gesetzen der Schlußsatz-Bildung folgend. Diese Reprise<br />

erfüllt also 3 Funktionen! Beachte noch, insbesondere beim ersten Auftreten des Themas, wie im<br />

Canon, dadurch, dass taktmässig auf Grund des fortwährenden Taktwechsels jede Stimme anders<br />

fällt, also gänzlich andere Schwerpunkte bekommt, auch deren Charakter sich vollständig ändert.<br />

Und doch ist die Summe aus all diesen Begebenheiten nichts anderes als ein simples und ich glaube<br />

ganz geschlossen wirkendes, streng periodisch gebildetes Scherzo-Thema.<br />

Man könnte vielleicht fragen: was hat „eigentlich“ das Fugen-Thema mit dem Scherzo-Thema<br />

gemein, sodass dessen Reprise auch die 3. Durchführung darstellen kann? Antwort: Hier wie dort<br />

die 12 Töne der Reihe: das heisst, hier herrscht also der weitgehendste Zusammenhang, der<br />

zwischen zwei Gestalten überhaupt sein kann: sie sind identisch!Hin beiden auch die Gruppierung<br />

<strong>von</strong> 3 X 4 Tönen; denn auch im Thema des Scherzo ist sie gegeben, wenn es auch hier nicht so<br />

deutlich sichtbar wird. A ber sie ist drin, sogar so weitgehend, und das möchte ich. zum Schluss auch<br />

noch sagen, wie es in der Reihe ist, nämlich dass dort je 4 folgende zu den 4 vorausgehenden in<br />

einem Krebsverhältnis stehen, dass also auch hier in den rhythmischen Gestalten <strong>von</strong> 4 zu vier Tönen<br />

ein solches Verhältnis gegeben ist, wenn auch durch Variation nicht immer so offensichtlich. Denn<br />

ein solches Verhältnis in der Reihe muss zu Verpflichtungen auch für alles weitere führen! Und<br />

damit habe ich gesagt, dass dem Thema nicht nur eine Gruppe <strong>von</strong> 4 Tönen zu Grunde liegt,<br />

sondern auch deren rhythmische Gestalt!<br />

672


]Bibliographie (Auswahl)<br />

Bei der für Bibliographie zu treffenden Auswahl der Titel mußten die Anforderungen, die die<br />

<strong>Webern</strong>-Literatur angesichts ihres geradezu phänomenalen Anwachsens im Verlauf der letzten<br />

zwei Jahrzehnte stellte, in Einklang gebracht werden mit den praktischen Einschränkungen, die<br />

eine Bibliographie verlangt, die im Grunde lediglich ein Anhang zu einem größeren Werk ist und<br />

keine selbständige Veröffentlichung sein will. Im großen ganzen ließ ich mich <strong>von</strong> der zweifachen<br />

Überlegung leiten, nämlich den Inhalt des Buchs durch Einbeziehung der wichtigsten biographi ­<br />

schen Quellen zu erhärten und durch die Beigabe einer weitgefächerten Auswahl aus der<br />

evaluierenden und analytischen Literatur zu ergänzen. Abgesehen <strong>von</strong> einigen Titeln, die <strong>von</strong><br />

historischem Interesse sind, mußte auf Schriften journalistischen Charakters (z.B. Rezensionen<br />

und Kritiken) verzichtet werden; Bücher und Artikel didaktischer und mehr einen Überblick<br />

vermittelnder Art wurden nur dann aufgenommen, wenn ich der Meinung war, daß sie erheblich<br />

zum Verständnis <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> und seiner Musik beitragen.<br />

Die Aufgabe des Bibliographen wird wesentlich erleichtert, wenn er aus der Arbeit und dem Rat<br />

anderer Experten Nutzen ziehen kann. Deshalb empfinde ich es als Genugtuung, meine<br />

Dankesschuld gegenüber William Austin, Ann Phillips Basart, Celestin Deliege, Friedhelm Döhl,<br />

Michael Fink, Walter Kolneder, Wallace McKenzie, Hans Moldenhauer, Hans Ferdinand Redlich<br />

und anderen abtragen zu können, vor allem aber gegenüber Rosaleen Moldenhauer, die im Verlauf<br />

der Entstehung des Werkes eine grundlegende Bibliographie erarbeitete.<br />

Schließlich gebührt den Verlegern dieses Buches ein Wort aufrichtiger Anerkennung, In einer<br />

Zeit noch nie dagewesener Herstellungskosten waren sie es, die der Hinzufügung einer<br />

umfangreichen Bibliographie zustimmten, um so das Buch für den Leser noch wertvoller zu<br />

machen.<br />

Zoltan Roman<br />

ABKÜRZUNGEN<br />

Äf'Mw Archiv für Musikwissenschaft M R Music Review<br />

A W P Moldenhauer, A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, M T Musical Times<br />

Perspectives (vgl. Titel im Verzeichnis) N Z M Neue Zeitschrift für M usik<br />

BÖ G M Beiträge der Österreichischen Gesell­ Ö M Z Österreichische Musikzeitschrift<br />

schaft fü r M usik P N M Perspectives o f New Music<br />

CM Current Musicology Pisk Fs John Glowacki (ed.). Paul A . Pisk:<br />

Diss. Dissertation Essays in his /io«o/\(Austin, Texas,<br />

DA Dansk Aarbog fo r M usikforskning 1966, University of Texas Press)<br />

DB Darmstädter Beiträge zur Neuen M usik R die Reihe<br />

D JM Deutsches Jahrbuch der Musikwissen­ R aM La Rassegna Musicale<br />

schaft R B Revue Beige de Musicotogie<br />

ed./Ed. edidit/Edition R M La Revue Musicale<br />

IM lncontri Musicali Sc. The Score.<br />

JM T Journal o f Music Theo ly SM Z Schweizerische Musikzeitung<br />

M Melos T Tempo<br />

M B M usik und. Bildung Ubers. Übersetzung, Übersetzer<br />

M bA Musikblätter des Anbruch VINMDVeröffentlichungen des Instituts für<br />

M E Music in Education (London) Neue Musik und Musikerziehung<br />

M f Musikforschung Darmstadt<br />

M M Modern Music Z M T Zeitschrift fü r Musiktheorie<br />

M Q Musical Quarterly 23 W M 23, eine Wiener Musikzeitschrift<br />

67.3


Adorno, Theodor Wiesengrund. „<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“, M erkur 13, Nr. 3 (März 1959), 201-214.<br />

Nachdruck in Klangfiguren (Musikalische Schriften I). Berlin 1959, Suhrkamp; und in<br />

Nervenpunkte der Neuen M usik. Reinbek bei Hamburg 1969, Rowohlt (Rowohlts deutsche<br />

Enzyklopädie, 333).<br />

- „<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>: zur Uraufführung der fünf Orchesterstücke in Zürich“, M bA 8 (Mai 1926),<br />

280-282.<br />

- “Berg and <strong>Webern</strong> - Schoenberg’s heirs”, M M 8 (Januar 1931), 29-38.<br />

- D er getreue Korrepetitor. Frankfurt/Main 1963, Fischer.<br />

~ „From in der Neuen Musik“, D B 10 (1966), 9-21.<br />

- Im prom ptus (Zweite Folge neu gedruckter musikalischer Aufsätze). Frankfurt/Main 1968,<br />

Suhrkamp.<br />

~ „[Meister und Jünger]“, 23 W M Nr. 14 (Februar 1934) (<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> zum 50. Geburtstag), 9.<br />

Anthony, Donald Bruce. “A general concept of musical time with special reference to certain<br />

developments in the music of <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>”. Ph.D.diss., Stanford University, 1968<br />

„<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>: Trio für Geige, Bratsche und Violoncell, op.20 (komp. 1927)“, Allgemeine<br />

M usikzeitung 55 (<strong>1928</strong>), 603, 605.<br />

Archibald, Bruce. “Some thoughts on symmetry in early <strong>Webern</strong>: Op.5, No.2”, P N M 10, No.2<br />

(1972), 159-163.<br />

Asuar, Jose Vicente. “Una incursion por el Op.5 de <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>”, Revista musical chilena 12<br />

(März-April 1958), 19-41.<br />

Austin, William. M usic in the 20th Century: From D ebussy through Stravinsky. New York 1966,<br />

Norton.<br />

- “<strong>Webern</strong> and the tradition of the symphony” in A W P , 78-85.<br />

Babbitt, Milton. “Contemporary music composition and music theory as Contemporary intellectual<br />

history” in Barry S. Brook, ed. Perspectives in M usicology. New York 1972, Norton, 151-184.<br />

- “Since Schoenberg”, P N M 12, No. 1-2 (1973/74), 3-28.<br />

- “Some aspects of twelve-tone composition”, Sc No. 12 (Juni 1955), 53-61.<br />

- “Twelve-tone invariants as compositional determinants”, M Q 46, No. 2 (April 1960), 246-259.<br />

Bach, David <strong>Josef</strong>. A nton <strong>Webern</strong> zum 50. Geburtstag. Wien 1934, Verlag der IGNM (Sektion<br />

Österreich). Nachdruck in Reich, ed. <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> (1961).<br />

- “New music by Berg, W ebern, K renek” , M M 12 (N ovem ber-Dezem ber 1934), 31.-38.<br />

Bach, Hans-Elmar. „Struktur und Ausdruck im geistlichen Liedschaffen <strong>Anton</strong> W eberns“, Musica<br />

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Bailey, Kathryn. “Formal and rhythmic procedures in <strong>Webern</strong>’s Opus 30”, Journal o f the Canadian<br />

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Banks, M. “<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>: serial technique and formal principles” . Ph.D.diss. University of<br />

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Batstone, Philip. “Musical analysis as phenomenology”, P N M 7, No. 2 (1969), 94-110.<br />

Bauer, Hans-Joachim. „Interpretation durch Instrumentation: Bachs sechsstimmiges Ricercar in<br />

der Orchestrierung A nton <strong>von</strong> W eberns“ , N Z M 135, Nr. 1 (1974), 3-6.<br />

Bauman, Jon Ward. “The Cantata Number Two of A nton W ebern” . D.M. A. diss., University of<br />

Illinois, 1972.<br />

Baur, Jiirg. „Ü ber A nton W eberns ,Bagatellen für Streichquartett“ 1in Lars Ulrich Abraham u.a.<br />

Neue Wege der musikalischen Analyse. Berlin 1967, Merseburger, 62-68. (VINMD,6 )<br />

674


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Beckmann, Dorothea. Sprache und M usik im Vokalwerk <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>s. Regensburg 1970,<br />

Bosse. (Kölner Beiträge zur Musikforschung, 57) (Ursprüngl. Diss. der Universität Köln, 1970).<br />

Bell, Digby Bernard. “The Variations for Piano, Op. 27 of <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> [ . . . ] ”. D.M.A. diss.,<br />

North Texas State University, 1973.<br />

Berg, Alban. Briefe an seine Frau. München, Wien 1965, Albert Langen, Georg Müller.<br />

„Bibliographie: <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>“, M B 5 (Juni 1973), 330-333.<br />

Blume, Joachim. Komposition nach der Stilwende. Begriffe und Beispiele. Wolfenbüttel, Zürich<br />

1972, Möseler.<br />

Boehmer, Konrad. „Material - Struktur - Gestalt; Anmerkungen zu einer analytischen Methodik<br />

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(1955), 15.<br />

Schollum, Robert. Die Wiener Schule; Schönberg, Berg, <strong>Webern</strong>. Entwicklung und Ergebnis. Wien<br />

1969, Lafite.<br />

- „Stilistische Elem ente der frühen W ebern-Lieder“ B Ö G M 1972/73, 127-134.<br />

Schreker-Bures, Haidy. El caso Schreker. Buenos Aires 1968. Editorial Talia.<br />

Schüller, Günther. “A conversation with Steuerm ann”, P N M 3 (Herbst-W inter 1964), 22-35.<br />

Schwarz, Richard. „W ebern und Berg“, M b A 6 , Nr. 9 (O ktober 1924), 381.<br />

Searle, Humphrey. “Conversations with W ebern”, M T 81 (O ktober 1940), 405-406.<br />

- “Studying with W ebern”, Royal College o f Music Magazine (London) 54 (Sommer 1958),<br />

39-40.<br />

- „W ebern, A nton (<strong>von</strong>)“, Grove’s Dictionary o f Music and Musicians (5. Auflage), Band 9<br />

684


(London 1954, Macmillan), 225-228.<br />

- “W ebern’s last works”, M onthly Musical R ecord!6 (Dezember 1946), 231-237.<br />

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- <strong>Webern</strong> [ungarisch], Budapest 1968, Gondolat. (Kis Zenei Könyvtär, 40).<br />

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(1955), 51-55.<br />

- „A nton W eberns K antate Nr. 2, Opus 31. Die Formprinzipien der kanonischen Darstellung<br />

(Analyse des vierten Satzes)“, S M Z 101, Nr. 5 (1961), 303-308.<br />

Spitzmüller, Alexandre de. „Le triomphe de la sensibilite“ , Contrepoints2 (Februar 1946),<br />

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Stadien, Peter. „Das pointillistische M ißverständnis“ , B Ö G M 1972/73, 173-184.<br />

- “No real casualties?”, Sc No. 24 (November 1958), 65-68.<br />

- „Serialism reconsidered“, Sc No. 22 (Februar 1958), 12-27. Deutsch: „Kritik arn Seriellen“ ,<br />

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Stein, Erwin. “Alban Berg and <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> W ebern”, The Chesterian, New Series, No. 26 (O ktober<br />

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- „A nton W ebern“, Neue M usikzeitung49 (<strong>1928</strong>), 517-519,<br />

.. „A nton W ebern“, M bA 13 (Juni-Juli 1931), 107-109.<br />

.. „A nton W ebern“ , M T 87 (Januar 1946), 14-15. Nachdruck in Orpheus in New Guises. London<br />

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.. „Fünf Stücke für Orchester <strong>von</strong> A nton W ebern“, Pult und T aktstock3 (1926), 109—110.<br />

- “W ebern’s new Q uartet”, 7 No. 4 (Juli 1939), 6..7.<br />

Stein Leonard. “The Privataufführungen revisited” in Pisk Es, 203-207.<br />

- “W ebern’s Dehmel Lieder of 1906-1908” in AW P , 53-61.<br />

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Stephan, Rudolf. „A nton <strong>von</strong> '<strong>Webern</strong>“, Deutsche Universitäts-Zeitung 11, Nr. 13-14 (Juli 1956),<br />

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- „Ein unbekannter Aufsatz <strong>Webern</strong>s über Schönberg“, Ö M Z 27, Nr. 3 (März 1972), 127..131.<br />

(Vgl. Werkverzeichnis E: „Ü ber A rnold Schönberg als Dirigent“ )<br />

- „Ü ber einige geistliche Kompositionen A nton <strong>von</strong> W eberns“, M usik und Kirche24 (Juli-August<br />

1954), 152-160.<br />

- „W eberns W erke auf deutschen Tonkünstlerfesten. Mit zwei wenig beachteten Texten<br />

W eberns“ , Ö M Z 27, Nr. 3 (März 1972), 121-127. (Vgl. Werkverzeichnis E: „Passacaglia“ ;<br />

„ ,Sechs Orchesterstücke1“ .)


- „Zu einigen Liedern <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>s“, B Ö G M 1972/73, 135-144.<br />

Stockhausen, Karlheinz. „Struktur und Erlebniszeit“, R 2 (1955), 69-79. Nachdruck in Texte zur<br />

elektronischen und instrumentalen M usik (ed. Dieter Schnebel), Band 1, Köln 1963, M. DuMont<br />

Schauberg (DuMont Dokumente).<br />

- „<strong>Webern</strong>s Konzert für 9 Instrumente op. 24 - Analyse des ersten Satzes“, M 20, Nr. 12<br />

(Dezember 1953), 343-348. Nachdruck in Texte zur elektronischen und instrumentalen Musik,<br />

Band 1 (1963).<br />

- „Zum 15. September 1955“, R 2 (1955), 42-44.<br />

Strawinsky, Igor. “A decade later (an interview)” in A W P , xix-xxvii.<br />

Strawinsky, Igor und Robert Craft. Themes and Episodes. New York 1966, Knopf.<br />

Strobel, Heinrich. „Die Wiener Schule“, M 30, Nr. 11 (November 1963), 369-377.<br />

- „So sehe ich <strong>Webern</strong>“, M32, Nr. 9 (September 1965), 285-290.<br />

Stroh, Wolfgang Martin. A nton <strong>Webern</strong>. Historische Legitimation als kompositorisches Problem.<br />

Göppingen 1973, Kümmerle. (Göppinger Akademische Beiträge, 63)<br />

- „Über die Bedeutung <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s Kompositionsskizzen“, N Z M 131, Nr. 9 (September 1970),<br />

434-438.<br />

Stuckenschmidt, Hans Heinz. „<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>“, Ricordiana [nuova Serie] 3 (Juni 1957), 274-277).<br />

- “Contemporary techniques in music”, M Q 49, No. 1 (1963), 1-16.<br />

- Schönberg Leben, Umwelt, Werk. Zürich, Freiburg 1974, Atlantis.<br />

- Schöpfer der neuen M usik: Porträts und Studien. Frankfurt/M 1958, Suhrkamp.<br />

- „Was ist musikalischer Expressionismus?“, M36, Nr. 1 (Januar 1969), 1-5.<br />

Swanay, John Lee. „Romantic style characteristics which led to the rise of dodecaphonic<br />

techniques“. Ph.D.diss., University of Texas, 1963.<br />

Swarowsky, Hans. „<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Bemerkungen zu seiner Gestalt“, B Ö G M 1972/73,<br />

14-22.<br />

Szmolyan, Walter. „<strong>Webern</strong> in Mödling und Maria Enzersdorf“, B Ö G M 1972/73, 36-39.<br />

- „<strong>Webern</strong>-Stätten in Österreich“, Ö M Z 2 1 , Nr. 3 (März 1972), 162-166.<br />

Teitelbaum, Richard. “Intervallic relations in atonal music”, J M T 9, No. 1 (1965), 72 -127.<br />

Travis, Roy. “Directed motion in Schoenberg and <strong>Webern</strong>”, P N M 4, No. 2 (1966), 85-89.<br />

Vorangestellt sind 8 unnumerierte Seiten mit Musikbeispielen, betitelt “Directed motion in tvvo<br />

brief piano pieces by Schoenberg and <strong>Webern</strong>”). Teilnachdruck als “Directed motion in<br />

<strong>Webern</strong>’s Piano Variations, Op. 21 UV', Proceedings o f the American Society o f University<br />

Composers2 (1967), 54-60.<br />

Venus, Dankmar. „Vergleichende Untersuchungen zur melischen Struktur der Singstimmen in den<br />

Liedern <strong>von</strong> A. Schönberg, A. Berg, A. <strong>Webern</strong> und P. Hindemith“. Diss., Universität<br />

Göttingen, 1965.<br />

- „Zum Problem der Schlußbildung im Liedwerk <strong>von</strong> Schönberg, Berg und <strong>Webern</strong>“, M B 4, Nr. 3<br />

(März 1972), 117-123.<br />

Vlad, Roman. „<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>“, La Musica (Enciclopedia Storica), Band 4 (Turin 1966, Unione<br />

Tipografica-Editrice Torinese), 853-861.<br />

- Storia della dodecafonia. Mailand 1958, Zerboni.<br />

Vojtech, Ivan. „Arnold Schönberg, <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>, Alban Berg - Unbekannte Briefe an Erwin<br />

Schulhoff“, Miscellanea Musicologica (Prag) 18 (1965), 31-83.<br />

Waller, Amalie. „Mein Vater <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“, Ö M Z 23, Nr. 6-7 (Juni-Juli 1968). 331-333.<br />

<strong>Webern</strong>, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong>. „An die Redaktion der M uziekm Amsterdam“, D eM uziek5,N o. 1 [Oktober<br />

1930], 22. Nachdruck in Willi Reich, „<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> über Alban Berg“, N ZM 12A , Nr. 4 (April<br />

1963), 143.<br />

- „Aus dem Briefwechsel“, R 2 (1955), 20-28.<br />

- „Aus unveröffentlichten Briefen“, Der Türm t, Nr. 12 (1945/46), 390-391.<br />

686


- „Brief an Frau Schreker“ im Programmheft des Staatstheaters Kassel 1964/65, Nr. 1, 8 .<br />

- „Ein Brief <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>s an Hanns Eisler“, M usik und Gesellschaft 8 (1958), 338-340.<br />

- Briefe an Hildegard Jone und <strong>Josef</strong> H umplik (ed. J.Polnauer). Wien 1959, Universal Edition.<br />

- „Briefe an zwei Freunde“, M 26, Nr. 12 (Dezember 1959), 377-379.<br />

- „Briefe der Freundschaft (1911-1945) in Die Stimme der Komponisten. Rodenkirchen 1958,<br />

Tonger, 126-133. (Kontrapunkte, 2)<br />

- „Der UE-Lektor. Aus Gutachten <strong>Webern</strong>s für die Universal Edition“, R 2 (1955), 29.<br />

- Der Weg zur neuen M usik (ed. Willi Reich). Wien 1960, Universal Edition.<br />

- “Previously unpublished composers’ letters as written to Claire R. Reis”, Musical America 83,<br />

No. 1 (Januar 1963), 16.<br />

- Verso la nuova musica. Lettere a Hildegard Jone e <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong>. Mailand 1963, Bompiani.<br />

(Portico, 42)<br />

- „Zwei Briefe an Hanns Eisler“, Sinn und Form (Deutsche Akademie der Künste, Berlin) 16<br />

(1964), 108-109.<br />

<strong>Webern</strong>, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> and Arnold Schoenberg. “Letters of <strong>Webern</strong> and Schoenberg (to Roberto<br />

Gerhard)”, Sc No. 24 (November 1958), 36-41.<br />

Vgl. auch Werkverzeichnis, Abteilung E, und folgende Eintragungen:<br />

Döhl, „Zum Formbegriff <strong>Webern</strong>s [...]“.<br />

Glück, „Briefe <strong>von</strong> <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> und Alban Berg [...]“.<br />

Klemm, „Der Briefwechsel zwischen Arnold Schönberg und dem Verlag C.F. Peters“.<br />

Krellmann, <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> in Selbstzeugnissen [...].<br />

Moldenhauer, Der Tod <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s<br />

- „<strong>Webern</strong> an Hartmann. Bisher unveröffentlichte Briefe und Postkarten”<br />

[Moldenhauer, Zusammenstellung], A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Sketches [...)].<br />

Op de Coul, „Unveröffentlichte Briefe [...]“.<br />

Rauchhaupt, Die Streichquartette der Wiener Schule [..,].<br />

Reich, A nton <strong>Webern</strong>: Weg und Gestalt; [...].<br />

- „Berg und <strong>Webern</strong> schreiben an Hermann Scherchen“.<br />

- „Briefe aus <strong>Webern</strong>s letzten Jahren“.<br />

Schreker-Bures, El caso Schreker.<br />

Vojtech, „Arnold Schönberg, <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>, Alban Berg | . .<br />

Wildgans, <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>.<br />

Wellesz, Egon. „<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, a great Austrian” in A W P , 108-110.<br />

- „<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Lieder opus 12, 13, 14“, M 2 (1921), 38..40.<br />

