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aude sapere - Ärztegesellschaft für Klassische Homöopathie

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Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Jahrgang: 16 | Ausgabe: 2 | November 2012<br />

<strong>aude</strong><br />

<strong>sapere</strong><br />

Editorial<br />

Dr. Klaus Payrhuber ................................................... 2<br />

Quiz 2.2012<br />

Dr. Klaus Payrhuber ................................................... 6<br />

Mensch und Blei – eine gefährliche<br />

Beziehung<br />

Dr. Klaus Payrhuber ................................................... 8<br />

Homöopathische Behandlung<br />

maligner Harnblasentumore<br />

Dr. Alok Pareek ........................................................ 11<br />

Mohngewächs („Milchsaft“ zur Opiumgewinnung)<br />

Die Behandlung alter Menschen<br />

Dr. Bernhard Zauner ................................................ 14<br />

Asperger Syndrom<br />

Dr. Heiner Frei .......................................................... 20<br />

<strong>Homöopathie</strong> 3.0<br />

Dr. Bernhard Zauner ................................................ 26<br />

Termine ................................................................. 27<br />

Autoren | Impressum ....................................... 28<br />

Foto: isignstock<br />

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,<br />

falls Sie noch keine Gelegenheit gefunden<br />

haben unsere E-Mail-Umfrage zur Zeitung<br />

zu beantworten, bitte schenken Sie<br />

uns drei Minuten Zeit und<br />

kreuzen Sie die acht<br />

Fragen an!


Editorial<br />

Balanceakte und<br />

das natürliche Gleichgewicht<br />

Vor einigen Wochen genoss ich einen der schönen<br />

Strände der Algarve an der nach Westen gerichteten<br />

Costa Vincentina. Eine von graubraunen Felsen<br />

umrahmte feinsandige Bucht reihte sich an die<br />

Nächste. Unermüdlich rollten die Wellen des Atlantiks<br />

an den Strand. Ich beobachtete lange die<br />

jungen Surfer, wie sie hinter die Wellen meerwärts<br />

paddelten oder tauchten, das Brett in Position<br />

brachten und im richtigen Moment aufstanden,<br />

um auf dem rasenden Wassergebirge dahinzujagen.<br />

Jedes zu früh und zu spät vermeidend, gelang<br />

es ihnen das Gleichgewicht zu finden und die unendliche<br />

Kraft der in breiter Front landwärts stürmenden<br />

Wogenkämme <strong>für</strong> einige Augenblicke zu<br />

beherrschen, eins zu werden mit dem rhythmischen<br />

Puls des blaugrünen Meeres.<br />

Das Erlebnis der Balance, der Wiederfindung des Gleichgewichtes<br />

erfordert, dass man jedes Zuviel und Zuwenig<br />

vermeidet. Es liegt nahe, Gesundheit als einen natürlichen<br />

Gleichgewichtszustand aufzufassen, keinen<br />

kurzen, vorübergehenden wie oben, sondern einen stabilen,<br />

lange dauernden. Der Arzt stärkt die das Gleichgewicht<br />

bildenden Faktoren. Er beachtet sie und fördert<br />

sie, er geht mit ihnen mit. Mit der Wiederherstellung<br />

des Gleichgewichtes mündet das ärztliche Handeln da-<br />

rin, überflüssig zu werden und sich selbst aufzuheben.<br />

Jedes Zuviel des Tuns wird zum Störfaktor.<br />

Der griechische Naturgedanke betrachtete Natur als<br />

etwas, das sich selbst und sich von selbst in seinen<br />

Bahnen hält. Die moderne Wissenschaft macht Naturvorgänge<br />

berechenbar und beherrschbar und versucht<br />

zuletzt das Natürliche durch das Künstliche zu ersetzen.<br />

Und der angemessene künstliche Eingriff kann oft<br />

sehr viel. Dennoch geht es in der Heilkunst in weiten<br />

Bereichen nicht um das Ersetzen, sondern, solange<br />

dies irgendwie möglich ist, um das Wiederherstellen<br />

des Natürlichen.<br />

Foto: isignstock<br />

Hahnemann und Rousseau<br />

Die Begriffe „Natur“ und „natürlich“ tauchen in Hahnemanns<br />

Werk entsprechend oft und prominent auf. Als<br />

Leser dieser Schriften erinnern wir uns an Ausdrücke<br />

wie „naturgemäß heilen“, „die Natur nachahmen“ oder<br />

„die reine Sprache der befragten Natur“. Im Jahr 1796<br />

veröffentlichte Hahnemann in Hufelands Journal erstmals<br />

dieses Prinzip „similia similibus“ und im gleichen<br />

Jahr übersetzte er Rousseaus „Principes de J.J. Rousseau,<br />

sur l´education des Enfants“ ins Deutsche.<br />

Jean Jaques Rousseau, der französische Schriftsteller<br />

und Philosoph, der 2012 seinen 300. Geburtstag feierte,<br />

wird wie kein anderer mit dem Begriff „Natur“<br />

assoziiert. „Zurück zur Natur!“ taucht sofort als Schlagwort<br />

aus den Hinterzimmern unserer Erinnerung auf.<br />

Er lebte von 1712 bis 1778 und sein Jahrhundert war<br />

jenes der Aufklärung, ebenso aber jenes der Empfindsamkeit<br />

sowie der Pädagogik und des Erziehungsromans.<br />

2


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Ein Grundgedanke durchzieht die Werke Rousseaus:<br />

der Mensch kommt gesund aus den Händen der Natur<br />

und wird erst durch die Gesellschaft verdorben. Es<br />

geht darum die in jedem Menschen liegende Naturanlage<br />

zu stärken und reifen zu lassen. Mit der Reflexion<br />

endet der Naturmensch und der Stolz des „Menschen“<br />

kommt auf. Hat die Natur „uns wirklich dazu bestimmt<br />

gesund zu sein, so scheue ich mich nicht zu behaupten,<br />

dass das Nachdenken ein widernatürlicher Zustand und<br />

ein grübelnder Mensch ein entartetes Tier sei.“ Dem<br />

Spötter Voltaire ging die Idealisierung der Natur zu<br />

weit, als er schrieb:“… Niemand hat es mit mehr Geist<br />

unternommen uns zu Tieren zu machen, als Sie; das<br />

Lesen Ihre Buches erweckt in einem das Bedürfnis auf<br />

allen Vieren herumzulaufen …“<br />

Unser Umgang mit der Natur in und um uns spiegelt<br />

sich vielfach in unserem Verhalten den Tieren gegenüber<br />

wieder. Descartes behandelte das Tier als „res<br />

extensa“, als reines Objekt, das er einer seelenlosen<br />

Maschine gleichsetzte. Umgekehrt dachte Nietzsche<br />

an die Sicht der Tiere auf das „nicht festgestellte Tier“,<br />

also nicht Instinkt programmierte Tier, Mensch: “Ich<br />

<strong>für</strong>chte, die Tiere betrachten den Menschen als ein<br />

Wesen ihresgleichen, das in höchst gefährlicher Weise<br />

den gesunden Tierverstand verloren hat – als das<br />

wahnwitzige Tier, als das lachende Tier, als das weinende<br />

Tier, als das unglückselige Tier.“<br />

Rousseau lehnt ähnlich Voltaire die Offenbarungsreligion<br />

und die Machtposition der Kirchen ab, Religion<br />

ist individuell und beruht ganz auf dem Gefühl.<br />

Gegen die Ungleichheit – „Der Mensch ist frei geboren,<br />

doch überall liegt er in Ketten.“ – beschreibt er<br />

in seinem „contrat social“ einen Gesellschaftsvertrag,<br />

der, auf Übereinkunft basierend, die natürliche Freiheit<br />

mit staatlicher Ordnung in Einklang bringen soll. Dieses<br />

politische Werk beeinflusste nachhaltig unsere Geschichte,<br />

von der französischen Revolution bis zu den<br />

Menschenrechten.<br />

Vor allem geht es Rousseau darum, die Natur und die<br />

Kultur zu versöhnen in einer Gesellschaft, welche die<br />

Natur wiederfindet und die Ungerechtigkeit der Zivilisation<br />

aufhebt. Die dekadente Welt des Frankreichs<br />

jener Zeit musste als Zerrbild einer Zivilisation Abscheu<br />

und vielfältige Gegenentwürfe erregen.<br />

Für den zivilisierten Menschen wird diese Stimme der<br />

Natur, eine Metapher <strong>für</strong> das natürliche Empfinden,<br />

zu einer fernen, nicht mehr hörbaren Stimme. Die<br />

Menschen sind unfähig geworden, wahre Leidenschaften<br />

zu empfinden und die Sprache kann sie nicht mehr<br />

ausdrücken.<br />

Bauchgefühl und Empathie<br />

Die Neurobiologie erforscht, wie wir unsere Entscheidungen<br />

treffen. Dazu gab es vor kurzem ein interessantes<br />

Gespräch in den philosophischen Sternstunden<br />

des Schweizer Fernsehens. Es ging auch um den Weg<br />

von der Sinneswahrnehmung zur Bewertung und zur<br />

Entscheidung und Handlung. Man könnte vielleicht sagen,<br />

es gehe darum, in welcher Balance unsere Entscheidungen<br />

einerseits unter Einbeziehung unserer<br />

frontalen Hirnabschnitte – sie sind die Zentren unserer<br />

abstrahierenden Denkleistung – komplex analysiert<br />

und getroffen werden, oder in bestimmten Situationen<br />

besser intuitiv oder mit Bauchgefühl, also überwiegend<br />

vom limbischen System gesteuert werden. In welchen<br />

Situationen ist Abstraktion und Künstlichkeit gut <strong>für</strong><br />

uns? Wie viel Distanz zur Natur sollen wir aufbauen,<br />

die wir selbst Teil der Natur sind? Wie kann man unter<br />

Kenntnis der vielfältigen Verknüpfungen und Wechsel-<br />

wirkungen Rationales überhaupt von Gefühlsmäßigem<br />

trennen?<br />

Vor kurzem war diese Schlagzeile in den Medien: die<br />

berühmte Schiläuferin fährt den nächsten Riesentorlauf<br />

nicht, ihr Gefühl sage ihr, sie solle, aber ihr Verstand<br />

sage nein. Sie war vier Jahre zuvor auf diesem Hang<br />

schwer gestürzt und hatte sich schwer verletzt. Meine<br />

Frau meinte, dass es genau umgekehrt sei. Ihr Gefühl<br />

sagt nein, weil sie den Sturz nicht verarbeitet hat, und<br />

der Verstand liefert die Argumente dagegen, also die<br />

Rationalisierung.<br />

Gerade, weil wir uns als soziale Wesen entwickelt haben,<br />

gibt es so etwas wie einen natürlichen Instinkt,<br />

ein Gefühl der Empathie im Umgang mit dem anderen,<br />

in unserem Fall mit dem Patienten. Unser Wissen<br />

und unsere Wissenschaft machen nicht unsere ärztliche<br />

Kunst aus, nur die richtige Anwendung, das heißt de-<br />

3


Editorial<br />

ren Angemessenheit mit Rücksicht auf die individuelle<br />

Situation des Patienten, entscheidet über den Erfolg.<br />

Wissen und Wissenschaft ohne Ethik sind kontraproduktiv.<br />

Kant würde sagen ohne „praktische Vernunft“<br />

geht es nicht. Die Griechen sprachen von der „phronesis“,<br />

einer Art ethischer Vernünftigkeit. Mit Entrüstung<br />

erinnere ich mich an jene kachektische Frau im Endstadium<br />

eines Pankreascarcinoms, die unter heftigen<br />

Schmerzen tapfer ihr Leiden ertrug. Um Gewicht zuzunehmen<br />

riet man ihr in das krankenhauseigene Trainingsprogramm<br />

zum Muskelaufbau einzusteigen, obwohl<br />

sie fast nichts mehr essen und kaum wenige Meter<br />

gehen konnte. Dann würde sie wieder stärker und<br />

Gewicht zunehmen. Die Frau lehnte enttäuscht ab und<br />

starb kurze Zeit später.<br />

Hahnemann beschreibt die Natur vielfach als Subjekt,<br />

welches zweckgerichtet wirkt, das heißt „kunstvoll“,<br />

„einfach“ und „weise“ – „der erwachte Instinkt<br />

der Kranken ist oft weiser als der die Natur nicht befragende<br />

Arzt“ – und er erhebt sie zum Vorbild, das<br />

es nachzuahmen gilt. „Man ahme die Natur nach und<br />

wende in der zu heilenden Krankheit dasjenige Arzneimittel<br />

an, welches eine andere möglichst ähnliche<br />

Krankheit zu erregen im Stande ist: Similia similibus.“<br />

Foto: isignstock<br />

Achtsamkeit<br />

Wir als homöopathische Ärzte sind darauf angewiesen,<br />

dass die Patienten die Stimme der Natur – hier<br />

nicht im moralischen Sinn, sondern als Achtsamkeit<br />

der eigenen Seele und dem eigenen Körper gegenüber<br />

- in sich wahrnehmen und beschreiben können.<br />

Und wir müssen die Sprache der Natur in den Raum<br />

unserer Sprache überführen. Wörter sind vieldeutig, ihnen<br />

fehlt die Eindeutigkeit von Zahlen. Wörter haben<br />

mit Erfahrungen zu tun. Wald ist nicht gleich Wald,<br />

Schmerz nicht Schmerz. Oder im schlimmsten Fall müssen<br />

wir mit Heraklit sagen: Schlechte Zeugen sind den<br />

Menschen Augen und Ohren, wenn sie unverständige<br />

Seelen haben. Was jemand wahrnimmt, nimmt er <strong>für</strong><br />

wahr. Die Sinne lügen und täuschen nicht, es ist immer<br />

der Verstand, stellte bereits Kant fest.<br />

Wir sehen hier zwei Deutungen des Naturbegriffs,<br />

eine weit gefasste beim Philosophen Rousseau, die<br />

Moralität als den natürlichen Instinkt in den Mittelpunkt<br />

stellt, der alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche<br />

betrifft, und jene pragmatische des Arztes Hahnemann,<br />

die am hippokratischen Gedanken des natürlichen<br />

Gleichgewichtes, welches die Natur anstrebt, anschließt.<br />

Für beide ist die Einfachheit der Natur und das<br />

Hören auf die Stimme der Natur und des Instinktes von<br />

zentraler Bedeutung, die Natur wird nicht reines Objekt<br />

wie in der Naturwissenschaft, ein Objekt, welches<br />

zergliedert und künstlich neu geschaffen wird, sondern<br />

bleibt komplexes lebenserhaltendes System, das von<br />

zu viel künstlichem Eingriff nachteilig verändert wird.<br />

4


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Gesund, nicht gesund gemacht<br />

