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der<br />

Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

WISSENSCHAFTS<br />

JOURNAL<br />

Biologische Forschung<br />

an der Universität Halle<br />

Wie Bakterien mit<br />

Giftstoffen fertig werden<br />

Zur Paarungsstrategie<br />

von Wanderheuschrecken<br />

Altern und Stress<br />

bei Pflanzen<br />

4/02


..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Inhalt / Impressum<br />

Editorial<br />

Rolf Gattermann ................................................................................................................... 4<br />

Fachbereich Biologie<br />

Resistenz-Striptease und periplasmatische Küsse:<br />

Wie Bakterien mit Giftstoffen fertig werden<br />

Dietrich He<strong>in</strong>rich Nies ..........................................................................................................5<br />

Ungewöhnliche »Leckerbissen«<br />

Giftige Substanzen als e<strong>in</strong> Lebenselixier für anaerobe Bakterien<br />

Ute Lechner und Jan Remmer Andreesen ......................................................................... 7<br />

»Die Goldhamster-Story«<br />

Labortiere und Wildfänge im Vergleich<br />

Rolf Gattermann ................................................................................................................... 9<br />

Anarchie im Bienenstaat<br />

»Capensis Kalamität« bee<strong>in</strong>trächtigt Imkerei im Norden Südafrikas<br />

Peter Neumann und Rob<strong>in</strong> F. A. Moritz ............................................................................ 1 1<br />

Vater werden ist recht schwer ...<br />

Zur Paarungsstrategie von Wanderheuschrecken<br />

Hans-Jörg Ferenz und Karsten Seidelmann ..................................................................... 1 3<br />

Vom Palmendieb zur Wollmaus<br />

232 Jahre Zoologische Sammlungen<br />

Dietrich Heidecke und Karla Schneider ............................................................................ 1 5<br />

Thripse – Globetrotter im Auftrag des Bösen<br />

Weltweiter Pflanzentransfer begünstigt Verbreitung von Viren<br />

Gerald Moritz ........................................................................................................................ 17<br />

Zeitgemäßer Biologieunterricht<br />

Forschungsfelder der Fachdidaktik<br />

Wolfgang Lerchner und Lothar Schmidt ........................................................................... 1 9<br />

Altern und Stress bei Pflanzen<br />

Molekularbiologische Untersuchungen<br />

Klaus Humbeck ..................................................................................................................... 21<br />

Klonen nicht nötig!<br />

Die Vielfalt natürlicher Fortpflanzungsstrategien bei Pflanzen<br />

Isabell Hensen, Astrid Grüttner und Constanze Ohl ........................................................ 2 3<br />

12 000 Pflanzenarten ...<br />

Städtische Oase und biologische Versuchsstation: Botanischer Garten<br />

Matthias H. Hoffmann ......................................................................................................... 2 5<br />

Biodiversitätsforschung im 21. Jahrhundert<br />

Verlust an Vielfalt <strong>in</strong> der Tier- und Pflanzenwelt<br />

Mart<strong>in</strong> Röser ......................................................................................................................... 27<br />

Der Chloroplast:<br />

Solarkraftwerk, Sauerstoffproduzent und Biosensor<br />

Udo Johann<strong>in</strong>gmeier ........................................................................................................... 29<br />

Wir »basteln« e<strong>in</strong>e Photosynthesemembran<br />

Teil 1: Die Prote<strong>in</strong>e<br />

Ralf Bernd Klösgen .............................................................................................................. 31<br />

Gensilenc<strong>in</strong>g und die Analyse von<br />

Regulationsprozessen im Chromat<strong>in</strong><br />

Gunter Reuter, Ra<strong>in</strong>er Dorn, Gunnar Schotta, Anja Ebert,<br />

Kathr<strong>in</strong> Naumann, Andreas Fischer und Thomas Rudolph ........................................... 33<br />

Systembiologie – e<strong>in</strong>e neue Sichtweise<br />

hält E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Molekularbiologie<br />

Alexander Anders und Kar<strong>in</strong> D. Breunig .......................................................................... 3 5<br />

Waffenarsenale im Mikrokosmos<br />

Bakterielle Virulenz und pflanzliche Abwehr<br />

Jens Boch, Thomas Lahaye, Ralf Koebnik und Ulla Bonas ........................................... 3 7<br />

Personalia .............................................................................................................................. 39<br />

Rätselfoto/Autorenadressen ................................................................................................ 42<br />

...............................................................................<br />

I MPRESSUM<br />

scientia halensis – Wissenschaftsjournal der<br />

Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Ausgabe 4/2002, 10. Jahrgang<br />

ersche<strong>in</strong>t viermal im Jahr<br />

HERAUSGEBER<br />

Der Rektor der Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

REDAKTION<br />

Dr. Monika L<strong>in</strong>dner, Ute Olbertz (verantwortlich<br />

für diese Ausgabe), Dr. Margarete We<strong>in</strong><br />

R EDAKTIONSBEIRAT (für scientia halensis –<br />

Universitätszeitung und Wissenschaftsjournal):<br />

Prof. Dr. Wilfried Grecksch (Rektor), Prof. Dr.<br />

Dr. Gunnar Berg, Prof. Dr. René Csuk, Prof.<br />

Dr. Gernot W. Duncker, Dr. Frank Eigenfeld,<br />

Dr. Renate Federle, Dr. Roswitha Geil<strong>in</strong>g, Prof.<br />

Dr. Siegfried Hoffmann, Prof. Dr. Manfred<br />

Lemmer, Dr. Monika L<strong>in</strong>dner, Ute Olbertz,<br />

Katr<strong>in</strong> Rehschuh, Prof. Dr. Hans-Joachim<br />

Solms, Dr. Ralf-Torsten Speler, Dr. Margarete<br />

We<strong>in</strong>, Prof. Dr. Alois Wenig<br />

GRAFIK-DESIGN<br />

Barbara und Joachim Dimanski<br />

Dipl.-Grafik-Designer AGD/BBK<br />

A NSCHRIFT DER REDAKTION<br />

Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Rektorat<br />

Universitätsr<strong>in</strong>g 14<br />

06099 Halle (Saale)<br />

Telefon: 0345 55-21420/22/24<br />

Fax: 0345 55-27082, 0345 55-27254<br />

E-Mail:<br />

m.l<strong>in</strong>dner@verwaltung.uni-halle.de<br />

m.olbertz@verwaltung.uni-halle.de<br />

m.we<strong>in</strong>@verwaltung.uni-halle.de<br />

Internet: http://www.uni-halle.de<br />

LAYOUT<br />

Ute Olbertz<br />

Jens Gerth (Umschlagseiten)<br />

D RUCKVORBEREITUNG & DRUCK<br />

a bis z-Publish<strong>in</strong>g GmbH Leipzig<br />

a bis z-Pr<strong>in</strong>t Holleben<br />

A NZEIGENPREISLISTE<br />

2002a<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt die Me<strong>in</strong>ung der Redaktion<br />

oder des Herausgebers wieder.<br />

Für unaufgefordert e<strong>in</strong>gesandte Manuskripte<br />

oder Bilder ke<strong>in</strong>e Haftung.<br />

ISSN 0945-9529<br />

scientia halensis ersche<strong>in</strong>t mit freundlicher<br />

Unterstützung der Vere<strong>in</strong>igung der Freunde<br />

und Förderer der Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg e. V.<br />

3


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

editorial<br />

EDITORIAL<br />

Rolf Gattermann<br />

................................................................................<br />

Biologie ist die Lehre vom Leben. Unser<br />

4<br />

Verständnis von den Strukturen und den<br />

Abläufen des Lebens wächst derzeit explosionsartig.<br />

Die Erkenntnisse der Biologie<br />

nehmen <strong>in</strong> der Öffentlichkeit e<strong>in</strong>en besonderen<br />

Stellenwert e<strong>in</strong>, sei es <strong>in</strong> gesellschaftlichen<br />

Debatten, politischen Diskussionen,<br />

rechtlichen Fragestellungen und<br />

nicht zuletzt im Zuwachs an Allgeme<strong>in</strong>wissen.<br />

Biologische Innovationen eröffnen<br />

neue Berufssparten, Technologien und<br />

Forschungsfelder. Das wiederum erfordert<br />

neue Methoden <strong>in</strong> der Lehre und Fortbildung,<br />

neue Organisationsformen und neue<br />

Dimensionen an Interdiszipl<strong>in</strong>arität. Nicht<br />

zu Unrecht s<strong>in</strong>d die Biowissenschaften –<br />

mit der Biologie im Zentrum – e<strong>in</strong> Forschungsschwerpunkt<br />

unserer Universität.<br />

Der Fachbereich Biologie kann auf e<strong>in</strong>e lange<br />

Tradition <strong>in</strong> Lehre und Forschung zurückblicken.<br />

Zu den ältesten E<strong>in</strong>richtungen<br />

gehören der 1698 gegründete Botanische<br />

Garten und das Institut für Zoologie mit<br />

se<strong>in</strong>en Zoologischen Sammlungen aus dem<br />

Jahr 1769. In den 50er Jahren des vergangenen<br />

Jahrhunderts g<strong>in</strong>gen aus den Botanischen<br />

Anstalten die Institute für Geobota-<br />

nik und Pflanzenphysiologie hervor. Ende<br />

der 60er wurde das Institut für Genetik<br />

und <strong>in</strong> den 80er Jahren das Institut für Mikrobiologie<br />

gegründet. Seit 1993 gehört die<br />

Abteilung Didaktik der Biologie zum Fachbereich.<br />

Die Institute s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> altehrwürdigen,<br />

aber dr<strong>in</strong>gend sanierungsbedürftigen<br />

Gebäuden <strong>in</strong> der Innenstadt und im »Biologicum<br />

I« am We<strong>in</strong>bergweg untergebracht.<br />

Das im Herbst 2000 fertig gestellte »Biologicum<br />

I« gehört weltweit zu den schönsten<br />

und komfortabelsten Biologie-Neubauten.<br />

Es bietet auf 3 700 m 2 exzellente Arbeitsmöglichkeiten<br />

für Pflanzenphysiologen,<br />

Genetiker und Biologie-Didaktiker.<br />

Am Fachbereich s<strong>in</strong>d seit der politischen<br />

Wende drei Professor<strong>in</strong>nen und zwölf Professoren<br />

berufen worden, zwei Berufungen<br />

stehen noch aus. Alle Berufenen s<strong>in</strong>d als<br />

wissenschaftliche Experten auf ihren Forschungsfeldern<br />

national und <strong>in</strong>ternational<br />

anerkannt.<br />

Bis zur Wende zählte die Universität 50<br />

bis 100 Biologie-Studenten. Danach gab es<br />

e<strong>in</strong>en kont<strong>in</strong>uierlichen Anstieg auf 500 bis<br />

600 Studierende. Die erfreuliche Entwicklung<br />

setzte sich auch <strong>in</strong> diesem Jahr fort.<br />

Zur Zeit bilden wir am Fachbereich über<br />

700 Student<strong>in</strong>nen und Studenten, darunter<br />

205 Erstsemester, aus. Dazu kommen Studierende<br />

der Fachrichtungen Biochemie,<br />

Bio<strong>in</strong>formatik, Agrarwissenschaften, Geowissenschaften,<br />

Lebensmittelchemie und<br />

Bio<strong>in</strong>genieurwesen sowie 65 PromotionsstudentInnen.<br />

Halle ist e<strong>in</strong> gefragter Studienstandort,<br />

der e<strong>in</strong>e wissenschaftsorientierte<br />

Ausbildung über die gesamte Biologie<br />

anbietet: von der subzellulären bis zur biozönotischen<br />

Ebene, von der Labor- bis zur<br />

Feldbiologie bzw. von der molekularen bis<br />

zur organismischen Biologie. Die Belastung<br />

ist enorm. Engpässe treten hauptsächlich<br />

im Grundstudium auf. Es fehlt an Lehrräumen<br />

mit moderner Ausstattung. Das<br />

versprochene »Biologicum II« würde die<br />

Probleme lösen. Investitionen <strong>in</strong> die Biologie<br />

befördern die Weiterentwicklung der<br />

Universität und des Landes.<br />

Die im Journal vorgestellten Beiträge beweisen,<br />

dass wir uns den Herausforderungen<br />

<strong>in</strong> breiter Front gestellt haben und über<br />

Forschung und Lehre das moderne Bild der<br />

Biologie mitprägen.