- „Begegnungen in Wien“, M33 (1966), 6.-12.<br />

- “Reviews of music: <strong>Webern</strong>, <strong>Anton</strong>, String Quartet, op. 28", M R 1 (Mai 1940), 177-178.<br />

Westergaard, Peter. “On the problems of ‘reconstruction frorn a sketch’: <strong>Webern</strong>’s ‘KunfttagHF<br />

and ‘Leise Düfte’”, P N M 11, No. 2 (1973), 104-121.<br />

- “Some problems in rhythmic theory and analysis”, P N M 1, No. 1 (1962), 180..191.<br />

- “Toward a twelve-tone polyphony”, P N M 4 (1966), 90..112.<br />

- “<strong>Webern</strong> and ‘total organization’: an analysis of the second movement of Piano Variations<br />

op. 27”, P N M 1, No. 2 (1963), 107-120.<br />

Whittall, Arnold. “On sumrnarizing <strong>Webern</strong>”, Soundings (Cardiff) 1 (1970), 54-57.<br />

Wildgans, Friedrich. „<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>; zu seinem 75. Geburtstag am 3. Dezember 1958“,<br />

Ö M Z 13 (November 1958), 456-460.<br />

- A nton <strong>Webern</strong>. Eine Studie. Tübingen 1967, Rainer Wunderlich.<br />

- „Gustav Mahler und <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>“, Ö M Z 15, Nr. 6 (Juni 1960), 302-306.<br />

Wille, Rudolf. „Reihensymmetrien und Reihenquadrate“, M/21, Nr. 1 (1968), 47..50.<br />

Wilsen, William. “Equitonality as a measure of the evolution toward atonality in the pre-Opus 1<br />

songs of <strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong>”. Ph.D.diss., Florida State University, 1975.<br />

687


Wittlich, Gary E. “An examination of some set-theoretic applications in the analysis of non-serial<br />

music”. Ph.D.diss., University of Iowa, 1969.<br />

Wolff, Christian. „Kontrollierte Bewegung“, R 2 (1955), 6 6 - 6 8 .<br />

Zenk, Ludwig. „Mein Lehrer“, 2 3 W M Nr. 14 (Februar 1934) (<strong>Anton</strong> <strong>Webern</strong> zum 50. Geburtstag),<br />

13. Nachdruck in Reich, ed. A nton <strong>Webern</strong> (1961).<br />

Zielinski, Tadeusz Andrzej. „Ekspresjonizm Schoenberga i <strong>Webern</strong>a“ [polnisch], Ruch<br />

M uzyczny 14, No. 18 (1970), 3-7.<br />

688


Verzeichnis der Abbildungen<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>. <strong>Terrakottabüste</strong> <strong>von</strong> <strong>Josef</strong> <strong>Humplik</strong> (<strong>1928</strong>) .......................... Frontispiz<br />

Taufschein <strong>Josef</strong> Eduard <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s ............................................................................ Seite 17<br />

Das Wappen der Familie <strong>Webern</strong> ......................................................................................... 23<br />

<strong>Josef</strong> Eduard <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, der Urgroßvater des Komponisten ...................................... 23<br />

Carl <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, der Vater des Komponisten ...................................................................... 23<br />

Tagebuchkommentar über die Musik Mahlers (Januar 1 9 0 2 ) ............................................. 31<br />

Tagebuchbericht über die Wallfahrt nach Bayreuth (August 1902) ................................ 45<br />

Der Preglhof .............................................................................................................................. 48<br />

Familientreffen auf dem Preglhof (17. Mai 1887) ................................................................ 48<br />

Vorfrühling für Gesang und K lavier......................................................................................... 51<br />

Amalie <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> mit ihren Kindern Rosa, <strong>Anton</strong> und Maria ...................................... 60<br />

Wilhelmine Mörtl, <strong>Webern</strong>s Kusine und zukünftige Ehefrau (Juli 1901).......................... 60<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> (Stettin, Oktober 1912)............................................................................ 60<br />

Analyse der Passacaglia op. 1 ..................................................................................................... 83<br />

Fünf Lieder (George) op. 3, Erstausgabe ............................................................................ 107<br />

Brief an Arnold Sehönberg (Stettin, 13. Januar 1913) ......................................................... 111<br />

<strong>Webern</strong>s Geburtshaus in Wien, Löwengasse 53A ................................................................ 120<br />

Die Wohnung in Mödling, Neusiedlerstraße 5 8 ...................................................................... 120<br />

Das Heim in Maria Enzersdorf, Im Auholz 8 ...................................................................... 120<br />

<strong>Webern</strong> mit Heinrich und Johanna jalowetz (Danzig 1911) ............................................. 133<br />

Alban Berg und <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> (Frühjahr 1912) ......................................................... 133<br />

Arnold Schönberg........................................................................................................................ 133<br />

Orchesterstück op. posth. (1 9 1 3 )............................................................................................... 177<br />

Aus dem Bühnenstück Toi (1913) ......................................................................................... 181<br />

Nr. I der Drei kleinen Sfückc op, 11 für Violoncello und K lavier...................................... 187<br />

Soldatenstreichquartett mit <strong>Webern</strong> am Cello (Leoben 1916)............................................. 188<br />

<strong>Webern</strong> während des Ersten Weltkrieges mii seiner Frau und seinen Töchtern Maria<br />

und Amalie .............................................................................................................................. 188<br />

Plakat mit der Ankündigung <strong>von</strong> 4 Propaganda-Abenden des Vereins für musikalische<br />

Privataufführungen (1919) ..................................................................................................... 207<br />

Programm eines Ärbeiter-Symphoniekonzerts (27. und 29. Mai 1922) .......................... 221<br />

Fahr hin, o Seel’, Nr. 5 der Fünf geistlichen Lieder op. 15 ................................................... 245<br />

Zwölfton reihen -Tabellen, op. 15 Nr. 4 zugehörig (1922) ................................................... 281<br />

Otto Klemperer, Arnold Sehönberg, <strong>Webern</strong> und Hermann Scherchen (Donaueschingen,<br />

Juli 1924) ................................ ......................................................................................... 298<br />

Aus <strong>Webern</strong>s Tagebuch (1930/31) ......................................................................................... 298<br />

Programm eines Gemeinschaftskonzcrts des Chors der Freien Typographia und des Singvereins<br />

(7. und 14. April 1 9 2 9 )............................................................................................... 301<br />

Programm des ersten ausschließlich <strong>Webern</strong> gewidmeten Konzerts (13. April 1931) 325<br />

Programm eines Konzerts amerikanischer Musik (21. Februar 1932)................................ 343<br />

Brief an Alban Berg (25. Dezember 1934) ............................................................................ 367<br />

<strong>Anton</strong> und Wilhelmine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> (Mödling 1923) ......................................................... 368<br />

<strong>Webern</strong> (Oktober 1940) ............................................................................................................ 368<br />

<strong>Webern</strong> in seinem Mödlinger Arbeitszimmer (Sommer 1930) ...................................... 368<br />

Orchersterslück (Ouvertüre), Vorstufe zum Konzert op. 24 ............................................. 391<br />

689


Am Grab Gustav Mahlers (Grinzinger Friedhof, 18. Mai 1926) ..............................................404<br />

<strong>Webern</strong> und Hildegard Jone (um <strong>1928</strong>) ............................................................................ .......404<br />

<strong>Webern</strong> bei der Probe mit den Wiener Symphonikern (Wiener Konzerthaus, 23.Mai 1933) 404<br />

Ernst Diez, <strong>Webern</strong>, <strong>Josef</strong> Hueber und <strong>Josef</strong> Polnauer in der Kampl-Hütte auf der Schneealpe<br />

(Juni 1933) .........................................................................................................................435<br />

<strong>Webern</strong> in den Ötztaler Alpen (Juli 1937) ...................................................................................435<br />

<strong>Webern</strong> mit seinem Sohn Peter auf der Schncealpe (Juli 1941) ..............................................435<br />

Ölporträts <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Oskar Kokoschka (1914), Tom <strong>von</strong> Dreger (1934), Hildegard<br />

Jone (1 9 4 5 ) .....................................................................................................................................484<br />

Porträtzeichnungen <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>: Oskar Kokoschka (1912), Egon Schiele (1917), Emil<br />

Stumpp (1927), Hildegard Jone (1943) ...................................................................................507<br />

Kleiner Flügel Ahornsamen, zweiter Satz der 1. Kantate op. 29 ...................................... .......509<br />

Brief Hildegard Jones an <strong>Webern</strong> (1939) ............................................................................ .......513<br />

Schöpfen aus Brunnen, dritter Satz der II. Kantate op. 31 (Particell) ..................................529<br />

Todesanzeige Peter <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>s (1945) ...................................................................................547<br />

<strong>Webern</strong> (1945) ...............................................................................................................................561<br />

Das Haus Arn Markt 101 in Mittersill, vor dein <strong>Webern</strong> am 15.September 1945 erschossen<br />

w u r d e ...............................................................................................................................561<br />

Das Sonnenlicht spricht aus dem vermutlichen op. 32 ......................................................... .......568<br />

Die Grabmale <strong>Webern</strong>s: 1945..1955; 1955 —1972; Das Ehrengrab, am 24. Juni 1972 in<br />

Mittersill errichtet .........................................................................................................................570<br />

Letzter Personalausweis ........................................................................................................... .......575<br />

Gedenktafel <strong>von</strong> Anna Mahler arn Haus Am Mark! 101 in Millersill .................................591<br />

Die Wiedergabe sämtlicher Illustrationen und Photos bedarf der schriftlichen Genehmigung der<br />

M oldenhauer-Archive, Spokane, Washington. Photos: James Cox, Frontispiz; Ludwig Zenk,<br />

S. 368 oben rechts, 404 unten rechts, 435 oben; Hermine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong>, S. 435 unten rechts,<br />

570 oben links; Foto Vogelreifer, S. 570 oben rcchts, 570 unten. Die Originale der Notenmanuskripte<br />

befinden sich in den Moldenhauer-Archiven und wurden mit freundlicher Genehmigung<br />

<strong>von</strong> Carl Fischer, Inc., New York (S. 51, 177, 391) und der Universal Edition, Wien<br />

(S. 187, 245, 509, 529) reproduziert.<br />

690


Register<br />

Die Einleitung blieb in diesem Register unberücksichtigt mit Ausnahme der Hinweise auf die<br />

Entstehung des <strong>Webern</strong>-Archivs. Aus dem Werkverzeichnis (Anhang I) wurden lediglich die im<br />

Buchtext behandelten oder erwähnten Kompositionen und Bearbeitungen verzeichnet.<br />

Briefe, ob zitiert oder nur erwähnt, wurden unter den Namen ihrer Verfasser angeführt, Werke<br />

der Musik, Literatur und Bildenden Künste unter denjenigen ihrer Urheber. Artikel wurden nicht<br />

in die alphabetisch angeordneten Werklisten aufgenommen.<br />

2. R.<br />

Aachen 128, 164<br />

Abend, Der (Wien) 333<br />

Adler, Alfred 161-3, 164, 179. s. auch <strong>Webern</strong>,<br />

<strong>Anton</strong> <strong>von</strong>: LEBEN - Krankheiten,<br />

Psychoanalyse<br />

Adler, Felix 200<br />

Adler, Guido 41, 43, 45, 64, 70, 71, 132, 258,<br />

259, 468, 597(5/1), 604(17), 607(4)<br />

Adler, Oskar 62, 79, 116, 160, 161, 163, 206,<br />

345, 451, 697(5/2)<br />

Adorno, Theodor Wiesengrund- 304, 305,<br />

311, 327, 350, 363, 365, 396, 450, 466, 489,<br />

611 (7), 615 (16)<br />

Akademie der Tonkunst, Kgl. s. unter München<br />

Akademischer Verband für Literatur und Musik<br />

s. unter Wien<br />

Akademischer Richard-Wagner-Verein s. unter<br />

Wien<br />

d’Albert, Eugen, Cellokonzert 323<br />

Albrechtsberger, Johann Georg, Symphonie<br />

C-Dur 501<br />

Allgemeine M usikzeitung 598(5/8), 623(33)<br />

Allgemeiner Deutscher Musikverband<br />

Schwerin 276, 291<br />

Allgemeiner Deutscher Musikverein 222, 360,<br />

431, 599(10), 685<br />

Dortmund 112, 359..60<br />

Düsseldorf 222..3, 598(5/9)<br />

Allgemeines Deutsches Tonkünstlerfest s. Allgemeiner<br />

Deutscher Musikverein<br />

„Altenberg, Peter“ (Richard Engländer) 95,<br />

132, 155, 156, 191, 598(6/7)<br />

Alter, Georg 217<br />

Altmann, Siegfried 260, 261<br />

Amar, Licco 224, 291<br />

Amar-Quartett 174, 186, 224-5, 235,<br />

606(29)<br />

Amsterdam 166, 167, 168,169,211, 369,375,<br />

604(12), 607(14), 613(9)<br />

Anbruch s. Musikblätter des Anbruch<br />

Anderluh, <strong>Anton</strong> 196, 197, 603(13/4)<br />

Annabichl 31, 209, 244, 273, 382, 383, 390,<br />

393, 443, 498<br />

Anschluß (Annexion Österreichs) 19, 356,<br />

429, 432-4, 445, 451, 453, 454, 456, 458..9,<br />

459, 470, 482, 510, 560, 623-4(36). s. auch<br />

Nationalsozialismus: Österreich<br />

Ansermet, Ernest 345, 414, 415, 499, 520,<br />

625(15)<br />

Aphoristischer Stil 53, 109, 115, 178, 186,<br />

238, 252, 291, 599(10)<br />

Apostel, Hans Erich 431, 492, 502<br />

Arbeitersymphoniekonzerte s. unter Wien<br />

Arbeiterzeitung (Wien) 220, 255, 263, 270..1,<br />

349, 358<br />

Arrau, Claudio 316<br />

Askenase, Stefan 240<br />

Atonaiität 75, 81, 8 6 , 102..3, 114, 277, 314,<br />

401, 597-8(5/4), 608(16), 623(33), 675,<br />

676, 681, 682, 6 8 6<br />

Entstehung: 76-9, 81, 8 6 , 103-4, 291,678,<br />

687<br />

Austro-American Conservatory (Mondsee) 3 3 8<br />

Avenarius, Ferdinand 32, 50-2, 53, 590<br />

Vorfrühling 49-51, 52<br />

Babbitt, Milton 609(6), 674<br />

Babin, Victor 186<br />

Bach, David <strong>Josef</strong> 62, 210, 220,222,232,236,<br />

255, 262, 264, 272, 275, 288, 331, 332, 333,<br />

691


334, 345, 355, 363, 364, 370, 375, 378-9,<br />

389, 404, 405, 407, 408, 409,413, 414, 430,<br />

437, 470, 471, 475, 482, 584, 585, 609(11),<br />

614(5), 616(12), 617(9), 625(15), 629(9)<br />

Bach, Johann Sebastian 27, 47, 65, 76, 261,<br />

271, 294, 382, 400, 402, 403, 418, 422, 463,<br />

465, 508, 519, 525, 619(17), 671, 672, 675,<br />

679<br />

Actus Tragicus 299, 332, 333, 334<br />

Air („auf der G-Saite“ aus der Suite in D-<br />

Dur, bearb. <strong>von</strong> August Wilhelmj) 33<br />

Brandenburgisches Konzert Nr. 3 312<br />

Brandenburgisches Konzert Nr. 5 277<br />

Konzert für vier Klaviere 268<br />

Konzert für zwei Klaviere C-Dur 313<br />

Kreuzstabkantate 307, 312<br />

Kunst der Fuge 359, 401, 449, 524, 619(17)<br />

Musikalisches Opfer 400, 619(17)<br />

Ouvertüre (Suite) h-Moll 440<br />

St. Johannes-Passion 362, 369, 371, 617<br />

(24/1)<br />

St. Matthäus-Passion 76, 261<br />

Bachrich, Ernst 85, 205, 206<br />

Bad Fusch 347-8<br />

Bad Ischl 84, 91, 102, 598(6/1)<br />

Bad Teplitz 97-9, 115<br />

Badische Landeszeitung 418<br />

Bahr, Hermann 132<br />

Balzac, Honore de 125, 169, 564<br />

Barbirolli, John 400, 471<br />

Barcelona 344, 346, 352, 355, 405, 411, 412,<br />

413, 414, 415, 621(26/11, 12, 13), 626(9)<br />

Bartha, Denes 610(21)<br />

Bartök, Bela 103, 208, 270, 339, 422, 477,<br />

604(14), 683<br />

Brief an Rudolph Ganz 604(14)<br />

W e r k e :<br />

Divertimento für Streichorchester 629(10)<br />

Klavierkonzert Nr. 1 270<br />

Musik für Streichinstrumente, Schlagzeug<br />

und Celesta 629(10)<br />

Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug<br />

629(10)<br />

Streichquartett Nr. 4 422<br />

Basel 106, 389, 398, 476, 477, 499, 502-3,<br />

515, 516, 535, 538, 629(10)<br />

Baton Rouge (Louisiana) 637(15)<br />

Baudelaire, Charles Pierre 169<br />

Bauer (Altistin) 215<br />

Baumgartner, Paul 389, 503, 538<br />

Bautista, Julian 456<br />

Bayer, Friedrich 324<br />

Bayer, <strong>Josef</strong>, Die Puppenfee 25<br />

692<br />

Bayreuth 39, 40, 43, 44, 45, 69<br />

Beck, Conrad 501<br />

Beethoven, Ludwig van 25, 33, 44, 64, 65, 74,<br />

92, 98, 122, 127, 138, 192, 196, 197, 294,<br />

295, 362, 380-1, 422, 423, 443, 447, 460,<br />

462, 463, 465, 468, 519, 605(3), 669<br />

Chorphantasie 268<br />

Con'o/öM-Ouvertüre 226, 267, 304<br />

Egmont-Ouvertüve 300<br />

Fidelio 149, 405, 423<br />

Klavierkonzert Nr. 5 328, 344<br />

Klaviersonate op. 2, Nr. 3 493<br />

Klaviersonate op. 14, Nr. 2 386<br />

Klaviertrio B-Dur 196<br />

Leonoren-Ouvertüre Nr. 2 267<br />

Leonoreri-Ouvertüre Nr. 3 328<br />

Meeresstille und glückliche Fahrt 343<br />

Prometheus-Ouvertüre 345, 358, 518<br />

Septett op. 20 311<br />

Streichquartett op. 18, Nr. 1 33<br />

Streichquartett op. 135 75, 669<br />

Symphonie Nr. 1 215, 349, 423<br />

Symphonie Nr. 2 345<br />

Symphonie Nr. 3 65-6, 75, 310, 313, 317,<br />

349, 417-8<br />

Symphonie Nr. 4 267<br />

Symphonie Nr. 5 226, 328<br />

Symphonie Nr. 6 323<br />

Symphonie Nr. 7 43, 312, 344<br />

Symphonie Nr. 8 47, 313, 360<br />

Symphonie Nr. 9 28-9, 43, 296, 362, 449,<br />

596(7)<br />

Tripelkonzert 362<br />

Violinkonzert 226<br />

Die Weihe des Hauses 255, 268, 269, 317,<br />

362<br />

Bell, Helen 581<br />

Bell, Raymond 574, 577, 578, 579-80, 581<br />

Bellermann, Heinrich, Kontrapunkt 462<br />

Berg, Alban 37, 79, 80, 81, 95..417 passim,<br />

463, 476, 477, 483, 488, 492, 542, 586,<br />

597(4/9), 599(8,10,12), 600(9), 601(15),<br />

601(8), 602(7), 603(12/6), 603(13/3),<br />

604(20, 24), 605(4), 606(28), 607(16/5),<br />

608(16), 609(9), 610(20), 611(7,9),<br />

612(14), 612-3(1), 613(9,10), 614(10),<br />

616(12, 16, 17, 18), 620-1(5), 621(26/8),<br />

626(9,10,11), 629-30(7), 674, 675, 676,<br />

678, 682, 683, 684, 685, 6 8 6<br />

Studium bei Schönberg 63, 64, 79-80<br />

Beziehungen zu <strong>Webern</strong> 64, 125, 198, 366,<br />

367, 597(9), 675, 676<br />

Schüler 135, 359, 362, 375, 431, 471,


608(18), 611(7, 9)<br />

B r ie f e a n :<br />

Berg, Helene 139, 166, 203-4, 2.10, 222,<br />

226, 229, 231, 305, 417, 602(4),<br />

603(14/1,2), 617(6), 675<br />

Jokl, Otto 617(6)<br />

Loos, Adolf 678<br />

Reich, Willi 365,410<br />

Ruyneman, Daniel 607(14), 682<br />

Scherchen, Hermann 683<br />

Schönberg, Arnold 372, 410<br />

Schulhoff, Erwin 6 8 6<br />

Stein, Erwin 214<br />

<strong>Webern</strong>, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> 87, 123, 131, 156, 186,<br />

