02.11.2013 Aufrufe

GEDANKEN ZUR FINALEN HANDLUNGSLEHRE - Criminet

GEDANKEN ZUR FINALEN HANDLUNGSLEHRE - Criminet

GEDANKEN ZUR FINALEN HANDLUNGSLEHRE - Criminet

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gedanken zur finalen Handlungslehre<br />

01vo: 21<br />

Auswirkung eine Busreise organisiert hat und der Bus tatsächlich verunglückt. Mit<br />

Blick auf solche Fälle hatte Welzel – den dolus eventualis verschweigend – „Vorsatz“<br />

und „Verwirklichungswille“ getreu seiner finalistischen Kernthese gleichgesetzt und<br />

für den Vorsatz die Voraussetzung aufgestellt, „daß der Täter sich eine<br />

Einwirkungsmöglichkeit auf das reale Geschehen zuschreibt“. Was außerhalb liege,<br />

könne er „als zufällige Verknüpfung mit seiner Handlung wohl erhoffen oder<br />

wünschen, aber nicht verwirklichen wollen.“ 49<br />

Hirsch hat das aufgegriffen und der heute herrschenden Begründung, dass – schon<br />

im objektiven Tatbestand – die „objektive Zurechnung“ entfalle, entgegengesetzt. Es<br />

gehe „um Fragen des Vorsatzes und damit nicht um Probleme des objektiven, sondern<br />

des subjektiven Tatbestandes“. Denn bei solcher auf einen Unglücksfall spekulierenden<br />

Schaffung gewöhnlicher Risiken des Soziallebens beziehe sich die Tätervorstellung<br />

„nicht…auf ein konkretes Verletzungsgeschehen“, und ein „bloßes Hoffen“ sei kein<br />

„steuernder Wille“, also kein Vorsatz. 50 Heute lehrt Hirsch, dass es an der<br />

Versuchsvoraussetzung des Ansetzens und damit eben doch „schon an der objektiven<br />

Seite einer Tötungs handlung“ fehle; denn wenn „der konkrete Erfolgseintritt dem<br />

außerhalb der Steuerung des Täters liegenden Zufall überlassen“ ist, „liegt von<br />

vornherein keine auf Erfolgsverwirklichung gerichtete Handlung vor.“ 51 Ich sehe in<br />

dieser Objektivierung eine bedenkenswerte finalistische Konsequenz (dazu sogleich<br />

unter 3.), aber doch die alte Begründung im Kern unverändert beibehalten. Weil der<br />

Täter das Fehlen der Steuerungsmacht erkennt, hat er auch keinen Steuerungswillen.<br />

Sowohl das Ansetzen zum Töten wie die Tötungshandlung selbst sind zu verneinen<br />

mangels Tötungsfinalität. Da aber nach Hirsch der Vorsatz Finalität ist und „mit dem<br />

Handlungswillen identisch“, sind die Begründungen austauschbar. Sie besagen beide,<br />

dass in uns erem Beispiel mangels finaler Steuerung des tödlichen Geschehens<br />

Vorsatzdelikte, Versuch und Vollendung, entfallen.<br />

Hirschs Abneigung gegen die Lehre von der objektiven Zurechnung teile ich.<br />

Dieses Merkmal ist ein Verlegenheitsprodukt, das eher eine Folge als eine<br />

Voraussetzung ausdrückt und sein Anerkanntsein nur dem Umstand verdankt, dass die<br />

tiefere Einsicht, obwohl längst gewonnen und ausgesprochen, von vielen noch nicht<br />

nachvollzogen wird. Ich meine das Einschließungs- oder Plus-Minus-Verhältnis von<br />

Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt: Jedes Vorsatzdelikt setzt voraus, dass der Täter die<br />

im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Nehmen wir als Beispiel die<br />

Hehlerei! Wer beim gewerblichen Ankauf von gestohlenem Schmuck vor Augen hat<br />

und gleichgültig hinnimmt, dass die Behauptung der Erbschaft vielleicht eine Lüge ist,<br />

begeht dennoch kein Hehlereiunrecht, wenn er die Regeln einhält, vor allem indem er<br />

eindringlich nachfragt und Verdachtsmomente überprüft. Ein Restrisiko bleibt, und<br />

dass es sich verwirklicht und der Käufer dies in Kauf nimmt, kann sein korrektes<br />

wissentlich; Aushändigen einer Pistole an ein Kind – im einen Fall für einen Augenblick und ohne Kenntnis des<br />

Geladenseins, im anderen mit Kenntnis und für längere Zeit.<br />

49 (Fn. 16) S. 66.<br />

50 (Fn. 6) S. 404, 405.<br />

51 Festschrift f. Lenckner (1998), S. 119, 135.<br />

RECPC 10-01vo (2008) - http://criminet.ugr.es/recpc/10/recpc10-01vo.pdf

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!