RESISTENZ-STRIPTEASE UND PERIPLASMATISCHE KÜSSE:<br />

WIE BAKTERIEN MIT GIFTSTOFFEN FERTIG WERDEN<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

Dietrich He<strong>in</strong>rich Nies<br />

Bakterielle Infektionskrankheiten s<strong>in</strong>d im heutigen Europa (noch?) ke<strong>in</strong> Problem mehr. Die<br />

Arbeit der Mikrobiologen <strong>in</strong> den letzten beiden Jahrhunderten hat uns mit Hygiene-Vorschriften,<br />

Massen-Impfungen und den Antibiotika drei mächtige Säulen beschert, mit denen<br />

wir erfolgreich pathogene Bakterien <strong>in</strong> ihre Schranken weisen können. Durch natürliche<br />

Evolution, leider beschleunigt durch Missbrauch von Antibiotika, wird uns diese wichtige<br />

Waffe jedoch zunehmend aus der Hand geschlagen.<br />

Abb. 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme<br />

von zwei Zellen des Bakteriums Ralstonia<br />

metallidurans. Das Bild wurde von Dr. Dieter<br />

Neumann vom IPB zur Verfügung gestellt.<br />

Antibiotika-resistente Bakterien haben unterschiedliche<br />

Möglichkeiten entwickelt,<br />

um diese gegen sie gerichteten Giftstoffe<br />

zu entschärfen. E<strong>in</strong>mal wird das Antibiotikum<br />

direkt zerstört, <strong>in</strong>dem es chemisch<br />

verändert und damit unwirksam gemacht<br />

wird. Auch kann der Angriffspunkt der<br />

Wirkung des Antibiotikums umgangen oder<br />

durch Modifikation so verändert werden,<br />

dass das Antibiotikum daran abgleitet. Die<br />

Bakterienzelle kann drittens die giftige<br />

Substanz hochselektiv wieder nach außen<br />

befördern (Efflux) oder gar nicht erst aufnehmen.<br />

Die vierte Möglichkeit zeigt uns<br />

sogar unser Körper: Wenn wir etwas gegessen<br />

haben, das uns abkömmlich war, übergeben<br />

wir uns oder haben Durchfall. Dabei<br />

werden die Giftstoffe aus unserem Körper<br />

herausgeworfen. Auf der Ebene der Zellen<br />

ist der vergleichbare Vorgang die multiple<br />

Giftresistenz MDR (multiple drug resistance),<br />

bei der e<strong>in</strong>e ganze Gruppe chemisch<br />

grob mite<strong>in</strong>ander verwandter Stoffe aus der<br />

Zelle herausgepumpt wird. Die Entwicklung<br />

von MDR <strong>in</strong> Tumorzellen ist für viele<br />

Misserfolge <strong>in</strong> der Chemotherapie von<br />

Krebserkrankungen verantwortlich und<br />

auch für das Auftauchen mancher Antibiotika-resistenter<br />

Bakterien. So ist beim<br />

Blaueiter-Erreger Pseudomonas aerug<strong>in</strong>osa,<br />

der <strong>in</strong>sbesondere geschwächte Menschen<br />

befällt, die Hälfte aller Resistenz-<br />

Komplikationen auf das MDR-Phänomen<br />

zurückzuführen.<br />

Antibiotika und andere organische Stoffe<br />

s<strong>in</strong>d nun unhandlich, wenn die biochemischen<br />

Grundlagen von MDR studiert werden<br />

sollen. Schwermetalle s<strong>in</strong>d da viel geeigneter.<br />

Viele von ihnen wie z. B. Z<strong>in</strong>k,<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gen Konzentrationen wichtige<br />

Spurenelemente, aber alle s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> hohen<br />

Dosen giftig (Artikel Seite 7, Andreesen /<br />

Lechner). Schwermetall-Ionen werden<br />

meistens durch B<strong>in</strong>dung oder Efflux entgiftet,<br />

so dass Schwermetall-Efflux als biochemisches<br />

Modell für Antibiotika-Efflux<br />

dienen kann. Auch ist es viel e<strong>in</strong>facher, mit<br />

e<strong>in</strong>er der vielen harmlosen und für uns<br />

wichtigen Bakterienarten zu arbeiten als<br />

mit e<strong>in</strong>em pathogenen Organismus.<br />

E<strong>in</strong>malige Anpassungsleistung<br />

Unser Untersuchungs-Objekt ist daher der<br />

harmlose Boden- und Wasser-Bewohner<br />

Ralstonia metallidurans (Abb. 1), der mit<br />

e<strong>in</strong>er Vielzahl von Schwermetall-Resistenzen<br />

auch an e<strong>in</strong>em hoch belasteten Standort<br />

leben kann. Man f<strong>in</strong>det das Bakterium<br />

an jedem Punkt der Erde, wo Schwermetalle<br />

anderen Organismen das Leben vergällen.<br />

E<strong>in</strong> gutes Beispiel ist der Ort, von dem R.<br />

metallidurans zuerst isoliert worden ist:<br />

E<strong>in</strong> Dekantationstank e<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>kfabrik <strong>in</strong><br />

Belgien.<br />

Um herauszuf<strong>in</strong>den, wie unser R. metallidurans<br />

diese e<strong>in</strong>malige Anpassungs-Leistung<br />

vollbr<strong>in</strong>gt, haben wir und andere Arbeitsgruppen<br />

ihm durch genetische Manipulationen<br />

e<strong>in</strong>e Schwermetall-Resistenz<br />

nach der anderen weggenommen. Dabei<br />

wurden die resultierenden Mutanten-Stämme<br />

zunehmend sensitiver gegen das jeweilige<br />

Schwermetall. Wir nennen diese Vorgehensweise<br />

»Resistenz-Striptease«. Momentan<br />

steht der Zähler bei gut zwei Dutzend<br />

Resistenz-Systemen, die auf verschiedene<br />

Weisen e<strong>in</strong> überlappendes Spektrum<br />

von Schwermetallen entgiften, meistens<br />

durch Efflux.<br />

Die äußerste Abwehrfront, sozusagen der<br />

W<strong>in</strong>termantel, gegen zu hohe Konzentra-<br />

...............................................................................<br />

tionen von Z<strong>in</strong>k, Kobalt und Cadmium ist<br />

5<br />

das Czc-Resistenz-System, über das wir<br />

viele Erkenntnisse gew<strong>in</strong>nen konnten. Czc<br />

produziert die CzcCBA-Efflux-Pumpe, die<br />

die doppelt positiv geladenen Ionen dieser<br />

drei Schwermetalle bei Bedarf aus der Zelle<br />

h<strong>in</strong>ausbefördert. Die CzcCBA-Pumpe war<br />

der Protopyp für viele später entdeckte<br />

Verwandte, von denen die meisten organische<br />

Giftstoffe wie Antibiotika durch Efflux<br />

entgiften und damit MDR verursachen.<br />

Die besondere Stellung des Czc-Systems<br />

bei der Entgiftung von Schwermetallen <strong>in</strong><br />

Zellen von R. metallidurans beruht auf e<strong>in</strong>er<br />

hohen Effizienz der CzcCBA-Pumpe.<br />

Diese basiert wiederum auf e<strong>in</strong>er ganz besonderen<br />

Anordnung der drei Teile dieses<br />

Exportsystems. R. metallidurans ist e<strong>in</strong><br />

Gram-negatives Bakterium, das als solches<br />

über e<strong>in</strong>e geschichtet aufgebaute Zellwand<br />

verfügt. Wie alle Lebewesen hat es e<strong>in</strong>e<br />

Cytoplasma-Membran (CPM), die das<br />

Zell<strong>in</strong>nere vom Außenmedium abgrenzt.<br />

Transport-Prote<strong>in</strong>e dar<strong>in</strong> sorgen spezifisch<br />

für den Im- oder Export ausgewählter chemischer<br />

Substanzen. Gram-negative Bakterien<br />

haben e<strong>in</strong>e zweite, äußere Membran<br />

zusätzlich zur CPM. Zwischen beiden<br />

Membranen liegt der periplasmatische<br />

Raum, der die Zellwand des Bakteriums<br />

enthält (Abb. 2, Seite 6).<br />

Export-Pumpen wie CzcCBA überbrücken<br />

alle drei Teile der Gram-negativen Zellwand<br />

und können ihre Substrate direkt aus<br />

dem Zell<strong>in</strong>neren nach außen schicken. Die<br />

CzcA-Untere<strong>in</strong>heit steckt <strong>in</strong> der Cytoplasma-Membran<br />

und ist der eigentliche Motor<br />

der CzcCBA-Pumpe. Für deren Antrieb<br />

nutzt die Zelle e<strong>in</strong>e Art Batterie als Energiequelle:<br />

Durch die Veratmung von Nahrung<br />

werden positiv geladene Wasserstoff-<br />

Ionen, Protonen, über die CPM h<strong>in</strong>weg<br />

nach außen geschafft, was e<strong>in</strong> elektrisches<br />

Feld aufbaut. Die Spannung über der CPM<br />

ist nicht so hoch wie <strong>in</strong> unseren Batterien<br />

(z. B. 9 V), kann aber immerh<strong>in</strong> 0,2 V betragen.<br />

CzcA lässt nun den Protonen-<br />

Strom nach <strong>in</strong>nen zurückfließen und nutzt<br />

diese Energie, um überschüssige Z<strong>in</strong>k-, Kobalt-<br />

und Cadmium-Kationen <strong>in</strong>s Periplasma<br />

zu schaffen.<br />

Schwermetall-Transporter<br />

Im Gegensatz zu anderen Schwermetall-<br />

Effluxpumpen werden die Kationen bei<br />

CzcCBA aber nicht <strong>in</strong>s Periplasma freigesetzt,<br />

wo sie Unheil anrichten könnten,<br />

sondern durch E<strong>in</strong>satz der beiden anderen


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

................................................................................<br />

Untere<strong>in</strong>heiten des Prote<strong>in</strong>komplexes,<br />

6<br />

CzcB und CzcC, weiter nach außen transportiert.<br />

Durch die Arbeiten anderer Gruppen,<br />

die verwandte Prote<strong>in</strong>-Komplexe studieren,<br />

haben wir e<strong>in</strong>e gute Vorstellung, wie<br />

dies geschehen könnte. Vom CzcC-verwandten<br />

Prote<strong>in</strong> TolC (»Tol« steht für<br />

Toluo-Resistenz) wurde sogar die atomare<br />

Struktur aufgeklärt (Abb. 3a). TolC bildet<br />

e<strong>in</strong>e Röhre, die <strong>in</strong> der äußeren Membran<br />

steckt und das ganze Periplasma durchspannen<br />

kann. Die Daten über die Form<br />

des CzcB-verwandten Prote<strong>in</strong>s AcrA<br />

(»Acr« steht für Acriflav<strong>in</strong>-Resistenz)<br />

weisen auf e<strong>in</strong>e Rettungsr<strong>in</strong>g-ähnliche<br />

Struktur (Bild 3b+c). TolC und AcrA<br />

<strong>in</strong>teragieren, der Innendurchmesser von<br />

AcrA ist aber zu kle<strong>in</strong>, um die TolC-Röhre<br />

aufzunehmen. Das macht auch nichts, da<br />

Abb. 2: Modell für die Funktion der CzcCBA-Effluxpumpe. Dieser Prote<strong>in</strong>komplex durchspannt<br />

die gesamte Zellhülle des Gram-negativen Bakteriums R. metallidurans, die aus der<br />

Cytoplasmamembran (CPM), dem Periplasma (PP) mit der dar<strong>in</strong> enthaltenen Mure<strong>in</strong>-Zellwand<br />

(ZW) und der äußeren Membran (OM) besteht. CzcA liegt als Dimer <strong>in</strong> der CPM und<br />

nutzt die Batterie-Ladung über der CPM, um überschüssige Schwermetall-Kationen (dicke bunte<br />

Kugeln, M2+) aus dem Innenraum der Zelle zu entfernen und zu den periplasmatisch lokalisierten<br />

Prote<strong>in</strong>-Teilen zu transportieren. Diese Leistung wird durch e<strong>in</strong>en Protonen-Strom<br />

(kle<strong>in</strong>e schwarze Kugeln, H+) als Energiequelle angetrieben, der durch die zelluläre Atmungstätigkeit<br />

ermöglicht worden ist. Der tri- oder tetramere CzcB-Adaptor zieht durch »periplasmatisches<br />

Küssen« die vermutete trimere CzcC-Röhre zum CzcA-Motor, so dass dieser die<br />

Schwermetall-Kationen wie bei e<strong>in</strong>em Turbolader <strong>in</strong> die CzcC-Röhre drücken kann. Dieser<br />

chemische Konzentrations-Druck sorgt dann für e<strong>in</strong>e problemlose Entsorgung der Schwermetall-Kationen<br />

durch Diffusion nach außen (Modell: Nies).<br />

Abb. 3: Strukturen des CzcC-verwandten<br />

Prote<strong>in</strong>s TolC und des CzcB-verwandten<br />

Prote<strong>in</strong>s AcrA. Beim TolC-Prote<strong>in</strong> (a, nach<br />

Koronakis et al., 2000, Nature 405, 914–<br />

919) bilden drei TolC-Untere<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong>e<br />