So kommen wir wieder zur Balance. Die Stellung des<br />

Menschen in seiner Welt, nicht nur seine Gesundheit,<br />

ist in einem Gleichgewicht, dessen krankheitsbedingter<br />

Verlust nicht nur ein medizinisches Problem ist, sondern<br />

ein sozialer Vorgang. Wir sagen: der Patient fällt<br />

aus. Er fällt aus seiner Lebenssituation und muss wieder<br />

sein Gleichgewicht finden.<br />

Ist dies erreicht, vollendet sich die ärztliche Kunst im<br />

Zurücktreten des Arztes. Sobald wir sehen, dass alles<br />

gut wird, können wir uns zurückziehen. Besonders<br />

eindrucksvoll schildert Rainer Maria Rilke in der Geschichte<br />

„Der Drachentöter“ diesen Rückzug. Nachdem<br />

der Drache unzählige Helden getötet hat, die Hand der<br />

Königstochter als Preis <strong>für</strong> den Befreier – die Prinzessin<br />

zeigt äußert zwiespältige Gefühle angesichts der<br />

möglichen Zwangsbeglückung durch den Retter – der<br />

vom Drachen belagerten Stadt ausgesetzt worden ist,<br />

taucht ein unbekannter Reiter auf und tötet den Drachen.<br />

Das Volk jubelt und erwartet die Ankunft des<br />

Helden. Und während sich die Glocken im Jubel überschlagen,<br />

hält die Prinzessin beim Ankleiden <strong>für</strong> den<br />

festlichen Empfang inne und spürt es: der Held kommt<br />

nicht! Die Geschichte endet: „Der aber ritt schon weit<br />

von der Stadt, und es war ein Himmel voll Lerchen<br />

über ihm. Hätte ihn jemand an den Preis seiner Tat erinnert,<br />

vielleicht wäre er lachend zurückgekehrt; er<br />

hatte ihn ganz vergessen.“<br />

Ist die Welt in Ordnung und heil, wird der Retter überflüssig.<br />

Der Gesundete vergisst die Krankheit und bleibt<br />

dem Arzt auf meist verborgene Weise verbunden. Der<br />

Patient will nicht mehr der Gesund gemachte sein,<br />

sondern einfach gesund. Wie oft hören wir bei der<br />

Anamnese, wenn der Patient ausgeredet hat, und<br />

wir nach weiteren Schwächen und Anfälligkeiten fragen,<br />

da gäbe es nichts. Und wenn wir die verschiedenen<br />

Organsysteme durchgehen, dann tauchen sie<br />

plötzlich auf: „das habe ich völlig vergessen und das<br />

und jenes … da hat mir der, die, das geholfen“<br />

Der Patient will wieder in diesen Gleichgewichtszustand<br />

zurückkehren. „Diese Tabletten müssen Sie lebenslang<br />

einnehmen!“, dagegen wehren sich viele<br />

Patienten, sie empfinden es als unnatürlich. Es macht<br />

sie unfrei. Das Gleichgewicht, das Gesundheit bedeutet,<br />

wird dadurch bemerkbar, dass man nicht mehr an<br />

sie denkt und selbstvergessen frei ist <strong>für</strong> das Leben.<br />

Dr. Klaus Payrhuber<br />

Foto: isignstock © john j. henderson<br />

5


Quiz<br />

Das Quiz 2.2012<br />

Neuralgie<br />

Ein 32-jähriger Kollege wendet sich auf Anraten unseres<br />

damaligen Chefs an mich. Seit 8 Tagen zermürben<br />

starke neuralgische Schmerzen im Bereich der rechten<br />

Schläfe den Patienten. Der Leidensweg begann mit<br />

einer Otitis externa<br />

Rechts. Tetracycline und Antiphlogistica besserten kurz,<br />

aber nach zwei Wochen traten wieder schmerzen im<br />

rechten Ohr auf. Er nahm wieder Antiphlogistica und<br />

ein Cephalosporin, beides ohne Erfolg. Ein Abstrich ergab<br />

eine Pseudomonas-Infektion und der Kollege erhielt<br />

Piperacillin iv. Die Schlacht schien nun gewonnen<br />

zu sein, Schmerzen und Entzündung im Ohr klangen<br />

allmählich ab. Da setzten heftige Schmerzen im Bereich<br />

der rechten Schläfe ein.<br />

Die Schmerzen kommen nur nachts und stellen sich<br />

täglich pünktlich um 19h, 22h und am schlimmsten<br />

um 2h ein. Sie beginnen plötzlich, dauern 1 bis 2 Stunden<br />

und hören dann plötzlich wieder auf. Obwohl der<br />

Schmerz nur punktförmig an einer Stelle lokalisiert ist,<br />

treibt er den armen Mann zum Schreien und Weinen.<br />

Temgesic-Infusionen können den Schmerz kaum lindern.<br />

Welche Arznei beendete sofort dieses Drama?<br />

Wer als erste oder erster die richtige Lösung an<br />

unser Sekretariat mailt, erhält einen Buchgutschein<br />

im Wert von 60 Euro (office@aekh.at).<br />

Dr. Klaus Payrhuber<br />

Foto: isignstock<br />

6


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Die Lösungen vom letzten Mal<br />

