Über die Ch'alla – Sprachkontakt in Bolivien - Verband der Freunde ...
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verband <strong>der</strong> <strong>Freunde</strong><br />
<strong>Verband</strong> <strong>der</strong> <strong>Freunde</strong> <strong>der</strong> Universität Freiburg im Breisgau e.V.<br />
Hier berichten wir über Projekte, <strong>die</strong> <strong>der</strong> <strong>Verband</strong> <strong>der</strong> <strong>Freunde</strong> geför<strong>der</strong>t hat. Die Beiträge gestalten <strong>die</strong><br />
Stu<strong>die</strong>renden selbst. Diesen Bericht verfasste Johanna E. Gutowski.<br />
<strong>Über</strong> <strong>die</strong> Ch’alla <strong>–</strong> <strong>Sprachkontakt</strong> <strong>in</strong> <strong>Bolivien</strong><br />
Frau Gutowski ist Student<strong>in</strong> <strong>der</strong> Romanischen<br />
Philologie (Spanisch) und Ethnologie<br />
am Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft<br />
von Prof. Dr. Stefan Pfän<strong>der</strong>.<br />
E<strong>in</strong> Feldforschungsaufenthalt im Frühjahr<br />
des Jahres 2008 <strong>in</strong> <strong>Bolivien</strong> bildet <strong>die</strong><br />
Grundlage für ihre Magisterarbeit. Frau<br />
Gutowski verb<strong>in</strong>det Sprachwissenschaftliches<br />
mit Ethnographischem und hat deshalb<br />
e<strong>in</strong> Projekt ausgearbeitet, <strong>in</strong> dem es<br />
um Kontaktsituationen auf sprachlicher<br />
und ritueller Ebene <strong>in</strong> <strong>Bolivien</strong> geht.<br />
Die Aufgaben <strong>der</strong> Heiler o<strong>der</strong><br />
Yatiris <strong>Bolivien</strong>s<br />
Don Julio hat e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es blechernes Geschäft<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Straße im El Alto. Mit e<strong>in</strong>em<br />
schiefen Schild wirbt er wie Hun<strong>der</strong>te an<strong>der</strong>e<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Straße auch für se<strong>in</strong>e Dienste. Die Stadt El Alto<br />
Vor den kle<strong>in</strong>en Häuschen stehen eiserne<br />
Öfen, auf denen <strong>die</strong> Opfergaben verbrannt<br />
werden. In e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Stadt <strong>Bolivien</strong>s<br />
hat Rubén e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Raum h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er<br />
Theke e<strong>in</strong>es Stempelladens, <strong>der</strong> nur mit<br />
Schränken und e<strong>in</strong>em alten Vorhang vom<br />
vor<strong>der</strong>en Teil des Ladens getrennt ist. In e<strong>in</strong>em<br />
Regal ist e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Altar aufgebaut<br />
für <strong>die</strong> helfenden Geister - mit Blumen geschmückt<br />
gegen böse Zauber. Rubén hat<br />
noch so e<strong>in</strong> Zimmerchen <strong>in</strong> La Paz - er reist<br />
viel.<br />
Don Julio und Rubén haben e<strong>in</strong>s geme<strong>in</strong>sam,<br />
sie s<strong>in</strong>d Heiler, Hexer o<strong>der</strong> Yatiris, wie<br />
man es auf Quechua sagt. Im <strong>Bolivien</strong> des<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>ts s<strong>in</strong>d ihre Dienste gefragt<br />
und e<strong>in</strong> fester Bestandteil des Lebens. Die<br />
Cocablätter befragen sie nach Antworten<br />
auf <strong>die</strong> Fragen ihrer Kunden, genau wie den<br />
auf den Boden gespritzten Alkohol o<strong>der</strong> <strong>die</strong><br />
Asche e<strong>in</strong>er Zigarette. Zu ihren Aufgaben<br />
26 Freiburger Uni-Magaz<strong>in</strong> 1/09<br />
gehört es auch, Opfergaben für e<strong>in</strong>en bestimmten<br />
Zweck an <strong>die</strong> Pachamama, <strong>die</strong><br />
Muttererde, <strong>die</strong> zentrale and<strong>in</strong>e Num<strong>in</strong>a, zu<br />
machen. Das ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />
