Bleibe in der Zeit - Community of Protestant Churches in Europe

Bleibe in der Zeit
Gesellschaftliche Kontexte im Umbruch
„Bleiben in ihm“ (Joh 15,4) stärken und ihnen auf diese Weise das „Bleiben in der Zeit“ ermöglichen.
3.4 Postmoderne Millieuorientierung
Empirische Studien malen in Deutschland ein Bild einer in verschiedenen Milieus auseinanderdriftenden
Gesellschaft, und glauben nachweisen zu können, dass Kirche nur noch in den wenigsten
Milieus eine Rolle spielt. Danach stellt sich die Gesellschaft dar als ein Konglomerat von
Gruppen, die in sich weitgehend abgeschlossen sind und untereinander kaum Beziehungen
haben. Die in Deutschland im Auftrag der römisch-katholischen Kirche durchgeführte Sinus-
Studie birgt „vor allem die ernüchternde Erkenntnis, dass sie nur noch in drei von zehn idealtypisch
profilierten Sozialmilieus wirklich verwurzelt ist: bei den Konservativen, bei den Traditionsverwurzelten
und in der bürgerlichen Mitte. Den Anschluss an zukünftige gesellschaftliche ‚Leitmilieus’
wie Experimentalisten, Postmaterielle oder Moderne Performer jedenfalls scheint sie
verloren zu haben.“ 6 Die Mitgliedschaftsstudie der EKD hat bereits 2003 Lebensstile und Mitgliedschaftstypen
in Relation gebracht. Die Methode, Zielrichtung und Zielgruppe der Befragung
unterscheiden sich vom Ansatz der Sinusstudie. Deutlich sichtbar wird jedoch auch bei dieser
Untersuchung unter Kirchenmitgliedern, dass Kirchennähe vor allem von älteren Kirchenmitgliedern
ausgedrückt wird. Umgekehrt steht „die Kirche […] als sozialer wie kultureller Ort offenbar
in maximaler Distanz zum Lebensstil junger Menschen. Dabei dürfte der zentrale Aspekt von
Distanz aber nicht allein in den unterschiedlichen ästhetischen Präferenzen liegen, sondern tieferliegend
die Ebene der sozialen Deutungsmuster betreffen.“ 7
Die Frage ob und wenn ja wie Kirche in dieser Gesellschaft Menschen erreichen kann zieht sich
durch viele Gemeindeaufbaukonzepte. Ein Blick auf die durchschnittlichen Gottesdienstbesucher
scheint den Milieuuntersuchungen recht zu geben und den Kirchen eine Marginalisierung
in den kommenden Jahrzehnten vorherzusagen. Allerdings widerspricht diesem Ansatz das
wachsende Bedürfnis an kirchlicher Begleitung in Schwellensituationen des persönlichen Lebens
und vor allem in Krisensituationen und Katastrophen. An diesen Stellen erreichen die Kirchen
auch solche Menschen, die sich nicht als kirchennah bezeichnen. Der Sonntagsgottesdienst
hat den Anspruch, eine Feier für alle Gemeindeglieder zu sein, muss sich jedoch fragen,
welche Menschen er erreicht, bzw. ob mit einer Veränderung der Form und mit liturgischen Reformen
ein größeres Interesse geweckt werden kann. Beispiele der Integration von Migranten
6 Christian Bauer, Gott im Milieu? Ein zweiter Blick auf die Sinus-Milieu-Studie, in: DIAKONIA 39 (2008), 123-129, S.
124.
7 Weltsichten Kirchenbindung Lebensstile. Vierte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, 2003, S. 68.
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