14 nm lange Röhre. L<strong>in</strong>ks die Seitenansicht,<br />

oben daneben die Ansicht von oben = außen,<br />

darunter die von unten. Deutlich s<strong>in</strong>d hier die<br />

Irisblenden-artigen Verschlüsse der Röhre zu<br />

sehen. AcrA (b von oben, c von der Seite,<br />

Avila-Sakar et al., 2001, J. Struct. Biol. 136,<br />

81–88) wurde <strong>in</strong> der Flüssigschicht-Kristallisation<br />

als Rettungsr<strong>in</strong>g abgebildet, der beim<br />

»periplasmatischen Küssen« als Adaptor<br />

zwischen dem eigentlichen Pumpen-Prote<strong>in</strong><br />

AcrB (mit CzcA verwandt) und der TolC-<br />

Röhre dienen könnte.<br />

die TolC-Röhre nicht nur mit AcrA, sondern<br />

zusätzlich auch noch mit weiteren Export-Systemen<br />

zusammenarbeitet. Es ist<br />

daher wahrsche<strong>in</strong>lich, dass TolC nur bei<br />

Bedarf mit AcrA <strong>in</strong> Kontakt tritt, wobei<br />

dann beide Prote<strong>in</strong>e ihre »Münder« aufe<strong>in</strong>ander<br />

legen. Wir nennen diesen Vorgang<br />

»periplasmisches Küssen«. Interessanterweise<br />

hatte die entsprechende menschliche<br />

Verhaltensweise ihren Ursprung auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

»Transportfunktion«, dem Füttern von<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern durch die Mutter.<br />

Bei unseren Schwermetall-Transportern<br />

kann das periplasmatische Küssen auch<br />

promiskuitiv erfolgen. Es wird schon mal<br />

e<strong>in</strong>e andere Röhre genutzt, wenn die eigene<br />

nicht vorhanden ist. Vor dem Küssen aber<br />

werden die zu exportierenden Schwermetalle<br />

zunächst, angetrieben durch die Cytoplasmamembran-Batterie,<br />

von <strong>in</strong>nen zu periplasmatischen<br />

B<strong>in</strong>destellen im Pumpenprote<strong>in</strong><br />

CzcA geschafft. Der CzcB-Adaptor<br />

zieht dann die CzcC-Röhre an das<br />

CzcA-Prote<strong>in</strong> heran und die Schwermetalle<br />

werden <strong>in</strong> die Röhre h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gedrückt. Die<br />

Röhre hat e<strong>in</strong>e direkte Öffnung nach außen<br />

und der chemische Konzentrations-Druck,<br />

der durch die aktive E<strong>in</strong>speisung <strong>in</strong> die<br />

Röhre aufgebaut worden ist, sorgt für e<strong>in</strong>e<br />

problemlose Entladung nach außen<br />

(Abb. 2).<br />

Dieses hypothetische Modell der Funktion<br />

der CzcCBA-Pumpe und verwandter Antibiotika-MDR-Pumpen<br />

erklärt nicht nur die<br />

vorhandenen Daten, es bietet auch Ansatzpunkte<br />

für die Entwicklung spezifischer<br />

Hemmstoffe dieses Vorgangs. Gel<strong>in</strong>gt dies,<br />

werden es uns zukünftige Patienten, die<br />

z. B. an Antibiotika-resistenten Blaueiter-<br />

Erregern erkrankt s<strong>in</strong>d, vielleicht e<strong>in</strong>mal<br />

danken.<br />

Der Autor wurde 1985 <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen promoviert,<br />

es folgte e<strong>in</strong>e Postdoc-Zeit <strong>in</strong> Chicago<br />

und Berl<strong>in</strong> und 1993 habilitierte er<br />

sich <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Seit 1993 hat er e<strong>in</strong>e Professur<br />

am Institut für Mikrobiologie <strong>in</strong> Halle<br />

<strong>in</strong>ne.


UNGEWÖHNLICHE »LECKERBISSEN«<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

GIFTIGE SUBSTANZEN ALS EIN LEBENSELIXIER FÜR ANAEROBE BAKTERIEN<br />

Ute Lechner und Jan Remmer Andreesen<br />

Jedes Lebewesen nimmt täglich Stoffe auf, die <strong>in</strong> höherer Konzentration giftig wirken, weil<br />

vorhandene »Entgiftungsmechanismen« (siehe Artikel auf Seite 5) überfordert werden.<br />

Schon Paracelsus (1493–1541) wusste: »Alle D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d Gift und nichts ohne Gift; alle<strong>in</strong><br />

die Dosis macht, dass e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g ke<strong>in</strong> Gift ist«. Es mag viele Menschen überraschen, dass<br />

»anerkannte Gifte« wie Cyanid, Kohlenmonoxid, Arsenat oder polychlorierte Diox<strong>in</strong>e (à la<br />

»Seveso-Gift«) richtige Leckerbissen für e<strong>in</strong>ige spezialisierte Bakterien se<strong>in</strong> können. Häufig<br />

s<strong>in</strong>d diese ungeahnten Fähigkeiten auf anaerobe – d. h. unter Luft- bzw. Sauerstoff-<br />

Ausschluss lebende – Bakterien beschränkt, die als Nachkommen der ersten Prokaryonten<br />

(Bakterien und Archaeen) gelten können. Zu Beg<strong>in</strong>n des zellulären Lebens war es auf der<br />

Erde anaerob, bevor dann erst Cyanobakterien durch oxygene Photosynthese den Gehalt<br />

an Sauerstoff so erhöhten, dass uns das heutige Leben möglich wurde. Die Arbeiten am<br />

Lehrstuhl für Allgeme<strong>in</strong>e Mikrobiologie beschäftigen sich mit bestimmten Aspekten der<br />

Lebensweise anaerober Bakterien, die im Zusammenhang mit Schwermetallen als Biokatalysatoren<br />

oder Chlorverb<strong>in</strong>dungen als anaeroben Atmungssubstraten stehen.<br />

Wolfram: aus e<strong>in</strong>em Glühfaden<br />

wird e<strong>in</strong> Bioelement<br />

Wolfram (englisch: Tungsten) ist als Element<br />

der 6. Periode im chemischen Periodensystem<br />

e<strong>in</strong> Schwermetall wie Quecksilber<br />

und wurde nur deshalb <strong>in</strong> biologischen<br />

Versuchen e<strong>in</strong>gesetzt, weil das Wolframat-Ion<br />

wegen se<strong>in</strong>er großen chemischen<br />

Ähnlichkeit zu Molybdat dessen spezifischer<br />

Antagonist ist. Es verh<strong>in</strong>dert die Biosynthese<br />

von aktiven Molybdoenzymen.<br />

Molybdän ist neben Iod das e<strong>in</strong>zige Element<br />

der 5. Periode, das e<strong>in</strong>e positive biologische<br />

Funktion hat. Dessen essentielle<br />

Funktion <strong>in</strong> der bakteriellen Reduktion von<br />

elementarem Stickstoff zu Ammoniak wurde<br />

bereits 1930 gefunden. Heute kennt man<br />

über 30 verschiedene Molybdoprote<strong>in</strong>e,<br />

bei denen – anders als <strong>in</strong> der Nitrogenase –<br />

Molybdän über zwei Schwefelbrücken an<br />

e<strong>in</strong>em Pyrano-Pter<strong>in</strong>-Cofaktor gebunden<br />

ist. Dieser essentielle, aber empf<strong>in</strong>dliche<br />

Cofaktor wird uns auch über die Muttermilch<br />

im Enzym Xanth<strong>in</strong>-Oxidase »verpackt«<br />

angeliefert. Die Geschichte der positiven,<br />

sogar essenziellen Rolle von Wolfram<br />

begann erst 1972 mit der Beobachtung,<br />

dass das anaerobe Bakterium Clostridium<br />

thermoaceticum unbed<strong>in</strong>gt Wolfram und<br />

Selen für die Bildung der enzymatisch äußerst<br />

aktiven Formiat-Dehydrogenase benötigte.<br />

Beide Elemente galten bis dah<strong>in</strong><br />

aufgrund ihrer Interferierung mit dem Molybdän-<br />

bzw. Schwefel-Stoffwechsel als<br />

hochgradig toxisch. Um Verwechslungen zu<br />

vermeiden, haben Bakterien Mechanismen<br />

entwickelt, erstaunlich genau zwischen<br />

»angebotenen Substanzen« zu unterscheiden.<br />

Beim Am<strong>in</strong>osäuren vergärenden Bakterium<br />

Eubacterium acidam<strong>in</strong>ophilum wird<br />

Wolframat bereits vor der Aufnahme <strong>in</strong> die<br />

Zelle erkannt. E<strong>in</strong> außerhalb der Cytoplasmamembran<br />

bef<strong>in</strong>dliches Prote<strong>in</strong> filtert<br />

Wolframat aus e<strong>in</strong>er Mischung verschiedenster<br />

Ionen auch <strong>in</strong> Gegenwart von dem<br />

chemisch sehr ähnlichen Molybdat selektiv<br />

über e<strong>in</strong>e hochaff<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>dung heraus. E<strong>in</strong><br />

ATP-getriebenes Transportsystem br<strong>in</strong>gt<br />

Wolframat dann <strong>in</strong> die Zelle, wo bereits e<strong>in</strong><br />

anderes Prote<strong>in</strong> »wartet«, dieses Ion zu<br />

übernehmen. Aus dieser B<strong>in</strong>dung wird es<br />

dann wiederum selektiv <strong>in</strong> den Pter<strong>in</strong>-Cofaktor<br />

von zwei für dieses Bakterium<br />

essenziellen Prote<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>gebaut: e<strong>in</strong>e Formiat-Dehydrogenase,<br />

die auch CO 2<br />

zu<br />

Formiat reduzieren kann, und e<strong>in</strong>e Aldehyd<br />

Oxidoreduktase. Damit enthält es<br />

zwei der bislang drei unterschiedlichen<br />

Gruppen von Wolframenzymen. Noch ist<br />

unbekannt, warum e<strong>in</strong>ige anaerob lebende<br />

Bakterien Wolframat statt Molybdat bevorzugen.<br />

Die bessere Löslichkeit der vor<br />

...............................................................................<br />

Jahrmilliarden <strong>in</strong> sulfidischer Form vorliegenden<br />

Wolfram-Verb<strong>in</strong>dungen könnte e<strong>in</strong><br />

Faktor gewesen se<strong>in</strong>. Die spätere Präsenz<br />

von Sauerstoff hat dann Molybdat begünstigt.<br />

Selen: se<strong>in</strong>e zwei Seiten, wie die<br />

namensgebende Gött<strong>in</strong> des Mondes<br />

Selen-Speicherpflanzen (wie Arten der<br />

Gattung Astragalus, deutsch: Tragant) hätten<br />

Marco Polo be<strong>in</strong>ahe den Tod gebracht,<br />

weil sich die Hufe se<strong>in</strong>er Transport-Kamele<br />

verformten, nachdem diese endemische<br />

Pflanzen fraßen. Als Alkali-Krankheit<br />

wurde dieser Befund auch für europäische<br />

Kühe beschrieben, die im halbtrockenen<br />

Teil der Prärie der USA weideten und dort<br />

Pflanzen fraßen, die von e<strong>in</strong>heimischen<br />

Tieren gemieden wurden: Analysen ergaben<br />

e<strong>in</strong>en Selengehalt der Pflanzen von bis<br />

zu 0,1 Prozent des Trockengewichts. Die<br />

sonst für Stabilität sorgenden Disulfid-<br />

Brücken zwischen den Prote<strong>in</strong>strängen<br />

konnten so nicht mehr korrekt gebildet<br />

werden. Andererseits zeigten Ernährungsstudien<br />

um 1960, dass e<strong>in</strong> Selenmangel <strong>in</strong><br />

bestimmten Gegenden von Ch<strong>in</strong>a die Keshan-Krankheit,<br />

e<strong>in</strong> Herzleiden, bewirkt, die<br />

heute nach Zugabe von Spuren von Selenit<br />

zum Wasser nicht mehr auftritt (Abb. unten).<br />

Doch ist Selen weiterh<strong>in</strong> janus-köp-<br />

Wandlung der Me<strong>in</strong>ung über die biologische Wirkung des Elements Selen<br />

7


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

................................................................................<br />

fig: <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger Konzentration (1–100 nM)<br />

8<br />

wird es essenziell für ca. 20 bekannte<br />

Funktionen benötigt, wirkt aber <strong>in</strong> höherer<br />

Konzentration schnell toxisch. Anaerobe<br />

Bakterien wie E. acidam<strong>in</strong>ophilum bilden<br />

m<strong>in</strong>destens acht verschiedene Selenoprote<strong>in</strong>e,<br />

wobei das Selenocyste<strong>in</strong> als 21. Am<strong>in</strong>osäure<br />