202, 239, 240, 257, 365-6,380, 386, 588,<br />

603(12/6), 606(1), 617(18), 617(24/6),<br />

636(11)<br />

Tod 410, 439<br />

W e r k e :<br />

Allenberg-Lieder op. 4 154, 155, 169,<br />

602(9)<br />

Bearbeitung <strong>von</strong> Johann Strauß’ Wein, Weib<br />

und Gesang 214, 602(10)<br />

Drei Orchesterstücke op. 6 229, 605(20)<br />

Kammerkonzert 268-9, 358, 608(17)<br />

Klaviersonate op. 1 128, 145, 146, 363, 542<br />

Lulu 330, 362* 365, 366, 374, 407, 411,<br />

597(9), 616-7(18), 621(10)<br />

Lulu-Suite 366, 367, 408, 616-7(18),<br />

620-1(5)<br />

Lyrische Suite 275, 291, 358, 415<br />

„Schlafen, schlafen“ (aus Hebbels Dem<br />

Schmerz sein Recht) op. 2., Nr. 1 106<br />

Sieben frühe Lieder 463<br />

Streichquartett op. 3 128, 217<br />

Violinkonzert 407, 411, 412-4, 415, 426,<br />

456, 499, 621(26/11, 14), 626(9)<br />

„W ann die Lüfte“ op. 2, Nr. 4 150<br />

Der Wein 345, 412, 621(26/5)<br />

W ozzeck 202, 268, 314, 317, 331, 374, 409,<br />

466, 557, 598(5/4), 608(16), 613(9),<br />

622(17)<br />

Wozzeck, Drei Bruchstücke aus 369, 375,<br />

412,621(26/5)<br />

Z w ölf Variationen und Finale überein eigenes<br />

Thema 84<br />

Berg, Charly (Karl) 64<br />

Berg, Helene (geb. Nahowski) 139, 166, 332,<br />

410, 411, 413, 414, 502, 617(19), 621(26/8,<br />

10), 637(15)<br />

Berkeley, Lennox 456<br />

Berkshire Kammermusik-Festival 246, 447,<br />

472<br />

Berkshire Kompositionswettbewerb 234, 246<br />

Berlin 61, 62, 91, 97,122, 124,125,127,128,<br />

130, 132,135-6,137,138-9,140,143, 144,<br />

149, 151, 152, 172,175,186, 212, 229, 259,<br />

267, 276, 291, 300, 307-8, 311, 329, 335,<br />

353, 399, 426, 489, 600(7), 622(25)<br />

Hochschule für Musik 34<br />

Stern’sches Konservatorium 136-7<br />

s. auch Preußische Akademie der Künste<br />

Berliner Börsencourier 329<br />

Berliner Börsenzeitung 399<br />

Berliner Tageblatt 265, 600(9/6), 614(7)<br />

Berlioz, Hector 462, 465<br />

Ouvertüre Römischer Karneval 47<br />

Symphonie fantastique 43<br />

Berry, Walter 607(1)<br />

Bertram, Theodor 40, 43<br />

Bethge, Hans 168<br />

Beyle, Marie Henri s. Stendhal<br />

Bienenfeld, Elsa 85, 263<br />

Bierbaum, Otto Julius<br />

Pankrazius Graunzer 32<br />

„Traum durch die Dämmerung“ 30<br />

Bircher, Maximilian 406<br />

Birmingham 458<br />

Bittner," Emilie 222, 608(10)<br />

Bittner, Julius 132, 206, 2.33, 313<br />

Orchesterlieder 229<br />

Bizet, Georges:<br />

L ’Arlesienne-Suite 226<br />

Carmen 46<br />

Djamileh 44<br />

blaue Reiter, Der 105, 140, 679, 683.<br />

s. auch Kandinsky, Wassily; Marc, Franz<br />

Blech, Leo 91, 129<br />

Bleiburg 19,26,28<br />

Bliss, Arthur 225<br />

Blonda, Max (Gertrud Schönberg) 274<br />

Blum, Robert 292, 535<br />

Bochum 151, 258, 605(14)<br />

Böeklin, Arnold 6 8<br />

Bodanzky, Artur 99, 132, 352<br />

Boehme, Jacobus 75<br />

Bohm, Carl 43<br />

Böhm, Karl 489<br />

Boieldieu, Frangois-Adrien, Die weiße Dame<br />

152<br />

Boissevain (Holländischer Mäzen) 230<br />

Bomart (Boelke-B.), New York 80, 583<br />

Boosey & Hawkes, London 63, 447, 447-8,<br />

472<br />

Boulez, Pierre 609(6), 615(15), 621(26/10),<br />

633(14), 636(13)<br />

693


Brahms, Johannes 47, 65, 74, 197, 220, 317,<br />

353, 422, 438, 440, 443, 460, 463, 465, 488<br />

Abschiedslied 232, 236, 330<br />

Beherzigung 300, 303, 343<br />

Drei deutsche Volkslieder mit Vorsänger<br />

300<br />

Ein deutsches Requiem 299, 323<br />

Gesang der Parzen 343-4, 421<br />

In stiller Nacht 232<br />

In Waldeseinsamkeit 33<br />

Klavierquartett op. 25 33<br />

Klavierquartett op. 26 311<br />

Klaviertrio op. 8 79<br />

Nänie 255, 349, 615(14)<br />

Schicksalslied 270, 362, 405, 438<br />

Schnitter Tod 232<br />

Serenade op. 11 340, 362, 406<br />

Serenade op. 16 302, 306, 308<br />

Symphonie Nr. 1 226<br />

Symphonie Nr. 2 30<br />

Symphonie Nr. 3 47, 421<br />

Symphonie Nr. 4 81, 85, 362, 477<br />

Tragische Ouvertüre 312, 518<br />

Brassart, Jean 596(2/3)<br />

Sacris solemnis 47<br />

Braunschweig 91, 128<br />

Brehm-Diez, Doris 40-1, 596(6), 607(2)<br />

Brenner, Der (Innsbruck) 387<br />

Bresgen, Cesar 558, 565, 571, 572, 580<br />

Breslauer Neueste Nachrichten 292<br />

Bridge, Frank 292<br />

Bruch, Max, Frithjof 29<br />

Bruckner, <strong>Anton</strong> 43, 220, 261, 422, 467, 493<br />

Messe f-Moll 256<br />

Symphonie Nr. 4 226<br />

Symphonie Nr. 7 270, 362, 415, 467,<br />

608(19)<br />

Symphonie Nr. 8 29<br />

Symphonie Nr. 9 43<br />

Te Deum 43<br />

Brunner, Eduard 25<br />

Brunner, Fritz 109, 116, 128<br />

Brunswick, Mark 363-4, 376, 414, 415, 421,<br />

452, 464, 482, 483, 494, 621(26/13),<br />

622(22), 625(15)<br />

Zwei Sätze für Streichquartett 412<br />

Brüssel 119, 240, 350, 586, 636(Epilog 7)<br />

Buchbinder, Bernhard 109, 128<br />

Buchman, Carl 360, 464<br />

Buffalo (New York) 637(15)<br />

Bungert, August 33<br />

Burgtheater ,s. unter Wien<br />

Busch, Adolf 604(12)<br />

Busch, Fritz 422, 622(14)<br />

Busoni, Ferruccio 130, 138, 139, 224,<br />

600(9/4), 607(17/6)<br />

Caffaret, Lucie 267<br />

Cantor, Margaret 360, 376, 464, 617(7)<br />

Carter, Elliott 609(6)<br />

Casella, Alfredo 206, 265, 292, 485, 486-7,<br />

604(12), 609(9), 621(26/5)<br />

Serenata 295<br />

Casper, Walter 224<br />

Cech, Dr. (Arzt) 257, 274<br />

Cerha, Friedrich 603(11), 621(26/10)<br />

Chagall, Marc 356<br />

Charpentier, Gustave, Julien 164<br />

Chausson, Ernest 604(12)<br />

Chavez, Carlos 318<br />

Chemnitzer Tageblatt 291<br />

Chopin, Frederic 260<br />

Choralis Constantinus s. unter Isaac, Heinrich<br />

Christian Science M onitor 265, 302, 313, 330,<br />

403, 417-8, 428<br />

Christliche Frau, Die 527<br />

Clark, Edward 130, 294, 306, 307, 328, 329,<br />

355, 358, 401, 405, 406, 466, 600(9/5),<br />

611(10), 627(14)<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 329<br />

Claudius, M atthias 549<br />

Der Wandsbecker Bote, Gedichte 53<br />

Claycombe, Gordon 342, 360, 464, 465,<br />

616(11), 628(25)<br />

Clementschitsch, Maria (geb. <strong>von</strong> W ebern -<br />

Schwester) 24, 25, 36, 48,60,136,143,159,<br />

165, 273, 319, 320, 407, 498, 541<br />

Clementschitsch, Paul (Schwager) 36, 99, 159,<br />

319, 407, 596(1/8)<br />

Clementschitsch, Theo (Neffe) 21, 159, 161,<br />

165, 179, 602(1). s. auch W ebern, <strong>Anton</strong><br />

<strong>von</strong>: W ERK E - Tot<br />

Cleveland (Ohio) 186<br />

Closson, Louis 138<br />

Collaer, Paul 586<br />

Coolidge, Elizabeth Sprague 246, 275, 385-6,<br />

426, 438, 444-5, 447, 617-8(25/2), 624(10,<br />

11)<br />

B r ie f e a n :<br />

<strong>Webern</strong> 444-5<br />

Weiss, Adolph 618(2)<br />

Cornelius, Peter 220<br />

Costa, Raffael da 605(25)<br />

Courrier Musical (Paris) 230<br />

Cowell, Henry 285, 319, 342, 343, 613(10),<br />

618(2). s. auch New Music


Craft, Robert 620(24), 633(14, 17), 635(4),<br />

637(13)<br />

Cruikshank, Enid 328<br />

Csap, Hans 421<br />

Daily Telegraph and Morning Post (London)<br />

225,457, 627(14)<br />

Dallapiccola, Luigi 408-9, 457, 488-9,<br />

624(4), 626-7(11), 630(19), 676<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 489<br />

W e r k e :<br />

II Prigioniero 679<br />

Sex Carmina Alcei 630(19)<br />

Dantine, Felix 267<br />

Danzig 116, 121-7, 130, 149-50, 161<br />

Darmstadt 620(22)<br />

Debussy, Claude 91-2, 106, 208, 218, 460,<br />

571, 604(12)<br />

En blanc et noir 210<br />

La Mer 422, 460<br />

Pelleas et Melisande 63, 91-2, 134<br />

Decsey, Ernst 419<br />

Dehmel, Richard 52-3, 62, 80-1, 122<br />

Delamarter, Eric 607(12)<br />

Delius, Frederick 125, 206, 257<br />

Eine Messe des Lebens 125<br />

Denkmäler der Tonkunst in Österreich 47,<br />

597(5/1). s. auch Choralis Constantinus<br />

Dent, Edward 265,292,335,340,414,605(9)<br />

Der blaue Reiter s. blaue Reiter, Der<br />

Des Knaben Wunderhorn s. Knaben Wunderhorn,<br />

Des<br />

Destinn, Emmy 40<br />

Deutsch, Max 415, 627(20), 628(30)<br />

Deutsch-Dorian, Frederick (Friedrich) 206,<br />

280, 422, 423, 467-8, 628(30, 31)<br />

Deutsche Allgemeine Zeitung 235<br />

Dick, Marcel 364, 420<br />

Dickens, Charles 169<br />

Diez, Ernst (Vetter) 21, 28..30, 34..6 , 41..2,<br />

43-5, 46, 47, 48, 52, 55, 70, 75, 91, 96,102,<br />

131, 266, 267, 270, 273, 351, 360, 370, 400,<br />

429, 435, 458, 471, 474, 557, 584-5, 586,<br />

595(15), 634(2)<br />

Briefe an <strong>Webern</strong> 36, 400, 471<br />

W e r k e :<br />

Die chinesische Landschaftsmalerei 557<br />

Entschleiertes Asien 595(15)<br />

Dodekaphonie 174, 186, 228, 252, 277-83,<br />

285, 290, 295, 318, 364, 375-6, 389, 390-2,<br />

396-7, 398, 401, 431, 437, 439, 456, 467,<br />

519, 566, 607(10), 608(16), 617(20),<br />

622(20), 626(11), 674, 675, 676, 677, 678,<br />

679, 680, 681, 682, 683, 684, 685, 6 8 6 , 687.<br />

s. auch Golyscheff, Jev; Hauer, <strong>Josef</strong> Matthias;<br />

Schönberg, Arnold<br />

Doflein, Erich 292<br />

Dolbin, Benedikt F. 505<br />

Donaueschingen 63, 6 8 , 174,218,234-5,243,<br />

606(28, 30)<br />

Dorian, Frederick (Friedrich) s. Deutsch-Dorian,<br />

Frederick<br />

Dortmund 112, 151, 360<br />

Dostojewski, Fjodor 95, 159<br />

Downes, Olin 609-10(16)<br />

Dreger, Tom <strong>von</strong> 484, 505, 548<br />

23, Eine Wiener Musikzeitschrift 350, 365,<br />

614(22/3)<br />

Dresden, Sem 604(12)<br />

Dresdner Anzeiger 291<br />

Dresdner Neueste Nachrichten 235<br />

Dubs, Hermann 515<br />

Dukelsky, Vladimir, Symphonie Nr. 2 330<br />

Dürer, Albrecht 41, 68<br />

Düsseldorf 82, 151, 212, 222-3, 598(5/9)<br />

Dvorak, <strong>Anton</strong>m<br />

Cellokonzert 477<br />

Streichquartett op. 106 33<br />

Dvorak, Max 69<br />

Ebert, Carl 351<br />

Ehrenstrasser, Peter 571, 580, 589..90<br />

Eisenacher Zeitung 327<br />

Eisenberg, Oskar 608(10)<br />

Eisler, Hanns 215, 303, 314, 358, 560, 611(5),<br />

687<br />

Der arme Kunrad 330, 614(21/3)<br />

A u f den Straßen zu singen 303, 307, 31.7,<br />

330<br />

Gesang der Besiegten 317<br />

Das Lied vom Klassenkampf 358<br />

Naturbetrachtung 303, 307, 317<br />

Eisner, Stella 199, 206, 215, 217, 233,<br />

603(13/7), 604(19)<br />

Eigar, Edward 465, 467<br />

Eiston, Arnold 360, 401, 409, 422, 438,<br />

462-4, 619(18), 622(15), 628(23)<br />

Emerich, Paul 316, 349<br />

Emerson, Ralph Waldo 169<br />

Society and Solitude 319<br />

Engel, Carl 372, 607(12)<br />

Engländer, Richard s. Altenberg, Peter<br />

Ettendorf 204<br />

Ettl, Karl 608(10)<br />

Fackel, Die 598(6/10). S. auch Kraus, Karl<br />

695


Faesi, Robert, Rainer Maria Rilke 564<br />

Falke, Gustav 33, 52, 53, 67<br />

M it dem Leben 52<br />

Fall, Leo,<br />

Die Dollarprinzessin 98, 148<br />

Die geschiedene Frau 98<br />

Falla, Manuel de 292, 560<br />

Fasching, Barbara 587-8<br />

Feist, Gottfried 206<br />

Feist-Quartett 109<br />

Feiler, Sylvia 608(10)<br />

Feuerbach, Anselm 6 8 , 615(14)<br />

Finke, Fidelio Fritz 224<br />

Fischer, Carl, New York 178, 609(6)<br />

Fleischer, Arthur 206<br />

Flor, Samuel 420, 423<br />

Florenz 369, 375, 408, 471<br />

Flotow, Friedrich <strong>von</strong>, Ein Wintermärchen 126<br />

Focke, Free 542<br />

Foerstrovä-Lauterovä, Berta 44, 46<br />

Foss, Lukas 609(6)<br />

Franco-American Musical Society s. unter New<br />

York<br />

Frank, Maurits 186, 224, 257, 291, 623(33)<br />

Frankfurt/M. 237, 240, 304, 305, 306, 348,<br />

349, 351<br />

Franz, Robert 33<br />

Frederick (vorm. Fuchsgelb), Kurt 420<br />

Fregi, Mme. (Sängerin) 29<br />

Freie Typographia s. unter Wien<br />

Freie Wiener Presse. 346<br />

Freund, Marya 272, 601(7)<br />

Frey, Walter 362<br />

Frey-Knecht, Alice 362<br />

Fried, Oskar 130, 139, 214, 349<br />

Fritzenwanger, Elsie 574, 581, 584<br />

Frohnleiten 192<br />

Fuchs, Robert 137,302<br />

Serenade e-Moll 302<br />

Fuchsgelb, Kurt s. Frederick, Kurt<br />

Fuhrmann-Landon, Christa 537, 633(5)<br />

Fürstenfeld 87<br />

Furtwängler, Wilhelm 220, 323, 351, 352,<br />

355, 489, 623(33)<br />

Fux, Johann Joseph, Gradus ad. Parnassurn<br />

468<br />

Gail, Hermann Rudolf 327<br />

Gäl, Erna 231,233,606(24)<br />

Gäl, Hans 364<br />

Galimir, Felix 413,419,430<br />

Galimir-Quartett 364, 370<br />

Ganz, Rudolph 224-5, 265, 373, 604(14),<br />

696<br />

605(10), 608(13)<br />

Geer, <strong>Anton</strong> (Großvater) 21, 24, 93<br />

Geiger, Heinrich 79<br />

Gelb (Schüler <strong>Webern</strong>s) 360<br />

George, Jarno, Die Försterchristi 121<br />

George, Stefan 32, 81, 8 6 , 93, 94, 97, 104-5,<br />

480, 481<br />

Das Buch der hängenden Gärten 97, 104<br />

„Indes deine Mutter dich stillt“ 32<br />

Das Jahr der Seele 8 6 , 104<br />

Das neue Reich 480, 481<br />

Der siebente Ring 8 6 , 104<br />

Der Stern des Bundes 480, 481<br />

Gerhard, Roberto 335, 344, 354, 355, 359,<br />

362, 370, 413, 615(6, 7), 687<br />

Sechs katatonische Lieder 345, 615(7)<br />

Gerhart, Maria 608(10)<br />

Gershwin, George, A n American in Paris 330<br />

Gerstl, Richard 601(12)<br />

Gesellschaft der Musikfreunde s. unter Wien<br />

Gilbert, Jean (Max Winterfeld) 601(3)<br />

Autoliebchen 147, 601(3)<br />

Glasser, Garen 609(6)<br />

Glazunow, Alexander 47<br />

Gluck, Christoph Willibald 70<br />

Orpheus und Eurydike 44<br />

Gmeiner, Lula 34<br />

Goethe, Johann Wolfgang <strong>von</strong> 41, 54,98,113,<br />

129, 250, 266, 269, 287-8, 289, 295, 296,<br />

342-4, 374, 380, 383, 384-5, 386, 387, 439,<br />

440, 524, 530, 567, 632.(8), 635(5)<br />

Briefe an Friedrich <strong>von</strong> Schiller 113, 248,<br />

266<br />

W e r k e :<br />

Annalen 181.7 269<br />

Faust 46, 129<br />

Italienische Reise 296<br />

Zur Farbenlehre 287-8, 296, 387, 567,<br />

612(17), 635(5)<br />

Goldrnark, Karl, Der gefesselte Prometheus,<br />

Ouvertüre 270<br />

Goldschmied, Richard 144, 145, 601(17)<br />

Golyscheff, Jev 277<br />

Gombrich, Dea 364<br />

Goossens, Eugene 295'<br />

Concerto für 18 Streichinstrumente 295<br />

Görz 191, 192<br />

Gradmann-Lüscher, Marguerite 106, 389,<br />

477, 500, 502, 503, 535<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 502<br />

Graedener, Hermann 41, 56, 61, 137<br />

Graedener-Hattingberg, Magda <strong>von</strong>, Rilke und<br />

Benvenuta 562-3, 635(3.5/1)


Graener, Paul 352<br />

Graz 22, 24, 27, 28, 34, 131, 196, 266,<br />

596(1/3)<br />

Grazer Tagespost 30<br />

Greif, Martin, Neue Lieder und Mären 54<br />

Greissle, Felix 231, 236, 418, 431, 452<br />

Greissle, Trude (geb. Sehönberg) 231<br />

Grieg, Edvard 220<br />

Griffes, Charles 106<br />

Grillparzer, Franz 41<br />

Gropius, Manon 407<br />

Gropius, Walter 200<br />

Gross, Dr. (Arzt) 160<br />

Gross, Leopoldine („Poldi“ ; geb. Mörtl -<br />

Schwägerin) 70, 258, 409, 541, 557, 560,<br />

583, 587<br />

Gross, Wilhelm 560<br />

Grossmann, Ferdinand 220<br />

Grosz, Wilhelm 224, 225<br />

Grube, Gustav 79<br />

Gruenberg, Louis 138,295<br />

The Daniel Jazz 295<br />

Quartet No. 2, op. 40 447<br />

Gütersloh, Paris <strong>von</strong> 140<br />

Gutheil-Schoder, Marie 46, 206, 597(5/2)<br />

Gutmann, Walter 427, 428<br />

Haas, Carlo 323<br />

Häba, Alois 408<br />

Häfner, Herbert 584, 636(Epilog 7)<br />

Hafning 269, 270, 289<br />

Hagenbund 308, 409, 611(12). s. auch.Hum ­<br />

plik, <strong>Josef</strong><br />

Halbich, Fred (Schwiegersohn) 558, 582, 584,<br />

636(Epilog 8 )<br />

Halbich, Johanna (Enkelin) 582<br />

Halbich (Major) 537, 558, 560<br />

Halbich, Maria („Mitzi“ ; geb. <strong>von</strong> W ebern..<br />

Tochter) 153, 161, 188, 210, 315, 331, 384,<br />

423, 443, 453, 475, 527, 534, 537, 552, 554,<br />

558, 565, 566, 568, 574-5, 578, 580, 582,<br />

584, 586, 589, 614(12), 635(36/1)<br />

Halbich, Peter (Enkel) 534, 566<br />

Halvorsen, Johan 604(12)<br />

Hamburg 131,2,31<br />

Hamburger Courier 291<br />

Hamburger Fremdenblatt 291<br />

Händel, Georg Friedrich<br />

Orgelkonzert A-Dur 349<br />

Samson 28<br />

Hannenheim, Norbert <strong>von</strong> 335, 359<br />

Hanover (New Hampshire) 637(15)<br />

Hartmann, Arthur 169<br />

Hartmann, Karl Amadeus 408, 491, 504, 534,<br />

569, 620(4), 627(18), 629(31/6),<br />

629-30(31/7), 681, 684<br />

B r i e f e a n :<br />

seine Frau 491-4, 629-30(31/7), 678<br />

<strong>Webern</strong> 504, 681<br />

W e r k e :<br />

A nno ’48 ~ Friede 629(31/6), 629-30(31/7)<br />

Gesangsszene 620(4)<br />

Miserae 408, 491, 620(4)<br />

Simplicius Simplicissimus 493, 629(31/6)<br />

Streichquartett Nr. 1 629(31/6)<br />

Symphonie Nr. 1 493<br />

Hasa, <strong>Josef</strong> 42, 109, 128<br />

Hauer, <strong>Josef</strong> Matthias 174, 206, 208, 228,<br />

230, 234, 277-8, 279, 314, 409<br />

Brief an Paul Pisk 279, 608(3)<br />

W e r k e :<br />

Deutung des Melos 608(2)<br />

N omos 278<br />

Tropenlehre 278<br />

Über die Klangfarbe 608(2)<br />

Vom Melos zur Pauke 608(2)<br />

Vom Wesen des Musikalischen 608(2)<br />

Zwölftontechnik 608(2)<br />

Haugan, Edwin 598(5/7)<br />

Hauptmann, Gerhart 372<br />

Hauptmann, Karl, Tagebuch 32<br />

Hausegger, Friedrich <strong>von</strong>, Das Jenseits des<br />

Künstlers 32<br />

Havemann, Gustav 605(18)<br />

Havemann-Quartett 228, 605(18)<br />

Haydn, Franz Joseph 65, 197, 333, 420, 462,<br />

465, 468,<br />

Symphonie D-Dur (Die Uhr) 332, 333, 344<br />

Heidelberg 585<br />

Heifetz, Benar 291, 362<br />

Heim, Georg 79<br />

Heiman, Martin U. 575, 577, 579<br />

Hein, Hermann 196, 197<br />

Hein, Karl 604(11)<br />

Heinsheimer, Hans W. 419<br />

Hellmesberger, Joseph, Harlekin als Elektriker<br />

44<br />

Hentsch, Mme. Renee 230<br />

Herder, Johann Gottfried <strong>von</strong> 41<br />

Herlinger, Ruzena 106, 240, 265, 272, 275,<br />

306, 346, 346-7, 355, 412, 418, 419,<br />

608(14), 615(11)<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 412<br />

Hermann, Hans 33<br />

Hertzka, Emil 87, 113, 138, 168, 169, 173,<br />

195, 212, 253, 258, 262, 265, 266, 267, 276,<br />

697


280-2, 286, 288, 292, 345, 382, 398, 399,<br />

603(13/3), 609(9)<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 292<br />

