02.11.2013 Aufrufe

GEDANKEN ZUR FINALEN HANDLUNGSLEHRE - Criminet

GEDANKEN ZUR FINALEN HANDLUNGSLEHRE - Criminet

GEDANKEN ZUR FINALEN HANDLUNGSLEHRE - Criminet

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

01vo: 10<br />

Rolf Dietrich Herzberg<br />

Was aber anstelle der unhaltbar beanspruchten Identität in Frage kommt und den<br />

Finalisten vielleicht auch vorschwebt, ist Parallelität und Entsprechung. Ich will das<br />

erklären. Wenn wir uns für einen Lebenssachverhalt fragen, ob jemand durch Handeln<br />

ein Tötungsdelikt begangen hat, dann bejahen wir die Handlung, also auch die<br />

Finalität, weil sie als zielgerichteter Wille dazugehört, meist ganz beiläufig und nahezu<br />

unbewusst im Rahmen der Kausalität. Der Fahrer hat das Lenkrad gedreht, ist nach<br />

rechts abgebogen und hat dadurch den Unfalltod des Kindes verursacht. Dass seine<br />

Körperbewegung nicht – wie vielleicht bei einer Herzattacke – reflexhaft, sondern<br />

willentlich war, dass sie einen Zweck verfolgte, eben den des Abbiegens, gibt der<br />

Sachverhalt vor und ist der Erwähnung nicht wert. So ist mit der schnellen Feststellung<br />

der erfolgsursächlichen Handlung das Finalitätserfordernis erledigt, und die<br />

Fallbetrachtung kann sich dem eigentlichen Problem widmen: Lag die Handlung im<br />

Spielraum des erlaubten Risikos oder war sie eine fahrlässige oder gar eine<br />

vorsätzliche Tötung?<br />

Welzel selbst ist einmal nahe daran, seine Lehre im Kern zurückzuführen auf die<br />

Banalität der Aussage, dass zur Handlung das Wollen eines Geschehens gehöre. Denn<br />

um Widerstand aufzulösen, bietet er an, man möge doch, wenn das besser gefalle, die<br />

finale Handlungslehre umbenennen: „Lehre von der Handlung als einem vom Willen<br />

gesteuerten und gelenkten Geschehen.“ 20 Gewiss, das Geschehen des Abbiegens ist nur<br />

dann Handlung, wenn ein Wille es steuert und lenkt. Aber wenn der Finalismus nicht<br />

mehr zu bieten hätte, als uns über ein allgemein und immer schon anerkanntes<br />

Erfordernis innerhalb des Handlungsmerkmals zu belehren, dann wäre der ganze<br />

Wesensbeschreibungsaufwand von wegen „Strukturen des Seins“, „Finalnexus“,<br />

„Überdetermination“, „Steuerungsfaktor“, „gestaltendes Element des äußeren<br />

Geschehens“ usw. doch etwas unverhältnismäßig. Das hat natürlich auch Welzel<br />

gespürt, und deshalb hat er von Anfang an seiner Lehre das Deliktsmerkmal des<br />

Vorsatzes unterworfen im Glauben, dazu im Licht der Lehre neue Erkenntnisse zu<br />

gewinnen, zur Unterscheidung von Vorsatz und Unrechtskenntnis etwa oder zur<br />

Relevanz des Vorsatzes bei der Teilnahme. Als Vorsatz im weiteren Sinne verstand er<br />

schon den undeliktischen Handlungswillen. Wer handle, habe einen Vorsatz gebildet,<br />

d.h. sich etwas als Ziel „vorgesetzt“ und verfolge nun dieses Ziel, etwa ein Glas zu<br />

füllen, einen Schuss abzufeuern oder mit dem Auto abzubiegen. Der deliktische<br />

Vorsatz sei nur ein besonderer Fall, insofern nämlich, als der Täter sich mit ihm eine<br />

Tatbestandsverwirklichung zum Ziel, zum finis setze. Der Vorsatz des Straftäters ist<br />

also nach Welzels Lehre Finalität, aber jede menschliche Handlung setzt Finalität<br />

voraus und je nach Reichweite ist eine Körperbewegung als „Handlung“ anzuerkennen.<br />

Sie kann etwa eine Fingerkrümm-, eine Schieß-, eine Tötungshandlung sein. Hirsch<br />

betont, dass Welzel damit nur das alte, richtige Verständnis „in Erinnerung“ gebracht<br />

habe: Zur Handlung gehöre „die auf objektive Verwirklichung gerichtete Intention,<br />

20 (Fn. 16) S. 131.<br />

Revista Electrónica de Ciencia Penal y Criminología. 2008, Nr. 10-01vo, S. 01vo:1-01vo:31 ISSN 1695-0194

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!