über e<strong>in</strong>en raff<strong>in</strong>ierten Mechanismus<br />

cotranslational e<strong>in</strong>gebaut wird, der<br />

1986 erstmalig für die Formiat-Dehydrogenase<br />

von E. coli von der Gruppe um<br />

Prof. Dr. Böck (München) aufgedeckt wurde.<br />

Die Selenocyste<strong>in</strong> enthaltenden Prote<strong>in</strong>e<br />

der Reduktasen für Glyc<strong>in</strong>, Sarkos<strong>in</strong>,<br />

Beta<strong>in</strong> oder Prol<strong>in</strong> bilden mit dem Substrat<br />

e<strong>in</strong>en Selenoether, der mittels e<strong>in</strong>es Cyste<strong>in</strong>restes<br />

reduktiv gespalten werden kann.<br />

E<strong>in</strong> erstmals aufgefundenes Selenoperoxiredox<strong>in</strong><br />

sorgt dafür, dass »unser« anaerobes<br />

Bakterium nicht durch Peroxide »gestresst«<br />

wird. Ähnlich funktionieren beim<br />

Menschen die Selenoprote<strong>in</strong>e Glutathion<br />

Peroxidase und Thioredox<strong>in</strong> Reduktase.<br />

Auch an der Bildung von Thyrox<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />

Schilddrüse ist e<strong>in</strong>e selenhaltige Deiod<strong>in</strong>ase<br />

beteiligt, die über e<strong>in</strong>en Selenocyste<strong>in</strong>rest<br />

das vierte Iod-Atom entfernt. So s<strong>in</strong>d im<br />

letzten Fall zwei, auch für den Menschen<br />

überlebenswichtige Spurenelemente, Selen<br />

und Jod, eng mite<strong>in</strong>ander verzahnt.<br />

Diox<strong>in</strong>e – e<strong>in</strong>e ungewöhnliche Kost<br />

»Diox<strong>in</strong>« ist e<strong>in</strong> Sammelbegriff für e<strong>in</strong>e<br />

Gruppe von 210 Verb<strong>in</strong>dungen vom Typ<br />

der polychlorierten Dibenzo-p-diox<strong>in</strong>e und<br />

Furane, die sich durch die Anzahl und die<br />

Position der Chlorsubstituenten unterscheiden.<br />

17 Verb<strong>in</strong>dungen, vor allem das<br />

2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-diox<strong>in</strong> (Abb.<br />

unten), s<strong>in</strong>d sehr giftig für den Menschen,<br />

u. a. aufgrund der spezifischen B<strong>in</strong>dung an<br />

den Ah-Rezeptor, e<strong>in</strong>en Transkriptionsfaktor,<br />

die e<strong>in</strong>e Kaskade zellulärer Reaktionen<br />

auslöst. Die zivilisationsbed<strong>in</strong>gte<br />

Diox<strong>in</strong>belastung der Umwelt geht auf (unbeabsichtigte)<br />

Freisetzungen bei metallurgischen<br />

Verfahren, Synthesen von chlorierten<br />

2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-diox<strong>in</strong><br />

Verb<strong>in</strong>dungen und thermischen Prozessen<br />

(Müllverbrennungen, Industrieunfälle etc.)<br />

zurück. Die extrem niedrige Wasserlöslichkeit<br />

der Verb<strong>in</strong>dungen begünstigt die Sorption<br />

an Partikel und das Absetzen <strong>in</strong> Flusssedimenten<br />

sowie die Anreicherung <strong>in</strong><br />

Nahrungsketten. Der hohe Gehalt an<br />

Chloratomen beh<strong>in</strong>dert außerdem e<strong>in</strong>en<br />

schnellen Abbau der Diox<strong>in</strong>e durch aerobe<br />

Bakterien. So sollen Diox<strong>in</strong>e Halbwertszeiten<br />

von bis zu 100 Jahren <strong>in</strong> der Umwelt<br />

besitzen.<br />

Jedoch gibt es e<strong>in</strong>en mikrobiologischen<br />

Stoffwechselprozess, für den e<strong>in</strong> hoher<br />

Chlorierungsgrad organischer Verb<strong>in</strong>dungen<br />

essenziell ist – die Dehalorespiration oder<br />

»Chloratmung«. Bestimmte strikt anaerobe<br />

Bakterien können chlorierte Verb<strong>in</strong>dungen<br />

reduzieren, <strong>in</strong>dem sie Chloratome abspalten<br />

und durch Wasserstoffatome ersetzen,<br />

wobei sie die Reaktion zur Energiekonservierung<br />

ausnutzen, vergleichbar der Atmung<br />

aerober Bakterien mit Sauerstoff. Die<br />

dechlorierten Produkte der durch e<strong>in</strong> cobalthaltiges<br />

Enzym katalysierten Reaktion<br />

s<strong>in</strong>d besser lösliche und oftmals weniger<br />

giftige Verb<strong>in</strong>dungen, die durch andere Bakterien<br />

weiter abgebaut werden können. Die<br />

Dehalorespiration ist auf bestimmte anaerobe<br />

Spezialisten (z. B. Vertreter der Gattungen<br />

Desulfitobacterium, Abb. oben, Dehalococcoides<br />

oder Dehalospirillum) beschränkt,<br />

die u. a. im Sediment von Gewässern<br />

vorkommen. Neuere Arbeiten haben<br />

nun gezeigt, dass nicht nur Chlorphenole<br />

oder Tetrachlorethen, sondern auch Diox<strong>in</strong>e<br />

zu den Substraten der Dechlorierer zählen.<br />

So wurde <strong>in</strong> Sedimentproben aus der<br />

Saale und dem Spittelwasser, letzteres e<strong>in</strong><br />

hoch mit Diox<strong>in</strong>en belastetes Flüsschen bei<br />

Identifizierung von Desulfitobacterium-Zellen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er diox<strong>in</strong>dechlorierenden<br />

Sedimentkultur<br />

durch Fluoreszens-<strong>in</strong>-situ-<br />

Hybridisierung.<br />

Maßstab: 4,5 µm<br />

Bild: Lechner, Bunge<br />

Bitterfeld, die Fähigkeit zur Dechlorierung<br />

e<strong>in</strong>iger, z. T. sehr toxischer Diox<strong>in</strong>e nachgewiesen.<br />

Die Identifizierung, vielleicht sogar<br />

Isolierung der dafür verantwortlichen, sehr<br />

sauerstoffempf<strong>in</strong>dlichen und hoch spezialisierten<br />

Bakterien ist e<strong>in</strong>e spannende wissenschaftliche<br />

Herausforderung.<br />

Die Dehalorespiration ist e<strong>in</strong>e konkurrenzfähige<br />

Lebensweise von anaeroben Bakterien,<br />

die sich vermutlich bereits vor Jahrmillionen<br />

auf der Grundlage natürlich gebildeter<br />

Chlorverb<strong>in</strong>dungen entwickelt hat. Zusammen<br />

mit konsequenten Maßnahmen<br />

zur Reduzierung von Diox<strong>in</strong>emissionen<br />

könnte sie uns helfen, Diox<strong>in</strong>belastungen<br />

bedenklicher Ausmaße so zu verr<strong>in</strong>gern,<br />

dass sie im S<strong>in</strong>ne von Paracelsius´ Wort<br />

ihre Bedrohung verlieren.<br />

Jan Remmer Andreesen, Jg. 1941, studierte<br />

1961 bis 1969 (Mikro)Biologie und Chemie<br />

<strong>in</strong> Hamburg, Tüb<strong>in</strong>gen und Gött<strong>in</strong>gen,<br />

wurde 1969 promoviert, war von 1970 bis<br />

1972 Post-Doc <strong>in</strong> der Biochemie <strong>in</strong> Athens,<br />

GA (USA), danach wiss. Ass. bzw. akad.<br />

Rat an der Universität Gött<strong>in</strong>gen, dort<br />

1978 Habilitation, 1982 Ruf auf die Lehrkanzel<br />

<strong>in</strong> Graz und 1984 C2-Prof. <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen.<br />

1993 folgte er dem Ruf an die Universität<br />

Halle (Allgeme<strong>in</strong>e Mikrobiologie),<br />

1994 bis 1998 war er Dekan des Fachbereichs<br />

Biologie.<br />

Ute Lechner, Jg. 1953, studierte <strong>in</strong> Halle<br />

Biowissenschaften und wurde 1981 promoviert,<br />

anschließend wissenschaftliche Mitarbeiter<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> der Mikrobiologie, 1991/2<br />

kommissarische Leiter<strong>in</strong> des Instituts für<br />

Mikrobiologie, Forschungsaufenthalte <strong>in</strong><br />

Hels<strong>in</strong>ki.


..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

»DIE GOLDHAMSTER-STORY«<br />

LABORTIERE UND WILDFÄNGE IM VERGLEICH<br />

Rolf Gattermann<br />

Hamster s<strong>in</strong>d typische Rodentia (Nagetiere). Sie gehören zur Familie der Cricetidae (Wühler)<br />

und bilden die eigenständige Unterfamilie Cricet<strong>in</strong>ae (Hamster), zu der etwa 20 Arten<br />

gehören (Abb. unten). Die genaue Zahl ist strittig. Die letzte Revision der Systematik<br />

stammt aus dem Jahre 1933 und ist nicht ausgereift. In unserer Forschungsgruppe werden<br />

mit Hilfe der klassischen Morphometrie und modernen Molekulargenetik entsprechende<br />

Untersuchungen zur Systematik und Phylogeographie durchgeführt. Die Schwierigkeit besteht<br />

<strong>in</strong> der Beschaffung der Tiere, denn Hamster leben <strong>in</strong> den Steppen und Agrarflächen<br />

Zentralasiens und Europas, überwiegend <strong>in</strong> Ländern, die nicht e<strong>in</strong>fach zu bereisen s<strong>in</strong>d.<br />

Alle Hamster s<strong>in</strong>d von gedrungener Gestalt<br />

mit kurzen Gliedmaßen und sehr kurzem<br />

Schwanz. Ihre Mundhöhle wird durch<br />

Backentaschen erweitert, die bis zu den<br />

Schulterblättern reichen und durch besondere<br />

Muskeln <strong>in</strong> Position gehalten und geöffnet<br />

werden. Sie dienen zum E<strong>in</strong>tragen<br />

von Futter und Nestmaterial. Hamster leben<br />

überwiegend solitär und s<strong>in</strong>d nachtaktiv.<br />

Zu ihrem Schutz graben sie Baue, <strong>in</strong><br />

denen sie ruhen, umfangreiche Futtervorräte<br />

horten (»hamstern«) und ihre Jungen<br />

aufziehen. Mit Ausnahme der »Zwerghamster«,<br />

die ke<strong>in</strong>en W<strong>in</strong>terschlaf halten,<br />

graben die anderen Hamster ihre Baue bis<br />

<strong>in</strong> den frostfreien Bodenbereich, um <strong>in</strong> den<br />

W<strong>in</strong>terschlaf zu fallen. Dabei wird die Körpertemperatur<br />

aktiv bis auf etwa +4 °C gesenkt.<br />

Dieser Zustand hält mehrere Tage<br />

an, dann wachen die Tiere auf und s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige<br />

Tage aktiv, um erneut <strong>in</strong> den W<strong>in</strong>terschlaf<br />