Gedächtnis-Stiftung 345", 359, 375,<br />

629(31/6)<br />

Hertzka, Frau Emil 376, 617(5,8)<br />

Heward, Leslie 471<br />

Hice, M. 273<br />

Hietzing 164, 239, 249, 335-6, 337<br />

Hill, Edward Burlingame 607(12)<br />

Hindemith, Paul 174, 224-5, 291, 313, 477,<br />

571, 606(28, 29), 623(33), 683, 684, 6 8 6<br />

Konzert für Orgel und Kammerorchester<br />

295<br />

Lehrstück 313<br />

Neues vom Tage 623(33)<br />

Hinnenberg-Lefebre, Margot 275<br />

Hodler, Ferdinand 6 8<br />

Hoeree, Arthur 265<br />

Hoffmann, Rudolf St. 64<br />

Hoffmann, Heinrich, Nomengesang 33<br />

Hölderlin, Friedrich 350, 490, 512, 535,<br />

563-4, 566<br />

Hyperion 563-4<br />

Hyperions Schicksalslied 363<br />

Holger, Oskar 109, 128<br />

Honegger, Arthur 225, 257, 477, 622(26)<br />

Hooke, Einehe 631(4)<br />

Horwitz, Karl 42, 63, 76, 79, 84, 95,109,116,<br />

128, 131, 132, 135, 139, 597(4/3), 600(9)<br />

Vom Tode 222<br />

Huber, Hildegard s. „Jone, Hildegard“<br />

Hueber, <strong>Josef</strong> 256, 264, 300, 305, 307, 312,<br />

323, 326, 335, 337, 360, 361, 377, 378, 407,<br />

424, 435, 470, 478-81, 485, 486, 489, 490,<br />

494, 496, 497-8, 500, 501, 504, 517, 518,<br />

521, 522, 526, 537-8, 542, 586, 607(3),<br />

608(11), 610(1), 616(7)<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 504<br />

Humpelstetter, Hans 323, 326, 380, 421, 481,<br />

504, 518, 540, 543, 549, 565, 569, 584,<br />

614(21/1), 621(27/11)<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 504<br />

Humperdinck, Engelbert 132<br />

Hänsel und Gretel 25<br />

<strong>Humplik</strong>, Hildegard s. „Jone, Hildegard“<br />

<strong>Humplik</strong>, <strong>Josef</strong> („Pepo“, „Seppi“) 110, 243,<br />

308-9, 317, 324, 349, 365, 375, 388, 428,<br />

441, 482, 506, 510, 516, 522, 535, 539, 541,<br />

558, 583, 587, 607(8), 611(14), 612(14,15),<br />

616(14), 618(4), 624(1,2), 634(8), 636(Epilog<br />

5,9), 687. s. auch <strong>Humplik</strong>, <strong>Josef</strong> und<br />

Hildegard<br />

698<br />

<strong>Humplik</strong>, <strong>Josef</strong> und Hildegard 308-9, 314,<br />

345, 359, 360, 361, 375, 409, 411, 428, 434,<br />

439, 445, 448, 455-6, 475, 486, 496, 500,<br />

514, 522, 524, 525, 526, 527, 528, 536, 537,<br />

539, 567, 624(1), 625(15), 633(12),<br />

634(14), 635(11, 35/6). s. auch <strong>Humplik</strong>,<br />

<strong>Josef</strong>; „Jone, Hildegard“<br />

Hüni-Mihacsek, Felicie 106, 206, 246, 257,<br />

379, 604(24)<br />

Hutcheson, Ernest 373<br />

Ibsen, Plenrik 168<br />

Peer Gynt 168<br />

Ihlert, Heinz 352<br />

Illustriertes Wiener Extrablatt 94, 128<br />

Innsbruck 93-4, 98, 110<br />

International Composers’ Guild s. unter New<br />

York<br />

Internationale Gesellschaft für Neue Musik<br />

(IGNM ) 63-4, 218, 224, 340-1, 409, 456,<br />

492, 605(9), 615(7)<br />

Barcelona 411, 412, 413, 414, 431, 456,<br />

621(26/11, 12, 13)<br />

Basel 106, 389, 476, 477, 502-3,<br />

535<br />

Florenz 369, 375, 408<br />

Frankfurt/M . 305<br />

London 329, 392, 438, 455-8, 488, 584,<br />

629(31/6), 631(4)<br />

Mainz 186<br />

Oxford 329<br />

Prag 234, 395, 407, 409, 436, 489, 491<br />

Salzburg 109, 224-5, 244, 605(12)<br />

Siena 276, 291, 292<br />

W arschau 472<br />

Wien 257, 264, 268, 275, 335, 340..1, 342,<br />

345-6, 355, 359, 364, 370, 375, 379, 407,<br />

409, 411, 415, 426, 427, 429, 441, 456,<br />

560, 606(28), 613(9), 616(12), 617(24/2)<br />

Zürich 178, 264-6<br />

Internationale <strong>Webern</strong>-Festivals 589<br />

I. Seattle, Washington 617(19), 631(1),<br />

637(15)<br />

II. Salzburg/Mittersill 589, 637(15)<br />

III. Buffalo, New York 637(15)<br />

IV. Hanover, New Hampshire 637(15)<br />

V. Wien 615(13), 637(15)<br />

VI. Baton Rouge, Louisiana 637(15)<br />

Internationale <strong>Webern</strong>-Gesellschaft 589,<br />

615(13), 637(15)<br />

Internationales Pianistenseminar 316-7<br />

Isaac, Heinrich 73-4<br />

Choralis Constantinus 73-4, 117, 258,


597(4/10, 5/1). s. auch <strong>Webern</strong>, <strong>Anton</strong><br />

<strong>von</strong>: LEBEN - Dissertation<br />

Ischl .s. Bad Ischl<br />

Israelitisches Blindeninstitut s. unter Wien<br />

Ivanov, O.de 79<br />

Suite für Klavier 84<br />

Ives, Charles 613-4(10)<br />

Jacobi, Frederick<br />

Hagiographa 447<br />

Two Assyriern Prayers 246<br />

Jalowetz, Heinrich 42, 61, 63, 79, 94, 95, 121,<br />

12.2, 123, 124, 12,5,126,128,131,132,133,<br />

140, 141, 145, 148,149,158,163,168,169,<br />

170, 190, 197, 200, 202, 212, 226-7, 229,<br />

236, 259, 306, 307, 328, 359, 361, 362, 363,<br />

370, 395, 408, 409, 451, 597(5/2), 600(9),<br />

601(5), 605(14), 625(15)<br />

Janäcek, Leos 422, 609(9)<br />

Jarnach, Philipp 306<br />

Jemnitz, Alexander 363<br />

Jodl, Friedrich 71<br />

John, E. <strong>von</strong> 349<br />

Jokl, Otto 375, 471, 617(6), 629(30/4),<br />

629(30/5)<br />

Jonasz, Etta s. Werndorff, Etta<br />

Jone, Hildegard (<strong>Humplik</strong>, Hildegard, geb.<br />

Huber) 309, 357, 365, 374, 386-7, 388,<br />

389, 392, 394, 395, 397, 398, 401, 404, 406,<br />

410, 411, 436, 437, 439, 440, 443, 444, 445,<br />

458, 474, 476, 484, 495, 502, 505, 506, 507,<br />

508, 510, 511, 512, 513, 515, 516, 517, 518,<br />

542, 543, 549, 565, 566, 567, 568, 584, 585,<br />

586, 607(8, 11), 611-2(14), 612(16, 17, 18,<br />

19, 20), 612..3(2), 616(14), 618(4), 619(15),<br />

624(1, 2), 629(30/7), 630(20), 630-1(22),<br />

631(1, 2, 5), 631-2(6), 632(7, 8 , 10),<br />

632-3(11), 633(12, 6 ), 634(8,9), 635(5),<br />

636(Epilog 3, 5), 637(15), 687. s. auch<br />

<strong>Humplik</strong>, <strong>Josef</strong> und Hildegard<br />

B r i e f e a n :<br />

Berg, Helene 401-1<br />

<strong>Webern</strong>, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> 401, 474, 495, 505,<br />

510, 511-2, 513, 516, 523, 531, 537, 539,<br />

542, 543, 549, 567, 624(9), 629(30/7),<br />

630(20), 630-1(22), 631-2(6), 632(8),<br />

633(6), 634(8, 9, 10)<br />

<strong>Webern</strong>, Wilhelmine <strong>von</strong> 537<br />

W e r k e :<br />

Gemälde, Zeichnungen, Lithographien 309,<br />

505, 506, 612(14), 630(20)<br />

„Frühling“ 360, 505, 506, 613(2)<br />

Selbstporträt 630(20), 632(11)<br />

<strong>Webern</strong> 506, 612(14), 630-1(22)<br />

„Winter“ 613(2)<br />

Dichtungen 309, 512, 541-3, 549, 632(8)<br />

Anima, Gedichte des Gottesjahres612(17),<br />

618(10)<br />

Die arme Freude 549<br />

Enthüllte Form 635(35/2)<br />

Farbenlehre 508<br />

Das Feldpostpäckchen 527<br />

Lum en 565, 566, 567, 568<br />

Der M ohnkopf 511, 631(3), 632-3(11)<br />

Requiem in memoriam A nton <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

631(22)<br />

Selige Augen 612(17)<br />

Verwandlung der Chariten 511<br />

Viae inviae 387, 393<br />

Jones, Sidney, Die Geisha 126<br />

Josquin des Prez 519<br />

Kabasta, Oswald 333, 334, 349<br />

Kägi, Walter 503<br />

Kalckreuth, Leopold 6 8<br />

Kaltenborn, Fritz 304<br />

Kaminski, Heinrich 311<br />

Kandinsky, Wassily 105, 139, 140, 170<br />

Kant, Immanuel 41, 71, 100, 138<br />

Briefe 137<br />

Metaphysik der Sitten 71<br />

Kaplan, Maurice 269, 272, 273, 293, 464<br />

Kaprälovä, Viteslava 456<br />

Kathleen Washbourne Trio 472<br />

Kerr, Alfred 135<br />

Kienzl, Wilhelm 46, 132<br />

Kittel, Hermine 220<br />

Klagenfurt 19, 21, 33..4, 35, 37,39,49,52, 99,<br />

127, 143, 157, 158, 159, 165, 168, 170, .185,<br />

1.89, 191, 196, 198, 201, 209, 210, 216, 240,<br />

241, 249, 252, 273, 319, 332, 498, 536, 541<br />

Klangfarbenmelodie 114-5, 279-80, 401,<br />

403, 439, 680<br />

Klapper, K. H. s. Lehrigstein, K. H.<br />

Klasen, Wilhelm 33<br />

Kleiber, Erich 608(16), 620-1(5)<br />

Klein, Howard 609(6)<br />

Klein, Max 608(10)<br />

Klemperer, Otto 275, 289, 329,351,364,426,<br />

426-8, 606(30), 614(21/2), 622(22, 25)<br />

Klimt, Gustav 96, 132, 211, 217, 309<br />

Klitsch, Wilhelm 206, 214, 215<br />

Knaben Wunderhorn, Des 65<br />

Kniestädt, Georg 605(18)<br />

Koblenz 94<br />

Kodäly, Zoltän 609(9)<br />

699


Psalmus Hungaricus 270<br />

Koffler, <strong>Josef</strong> 456<br />

Kokoschka, Oskar 61, 96, 100, 145, 165,191,<br />

308, 374, 484, 505, 507<br />

Dramen und Bilder 602(2)<br />

Kolisch-Quartett 233, 266-7, 270, 271, 275,<br />

276, 291, 292, 311, 312, 325, 329, 344, 363,<br />

369, 379, 426, 428, 445, 446, 447, 472, 501,<br />

604(17)<br />

Kolisch, Rudolf 116, 206, 214, 217, 226, 228,<br />

231, 233, 234, 243, 268, 271, 289, 291, 292,<br />

305, 354, 358, 359, 362, 386, 408, 444-5,<br />

446, 447, 472, 501, 604(11, 17), 624(11)<br />

Brief an Schönberg 351<br />

Köln 306, 328<br />

Komauer, Edwin 25, 27, 29, 41, 536,<br />

596(1/3, 4)<br />

Frau Holde 27<br />

König (Schüler <strong>Webern</strong>s) 360<br />

Königer, Maria (geb. Mörtl - Schwägerin) 136,<br />

139, 164, 210<br />

Königer, Paul 28, 135, 136, 137, 139, 141,<br />

143, 151, 152, 159, 164, 165', 167, 200,<br />

596(5), 597(5/2), 600(9)<br />

Konzerte moderner Musik s. unter Wien<br />

Konzertverein s. unter Wien: Wiener Symphoniker<br />

Kornauth, Egon 206<br />

Korngold, Erich Wolfgang 125<br />

Sinfonietta 165<br />

Korngold, Julius 132<br />

Koussevitzky, Sergej 178, 266, 352<br />

Krasa, Hans, Pastorale und Marsch 265<br />

Krasner, Louis 377, 407, 412, 413, 414, 415,<br />

426,430,433,443,464,483,621(26/13,14)<br />

Kraus, Karl 96, 100, 132, 168, 250, 316, 361,<br />

392, 430, 431, 468, 482, 597(4/9),<br />

598(6/10), 616(10)<br />

Krenek, Ernst 287-8, 312, 313, 354,359,364,<br />

365, 366, 392, 407, 409, 411, 413, 415, 420,<br />

427, 452, 566, 590, 609(9, 10), 613(10),<br />

617(20, 25/1), 618(11), 620(22), 622(26),<br />

625(15), 674, 675, 682<br />

Durch die Nacht 345, 358<br />

Jonny spieltauf 312, 617(20)<br />

Karl V. 313, 412,, 414, 617(20)<br />

Kleine Blasmusik 358<br />

Kleine Symphonie 313<br />

Symphonische M usik fü r neun Instrumente<br />

409<br />

Der Triumph der Empfindsamkeit 343<br />

Vier Bagatellen 622(26)<br />

Kreuzzeitung 291<br />

700<br />

Kristallnacht s. unter Nationalsozialismus<br />

Krueger, Viktor 84<br />

Kurzmann, Rita 339, 355, 357, 364, 412-3<br />

Kurzmann, Rudolph 339, 357, 380, 409, 429,<br />

452, 453, 459, 490, 625(5)<br />

Kux, Hedda 358<br />

Kwartin, Clara 234, 235, 243, 606(28)<br />

Lambert, Constant, Music for Orchestra 330<br />

Lange-Müller, Peter 33<br />

LaSalle-Quartett 589, 597(5/4)<br />

Lazansky, Maria 604(11)<br />

League of Composers s. unter New York<br />

Lehar, Franz 195<br />

Der Graf <strong>von</strong> Luxemburg 98<br />

Die lustige Witwe 126<br />

Lehner, Eugen 291<br />

„Lehrigstein, K. H.“ (K. H. Klapper) 260-1,<br />

261-2, 380-1, 608(8), 623(35)<br />

Leibowitz, Rene 389, 396, 400, 618(5), 682<br />

Leich, Roland 360, 464, 617(24/1), 628(24)<br />

Leipzig 166, 167, 168, 212, 489, 605(5)<br />

Lemberg 369, 375<br />

Lenbach, Franz <strong>von</strong> 68<br />

Leoben 192, 195, 196, 197, 239, 241, 252<br />

Leschetizky, Theodor, Klaviermethode 42<br />

Leuchter, Erwin 333<br />

Leyer (Schüler <strong>Webern</strong>s) 550<br />

Liliencron, Detlev <strong>von</strong> 53, 251, 597(4/7)<br />

Linke, Karl 139, 140, 143, 600(9)<br />

List, Kurt 80 , 409 , 45 7, 5(34 , 5 83<br />

Liszt, Franz 36-7, 43, 277, 462, 610(21)<br />

Ballade h-Moll 33<br />

Christus 37<br />

Dante-Symphonie 43<br />

Faust-Symphonie 271<br />

Festklänge 271<br />

Heldenklage 2.70<br />

Mazeppa 43<br />

Totentanz 267<br />

London 106, 110, 166, 190, 272, 304, 306..7,<br />

308, 311, 328, 329, 330, 358..9, 363, 375,<br />

392, 394, 401, 405, 412, 414, 415, 436, 438,<br />

455-8, 471-2, 472, 475, 488, 508, 584, 585,<br />

586, 629(31/6), 631(4)<br />

Loos, Adolf 62, 96, 132, 145, 156, 191, 224,<br />

225, 233, 316, 356, 361, 385, 387, 393, 465,<br />

539,601(2), 602(9), 613(5,6), 616(10), 678<br />

Ins Leere gesprochen 316, 613(5)<br />

Trotzdem 613(5)<br />

Lortzing, Gustav Albert<br />

Der Waffenschmied 126,149,150,151,152<br />

Zar und Zimmermann 147, 199


ssr<br />

Löw, Johann 325, 386<br />

Löwe, Ferdinand 37, 220<br />

Luzern 128<br />

McKenzie, Wallace 609(7)<br />

Maeterlinck, Maurice 63, 92, 99, 102, 138,<br />

158, 191<br />

Drei mystische Spiele 102<br />

Vom Tode 158<br />

M ahler, Alma 145, 165, 167, 200, 213, 214,<br />

234, 364, 407, 603(12/9)<br />

Briefe an <strong>Webern</strong> 364, 588, 616(14)<br />

Mahler, Anna 589<br />

Mahler, Fritz 422, 423, 622(17)<br />

Mahler, Gustav 29, 30, 31, 44, 46, 61, 64-5,<br />

84, 94-5, 100, 121,122,123,136,138,140,<br />

149, 152, 156, 158, 165, 167, 208,211,220,<br />

222, 226, 258, 263, 264, 289, 306, 308, 327,<br />

349, 404, 417, 418, 419, 422, 431, 460, 463,<br />

465, 482, 488, 493, 558, 589, 596(2/2),<br />

598(6/6), 611(13, 14), 676, 687<br />

Abreise nach Amerika 95<br />

Tod 129<br />

ÄUSSERUNGEN ÜBER:<br />

Bach 65'<br />

Beethoven 65<br />

Brahms 65<br />

Dostojewsky 95..6<br />

Haydn 65<br />

K ontrapunkt 65<br />

Mozart 65<br />

Rameau 65<br />

Riickert 65<br />

Schubert 65<br />

W agner 65<br />

W e r k e :<br />

Kindertotenlieder 64, 126, 154, 156, 305,<br />

323<br />

Das klagende Lied 267<br />

Das Lied <strong>von</strong> der Erde 136<br />

Lieder eines fahrenden Gesellen 67<br />

„Lob der K ritik“ („Lob des hohen Verstan ­<br />

des“) 121,169,599(8/1)<br />

Rüekert-Lieder 64<br />

Symphonie Nr. 1 165, 303<br />

Symphonie Nr. 2 29-31, 271,272,273,299,<br />

300, 345,346,418,420<br />

Symphonie Nr. 3 64, 222, 223, 417, 419,<br />

605(4)<br />

Symphonie Nr. 4 30, 165, 214, 344, 358<br />

Symphonie Nr. 5 64, 313, 349<br />

Symphonie Nr. 6 64, 317, 349, 359, 404,<br />

418, 422<br />

Symphonie Nr. 7 125, 206, 300, 375<br />

Symphonie Nr. 8 84, 119, 121, 140, 141,<br />

153, 167, 229, 262-4, 271, 288, 379, 419,<br />

600(8/3, 12), 608(9, 10)<br />

Symphonie Nr. 9 141, 143, 145, 166<br />

Symphonie Nr. 10 234, 606(27)<br />

Wunderhorn-LAeder 64, 65<br />

Mahler-Gedächtnis-Preis 202<br />

Mahlke, Hans 605(18)<br />

Maier, [Julius?], Schatz, wo fehlt es dir? 236<br />

Maillart, Louis, Das Glöckchen des Eremiten<br />

149<br />

Mainz 186, 257, 585<br />

Malipiero, Gian Francesco 604(12), 609(9),<br />

621(26/5)<br />

Malko, Nicolai 271-2<br />

Mann, Thomas 564<br />

Joseph und seine Brüder 564<br />

Mannheim 94, 99<br />

Manschinger, K urt 210, 214, 233, 258-9, 260,<br />

412, 419, 451, 460-1, 607(17/5), 625(4),<br />

627(19)<br />

Madame Dorette 461<br />

Marburg an der Drau 94, 546, 634(12)<br />

Marc, Franz 105, 140<br />

Maria Enzersdorf 337, 348..9, 351, 357, 360,<br />

376, 387, 409, 461, 491, 496, 551, 553,<br />

556-8, 559, 560, 573, 583, 587, 588,<br />

615(13), 6 8 6<br />

Markevitch, Igor 456<br />

Marschalk, Max 92, 598(6/3)<br />

Martinet, Jean Louis 586<br />

Martinü, Bohuslav 477<br />

Marx, Joseph 233, 313<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 588<br />

Massenet, Jules 33<br />

Don Quixote 119<br />

Mattel, Benno (Schwiegersohn) 453, 478,<br />

558, 574, 575, 577, 578, 579, 580, 582, 584,<br />

636(Epilog 4)<br />

Mattel, Christine („Christi“ ; geb. <strong>von</strong> <strong>Webern</strong><br />

- Tochter) 210, 230, 231, 294, 314, 321,<br />

331, 424, 438, 443, 453, 474, 478, 498, 502,<br />

510, 526, 528, 534, 537, 552, 554, 558, 569,<br />

575, 577, 578, 579, 580, 582, 583, 589<br />

Mattel, Karin (Enkelin) 474, 510, 530, 636(3)<br />

Mattel, Liesa (Enkelin) 526<br />

M attel, U te (Enkelin) 478<br />

Mauer, Otto 541, 542<br />

Mehul, Etienrie Nicolas, Joseph 199, 396<br />

Mendelssohn, Felix 220, 261, 405, 431, 465,<br />

620(2)<br />

Erste Walpurgisnacht 255, 269, 343, 405<br />

701


Festgesang an die Künstler op. 6 8 405<br />

Lobgesang 33<br />

Symphonie Nr. 3 (Schottische) 369<br />

Violinkonzert 28, 369, 406<br />

Mengelberg, Willem 169,211<br />

Merker, Der 106, 108, 599(6)<br />

Messehaert, Johannes 34<br />

Metzger, Heinz-Klaus 284, 597(5/4)<br />

Miaskowsky, Nikolaj 257, 265<br />

Michalsky, Anne 325, 364<br />

Michelangelo 70<br />

Mihacsek, Felicie s. Hüni-Mihacsek, Felicie<br />

Mildenburg, Anna <strong>von</strong> 36<br />

Milhaud, Darius 213, 605(11), 609(9), 680<br />

Le Printemps 302, 306<br />

Bratschenkonzert 332, 333<br />

Mittersill 424, 537, 539, 552, 553, 554, 555,<br />

556, 558, 559, 560, 561, 562, 565, 569, 570,<br />

571, 572, 573, 574, 577, 578, 580, 582, 583,<br />

584, 587, 589, 590, 675<br />

M odem Music 327, 389, 504<br />

Mödling 120, 201, 202, 203, 204, 210, 213,<br />

214, 216, 228, 229, 230, 2,36, 252, 255, 259,<br />

262, 285, 286, 287, 319, 335, 337, 340, 348,<br />

349, 356, 460, 476, 502, 528, 537, 539, 541,<br />

553, 589, 605(17), 6 8 6<br />

Mödlinger Männergesangverein 217, 220, 226,<br />

228, 231, 232, 233, 256, 260, 262, 264, 494<br />

Programme 220, 229, 256, 264<br />

Montanistische Rundschau 22, 596(19)<br />

M onthly Wlusiccd Record 631(4)<br />

Morgen, Der (Wien) 333<br />

Mörike, Eduard<br />

A u f das Grab <strong>von</strong> Schillers Mutter 32<br />

Gesang Wey las 32<br />

Neue Liebe 32<br />

Verborgenheit 32<br />

Mortari, Virgilio, Rhapsodie 329-30<br />

Mörti, Gustav (Schwiegervater) 37, 134, 136,<br />

164, 166, 190, 191, 194<br />

Mörtl, Leopoldine s. Gross, Leopoldine<br />

Mörtl, Maria (Schwiegermutter) 37, 127, 134,<br />

136, 164, 190, 203, 210, 475<br />

Mörti, WiJhelmine s. <strong>Webern</strong>, Wilhelmine <strong>von</strong><br />

