Bleibe in der Zeit - Community of Protestant Churches in Europe

Bleibe in der Zeit
Neue Gottesdienste für eine sich verändernde Gesellschaft
solchen und ähnlichen Gelegenheiten bieten sich für Kirchen immer wieder Möglichkeiten der
Begleitung an Schwellensituationen im Lebenslauf, in denen Menschen im Besonderen ansprechbar
sind auf Rituale. Die gottesdienstliche Begleitung in solchen Situationen geschieht in
Mittelosteuropa und Südeuropa stärker als in den deutschen Kirchen im Hauptgottesdienst.
6.4 Gottesdienste zu gesellschaftlichen Anlässen
Dass Kirche in der Öffentlichkeit steht, weil die Weitergabe des Evangeliums ein öffentliches
Geschehen ist, gehört zu den reformatorischen Grunderkenntnissen. Während sich die evangelischen
Kirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit langem einen festen Platz in
der Gesellschaft erworben haben, hatten die Kirchen in Osteuropa lange Zeit kaum eine Möglichkeit
der gesellschaftlichen Partizipation und erfuhren erst nach der politischen Wende zunächst
große öffentliche Aufmerksamkeit als nicht regimekonforme Organisationen. So wurde
z.B. die evangelische Kirche in Polen von der Regierung gleichberechtigt mit der katholischen
Kirche an der ethischen Diskussion beteiligt. Für die Kirchen ergaben sich durch den Systemwechsel
neue Möglichkeiten, in der Öffentlichkeit zu wirken und umgekehrt hatte die Gesellschaft
Interesse an einer kirchlichen Beteiligung. Evangelische Kirchen in Südeuropa profitieren
von der Akzeptanz der römisch-katholischen Kirche und werden zu gesellschaftlichen Anlässen
meist einbezogen, wo sie dann ihr Proprium einbringen können. Zum Teil gilt dies auch für Länder
mit orthodoxer Mehrheit. Dort sind allerdings die evangelischen Kirchen meist sehr klein und
treten zu gesellschaftlichen Anlässen kaum in Erscheinung.
6.4.1 Die Mitwirkung von Kirchen in staatlichen oder öffentlichen Institutionen:
Während Militärseelsorge und die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten ebenso wie der kirchliche
Dienst an staatlichen Schulen, in Krankenhäusern und Altenheimen in Deutschland zum
festen Bestandteil des kirchlichen Auftrags gehört, hat er sich in Mittelosteuropa sehr unterschiedlich
etabliert. In keinem dieser Länder wurde ein Religionsunterricht der evangelischen
Kirchen an staatlichen Schulen allgemein eingeführt und auch dort wo er auf Antrag ab einer
bestimmten Anzahl von Evangelischen eingerichtet wird, spielen gottesdienstliche Angebote in
den staatlichen Schulen kaum eine Rolle. Stattdessen werden bisweilen im Rahmen der Gemeinde
zu Schulanfang und Schuljahresende Gottesdienste angeboten.
Evangelische Militärseelsorge wurde in Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei eingerichtet,
evangelische Gefängnisseelsorge darüber hinaus auch in Rumänien. In vielen kleinen
evangelischen Kirchen werden einzelne seelsorgerliche Besuche und gelegentlich Gottesdienste
in staatlichen Institutionen durchgeführt. In diese vor der politischen Wende undenkbaren
kirchlichen Dienste haben sich die Kirchen inzwischen gut eingearbeitet und stehen zum Teil in
enger Vernetzung mit Partnern aus westlichen Kirchen.
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