zu fallen.<br />

Goldhamster <strong>in</strong> Menschenhand<br />

Von allen Hamstern hat es vor allem der<br />

Goldhamster geschafft, e<strong>in</strong>e feste Position<br />

als Heim- und Versuchstier zu erobern. Se<strong>in</strong>e<br />

Heimat ist die fruchtbare, landwirtschaftlich<br />

genutzte und heute dicht besiedelten<br />

Hochebene von Aleppo <strong>in</strong> Syrien.<br />

Se<strong>in</strong> Verbreitungsgebiet ist mit 10 000–<br />

15 000 km 2 kle<strong>in</strong>er als Sachsen-Anhalt<br />

(20 000 km 2 ). Es erstreckt sich nördlich<br />

Goldhamster im Institut für Zoologie<br />

Foto: Archiv Zoologie<br />

und südwestlich der Zweie<strong>in</strong>halb-Millionen-Metropole<br />

Aleppo (Halab). Die Grenzen<br />

werden im Westen vom Nordsyrischen<br />

Kalkste<strong>in</strong>massiv, im Norden durch die<br />

Ausläufer des türkischen Taurus-Gebirges,<br />

im Osten vom Euphrat und im Südosten<br />

durch die Ste<strong>in</strong>steppen gebildet.<br />

Die Domestikationsgeschichte des Goldhamsters<br />

ist erst 72 Jahre alt und e<strong>in</strong>zigartig.<br />

Sie begann am 12.April 1930, als der<br />

Zoologe Israel Aharoni von der Universität<br />

Jerusalem <strong>in</strong> der Nähe von Aleppo e<strong>in</strong>en<br />

Goldhamsterbau ausgraben ließ. Dar<strong>in</strong> befanden<br />

sich e<strong>in</strong> Weibchen und elf Jungtiere.<br />

Die Rückreise nach Jerusalem überlebten<br />

nur vier Jungtiere, drei Männchen und e<strong>in</strong><br />

Weibchen, die mite<strong>in</strong>ander verpaart wurden.<br />

Aufregend ist, dass alle <strong>in</strong> menschlicher<br />

Obhut lebenden Goldhamster von dieser<br />

Bruder-Schwester-Paarung abstammen.<br />

Dieser Umstand und die weltweite Verbreitung<br />

des Goldhamsters als Heim- und Versuchstier<br />

lassen sich lückenlos belegen.<br />

Nachkommen des Jerusalemer Zuchtstammes<br />

gelangten schon 1931 nach Frankreich<br />

und England und 1938 <strong>in</strong> die USA. Hier erfolgte<br />

die Kommerzialisierung der Goldhamsterzucht<br />

und damit begann die weltweite<br />

Verbreitung dieses Tieres. In<br />

Deutschland trafen die ersten Goldhamster<br />

relativ spät e<strong>in</strong>. Erst im Juni 1948 importierte<br />

e<strong>in</strong> Münchner Pelztierfarmer fünf<br />

Tiere aus den USA, deren Nachkommen<br />

deutschlandweit verkauft wurden, so auch<br />

1950 an e<strong>in</strong>en Züchter <strong>in</strong> Halle.<br />

Nach 1930 wurden vere<strong>in</strong>zelt wildlebende<br />

Goldhamster gefangen, aber nicht lebend<br />

außer Landes gebracht. Erst der Amerikaner<br />

M. R. Murphy ließ 1971 <strong>in</strong> der Umgebung<br />

von Aleppo 13 Goldhamster fangen<br />

und brachte 4 Männchen und 8 Weibchen<br />

<strong>in</strong> die USA. Die mit diesen Tieren aufgebauten<br />

Zuchten s<strong>in</strong>d Ende der 90er Jahre<br />

erloschen.<br />

Wildgoldhamster <strong>in</strong> Halle<br />

E<strong>in</strong>e Zeitlang galten wildlebende Goldhamster<br />

als verschollen oder ausgestorben.<br />

Wir haben dennoch 1997 und 1999 geme<strong>in</strong>-<br />

...............................................................................<br />

sam mit Studierenden <strong>in</strong> der Hochebene<br />

9<br />

von Aleppo nach Goldhamstern gesucht<br />

und konnten ihre Existenz bestätigen. Im<br />

Ergebnis der Expeditionen wurden 19<br />

Wildfänge mit nach Halle gebracht, e<strong>in</strong>e<br />

Verbreitungskarte erstellt und erste Daten<br />

über Vorkommen und natürliche Lebensweise<br />

publiziert. Die wilden Goldhamster<br />

vermehrten sich ohne Schwierigkeiten, so<br />

dass e<strong>in</strong> neuer Wildstamm aufgebaut werden<br />

konnte. Nachkommen dieses Stammes<br />

(»Wildhamster«) und des seit 1976 bestehenden<br />

<strong>in</strong>stitutseigenen Goldhamsterstammes<br />

(»Laborhamster«) wurden für verschiedene<br />

vergleichende Untersuchungen<br />

herangezogen, um eventuelle Inzuchtdepressionen<br />

und domestikationsbed<strong>in</strong>gte Ersche<strong>in</strong>ungen<br />

zu erfassen.<br />

Zuerst sollten genetische Unterschiede<br />

quantitativ bestimmt werden. Dazu wurden<br />

spezifische Mikrosatelliten entwickelt<br />

und der Polymorphiegrad von Wild- und<br />

Laborhamstern bestimmt. Alle Loci bestä-<br />

Cricetus – Großhamster<br />

Cricetus cricetus – Feldhamster<br />

Mesocricetus – Mittelhamster<br />

Mesocricetus auratus – Goldhamster<br />

Mesocricetus brandti – Türkischer Hamster<br />

Mesocricetus newtoni – Rumänischer Hamster<br />

Mesocricetus raddei – Schwarzbrusthamster<br />

Mesocricetus nigriculus*<br />

Cricetulus – Zwerghamster<br />

Cricetulus migratorius – Grauer Zwerghamster<br />

Cricetulus griseus – Ch<strong>in</strong>esischer Zwerghamster<br />

Cricetulus barabensis – Daurischer Zwerghamster<br />

Cricetulus longicaudatus – Langschwanz Hamster<br />

Cricetulus pseudogriseus*, Cricetulus sokolovi*<br />

Cricetulus kamensis*, Cricetulus alticola*<br />

Tscherskia<br />

Tscherskia triton – Rattenartiger Zwerghamster<br />

Tscherskia canus*<br />

Allocricetulus<br />

Allocricetulus eversmanni – Eversmann Zwerghamster<br />

Allocricetulus curtatus – Mongolischer Zwerghamster<br />

Phodopus – Kurzschwanz-Zwerghamster<br />

Phodopus sungorus – Dsungarischer Hamster<br />

Phodopus campbelli – Campbell Hamster<br />

Phodopus roborovskii – Roborowski Hamster<br />

Calomyscus – Maushamster<br />

Calomyscus bailwardi – Maushamster<br />

Calomyscus hotsoni*, C. mystax*, C. tsolovi*, C.<br />

urartensis*<br />

Zusammenstellung der rezenten Hamsterarten (unterstrichen<br />

= im Institut für Zoologie gehaltene Hamster,<br />

* = Artstatus strittig)


scientia halensis 4/2002<br />

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Fachbereich Biologie<br />

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tigen die erwarteten signifikanten Unterschiede<br />

(p 80<br />

Prozent) <strong>in</strong> den Würfen der Labor- und<br />

Wildweibchen. E<strong>in</strong> für andere Kle<strong>in</strong>nager<br />

typischer »first male advantage« konnte<br />

nicht nachgewiesen werden. Die Ursache<br />

ist wahrsche<strong>in</strong>lich nicht am männlichen<br />

Sexualverhalten festzumachen. Es gibt<br />

kaum Differenzen, Wild- und Labormännchen<br />

reiten während e<strong>in</strong>er Paarung 70–90<br />

mal auf, ihnen gel<strong>in</strong>gen 30–60 Intromissionen<br />

und sie haben 3–12 Ejakulationen.<br />

Derzeit prüfen wir die Spermaqualitäten<br />

und versuchen zu ergründen, ob die Weibchen<br />

nicht über »Cryptic female choice«-<br />

Mechanismen – wie schon für andere Säuger<br />

belegt – die Befruchtung ihrer Eizellen<br />

oder die Entwicklung der Embryonen manipulieren<br />

können.<br />

Die Goldhamster-Story ist spannend und<br />

bleibt es, solange Wildgoldhamster existieren.<br />

Der Goldhamster wird als Spezies<br />

nicht aussterben, denn nach unseren Schätzungen<br />

bef<strong>in</strong>den sich weltweit 7–8 Millionen<br />

Heimtiere und 150 000–500 000 Labortiere<br />

<strong>in</strong> Menschenhand. Aber <strong>in</strong> freier<br />

Wildbahn leben nur 50 000–200 000 Goldhamster.<br />

Sie haben <strong>in</strong> dieser Landschaft<br />

kaum natürliche Fe<strong>in</strong>de. Ihre Hauptfe<strong>in</strong>de<br />

s<strong>in</strong>d die syrischen Bauern, die sie rigoros<br />

bekämpfen. E<strong>in</strong> Umdenken ist dr<strong>in</strong>gend erforderlich,<br />

denn mit dem Aussterben der<br />

frei lebenden Goldhamster verlieren wir<br />

nicht nur das natürliche Genreservoir, sondern<br />

unwiderruflich auch e<strong>in</strong>en Bauste<strong>in</strong><br />

unserer Biodiversität.<br />

Würfe 51 52<br />

Junge 463 315<br />

Wurfgröße 9,1 ± 3,2 6,1 ± 3,3<br />

abgesetzt 7,4 ± 3,8 4,4 ± 3,4<br />

Verlustrate (%) 19,6 ± 33,2 32,5 ± 40,3<br />

Männchen-An- 42 ± 18 52 ± 20<br />

teil (%)<br />

p


ANARCHIE IM BIENENSTAAT<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

»CAPENSIS KALAMITÄT« BEEINTRÄCHTIGT IMKEREI IM NORDEN SÜDAFRIKAS<br />

Peter Neumann und Rob<strong>in</strong> F. A. Moritz<br />

Honigbienen (Apis mellifera L., Hymenoptera: Apidae) s<strong>in</strong>d soziale Insekten mit e<strong>in</strong>er<br />

reproduktiven Arbeitsteilung zwischen den beiden weiblichen Kasten Arbeiter<strong>in</strong>nen und<br />

König<strong>in</strong>nen. In der Regel legt die König<strong>in</strong> alle Eier und ist somit das reproduktiv dom<strong>in</strong>ante<br />

Weibchen. Die Arbeiter<strong>in</strong>nen führen alle anderen Tätigkeiten zum Erhalt des Volkes<br />

durch, wie z. B. Futtersammeln, Brutaufzucht und Nestbau. Es gibt jedoch Situationen, <strong>in</strong><br />

denen sich auch Arbeiter<strong>in</strong>nen reproduzieren können. Arbeiter<strong>in</strong>nen können sich zwar<br />

nicht verpaaren, jedoch s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> der Lage, unbefruchtete Eier zu legen, die sich bei Hymenopteren<br />

zu männlichen Geschlechtstieren entwickeln (Jungfernzeugung = Parthenogenese).<br />

Durch Arbeiter<strong>in</strong>nen gelegte Männchen treten immer dann auf, wenn nach Verlust<br />

der König<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e neue König<strong>in</strong> aus junger Brut aufgezogen werden kann. In Völkern mit<br />

e<strong>in</strong>er König<strong>in</strong> reproduzieren sich Arbeiter<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> der Regel nicht, da e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation<br />

aus chemischen Signalstoffen (= Pheromonen) der König<strong>in</strong> und der Brut die Ovarienentwicklung<br />

der Arbeiter<strong>in</strong>nen unterdrückt.<br />

...............................................................................<br />

mehrere Weibchen dr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> unverwandte<br />

Wirtsvölker e<strong>in</strong> und nutzen die Ressourcen<br />

des Wirtsvolkes zur Produktion eigener<br />

Nachkommen.<br />

11<br />

Die Kaphonigbiene, A. m. capensis, ist e<strong>in</strong>e<br />

Ausnahme <strong>in</strong> Bezug auf die Reproduktion<br />

von Arbeiter<strong>in</strong>nen. In dieser Unterart, die<br />

<strong>in</strong> der Kapregion Südafrikas heimisch ist,<br />

produzieren legende Arbeiter<strong>in</strong>nen durch<br />

Selbstbefruchtung der Eier klonale weibliche<br />

Nachkommen, die sich zu König<strong>in</strong>nen<br />

oder Arbeiter<strong>in</strong>nen entwickeln können.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus treten Arbeiter<strong>in</strong>nen mit e<strong>in</strong>em<br />

sogenannten Pseudokönig<strong>in</strong>nenphänotyp<br />

auf. Diese Pseudokönig<strong>in</strong>nen zeigen<br />

e<strong>in</strong>e hohe Ovarienentwicklung und e<strong>in</strong><br />

könig<strong>in</strong>nenähnliches Pheromonbouquet.<br />

Mit Hilfe dieses Pheromonbouquets s<strong>in</strong>d<br />

die Pseudokönig<strong>in</strong>nen unter anderem <strong>in</strong> der<br />

Lage, das Hofstaatverhalten bei anderen<br />

Arbeiter<strong>in</strong>nen zu <strong>in</strong>duzieren (Abb. 1), die<br />

Ovarienentwicklung bei Arbeiter<strong>in</strong>nen zu<br />

unterdrücken und die Aufzucht von neuen<br />

König<strong>in</strong>nen zu verh<strong>in</strong>dern. Die Komb<strong>in</strong>ation<br />

dieser Merkmale ist die Grundlage für<br />

e<strong>in</strong>e sozialparasitische Lebensweise von<br />

Arbeiter<strong>in</strong>nen der Kaphonigbiene <strong>in</strong> Völkern<br />

anderer Honigbienenrassen.<br />

Sozialparasitismus ist e<strong>in</strong> weit verbreitetes<br />

Phänomen bei sozialen Insekten. E<strong>in</strong> oder<br />

Abb. 1: E<strong>in</strong>e parasitische A. m. capensis<br />

Pseudokönig<strong>in</strong> <strong>in</strong>duziert das Hofstaatverhalten<br />