Mottl, Felix 65<br />

Mozart, Wolfgang Amadeus 25, 65, 70, 197,<br />

302, 422, 423, 462, 465, 468, 542, 611(2)<br />

C oslfantutte 194<br />

Divertimento Nr. 11 D-Dur 302, 305<br />

Divertimento Es-Dur 349<br />

Don Giovanni 129, 139, 199, 204, 423<br />

Die Hochzeit des Figaro 149, 423<br />

/«pter-Symphonie 47, 226, 271, 302, 304<br />

702<br />

Klavierkonzert Es-Dur, KV 271 302, 307<br />

Klavierkonzert G-Dur, KV 453 323, 332<br />

Konzert für Flöte und Harfe, KV 299 317<br />

Rezitativ [Seena] und Rondo, KV 505 362<br />

„Scherzkanon“ 236<br />

Symphonie Es-Dur, KV 16 313, 349<br />

Symphonie F-Dur, KV 43 343<br />

Symphonie D-Dur, KV 81 323, 328<br />

Symphonie D-Dur, KV 84 313<br />

Symphonie g-Moll, KV 550 300, 305, 397<br />

Violinkonzert D-Dur, KV 211 345<br />

Violinkonzert A-Dur, KV 219 360<br />

Zaide 44<br />

Die Zauberflöte 94<br />

Muck, Karl 39, 46<br />

Müllner (Professor, Universität Wien) 69, 71<br />

München 40, 68-9, 121, 129, 136, 304, 306,<br />

308, 359, 379, 430, 585, 600(9/3)<br />

Kgl. Akademie der Tonkunst 34<br />

Münster 128<br />

Murray, Andrew W. 574, 575, 577, 578<br />

Mürzzuschlag 1.57, 159, 164, 172, 198, 202,<br />

209, 223, 242, 250, 258, 266<br />

Music Review 449-50<br />

Musical Opinon 457<br />

Musical Times 457, 611(13), 635(9)<br />

Musik, Die 168, 317, 431, 603(12/4), 620(2)<br />

Musikblätter des Anbruch 237, 240, 277, 326,<br />

363, 602.(9), 604(6)<br />

Musikbuch aus Österreich 106, 599(7)<br />

musikfestliche 'Wien, Das 143-4, 546<br />

Musikpreis der Stadt Wien s. unter Wien<br />

Mussorgsky, Modest 462, 604(12)<br />

Die Kinderstube 604(19)<br />

M uziek, De 31.7, 6 8 6<br />

Nationalsozialismus 216, 351..7, 369, 373,<br />

379, 405, 409, 430, 432, 452-3, 469-70,<br />

472, 479, 481, 482, 487, 489, 536, 563,<br />

611(8), 620(4), 629(31/6), 630(21)<br />

Österreich 356, 369..70, 406, 429, 432-4,<br />

447, 451, 454, 456, 459, 470, 487, 496,<br />

607(16/7), 613(7), 614(22/3), 622-3(27),<br />

623(35), 623-4(36), 625(2), 627(22). ,s.<br />

auch Anschluß<br />

Kulturpolitik 351-4, 374, 405, 406, 42.7,<br />

430, 431-2, 436, 447, 454, 459, 469, 487,<br />

489, 492, 504, 536, 564, 599(4),<br />

607(16/7), 616(1,3), 620(2), 620-1(5),<br />

623(28, 33, 34, 35)<br />

Kristallnacht 459, 469-70, 482, 483, 510,<br />

628(1,2)<br />

Navrätil, Karl 41, 56, 61


Nedbal, Oskar 166<br />

Nessy, Julia 428<br />

Neue Freie Presse (Wien) 216, 291, 312, 346,<br />

430<br />

Neue Wiener Madrigalvereinigung s. unter<br />

Wien<br />

Neue Zeitschrift für M usik 79-80<br />

Neue Zürcher Zeitung 235, 242<br />

Neues Wiener Extrablatt 324<br />

Neues Wiener Journal 85, 263<br />

Neues Wiener Tagblatt 277-8<br />

Neumann, Hans 604(11)<br />

Neumann, Robert 600(9)<br />

Neutra, Richard 602(9)<br />

New Music 285, 318, 384, 613(10), 618(2)<br />

New Orleans (Louisiana) 637(15)<br />

New York 106, 129, 257, 266, 295, 318, 400,<br />

471, 472, 477, 585, 611(11), 676<br />

Franco-American Musical Society 106, 257<br />

Programm 106<br />

International Composers’ Guild 218, 266<br />

League of Composers 219, 294-5,302,327,<br />

371, 613(10)<br />

New York Times 609(6), 609-10(16)<br />

Nicolai, Otto, Die lustigen Weiber <strong>von</strong><br />

Windsor 46<br />

Nielsen, Carl 224, 604(12)<br />

Nietzsche, Friedrich 32, 41, 54<br />

Fröhliche Wissenschaft 32<br />

Nikisch, Arthur 35, 47, 69<br />

Niklasdorf 192<br />

Nono, Luigi 620(20)<br />

Noväk, Vitezslav 143, 217<br />

Novakovic, Olga 205, 217, 364, 542, 604(22)<br />

Ochs, Siegfried 158..9<br />

Offenbach, Jacques<br />

Hoffmanns Erzählungen 126<br />

Die schöne Helena 126<br />

Öhlgießer, Siegfried 360,461..2,477,627(22)<br />

Oldenburg 329<br />

Olmütz 22, 24<br />

Ondficek, Franz 33, 41<br />

Ondnöek-Quartett 472<br />

Oppenheimer, Max („Mopp“) 96, 598(6/6)<br />

Orff, Carl, Carrnina Burana 494<br />

österreichische Musikzeitschrift 596(2/2),<br />

602(8)<br />

Österreichische Volksstimme 636(36/8)<br />

Österreichische Zeitung 636(36/8)<br />

Othegraven, August <strong>von</strong> 220<br />

Oxford 329<br />

Palester, Roman, Symphonie Music 329<br />

Pan 130, 135, 600(9/4)<br />

Pan-American Association of Composers<br />

341-2, 343, 613(10), 614(10), 615(5)<br />

Paris 106, 272, 344, 586<br />

Pariser Tageblatt 408<br />

Pella, Paul 229<br />

Perchtoldsdorf 114, 176, 282, 284, 495, 545,<br />

546, 547, 551, 552, 553, 557, 559, 589,<br />

611(13)<br />

Peters, C. F., Leipzig 138, 175', 679<br />

Petrassi, Goffredo 408<br />

Petri, Egon 130<br />

Pfitzner, Hans 61, 62, 65, 134, 195<br />

Philadelphia 267, 313, 465, 471<br />

Philadelphia Chamber Sinfonietta 110<br />

Philipsky, Margaret 323<br />

Piatigorsky, Gregor 186, 187<br />

Pijper, Willem 224, 604(12), 613(9)<br />

Pisk, Ludwig 604(4)<br />

Pisk, Paul A. 85, 114,205,206,222,255,272,<br />

279, 334, 339, 349, 355, 358, 370, 452,<br />

602(9), 604(4-, 6 ), 605(6), 617(24/2), 681<br />

Campanella 358<br />

Violinsonate 222<br />

Plato 100, 522, 523, 524<br />

Der Staat 138<br />

Plauen 127<br />

Pless, Hans 359<br />

Ploderer, Rudolf 273, 302, 350, 361, 361..2,<br />

365, 393, 614(22/3), 616(11)<br />

Pointillismus 403, 685<br />

Polnauer, <strong>Josef</strong> 61, 114, 132, 135, 139, 191,<br />

205, 216, 227, 228, 255, 274, 323, 348, 360,<br />

361, 375, 407, 409, 410. 413, 414, 418, 420,<br />

427, 429, 435, 438, 440, 442, 447, 449, 454,<br />

455, 458, 470, 475, 482..3, 496, 514, 515,<br />

522, 573, 587, 604(20), 605(16, 17),<br />

606(28), 612(17, 19), 613(4), 625(15),<br />

629(13, 14), 633(15), 634(4), 635(6),<br />

636(10)<br />

Popolo d’ltalia (Mailand) 292<br />

Portorose 156, 157, 161<br />

Poulenc, Francis 213, 225, 605(11)<br />

Impromptus 605 (11)<br />

Prag 128, 131, 139, 140, 141, 157, 160, 161,<br />

163, 164, 165, 168,178,190,193,194,197,<br />

198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 210,<br />

212-3, 214, 217, 223, 227, 231, 234, 240,<br />

241, 252, 363, 395, 407, 409, 436, 457, 491,<br />

585, 603(13/6), 604(24), 605(14)<br />

Prager, Arthur 205<br />

Preglhof 20, 21, 22, 24, 26, 27, 35, 37, 40, 48,<br />

703


49, 52, 53, 54, 57, 59, 67, 70, 71, 74, 91,<br />

92-3, 97, 99, 105, 112, 115, 121, 130, 131,<br />

134-5, 142-3, 157,168,171,175, 204, 209,<br />

216, 273, 605(2)<br />

Presse, Die (Wien) 334<br />

Preußische Akademie der Künste 259, 352-3,<br />

354, 357, 361, 607(17/6), 622(22)<br />

Prohaska, Carl 206, 268, 378<br />

Prohaska, Margaret 378, 490<br />

Prokofjew, Sergej 560<br />

Prunieres, Henry 265<br />

Puccini, Giacoino 622(22)<br />

Raff, Joachim, Im Walde 33<br />

Raffael 70<br />

Rameau, Jean Philippe 65<br />

Rangstroem, Ture 224<br />

Rankl, Karl 206, 214, 215, 422, 631(4)<br />

Ratz, Erwin 210,409,490,496,502,540,550<br />

Rau-Hoeglauer, Marianne 271<br />

Ravel, Maurice 116, 208, 213, 214, 224,<br />

354-5, 604(12, 14)<br />

Gaspard de la nuit 213, 604(14)<br />

Ma Mere l’Oye 213, 214<br />

Rhapsodie Espagnole 213, 214<br />

Sheherazade 355<br />

Streichquartett 213<br />

Trois Poemes de Stephane Mallarme 214<br />

Valses nobles et sentimentales 213<br />

Rederer, Franz 365, 402-3, 406, 410, 471,<br />

506, 616(16)<br />

Reger, Max 103, 134, 195, 208,258,271,400,<br />

493, 604(12), 685<br />

Klavierkonzert f-Moll 316, 349<br />

Passacaglia 217<br />

Requiem 313, 349<br />

Streichquartett fis-Moll 493<br />

Reich, Das 502<br />

Reich, Willi 95, 106, 110, 178, 186, 317, 339,<br />

353, 365, 409, 413, 445-6, 451, 455, 456,<br />

457, 458, 460, 471, 472, 475-6, 477, 478,<br />

483, 485, 486, 489, 490, 499, 501, 502-3,<br />

504, 512, 514, 515, 517, 518-9, 520, 523,<br />

524, 525, 528, 530, 532, 535, 538, 566, 568,<br />

604(6), 607(13), 614(22/3), 616(7),<br />

629(10), 632(8, 9)<br />

Briefe an <strong>Webern</strong> 475-6, 499, 503<br />

Reichspost; Die (Wien) 334<br />

Reinhardt, Max 129, 351<br />

Reinhart, Werner 106, 230, 258, 264, 275,<br />

476, 477, 478, 486, 495, 499, 500, 502, 521,<br />

532, 541<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 478<br />

704<br />

Reis, Mrs. Claire R. 295, 687<br />

Reitler, Joseph 312<br />

Respighi, Ottorino 609(9)<br />

Reti, Rudolf 64, 333, 334, 605(9)<br />

Rheinisch- WestfälischeZeitung 329<br />

Rheinische M usik- und Theaterzeitung 135,<br />

137, 140<br />

Richter-Steiner, Christa 369<br />

Riegger, Wallingford<br />

La Belle Dame sans Merci 246<br />

Three Canons 342, 343<br />

Riemann, Hugo 41, 596(4)<br />

Riemerschmid, Werner 542-3, 587-8,<br />

634(11)<br />

Brief an <strong>Josef</strong> Polnauer 587, 636(10)<br />

Riga 51<br />

Rilke, Rainer Maria 8 6 ,100,101, 117, 562-3,<br />

564, 566, 635(35/1)<br />

Die A ufzeichnungen des Malte Laurids Brigge<br />

100-1, 117, 124<br />

„Requiem für Wolf Graf <strong>von</strong> Kalckreuth“<br />

564<br />

s. auch Graedener-Hattingberg, Magda <strong>von</strong>;<br />

Faesi, Robert<br />

Rimsky-Korsakov, Nikolai<br />

Scheherazade 47<br />

Robert, George 428, 459, 473, 477, 627(15)<br />

Rochberg, George 675<br />

Rom 369,375<br />

Röntgen, Julius 34, 604(12)<br />

Rosbaud, Hans 348, 349, 375, 489, 615(12),<br />

625(15)<br />

Rose, Arnold 108, 116, 121, 128, 143, 144,<br />

145, 146<br />

Rose-Quartett 62, 92, 96, 109, 128, 143,<br />

600(12)<br />

Rosegger, Peter 147-8, 158,223<br />

Erdsegen 241<br />

Sommer in den Alpen 223<br />

Waldheimat 154<br />

Rosenthal, Manuel 456<br />

Rosenzweig, Alfred 323, 324, 334<br />

Rossini, Gioacchino, Der Barbier <strong>von</strong> Sevilla<br />

126<br />

Roussel, Albert, Symphonie Nr. 3 422<br />

Rubinstein, <strong>Anton</strong> 33<br />

Rückert, Friedrich 64-5<br />

Ruf, Der (Wien) 116, 173<br />

Rufer, <strong>Josef</strong> 114, 205, 231<br />

Ruggles, Carl 342, 343<br />

Ruskin, John, Was wir lieben und pflegen<br />

müssen 8 6 , 597(7)<br />

Ruyneman, Daniel 607(14), 682


Sacher, Paul 477, 485, 499, 500, 515, 518,<br />

519, 520, 535, 538, 632(9)<br />

Sachs, Benno 205<br />

Sachs, Kurt 229<br />

Saint-Saens, Charles-Camille 139<br />

Salzburg 68,109, 224, 228,244,316,605(12),<br />

637(15)<br />

Sanders, Paul F. 317, 613(9)<br />

Sanderson, Lillian 34<br />

Saturday Review 635(9)<br />

Schalk, Franz 36, 220, 227<br />

Schenker, Heinrich 466<br />

Scherchen, Hermann 242, 267, 275, 276, 298,<br />

329, 359, 399, 414, 426, 438, 456, 457, 458,<br />

492, 493, 499, 501, 502, 520, 535,<br />

603(13/3), 605(5), 606(30), 620(4),<br />

625(15), 626(9)<br />

Scheu, Gustav 359<br />

Die H offnung 405<br />

Sonntagslied 269<br />

Schiele, Egon 96, 308, 505, 507<br />

Schiller, Friedrich <strong>von</strong> 41, 113, 248<br />

Schlee, Alfred 460, 486, 489, 519, 520, 538,<br />

560, 583, 589, 600(9/2)<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 560<br />

Schloss, Julius 359, 362, 608(18), 611(9),<br />

616(13)<br />

Schmedes, Erik 36, 39<br />

Schmeidel, Hermann 219, 220<br />

Schmeidl-Braun, Yella 608(10)<br />

Schmid, Erich 106, 475, 477, 502<br />

Schmid, Leopoldine („Poldi“ .. Tante) 158,<br />

258, 604(8)<br />

Schmidt, Franz 300, 359, 596(2/2)<br />

Schmidt, Leopold 600(9/6)<br />

Schmidt-Isserstedt, Hans 489<br />

Schmitt, Florent 604(12)<br />

Schnabel, Artur 604(12), 623(35)<br />

Schneiderhan, Walther 360<br />

Schneiderhan, Wolfgang 406<br />

Schnitzler, Arthur 132, 602(9)<br />

Liebelei 40<br />

Schoeck, Othmar 485, 486, 523<br />

Schönberg, Arnold 12, 13, 32, 53,54,61 - 403<br />

passim, 408, 410, 411, 417, 420, 421, 422,<br />

425-6, 427, 431, 437, 441, 443, 446, 450,<br />

452, 453, 454, 455, 459, 460, 462, 463, 466,<br />

467, 473, 474, 476, 477, 482, 483, 488, 489,<br />

492, 504, 518, 519, 538, 560, 586, 597(4/2,<br />

3; 5/2,4), 599(16), 600(1, 4, 5, 6 , 7, 8 , 12),<br />

601(12, 1, 4), 602(9, 7), 603(12/9; 14/3),<br />

604(20), 605(12, 17), 606(28, 30),<br />

607(17/6), 609(9), 611(9), 612(14),<br />

612-3(1), 613(4, 10), 616(11), 617(9),<br />

620(5), 622(20), 625(15), 626(11), 629(16),<br />

633(1), 670, 674, 675, 676, 678, 679, 680,<br />

682, 683, 684, 685, 6 8 6 , 687, 6 8 8<br />

Musikalische Ausbildung 62<br />

Kriegsdienst (1. Weltkrieg) 193, 194-6,<br />

197, 200-1<br />

Konversion zum Judentum 356<br />

Emigration 357, 616(11)<br />

Der Lehrer<br />

Privatschüler 63, 64, 6 6 , 79, 84-5, 90, 95,<br />

130, 131, 139, 149, 166-7, 168, 193,<br />

208, 215, 217, 227, 228, 304, 313, 318,<br />

335, 344, 359, 373, 420, 425, 462, 473,<br />

475, 483, 597(4/2,3), 600(9), 604(17,<br />

2,0), 611(5, 8 , 10), 615(6), 628(30),<br />

629(16), 678, 680<br />

Schwarzwaldschule 61-2, 63, 200, 201,<br />

202, 604(20)<br />

Akademie für Musik und darstellende<br />

Kunst 92, 100<br />

Preußische Akademie der Künste 259,<br />

353-4, 607(17/6)<br />

Malkin Conservatory (Boston) 357, 371<br />

University of Southern California 425<br />

University of California (Los Angeles)<br />

425-6<br />

<strong>Webern</strong> über den Lehrer Schönberg 6 6<br />

Vorträge 136..7, 141, 149, 353, 355, 371,<br />

616(5)<br />

Der Dirigent 64, 112, 138, 139, 149, 150,<br />

153-4, 155, 166, 168, 176,211, 213,219,<br />

236, 316, 328, 344, 371, 417, 425, 425-6,<br />

602(9), 685<br />

Der Geiger 214<br />

Der Bratscher 228<br />

Der Maler 96, 125, 128, .139, 140, 600(8/4)<br />

Beziehungen zu <strong>Webern</strong> 52, 74, 88-9, 90,<br />

95, 129, 131, 134..5, 141..2, 164, 198,<br />

204, 259, 462, 473, 538, 600(6),<br />

600-1(12), 603(9), 611(9), 676, 681<br />

Der Förderer <strong>Webern</strong>s 148, 168-9, 224,<br />

227, 229-30, 373..4, 425, 426<br />

B r ie f e a n :<br />

Alter, Georg 217<br />

Berg, Alban 338, 357<br />

Boissevain (holl. Mäzen) 230<br />

Costa, Raffael da 605(25)<br />

Gerhard, .Roberto 354<br />

Hauer, <strong>Josef</strong> Matthias 279<br />

Hentsch, Mme. Renee 230<br />

Hutcheson, Ernest 373..4<br />

Mäzen in Prag 224<br />

705


Peters, C. F. 679<br />

Reinhart, Werner 230<br />

Scherchen, Fiermann 426<br />

Schloss (Vater <strong>von</strong> Julius) 608(18)<br />

Schulhoff, Erwin 6 8 6<br />

Simrock (Verlag) 148<br />

Stransky, <strong>Josef</strong> 227<br />

<strong>Webern</strong>, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> 13, 71, 76, 8 8 , 94,126,<br />

147, 172-3, 182-3, 201, 203, 204, 274,<br />

311, 315, 335, 338, 340, 346, 347, 354,<br />

355, 356, 357, 361, 371-2, 373, 375, 386,<br />

399, 400, 403, 411-2, 417, 425, 447,<br />

473-4, 474, 483, 588, 603(14/3), 614(6),<br />

616(7), 629(16), 636(11), 678<br />

<strong>Webern</strong>, Wilhelmine <strong>von</strong> 160<br />

Weiss, Adolph 426<br />

Zemlinsky, Alexander <strong>von</strong> 194, 217,<br />

603(13/2)<br />

M u s ik a l is c h e W e r k e :<br />

„Alle welche dich suchen“ op. 22, Nr. 2 169,<br />

192<br />

Bearbeitung <strong>von</strong> Bachs Präludium und Fuge<br />

Es-Dur 303, 371, 400, 620(22)<br />

Bearbeitungen <strong>von</strong> Johann Strauß’ Rosen aus<br />

dem Süden und Lagunenwalzer (Eine<br />

Nacht in Venedig) 214, 602(10)<br />

Begleitungsmusik zu einer Lichlspielszene<br />

328, 332, 340, 344, 345, 346,<br />

614(21/2)<br />

Bläserquintett op. 26 236, 264-5, 268,<br />

608(12)<br />

Das Buch der hängenden Gärten 97, 104,<br />

240, 409, 606(2)<br />

Drei Klavierstücke op. 11 97, 136, 210<br />

Drei kleine Stücke für Kammerorchester<br />

599(7/10)<br />

Drei Volksliedsätze 303, 304, 307, 330,<br />

611(3,4)<br />

Erwartung 234, 240, 328, 417, 492,<br />

598(5/4)<br />

Friede auf Erden 8 6 , 8 8 , 236, 271, 273-4,<br />

299, 300, 303, 345, 346, 379, 421<br />

Fünf Orchesterstücke op. 16 114, 123, 138,<br />

141, 143, 150, 166, 175, 178, 211, 371,<br />

600(9/4)<br />

Die glückliche H and 100, 215, 236, 237,<br />

247, 253-4, 607(16)<br />

Gurrelieder 62, 84, 97, 115, 122, 137, 153,<br />

166, 166-7, 169, 194, 200,211,215,219,<br />

229, 328, 588, 601(7), 613(4)<br />

Herzgewächse 139, 140, 271<br />

„Herzlieblich lieb, durch Scheiden“ s. Drei<br />

Volksliedsätze<br />

706<br />

Von heute auf morgen 274, 306, 311, 352<br />

Die Jakobsleiter 199, 214, 216, 237<br />

Kammersymphonie op. 9 76, 92, 123, 154,<br />

155, 158, 194, 202, 213, 227, 229, 242,<br />

254, 316, 463, 602(9)<br />

Kammersymphonie op. 38 483<br />

Konzert für Streichquartett und Orchester<br />

(nach Händel) 356<br />

Moses und A ron 273, 315, 334, 335, 374,<br />

614(6), 615(12)<br />

Pelleas und Melisande 62, 63, 64, 122, 124,<br />

131, 139, 140, 151, 200, 344, 353, 371<br />

Pierrot Lunaire 140, 149, 150, 166, 172,<br />

213, 214, 217, 227, 240, 241, 243, 254,<br />

268, 295, 300, 327, 604(24), 606(27)<br />

„Schein uns, du liebe Sonne“ s. Drei Volksliedsätze<br />

Sechs Orchesterlieder op. 8 99, 117, 125,<br />

165, 316, 602(3)<br />

Serenade op. 24 223, 234, 235, 268, 280<br />

Streichquartett Nr. 1 92,96, 312,600-1(12)<br />

Streichquartett Nr. 2 8 6 , 92, 96, 125, 142,<br />

145, 598(5/4), 600(12), 605(12), 622(20)<br />

Streichquartett Nr. 3 270, 291, 356<br />

Streichquartett Nr. 4 426, 428, 445<br />

Suite op. 29 312<br />

Suite G-Dur 425-6, 622(20)<br />

Thema und Variationen für Blasorchester<br />

op. 43A 622(20)<br />

Verklärte Nacht 62, 63, 304, 306, 316, 344,<br />

371, 425, 600(1)<br />

Violinkonzert 372, 483<br />

Zwei Lieder op. 14 211<br />

S c h r i f t e n :<br />

Harmonielehre 100, 131, 138, 139, 278,<br />

462, 467, 473<br />

Models fo r Beginners 462, 473..4<br />

Style and Idea 279, 353, 616(5), 684<br />

Vorwort zu Friede auf Erden 88<br />

Vorwort zu <strong>Webern</strong>s Sechs Bagatellen op. 9<br />

174, 365, 612(20), 684<br />

Schönberg, Gertrud (geb. Kolisch) 231, 267,<br />

274, 353, 357, 426, 612(14), 637(15).<br />

S. auch Blonda, Max<br />

Schönberg, Georg („Görgi“) 195, 231<br />

Schönberg, Lawrence 629(16)<br />

Schönberg, Mathilde (geb. Zemlinsky) 62,<br />

151-2, 203, 222, 231, 600(12), 601(4)<br />

Brief an Arnold Schönberg 151-2<br />

Schönberg, Trude s. Greissle, Trude<br />

Schoof, Heinrich 379<br />

Schopenhauer, Arthur 41, 138<br />

Schopf, Rudolf 380, 614(4), 617(10)