e<strong>in</strong> speziell auf <strong>die</strong><br />
Anliegen des Kunden abgestimmter<br />
Opfertisch, la<br />
mesa, <strong>der</strong> verbrannt<br />
wird. Das Anrichten und<br />
abschließende Verbrennen<br />
<strong>der</strong> mesa kann als<br />
Teil e<strong>in</strong>er komplexeren<br />
Ch’alla betrachtet werden.<br />
Ch’allas s<strong>in</strong>d Libationen,<br />
Trankopfer an and<strong>in</strong>e<br />
Num<strong>in</strong>a, <strong>die</strong> sehr alltäglich<br />
se<strong>in</strong> können, aber<br />
auch stark ritualisiert,<br />
wie im Falle e<strong>in</strong>er mesa.<br />
Der <strong>Verband</strong> <strong>der</strong> <strong>Freunde</strong> <strong>der</strong> Universität Freiburg<br />
Der Opfertisch La Mesa<br />
ist e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>nütziger Vere<strong>in</strong>. Gegründet wurde er 1925 mit dem Ziel, Lehre und Forschung<br />
an <strong>der</strong> Universität Freiburg zu för<strong>der</strong>n. Dies geschieht hauptsächlich durch <strong>die</strong><br />
f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung von Stu<strong>die</strong>renden, z.B. für Exkursionen, Forschungsvorhaben<br />
o<strong>der</strong> Examensstipen<strong>die</strong>n. Daneben verwaltet <strong>der</strong> <strong>Verband</strong> e<strong>in</strong>ige unselbstständige Stiftungen.<br />
Das Geheimnis <strong>der</strong> Trankopfer <strong>–</strong><br />
Ch’allas<br />
E<strong>in</strong>e zentrale Frage me<strong>in</strong>er Arbeit war und<br />
ist, was e<strong>in</strong>zelne Personen unter <strong>der</strong> Ch’alla<br />
verstehen, sowohl so genannte Experten,<br />
wie Yatiris selbst, Wissenschaftler und<br />
nicht zuletzt <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> gewissermaßen<br />
als Laien bezeichnet werden. Nicht nur das<br />
WAS steht im Vor<strong>der</strong>grund, son<strong>der</strong>n auch<br />
das WIE; Wie wird erzählt, wie sprechen <strong>die</strong><br />
Informanten über <strong>die</strong> Ch’allas.
<strong>Verband</strong> <strong>der</strong> <strong>Freunde</strong><br />
Der E<strong>in</strong>fluss des Quechua auf <strong>die</strong><br />
bolivianische Sprache<br />
bildung spezifischer sprachlicher Charakteristika<br />
des bolivianischen and<strong>in</strong>en Spanisch<br />
herangezogen werden. Das betrifft<br />
nicht nur <strong>die</strong> Lexik, son<strong>der</strong>n auch <strong>die</strong> Grammatik.<br />
E<strong>in</strong>ige Beson<strong>der</strong>heiten s<strong>in</strong>d im Gebrauch<br />
<strong>der</strong> Tempi zu bemerken. So entspricht<br />
beispielsweise <strong>die</strong> Verwendung des<br />
Plusquamperfekts nicht dem des Standardspanischen.<br />
Das Plusquamperfekt wird im<br />
and<strong>in</strong>en Spanisch <strong>Bolivien</strong>s zum Ausdrükken<br />
von Evidentialität benutzt. Wie auch<br />
Stefan Pfän<strong>der</strong> es erforscht hat, wird dem<br />
Plusquamperfekt so gewissermaßen e<strong>in</strong>e<br />
neue Funktion zugeteilt. Sprecher verwenden<br />
ihn, um <strong>die</strong> Wissensquelle des Berichteten<br />
darzustellen <strong>–</strong> ist er selbst Zeuge gewesen<br />
o<strong>der</strong> nicht. Im Standardspanischen<br />
h<strong>in</strong>gegen ist nicht <strong>die</strong>, wie es Pfän<strong>der</strong> bezeichnet,<br />
reportative versus nonreportative<br />
Opposition wichtig, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> temporale.<br />
Dieses ‚neue’ Gefüge im bolivianischen Spanisch<br />
kann mit dem Kontakt zum Quechua<br />
erklärt werden. Denn im Quechua werden<br />
drei evidentiale Affixe unterschieden, <strong>die</strong><br />
obligatorisch s<strong>in</strong>d <strong>–</strong> u. a. das Suffix <strong>–</strong>m<strong>in</strong>,<br />
das direkte Evidenz ausdrückt, reportativ<br />
ist. Auch <strong>in</strong> den von mir gesammelten Daten<br />