<strong>in</strong> den Wirtsbienen Fotos (3): Zoologie<br />

Trotz dieses Vorwissens haben Wanderimker<br />

Hunderte von Völkern der Kaphonigbiene<br />

<strong>in</strong> das Gebiet der benachbarten Un-


scientia halensis 4/2002<br />

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Fachbereich Biologie<br />

Abb. 3: Im Brutnest e<strong>in</strong>es befallenen Volkes<br />

s<strong>in</strong>d häufig viele Eier pro Zelle zu beobachten.<br />

Dies ist e<strong>in</strong> erstes deutliches Symptom<br />

für den Befall e<strong>in</strong>es Bienenvolkes mit sozialparasitischen<br />

Arbeiter<strong>in</strong>nen der Kaphonigbiene.<br />

Abb. 2: Arbeiter<strong>in</strong>nen der afrikanischen Wirtsbiene A. m. scutellata mit gelbem H<strong>in</strong>terleib und<br />

der parasitischen Kaphonigbiene A. m. capensis mit schwarzem H<strong>in</strong>terleib <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wirtsvolk<br />

................................................................................<br />

terart A. m. scutellata transportiert. Seit<br />

12<br />

1993 berichten südafrikanische Imker, dass<br />

<strong>in</strong> den A. m. scutellata Völkern häufig Bienen<br />

von A. m. capensis zu beobachten s<strong>in</strong>d<br />

(Abb. 2) und die so befallenen Völker zugrunde<br />

gehen. Dieses Zusammenbrechen<br />

von A. m. scutellata Völkern hat epidemieartige<br />

Ausmaße erreicht, so dass die kommerzielle<br />

Imkerei im Norden Südafrikas<br />

kurz vor dem Zusammenbruch steht. Es<br />

starben alle<strong>in</strong> im Jahre 2001 ca. 100 000<br />

A. m. scutellata Völker und alle nördlichen<br />

Prov<strong>in</strong>zen Südafrikas s<strong>in</strong>d von der sog.<br />

»Capensis Kalamität« betroffen. Der Effekt<br />

auf die Biodiversität der natürlichen<br />

Bienenpopulationen ist noch völlig unklar.<br />

Diese Kalamität sche<strong>in</strong>t auf reproduktiver<br />

Anarchie <strong>in</strong> den Wirtsvölkern zu beruhen,<br />

die durch parasitische Arbeiter<strong>in</strong>nen hervorgerufen<br />

wird. Trotz der Anwesenheit<br />

e<strong>in</strong>er A. m. scutellata Wirtskönig<strong>in</strong> reproduzieren<br />

sich legende A. m. capensis Arbeiter<strong>in</strong>nen<br />

<strong>in</strong> enormen Umfang. Das Ausmaß<br />

der »Capensis Kalamität« legt nahe, dass<br />

Arbeiter<strong>in</strong>nen der Kaphonigbiene spezielle<br />

Anpassungen für e<strong>in</strong>en sozialparasitischen<br />

Lebenszyklus zeigen. In der Tat s<strong>in</strong>d derartige<br />

Anpassungen sowohl für die Wirtsf<strong>in</strong>dung<br />

als auch für die Übernahme des<br />

Wirtsvolkes bekannt. Arbeiter<strong>in</strong>nen der<br />

Kaphonigbienen dr<strong>in</strong>gen zunächst <strong>in</strong> nicht<br />

<strong>in</strong>fizierte Völker e<strong>in</strong>. Zum e<strong>in</strong>en können<br />

sich Arbeiter<strong>in</strong>nen »verfliegen«. Dies beruht<br />

auf Orientierungsfehlern der Bienen<br />

bei der Rückkehr zum heimatlichen Volk.<br />

Alternativ können parasitische Arbeiter<strong>in</strong>nen<br />

aktiv weit entfernte Wirtsvölker aufsuchen.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus können Kaparbeiter<strong>in</strong>nen<br />

sich auch Schwärmen anschließen,<br />

die mit nicht <strong>in</strong>fizierten Völkern verschmelzen<br />

können. Sobald die A. m. capensis<br />

Arbeiter<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> nicht <strong>in</strong>fizierte<br />

Wirtsvölker e<strong>in</strong>gedrungen s<strong>in</strong>d, etablieren<br />

sie sich als Pseudokönig<strong>in</strong>nen. Diese Pseudokönig<strong>in</strong>nen<br />

werden bevorzugt von den<br />

Wirtsbienen gefüttert und legen z. T. viele<br />

Eier pro Brutzelle (Abb. 3), die nur selten<br />

gefressen werden. Diese Eier entwickeln<br />

sich zu Larven, die ebenfalls bevorzugt gefüttert<br />

werden. In e<strong>in</strong>em befallenen Volk<br />

können so zunächst viele parasitische Arbeiter<strong>in</strong>nen<br />

aufgezogen werden. Die Wirtskönig<strong>in</strong><br />

stirbt jedoch im Laufe der Infektion,<br />

so dass ke<strong>in</strong>e neue Wirtsarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

aufgezogen werden. Die parasitischen Arbeiter<strong>in</strong>nen<br />

konzentrieren sich nur auf die<br />

Reproduktion und nicht auf andere Stockaufgaben,<br />

wie z. B. Brutpflege. Dies führt<br />

dazu, dass trotz Tausender gelegter Eier<br />

das Wirtsvolk aufgrund fehlender Ammenbienen<br />

zwangsläufig zugrunde geht. Die<br />

neu aufgezogenen parasitischen Kapbienen<br />

können neue Wirtsvölker befallen und somit<br />

den parasitischen Lebenszyklus schließen.<br />

Es stellt sich die Frage, wozu diese reproduktive<br />

Anarchie auf Populationsebene<br />

führen kann. Da die parasitischen Arbeiter<strong>in</strong>nen<br />

ke<strong>in</strong>e männlichen Geschlechtstiere<br />

produzieren und <strong>in</strong> den Wirtsvölkern ke<strong>in</strong>e<br />

A. m. capensis König<strong>in</strong>nen aufgezogen<br />

werden, kommt es zu e<strong>in</strong>er reproduktiven<br />

Isolation zwischen den Wirtsbienen und<br />

den parasitischen Arbeiter<strong>in</strong>nen. Durch<br />

diese reproduktive Isolation kann es zur<br />

Artbildung e<strong>in</strong>es könig<strong>in</strong>nenlosen Sozialparasiten<br />

kommen, ähnlich wie dies bei<br />

Ameisen beschrieben wurde. Die reproduktive<br />

Anarchie im Bienenstaat und die<br />

daraus resultierende »Capensis Kalamität«<br />

ermöglichen es daher, die Evolution von<br />

Sozialparasitismus <strong>in</strong> Realzeit zu studieren.<br />

Die hier präsentierten Arbeiten wurden im<br />

Rahmen mehrerer DFG-Vorhaben, von der<br />

VW Stiftung, dem BMBF, sowie dem<br />

BABE Netzwerk (5. Rahmenprogramm<br />

der EU) gefördert.<br />

Dr. Peter Neumann, Jg. 1967, studierte<br />

Chemie und Biologie (1987–1994) an der<br />

TU und FU Berl<strong>in</strong>; Diplom/Promotion<br />

1994/1998 zu Themen der Bienenforschung;<br />

Forschungsaufenthalte <strong>in</strong> Uppsala<br />

(Schweden) und <strong>in</strong> Sheffield (UK); 1999–<br />

2000 post doctoral fellowship an der Rhodes<br />

University (Grahamstown, Südafrika).<br />

Seit 2001 ist er Nachwuchsgruppenleiter<br />

im Emmy Nöther Programm der DFG an<br />

der Universität Halle. Im Jahr 2002 folgten<br />

Forschungsaufenthalte <strong>in</strong> Pretoria<br />

(Südafrika), Hang Zhou (Ch<strong>in</strong>a) und<br />

Kunm<strong>in</strong>g (Ch<strong>in</strong>a).<br />

Rob<strong>in</strong> F. A. Moritz, Jg. 1952, Biologiestudium<br />

1971–1980 <strong>in</strong> Frankfurt/M, Promotion<br />

1980, Habilitation 1987, Forschungsaufenthalte<br />

<strong>in</strong> U. New South Wales (Sydney,<br />

Australien) Louisiana State University<br />

(Baton Rouge, LA, USA) State University<br />

New York (Brockport NY, USA). 1987–<br />

1991 war er Leiter des Genetiklabors der<br />

Bayerischen Landesanstalt für Bienenzucht<br />

und 1991–1997 Professor für Genetik am<br />

Institut für Biologie, TU Berl<strong>in</strong>. Seit 1997<br />

hat er e<strong>in</strong>e Professur für Molekulare Ökologie<br />

an der halleschen Universität <strong>in</strong>ne.


VATER WERDEN IST RECHT SCHWER ...<br />

ZUR PAARUNGSSTRATEGIE VON WANDERHEUSCHRECKEN<br />

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scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

Hans-Jörg Ferenz und Karsten Seidelmann<br />

Nicht nur Menschen setzen allerlei Strategien und Tricks zur Partnerf<strong>in</strong>dung und Partnerverteidigung<br />

e<strong>in</strong>. Unter den Tieren haben beide Geschlechter viele bemerkenswerte paarungsspezifische<br />

Verhaltensweisen und Signale entwickelt. Das Paarungsverhalten dient<br />

der Arterkennung und Synchronisation der für die Fortpflanzung wichtigen physiologischen<br />

Prozesse, dokumentiert <strong>in</strong> der Regel aber auch recht gut die unterschiedlichen Interessen<br />

der beiden Geschlechter <strong>in</strong> der Fortpflanzung: Weibchen <strong>in</strong>vestieren ihre Ressourcen<br />

<strong>in</strong> wenige Nachkommen (Produktion nährstoffreicher Eier, Pflege der Jungen) und s<strong>in</strong>d daher<br />

wählerisch. Männchen dagegen <strong>in</strong>vestieren <strong>in</strong> der Regel nur wenig (kle<strong>in</strong>e dafür aber<br />

zahlreiche Spermien). Sie konkurrieren deshalb um die knappe Ressource »Eizelle« und <strong>in</strong>vestieren<br />

ihre Reproduktionsenergien vor allem <strong>in</strong> Paarungsaktivitäten. Das ist bei Wanderheuschrecken<br />

nicht anders.<br />

...............................................................................<br />

es erste H<strong>in</strong>weise –, und signalisieren ihrer<br />

unmittelbaren Umgebung damit ihre Kopulationsbereitschaft.<br />

Andererseits machen<br />

sich gregäre Männchen als solche besser erkennbar:<br />

Sie nehmen e<strong>in</strong>e kräftig gelbe Farbe<br />

an (Abb. 2) und geben zusätzlich e<strong>in</strong><br />

13<br />

Wanderheuschrecken – wie die Wüstenheuschrecke<br />

Schistocerca gregaria (Abb.<br />

1) – leben normalerweise vere<strong>in</strong>zelt <strong>in</strong><br />

ariden Gebieten Nordafrikas. Sie kommen<br />

<strong>in</strong> dieser solitären Phase nur <strong>in</strong> sehr ger<strong>in</strong>gen<br />

Dichten vor und richten auch ke<strong>in</strong>en<br />

nennenswerten Schaden an. Anhaltend gute<br />

Umweltbed<strong>in</strong>gungen mit reichhaltigem<br />

Futterangebot lösen allerd<strong>in</strong>gs umgehend<br />

Massenvermehrungen aus und führen <strong>in</strong><br />

wenigen Monaten zur Ausbildung der biologisch<br />

(morphologisch, physiologisch) unterscheidbaren,<br />

gregären Phase mit e<strong>in</strong>er<br />

Abb. 1: Die Wüstenheuschrecke Schistocerca<br />

gregaria (Porträt) Fotos (2): Ferenz<br />

Aggregation der Heuschrecken und der Bildung<br />

gewaltiger und schadenstiftender<br />

Schwärme (»Biblische Plagen«). Ihre extremen<br />

Schwankungen <strong>in</strong> der Populationsdichte<br />

konfrontieren die Männchen mit<br />

ganz unterschiedlichen Situationen und<br />

Anforderungen der Partnerf<strong>in</strong>dung. Das<br />

führte offenbar zu e<strong>in</strong>er bemerkenswerten<br />

Plastizität des Paarungsverhaltens.<br />

Auf der Partnersuche<br />

In der solitären Phase besteht das Hauptproblem<br />

bei der Paarung im F<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>es<br />