Schreker, Franz 8 8 , 132, 143, 153, 166-7,<br />

315, 354, 364, 600(11), 604(17), 612(1),<br />

616(14), 684<br />

Schubert, Franz Peter 25, 56-7, 65, 197, 220,<br />

312, 398, 422, 488, 611(1)<br />

Die Allmacht 33<br />

A u f dem Strom (bearb. <strong>von</strong> Hermann<br />

Scherchen) 501<br />

Forellenquintett 197<br />

Der Gondelfahrer 264<br />

Der häusliche Krieg 236<br />

Messe Es-Dur 228, 232, 605(19)<br />

Mirjams Siegesgesang 264<br />

Nachtgesang im Walde 264<br />

Rosamunde-BaÜQttmusik 328<br />

Rosamunde-Ouvertüre 362<br />

Streichquartett d-Moll 197<br />

Streichquartett a-Moll 197, 447<br />

Symphonie Nr. 4 (Tragische) 375<br />

Symphonie Nr. 5 313<br />

Symphonie C-Dur 47, 226, 362<br />

Trinklied. 264<br />

Unvollendete Symphonie 226, 344, 349,<br />

360, 405, 538<br />

Schubertbund s. unter Wien<br />

Schuch, Ernst <strong>von</strong> 46<br />

Schüler, Johannes 329<br />

Schulhoff, Erwin 316, 6 8 6<br />

Schulz-Dornburg, Rudolf 605(14)<br />

Schumann, Robert 220, 261, 465<br />

Faust 194<br />

Frauenliebe und Leben 217<br />

Manfred- Biihnenmusik 9 8<br />

Manfred-Ouvertüre 323<br />

Symphonie Nr. 2 323<br />

Symphonie Nr. 4 47<br />

Schumann-Heink, Ernestine 40<br />

Schütz, Franz 349<br />

Schwabegg 20, 21, 24, 26,112, 168, 179,182,<br />

209, 244, 273, 382, 383, 390, 393, 443, 444,<br />

498<br />

Schwarz, Rudolf 633(6), 670<br />

Brief an „Hildegard Jone“ 633(6)<br />

W e r k : Vom Bau der Kirche 670<br />

Schwarzmann, Norbert 233, 242, 272, 361<br />

Brief an Arnold Schönberg 274<br />

Schwarzwald, Eugenie 61, 62<br />

Schwarzwaldschule s. unter Wien<br />

Schweizerische M usikzeitung 350<br />

Schwerin 276, 292,<br />

Schwind, Moritz <strong>von</strong> 6 8<br />

„Des Knaben Wunderhorn“ 6 8<br />

Scott, Cyril 604(12.)<br />

Searle, Humphrey 457, 466-7, 471-2,<br />

628(26, 27, 28, 29), 631(4)<br />

Put away the Flutes 628(26)<br />

Symphony No. 5 628(26)<br />

Seattle (Washington) 637(15)<br />

Segantini, Giovanni 40, 65-6,68,75,597(4/5;<br />

5/3)<br />

„Alpenlandschaft“ 75<br />

„Werden-Sein-Vergehen“ 75<br />

Seligmann, Milton 305,611(8)<br />

Seligmann, Walter 604(11)<br />

Semmering 152-4, 275<br />

Serielle Musik s. Dodekaphonie<br />

Serkin, Rudolf 206, 210<br />

Sevitsky, Fabien 110<br />

Shakespeare, William 392<br />

Sieben, Wilhelm Ludwig 359<br />

Siena 276,292<br />

Simon, Eric 420, 42.7<br />

Simrock (Musikverlag) 148<br />

Singer, Dr. (Arzt) 347, 615(11)<br />

Singverein .s. unter Wien<br />

Skrjabin, Alexander 103, 208, 277, 604(12)<br />

Klaviersonate Nr. 4 206<br />

Klaviersonate Nr. 7 206<br />

Prometheus 140<br />

Reverie 47<br />

Skudnigg, Georg 405<br />

Slonimsky, Nicolas 428, 603(12/3), 604(6)<br />

Smallens, Alexander 295, 609(16)<br />

Sommer, Hans (Hans Zincke) 33<br />

Spinner, Leopold 359, 396<br />

Spira, Emil 360, 459, 461, 627(22)<br />

Spohr, Louis 33<br />

Sprechstimme 172<br />

Springer, Hermann 292, 609(14)<br />

Squire, Haddon 330<br />

Stadien, Peter 428, 429, 440, 44!..2, 471,<br />

622(25, 26), 624(5, 8 )<br />

Stäuber, Paul 128<br />

Stefan, Paul 95, 143, 233, 274, 316, 326, 334,<br />

342, 418<br />

Stein, Elsie 312<br />

Stein, Erwin 63, 79, 84, 127, 128, 132, 138,<br />

146, 148, 158, 165, 166, 167, 168,170,184,<br />

191, 200, 205, 213, 214, 217, 274, 275, 277,<br />

280, 290, 302, 313, 326-7, 359, 361, 403,<br />

417, 447, 448, 449, 457, 465, 470, 471, 472,<br />

475, 600(9), 602(7), 604(6, 20), 624(12),<br />

624-5(13), 625(14, 15), 669<br />

Briefe an <strong>Webern</strong> 448, 449, 457, 465, 471,<br />

472, 624(12)<br />

Stein, Leonard 604(6)<br />

707


Steinbauer, Othmar 214, 490<br />

Steinberg, William (Wilhelm) 306<br />

Steiner, Adolf 605(18)<br />

„Stendhal“ (Marie Henry Beyle) 169<br />

Stern’sches Konservatorium s. unter Berlin<br />

Stettin 141, 142, 144, 145-52, 157, 160, 161,<br />

163, 168, 169, 170, 171, 175, 190<br />

Steuermann, Eduard 85, 106, 116, 138, 144,<br />

164, 172, 205, 206, 210, 213, 214, 217, 227,<br />

228, 229, 257, 261, 268, 271, 275, 302, 307,<br />

311, 312, 313, 316, 325, 328, 329, 330, 331,<br />

341, 344, 358, 359, 362, 364, 379, 386, 407,<br />

408, 409, 418, 430, 441, 452, 459, 465,<br />

482, 483, 604(6, 15), 621(1, 2), 625(15),<br />

629(12), 684<br />

Brief an <strong>Webern</strong> 330<br />

Steuermann, Hilda 313<br />

Stiedry, Fritz 236, 351<br />

Stiegler-Quartett 264<br />

Stockhausen, Karlheinz 396, 636(13)<br />

Stoessel, Albert 607(12)<br />

Stokowski, Leopold 267, 269, 275, 465, 483,<br />

609(16)<br />

Storm, Theodor, „Dämmerstunde“ 54<br />

Stössinger, Felix 408<br />

Stransky, <strong>Josef</strong> 227<br />

Straßburg 489<br />

Strässer, Ewald 604(12)<br />

Strasser, Stefan 270<br />

Straus, Oscar 602(9)<br />

Ein Walzertraum 98, 145, 147<br />

Strauß, Johann (jr.) 146, 214, 261, 262, 460,<br />

490<br />

Art der schönen blauen Donau 232,236, 317<br />

Die Fledermaus 98, 126, 140<br />

G ’schichten aus dem Wienerwald 304, 328<br />

Eine Nacht in Venedig 146,214<br />

Rosen aus dem Süden 214, 328<br />

Wein, Weib und Gesang 2 .14<br />

Der Zigeunerbaron 126<br />

Strauss, Richard 27, 30, 61, 63, 84, 91, 92,<br />

121, 125, 132, 134, 165, 208, 220, 233, 258,<br />

261, 277, 352, 460, 462, 493, 519, 600(7),<br />

601(5), 616(3)<br />

Eine Alpensinfonie 194<br />

A lso sprach Zarathustra 277<br />

Ariadne auf Naxos 149, 601(5)<br />

A us Italien 46<br />

Don Juan 30<br />

„Du meines Herzens Krönelein“ 34<br />

Elektra 92<br />

Fanfaren 2,69, 608(9)<br />

Festliches Präludium 165<br />

708<br />

Der Rosenkavalier 119, 125, 134, 214<br />

Salome 627(20)<br />

Die schweigsame Frau 616(3)<br />

Tod und Verklärung 46<br />

Traum durch die Dämmerung 30<br />

Strawinsky, Igor, 106, 208, 230, 427, 460,<br />

604(12), 609(6), 620(24), 622(25), 633(17),<br />

636-7(13), 682<br />

Berceuses du chat 208<br />

Der Feuervogel 119<br />

L ’PIistoire du soldat 622(26)<br />

Les Noces 295<br />

Petruschka 609(6)<br />

Pribaoutki 208<br />

Le Sacre du printemps 154<br />

Strindberg, August 96, 100, 138, 150, 158,<br />

161, 239, 601(15)<br />

Ein Blaubuch 96, 241<br />

Nach Damaskus 168<br />

Frau Margit 168<br />

Fröhliche Weihnacht 158<br />

Gespenstersonate 96, 168, 528<br />

Das rote Zim m er 96<br />

Schwarze Fahnen 96<br />

Totentanz 601(15)<br />

Ein Traumspiel 96<br />

Strobel, Heinrich 291<br />

Stuckenschmidt, Hans Heinz 231<br />

Studer, Hans .501<br />

Stumpp, Emil 96, 505, 507, 630(21)<br />

Stunde, Die (Wien) 326, 334<br />

Stutschewsky, Joachim 364<br />

Stuttgarter Madrigal-Vereinigung 87, 275<br />

Suddaby, Elsie 358<br />

Suk, <strong>Josef</strong> 143, 208, 604(12)<br />

Sunday Times, The (London) 457, 471<br />

Swarowsky, Hans 214..5, 422<br />

Swedenborg, Emanuel 161, 169, 179, 182,<br />

183, 603(12/5)<br />

Vera religio 179-80<br />

Szell, Georg 220, 408<br />

Szymanowski, Karol 208, 224, 609(9)<br />

Tag, Der (Wien) 274<br />

Tempo 448,449<br />

Teplitz s. Bad Teplitz<br />

Theater in der <strong>Josef</strong>stadt s. unter Wien<br />

Thoreau, Henry David 169, 319<br />

Waiden 319<br />

Tiessen, Heinz 292, 352<br />

Vorspiel zu einem Revolutionsdrama 313<br />

Tillson, Rex 106<br />

Times, The (London) 456


Tischer, Gerhard 135, 140<br />

Tizian 70<br />

Tolstoi, Leo 169,310<br />

Topitz, <strong>Anton</strong> Maria 316<br />

Torpadie, Greta 106<br />

Toscanini, Arturo 313, 352, 417, 421, 422,<br />

616(2)<br />

Trakl, Georg 235, 241, 249, 250, 428, 606(3)<br />

Traunkirchen 216, 224, 225, 226, 227, 229,<br />

244, 254, 279<br />

Travnicek, <strong>Josef</strong> 205, 206, 215<br />

Troppau 94<br />

Tschaikowsky, Piotr Iljitsch 465<br />

.Symphonie Nr. 5 270<br />

Turm, Der 584, 608(15)<br />

Ubell, Hermann 32<br />

U.E. s. Universal Edition<br />

Uhland, Ludwig 57<br />

„Siegfrieds Schwert“ 57<br />

Universal Edition (U.E.) Wien 63, 85, 87,<br />

106, 109, 110, 113, 116,117,118,125,138,<br />

169, 174, 178, 186, 211, 212, 223, 227, 230,<br />

235, 237, 242, 243, 246, 248, 254, 258, 266,<br />

269, 275, 2/76, 284, 285, 286-7, 288, 289,<br />

290, 292, 294, 314, 330, 345, 359, 376, 377,<br />

385, 389, 396, 398,399,400, 401,413,429,<br />

438, 441, 447, 448, 454, 471, 475, 482, 485,<br />

486, 487, 491, 495, 499, 501, 502, 503, 512,<br />

517, 518, 519, 520, 523, 526, 532, 535, 54-0,<br />

541, 550, 560, 582-3, 585, 586, 588,<br />

607(16/7), 609(9), 614(22/3), 618(2),<br />

619(19), 624(8, 12), 624-5(13), 633(4)<br />

Uttendorf 424, 440, 443<br />

Varese, Edgar 609(6)<br />

Venedig 489, 620(5)<br />

Verdi, Giuseppe 164, 462<br />

Der Troubadour 152<br />

Verein für Kunst und Kultur s. unter Wien<br />

Verein für musikalische Privataufführungen<br />

85, 106, 109, 114, 116, 176, 178, 186,<br />

202, 204-9, 210-8, 219, 231, 242, 253, 316,<br />

329, 409, 460, 542, 603(12/1), 604(6,7,11),<br />

605(1), 685<br />

Ziele 204-5,218<br />

Satzungen 205, 604(4)<br />

Aufführungsgrundsätze 205-6<br />

Verwaltung 205, 213<br />

Schönbergs Führungsrolle 205, 217<br />

Musikalische Leiter 205-6<br />

Interpreten 206,604(11)<br />

Mitgliedschaft 217-8<br />

Aufgeführte Komponisten 206, 208<br />

Mitteilungen 114, 116, 206, 208, 215, 253,<br />

604(10, 11)<br />

Erste Saison 206, 208<br />

Zweite Saison 210-1<br />

Dritte Saison 212<br />

Vierte Saison 215, 217<br />

Propaganda-Abende 106, 207, 208, 214<br />

Programme 206-8, 210-1, 214, 217,<br />

603(12/1)<br />

Kammermusikwettbewerb 215<br />

Der Verein in Prag 178, 210-1, 217<br />

Verein für Neue Musik s. Internationale Gesellschaft<br />

für Neue Musik: Wien<br />

Vereinigung schaffender Tonkünstler s. Wien<br />

Vernon, Ashley .s. Manschinger, Kurt<br />

Vlad, Roman 396<br />

Vogel, Wladimir 408<br />

Vogt, Augustus Stephen 607(12)<br />

Volbach, Fritz 220<br />

Volksoper s. unter Wien<br />

Vordernberg 75, 270, 273, 458, 474. S. auch<br />

Diez, Ernst<br />

Vossische Zeitung (Berlin) 330<br />

Wagner, Erika 206<br />

Wagner, Otto 277, 608(1)<br />

Wagner, Richard 27, 33,39-40,41,44,47,53,<br />

65, 127, 138, 463, 467, 605(3), 605-6(23)<br />

Eine Faustouvertüre 47, 344<br />

Der fliegende Holländer 39-40, 44, 149<br />

Götterdämmerung 33, 36, 44<br />

Lohengrin 25, 28, 199<br />

Die Meistersinger <strong>von</strong> Nürnberg 44, 46, 69,<br />

91<br />

Meistersinger-Vorspiel 226, 271<br />

Parsifal 39, 40, 160, 166, 199<br />

Das Rheingold 30<br />

Der Ring des Nibelungen 44<br />

Siegfried. 30<br />

Siegfried-Idyll 226<br />

Tannhäuser 44, 149, 596(3/3)<br />

Tristan und Isolde 34, 44, 46<br />

Wagner, Siegfried 43<br />

Wagner-Regeny, Rudolf 475, 485, 486,<br />

62,0(2)<br />

Walker, Edyth 33, 36, 44<br />

Waller, Amalie („Mali“, geb. <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> -<br />

Tochter) 12,7, 135, 144, 154, 161, 188, 210,<br />

270, 286, 307-8, 319-20, 321, 322, 331,<br />

347, 358, 366, 376, 384, 406-7, 411, 423-4,<br />

437, 437-8, 443, 474, 494, 527, 534, 539,<br />

546, 551, 552, 553, 554, 555, 558, 560, 565,<br />

709


574, 575, 578, 580, 582, 587, 588, 589,<br />

614(12), 625-6(6), 635(34/7; 35/1),<br />

637(15)<br />

Waller, Christian (Enkel) 534, 633(1)<br />

Waller, Gunter (Schwiegersohn) 406-7, 423,<br />

453, 475, 546, 553, 555, 559-60, 572, 573,<br />

582<br />

Waller, Michael (Enkel) 444, 474, 555<br />

Walter, Bruno 132, 136, 137, 143, 261, 349,<br />

351,418<br />

Wangler (Flötist) 271<br />

Warschau 472<br />

Warto, Otto (Schwager) 209, 634(14)<br />

Warto, Rosa (geb. <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> - Schwester)<br />

24, 25, 26, 48, 60, 125, 143, 152,165,<br />

191, 209, 273, 319, 344, 498, 539, 540-1,<br />

596(1/1), 601(14), 634(14)<br />

Washbourne s. Kathleen Washbourne Trio<br />

Webenau, Wilma <strong>von</strong> 79, 84<br />

Weber, Carl Maria <strong>von</strong> 29, 44, 605(3)<br />

Euryanthe 46<br />

Der Freischütz 215<br />

Konzertstück 47, 255, 271, 316<br />

<strong>Webern</strong>, Amalie <strong>von</strong> (geb. Geer - Mutter) 21,<br />

