Bleibe in der Zeit - Community of Protestant Churches in Europe

Bleibe in der Zeit
Gesellschaftliche Kontexte im Umbruch
Wende kurz vor dem EU-Beitritt eine gewisse Ernüchterung über das neue politische und vor
allem wirtschaftliche Gefüge zu beobachten, dem man sich nicht entziehen zu können glaubt.
Kritisch werden aber auch die nur oberflächlich vollzogenen Reformen im eigenen Land empfunden.
Fast immer bedeuteten daher Wahlen einen Regierungswechsel in diesen Ländern. In
der Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2008 erlebten Menschen in diesen Ländern die Schattenseiten
des globalen marktwirtschaftlichen Systems und sehen sich als Opfer des Systemwechsels.
3.1.3 Russland – eine Weltmacht definiert sich neu
Russland und die Länder der ehemaligen Sowjetunion hatten gegenüber den neuen EU-
Ländern eine ungleich schwerere Wirtschaftskrise zu durchstehen, zu der vor allem auch der
Sinn- und Werteverlust durch den Zusammenbruch des eigenen Systems kam. Kurzzeitig
schien es als verabschiedete sich die einstige Weltmacht von der weltpolitischen Bühne. Während
Russland mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Ende der 90er Jahre auch wieder politisches
Ansehen zurückgewann, haben Länder wie die Ukraine bis heute ihre politische Bedeutung
noch nicht wiederfinden können. In der großen Schere von Arm und Reich, von Stadt- und
Landbevölkerung ist die Kirche oft einzige Hoffnung und Sinngeberin für Benachteiligte.
3.1.4 Westliche Länder
Von den Transformationen in Europa in den letzten zwei Jahrzehnten haben die westlichen
Länder, deren Systeme sich kaum anpassen mussten, insgesamt profitiert. Aber auch hier haben
sich die Kontexte verändert. Innerhalb Deutschlands kam es zu einer Migrationsbewegung
vom Osten in den Westen, und durch die Aufnahme von Spätaussiedlern vor allem aus Russland
und Rumänien zu erheblichen Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung.
Soziale Spannungen als Randerscheinungen der Integration blieben nicht aus.
Gleichzeitig verändert sich die Rolle der Kirche in der Gesellschaft. Nach wie vor nimmt Kirche
„Verantwortung wahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt[…]. Für das Leben der Einzelnen
bedeutet Kirchenmitgliedschaft […] einen erwünschten Lebensrahmen“. Doch diese Funktion
der Kirche „im Blick auf den Einzelnen wie auf die Gesellschaft hat sich abgeschwächt. 4
Zwischen einem immer schneller getakteten Alltag und einem wachsenden Bedürfnis an Individualisierung
erreichen gottesdienstliche Angebote nur noch begrenzt die Kirchenmitglieder.
Traditionsabbruch, eine Vielzahl von Freizeit- und anderen spirituellen Angeboten, Individuali-
4 Weltsichten Kirchenbindung Lebensstile. Vierte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft, 2003, S.7.
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