Auffällig bei Frau E. R. ist das ständige Kältegefühl und<br />

die Empfindlichkeit auf kalte Luft, kalte Speisen und<br />

Getränke. Die betroffenen Organe sind der Pharynx<br />

und der Nasopharynx. Die Arznei, welche diese Kombination<br />

abdeckt ist Cistus canadiensis, die Zistrose<br />

– sie ist auf dem Titelblatt der letzten Ausgabe abgebildet.<br />

Eine Neigung zu Drüsenschwellungen, besonders im<br />

Halsbereich, bis zum malignen Prozess, ein Kältegefühl<br />

in verschiedenen Körperteilen und eine extreme Kälteempfindlichkeit<br />

zeichnen das Mittel aus. Rissige Hände<br />

und Finger, die bluten können, und ähnliche Erscheinungen<br />

um die Ohren gehören zum Mittelbild. Infekte<br />

betreffen vor allem den Rachen- und den Retronasalraum.<br />

Die Frau erhielt einmalig Cistus c. C 200. Andere wichtige<br />

Arzneien, die durch kalte Luft und Kaltwerden sowie<br />

ein Kältegefühl beim Einatmen charakterisiert werden,<br />

sind Rumex crispus, Ranunculus bulbosus und<br />

Corralium rubrum.<br />

Bei Rumex ist es der Husten, der vor allem verschlimmert<br />

wird (siehe letztes Quiz). Bei Ranunculus bulbosus,<br />

dem knolligen Hahnenfuß, sind die Angriffspunkte<br />

die Muskeln, vor allem die Interkostalmuskulatur,<br />

Haut und Rippenfell. Das Einatmen kalter Luft<br />

löst ein Kältegefühl in der Brust aus. Bei Corallium<br />

rubrum, der Edelkoralle, verschlimmert kalte Luft den<br />

Husten, dessen Anfälle quälend und rasch aufeinanderfolgend<br />

– maschinengewehrartig – sind.<br />

Soweit einige kurze Überlegungen zum ersten Teil.<br />

Beim zweiten handelt es sich um eine massive Sinusitis,<br />

die sich durch eine extreme Wärmeverschlimmerung<br />

auszeichnet. Bücken verschlimmert und es besteht<br />

kein Retronasalkatarrh. Das Sekret ist dickgelb.<br />

Die Lösung ist Pulsatilla, was ich aufgrund der Intensität<br />

der Symptome in der 10 M verabreicht habe.<br />

Dr. Klaus Payrhuber<br />

7


Materia medica<br />

Mensch und Blei –<br />

eine gefährliche Beziehung<br />

Macedonian Museum of Natural History<br />

Seit der frühen Bronzezeit um 7000 vor Chr. wird<br />

Blei verwendet und bis in unsere Zeit überschattet<br />

von der Geschichte seiner schädigenden Wirkung<br />

auf den Menschen.<br />

Die große Kunst der Pharmakologie, besonders<br />

aber der <strong>Homöopathie</strong>, liegt darin, gefährliche und<br />

heimtückische Feinde zu Freunden zu machen. Ein<br />

solcher absoluter Feind <strong>für</strong> den menschlichen Körper<br />

ist Blei. Aus unserem Studium erinnern wir uns<br />

vielleicht an hervorstechende Kennzeichen der<br />

Bleivergiftung wie den blaugrauen Bleisaum am<br />

Zahnfleischrand oder die basophile Tüpfelung der<br />

Erythrozyten.<br />

Es gibt homöopathische Arzneien, bei denen die<br />

Vergiftungssymptome das Arzneimittelbild bestimmen.<br />

Eine solche Arznei ist Plumbum metallicum.<br />

Wir müssen uns dabei vor Augen halten, dass vielen<br />

toxikologischen Symptomen fortgeschrittene<br />

Organveränderungen zugrunde liegen. Die Anfangssymptome<br />

aus der Prüfung mit ihren Modalitäten<br />

stehen oft im Hintergrund. Dennoch erweist<br />

sich Plumbum metallicum als eine sehr hilfreiche<br />

Arznei in der Praxis.<br />

Galenit<br />

Hartmann und Trinks (1) prüften Plumbum metallicum<br />

und erhielten bei 5 Prüfungspersonen 1.024 Symptome.<br />

In Allens Encyclopedia of pure Materia Medica (2)<br />

finden sich neben dieser Prüfung über 4.000 Symptome<br />

aus Vergiftungen von 580 Autoren. Die Hauptangriffspunkte<br />

sind die glatte Muskulatur, das Nervensystem,<br />

Blutgefäße und Blut sowie die Nieren.<br />

Die Symptome erscheinen langsam und schreiten<br />

schleichend fort. Bei Lähmungen sind zuerst einzelne<br />

Teile betroffen, später die ganze Gliedmaße. Die Strecker<br />

erkranken bevorzugt. Akut treten oft Hyperästhesien<br />

auf, später Anästhesie. Zittern und Reißen ebenso<br />

wie Krämpfe und Konvulsionen sind typisch. Die trophische<br />

Störung bedingt Abmagerung einzelner Teile,<br />

in der Folge des gesamten Patienten. Konstriktionsgefühl<br />

innerer Organe, Zusammenziehen des Abdomens,<br />

besonders Einziehung des Nabels mit dem Gefühl eine<br />

Schnur ziehe diesen nach rückwärts. Die Verkrampfung<br />

reicht von extremer Verstopfung bis zu Krampfanfällen.<br />

Hypertonie infolge von Gefäßspasmen. Des weiteren<br />

sind wichtig: Kälte und Berührung verschlimmern,<br />

Strecken, Druck und Reiben bessern, lancierende, blitzartige<br />

Schmerzen.<br />

Der Gemüts- und Geisteszustand wird geprägt durch<br />

Schwäche, Langsamkeit und Hemmung. Das betrifft<br />

Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken. Der Patient<br />

findet nicht die richtigen Worte sich auszudrücken.<br />

Stille Melancholie und geistige Erschöpfung bei körperlicher<br />

Anstrengung sind häufig.<br />

Auch Hysterie und die Neigung zum Täuschen und Übertreiben<br />

werden beschrieben, ebenso Unruhe und Angst.<br />

Vithoulkas (3) sah diese Zustände bei Menschen, die<br />

egoistisch und exzessiv gelebt haben. Apathie wechselt<br />

mit riskanten oder skandalösen Handlungen.<br />

Zwei Kasuistiken sollen das Mittel beleuchten.<br />

Ende Mai 1989 kommt ein 28-jähriger Mann zu mir.<br />

Im April war die rechte Fußsohle taub geworden, das<br />

Taubheitsgefühl, verbunden mit Druck und Ameisen-<br />

8


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

laufen stieg bis zur rechten Mamille auf. Links waren<br />

die Symptome weniger und reichten nur bis zum Knie.<br />

Gleichzeitig entwickelte er eine extreme Darmträgheit<br />

ohne Stuhl bis zu 5 Tagen.<br />

Vom Krankenhaus entließ man ihn mit den Diagnosen<br />

„seröse Meningitis“ und „Polyneuropathie“. Die Gefühlsstörung<br />

hatte sich dort leicht zurückgebildet. Nach der<br />

Entlassung bemerkte er eine zunehmende Ungeschicklichkeit<br />

der rechten Hand und ein Taubheitsgefühl bis<br />

zum rechten Ellenbogen.<br />

Besonders stört ihn ein Gefühl am Rippenbogen beidseits<br />

„wie abgeschnürt“. Ursprünglich war es epigastrisch,<br />

dann hat es sich am Rippenbogen, mehr rechts,<br />

festgesetzt. Es herrscht eine Spannung im gesamten<br />

Bauch, die zur Lendenwirbelsäule zieht. Im Liegen<br />

ist sie besser, er wird aber öfter wach vom Ziehen im<br />

Bauch. Manchmal muss er tief atmen, um den Druck<br />

„zu sprengen“. Auch Massieren tut gut. Seit Beginn der<br />

Krankheit hat er 6 kg abgenommen.<br />

Er muss auf seinen Körper aufpassen, denn beim Duschen<br />

spürt er das Wasser nur auf seinen Schultern, an<br />

den Beinen ist das Empfinden sehr wechselhaft und<br />

eingeschränkt.<br />

Sonst finde ich keine auffälligen Symptome. Daher verschreibe<br />

ich Plumbum metallicum C 30. Er erhält es in<br />

mehrwöchigen Intervallen. Die abdominalen Beschwerden<br />

bessern sich schnell und fast gänzlich, die Verstopfung<br />

erweist sich als hartnäckig, der Stuhl bleibt hart<br />

und schafkotartig. Die Parästhesien werden deutlich<br />

weniger, bis auf Teile der Fußsohle verschwinden sie.<br />

Ich sehe ihn erst wieder im Februar 1999. Die Verkrampfung<br />

am Rippenbogen ist wieder da. Die linke<br />

Hand und der linke Arm zeigen Hypästhesien, über<br />

beiden Knien spürt er ein „Manschettengefühl“. Die<br />

Beschwerden traten während eines KH-Aufenthaltes<br />

wegen einer Sacralgie akut auf. In den letzten Jahren<br />

hatte er ausgedehnte Motorrad- und Fernreisen gemacht<br />

und problemlos Klettern, Laufen und Squash<br />

betrieben. Er erhält Plumbum met. C 200.<br />

Gleichzeitig wird eine MRT durchgeführt, wobei eine<br />

E.D. diskutiert wird. Nach der Einnahme folgt eine<br />

leichte Besserung der Symptome in der ersten Woche,<br />

dann höre ich nichts mehr von ihm.<br />

Der Patient kommt erst wieder 2003, es sind wieder<br />

Parästhesien vom rechtem Bein bis zum Abdomen aufsteigend<br />

aufgetreten. Er versuchte eine hoch dosierte<br />

Cortisontherapie. Dann erwähnt er noch, dass er sich<br />

kurz vor dieser Verschlimmerung Japan-Encephalitis<br />

impfen ließ, da er vorhat nach Vietnam zu reisen. Ich<br />

gab Sulfur 1 M.<br />

Im Jänner 2008 erhält mein Patient <strong>für</strong> eine Zahnoperation<br />

Augmentin. Daraufhin entwickelt er eine toxische<br />

Cholestase, das Bilirubin steigt stetig bis 29 mg%.<br />

GOT und AP sind leichtgradig erhöht. Er klagt über<br />

Übelkeit, Juckreiz und extreme Müdigkeit. In der Klinik<br />

wird eine genetische bedingte<br />

Störung des hepatobiliären<br />

Transportsystems<br />

angenommen, die<br />

es bei ß-Lactam-Antibiotika<br />

geben kann. Er erhält<br />

Phosphor Q 6 ab Mitte<br />

April, gefolgt von Q 9. Dieses<br />

stoppt den Aufwärtstrend<br />

schnell, und Anfang<br />

Juli ist das Gesamtbilirubin<br />

auf 3,9 mg% gesunken.<br />

Im Oktober 2008 ist das<br />

Bilirubin bei 2,8 mg%, der<br />

rechte Vorfuß, besonders<br />

die Sohle, gefühllos und die Koordination vor allem des<br />

rechten Beines bei längerem Gehen gestört. Die Verstopfung<br />

ist weiter ausgeprägt. Eine MRT zeigt einen<br />

Normalbefund. Er erhält Plumbum m. Q 6, später Q<br />

8, einmal täglich 3 Tropfen. Die Parästhesien klingen<br />

nach einigen Wochen ab.<br />

Im August 2009, ich kenne den Patienten jetzt über<br />

20 Jahre, kann er mich im Urlaub nicht erreichen, als<br />

er Kreuzschmerzen bekommt und eine Schwäche im<br />

9


Materia medica<br />

rechten Fuß bemerkt. Er sucht das Krankenhaus auf<br />

und es wird Cortison hoch dosiert verabreicht. Seither<br />

ist er sehr hitzig und hitzeempfindlich. Sulfur Q 6 einmal<br />

3 Tropfen.<br />

Im Juni 2010 höre ich von ihm, dass sich die Beschwerden<br />

des letzten Sommers rasch und vollständig zurückgebildet<br />

haben.<br />

Es ist bis jetzt unklar, welche neurologische Krankheit<br />

genau vorliegt: eine Encephalitis disseminata., das MRT<br />

war nie eindeutig und zuletzt unauffällig, oder eine<br />

Polyneuropathie, das sehr klingt nach einer Verlegenheitsdiagnose?<br />

Tatsache ist, dass der Patient leicht eingeschränkt<br />

ist, es ihm insgesamt<br />

aber sehr gut geht.<br />

Das Schlüsselsymptom des<br />

Retraktionsgefühles im Abdomen,<br />

welches durch Massieren<br />

erleichtert wurde,<br />

führte zusammen mit den<br />

Hypästhesien, der spastischen<br />

Verstopfung und der<br />

raschen Gewichtsabnahme<br />

zu Plumbum metallicum.<br />

schwächer wurde. Das Ameisenlaufen und Taubheitsgefühle<br />

im Bereich der Hand und des Unterarmes verstärkten<br />

sich massiv. Als ich den Patienten sehe, ist die<br />

Armmuskulatur dieses kräftigen Mannes von athletischem<br />

Habitus links weniger als die Hälfte des rechten<br />

Armes, wie der Arm eines Volksschülers. In der Nervenklinik<br />

hatte man die Diagnose „progrediente Muskelatrophie<br />

nach Plexusläsion“ gestellt. Eine Operation<br />

wurde diskutiert und ist jetzt <strong>für</strong> 20.Juni geplant.<br />

Ich verschreibe Plumbum met. C 12 einmal täglich 5<br />

Globuli. Nach einem Monat berichtete der Patient eine<br />

leichte Besserung und er werde sich die OP überlegen.<br />

Eine zweite<br />

Patientengeschichte.<br />

Ein 50-jähriger Mann kommt im Mai 2012 wegen einer<br />

zunehmenden Atrophie der Muskulatur seines linken<br />

Armes. Vorausgegangen war ein Fahrradsturz im Mai<br />

2010, bei dem der Patient unheimliches Glück im Unglück<br />

hatte. Er erlitt damals eine vierfache Wirbelfraktur,<br />

von Th1–Th3 und des Dornfortsatzes von C 7. Die<br />

Frakturen wurden konservativ behandelt. In der Rekonvaleszenz<br />

stürzte er noch einmal auf den linken Ellbogen.<br />

Die monatelange Rehabilitation war von Parästhesien,<br />

„wie unter Strom“, der linken Hand begleitet. Die<br />

Kraft war <strong>für</strong> die meisten Tätigkeiten ausreichend, nur<br />

beim Heben „ließ sie aus“.<br />

Anfang 2012 bemerkte der Patient, dass seine Muskulatur<br />

kontinuierlich abnahm und der linke Arm deutlich<br />

Anfang September erzählt mir die Frau des Patienten,<br />

dass die Operation abgesagt worden sei, die Muskulatur<br />

deutlich zugenommen und der Patient <strong>für</strong> alle<br />

überraschend wieder seine Arbeit als Fahrdienstleiter<br />

aufgenommen habe. Ich lasse ihm ausrichten, er solle<br />

die Arznei weiter nehmen.<br />

Obwohl Plumbum nirgends als Trauma-Arznei aufscheint,<br />

scheint es bei progredienter Muskelatrophie<br />

nach Nervenläsion ein sehr wirksames Mittel zu sein.<br />

Wie weit sekundär ein entzündlicher Prozess posttraumatisch<br />

entstanden ist, wäre zu diskutieren. Auf jeden<br />

Fall sind es hier Vergiftungssymptome von Plumbum,<br />

die durch die Behandlung bestätigt werden.<br />

Dr. Klaus Payrhuber<br />

(1) Hartlaub und Trinks: Reine Arzneimittellehre Bd. I. Leipzig 1828<br />

(2) Allen T.F. Encyclop of pure Materia Medica Vol. VIII, New York – Philadelphia 1874 –1880, Boericke und Tafel<br />

(3) Essenzen homöopathischer Arzneimittel nach G. Vithoulkas, Sylvia Faust, Frankfurt a. Main 1986<br />

10


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Homöopathische Behandlung<br />

maligner Harnblasentumore<br />

von Alok Pareek, Agra, Indien<br />

Herr A. S., 57 Jahre alt:<br />

Bis zum März 2004 war der Patient immer gesund.<br />

Ab diesem Monat trat dreimal im vierzehntägigen Abstand<br />

eine massive Hämaturie auf.<br />

Er wurde im Juli 2004 hospitalisiert und genau untersucht.<br />

In einer Sonografie wurden eine Hydronephrose<br />

rechts und eine Raumforderung in der Harnblase gesehen.<br />

In einer Computertomografie, die in der Folge durchgeführt<br />

wurde, fand man an der rechten posterolateralen<br />

Blasenwand einen Tumor, der genau lokalisiert werden<br />

konnte.<br />

Bei einer Blasenspiegelung zeigte sich ein solider, papillärer<br />

Tumor, der die Mündung des rechten Harnleiters<br />

einschloss. Die Histologie ergab ein Übergangszellcarcinom<br />

der Blase mit Infiltration der umgebenden Muskulatur.<br />

In drei durchgeführten Sonografien (21.07., 13.09. und<br />

01.10.2004) zeigte sich ein Wachstum des Tumors. Die<br />

größte Ausdehnung: 84 x 11 mm.<br />

Im Zeitraum von Juli bis Oktober 2004 wurde dem Patienten<br />

mehrmals geraten, sich operieren zu lassen,<br />

dieser war aber zu ängstlich, und somit entschied er<br />

sich <strong>für</strong> die homöopathische Behandlung.<br />

Lokalsymptome:<br />

• Brennen beim Urinieren, schlechter während und<br />

nach der Miktion.<br />

• Pressen beim Urinieren.<br />

• Dünner Harnstrahl.<br />

• Schmerzhaftes Schweregefühl rechts lumbal sowie<br />

Schmerzen in den Schultern, der Brust und im Nacken.<br />

Er ist verfroren, liebt Alkohol und nichtvegetarisches<br />

Essen.<br />

Gemütssymptome: auffallende Angst, was seine Erkrankung<br />

betrifft. Er ist immer in Eile und er spricht<br />

auch sehr schnell. Er ist sehr ängstlich in Bezug auf<br />

einen chirurgischen Eingriff und hat Furcht vor dem<br />

Tod und vor Krebserkrankungen.<br />

Seit seiner Jugend hat er ein vermehrtes sexuelles Verlangen,<br />

welches seit 2 Jahren wegen der zunehmenden<br />

Schwierigkeit nach dem Geschlechtsverkehr zu urinieren<br />

unterdrückt wird.<br />

==> Cantharis C30 3 x tgl.<br />

Am 20.10.2004 begann die homöopathische Behandlung:<br />

Hier zeigte sich eine wiederkehrende Hämaturie,<br />

häufiges Urinieren mit brennenden Schmerzen sowie<br />

ein verstärktes Pressen mit einem dünnen Harnstrahl.<br />

Die Beschwerden waren sehr heftig und beunruhigend.<br />

==> Terebinthina C30 3x tgl. <strong>für</strong> eine Woche<br />

28.04.2004:<br />

Keine Hämaturie in den letzten vier Tagen, jedoch<br />

noch brennende Schmerzen beim Urinieren.<br />

In der Anamnese ergaben sich folgende Symptome: ein<br />

Mann von durchschnittlichem Körperbau.<br />

Cantharis<br />

Foto: picasa<br />

11


Materia medica<br />

Follow up 10.11.2004:<br />

Er fühlt sich besser bezüglich der brennenden Schmerzen<br />

und den gesamten Beschwerden im Urogenitalbereich.<br />

==> Arsen C200 (Einmalgabe)<br />

==> Uva ursi Urtinktur; 5 Tropfen zweimal tgl. in<br />

einer halben Unze Wasser als Arznei mit<br />

Organbezug (Organ remedy)<br />

Follow up 24.11.2004:<br />

Der Patient wirkt ruhiger und ist weniger ängstlich,<br />

aber die Beschwerden im Urogenitalbereich bestehen<br />

weiterhin. Was ihn bei diesem Besuch wirklich belastet,<br />

ist das vermehrte sexuelle Verlangen mit den anschließenden<br />

Beschwerden beim Urinieren.<br />

==> Cantharis C30 3 x tgl.<br />

==> Uva ursi weiter wie bisher<br />

Follow up 04.01.2005:<br />

Weniger Brennen beim Urinieren; muss beim Urinieren<br />

noch pressen.<br />

==> Conium M<br />

==> Uva ursi wird abgesetzt<br />

Follow up 04.02.2005:<br />

Der Tumor wird kleiner (31x10 mm).<br />

Zeitweise brennt es noch beim Urinieren.<br />

==> Placebo<br />

Follow up 25.04.2005:<br />

Sonografie: der Tumor wird kleiner (21x5-8 mm), keine<br />

vergrößerten Lymphknoten, die Leber ist unauffällig.<br />

Follow up 01.12.2004:<br />

Die Lokalbeschwerden sind besser, keine Hämaturie.<br />

==> Conium C200<br />

==> Uva ursi weiter wie bisher<br />

Follow up 17.12.2004:<br />

Der Patient wirkt ruhig und die Beschwerden sind besser.<br />

In einer Sonografiekontrolle ist der Tumor deutlich<br />

kleiner (38x20 mm).<br />

Follow up 11.07.2005:<br />

Die Größe des Tumors reduziert sich wieder (19x4–7<br />

mm). Der Patient ist fröhlich und hat keine Beschwerden<br />

im Urogenitalbereich.<br />

Follow up Juni 2005:<br />

Im Ultraschall ist kein Tumor mehr nachweisbar.<br />

12


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Die verordneten Arzneien:<br />

