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GEDANKEN ZUR FINALEN HANDLUNGSLEHRE - Criminet

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01vo: 20<br />

Rolf Dietrich Herzberg<br />

Es verhält sich wohl wirklich so, dass früher viele diese Selbstverständlichkeit auch<br />

der Sache nach nicht erkannt haben und die finale Handlungslehre mit ihrer Tendenz,<br />

bei der Deliktsprüfung Handlung und Tatbestand stärker als die Schuld zu betonen, die<br />

richtige „Einsicht…wesentlich gefördert hat“. 46 Ableitbar aus dem Finalismus ist sie<br />

aber nicht. Hat jemand durch das Steuern seines Autos den Tod eines die Straße<br />

überquerenden Kindes verursacht, dann sagt uns auch die finale Handlungslehre nur,<br />

dass der Tod auf ein Handeln des Fahrers zurückgeht. Worauf es für die Strafbarkeit<br />

sonst noch ankommt und wo die weiteren Voraussetzungen einzuordnen sind, kann der<br />

Finalismus so wenig wie andere Handlungslehren erklären. Es folgt letztlich aus der<br />

rein normativen Überlegung, dass man Unrecht nur durch Pflichtverletzung begehen<br />

und dass man angesichts allgegenwärtiger Risiken zu nicht mehr als zur Beachtung der<br />

im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verpflichtet sein kann.<br />

Hirsch bestreitet das gängige Vorbringen, dass beim Fahrlässigkeitsdelikt „der<br />

Inhalt der Finalität rechtlich keine Rolle spiele“ und „der ‘finale’ Handlungsbegriff<br />

nicht weiterführe“. Vielmehr habe „der Handlungswille…hier eine auch praktisch<br />

große Bedeutung“ wegen der Notwendigkeit, „die Handlung zu bestimmen, die auf<br />

ihre Sorgfaltswidrigkeit hin geprüft werden soll“; die Frage sei stets, „welches<br />

willentliche Tun…hätte unterbleiben sollen, und der Willensinhalt beeinflußt den Grad<br />

des Handlungsunwerts“. 47 Das ist im Prinzip richtig. In unserem Beispiel der tödlichen<br />

Kollision von Auto und Kind macht es einen Unterschied, worauf das zu schnelle<br />

Fahren abzielte: auf die Verfolgung einer Frau zwecks sexueller Nötigung oder auf den<br />

Besuch des sterbenden Vaters im Pflegeheim. Aber die Verschiedenartigkeit der<br />

Willensinhalte (der „Finalitäten“) berücksichtigen wir bei der Strafzumessung nach<br />

§ 46 Abs. 2 S. 2 StGB wohl nur unter dem Gesichtspunkt der „Beweggründe<br />

und…Ziele des Täters“. Wenn Hirsch „den Grad des Handlungsunwertes“ beeinflusst<br />

sieht, dann geht es bei der Strafzumessung um „das Maß der Pflichtwidrigkeit“. Und<br />

dafür scheint es mir belanglos, welchem Zweck das fahrlässige Handeln diente.<br />

Vielmehr sind insoweit wohl nur maßgebend die ex ante einzuschätzende Größe der<br />

Gefahr, die sich im Erfolg realisiert, und die Gefahrkenntnis des Täters, die ja als<br />

„bewusste Fahrlässigkeit“ eine Annäherung an die vorsätzliche Begehung bedeutet. 48<br />

2. Abenteuerlicher Kausalverlauf<br />

Das Erfordernis „Finalität“ wird von der es betonenden Lehre ferner ins Feld<br />

geführt als die rechte Begründung im Schulfall des „abenteuerlichen Kausalverlaufs“.<br />

Gemeint sind Sachverhalte von der Art, dass ein Mann den Verkehrsunfalltod seiner<br />

zehnjährigen Stieftochter verursacht, weil er für sie in der Hoffnung auf eine solche<br />

46 Roxin (Fn. 1), S. 585.<br />

47 Festschrift f. Lampe (2003), S. 515, 519 f.<br />

48 Genau dies belegen m.E. auch Hirschs eigene Beispiele (Fn. 47) auf S. 520, die nicht eigentlich verschiedene<br />

fines und Willensinhalte, als vielmehr Fälle des Wissens und Nichtwissens sowie der unterschiedlichen<br />

Gefahrhöhe miteinander vergleichen: Befahren der Autobahn in falscher Richtung – hier unwissentlich, dort<br />

Revista Electrónica de Ciencia Penal y Criminología. 2008, Nr. 10-01vo, S. 01vo:1-01vo:31 ISSN 1695-0194

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