f<strong>in</strong>det sich z.B. <strong>der</strong> nonreportative Gebrauch<br />
des Plusquamperfekts.<br />
se había enamorado<br />
y le he reñido harto<br />
er hatte sich verliebt<br />
und ich habe ihn sehr ausgeschimpft<br />
Vor <strong>der</strong> Auswertung<br />
E<strong>in</strong>e ausführlichere Analyse <strong>der</strong> Interviews<br />
wird darüber Aufschluss geben, welche Erzähltechniken<br />
<strong>die</strong> Sprecher verwenden,<br />
wenn von den Ch’allas gesprochen wird,<br />
welche Diskursmarker beispielsweise wie<br />
benutzt werden und ob es sprecherübergreifende<br />
Muster und Parallelen zum Quechua<br />
gibt.<br />
Don Julio spricht wenig Spanisch, se<strong>in</strong>e<br />
Schwäger<strong>in</strong> übersetzt für ihn <strong>–</strong> Quechua ist<br />
ihre Muttersprache. So ist <strong>in</strong> ihrem Sprechen<br />
<strong>der</strong> <strong>Sprachkontakt</strong> gewissermaßen lebendig.<br />
Rubén h<strong>in</strong>gegen spricht nur Spanisch,<br />
aber auch bei ihm s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Charakteristika<br />
des bolivianischen Spanisch zu erkennen.<br />
Am Ende des Aufenthaltes standen viel<br />
mehr Fragen, als am Anfang. E<strong>in</strong>e tiefergehende<br />
Auswertung <strong>der</strong> gesammelten Daten<br />
hat es mir ermöglicht, e<strong>in</strong> paar <strong>der</strong> aufgekommenen<br />
Fragen zu beantworten.<br />
Die Stadt La Paz, <strong>der</strong> Regierungssitz <strong>Bolivien</strong>s<br />
In den bolivianischen Anden existiert e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>teressante sprachliche Situation. Mit<br />
21,8% <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung von 9,34<br />
Millionen Bolivianern bilden <strong>die</strong> Quechuasprecher<br />
<strong>die</strong> größte <strong>in</strong>digene Gruppe. Die<br />
Verbreitung des kastilischen Spanisch begann<br />
unter an<strong>der</strong>em im and<strong>in</strong>en Hochland<br />
Perus und <strong>in</strong> <strong>Bolivien</strong> mit <strong>der</strong> Eroberung<br />
des Inkareiches 1532 durch Francisco Pizzaro.<br />
Der Kontakt des Kastilischen mit dem<br />
Quechua kann zur Erklärung <strong>der</strong> Heraus-<br />
Der im Gegensatz zum Standardspanischen<br />
an<strong>der</strong>e Gebrauch e<strong>in</strong>iger Adverbien wie ya<br />
(schon), siempre (immer), pues (dann) und<br />
nomás (nicht mehr, nur) kann ebenfalls zu<br />
den Charakteristika gezählt werden.<br />
Des Weiteren gilt im Standardspanischen<br />
<strong>die</strong> SPO-Regel (Subjekt-Prädikat-Objekt),<br />
wobei im Quechua das Verb <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel an<br />
<strong>der</strong> letzten syntaktischen Stelle des Satzes<br />
positioniert wird. Das könnte e<strong>in</strong>e Erklärung<br />
dafür se<strong>in</strong>, dass auch im bolivianischen<br />
Spanisch e<strong>in</strong>ige Sprecher das Verb<br />
ans Satzende stellen.<br />
así de lEjos vienen<br />
von so weit her kommen sie<br />
Info<br />
Vorsitzen<strong>der</strong>:<br />
Dr. Karl V. Ullrich<br />
Stellv. Vorsitzen<strong>der</strong>:<br />
Prof. Dr. Josef Honerkamp<br />
Weiteres Mitglied:<br />
Prof. Dr. Hans Spada<br />
Schatzmeister:<br />
Leit. Regierungsdir. a.D. Gerhard Florschütz<br />
Geschäftsstelle: Anja Rieg-Schenek,<br />
Jutta Orth<br />
Publikationen: Jutta Orth,<br />
Anja Rieg-Schenek<br />
Haus „Zur Lieben Hand“<br />
Löwenstr. 16, D-79098 Freiburg<br />
Geschäftszeiten:<br />
Dienstag 9.00<strong>–</strong>12.00 Uhr<br />
Mittwoch 14.00<strong>–</strong>17.00 Uhr<br />
Donnerstag 9.00<strong>–</strong>12.00 Uhr<br />
Tel. 203-4406, Fax 203-4414<br />
E-Mail: freunde-<strong>der</strong>-uni@uni-freiburg.de<br />
Weitere Informationen:<br />
www.freunde.uni-freiburg.de<br />
Bankverb<strong>in</strong>dung: Volksbank Freiburg,<br />
BLZ: 680 900 00, Kto.-Nr.: 125 34 000<br />
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