Terebinthina:<br />

Hat eine selektive Wirkung auf Nieren und Harnblase.<br />

Keynote: Blutungen der Harnblase<br />

Wird bei akuten Beschwerden mit Brennen beim Urinieren<br />

und Hämaturie gegeben.<br />

Cantharis:<br />

Deckt die sexuellen Beschwerden ab. Wurde verordnet,<br />

nachdem Terebinthina die Hämaturie beseitigte.<br />

Follow up April 2008:<br />

Der Patient ist klinisch symptomfrei, keine Beschwerden<br />

beim Urinieren, er geht seiner täglichen Arbeit<br />

nach und ist fröhlich. Die Laboruntersuchungen, sowie<br />

der Ultraschall sind unauffällig.<br />

Follow up März 2010:<br />

Dem Patienten geht es psychisch und körperlich gut,<br />

er hat einen normalen Harnstrahl. Der wieder durchgeführte<br />

Ultraschall ist ohne pathologischen Befund. Die<br />

Tumormarker und Nierenwerte sind im Normbereich<br />

Uva ursi:<br />

Eine exzellente Organarznei<br />

<strong>für</strong> die Harnblase.<br />

Große Schmerzen und brennendes<br />

Urininieren.<br />

Chronische Blasenreizung.<br />

Ist eine große klinische Hilfe<br />

bei malignen Blasentumoren.<br />

Am besten eignet sich die<br />

Arznei in der Urtinktur.<br />

Arsenicum album:<br />

Arsen half bei den Ängsten und der Verzweiflung.<br />

Diese Arznei gibt solchen Patienten Stabilität und mentale<br />

Stärke. Dies bewährt sich schon lange bei der Behandlung<br />

von Krebserkrankungen.<br />

Arzneien mit starken mentalen Symptomen werden oft<br />

bei Krebspatienten zum Aufbau eines guten gemeinsamen<br />

Vertrauens gebraucht.<br />

Urheber: Regis.gallois; Quelle: commons.wikimedia.org<br />

Diskussion:<br />

• Zeigt sich in einem Fall eine fortgeschrittene Lokalpathologie,<br />

dann ist es notwendig, auf die auffallendsten<br />

Lokalsymptome zu schauen.<br />

• Eine Organarznei ist zu finden.<br />

• Die Gemütssymptome und der Gemütszustand sind<br />

von großer Wichtigkeit.<br />

Conium:<br />

Das war die konstitutionelle Arznei mit dem Bezug<br />

zur Krebsdiathese. Conium ist eine Arznei <strong>für</strong> Krebs<br />

und hat viele Urogenitalsymptome. Conium hat einen<br />

großen Organbezug zur Prostata und Harnblase und<br />

hat beides, vermehrtes und vermindertes sexuelles Verlangen.<br />

Übersetzung und Bearbeitung:<br />

Dr. Bernhard Zauner<br />

13


Arzneianwendung<br />

Die Behandlung alter Menschen<br />

Einleitung<br />

Wirft man einen Blick auf die Statistik, kann man<br />

dieser entnehmen – und das ist auch im täglichen<br />

Leben zu beobachten – dass der Anteil an älteren<br />

Menschen in unserer Bevölkerung durch die steigende<br />

Lebenserwartung immer mehr wird. In der<br />

täglichen homöopathischen Praxis macht sich dieses<br />

Phänomen kaum bemerkbar. Hier finden wir zum<br />

Großteil Kinder und jüngere Menschen, der Anteil<br />

an wirklich alten Menschen ist nicht auffallend.<br />

Trotz der Zunahme dieser Bevölkerungsgruppe, reagiert<br />

die Medizin – und zwar Schulmedizin und<br />

<strong>Homöopathie</strong> gleichermaßen – aber nicht wirklich.<br />

Paula Modersohn-Becker:<br />

Brustbild einer alten Frau im Profil (1897 – 1898)<br />

Wir müssen uns also vermehrt Gedanken machen, was<br />

wir bei der homöopathischen Behandlung des geriatrischen<br />

Patienten erreichen wollen: Müssen wir dabei<br />

die Heilung (Org 6, §3) als oberstes Ziel sehen, oder<br />

geht es einfach „nur“ um die Besserung der Lebensqualität<br />

eines Menschen am Lebensabend? Was sind<br />

unsere mitunter oft sehr hochgesteckten Ziele und was<br />

sind gerade bei diesen Patienten deren Ziele bzw. Be-<br />

Foto: Paula Modersohn-Becker Picture Gallery<br />

dürfnisse? Können wir als junge, vitale Menschen die<br />

Wünsche alter, z. T. multimorbider Menschen überhaupt<br />

verstehen, „erfühlen“ und erfüllen? Was können<br />

wir mit unserer Methode beim geriatrischen Patienten<br />

erreichen? Denn zu berücksichtigen gilt: Die Lebenskraft<br />

schwindet im Laufe eines Lebens und somit auch<br />

die Reaktionskraft eines Organismus.<br />

So schreibt Hahnemann im Org 6, §208, u. a. dass das<br />

Alter des Patienten beachtet werden muss, was den<br />

Verlauf und das Ergebnis der Behandlung betrifft.<br />

Es wird also künftig, gerade was diese Patientengruppe<br />

betrifft, durchaus immer wieder einmal vorkommen,<br />

dass wir als Homöopathen mit der Schulmedizin zusammenarbeiten<br />

müssen. Begleitende Maßnahmen,<br />

die nicht primär die Behandlung eines Leidens betreffen,<br />

wie z. B. die Betreuung und Pflege im Alltag werden<br />

dabei zunehmend an Bedeutung gewinnen.<br />

Hier möchte ich ein paar Gedanken von Gawlik i zusammenfassen:<br />

In manchen Fällen bessert sich der Zustand alter Menschen<br />

nach Absetzen oder Beschränken der Medikamente.<br />

Welche Krankheiten sind behandlungsbedürftig<br />

oder -fähig.<br />

Der homöopathische Arzt muss sich seiner Rolle als Bezugsperson<br />

bewusst sein und die Patienten als Kommunikationspartner<br />

ernst nehmen. Zuwendung und Interesse<br />

[eigene Anmerkung: und Zusammenarbeit] von<br />

Pflegepersonal, Angehörigen und Arzt helfen dem alternden<br />

Menschen, sein Altwerden als natürlichen, biologischen<br />

Prozess zu akzeptieren.<br />

Es empfiehlt sich, die somatischen Fähigkeiten und die noetische<br />

Vigilanz rechtzeitig und regelmäßig zu trainieren.<br />

Der Patient ist nur zur Gesundung motiviert, wenn er das<br />

Gefühl hat, nicht nutzlos zu sein.<br />

Einfach nachvollziehbare Dosierungsschemata begünstigen<br />

die Compliance.<br />

Bestimmte Anwendungsformen fallen dem Patienten<br />

schwer. das Zählen von Tropfen z. B. kann schwierig sein.<br />

Anhand zweier Fällen soll nun das Vorgehen in<br />

der Praxis aufgezeigt werden:<br />

14


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Fall 1<br />

Am 11.04.2008, kurz vor ihrem 102. Geburtstag,<br />

besuchte ich eine Dame, deren Tochter mich bat,<br />

ob ich nicht zu ihr kommen könnte.<br />

Schon hier sehen wir eine ganz andere Situation. Wir<br />

Homöopathen führen selten Hausbesuche durch, bei<br />

alten Patienten ist dies aber oft nicht vermeidbar.<br />

In der weiteren Behandlung fiel die Geräuschempfindlichkeit<br />

immer deutlicher auf. Am Ende ihres Lebens<br />

war die Patientin zunehmend schläfrig, lag halbsitzend<br />

in ihrem Bett. Sie reagierte aber sehr plötzlich auf<br />

Geräusche und Fragen, öffnete die Augen und nahm<br />

Kontakt auf. Nie klagte sie über irgendwelche Beschwerden,<br />

die Tochter sagte mir, dass sie immer zufrieden<br />

sei und nie jammere.<br />

Zu Jahresbeginn 2008 hatte die Patientin eine Pankreatitis,<br />

seither ist sie um vieles schwächer als zuvor. Sie<br />

liegt mehr, schläft auch untertags mehr als sonst, trinkt<br />

weniger und das Schlucken ist sehr schwierig geworden.<br />

Seit der Pankreatitis hat sie immer wieder Fieberschübe,<br />

sie bekommt immer wieder Antibiotika, da der<br />

Harn zeitweise nicht in Ordnung ist. Ganz klar ist die<br />

Fieberursache aber oft auch nicht. Die Bauchspeicheldrüse<br />

ist zu diesem Zeitpunkt in Ordnung.<br />

Immer wenn sie Fieber hat, ist das Schlucken schwierig.<br />

Sie isst langsam und kleine Mengen. Mit einer bronchialen<br />

Verschleimung hat sie schon länger zu tun.<br />

Nach dieser Akutanamnese wurde Opium C30 verabreicht.<br />

Am 29.04.2008 bekam ich ein Email der Tochter, in<br />

dem sie folgendes schrieb:<br />

„Ich bin so froh, dass es meiner Mutter besser geht, sie<br />

war ja so arm. Sie hat kein Fieber mehr, sie kann wieder<br />

ganz gut schlucken, das Essen schmeckt ihr einigermaßen<br />

gut, sie ist allgemein frischer, spricht wieder<br />

und lächelt auch. Seit ein paar Tagen sitzt sie auch<br />

schon wieder mehrere Stunden heraußen, kann auch<br />

wieder alleine am Bettrand sitzen.“<br />

Es wurde dann auch noch eine Anamnese durchgeführt.<br />

Die Patientin hatte ein sehr bewegtes Leben. Sie<br />

wurde 1906 im Burgenland geboren, wuchs zweisprachig<br />

auf, verlor 1920 die Mutter und musste die Verantwortung<br />

<strong>für</strong> ihre drei jüngeren Schwestern übernehmen.<br />

Sie ging mit ihrer jüngeren Schwester nach<br />

W. Gawlik ii schreibt über Opium (auszugsweise): Die<br />

Patienten weisen eine äußerst mangelhafte somatische<br />

Responsibilität auf, z. B. bezüglich Arzneimittel. Reaktionen<br />

finden sich lediglich auf laute Geräusche: Opium ist<br />

sehr lärmempfindlich und wacht beim geringsten Geräusch<br />

auf. Dabei entwickelt sich ein immer stärkeres<br />

Schlafbedürfnis. Opium gähnt bei jeder Gelegenheit und<br />

schläft mitunter schon im Sitzen ein, beklagt sich aber<br />

niemals über Schlafsucht oder andere Beschwerden.<br />

Die Schläfrigkeit und die mangelnde Reaktion auf die<br />

Antibiotika kann man hier sehen.<br />

Wien und arbeitete als Köchin. Dann ging es weiter<br />

an verschiedene Orte. 1935 heiratete sie und bekam<br />

zwei Töchter, eine starb bereits mit 18 Monaten. Während<br />

und nach dem zweiten Weltkrieg pachtete sie<br />

den Braugasthof in Zipf und erlebt die Naziherrschaft<br />

hautnah mit. Dann pachtete sie in einem Kurort einen<br />

Gasthof. Ihr Mann starb 1961. 1969 baute sie ein Haus<br />

und eröffnete 1970 eine private Pension, die sie bis<br />

Ende der 1980er Jahre führt. 2001 starb ihre jüngere<br />

Schwester, die sie immer begleitete und die sie bis zu<br />

deren Tod mitbetreute. Die Tochter erzählt, dass ihre<br />

Mutter nie jammerte. Gesundheitlich gab es nie erns-<br />

15


Arzneianwendung<br />

tere Probleme. Mit gut 80 Jahren setzte sie alle Medikamente<br />

ab, weil sie diese, wie sie behauptete, nicht<br />

vertragen hat. Bis zu der Pankreatitis 2008 nahm die<br />

Patientin keine Medikamente ein. Danach wurde ihr<br />

eine Blutdrucktablette und ASS verordnet, sowie eine<br />

Diuretikum, welches nur selten gegeben wird.<br />

Zu Allgemeinsymptomen sind keine besonderen Symptome<br />

zu erfragen.<br />

Nach der Anamnese wird kein weiteres Arzneimittel verordnet.<br />

In den nächsten Wochen entwickelt die Patientin<br />

eine allergische Symptomatik, die sie noch nie hatte und<br />

die <strong>für</strong> dieses Alter doch etwas Ungewöhnliches ist. Da<br />

sich diese nicht bessert, wird im Juni 2008 Opium wiederholt.<br />

In den darauffolgenden Tagen bessern sich die<br />

Beschwerden trotz schönen Wetters auffallend.<br />

das Abhusten in diesem Alter mit dem geschwächten<br />

Allgemeinzustand schwierig ist. Sie probiert auch<br />

Schleimlöser, mit dem Ergebnis, dass sich dieser Zustand<br />

noch verschlechtert, somit wird dieser wieder<br />

abgesetzt. Kurz nach diesem Gespräch verschlechtert<br />

sich der Allgemeinzustand zunehmend, auf Opium<br />

diesmal keine Reaktion und somit bekam sie nach<br />

einer längeren Zeit erstmals wieder ein Antibiotikum.<br />

April 2011: Neu aufgetreten sind Schluckbeschwerden<br />

und Unmengen an dünnen Stuhl, sowie Unterschenkelödeme<br />

und eine stark schwankende Vigilanz.<br />

Hier wird der Patientin Lachesis C200 verordnet, worauf<br />

sich die Schluckstörung deutlich bessert, jedoch<br />

die restliche Symptomatik unberührt blieb und somit<br />

nach 5 Wochen wieder zurück auf Opium C200 gewechselt<br />

wird.<br />

Anfangs September 2008 kommt es erstmals wieder<br />

zu einem Fieberanstieg: Da ich nicht erreichbar bin,<br />

