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Zeitung-09-2012

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12 I Pressbaumer mitteilungen September <strong>2012</strong><br />

POLITIK<br />

Glosse<br />

Pressbaum im Dirndlfieber<br />

Im Juni ist das scheinbar Unmögliche und Unfassbare tatsächlich passiert:<br />

Ich wurde von einigen gutbürgerlichen ÖVP-Frauen dazu eingeladen,<br />

in einem ihrer historisch bedeutsamsten Arbeitskreise aktiv mitzuwirken:<br />

nämlich im Arbeitskreis“ Pressbaum-Dirndl“, der wahrscheinlich<br />

in die Geschichte eingehen wird. Sinn und Zweck dieser Vereinigung ist<br />

die Kreierung eines Kleidungsstückes, das anlässlich der bevorstehenden<br />

Stadterhebung aus der Nähmaschine gehoben werden soll. Durch eine so<br />

großzügige überparteiliche Loyalitätsbekundung zutiefst beeindruckt, geriet<br />

ich allerdings bereits bei der näheren Aufgabenbeschreibung ins Grübeln. Gefragt ist nämlich eine Gewandung,<br />

die praktisch jeder Frau passt, egal, welche monumentalen und unliebsamen Überraschungen sich darunter verbergen<br />

mögen. Dazu fiel mir nämlich nur eine Art Campingzelt ein, was den Vorteil hätte, dass dem Entwurf auch die<br />

Grünen zustimmen würden. Und wenn man in Pressbaum etwas von „Grün“ bemerken möchte, muss man sich normalerweise<br />

ohnehin vor eine Ampel stellen. Irritiert war ich darüber hinaus durch das Ansinnen an sich, exakt zu einer<br />

Stadterhebung eine Kleidung zu tragen, die eindeutig dem ländlichen Raum zugeordnet wird.Auch der Gedanke der<br />

Gleichberechtigung setzt sich im Arbeitskreis nicht wirklich durch, denn es ist kein entsprechendes Beinkleid für die<br />

Herren, etwa mit variabler Hosenstall-Länge, in Planung. Das hat vielleicht damit zu tun, dass die ÖVP grundsätzlich<br />

eher zu einem Weltbild der fröhlich vor sich hin summenden Hausfrau vor dem Nudeltopf, der vollen Windel und der<br />

Nähmaschine tendiert und das tapfere Schneiderlein für eine geistige Verirrung der Gebrüder Grimm hält. Allerdings,<br />

- und das wurde auch im Gemeinderat ausführlich und unter Beiziehung einer fachlich fundierten Auskunftsperson<br />

behandelt-, kann jeder bei einem eigens dafür abkommandierten Gemeindebediensteten eigene Pressbaum-Knöpfe<br />

ankaufen. Und damit nimmt man zweifellos nicht nur den verpönten Emanzen-, sondern auch jenen, die die steigenden<br />

Personal- und Verwaltungsausgabenausgaben in Pressbaum kritisieren, den Wind aus den Segeln.<br />

Um empörten Leserbriefen vorzubeugen, sei an dieser Stelle angemerkt: Ein Dirndl ist ein kleidsames und schmeichelhaftes<br />

Kleidungsstück und steht nahezu jeder Frau. Es ist nämlich so konstruiert, dass es sogenannte „Problemzonen“<br />

bedeckt, gleichzeitig aber an anderen Stellen, wo es vielleicht an Fülle hapert, eine solche vortäuscht. Wäre<br />

es ein Geburtstagsgeschenk, könnte man sagen, die aufwändige Verpackung peppt den Inhalt deutlich auf. Es hat<br />

also auch durchaus viele Vorzüge, und es gibt weitaus fragwürdigere Projekte, mit denen sich die Pressbaumer Gemeindevertreter<br />

mitunter beschäftigen. Und fest steht auch, dass durch die kollektive Dirndl-Schneiderei für einige<br />

honorige ÖVP-Vertreterinnen, deren Arbeitsschwerpunkt bisher darin lag, sich mit relativ vergreisten und deshalb<br />

gegenwehrlosen Mitbürgern ablichten zu lassen, eine neue und sinnvolle Beschäftigung gefunden wurde. Vielleicht<br />

kann die ländliche Tracht ja auch dazu beitragen, Pressbaum aus der Schuldenfalle zu befreien, beispielsweise<br />

durch den Verkauf von etwa 24 Millionen Knöpfen, Stückpreis 1 Euro. Ich selbst beschränke mich auf die gespannte<br />

Erwartung des modischen Highlights und freue mich vor allem auf seine unverzichtbare Ergänzung: nämlich das<br />

Kropfband, auch Würgeband genannt. Denn das könnte wirklich praktisch sein.<br />

Sybille Zeisel<br />

sybillezeisel@gmx.at

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