24, 25, 48, 60,71-2,112,12.4,127,142,161,<br />

168, 171, 179, 184, 229, 244, 273, 390, 498,<br />

Briefe an <strong>Webern</strong> 184<br />

<strong>Webern</strong>, Amalie <strong>von</strong> (Tochter) s. Waller,<br />

Amalie<br />

W E B E R N , A nton F r i e d r i c h W ilhelm <strong>von</strong><br />

LEBEN<br />

Vorfahren 15..22<br />

Geburt 24<br />

Bildungsgang<br />

Grundschule 24<br />

Gymnasium 24-5, 33, 35, 37, 38, 39, 52<br />

Universität 41-2, 47, 56, 62, 64, 6 8 , 69..71,<br />

75-6, 277, 401, 468<br />

Musikalische Ausbildung<br />

auf dem Gymnasium 25<br />

Klavier 25, 27, 29, 42<br />

Cello 25, 27, 28, 29, 42, 596(2/2)<br />

Theorie 27<br />

bei Schönberg 63, 65, 74, 76, 79-80, 84,<br />

88-9, 90, 95, 462<br />

s. auch Bildungsgang - Universität<br />

Dissertation 70, 71, 73-4, 117, 24-8, 597(5/1).<br />

s. auch Isaac, Heinrich: Choralis Co ns tantinus<br />

710<br />

Berufliche Ambitionen 34-5, 40-1, 61, 90-1,<br />

212<br />

als Cellist 109<br />

Kammermusik 25, 29, 185, 188, 192, 196,<br />

214, 226, 239, 252, 597(5/2)<br />

Orchesterspiel 27, 28, 185<br />

Der Pianist 29, 36, 84, 97, 116, 135-6, 137,<br />

139, 145, 165, 193, 199, 200, 261, 381, 412,<br />

422-3, 600(9/4), 622(25)<br />

Ehe 124, 194<br />

Der Dirigent 84-5, 90-1, 93, 94, 97, 98-9,<br />

110, 115, 121-2, 125-6, 127, 128, 130, 134,<br />

140, 141, 146, 147, 148, 150, 152, 161, 178,<br />

199, 202, 211, 221, 222, 223, 226-7, 228,<br />

232, 236, 246, 256, 262, 263-4, 267, 268,<br />

269, 270, 271, 272, 274, 275, 295, 299, 300,<br />

302, 303, 304-8, 311, 312, 313, 316, 317,<br />

323, 324, 341, 342, 343, 344, 345-6, 349,<br />

357-8, 358, 359, 360, 362, 369, 375, 379,<br />

384, 401, 405, 406, 409, 415, 417-23, 459,<br />

477, 478, 573, 608(9), 611(2.), 677<br />

Programme 126, 146-7, 148, 151,152,199,<br />

211, 212, 219-20, 220, 226, 229, 232,<br />

236, 243, 246, 255, 262, 264, 264-5, 267,<br />

268, 269, 270, 300, 302, 303, 304, 305,<br />

306, 307, 311, 312, 313, 314, 323, 328,<br />

332, 340, 341, 342, 344, 345, 346, 349,<br />

360, 362, 405, 415<br />

Schallplattenaufnahmen 330, 349,<br />

399-400, 614(4), 615(15), 621(14)<br />

Probentechnik 256, 323, 420-1, 601-2(8)<br />

Kritiken 98-9, 126, 255, 263, 268, 270,<br />

274, 299-300, 303, 328, 333..4, 344,<br />

345..6, 360, 362<br />

Österreichischer Rundfunk (Ravag) 269, 271,<br />

274, 300, 302, 304, 312, 315, 316, 332, 342,<br />

360, 363, 379, 401, 406, 454, 475, 573,<br />

611(2)<br />

Programme 269, 271, 302, 303, 307, 314,<br />

316, 317, 323, 328, 340, 345, 349, 359,<br />

360, 362, 369, 406<br />

Als Vortragsmeister (Verein für musikalische<br />

Privataufführungen) 205, 209, 213, 214,<br />

217<br />

Kriegsdienst<br />

Erster Weltkrieg 189, 190, 190-4, 194-7,<br />

239, 240, 249, 252, 454, 603(13/5)<br />

Zweiter Weltkrieg 485, 536-7, 538,<br />

539-40, 567, 633(4)<br />

Konzertreisen 304-7, 307-8, 311, 328-9,<br />

349, 358-9, 375, 398, 405-6, 415, 436,<br />

476-7, 515, 516, 527, 534-5<br />

Programme 304, 305, 306, 328, 349, 358,


375, 405-6, 415<br />

Der Lehrer 260-1, 339-40, 380-1, 460-8,<br />

490-1, 492-3, 519, 567, 674, 677, 680, 684,<br />

688<br />

Privatschüler 80, 94, 214-5, 232, 258-9,<br />

260, 269, 272, 311, 340, 342, 359, 360,<br />

376, 381, 397, 405, 408, 409, 412, 429,<br />

459-60, 460-8, 472-3, 477, 482, 489,<br />

490, 495, 504, 537, 540, 542, 550, 567,<br />

583, 614(22/3), 617(24/1), 627(12, 15,<br />

19, 21), 627-8(22), 628(23, 24, 25, 26,<br />

30), 631(4), 636-7(13), 674<br />

Schwarzwaldschule 202, 422-3<br />

Isrealitisches Blindeninstitut 259-61, 262,<br />

273, 311, 337, 380, 623(35)<br />

Schönberg über den Lehrer <strong>Webern</strong> 373-4,<br />

460<br />

Vorträge 76-7, 102-3, 103..4, 174, 290,<br />

295-6, 316, 330, 338-40, 353, 357, 380-1,<br />

392, 397, 405, 409, 429, 459, 490, 495, 540,<br />

550, 614(22/3), 617(10), 627(20), 675, 676,<br />

678, 683, 687<br />

Lektor der Universal Edition 475, 487, 540<br />

Beziehungen zu Berg 64, 125, 198, 366, 367,<br />

597(9), 675, 676<br />

Beziehungen zu Schönberg 32, 74, 80, 88-9,<br />

90, 95, 129, 131, 134, 135, 224, 227, 230,<br />

259, 373, 374, 425, 462, 473, 538, 600(9/5),<br />

600-1(12), 603(9), 611(9), 676, 681<br />

Krankheiten 137, 146, 150, 151, 152, 153,<br />

154, 157, 160-3, 166, 175..6 , 179, 192,226,<br />

247, 274, 275, 299, 323, 332, 334..5, 335,<br />

340, 342, 344, 346-8, 357, 382, 387, 415,<br />

498, 535, 558-9, 562, 573<br />

Psychoanalyse 160-3, 176, 179<br />

Persönlichkeit 27, 30, 32, 33, 59, 8 8 , 94, 163,<br />

180, 203-4, 209, 235-6, 261-2, 320, 415-6,<br />

454..5, 483, 488, 491-2, 492, 494, 496-7,<br />

504, 535, 540, 552, 562, 597(3/3), 600(8,<br />

11), 611(9), 622(25)<br />

Handschrift 25, 32.<br />

Naturverehrung 62, 67-8, 99, 130, 142,<br />

143, 147, 158, 165, 169-70, 180, 183,<br />

209, 211-2, 216, 224, 230-1, 235-6, 240,<br />

243, 246, 257, 267, 269, 270, 272, 273,<br />

286, 287, 302, 314-5, 331, 332, 345, 347,<br />

348, 360-1, 361, 377-8, 383, 390, 397,<br />

407, 424, 429, 437, 444, 458, 462, 466,<br />

475, 496-8, 522, 539, 571, 572,<br />

607(16/5), 613(3)<br />

Religiosität 173, 179, 197, 32.2<br />

Der Familienvater 179, 231, 319-20, 494-5,<br />

534, 605-6(23)<br />

Politische und rassistische Einstellung 43,<br />

189-90, 191, 195-6, 255, 373, 379,<br />

430-1, 452, 453-5, 458-9, 470, 471, 472,<br />

478-82, 483, 502, 504, 563<br />

Gedanken an Emigration 370, 455, 476,<br />

538, 585<br />

Musikalische und literarische Neigungen 27,<br />

33, 158, 168, 422, 462-3, 465, 488, 571<br />

Der Komponist<br />

Ästhetisches und technisches Verhalten 50,<br />

52, 74, 81-2, 84, 106, 108,115, 171,259,<br />

2.89-90, 284, 296, 382-3, 389, 493, 442,<br />

463, 466, 467, 472, 493, 511, 517, 522,<br />

526-7, 565, 617(25/1). .s. auch Aphoristischer<br />

Stil; Atonalität; Dodekaphonie;<br />

Klangfarbenmelodie; Pointillismus;<br />

Sprechstimme<br />

Skizzenbücher 283, 331, 466, 501, 609(8)<br />

Nr. 1 283, 284, 285, 287, 588, 609(8)<br />

Nr. 2 287, 288, 289, 290, 292-3, 382,<br />

384, 609(10)<br />

Nr. 3 348, 384, 385, 386, 387, 388, 390,<br />

393, 395, 397, 609(10)<br />

Nr. 4 397, 401, 434, 436, 437, 439, 440,<br />

443, 444, 445, 447, 449<br />

Nr. 5 447, 508, 510, 511, 512, 514, 517,<br />

521, 523, 524, 525, 526<br />

Nr. 6 521, 527, 530, 539, 565, 566, 567,<br />

568, 569, 609(10), 635(35/6)<br />

Kritiken 79-80, 84-5, 108, 126, 128, 225,<br />

227-8, 234-5, 242, 265, 291-2, 312, 324,<br />

326-7, 329-30, 386, 399, 408, 426..7,<br />

430, 450, 456-7, 458, 471, 504, 508, 510,<br />

602(10/9), 608..9(6), 609-10(16), 631 (4)<br />

B r ie f e a n :<br />

Adler, Guido 258, 607(4)<br />

Bach, David <strong>Josef</strong> 380, 405, 407, 408,<br />

414..5, 437, 471, 475, 614(5), 629(9)<br />

Berg, Alban 98, 108, 113, 116, 122, 123,<br />

125..6 , 126..7, 128, 132, 135, 136, 137,<br />

138-9, 141, 143, 146, 147, 148, 149, 150,<br />

152, 153, 156, 157, 158, 160, 171, 172,<br />

174, 191, 192, 198, 199, 200, 202, 208,<br />

209, 211, 212, 222, 223, 224, 225, 226,<br />

235, 236, 240, 241, 242-3, 243, 244, 246,<br />

247, 252, 254, 260, 267, 286, 287, 288,<br />

289, 293, 294, 296, 319, 330, 344, 364,<br />

366, 367, 369, 375, 383, 384, 385, 388-9,<br />

394-5, 397, 399, 414, 599(8, 10, 12),<br />

601-2(8), 603(13/3), 604(24), 607(16/5),<br />

608(16), 610(20), 616(18), 617(19)<br />

Coolidge, Elizabeth Sprague 624(11)<br />

711


Diez, Ernst 28-30, 34-6, 41-2, 43-5, 46,<br />

47, 52, 55, 91, 96, 102, 370<br />

Eisler, Hanns 303,687<br />

Gerhard, Roberto 362, 370, 615(6, 7), 687<br />

Hartmann, Karl Amadeus 534, 569, 681,<br />

687<br />

Herlinger, Ruzena 412<br />

Hertzka, Emil 118-9, 267, 276, 280-1, 282,<br />

286, 603(13/3)<br />

Hertzka, Yella 376, 617(5, 8)<br />

Horwitz, Karl 132<br />

Hueber, <strong>Josef</strong> 361, 377, 407, 427, 478,<br />

479-81, 485, 486, 489, 490, 497-8, 500,<br />

501, 502, 517-8, 518, 521, 522, 526,<br />

526-7, 537-8, 610-1(1)<br />

Humpelstetter, Hans 481, 504-5, 540, 543,<br />

549-50, 569<br />

<strong>Humplik</strong>, <strong>Josef</strong> 110, 243, 317, 375, 388,<br />

441, 607(8)<br />

<strong>Humplik</strong>, <strong>Josef</strong> und Hildegard 309, 315,<br />

315-6, 345, 359, 360, 361, 375, 411, 428,<br />

434, 440, 445, 455-6, 486, 500, 514, 522,<br />

525, 526, 527, 538, 539, 567, 607(8),<br />

634(14), 635(11; 35/6), 687. .v. auchBriefe<br />

an <strong>Humplik</strong> <strong>Josef</strong>; Jone, Hildegard<br />

Jalowetz, Heinrich 226-7, 605(13, 14)<br />

Jone, Hildegard 309-10, 379, 387, 387..8 ,<br />

388, 392, 395, 397, 398, 401, 406, 436,<br />

437, 439, 44-0, 443, 444, 445, 458, 476,<br />

495, 502, 508, 510, 511..2, 515, 517, 518,<br />

521, 522, 524, 526, 527, 528, 531, 532,<br />

537, 539-40, 541, 542, 543, 566, 567,<br />

568, 607(8), 612(17, 20), 630(20),<br />

632(8), 634(8, 10). s. auch Briefe an <strong>Josef</strong><br />

und Hildegard Hurnplik<br />

Kolisch, Rudolf 233, 291, 446..7, 624(11)<br />

Königer, Paul 28, 136, 137, 140, 141, 142,<br />

151, 152, 596(5), 597(5/2)<br />

Krasner, Louis 443<br />

Krenek, Ernst 366<br />

Loos, Adolf 678<br />

Mäzen in Prag 605(8)<br />

Oppenheimer, Max 96<br />

Pisk, Paul A. 617(24/2)<br />

Polnauer, <strong>Josef</strong> 348, 407, 415, 427, 429,<br />

440, 442, 447, 459, 496, 514, 515, 522,<br />

629(13)<br />

Rederer, Franz 403, 406, 410, 471,620(23)<br />

Reich, Willi 106, 110,186,445-6,455,456,<br />

457, 458, 460, 471, 472, 475, 476, 477,<br />

478, 483,, 485, 486, 489, 489-90, 490,<br />

499, 501, 502-3, 503-4, 512-538 passim,<br />

566, 568, 614(22/3), 629(10), 632(9)<br />

712<br />

Reis, Mrs. Claire R. 295, 687<br />

Riemerschmid, Werner 634(11)<br />

Robert, George 459, 473, 477<br />

Ruyneman, Daniel 607(14), 682<br />

Sanders, Paul F. 317, 687<br />

Scherchen, Hermann 402, 438, 456, 458,<br />

603(13/3), 620(21), 626(9)<br />

Schlee, Alfred 486<br />

Schloss, Julius 362<br />

Schönberg, Arnold 62, 71, 88-9, 90-105<br />

passim, 108-134 passim, 140-163 passim,<br />

165-179 passim, 182-203 passim, 215,<br />

217, 2.19, 227, 229, 230, 239, 240, 241,<br />

244, 246-7, 247, 252, 253-4, 254, 262,<br />

263-4, 264-5, 268, 268-9, 271,272, 273,<br />

274, 275, 287, 288, 290, 291, 292, 293,<br />

294, 300, 300-1, 302, 303, 304, 305-6,<br />

306, 307, 308, 311, 312, 313, 314, 315,<br />

316, 317, 320, 328-364 passim, 373, 374,<br />

379, 382, 383, 385, 392, 393, 395, 399,<br />

400, 455, 457, 470, 473-4, 483, 600(8/4),<br />

601(1), 607(9)<br />

Schreker, Maria 687<br />

Schulhoff, Erwin 6 8 6<br />

Slonimsky, Nicolas 428, 603(12/3)<br />

Stein, Erwin 132, 448-9, 449, 457-8, 470,<br />

475, 624-5(13), 625(14, 15), 669<br />

Steuermann, Eduard 483<br />

Tischer, Gerhard 140<br />

Warto, Otto 634(14)<br />

Warto, Rosa 125,319,344,539,540-1,<br />

634(14)<br />

<strong>Webern</strong>, Fiermine <strong>von</strong> 553, 559, 572..3,<br />

587, 630(13), 653(1.1)<br />

<strong>Webern</strong>, Peter <strong>von</strong> 630(13)<br />

<strong>Webern</strong>, Wilhclrnine <strong>von</strong> 69..71, 124, 588,<br />

599(8/2)<br />

Weiss, Adolph 318-9, 341, 342, 370..1,<br />

384, 614(11), 618(2)<br />

Zemlinsky, Alexander <strong>von</strong> 93, 144, 157,<br />

193, 195, 210, 212, 236, 254, 604(24)<br />

Zenk, Ludwig 94, 270, 322, 407, 421-2,<br />

424, 439, 491, 502, 524-5, 528, 534, 536,<br />

536..7, 539, 540, 544, 550, 634(14),<br />

635(11)<br />

Zenk, Therese 359<br />

Tagebücher und Aufzeichnungen 30-55' passim,<br />

58, 67, 6 8 , 70, 75, 85, 87,106,110,113,<br />

197, 201, 204, 206, 210, 211,212, 217, 222,<br />

229, 231, 232, 233, 235, 237, 240, 291, 293,<br />

294, 296, 298, 299, 304, 305, 306, 307, 308,<br />

312, 313, 314, 315, 316, 317, 318, 320, 321,


324, 328-9, 330, 331, 337, 348, 384, 385,<br />

390, 398, 416, 420, 429, 437, 444, 448, 455,<br />

474, 494, 510, 512,517, 526, 527, 531, 534,<br />

539, 562-5, 566, 582, 604(5), 606(25)<br />

Gedichte und Bühnenstück Tot 54-6, 6 8 , 164,<br />

172, 176, 179-83, 183, 184, 249, 602(1),<br />

603(12/6), 667<br />

Prosaschriften 82, 112-3, 129-30, 135, 137,<br />

139, 140, 237, 316, 317, 330, 339-40, 365,<br />

374, 377, 448-9, 450, 519-20, 598(5/8),<br />

605(19), 625(16), 667, 669-72, 677, 683,<br />

685<br />

Tod 576-81, 681<br />

Nachlaß 588-9<br />

Bibliothek 25, 53, 58, 80, 114, 169, 224, 251,<br />

282, 319, 52/7, 556, 573, 599(1), 601(15),<br />

602(11/9)<br />

Ikonographie 96, 165, 308, 365, 375, 505-6,<br />

558, 588, 602(2), 611(13, 14), 612(14),<br />

614(7), 616(16), 630(20), 631(23), 636(9)<br />

Verzeichnisse eigener Werke 105, 284, 541,<br />

599(17), 634(7)<br />

W E R K E<br />

V e r ö f f e n t l ic h t e W e r k e :<br />

(* -= unveröffentlichte Bearbeitung)<br />

Op. 1 Passacaglia für Orchester 80, 81-5, 8 8 ,<br />

91, 102, 125, 130, 142, 148, 171, 212, 222,<br />

223, 22/7..8 , 229, 230, 267, 269, 307, 312,<br />

330, 344, 405, 475, 476, 477, 489, 499, 538,<br />

585, 598(5/8, 9), 605(5, 14), 609(16),<br />

629(9), 645, 685; »Bearbeitung 85, 106,<br />

208, 209, 253, 664<br />

Op. 2 „Entflieht auf leichten Kähnen“ 80,86,89,<br />

102, 167, 208, 212, 267, 275, 288, 359, 364,<br />

645, 681; «Bearbeitung 8 6 , 8 8 , 167, 184,<br />

253, 664<br />

Op. 3 Fünf Lieder aus Der siebente Ring <strong>von</strong><br />

Stefan George 104, 105, 106,107, 108,208,<br />

212, 257, 364, 379, 398, 503, 598(7/3),<br />

604(7, 24), 607(14), 645, 675 (I: 272, 325,<br />

476; II: 325; V: 272, 325, 476)<br />

Op. 4 Fünf Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Stefan<br />

George 104, 105, 106, 140, 230, 240, 364,<br />

377, 503, 521, 598-9(7/3), 607(14), 645,<br />

675 (I: 325, 476; IV: 257, 476; V: 140)<br />

Op. 5 Fünf Sätze für Streichquartett 79,93, 94,<br />

106, 108-9, 110, 114, 121, 128, 130, 140,<br />

142, 148, 171, 172, 173, 208, 224-5, 228,<br />

230, 231, 233, 244, 266, 294, 313, 325, 344,<br />

363, 364, 369, 379, 419, 428, 445, 458, 476,<br />

501, 645, 675, 682, 683 (IV: 676); Bearbeitung<br />

109-10, 273, 293, 299, 313, 327, 328,<br />

329, 382, 383, 471, 472, 535, 538, 625(13),<br />

664<br />

Op. 6 Sechs Stücke für großes Orchester (ursprüngliche<br />

Fassung) 71, 94, 112-3, 114-5,<br />

130, 135, 142, 153-4-, 165, 169, 171, 190,<br />

212, 231, 585, 599(7/10, 11, 12, 14, 16),<br />

605(14), 645-6, 679, 681; »Bearbeitung<br />

114, 208, 253, 664<br />

Op. 6 Sechs Stücke für Orchester (zweite Fassung)<br />

113, 273, 293, 344, 359, 382, 405,<br />

501, 535, 599(14), 646, 676, 677, 681, 685<br />

Op. 7 Vier Stücke für Geige und Klavier 99,<br />

105, 115-6, 119, 128, 130, 135, 140, 143,<br />

144, 145-6, 148, 169, 171, 173, 186, 208,<br />

213, 214, 230, 231, 233, 305, 314, 325, 364,<br />

419, 428, 458, 476, .503, 586, 646<br />

Op. 8 Zwei Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Rainer<br />

Maria Rilke 99, 100-1, 116, 117-9, 171,<br />

184, 646; »Bearbeitung 118, 664<br />

Op. 9 Sechs Bagatellen für Streichquartett<br />

108, 130, 171, 173, 174, 208, 234, 235,<br />

266, 275, 279, 325, 363, 364, 419, 589,<br />

603(12/1), 612(20), 630(18), 646, 674, 684<br />

(I: 679, 682; V: 683)<br />

II. Streichquartett 171, 172, 173, 1/75<br />

Drei Stücke für Streichquartett 158, 171,<br />

172, 173, 175. s. auch „Schmcrz, immer<br />

blick nach oben“ unter Unveröffentlichte<br />

Werke und Projekte<br />

Op. 1.0 Fünf Stücke für Orchester 130..1, 171,<br />

175, 176, 178, 230, 264-6, 266, 267, 294,<br />

306, 359, 362, 428, 608(12), 646, 674, 676,<br />

685; »Bearbeitung 1.76, 178, 208, 211, 253,<br />

604(1.1), 664<br />

Op. .11 Drei kleine Stücke für Violoncello und<br />

Klavier 115, 185, 185-6, 187, 235, 238,<br />

257, 305, 325, 364, 458, 476, 503, 586,<br />

603(10), 62.3(33), 647 (I: 187)<br />

Op. 12 Vier Lieder für Gesang und Klavier<br />

106, 184-5, 238-9, 240, 249, 267, 364,<br />

477, 503, 607(14), 647, 687 (I: 325, 476; II:<br />

251; III: 528;IV: 250, 325, 476)<br />

Op. 13 Vier Lieder für Gesang und Orchester<br />

183, 184..5, 233, 238-9, 240, 241, 243,<br />

249, 276, 647, 687 (I: 241, 249, 250, 327;.II:<br />

249, 251; III: 241, 249, 606(4); IV: 678);<br />

Bearbeitung 242, 664<br />

Op. 14 Sechs Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Georg<br />

Trakl 1/74, 208, 234, 235, 238-9, 241, 243~<br />

249, 250, 428, 458, 489, 606(28), 647-8 (I:<br />

241, 242..3, 244; II: 242; III: 242-3; IV:<br />

241, 249, 250; V: 242-3; VI: 241, 242-3);<br />

713


»Bearbeitung 2.43, 471, 607(16/6, 7), 664<br />

Op. 15 Fünf geistliche Lieder 216, 224, 234,<br />

235, 237, 238-9, 240, 244, 246, 247, 249,<br />

266, 270, 280, 314, 489, 585, 607(11, 13),<br />

648 (I: 244; III: 244; IV: 228, 279, 280,<br />

607(10); V: 241, 245, 249, 607(11),<br />

631(1)); «Bearbeitung 246, 664<br />

Op. 16 Fünf Canons nach lateinischen Texten<br />

231, 237, 246-7, 248, 251, 253, 276,<br />

280, 282, 607(13, 14), 648, 681 (III: 247;<br />

IV: 247)<br />

Op. 17 Drei Volkstexte 258, 282, 283, 284-5,<br />

583, 648 (11:318,384,618(2))<br />

Op. 18 Drei Lieder 258, 269, 283, 285-7,288,<br />

648-9 (I: 287; III: 287)<br />

Op. 19 Zwei Lieder 238, 276, 283, 287, 288,<br />

327, 378, 383, 389, 607(14), 649; Bearbeitung<br />

288, 664<br />

Op. 20 Streichtrio 266, 269, 276, 283, 284,<br />

288, 290, 291-2, 293, 299, 325, 326, 327,<br />

389, 458, 471, 472, 609(11), 627(14), 649,<br />

674<br />

Op. 21. Symphonie 113, 273,275,2.88,292-4,<br />

295, 296, 299, 302,311, 326, 327, 329, 330,<br />

350, 363, 389, 392, 419, 426, 426-8, 438,<br />

458, 465, 609-10(16), 611(11), 622(25),<br />

649, 674, 675, 678<br />

Op. 22. Quartett 110, 288, 299, 302, 315, 316,<br />

324-6, 326, 363, 382-4, 385..6 , 389, 390,<br />

418, 618(2), 649, 677, 678<br />

Op. 23 Drei Gesänge aus Viae inviae <strong>von</strong><br />

Hildegard Jone 360, 377, 386, 387, 388-9,<br />

500, 503, 542, 618(4), 649 (I: 394; III: 357,<br />

387, 390)<br />

Op. 24 Konzert für neun Instrumente 285,<br />

330, 348, 360, 374, 377, 386, 387, 390, 391,<br />

392-3, 393-4, 395-7, 398, 408, 409, 418,<br />

419, 457, 488, 566, 583, 598(5/4),<br />

618-9(11), 649, 67.5, 680, 685 (i: 6 8 6 )<br />

Op. 25 Drei Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Hildegard<br />

Jone 285, 377, 386, 397-8, 400, 401,<br />

503, 535, 542., 583, 619(15), 649-50,676 (I:<br />

397)<br />

Op. 26 Das Augenlicht 386, 401, 405, 407,<br />

436-9, 455-8, 471, 474, 488, 508, 516, 535,<br />

538, 624(2, 3, 4), 626-7(11), 650, 681, 684<br />

Op. 27 Variationen für Klavier 429-30,<br />

439-43, 467, 471, 488, 493, 503, 538, 542,<br />

586, 624(5, 8 ), 650, 675, 676, 677, 680 (I:<br />

683; II: 6 8 6 , 687; III: 625(5), 679)<br />

Op. 28 Streichquartett 429, 438, 443-50, 472,<br />

475, 598(5/4), 607(16/7), 610(16), 618(2),<br />

624(11, 12), 624-5(13), 625(14, 16), 650,<br />

714<br />

669-72, 677, 679, 685, 687<br />

Op. 29 I. Kantate 285, 386, 438, 458, 474,<br />

477, 485, 508-16,567,583,584, 586,631(4’<br />

5), 631-2(6), 650, 677, 680, 681, 684 (II:<br />

631(1, 2)); Bearbeitung 516, 532, 540, 665<br />

Op. 30 Variationen für Orchester 106, 285,<br />

477, 485“, 499, 500, 501, 516-21, 521, 527,<br />

583, 586, 631(7, 8 ), 650, 674, 677, 683<br />

O p.3 1 II. Kantate 87, 285,386,438,485,486,<br />

505, 521-33, 534, 538, 566, 567, 568, 583,<br />

586, 620(24), 630(20), 631(1), 632(12, 14,<br />

15, 17), 636(Epilog 7), 650-1, 674, 676,<br />

677, 681 (IV: 685; VI: 620(24), 633(17),<br />

680); Bearbeitung 532, 540, 650<br />

Acht frühe Lieder 51, 52, 53, 54, 651-2 (VIII:<br />

250-1)<br />

Cello-Sonate 185, 186, 238, 252, 603(11),<br />

653, 675<br />

Drei Gedichte für Gesang und Klavier 52, 53,<br />

651 (I: 50, 51; *Bearbeitung 50, 664)<br />

Drei Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Ferdinand<br />

Avenarius 53, 652 (II: 590)<br />

Drei Orchesterlieder (1913/14) 178, 184,<br />

239, 603(12/8), 653, 687<br />

Fünf Lieder nach Gedichten <strong>von</strong> Richard Dehmel<br />

75, 80..1, 85, 102, 652-3, 678, 685<br />

Im Sommerwind 47, 58-9, 63, 74, 81, 84, 403,<br />

652, 681<br />

Kinderstück 237, 282, 608-9(6), 653<br />

Klavierstück 258, 284, 654<br />

Langsamer Satz 67, 74, 652<br />

Orchesterstücke (1913) 174, 175, 176, 178,<br />

653, 674, 677 (II: 177)<br />

Quintett 75, 79-80, 85, 583, 653<br />

Rondo 79,652<br />

Satz für Klavier 77, 652<br />

Satz für Streichtrio 258, 283, 284, 609(6, 7),<br />

6.54<br />

Soriatensatz(Rondo) für Klavier 77, 652<br />

Streichquartett (1905) 6 6 , 6 8 , 75, 84, 589,<br />

598(5/4), 652<br />

Vier Stefan-George-Lieder 104-5, 653 (I: 8 6 ,<br />

106; II: 183)<br />

Zwei Stücke (1899) 49, 651<br />

U n v e r ö f f e n t l ic h t e W e r k e u n d P r o j e k t e :<br />

(* = Faksimilereproduktion in <strong>Anton</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Webern</strong>: Sketches(l926-1945))<br />