gibt die Tochter selber Opium, wiederum tritt eine rasche<br />

Besserung ein.<br />

Im Februar 2009 wiederholt sich dieselbe Episode. Das<br />

Fieber ist sehr hoch, bis zu über 39°C und die Tochter<br />

traut sich nicht mehr ohne Antibiotikum und gibt<br />

eines, welches sie noch zu Hause hat. Nach dieser Therapie<br />

besteht noch weiterhin Fieber, nach Opium wieder<br />

rasche Besserung. Die Patientin ist jetzt wieder viel<br />

auf und sehr rege. Ihre Tochter liest ihr täglich aus der<br />

Zeitung vor, was sie sehr aufmerksam verfolgt.<br />

Der Allgemeinzustand bessert sich wieder, erlangt aber<br />

nicht mehr das Befinden vor dem April 2011.<br />

Am 31. Mai kommt es zu einem Harnverhalten, zusätzlich<br />

viel Schleim und erhöhte Temperatur.<br />

Opium C200 wird wiederholt, da es in folgender Rubrik<br />

iii zu finden ist:<br />

Kidneys; Suppression of urine; fever, with (12) : Arn.,<br />

Ars., Bell., Cact., Canth., colch., crot-h., Hyos., Op.,<br />

Plb., Sec., Stram.<br />

Nach der Gabe setzt die Urinfluss wieder ein, anfangs<br />

Juli wiederholt sich die Situation. Es wird wieder Opium<br />

verabreicht, worauf wieder der Harnfluss einsetzt.<br />

Wegen der bereits beschriebenen Zustände bekommt die<br />

Patientin bis November 2010 fünf Gaben Opium C30.<br />

Über den gesamten Behandlungszeitraum besteht<br />

neben den Besuchen ein sehr reger E-Mail-Kontakt.<br />

Im Jänner 2011 wird die bronchiale Verschleimung<br />

deutlich mehr. Mit der Tochter wird besprochen, dass<br />

Am 29.07.2011 bekomme ich zu Mittag ein Email, in<br />

dem die Tochter berichtet, dass es ihrer Mutter seit<br />

16


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

letzter Nacht nicht gut geht, „sie atmet so komisch<br />

und schwer. Ich mache mich auf alles gefasst“. An<br />

diesem Tag ist sie verstorben.<br />

Gedanken zur Anamnese<br />

Es ist die große Zehe links betroffen, eine deutliche,<br />

rote Schwellung ist zu beobachten und die Bettwärme<br />

tut ihm gar nicht gut, er streckt den Fuß immer aus<br />

dem Bett.<br />

Sabina C200 wird verordnet und bewirkt eine rasche<br />

Beschwerdefreiheit.<br />

Immer wieder kann ich beobachten, dass bei älteren<br />

Patienten die „Ausbeute“ an deutlichen Symptomen<br />

nicht sehr ergiebig ist. Am ehesten lassen sich oft §<br />

153-Symptome im Bereich lokaler Beschwerden finden.<br />

Für mich gibt es da<strong>für</strong> verschiedene Gründe. Einerseits<br />

erlebten diese Menschen Zeiten ohne den <strong>für</strong> uns<br />

selbstverständlichen Wohlstand und somit sind z. B.<br />

auffallende Nahrungsmodalitäten kaum zu erfragen.<br />

Man kann auch auf Informationen von Angehörigen,<br />

bzw. dem Pflegepersonal angewiesen sein, und so wie<br />

bei kleinen Kinder hängt dieser Informationsgehalt von<br />

der Beobachtungsgabe der Bezugsperson ab.<br />

Ein biografischer Lebensüberblick kann Hinweise auf<br />

den Gemütszustand und prägende Ereignisse eines<br />

langen Lebens geben und zeigt Interesse dem Patienten<br />

gegenüber, was diese von allopathischen Kollegen<br />

doch nicht so gewohnt sind.<br />

Fall 2<br />

Herr J. Z., geb. 1928<br />

Er kommt erstmals am 30.05.2008. Er leidet an einer<br />

Gichtzehe und war schon beim Hausarzt. Die bisherige<br />

allopathische Therapie brachte keinen Erfolg und so<br />

kommt er nun auf Anraten seiner Tochter.<br />

Herr Z. kommt dann wieder am 14. August 2008. Bei<br />

dem Gichtanfall im Mai wurde auch eine Blutabnahme<br />

durchgeführt, in der sich ein deutlich erhöhter PSA-<br />

Wert (16,4 ng/ml) zeigte, worauf eine urologische Begutachtung<br />

durchgeführt wurde. Die Diagnose: mäßig<br />

differenziertes Adenocarcinom der Prostata. Im CT des<br />

kleinen Beckens und einer Knochenszintigrafie zeigen<br />

sich keine Hinweise auf eine Metastasierung.<br />

Vom Urologen wird am 07.08. eine Therapie mit Bicalutamid<br />

<strong>für</strong> 30 Tage begonnen, zusätzlich sollen Trenantone-Injektionen<br />

durchgeführt werden. Eine Strahlentherapie<br />

ist geplant.<br />

In der an diesem Tag durchgeführten Anamnese sind –<br />

wie oben erwähnt – wenige Symptome zu erfragen.<br />

Bisherige Erkrankungen: Schädelbasisbruch und Z. n. CHE<br />

Er hatte bisher keine Beschwerden seitens der Prostata,<br />

nur nachts muss er ein- bis zweimal aufstehen,<br />

dass sei aber schon lange so. Bisher war er noch nie<br />

bei einem Urologen und so gerne gehe er sowieso<br />

nicht zu einem Arzt.<br />

Er ist sehr gelassen, es bringt ihn nichts aus der Ruhe,<br />

auch seine Frau nicht, die ständig spricht. Er ist ein eifriger<br />

Arbeiter. „Ich bin jeden Tag draußen und kann im<br />

Sommer auch in der Mittagshitze Rasenmähen“. Jammern<br />

tut er nicht: „Ich bin hart im Nehmen“. Der Tag<br />

läuft immer geregelt ab.<br />

Er ist beim Essen nicht heikel, er ist die Kost von früher<br />

gewohnt, hat gerne Fleisch und Most.<br />

Conium C12 1x tgl. wird begonnen.<br />

17


Arzneianwendung<br />

Dann höre ich länger nichts von ihm. Er meldet sich<br />

vor der Bestrahlung. Am 20.11. war er beim Urologen,<br />

der PSA-Wert ist auf 0,72 ng/ml gesunken, der Hausarzt<br />

und der Urologe sind sehr überrascht. Aus dem<br />

Arztbrief des Urologen: „Sehr günstige Entwicklung<br />

bereits unter der hormonellen Therapie“. Die ganze<br />

Zeit geht es dem Patienten gut, sein Leben ging weiter,<br />

so wie bisher.<br />

Vom 25.11.2008 bis 23.01.2009 wird die Strahlentherapie<br />

durchgeführt. Manchmal spürt er „gichtische“ Beschwerden,<br />

aber nicht sehr stark. Sollten diese ärger<br />

werden, empfehle ich ihm wieder Sabina.<br />

Conium wird weiter gegeben, zusätzlich alle zwei Wochen<br />

eine Gabe Radium bromatum C200.<br />

Während der Bestrahlung kommt es zu keinen Miktionsproblemen,<br />

jedoch gegen Ende zu schleimigen<br />

Durchfällen.<br />

Phosphor C200 wird einmalig gegeben (nach Spinedi<br />

ist Phosphor ein Mittel <strong>für</strong> Folgen von Bestrahlung).<br />

Die Durchfälle hören auf und dem Patienten geht es<br />

gut.<br />

Im Februar 2009, nach einer neuerlichen urologischen<br />

Kontrolle mit unauffälligem Befund und einem PSA<br />

von 0,05 ng/ml wird Conium abgesetzt.<br />

Fast zwei Jahre später, im Jänner 2011 kommt der Patient<br />

wieder und klagt über heftige Durchfälle. Er kann<br />

den Stuhl nicht mehr halten, auch beim Urinieren kann<br />

er Stuhl verlieren. Es besteht ein ganz plötzlicher Stuhldrang,<br />

der Stuhl ist ganz flüssig. Bisher Immodium<br />

Kapseln und Bioflorin Kapseln, aber ohne Besserung.<br />

Sobald er etwas isst, muss er drei- bis viermal auf die<br />

Toilette. Einmal sei auch Blut dabei gewesen.<br />

Da die Beschwerden so heftig sind, er einmalig blutigen<br />

Stuhl hatte und dieser Bereich vor zwei Jahren bestrahlt<br />

wurde, empfehle ich dem Patienten eine Abklärung<br />

durch den Internisten.<br />

Der Befund der Coloskopie zeigt einen Verdacht auf<br />

eine makroskopisch verdächtige polypoide Läsion im<br />

Rektum und einen Sigmapolypen. Die histologische<br />

Aufarbeitung der entnommenen Biopsien ergibt ein<br />

Adenocarcinom.<br />

Da der Patient in einem sehr guten Allgemeinzustand<br />

ist, wird eine Operation empfohlen, diese lehnt er aber<br />

wegen seines Alters ab.<br />

Follow up am 24.02.2011:<br />

Der heftige Stuhldrang ist vorbei, er verliert keinen<br />

Stuhl mehr und es kam zu keiner Blutbeimengung<br />

beim Stuhl.<br />

Neu ist ein heftiges Nasenbluten, welches bis zu einer<br />

Stunde anhalten kann. Erstmals erlebe ich den Patienten<br />

in einer anderen Gemütsverfassung. Für ihn ist die<br />

Sache erledigt: „Bevor ich mich ins Krankenhaus lege<br />

und mir was rausschneiden lasse, sterbe ich lieber“.<br />

Nitricum acidum C200 wird verabreicht.<br />

Grund da<strong>für</strong> sind die zwei organbezogenen Rubriken<br />

Nasenbluten und Rectumcarcinom, sowie sein Gemüt.<br />

In Mezgersiv gesichteter Arzneimittellehre finden wir<br />

unter Nit-ac: Ängstlichkeit, als lebe er in einem beunruhigenden<br />

Prozesse oder Streite. Hoffnungslosigkeit und<br />

Verzweiflung. Lebenssatt. Bildet sich ein, bald zu sterben.<br />

Wortkarg und verschlossen bei Traurigkeit.<br />

Telefonat 08.03.2011:<br />

Das Nasenbluten sistierte und der Stuhl ist in Ordnung.<br />

Croton tiglium C200<br />

18


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Telefonat 13.08.2011:<br />

Zwischenzeitlich hatte er zwei Tage starken Durchfall,<br />

welcher sich wieder von selber legte.<br />

Am 14. 12. 2011 besucht er mich wieder. Seitens des<br />

Rectumcarcinoms hat er keine Beschwerden. Nun ist<br />

der Tränenkanal rechts verstopft und das Auge tränt<br />

vermehrt.<br />

Arsen C200 behebt dieses Problem.<br />

Bei diesem Patient kann man deutlich sehen, dass<br />

mit wenigen Symptomen immer wieder eine deutliche<br />

Besserung der Beschwerden bei doch zwei schweren<br />

körperlichen Erkrankungen zu erreichen ist. Sicher<br />

ist dieser Fall bisher <strong>für</strong> den Patienten und mich sehr<br />

glücklich verlaufen. Zwischendurch kamen mir schon<br />

immer wieder Gedanken, ob ich hier noch den Weg<br />

verfolge, den ich lernte und üblicherweise in der Praxis<br />

anwende.<br />

Telefonat Mai 2012:<br />

Das Rectumcarcinom macht keine Beschwerden.<br />

Es gehe ihm gut.<br />

i W. Gawlik, <strong>Homöopathie</strong> in der Geriatrie; Hippokrates Verlag, 2. Auflage 2001, S.16<br />

ii W. Gawlik, <strong>Homöopathie</strong> in der Geriatrie; Hippokrates Verlag, 2. Auflage 2001, S.168<br />

iii MacRepertory, Complete 4.5<br />

iv J. Mezger, Gesichtete homöopathische Arzneimittellehre, 6. Auflage, Band 1, S.50<br />

Der Abend<br />

Nach einem Gemälde.<br />

Senke, strahlender Gott – die Fluren dürsten<br />

Nach erquickendem Thau, der Mensch verschmachtet,<br />

Matter ziehen die Rosse –<br />

Senke den Wagen hinab!<br />

Siehe, wer aus des Meers kristallner Woge<br />

Lieblich lächelnd dir winkt! Erkennt dein Herz sie?<br />

Rascher fliegen die Rosse,<br />

Tethys, die göttliche, winkt.<br />

Schnell vom Wagen herab in ihre Arme<br />

Springt der Führer, den Zaum ergreift Cupido,<br />

Stille halten die Rosse,<br />

Trinken die kühlende Flut.<br />

An den Himmel herauf mit leisen Schritten<br />

Kommt die duftende Nacht; ihr folgt die süße<br />

Liebe. Ruhet und liebet!<br />

Phöbus, der Liebende, ruht.<br />

F. Schiller<br />

Um die Bedürfnisse alter Menschen<br />

zu verstehen, müsste man diese einmal<br />

erleben und fühlen können.<br />

19


Fallstudie<br />

Asperger-Syndrom Eine Fallstudie mit Polaritätsanalyse *<br />

Zusammenfassung<br />

Das Asperger-Syndrom gehört in den Formenkreis der autistischen Krankheitsbilder, der charakterisiert ist<br />

durch eine Beeinträchtigung der sozialen Interaktion, der Kommunikation sowie stereotype Verhaltensmuster.<br />

Im Gegensatz zum frühkindlichen Autismus sind Intelligenz und Sprachentwicklung beim Asperger-Syndrom<br />

nicht beeinträchtigt. Da<strong>für</strong> liegt oft eine motorische Dysfunktion vor, die beim frühkindlichen Autismus<br />

in der Regel fehlt. Die Asperger-Diagnose ist schwierig, weshalb das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung<br />

bei 11 Jahren liegt. In diesem Beitrag wird das Krankheitsbild anhand eines jetzt 8-jährigen Mädchens vorgestellt.<br />