Geschlechtspartners. Wie sich die Geschlechter<br />

bei den solitär lebenden Wüstenheuschrecken<br />

f<strong>in</strong>den, ist allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />

bekannt. Akustische (Gesang) und chemi-<br />

sche (Lockstoffe) Signale stehen im Verdacht.<br />

Haben sich die paarungsbereiten<br />

Partner e<strong>in</strong>mal gefunden, können sie sich<br />

relativ ungestört dem Fortpflanzungsgeschäft<br />

h<strong>in</strong>geben, denn Konkurrenten s<strong>in</strong>d<br />

weit weg.<br />

Gregäre, im Schwarm lebende Wüstenheuschrecken<br />

haben da ganz andere Probleme.<br />

Schwärme bestehen aus Millionen<br />

adulter Tiere. Es gibt also genügend potenzielle<br />

Sexualpartner. Nur welche s<strong>in</strong>d<br />

die richtigen? Wüstenheuschrecken-Weibchen<br />

akzeptieren Männchen nur kurz vor<br />

der Eiablage, während geschlechtsreife<br />

Männchen ständig kopulationsbereit s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong>er großen Anzahl (pr<strong>in</strong>zipiell aller)<br />

paarungswilliger Männchen stehen auch <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Heuschreckenschwarm nur wenige<br />

kopulationsbereite Weibchen gegenüber.<br />

Verschärft wird die resultierende starke<br />

Konkurrenz unter den Männchen noch<br />

durch den Umstand, dass – wie häufig bei<br />

Insekten – das Sperma der letzten Kopulation<br />

Vorrang bei der Befruchtung der Eier<br />

hat. Die Heuschreckenmännchen müssen<br />

daher e<strong>in</strong>es der seltenen Weibchen mit reifen<br />

Eiern f<strong>in</strong>den und es bis zur Eiablage<br />

verteidigen. Unter diesem Druck neigen sie<br />

dazu, alles zu bespr<strong>in</strong>gen, was e<strong>in</strong> Geschlechtspartner<br />

se<strong>in</strong> könnte. E<strong>in</strong>e gewisse<br />

Chance, e<strong>in</strong> kopulationsbereites Weibchen<br />

mit reifen Eiern dabei zu erwischen besteht,<br />

trotz vieler Fehlversuche. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

werden auch andere Männchen häufig irrtümlich<br />

besprungen, was für beide Beteiligten<br />

e<strong>in</strong>e Zeit- und Energieverschwendung<br />

darstellt. Zwar versucht das besprungene<br />

Männchen, den aufdr<strong>in</strong>glichen Geschlechtsgenossen<br />

sofort mit se<strong>in</strong>en kräftigen<br />

Sprungbe<strong>in</strong>en weg zu kicken; aber auch<br />

paarungswillige Weibchen wehren sich auf<br />

diese Weise zunächst heftig gegen den Freier,<br />

so dass dieses Abwehrverhalten ke<strong>in</strong>en<br />

sicheren H<strong>in</strong>weis auf den Irrtum bietet.<br />

E<strong>in</strong>e korrekte Partnerf<strong>in</strong>dung bedarf also<br />

e<strong>in</strong>es sicheren Signals. Möglicherweise haben<br />

Weibchen e<strong>in</strong>en spezifischen Körperduft,<br />

wenn sie reife Eier tragen – dafür gibt<br />

Abb. 2: Wüstenheuschreckenmännchen. Das<br />

unreife Männchen ist schwach rosa gefärbt;<br />

das geschlechtsreife Männchen ist gelb.<br />

Duftsignal (Pheromon) ab. Mit gaschromatographischen<br />

und massenspektrometrischen<br />

Methoden wurde dieses Pheromon<br />

als Phenylacetonitril (PAN) identifiziert<br />

(Abb. 3). Verhaltensversuche zeigen deutlich,<br />

dass es sich dabei um e<strong>in</strong> Repellens<br />

handelt und <strong>in</strong>sbesondere geschlechtsreife<br />

Männchen die Quelle des PAN-Duftes<br />

meiden. Solitäre Männchen bilden dieses<br />

Repellens nicht. Und auch gregäre Männchen,<br />

isoliert man sie von anderen Männ-<br />

chen, stellen die PAN-Abgabe e<strong>in</strong>. Unter<br />

solitären Bed<strong>in</strong>gungen wird das chemische<br />

Signal nicht gebraucht. Kommt e<strong>in</strong> Männchen<br />

<strong>in</strong> Kontakt zu anderen geschlechtsreifen<br />

Männchen, produziert es das Pheromon<br />

und zwar proportional zur Anzahl<br />

der Konkurrenten (Populationsdichte).<br />

Verteidigung der Vaterschaft<br />

Abb. 3: Strukturformel<br />

von Phenylacetonitril<br />

Das Repellens PAN dient aber noch e<strong>in</strong>em<br />

weiteren, wichtigeren Zweck: Es wird auch<br />

zur Verteidigung der Vaterschaft unter gre-


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

................................................................................<br />

gären Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>gesetzt: Die Männchen<br />

müssen nach e<strong>in</strong>er erfolgreichen Be-<br />

14<br />

gattung e<strong>in</strong>e weitere Kopulation des Weibchens<br />

vor der Eiablage verh<strong>in</strong>dern, damit<br />

ihr Sperma auch tatsächlich für die Befruchtung<br />

der Eier e<strong>in</strong>gesetzt wird. Bei<br />

manchen Insektenarten verstopfen die<br />

Männchen nach der Kopulation die weibliche<br />

Genitalöffnung mit e<strong>in</strong>em Pfropfen, so<br />

dass weitere Kopulationen physisch unmöglich<br />

s<strong>in</strong>d. Wüstenheuschrecken-Männchen<br />

können aber ke<strong>in</strong>en Kopulationspfropf<br />

bilden. Sie müssen daher auf dem<br />

begatteten Weibchen sitzen bleiben und es<br />

bewachen, bis es mit der Eiablage beg<strong>in</strong>nt.<br />

Diese Bewachungstechnik verbessern sie<br />

erheblich, <strong>in</strong>dem sie gleichzeitig das beschriebene<br />

Pheromon PAN abgeben. Dieses<br />

Repellens wirkt quasi als e<strong>in</strong>e olfaktorische<br />

Tarnkappe, mit der sie das paarungsbereite<br />

Weibchen duftmäßig vor Konkurrenten<br />

verbergen und diese auf Distanz<br />

halten (Abb. 4). Auf der anderen Seite ist<br />

es für e<strong>in</strong>en Konkurrenten durchaus s<strong>in</strong>nvoll,<br />

das Signal zu beachten, denn der<br />

Kampf um e<strong>in</strong> Weibchen ist zeitaufwendig<br />

und ungewiss. Das Männchen <strong>in</strong>vestiert<br />

se<strong>in</strong>e Zeit daher besser <strong>in</strong> die Suche nach<br />

e<strong>in</strong>em anderen Weibchen. E<strong>in</strong> solches Pheromon,<br />

das Begattungsversuche verh<strong>in</strong>dert<br />

oder unterdrückt, bezeichnet man als<br />

»courtship <strong>in</strong>hibition pheromone«. Mit<br />

synthetischem PAN konnten wir die Balzverh<strong>in</strong>derung<br />

belegen. PAN ist damit das<br />

erste bei Heuschrecken identifizierte<br />

Sexualpheromon.<br />

Fortsetzung der Forschungen<br />

Auch bei der Bildung und Abgabe stellt das<br />

PAN der männlichen Wüstenheuschrecken<br />

e<strong>in</strong>e Besonderheit dar: Sexualpheromone<br />

werden gewöhnlich <strong>in</strong> speziellen Drüsen<br />

gebildet. E<strong>in</strong>e solche Drüse konnte bislang<br />

jedoch nicht identifiziert werden. Vielmehr<br />

produzieren wahrsche<strong>in</strong>lich die Epidermiszellen<br />

im Thoraxbereich der Männchen das<br />

Pheromon und geben es unmittelbar nach<br />

der Bildung passiv ab. Die Regulation der<br />

Pheromon-Biosynthese erfolgt hormonal.<br />

E<strong>in</strong> Neurohormon, das die PAN-Bildung<br />

stimuliert, haben wir bereits entdeckt und<br />

teilweise gere<strong>in</strong>igt. Nach se<strong>in</strong>er Sequenzierung<br />

(<strong>in</strong> Kooperation mit e<strong>in</strong>er belgischen<br />

Arbeitsgruppe) und Synthese werden wir<br />

<strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, mit synthetischem Hormon<br />

die Regulationsmechanismen wesentlich<br />

e<strong>in</strong>gehender zu analysieren. Aber auch<br />

die Biosynthese von PAN als cyanogener<br />

Abb. 4: Verhaltenstests zur Repellens-Wirkung von PAN.<br />

A Trennt man e<strong>in</strong> gregäres kopulierendes Pärchen und ermöglicht anschließend dem Weibchen<br />

die Verpaarung mit e<strong>in</strong>em kopulationsbereiten, isoliert gehaltenem Männchen (ohne<br />

PAN-Abgabe), so wird dieses Paar von e<strong>in</strong>em gregären Männchen attackiert.<br />

B Wiederholt man das Experiment, tropft aber auf das isolierte Männchen das Pheromon<br />

PAN, so wird das Paar nicht attackiert.<br />

Verb<strong>in</strong>dung ist ebenso wie deren Regulation<br />

Gegenstand laufender DFG-geförderter<br />

Arbeiten.<br />

Die Wüstenheuschrecken stellen nicht die<br />

e<strong>in</strong>zige Heuschreckenart dar, die zur<br />

Schwarmbildung neigt und deren Populationen<br />

zwischen solitärer und gregärer Phase<br />

oszillieren. Auch die anderen ähnlichen<br />

Arten sollten Adaptationen <strong>in</strong> Form unterschiedlicher<br />

Taktiken im Paarungsverhalten<br />

haben. Wenden diese Arten ähnliche Tricks<br />

wie die Wüstenheuschrecken an oder haben<br />

sie völlig andere Strategien? Und lassen<br />

sich aus dem Paarungsverhalten unter Umständen<br />

Methoden ableiten, die Schwarmbildung<br />

der jeweiligen Arten im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

<strong>in</strong>tegrierten Pflanzenschutzes kontrollieren<br />

zu können? Diese Fragen s<strong>in</strong>d Gegenstand<br />

aktueller Arbeiten.<br />

Prof. Dr. Hans-Jörg Ferenz (Jg. 1946) studierte<br />

an der Universität Köln und wurde<br />

dort auch promoviert (1966–1973). Er<br />

war als Wissenschaftlicher Mitarbeiter <strong>in</strong><br />

den Niederlanden, <strong>in</strong> Darmstadt und <strong>in</strong> Oldenburg<br />

tätig. 1985 habilitierte er sich an<br />

der Universität Oldenburg und lehrte dort<br />

als Professor auf Zeit. Se<strong>in</strong> Fachgebiet ist<br />

die Insektenphysiologie. Seit vielen Jahren<br />

befasst er sich mit der Physiologie und dem<br />

Verhalten von Wanderheuschrecken. Für<br />

Bundesm<strong>in</strong>isterien und <strong>in</strong>ternationale Organisationen<br />

(u. a. UN, FAO) war er <strong>in</strong><br />

Fragen der Heuschreckenbekämpfung beratend<br />

tätig. 1995 folgte er dem Ruf nach<br />

Halle auf e<strong>in</strong>e Professur für Tierphysiologie.<br />

Dr. Karsten Seidelmann (Jg. 1965) studierte<br />

1986–1991 Biologie an der Universität<br />

Halle und wurde 1995 promoviert. Seit<br />

1996 ist er als Wissenschaftlicher Assistent<br />

und Wissenschaftlicher Mitarbeiter <strong>in</strong> der<br />

Abteilung Tierphysiologie des Zoologischen<br />

Instituts tätig. Se<strong>in</strong> besonderes Interesse<br />

gilt den Paarungsstrategien von Mauerbienen<br />

und Wanderheuschrecken.