Acjit Trakl-Lieder 249, 250, 660-1<br />

Achtzehn deutsche Choralsätze 76, 658<br />

Alladine und Palomides 102-3, 659


* „Auf Bergen, in der reinsten Höhe“ 287,288,<br />

289, 609(10), 662<br />

„Christkindlein trägt die Sünden der Welt“<br />

251, 662<br />

* Cirrus 384-5, 663<br />

Dämmerstunde 54, 655<br />

„Dein Leib geht jetzt der Erde zu“ 283, 662<br />

Drei Kraus-Lieder 250-1, 661<br />

Drei Orchester-Studien über einen Basso ostinato<br />

81, 659<br />

„Du bist mein, ich bin dein“ 54, 655<br />

„Du träumst so heiß im Sommerwind“ 54, 655<br />

Hochsommernacht 54, 556-7<br />

„In einer lichten Rose“ 249, 660<br />

* Instrumentalsatz („Sehr rasch“) 395, 663<br />

„In tiefster Schuld vor einem Augenpaar“ 251,<br />

660<br />

Kinderstück 280, 282, 662<br />

Klavier-Satz (F-Dur) 77, 659<br />

Klavierstück (a-Moll) 77, 657<br />

Klavierstück (G-Dur) 77, 657<br />

Klavierstück (c-Moll) 77, 659<br />

* „Kleiner sind Götter geworden“ 521, 530,<br />

531, 566, 663<br />

* Konzert/lU. Kantate 386, 531, 538, 565,<br />

566-9, 619(11), 633(15), 635(4), 663, 680<br />

Liebeslied 54, 656<br />

Meiner Mutter 251, 660<br />

„Morgenglanz der Ewigkeit“ 251, 662<br />

„Mutig trägst du die Last“ 251, 660<br />

* „Nun weiß man erst, was Rosenknospe sei“<br />

302, 383, 663<br />

Orchestersatz (F-Dur) 58, 657<br />

Orchestersatz (D-Dur) 58, 657<br />

* Orchesterstück(Ouverlüre) 330, 390, 566.<br />

663<br />

Orchestervariationen (D-Dur - d-Moll) 58,<br />

658<br />

* Quartettsatz 386, 663<br />

Scherzo und Trio 56, 657<br />

„Schien mir’s, als sah ich die Sonne“ 239,<br />

528-9, 660<br />

„Schmerz, immer blick nach oben“ 158, 172,<br />

659<br />

Die sieben Prinzessinnen 99, 102, 116, 118,<br />

171, 659<br />

Siegfrieds Schwert 57, 655<br />

* „Der Spiegel sagt mir: ich bin schön“ 385,<br />

530, 663<br />

Streichorchester-Satz (d-Moll) 58, 657<br />

Streichquartett (c-Moll - C-Dur) 77-8, 659<br />

Streichquartett (a-Moll) 78, 659<br />

Streichquartett-Satz (B-Dur) 58, 657<br />

Streichquartett-Satz („Lebhaft“) 252-3, 660<br />

Streichquartett-Satz (1925) 283-4, 662<br />

* Streichquartett-Satz (1929) 302, 383, 386,<br />

617(25/1), 662<br />

Streichquartett-Sätze (1917—18) 252, 661<br />

Streichtrio-Satz („Ruhig“) 283, 662<br />

* Streichtrio-Satz („Sehr lebhaft“) 289, 292,<br />

609(12), 662<br />

* Symphonie-Satz 293-4, 609(15), 662<br />

Thema und Variationen (a-Moll) 56, 655<br />

Thema und Variationen (cis-Moll) 78, 659<br />

Triosatz (1920) 252-3, 662<br />

Variationen über „Der Winter ist vergangen“<br />

56, 655<br />

Violine-Klavier-Satz (e-Moll) 77, 659<br />

Vorfrühling I I 49-51. 597(3/2), 655<br />

Wehmut 52, 655<br />

* „Wie kann der Tod so nah der Liebe<br />

wohnen?“ 394, 618-9(11), 663<br />

Wolkennacht 52, 250, 526, 6.55<br />

Zum Schluß 57..8 , 657<br />

Zwei Goethe-Lieder 250, 526, 661<br />

Zwei Lieder aus Bethges Die chinesische Flöte<br />

251, 661-2<br />

Für weitere unveröffentlichte W erke und Projekte<br />

s. Werkverzeichnis Abt.C (S.655-663).<br />

B e a r b e it u n g e n :<br />

(* = unveröffentlichte Bearbeitung)<br />

J. S. Bach: Fuga (Ricercata) a 6 voci (M usikalisches<br />

Opfer) 376, 377, 398, 400-3, 405,<br />

406, 436, 439, 458, 471, 489, 538, 584, 590,<br />

619(19, 20), 620(21, 22, 23, 24), 626(9),<br />

633(17), 666, 674, 676<br />

* Alfredo Casella: Paganiniana op. 65 485,<br />

486-7, 499, 526, 629(1), 666<br />

* Franz Liszt: Arbeiterchor 255, 269, 296..7,<br />

607(1), 610(21, 22), 666<br />

Othm ar Schoek: Das Schloß Dürande 485,<br />

486, 523, 666<br />

Arnold Schönberg: Fünf Orchesterstücke<br />

op. 16 114, 138, 141, 143, 150, 175, 665<br />

* Arnold Schönberg: Die glückliche Hand<br />

215, 243, 253..4, 666<br />

* Arnold Schönberg: Gurrelieder, Vorspiel<br />

und Zwischenspiele 97, 115, 665<br />

Arnold Schönberg: Kammersymphonie op. 9<br />

227, 254, 666<br />

Arnold Schönberg: Sechs Orchesterlieder<br />

op. 8 99, 116-7,’125, 165, 665<br />

* Arnold Sehönberg: Vier Lieder op. 22 253,<br />

666<br />

715


Franz Schubert: Deutsche Tänze (D 820) 57,<br />

330, 332, 333, 344, 349, 358, 362, 363,<br />

379-80, 386, 392, 398-400, 402, 471, 489,<br />

538, 615(15), 666<br />

* Franz Schubert: Fünf Lieder 56, 398, 665<br />

* Franz Schubert: Klaviersonaten 56-7, 398,<br />

665<br />

* Johann Strauß: Schatzwalzer 214, 253,<br />

604(16), 665<br />

Rudolf Wagner-Regeny: Johanna Balk 475,<br />

485, 486, 512, 665-6<br />

* Hugo Wolf: Drei Lieder 57, 665<br />

s. auch LEBEN: Der Komponist - Skizzenbücher;<br />

Gedichte und Bühnenstück Tot;<br />

Prosaschriften<br />

<strong>Webern</strong>-Archiv 9, 10, 11<br />

<strong>Webern</strong>, Carl <strong>von</strong> (Vater) 20, 21, 22, 23, 24,<br />

36, 39, 48, 70, 91, 92, 97, 123, 126, 127-8,<br />

130, 141, 142, 143, 145, 152, 157, 159, 161,<br />

165, 168, 170, 185, 190, 193, 194, 196, 201,<br />

202, 204, 209, 223, 244, 2.73, 390, 454, 498,<br />

595(17), 595-6(18)<br />

Briefe an <strong>Webern</strong> 97, 201<br />

<strong>Webern</strong>, Carl <strong>von</strong> (Bruder) 24, 193<br />

<strong>Webern</strong>, Caroline <strong>von</strong> (Schwester) 24, 193,<br />

596(1/1,2)<br />

<strong>Webern</strong>, Christine <strong>von</strong> (Tochter) 5. Mattel,<br />

Christine<br />

<strong>Webern</strong>, Guido <strong>von</strong> (Vetter) 20, 585, 593(3),<br />

594(14), 595(16)<br />

<strong>Webern</strong>, Hermine <strong>von</strong> (geb. Schubert ..<br />

Schwiegertochter) 495, 522, 544, 545, 546,<br />

547, 548, 550-1, 552, 553-4, 556, 557-8,<br />

558, 559, 572-3, 573, 583, 584, 585, 586,<br />

587, 588, 589, 611(13), 630(13), 634(13),<br />

635(11), 636(12)<br />

<strong>Webern</strong>, Maria <strong>von</strong> (Schwester) s. Clernentschitsch,<br />

Maria<br />

<strong>Webern</strong>, Maria <strong>von</strong> (Tochter) s. Halbich, Maria<br />

<strong>Webern</strong>, Peter <strong>von</strong> (Sohn) 193, 198, 210, 231,<br />

273, 299, 302, 320-1, 331, 390, 393, 423,<br />

435, 437, 443, 453, 474, 475, 478, 495,<br />

501-2, 510, 517, 522, 527, 531, 534, 544-8,<br />

550, 552, 558, 563, 566, 569, 573, 582, 584,<br />

586, 587, 589, 625-6(6), 630(13), 634(12,<br />

14)<br />

B rie fe; a n :<br />

Amalie Waller 62.5-6(6)<br />

Fiermine <strong>von</strong> <strong>Webern</strong> 544-5<br />

716<br />

<strong>Webern</strong>, Rosa <strong>von</strong> (Schwester) s. Warto, Rosa<br />

<strong>Webern</strong>, Wilhelmine <strong>von</strong> („Minna“ ; geb. Mörtl<br />

- Ehefrau) 37, 60, 66-8, 69-70, 72, 80,<br />

100-1, 108, 112,118,123-4,127,135,139,<br />

144, 146, 148, 150,153, 160,161,173,188,<br />

191, 192, 193, 195,198, 203, 223, 230, 2 3 l’<br />

258, 266, 272, 274, 286, 307, 308, 314, 320,<br />

321, 322, 328, 330, 331-2, 334, 364, 368,<br />

390, 393, 414, 419, 424, 438, 443, 458, 474,<br />

494, 495, 498, 502, 534, 537, 539, 546, 552,<br />

554, 571-589 passim, 599(13), 599(8/2),<br />

636 (Epilog 3, 4)<br />

B r ie f e a n :<br />

Bach, David <strong>Josef</strong> 585<br />

Diez, Ernst 584-5, 586<br />

Humpelstetter, Hans 584<br />

„Jone, Hildegard“ 584, 585, 586, 636 (Epilog<br />

3, 5)<br />

Schönberg, Arnold 160<br />

<strong>Webern</strong>, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> 71-2, 124<br />

<strong>Webern</strong>, Hermine <strong>von</strong> 573, 584, 585, 586,<br />

588, 589<br />

Wedekind, Frank 69, 158, 168, 597(4/9)<br />

Die Büchse der I1andora 597(4/9)<br />

Erdgeist 597(4/9)<br />

Francisco 158<br />

Hidalla 69<br />

Simson 168<br />

Weigand, Wilhelm<br />

Sommerabend 53<br />

Weigl, Karl 62, 64, 206<br />

Weil!, Kurt 488, 489, 622(26)<br />

Konzert für Violine und Blasorchester 265<br />

Weingartner, Felix <strong>von</strong> 30, 43, 165, 315<br />

Wei.ni.nger, Otto 1.00, 598(6/9)<br />

Geschlecht und Charakter 598(6/9)<br />

Über die letzten Dinge 99, 100<br />

Weirich, Rudolf 79, 97, 313<br />

Weiss, Adolph 285, 318, 31.9, 341, 342, 343,<br />

370-1, 384, 386, 426, 464, 494,614(10,11),<br />

618(2)<br />

Briefe an <strong>Webern</strong> 341, 342, 384, 618(2)<br />

Weissleder, Paul 34<br />

Weissmann, Adolf 265<br />

Wellesz, Egon 63..4, 206, 224, 257, 265, 313,<br />

355, 359, 364, 409, 413, 414, 449-50, 451,<br />

600(9), 605(9), 613(10), 621(11), 625(15)<br />

Cello-Suite 257<br />

Five Sonnets o f Elizabeth Browning 412<br />

Vorfrühling 313<br />

Weltkrieg I 116,169,170,185,189,191, 199,<br />

535, 606(3)<br />

Ausbruch 170, 185, 189


Waffenstillstand 2.04<br />

Weltkrieg II 49, 176, 449, 475, 476, 478-81,<br />

485, 489, 494, 495, 497, 498, 501, 502, 504,<br />

516, 517, 521, 528, 530, 532, 534, 535-6,<br />

536, 537, 538, 539, 540, 541, 542, 543, 544,<br />

549-50, 550-2, 553-4, 555-6, 569, 581,<br />

611(13), 614(22/3), 630(15, 16, 17), 633(2,<br />

6, 8), 634(1, 3, 4), 635(8)<br />

Ausbruch 316, 475, 512<br />

Besetzung <strong>von</strong> Dänemark und Norwegen<br />

479<br />

Fall Frankreichs 480, 517<br />

Überfall auf Rußland 480<br />

Kriegseintritt der USA 481<br />

Invasion der Normandie 537<br />

Ardennen-Offensive 543<br />

Fall Wiens 554<br />

Kapitulation Deutschlands 554, 558<br />

Nachkriegssituation 555-6, 558-60, 572..3<br />

Wenzel, Rudolf 205<br />

Wenzinger, August 503<br />

Werndorff, Dr. (Arzt) 160<br />

Werndorff, Etta (geb. Jonasz) 79, 84, 97, 128<br />

Westergaard, Peter 603(12/7)<br />

Whitehead, James 627(14)<br />

Wickhoff, Franz 60, 70, 71<br />

Wiefler, Franz 87<br />

Wien<br />

Akademischer Verband für Literatur und<br />

Musik 116, 143, 154, 156. .s. auch Ruf,<br />

Der<br />

Akademischer Richard-Wagner-Verein 43<br />

Arbeitersymphoniekonzerte 220, 221, 222,<br />

2.32, 262, 263, 270, 271, 272, 275, 303,<br />

313, 317, 318, 323, 332, 333, 341, 343-4,<br />

345-6, 348, 358, 362, 370, 419, 504,<br />

605(3), 608(9)<br />

Programme 221, 222, 262, 267..8, 270,<br />

271, 303, 317, 323, 332, 346, 358, 362,<br />

605(3), 608(9)<br />

Burgtheater 46, 222<br />

Freie Typographia 262, 271, 273, 299, 346,<br />

379, 405, 436<br />

Programme 262, 269, 273, 299, 300, 301,<br />

346, 405<br />

Gesellschaft der Musikfreunde 227, 324,<br />

363, 398<br />

Israelitisches Blindeninstitut 259..62, 262,<br />

273, 311, 337-8, 380, 623(35)<br />

Konzerte moderner Musik 428<br />

Musikpreis der Stadt Wien 233, 271..2,314,<br />

327-8, 331,606(27)<br />

Neue Wiener Madrigalvereinigung 360, 364<br />

Philharmonischer Chor 88, 153<br />

Schubertbund 217, 219-20, 2.28, 605(1)<br />

Programme 220<br />

Schwarzwaldschule 61-2, 63, 200,202,205,<br />

214, 422-3, 604(20)<br />

Singverein 232, 234, 236, 237, 255, 256,<br />

260, 262-4, 267, 2.70, 271, 273, 296, 299,<br />

300, 303, 308, 311, 317, 323, 326, 330,<br />

332, 333, 341, 343-4, 346, 349, 362, 363,<br />

369, 370, 379, 388, 404, 405, 421, 504,<br />

506(25), 608(9), 610(22), 617(24/1)<br />

Programme 232, 236, 255, 262, 268, 269,<br />

270, 271, 273, 298, 299, 300, 301, 303,<br />

307, 317, 323, 330, 332, 343, 346, 349,<br />

362, 369, 608(9)<br />

Theater in der <strong>Josef</strong>stadt 496<br />

Universität Wien 41, 42, 61, 69, 70, 258,<br />

259, 338<br />

Verein für Kunst und Kultur 97, 109, 128<br />

Verein für Neue Musik s. Internationale<br />

Gesellschaft für Neue Musik: Wien<br />

Vereinigung schaffender Tonkünstler 64<br />

Wiener Konzerthausgesellschaft 311, 324,<br />

342<br />

Programme 324<br />

Wiener Symphoniker (Konzertverein) 219,<br />

223, 226-7, 228, 232, 262, 341, 349, 404,<br />

406, 616(9)<br />

Programme 219, 226, 349, 359<br />

Wiener Staatsoper 46, 69, 95, 210, 219,<br />

236, 246, 262, 307, 492<br />

'Wiener Allgemeine Zeitung 324, 334<br />

Wicner, Jean 225<br />

Wiener, Karl <strong>von</strong> 92<br />

Wiener Konzerthausgesellschaft s, unter Wien<br />

Wiener Kurier 636(36/8)<br />

'Wiener Morgenzeitung 235<br />

Wiener Neueste Nachrichten 334<br />

Wiener Streichquartett .v. Kolisch-Quartett<br />

Wiener Symphoniker s. unter Wien<br />

Wiener Tag, Der 323-4, 334<br />

Wiener Zeitung 255, 263, 270, 303, 313, 324,<br />

334, 343-4, 346, 362<br />

Wilde, Oscar 169<br />

Wildgans, Friedrich 77, 284<br />

Wilheim, Greta 264, 409<br />

Wille, Bruno 58, 75<br />

Offenbarungen des Wacholderbaums 58,75,<br />

596(4/7)<br />

Windisch Feistritz 192<br />

Winkelmann, Hans 602(3)<br />

Winkelmann, Hermann 33, 602(3)<br />

Winter, Hugo 413, 471, 607(16/7), 625(15)<br />

717


Winterfeld, Max s. „Gilbert, Jean“<br />

Winternitz, Arnold 97<br />

Winternitz-Dorda, Martha 139, 145<br />

Winterthur 242, 276, 363, 399, 475, 476, 499,<br />

500, 501, 516, 527<br />

Wirz-Wyss, Clara 242<br />

Wlach, Leopold 325, 386<br />

Wolf, Hugo 29, 33, 46, 57, 217, 220,312,488,<br />

596(3), 605(3), 610-1(1), 611(2, 14)<br />

Christblume I 610-1(1)<br />

Gesang Weylas 30, 34<br />

Italienische Serenade 197, 302, 304, 328<br />

Quartett op. posth. 197<br />

Verborgenheit 30, 34<br />

„Zur Ruh’, zur Ruh‘ “ 33<br />

Wolpe, Stefan 340, 461,627(21)<br />

Wolzogen, Ernst <strong>von</strong>, Das dritte Geschlecht 32<br />

Wood, Sir Henry 169, 190, 330<br />

Wührer, Friedrich 186, 257<br />

Zehme, Albertine 140, 166, 300, 602(6)<br />

Zeitschrift für Musik 112<br />

Zeller, Karl<br />

Der Vogelhändler 146<br />

Zemlinsky, Alexander <strong>von</strong> 62, 64, 77, 90, 93,<br />

95, 97, 99,100,128,132,134,139,140,141,<br />

143, 163, 164, 165,168,190,192,193, 194,<br />

195, 197, 199, 200, 208, 209, 212, 213, 2.14,<br />

227, 231, 236, 254, 599(7/5), 600(8),<br />

603(13/2), 604(24), 609(9)<br />

Briefe an <strong>Webern</strong> 157, 160, 210, 223<br />

W e r k e :<br />

Kleider machen Leute 125<br />

Maeterlinck-Lieder 154, 229<br />

Psalm 125<br />

Zenk, Ludwig 99, 214, 233, 257, 259, 260,<br />

270, 314, 322, 360, 365, 377, 378, 407, 409,<br />

412, 421, 424, 427, 429, 438, 439, 440, 465,’<br />

482, 491, 496, 497, 502, 504, 516, 524, 528,<br />

534, 536, 539, 540, 544, 550, 589, 624(2),<br />

625(15), 629(12), 634(14, 1, 2), 635(11),<br />

685<br />

B r ie f e a n :<br />

Diez, Ernst 550, 634(2.)<br />

<strong>Webern</strong>, <strong>Anton</strong> <strong>von</strong> 504<br />

W e r k :<br />

Klaviersonate op. 1 359, 412, 482<br />

Zenk, Maria 429, 516<br />

Zillig, Winfried 396<br />

Zincke, Hans s. „Sommer, Hans“<br />

Zincover, Donna 260, 607(17/7)<br />

Zittau 128<br />

Zlodmicka (Sängerin) 172<br />

Zuckmayer, Eduard 186, 257, 632(33)<br />

Zürich 178, 242, 264-6, 266, 2.68, 276, .500,<br />

535, 538<br />

Zweig, Stefan 143, 616(3)<br />

Zwickauer Zeitung 291<br />

Zwölftonmusik s. Dodekaphonie

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