Das Besondere an dieser Patientin ist, dass ihre Verhaltensstörung bereits ab dem 2. Lebensjahr homöopathisch<br />

behandelt werden konnte. Das Kind führt heute, u.a. dank einer konsequenten Therapie mit dem<br />

Arzneimittel Lycopodium, ein praktisch normales Leben. Die homöopathische Mittelbestimmung erfolgte mit<br />

Hilfe der Polaritätsanalyse, die mit verhältnismäßig geringem Aufwand eine präzise Arzneimittelwahl ermöglicht.<br />

Das praktische Vorgehen wird dargestellt und anhand des Fallbeispiels erläutert.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Asperger Syndrom, <strong>Homöopathie</strong>, Polaritätsanalyse, effiziente Mittelbestimmung<br />

Einführung<br />

Der frühkindliche Autismus (Kannersyndrom) ist ein<br />

sehr heterogenes, angeborenes, wahrscheinlich genetisch<br />

geprägtes Krankheitsbild, mit einer Beeinträchtigung<br />

der sozialen Interaktion und der Kommunikation<br />

sowie stereotypen Verhaltensmustern. - Weitere charakteristische<br />

Symptome sind die Unfähigkeit Blickkontakt<br />

aufzunehmen und entwicklungsgemäße Beziehungen<br />

zu Gleichaltrigen aufzubauen. Eine verzögerte<br />

oder sogar völlig ausbleibende Sprachentwicklung,<br />

eine deutliche Beeinträchtigung der Fähigkeit Gespräche<br />

zu führen oder ein repetitiver, stereotyper Gebrach<br />

der Sprache sind häufig. Auch beschränkte, repetitive<br />

und stereotype Verhaltens-, Interessens- und Aktivitätsmuster<br />

gehören zum Vollbild des Kannersyndroms,<br />

das sich normalerweise in den ersten drei Lebensjahren<br />

manifestiert. Die Intelligenz ist meist beeinträchtigt,<br />

bis hin zur schweren geistigen Behinderung, die Motorik<br />

aber nicht betroffen.<br />

Vom frühkindlichen Autismus wird das Asperger-Syndrom<br />

unterschieden, eine autistische Verhaltensstörung,<br />

bei der die Diagnose oft erst nach dem dritten<br />

Lebensjahr gestellt werden kann. Auch hier besteht<br />

ein Mangel an sozialen Interaktionen und stereotype<br />

Interessen und Rituale; die Sprachentwicklung verläuft<br />

aber normal. Der Sprachstil der betroffenen Kinder<br />

kann förmlich sein, die Sprachmelodie auffällig, die Intelligenz<br />

ist aber nicht beeinträchtigt, und kann sogar<br />

sehr hoch sein. Motorisch sind Ungeschicktheit und<br />

Koordinationsstörungen häufig. 1,2<br />

Fallstudie<br />

Valerie (Name geändert) wird als zweites Kind gesunder<br />

Eltern nach einer normalen Schwangerschaft in der<br />

39. Schwangerschaftswoche geboren. Bereits in der<br />

frühen Säuglingszeit fällt ihre Empfindlichkeit auf Geräusche<br />

auf; auch auf sonstige Umweltreize reagiert<br />

* Originalpublikation: H. Frei, Asperger‘s Syndrome, A Case Study with Polarity Analysis. Homeopathic Links 2011; 24: 19-22.<br />

20


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

sie irritiert. Wegen einer leichten Extensorspastizität mit<br />

Opisthotonusneigung wird im Alter von vier Monaten<br />

eine Entwicklungsphysiotherapie nach Bobath eingeleitet.<br />

In den ersten zwei Lebensjahren erwacht sie häufig<br />

nachts, und schreit zum Teil stundenlang ohne erkennbaren<br />

Grund. Bis zum Alter von 12 Monaten kann kein<br />

Zeigen auf Gegenstände mit gleichzeitiger Sichtkontaktaufnahme<br />

zur Mutter beobachtet werden. Die Sprachentwicklung<br />

beginnt früh, und schon im dritten Lebensjahr<br />

hat Valerie eine „hoch differenzierte Sprache“.<br />

In Südafrika, wo sich die Familie regelmäßig aufhält,<br />

lernte sie auch ihre erste Fremdsprache, Englisch, sehr<br />

schnell. – Auffällig ist aber, dass sie bei Begrüßungen<br />

und Verabschiedungen in den ersten Lebensjahren den<br />

Blickkontakt völlig meidet. Gefühle sind nicht in ihrem<br />

Gesicht ablesbar, aber sie thematisiert sie verbal oder<br />

durch Zeichen. Mit Puppen spielt Valerie immer auf dieselbe<br />

Weise, und ihre Spielzeugtiere haben einen klar<br />

definiertem Platz im Stall. Jahrelang macht Valerie ihre<br />

Lieblingsspiele, ohne ihrer überdrüssig zu werden.<br />

Andern Kindern gegenüber will sie eine Führungsrolle<br />

einnehmen, was oft zu Streit und Tätlichkeiten führt.<br />

Es fällt ihr schwer wahrzunehmen, wie sich ein anderer<br />

Mensch fühlt. Hat jemand Schmerzen, so muss ihr das<br />

gesagt werden. Die Mutter beobachtet sogar, wie sie<br />

ein kleineres Kind auf den Arm nimmt, es drückt und<br />

dann plötzlich fallen lässt. Es ist schwierig, ihr soziale<br />

Regeln zu erklären. Wenn etwas nicht genau nach<br />

ihren Vorstellungen läuft, oder bei kurzfristigen Programmänderungen<br />

der Familie, kann es zu stundenlangen<br />

Schreianfällen kommen. - Kälte nimmt Valerie<br />

nur reduziert wahr, der Geruchssinn hingegen ist äußerst<br />

empfindlich, und auf Geräusche reagiert sie nach<br />

wie vor stark: Die „lauten Wellen“ am Ferienstrand<br />

sind <strong>für</strong> sie unerträglich. Auch Berührung durch andere<br />

hat sie nicht gerne.<br />

Kinderneurologische Untersuchungen: Im Alter<br />

von 2 1 /2, 5 und 6 Jahren wird Valerie vom Kinderneurologen<br />

untersucht. Dieser findet keine Hinweise<br />

auf eine neurologische Erkrankung, eine gute Intelligenz<br />

und eine altersentsprechende psychomotorische<br />

Entwicklung, stellt aber die Diagnose von schweren<br />

Verhaltensauffälligkeiten mit schlechter Impulskontrolle<br />

und motorischer Unruhe. Er leitet eine heilpädagogische<br />

Früherziehung und Ergotherapie mit sensorischer<br />

Integration ein.<br />

Homöopathische Behandlung: Mit 1 1 /2 Jahren erfolgt<br />

eine erste ausführliche Fallaufnahme, einerseits<br />

wegen den Verhaltensauffälligkeiten, anderseits wegen<br />

rezidivierenden Infekten der oberen Luftwege.<br />

Mit mehreren Dosen von Asa foetida bessern sich die<br />

Infekte, und das Verhalten des Kindes wird harmonischer<br />

und erträglicher. Nach neun Monaten nehmen<br />

Unruhe, Schreianfälle und Wechselhaftigkeit trotzdem<br />

wieder zu, und Valerie macht zunehmend den<br />

Eindruck, dass sie ein ADHS haben könnte. Eine neue<br />

Fallaufnahme führt zu Sepia. Mit aufsteigenden flüssigen<br />

Q-Potenzen dieses Mittels sinkt der Conners<br />

Global Index (ein Aktivitätsscore <strong>für</strong> hyperaktive Kinder)<br />

innerhalb von einigen Monaten von 20 (mittelschweres<br />

ADHS) auf 9 1 /2 Punkte (oberer Normbereich).<br />

Diese Besserung hält ebenfalls neun Monate an.<br />

Dann erzwingen erneute Zornausbrüche, die auf Sepia<br />

nicht mehr reagieren, die Suche eines Folgemittels:<br />

Mit Aconitum Einzeldosen (C 200, M, XM, LM) geht<br />

es dem Kind sofort deutlich besser, und die Situation<br />

wird während 1 1 /2 Jahren wieder erträglich. Im Alter<br />

von 4 1 /2 Jahren kommt es zur nächsten Eskalation mit<br />

Schreianfällen und Zornausbrüchen. Ferrum metallicum<br />

als Zwischenmittel und später Aconitum beruhigen<br />

die Lage wieder.<br />

Bei der Einschulung erfolgt die kinderpsychiatrische<br />

Klärung der Diagnose. Dieser Zeitpunkt <strong>für</strong> die Diagnosestellung<br />

eines Asperger-Syndroms ist ungewöhnlich<br />

früh; im Durchschnitt wird erst mit 11 Jahren ersichtlich,<br />

welches Problem die Patienten haben. Auf<br />

homöopathischer Seite wird jetzt beschlossen, dass<br />

nicht nur auf die jeweilige Symptomatik des Kindes reagiert<br />

werden kann, sondern dieses trotz der Schwierigkeiten<br />

mit dem wechselnden Wohnsitz der Familie<br />

eine Dauertherapie braucht, um stabil zu bleiben.<br />

Nachfolgend wird die hier verwendete homöopathische<br />

Methodik erklärt, und anhand der auf die Diagnosestellung<br />

folgenden Fallaufnahme verdeutlicht.<br />

Bönninghausen Methode und<br />

Polaritätsanalyse<br />

Die hohe Gewichtung von Gemütssymptomen in einzelnen<br />

<strong>Homöopathie</strong>-Richtungen hat sich in der Behandlung<br />

von ADHS-Kindern als ungünstiger Ansatz<br />

21


Fallstudie<br />

erwiesen, weil die Erfolgsquote der Verschreibungen<br />

damit ungewöhnlich tief ausfiel. 3 – Im Organon § 133<br />

bezeichnet Hahnemann die Modalitäten als das jedem<br />

Symptom Eigentümliche und Charakteristische. 4<br />

In Kombination mit dem Paragrafen 153 bedeutet<br />

dies, dass die homöopathische Mittelwahl ganz besonders<br />

nach den Modalitäten ausgerichtet werden sollte.<br />

Bönninghausen war bestrebt, mit dem Genius eines<br />

homöopathischen Arzneimittels die Patientensymptomatik<br />

„widerspruchsfrei“ abzudecken. 5 Was bedeutet<br />

das? Der Widerspruch betrifft die polaren Symptome,<br />

also solche, die auch ein Gegenteil aufweisen<br />

können (z. B.. Durst/Durstlosigkeit, Kälte,<br />

Verlangen nach freier Luft/Abneigung gegen freie<br />

Luft). Viele Arzneimittel weisen beide Pole auf, aber in<br />

unterschiedlichen Graden. Da die Patientensymptomatik<br />

dem Genius des Arzneimittels entsprechen sollte,<br />

ist anzustreben, dass das Symptom möglichst in einem<br />

hohen Grad aufgeführt ist (Grad 3–5). Ist das Symptom<br />

tiefwertig (Grad 1–2) und der Gegenpol hochwertig,<br />

so betrachtete Bönninghausen das Mittel als kontraindiziert,<br />

weil sein Genius nicht der Patientensymptomatik<br />

entspricht. Nach seiner Erfahrung erfolgte bei<br />

einer solchen Konstellation nur selten eine Heilung.<br />

Die Polaritätsanalyse ist eine Weiterentwicklung von<br />

Bönninghausens Konzept der Kontraindikationen, die<br />

durch den Autor in der Schweizer ADHS-Doppelblindstudie<br />

zur Steigerung der Präzision der Mittelfindung<br />

eingeführt wurde. 6,7,8 Dabei werden Bönninghausens<br />

Erkenntnisse bei allen polaren Symptomen systematisch<br />

umgesetzt, einerseits durch den Ausschluss der<br />

Mittel mit Kontraindikationen, anderseits durch die<br />

Bestimmung der Polaritätsdifferenz, welche der Heilungswahrscheinlichkeit<br />

eines Arzneimittels <strong>für</strong> eine<br />

bestimmte Symptomenkonstellation entspricht: Zu deren<br />

Berechnung addiert man bei jedem in Frage kommenden<br />

Mittel die Wertigkeiten der polaren Patientensymptome<br />

und subtrahiert davon die Wertigkeiten<br />

der entsprechenden Gegenpolsymptome. Je höher die<br />

daraus resultierende Polaritätsdifferenz ist, umso<br />

eher entspricht das Arzneimittel der charakteristischen<br />

Patientensymptomatik, vorausgesetzt es liegen<br />

keine Kontraindikationen vor.<br />

Für die Analyse sollten wenn möglich mindestens fünf<br />

polare Symptome verwendet werden. Zu deren Erfassung<br />

wird die übliche homöopathische Anamnese ergänzt<br />

mit Checklisten (<strong>für</strong> akute Erkrankungen) und<br />

Fragebögen (<strong>für</strong> chronische Erkrankungen), auf denen<br />

die Patienten Symptome, die sie bei sich selbst beobachtet<br />

haben, unterstreichen können. Deren Schwerpunkt<br />

ist entsprechend auf polare Symptome ausgerichtet. Bisher<br />

wurden je elf Checklisten und zwölf Fragebögen <strong>für</strong><br />

verschiedene Problembereiche entwickelt, wie Neurologie,<br />

Gynäkologie, HNO und Atemwege, allergische Erkrankungen,<br />

etc. 8 Eine ausführliche Erprobung derselben<br />

zeigte, dass damit in allen Bereichen bessere Resultate<br />

erzielt werden können (Steigerung der Trefferquote<br />

homöopathischer Verordnungen um 12% bei akuten<br />

und 16% bei chronischen Erkrankungen). 7<br />

Nach der Diagnosestellung bereiteten sich Valeries Eltern<br />

mit den entsprechenden Fragebögen auf die neue<br />

Fallaufnahme vor. Da es sich bei den autistischen Störungen<br />

hauptsächlich um Wahrnehmungsstörungen<br />

handelt, wird <strong>für</strong> das Hauptleiden der Fragebogen <strong>für</strong><br />

