Über die Ch'alla – Sprachkontakt in Bolivien - Verband der Freunde ...

Verband der Freunde
Der Einfluss des Quechua auf die
bolivianische Sprache
bildung spezifischer sprachlicher Charakteristika
des bolivianischen andinen Spanisch
herangezogen werden. Das betrifft
nicht nur die Lexik, sondern auch die Grammatik.
Einige Besonderheiten sind im Gebrauch
der Tempi zu bemerken. So entspricht
beispielsweise die Verwendung des
Plusquamperfekts nicht dem des Standardspanischen.
Das Plusquamperfekt wird im
andinen Spanisch Boliviens zum Ausdrükken
von Evidentialität benutzt. Wie auch
Stefan Pfänder es erforscht hat, wird dem
Plusquamperfekt so gewissermaßen eine
neue Funktion zugeteilt. Sprecher verwenden
ihn, um die Wissensquelle des Berichteten
darzustellen – ist er selbst Zeuge gewesen
oder nicht. Im Standardspanischen
hingegen ist nicht die, wie es Pfänder bezeichnet,
reportative versus nonreportative
Opposition wichtig, sondern die temporale.
Dieses ‚neue’ Gefüge im bolivianischen Spanisch
kann mit dem Kontakt zum Quechua
erklärt werden. Denn im Quechua werden
drei evidentiale Affixe unterschieden, die
obligatorisch sind – u. a. das Suffix –min,
das direkte Evidenz ausdrückt, reportativ
ist. Auch in den von mir gesammelten Daten
findet sich z.B. der nonreportative Gebrauch
des Plusquamperfekts.
se había enamorado
y le he reñido harto
er hatte sich verliebt
und ich habe ihn sehr ausgeschimpft
Vor der Auswertung
Eine ausführlichere Analyse der Interviews
wird darüber Aufschluss geben, welche Erzähltechniken
die Sprecher verwenden,
wenn von den Ch’allas gesprochen wird,
welche Diskursmarker beispielsweise wie
benutzt werden und ob es sprecherübergreifende
Muster und Parallelen zum Quechua
gibt.
Don Julio spricht wenig Spanisch, seine
Schwägerin übersetzt für ihn – Quechua ist
ihre Muttersprache. So ist in ihrem Sprechen
der Sprachkontakt gewissermaßen lebendig.
Rubén hingegen spricht nur Spanisch,
aber auch bei ihm sind die Charakteristika
des bolivianischen Spanisch zu erkennen.
Am Ende des Aufenthaltes standen viel
mehr Fragen, als am Anfang. Eine tiefergehende
Auswertung der gesammelten Daten
hat es mir ermöglicht, ein paar der aufgekommenen
Fragen zu beantworten.
Die Stadt La Paz, der Regierungssitz Boliviens
In den bolivianischen Anden existiert eine
interessante sprachliche Situation. Mit
21,8% der Gesamtbevölkerung von 9,34
Millionen Bolivianern bilden die Quechuasprecher
die größte indigene Gruppe. Die
Verbreitung des kastilischen Spanisch begann
unter anderem im andinen Hochland
Perus und in Bolivien mit der Eroberung
des Inkareiches 1532 durch Francisco Pizzaro.
Der Kontakt des Kastilischen mit dem
Quechua kann zur Erklärung der Heraus-
Der im Gegensatz zum Standardspanischen
andere Gebrauch einiger Adverbien wie ya
(schon), siempre (immer), pues (dann) und
nomás (nicht mehr, nur) kann ebenfalls zu
den Charakteristika gezählt werden.
Des Weiteren gilt im Standardspanischen
die SPO-Regel (Subjekt-Prädikat-Objekt),
wobei im Quechua das Verb in der Regel an
der letzten syntaktischen Stelle des Satzes
positioniert wird. Das könnte eine Erklärung
dafür sein, dass auch im bolivianischen
Spanisch einige Sprecher das Verb
ans Satzende stellen.
así de lEjos vienen
von so weit her kommen sie
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Freiburger Unimagazin 1/09 27