ADS und Wahrnehmungsstörungen verwendet. Zur<br />

Erfassung der Nebensymptome, die nichts mit dem Asperger-Syndrom<br />

zu tun haben, dient der Allgemeine<br />

Fragebogen.<br />

Bei der großen Fallaufnahme übermitteln sie die folgenden<br />

Symptome:<br />

Fragebogen ADS und Wahrnehmungsstörungen<br />

Muskeln schlaff-P *<br />

< nach Schlaf, beim Erwachen-P<br />

< Berührung-P<br />

< Geräusch, Lärm<br />

Gehör Empfindlichkeit<br />

Geruchssinn, empfindlicher-P<br />

< Wärme-P<br />

> Entblössung-P<br />

> Bewegung, während-P<br />

Gereiztheit-P<br />

Traurigkeit-P<br />

Allgemeiner Fragebogen<br />

Verlangen nach freier Luft-P<br />

< Wetter kalt-P<br />

< Anstrengung, körperlich-P<br />

Appetitlosigkeit-P **<br />

< Gesellschaft-P<br />

* P = Polare Symptome<br />

** Appetitlosigkeit ist nach Organon § 153 zwar ein „unbestimmtes“ Symptom,<br />

durch die Polarität Appetitlosigkeit/Hunger erhält es aber eine Bedeutung<br />

<strong>für</strong> die Repertorisation, und wird deshalb eingeschlossen.<br />

22


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Die weitere Exploration während der Anamneseaufnahme<br />

ergab, dass Valerie immer noch diktatorisch<br />

sein kann mit andern Kindern, dass es aber, im Gegensatz<br />

zu früher, kaum mehr zu handgreiflichen Auseinandersetzungen<br />

kommt. Abgesehen von einer Neigung<br />

zu Halsentzündungen bei kaltem Wetter (rezidivierende<br />

Tonsillitis) haben die Eltern keine anderen<br />

Symptome beobachtet.<br />

Die Repertorisation erfolgt mit dem PC-Programm zu<br />

Bönninghausens Therapeutischem Taschenbuch, revidierte<br />

Ausgabe 2009, welches gleich auch die Polaritätsdifferenz<br />

berechnet. Nicht polare Symptome werden<br />

vorerst nicht verwendet, da sie deutlich weniger<br />

zur Arzneimittelbestimmung beitragen. Sollte die Repertorisation<br />

mit Hilfe der polaren Symptome keinen<br />

eindeutigen Mittelentscheid zulassen, so werden sie<br />

zur weiteren Differenzierung berücksichtigt (Tabelle 1).<br />

Tabelle 1: Repertorisationsschema zur Polaritätsanalyse<br />

Polare Symptome<br />

Gegenpolaritäten<br />

Basismittel<br />

Relevante Restsymptomatik<br />

(Heranziehung der <strong>für</strong> diese geeigneten<br />

Repertorien wie Bönninghausens Therapeutisches<br />

Taschenbuch 10 , Boger Bönninghausen 11 , Kent 12 )<br />

Endgültige Mittelbestimmung<br />

(Zuhilfenahme der Materia medica, z.B. Clarke 13 ,<br />

Jahr 14 , oder Materia Medica Revisae Homöopathiae 15 )<br />

Tabelle 2: Repertorisation (Arzneimittel geordnet nach Höhe der Polaritätsdifferenz)<br />

Arzneimittel Lyc Acon Cham Verat Sulph Bar-c Merc Ferr<br />

Anzahl Treffer 14 12 11 12 14 10 11 10<br />

Summe der Grade 49 28 30 30 37 22 25 21<br />

Polaritätsdifferenz 25 19 19 19 16 15 15 14<br />

Patientensymptome<br />

Muskeln, Schlaffheit 3 0 3 2 3 0 3 2<br />

< nach Schlaf 4 1 3 2 5 2 4 1<br />

< Berührung 4 3 4 3 4 1 2 2<br />

Geruchsinn empfindl. 4 3 3 0 3 2 0 0<br />

< Wärme 2 1 2 1 2 1 1 1<br />

> Entblössung 4 3 2 3 2 0 1 3<br />

> Bewegung 4 1 2 2 1 1 3 4<br />

Luft, Verl. n. freier 3 1 0 1 1 3 0 0<br />

< Wetter kalt 3 3 2 5 2 3 3 2<br />

< Anstreng. körp. 5 3 0 4 4 0 2 1<br />

Appetitlosigkeit 3 1 2 2 3 3 3 2<br />

Gereiztheit 3 4 4 3 3 3 2 3<br />

Traurigkeit 3 4 3 2 2 0 1 0<br />

< Gesellschaft 4 0 0 0 2 3 0 0<br />

Gegenpolsymptome<br />

Muskeln, Straffheit 0 4KI * 0 0 2 0 0 0<br />

> nach Schlaf 0 0 1 0 0 0 0 0<br />

> Berührung 1 0 0 0 2 0 0 0<br />

Geruchsinn schwach 3 ** 0 0 2 2 0 0 0<br />

> Wärme 1 3KI 1 1 3KI 3KI 1 2<br />

< Entblössung 0 1 2 0 0 0 1 0<br />

< Bewegung 1 1 1 1 2 2 3 1<br />

Luft, Abneig. gg. freie 3 0 4KI 1 3KI 0 2 2<br />

> Wetter kalt 3 0 1 0 3KI 0 1 0<br />

> Anstreng. körp. 0 0 0 0 0 0 0 0<br />

Hunger 3 0 1 2 1 2 2 0<br />

Sanftheit 3 0 0 1 3 0 0 0<br />

Fröhlichkeit 2 0 0 3KI 0 0 0 2<br />

> Gesellschaft 4 0 0 0 0 0 0 0<br />

* KI = Kontraindikation: Der Gegenpol ist hochwertig (3.-5. Grad), das Patientensymptom aber tiefwertig (1.-2- Grad), der Genius des Arzneimittels steht im Widerspruch zur Patientensymptomatik.<br />

** In diesem Falle sind beide, Patientensymptom und Gegenpol hochwertig. Da sie sich damit gegenseitig widersprechen handelt es sich nicht um Geniussymptome, womit keine Kontraindikation besteht.<br />

23


Fallstudie<br />

Nur zwei Arzneimittel decken alle polaren Symptome<br />

ab. Eines davon, Sulfur hat mehrere Kontraindikationen<br />

und fällt deshalb aus der Differenzialdiagnose. Interessant<br />

ist, dass die früher verabreichten Arzneimittel<br />

Aconitum und Ferrum metallicum ebenfalls in der engeren<br />

Auswahl erscheinen, aber aufgrund von Kontraindikationen<br />

und unvollständiger Symptomenabdeckung<br />

jetzt als Möglichkeit entfallen.<br />

Materia medica-Vergleich <strong>für</strong> Lycopodium<br />

[Clarke Band 5, S. 3078 ff.] 13<br />

Gemüt: Traurige Stimmung, sie musste den ganzen<br />

Tag weinen und konnte sich nicht zufrieden geben,<br />

ohne Veranlassung. Das Kind verliert seine Munterkeit,<br />

wird still und mutlos. Streben nach Einsamkeit.<br />

Menschenscheu. Verzweiflung, Weinen. Er weint und<br />

heult erst über die Vergangenheit und dann über die<br />

zukünftigen Übel. Innere Unruhe. Ungeduld. Äußerst<br />

reizbar, schreckhaft und ärgerlich. Sie erschrickt sehr<br />

leicht und fährt zusammen. Jedes Geräusch tut ihr<br />

weh. Das Kind wird unfolgsam, obgleich nicht übel gelaunt.<br />

Trotzig, eigenmächtig, halsstarrig, zornig. Sehr<br />

heftig und reizbar. Sie kann nicht die mindeste Widerrede<br />

ertragen, und ist gleich außer sich vor Ärgerlichkeit.<br />

... Befehlshaberei ... Unempfindlichkeit des Geistes<br />

<strong>für</strong> äußere Eindrücke.<br />

Mittelgabe und Verlauf<br />

Aufgrund der eindeutigen Repertorisation, der hohen<br />

Polaritätsdifferenz und des schlüssigen Materia medica-<br />

Vergleichs erhält Valerie jetzt Lycopodium C 200.<br />

Einen Monat später übermittelt die Mutter eine sehr<br />

deutliche Besserung. Valerie ist ein anderes Kind, ihr<br />

Verhalten völlig normal. Ihr Blick ist neuerdings offen,<br />

sie sucht mehr Nähe und ist in allem verständiger. Die<br />

sonst übliche Kompliziertheit, wenn man etwas von ihr<br />

verlangt, ist einer normalen Umgangsform gewichen.<br />

Sie freut sich jetzt auf den bevorstehenden Schulanfang.<br />

Weitere Dosen von Lycopodium in monatlichen Abstanden<br />

und aufsteigenden Potenzhöhen (M, XM, LM, CM)<br />

folgen. Beim Versuch das vier-Wochen-Intervall auszudehnen,<br />

tritt aber sofort eine vermehrte Reizbarkeit auf,<br />

die nach der nächsten Lycopodium Gabe wieder verschwindet.<br />

Im weiteren Verlauf kristallisieren sich drei<br />

Wochen als optimaler Abstand der Einzeldosen heraus.<br />

Ein Jahr nach Therapiebeginn ist das Kind gut eingestellt.<br />

Die normalen Umgangsformen zu Hause haben sich fest<br />

etabliert, und von Seiten der Lehrerin kommt die Rückmeldung,<br />

dass der jetzige Zustand meilenweit von den<br />

Problemen entfernt sei, die vor der Lycopodium Behandlung<br />

bestanden haben. Persistierend ist noch eine Rechenschwäche,<br />

und eine Empfindlichkeit auf Missstimmungen<br />

unter den Schulkolleginnen, unter der Valerie<br />

immer noch ziemlich leidet. Im Langzeitverlauf bleibt der<br />

gute Zustand unter fortdauernder Behandlung mit Lycopodium<br />

erhalten. Beobachtungszeit: 3 Jahre.<br />

Diskussion<br />

Die <strong>Homöopathie</strong> hat sich in der Behandlung von Kindern<br />

mit ADS/ADHS, bei welchen multiple Wahrnehmungsstörungen<br />

vorliegen, bewährt. Da bei den autistischen<br />

Krankheitsbildern ebenfalls tief greifende<br />

Wahrnehmungsstörungen vorliegen, ist zu erwarten,<br />

dass sie auch hier therapeutisch eine Rolle spielen<br />

kann. Die Differenzierung der beiden Leiden ist<br />

oft nicht einfach, was sich in der durchschnittlich späten<br />

Diagnosestellung des Asperger-Syndroms niederschlägt.<br />

Umgekehrt können bei vielen ADS/ADHS-Kindern<br />

auch autistische Symptome beobachtet werden.<br />

– Für die homöopathische Behandlung ist in beiden<br />

Fällen entscheidend, dass sie über lange Zeit konsequent<br />

durchgeführt wird. Bei den ADS/ADHS Patienten<br />

kann nach einer homöopathischen Langzeitbehandlung<br />

eine persistierende, deutliche Besserung der Intensität<br />

des Leidens beobachtet werden. 16 Die Ähnlichkeit<br />

der Wahrnehmungsstörungen beim Asperger<br />

Syndrom lässt erhoffen, dass die <strong>Homöopathie</strong> auch<br />

hier eine partielle, vielleicht sogar vollständige Heilung<br />

bewirken kann. Um diese Hypothese zu erhärten, wären<br />

prospektive Outcome-Studien nötig, in der Kinder<br />

mit konventioneller Behandlung des Autismus verglichen<br />

werden mit solchen, die parallel dazu auch eine<br />

homöopathische Behandlung erhalten.<br />

Im Falle der hier vorgestellten Patientin, erfolgte die<br />

erste homöopathische Behandlung der Symptomatik<br />

bereits im 2. Lebensjahr. In Unkenntnis der Asperger-<br />

Diagnose wurde diese aber nur jeweils in Exazerbationsphasen<br />

konsequent durchgeführt. Erst im Zeitpunkt<br />

der Diagnosestellung ergab sich die Einsicht in<br />

die Notwendigkeit einer ununterbrochenen Langzeitbehandlung,<br />

wie sie auch bei den ADS/ADHS-Kindern<br />

24


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

durchgeführt wird. – Auch wenn in der <strong>Homöopathie</strong><br />

die konventionelle Diagnostik nicht die gleiche Rolle<br />

spielt, wie in der Schulmedizin, so ist es doch sehr<br />

wünschenswert, eine klare Vorstellung vom zu behandelnden<br />

Leiden und von dessen Prognose zu haben,<br />

um die Intensität und Stringenz der Behandlung entsprechend<br />

anzupassen. Konkret bedeutet dies, dass<br />

bei frühkindlichen Verhaltensstörungen bereits frühzeitig<br />

neben der kinderneurologischen auch eine kinderpsychiatrische<br />

Abklärung erfolgen sollte. – Obschon<br />

dies im hier vorgestellten Falle nicht passiert ist, erhielt<br />

die Patientin glücklicherweise frühzeitig alle <strong>für</strong> eine<br />

autistische Störung relevanten konventionellen Therapien<br />

(wie heilpädagogische Früherziehung, Ergotherapie<br />

und Sensory Integration Training).<br />

Schlussfolgerung<br />

Mit der Polaritätsanalyse erhält der homöopathische<br />

Arzt deshalb ein Instrument in die Hand, das die korrekte<br />

Arzneimittelwahl stark vereinfacht und sowohl<br />

bei einfachen akuten und chronischen Krankheiten,<br />

wie auch bei den komplexen multimorbiden Patienten<br />

präzisiert. 17<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

Heiner Frei, MD, Pediatrician FMH<br />

Kreuzplatz 6, CH-3177 Laupen, Switzerland<br />

E-Mail: heiner.frei@hin<br />

Den nicht mit der Polaritätsanalyse vertrauten Leser<br />

mag es wundern, dass die Gemütssymptome (abgesehen<br />

von der polaren Elementen, wie Traurigkeit, Gereiztheit<br />

und < Gesellschaft) nicht in die Repertorisation<br />

eingeflossen sind, sondern erst durch den Materia<br />

medica-Vergleich eingebracht wurden. In der ADS/<br />

ADHS Studie haben sich, wie erwähnt, die Gemütssymptome,<br />

im Gegensatz zu den polaren Wahrnehmungssymptomen,<br />

<strong>für</strong> die genaue Mittelbestimmung<br />

als sehr unzuverlässig erwiesen. Bei der Polaritätsanalyse<br />

wird die erste Differenzialdiagnose der in Frage<br />

kommenden Arzneimittel allein auf die polaren Symptome<br />

abgestimmt, weil diese in der Beobachtung der<br />

Patienten die höchste Zuverlässigkeit aufweisen. Da es<br />

sich dabei meistens um Modalitäten handelt, wird damit<br />

das „… Eigentümliche und Charakteristische …“ der<br />

Symptomatik, wie es Hahnemann im Organon § 133<br />

hervorhebt, in besonderer Weise berücksichtigt. Im<br />

Organon § 211 schreibt Hahnemann zudem, „… dass<br />

bei homöopathischer Wahl eines Heilmittels, der<br />

Gemüthszustand des Kranken oft am meisten den<br />

Ausschlag gibt“. Bönninghausen interpretierte diese<br />

Aussage in dem Sinne, dass Gemütssymptome nach<br />

erfolgter Differenzialdiagnose wie eine Zünglein an der<br />

Waage den Ausschlag geben können. Im vorliegenden<br />

Fallbeispiel ist das Symptom Diktatorisches Verhalten<br />

eine Bestätigung <strong>für</strong> die Mittewahl von Lycopodium,<br />

das schon aufgrund der polaren Symptome genau bestimmt<br />

werden konnte. – Nicht überraschend finden<br />

sich solch klare Bestätigungssymptome in der Polaritätsanalyse<br />

sehr häufig.<br />

Literatur<br />

1. Deutsche Gesellschaft <strong>für</strong> Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (Hrsg.):<br />

Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-,<br />

Kinder- und Jugendalter. 3. Aufl. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 2007.<br />

2. Felder W, Herzka HS, Kinderpsychopathologie. 4. Aufl., Schwabe-Verlag, Basel, 2001.<br />

3. Frei H, von Ammon K, Thurneysen A, Treatment of hyperactive children: Increased<br />

efficiency trough modifications of homeopathic diagnostic procedure. Homeopathy<br />

(2006) 95, 163-170.<br />

4. Hahnemann S, Organon der Heilkunst, 6. Auflage, Neuausgabe 1999, Stuttgart,<br />

Haug, 2002.<br />

5. Bönninghausen Cv, Bönninghausens Therapeutisches Taschenbuch, Revidierte Ausgabe<br />

2000. Hrsg. KH Gypser, Stuttgart, Sonntag, 2000, S. XXXIII.<br />

6. Frei H, Everts R, von Ammon K, Kaufmann F, Walther D, Hsu-Schmitz SF, Collenberg<br />

M, Fuhrer K, Hassink R,, Steinlin M, Thurneysen A : Homeopathic treatment of children<br />

with attention deficit hyperactivity disorder: a randomised, double blind, placebo<br />

controlled crossover-trial. Eur J Pediatr (2005) 164: 758-767.<br />

7. Frei H., Polarity analysis, a new approach to increase the precision of homeopathic<br />

prescriptions. Homeopathy (2009) 98, 49-55.<br />

8. Frei H., Effiziente homöopathische Behandlung, ein strukturiertes Konzept <strong>für</strong> den<br />

Praxisalltag. Stuttgart, Haug-Verlag, 2007.<br />

9. Bönninghausen Arbeitsgemeinschaft, PC-Programm zu Bönninghausens Therapeutischem<br />

Taschenbuch, Hrsg. Bönninghausen Arbeitsgemeinschaft Ahrweiler, 2007<br />

(Bestelladresse: www.boenninghausen.de)<br />

10. Boennighausen Cv., Bönninghausens Therapeutisches Taschenbuch. Revidierte Ausgabe<br />

2000. Hrsg.KH Gypser. Sonntag Verlag, Stuttgart, 2000.<br />

11. Boger CM, Boenninghausens Characteristics and Repertory, Revised Edition, 1937,<br />

Reprint, New Delhi, Jain Publishers, 1984.<br />

12. Kent JT, Kents Repertorium der homöopathischen Arzneimittel. Band 1-3, 13. Aufl.,<br />

Hrsg. G. von Keller, J. Künzli, Heidelberg, Haug-Verlag, 1993.<br />

13. Clarke JH, of practical materia medica. Deutsche Ausgabe: Der Neue Clarke. Hrsg,<br />

Thomas von Grudzinki und Peter Vint, Stefanovic-Verlag, Bielefeld, 1990.<br />

14. Jahr GHG, Ausführliche Arzneimittellehre, Bethman Verlag, Leipzig, 1848, Nachdruck,<br />

Bernd von der Lieth-Verlag, Hamburg.<br />

15. Gypser KH, (Hrsg), Materia Medica Revisa Homoeopathiae, diverse Arzneimittelbände<br />

von verschiedenen Autoren, Wunnibald Gypser Verlag, Glees, 2007-2010<br />

(wird fortgesetzt).<br />

16. Von Ammon K., Sauter U, Thurneysen A, Everts R, Hsu-Schmitz SF, Steinlin M, Frei<br />

H: Longtime results and cost efficiency of homeopathic treatment in children with<br />

attention deficit hyperactivity disorder. (Publikation in Vorbereitung).<br />

17. Frei H, Die homöopathischen Behandlung multimorbider Patienten. Haug-Verlag,<br />

Stuttgart, 2010.<br />

25


Infos | Termine<br />

<strong>Homöopathie</strong> 3.0<br />

In dieser Folge stelle ich Webseiten aus dem Bereich der Phytotherapie vor,<br />

da diese einerseits <strong>für</strong> uns Homöopathen interessant sein können, andererseits<br />

die Phytotherapie manchmal auch eine Ergänzung zu unserer Therapie<br />

sein kann.<br />

www.buetzer.info/fileadmin/pb/pdf-Dateien/COFFEIN.pdf<br />

Hier eine Homepage zum Thema Kaffee und Coffein. Dieses ausführliche Dokument,<br />

verfasst von Prof. Dr. Peter Bützer von der Pädagogischen Hochschule in<br />

St. Gallen, gibt detaillierte Informationen rund um das Thema Kaffee: angefangen<br />

von der Geschichte des Kaffees über das Vorkommen des Coffeins in der Pflanze,<br />

der physiologischen Wirkung bis zu der Wirkung des Coffeins beim Sport und die<br />

Wechselwirkung mit Alkohol. Am Ende dieses Dokuments findet man auch noch einige<br />

Fragen, so wie es sich <strong>für</strong> einen Lehrer eben gehört, inklusive der Lösungen.<br />

www.heilpflanzen-suchmaschine.de<br />

Auf dieser Webside, die von der Pharmafirma Hexal präsentiert wird, findet man ein<br />

sehr ausführliches Heilpflanzen-Lexikon. Es sind viel, in der <strong>Homöopathie</strong> verwendeten<br />

Pflanzen ausführlich beschrieben und auch bebildert. Dazu gibt es verschiedene<br />

Suchkriterien: nach dem deutschen oder lateinischen Pflanzennamen, ob es sich um<br />

eine Giftpflanze handelt, eine Suche nach Inhaltsstoffen der Pflanze und auch eine<br />

Suche nach einem Beschwerdebild, z. B. Beschwerden der Atemwege. Allerdings<br />

sind nicht alle Beschreibungen auf dem neuesten Stand.<br />

www.welterbe-klostermedizin.de<br />

Dieser Link verweist auf einige Pflanzenporträts, manche ausführlicher dargestellt als<br />

andere. Es wird auch auf die aktuellen Änderungen auf der Homepage hingewiesen,<br />

so findet man etwa zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels ein Bericht<br />

über die typischen Weihnachtsgewürze und einen Bericht über Weihrauch. Über die<br />

Medizin in den Klöstern findet man interessante Informationen. Eine schön gestaltete<br />

Webside, welche zum Schmökern einlädt.<br />

Erwähnt sei auch noch die Seite der österreichischen Gesellschaft <strong>für</strong> Phytotherapie:<br />

www.phytotherapie.at<br />

Eine in der Aufmachung nicht besonders beeindruckende Seite, jedoch entdeckt<br />

man Online das „Kleine Wörterbuch der Pflanzenmedizin“, sowie viele Rezepturen<br />

zu Teemischungen (Hustentees, Magentees, Blasentees, …). Beim Durchstöbern der<br />

Webside sind auch noch einige interessante Artikel, sowie pdf- und Powerpoint-<br />

Dateien zu finden.<br />

Dr. Bernhard Zauner<br />

26


Beiträge zur klassischen <strong>Homöopathie</strong><br />

Termine • Termine • Termine<br />

Aus- und Fortbildungen 2012 / 2013<br />

ÄKH<br />

24.–25.11.2012 Linz 2. Ausbildungswochenende (Details siehe Homepage)<br />

19.–20.01.2013 Linz 3. Ausbildungswochenende (Details siehe Homepage)<br />

16.–17.03.2013 Linz 4. Ausbildungswochenende (Details siehe Homepage)<br />

20.–21.04.2013 Linz 5. Ausbildungswochenende (Details siehe Homepage)<br />

15.–16.06.2013 Linz 6. Ausbildungswochenende (Details siehe Homepage)<br />

24.11.12 Linz Theorie&Praxis der <strong>Homöopathie</strong> Dr. Peter Andersch-Hartner<br />

19.01.13 Linz Theorie&Praxis der <strong>Homöopathie</strong> Dr. Peter Andersch-Hartner<br />

16.03.13 Linz Theorie&Praxis der <strong>Homöopathie</strong> Dr. Peter Andersch-Hartner<br />

20.04.13 Linz Theorie&Praxis der <strong>Homöopathie</strong> Dr. Peter Andersch-Hartner<br />

15.06.13 Linz Theorie&Praxis der <strong>Homöopathie</strong> Dr. Peter Andersch-Hartner<br />

24.11.12 Linz Lehrpraxis Dr. Lisbeth Preißler<br />

19.01.13 Linz Lehrpraxis Dr. Lisbeth Preißler<br />

16.03.13 Linz Lehrpraxis Dr. Lisbeth Preißler<br />

20.04.13 Linz Lehrpraxis Dr. Lisbeth Preißler<br />

15.06.13 Linz Lehrpraxis Dr. Lisbeth Preißler<br />

09.–11.11.2012 Salzburg Supervisionsseminar mit Henny Heudens Mast (in Zusammenarbeit mit der SIH)<br />

24.–27.01.2013 Salzburg Supervisionsseminar mit Henny Heudens Mast (in Zusammenarbeit mit der SIH)<br />

05.–07.07.2013 Salzburg Supervisionsseminar mit Henny Heudens Mast (in Zusammenarbeit mit der SIH)<br />

26.–27.10.2012 Salzburg Polaritätsanalyse, Teil 1 Dr. Heiner Frei<br />

08.–10.03.2012 Salzburg Die homöopathische Krebsbehandlung Dr. Alok u. Dr. R. S. Pareek<br />

16.–17.11.2012 Wien Wissenschaftssymposium (in Zusammenarbeit mit der SIH)<br />

08.–10.03.2013 Wien Die homöopathische Krebsbehandlung D. Alok u. Dr. R.S Pareek<br />

ÖGHM<br />

30.11.–01.12.12 Europahaus <strong>Homöopathie</strong> beim Psychotrauma Dr. Jutta Gnaiger-Rathmanner<br />

und Dr. Rosemarie Mayr<br />

23.–24.2.13 Europahaus (SR 2) Symptomenlexikon, Teil I Michael Kohl<br />

09.–11.5.13 Europahaus Seminar mit Dr. Dario Spinedi<br />

22.–23.6.13 ÖGHM Symptomenlexikon, Teil II Michael Kohl<br />

19.–20.10.13 ÖGHM Symptomenlexikon, Teil III Michael Kohl<br />

SIH<br />

24.-25.11.2012 Wien Fortgeschrittenenseminar Repertorisationskurs Dr. Michael Hajek<br />

01.12.12 Wien Grundlagen Vet-Materia Medica, Teil 1 Dr. Peter und Gabriele Knafl<br />

05.–07.2.2013 Wien Grundlagenseminar B, Theorie Dr. Berger<br />

07.–09.2.2013 Wien Grundlagenseminar B, Arzneimittellehre Dr. Schipflinger<br />

16.03.13 Wien Grundlagen Vet-Materia Medica, Teil 2 Dr. Peter und Gabriele Knafl<br />

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AUTOREN DIESER AUSGABE<br />

Dr. Klaus Payrhuber<br />

Karl-Wiser Straße 6 | 4020 Linz<br />

Dr. Bernhard Zauner<br />

Raimundstraße 10 | 4701 Bad Schallerbach<br />

Dr. Heiner Frei<br />

Kreuzplatz 6 | 3177 Laupen | Schweiz<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber und Verleger:<br />

ÄKH - <strong>Ärztegesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Klassische</strong> <strong>Homöopathie</strong><br />

Südtiroler Straße 16, 4020 Linz; E-Mail: office@aekah.at<br />

Redaktion und <strong>für</strong> den Inhalt verantwortlich:<br />

Dr. Friederike Mallner, Dr. Klaus Payrhuber, Dr. Bernhard Zauner<br />

Die Beiträge entsprechen der persönlichen Meinung der Autoren.<br />

Grafik | Layout | Herstellung:<br />

STUDIO KAPELLER KG • Agentur <strong>für</strong> Wertemarketing • www.studio-kapeller.at<br />

www.aekh.at

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