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scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

VOM PALMENDIEB ZUR WOLLMAUS<br />

232 JAHRE ZOOLOGISCHE SAMMLUNGEN<br />

Dietrich Heidecke und Karla Schneider<br />

Die Zoologischen Sammlungen des Instituts für Zoologie der Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität<br />

können auf e<strong>in</strong>e lange und erfolgreiche Tradition biologischer Forschung bis <strong>in</strong> das 18.<br />

Jahrhundert zurückblicken. Anfangs als universitäres und zeitweise öffentliches Museum,<br />

wurden sie im vergangenen Jahrhundert vorwiegend als Lehr- und Forschungssammlungen<br />

ausgebaut. Heute s<strong>in</strong>d sie fest <strong>in</strong> das Studienprogramm, die <strong>in</strong>ternationale Biodiversitätsforschung,<br />

die Öffentlichkeitsarbeit und Traditionspflege der Universität e<strong>in</strong>gebunden. Als<br />

Archive der Natur dokumentieren sie <strong>in</strong> ihrer weltumspannenden Reichhaltigkeit die Vielfalt<br />

und Schönheit des Lebens auf unserer Erde.<br />

...............................................................................<br />

15<br />

Die Berufung von Johann F. G. Goldhagen<br />

(1742–1788) zum ersten ordentlichen Ord<strong>in</strong>arius<br />

für Naturgeschichte im Jahre 1769<br />

wird von den Historikern als Geburtsstunde<br />

des Instituts für Zoologie und se<strong>in</strong>er<br />

Zoologischen Sammlungen genannt. Zur<br />

Veranschaulichung se<strong>in</strong>er Vorlesungen erwarb<br />

Goldhagen 1775 das Gründlersche<br />

Naturalienkab<strong>in</strong>ett und baute dieses zu e<strong>in</strong>er<br />

wohlgeordneten Naturaliensammlung<br />

mit 2 500 Exponaten aus. Dieses Naturalienkab<strong>in</strong>ett<br />

von Goldhagen wurde 1787 von<br />

der Universität käuflich erworben. Es galt<br />

se<strong>in</strong>erzeit als das vollständigste Naturalienkab<strong>in</strong>ett,<br />

das an e<strong>in</strong>er Universität <strong>in</strong><br />

Deutschland angetroffen werden konnte<br />

und bildete den Grundstock für die zoologische,<br />

m<strong>in</strong>eralogische und paläontologische<br />

Universitätssammlung.<br />

Ständige Erweiterung der Bestände<br />

Trotz mancher Rückschläge konnten die<br />

Sammlungen kont<strong>in</strong>uierlich über die Jahrhunderte<br />

h<strong>in</strong>weg durch Expeditionen,<br />

Tausch, Schenkungen und Ankauf privater<br />

Sammlungen bis <strong>in</strong> die Gegenwart h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

ständig erweitert werden. Seit 1886 im Gebäude<br />

des Instituts für Zoologie am Domplatz<br />

4 bef<strong>in</strong>dlich, s<strong>in</strong>d sie die älteste und<br />

umfangreichste zoologische Kollektion<br />

Sachsen-Anhalts.<br />

Die zoologischen Sammlungen bestehen<br />

aus e<strong>in</strong>er Schau- und e<strong>in</strong>er Lehrsammlung<br />

sowie mehreren wissenschaftlichen Kollektionen.<br />

Aufgestellt unter dem Thema »System<br />

des Tierreichs«, zeigt die wissenschaftliche<br />

Schausammlung seit 1890 <strong>in</strong> geordneter<br />

Reihenfolge das zoologische System<br />

vom E<strong>in</strong>zeller bis zum Säugetier an<br />

Hand von Modellen, Nass- und Trockenpräparaten.<br />

In ihrer Schönheit wird dem<br />

Besucher e<strong>in</strong>e unglaubliche Vielfalt von<br />

Tierpräparaten auf 680 m² Stellfläche <strong>in</strong><br />

186 Glasschränken <strong>in</strong> zwei Sälen und auf<br />

den Fluren des Instituts präsentiert. Diese<br />

Schausammlung umfasst <strong>in</strong>sgesamt 8 071<br />

Exponate von Vertretern der wirbellosen<br />

Tiere (Evertebrata – 2 425), Fische (Pisces<br />

– 849), Lurche (Amphibia – 578), Kriechtiere<br />

(Reptilia – 1 542), Vögel (Aves –<br />

2 089) und Säugetiere (Mammalia – 588).<br />

Seltene Tierarten vertreten<br />

Besonders wertvolle Fischarten s<strong>in</strong>d die<br />

Präparate vom 1 m langen Australischen<br />

Lungenfisch (Neoceratodus forsteri) und<br />

vom Amerikanischen Löffelstör (Polyodon<br />

spatula). Unter den Fisch-Trockenpräparaten<br />

bef<strong>in</strong>den sich mehrere aus dem Goldhagenschen<br />

Naturalienkab<strong>in</strong>ett. Es s<strong>in</strong>d<br />

fliegende Fische und Tiefseefische zu entdecken;<br />

hervorzuheben s<strong>in</strong>d auch Neuzugänge<br />

von der westpazifischen Küste<br />

(Kamtschatka) sowie e<strong>in</strong> Co-Typus vom<br />

Mongolischen Hasel (Leuciscus dzungaricus).<br />

Palmendieb: Dieser furchte<strong>in</strong>flößende Krebs<br />

ist der größte Vertreter der E<strong>in</strong>siedlerkrebse.<br />

Er lebt im <strong>in</strong>dopazifischen Raum und ist <strong>in</strong><br />

der Lage Palmen zu erklettern und von oben<br />

Kokosnüsse nach unten zu werfen, die dann<br />

auf Ste<strong>in</strong>en zerbersten. Das Kokosfleisch<br />

stellt e<strong>in</strong>e Delikatesse für den Palmendieb<br />

dar, der sich sonst häufig von Aas ernährt.<br />

Fotos (4) Archiv Zoologie<br />

Zu den wohl schönsten Vertretern der<br />

Schmetterl<strong>in</strong>gsfamilie der Weißl<strong>in</strong>ge gehört<br />

Phoebis avellaneda. Diese schnell fliegenden<br />

Tiere f<strong>in</strong>det man an den Ufern kle<strong>in</strong>er Seen<br />

<strong>in</strong> Mittelamerika und besonders auf Kuba.<br />

Bild l<strong>in</strong>ks: W<strong>in</strong>dspielantilopen-Gruppe: e<strong>in</strong>e<br />

meisterhafte Dermoplastik, gefertigt von den<br />

berühmten deutschen Präparatoren Adolf Hauk<br />

und Hugo Bleil.<br />

Foto: Klett<br />

Die Amphibiensammlung zeigt neben der<br />

heimischen Tierwelt vor allem die neotropische<br />

Fauna. Der Riesensalamander ist<br />

ebenso vertreten wie Arm- und Flösselmolch,<br />

Darw<strong>in</strong>-Nasenfrosch oder e<strong>in</strong>e der<br />

kle<strong>in</strong>sten Froscharten – der kubanische<br />

Sm<strong>in</strong>thulus.<br />

In der Reptiliensammlung s<strong>in</strong>d 438 Arten<br />

vorwiegend aus Südamerika und dem <strong>in</strong>domalayischen<br />

Raum aufgestellt. Die meisten<br />

Objekte s<strong>in</strong>d älter als 150 Jahre. Den Besu-


scientia halensis 4/2002<br />

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Fachbereich Biologie<br />

Zeichnung e<strong>in</strong>es Mallophagen (Federl<strong>in</strong>g,<br />

Ektoparasit) von Ch. Ludwig Nitzsch. Für<br />

die Systematik dieser »Tier<strong>in</strong>sekten« s<strong>in</strong>d<br />

se<strong>in</strong>e Arbeiten von grundlegender Bedeutung.<br />

Das fünfbändige handgeschriebene Werk<br />

»Insecta epizoica« bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Bibliothek<br />

des Zoologischen Instituts.<br />

Wollmaus: bekannter unter dem Namen Ch<strong>in</strong>chilla. Die Ch<strong>in</strong>chillas stammen ursprünglich aus<br />

Südamerika. Damals waren sie sehr begehrt und wurden auf Grund ihres Felles bis fast zur Ausrottung<br />

gejagt. Im 20. Jahrhundert gelangen die ersten Zuchtversuche. Ch<strong>in</strong>chillas gehören zu<br />

den Nagetieren, sie s<strong>in</strong>d nachtaktiv. Ihre nahen Verwandten s<strong>in</strong>d die Meerschwe<strong>in</strong>chen.<br />

................................................................................<br />

cher bee<strong>in</strong>drucken besonders große Trockenpräparate<br />

vom Leistenkrokodil, Kai-<br />

16<br />

man, der Suppen- und Seychellen-Schildkröte<br />

und von e<strong>in</strong>er Boa.<br />

Der Schauteil der Vogelsammlung repräsentiert<br />

1 900 Arten. Sehr zahlreich s<strong>in</strong>d die<br />

Hühnervögel, Gänse, Spechte, Papageien,<br />

Kolibris, Eulen, Greifvögel und S<strong>in</strong>gvögel<br />

vertreten. Der Lappenhopf (1907H), die<br />

Wandertaube (1914H), der Carol<strong>in</strong>asittich<br />

(1914H) und das Präriehuhn (1932H) s<strong>in</strong>d<br />

Arten, die bereits vor vielen Jahren durch<br />

den Menschen ausgerottet wurden. Die<br />

kle<strong>in</strong>e, <strong>in</strong> zwei Vitr<strong>in</strong>en aufgestellte Skelettsammlung<br />

enthält mehrere von Ch. Ludwig<br />

Nitzsch (1782–1837) gefertigte Orig<strong>in</strong>ale.<br />

Der ornithologische Typenfundus ist nahezu<br />

auf die südamerikanische Fauna beschränkt.<br />

Der Säugetiersaal ist wohl der bee<strong>in</strong>druckendste<br />

und <strong>in</strong>teressanteste Schauteil. In<br />

ihm s<strong>in</strong>d 573 Präparate und 15 Modelle<br />

von 486 Säugetierarten aufgestellt. Reichhaltig<br />

s<strong>in</strong>d darunter die eierlegenden Kloakentiere,<br />

die Beuteltiere mit dem ausgestorbenen<br />

Beutelwolf (Thylacynus cynocephalus),<br />

die Faul- und Gürteltiere, die<br />

Raubtiere mit Riesenotter und europäischem<br />

Nerz sowie die Nagetiere mit Baumratte<br />

und mongolischem Biber vertreten.<br />

Meisterhafte Dermoplastiken wie die<br />

W<strong>in</strong>dspielantilopen-Gruppe (Seite 15) und<br />

der Orang-Utan fasz<strong>in</strong>ieren den Betrachter.<br />

Auch die Säugetiersammlung enthält e<strong>in</strong>en<br />

nicht unerheblichen Anteil von Präparaten<br />

bereits ausgestorbener oder durch das Wash<strong>in</strong>gtoner<br />

Artenschutzabkommen geschützter<br />

Tiere.<br />

Bee<strong>in</strong>druckende Vielfalt<br />

Die wissenschaftlichen Kollektionen gliedern<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Entomologische Sammlung,<br />

die weit über e<strong>in</strong>e Million Insekten<br />

mit e<strong>in</strong>em Typen-Bestand von über 1 000<br />

Species enthält, e<strong>in</strong>e Molluskensammlung<br />

mit mehr als 60 000 Gehäusen und Schalen,<br />

e<strong>in</strong>e Wirbeltierskelett-, e<strong>in</strong>e Vogel- und<br />

e<strong>in</strong>e Säugetierbalgsammlung sowie e<strong>in</strong>e<br />

Gallen- und e<strong>in</strong>e Eiersammlung. Letztere,<br />

mit e<strong>in</strong>em Fundus von 19 206 Eiern aus<br />

3 839 Taxa, bildete die Grundlage für das<br />

Handbuch der Oologie von Max Schönwetter<br />

(1874–1961). Zu den wertvollsten<br />

Sammlungsteilen zählen die Südamerika-<br />

Expeditionsausbeuten (1852–54 und<br />

1856–60) von Hermann C. Burmeister<br />

(1807–1892) mit 62 sehr gut erhaltenen<br />

Wirbeltier- und über 500 Insekten-Typen,<br />

die Käfersammlungen von Ernst F. Germar<br />

(1786–1853) und Christian W. L. E. Suffrian<br />

(1805–1876) sowie die Ektoparasiten-<br />

Sammlung von Ch. L. Nitzsch. Letztere<br />

stellt den ältesten erhaltenen Sammlungsteil<br />

dar. Besondere Beachtung verdienen die<br />

Belege karibischer und zentralasiatischer<br />

Faunenelemente. Die zentralasiatische Kollektion<br />

gilt als e<strong>in</strong>e der größten <strong>in</strong> europäischen<br />

Museen.<br />

In e<strong>in</strong>em Ausstellungsteil wird auch die<br />

historische Entwicklung der zoologischen<br />

Sammlungen mittels vielfältiger Exponate<br />

(Pergament, Zeichnungen, Tagebüchern,<br />

Kataloge, Adversarien und Präparate) dargestellt.<br />

Stammbaum des Tierreichs<br />

Die Arten der Erde zu entdecken, zu beschreiben,<br />

zu klassifizieren und damit der<br />

Forschung und der Öffentlichkeit zu erschließen,<br />

ist das Aufgabenfeld der naturkundlichen<br />

Museen und Sammlungen. In<br />

e<strong>in</strong>er Vitr<strong>in</strong>e vor dem großen Hörsaal wird<br />

der Stammbaum der Tiere durch besonders<br />

e<strong>in</strong>drucksvolle Präparate gezeigt. Zwei<br />

Seitenvitr<strong>in</strong>en ergänzen durch das System<br />

der Insekten und durch e<strong>in</strong>e Darstellung<br />

der Klassen der Wirbeltiere diesen Stammbaum<br />

des Tierreichs. Die Frage »Warum<br />

s<strong>in</strong>d wissenschaftliche Sammlungen so<br />

wichtig und unentbehrlich?« wird anhand<br />

des Arbeitsfeldes der Systematik und der<br />

verschiedenen Anwendungsbereiche dieser<br />

Wissenschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Tischvitr<strong>in</strong>e erläutert.<br />

Das Anliegen von Sammlungsführungen<br />

ist es, den Studenten und Besuchern<br />

die Ästhetik und Schönheit der Natur nahe<br />

zu br<strong>in</strong>gen, zur Wahrung des natürlichen<br />

Kulturerbes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gesunden Biosphäre<br />

aufzurufen sowie auch die Aufgaben und<br />

die Bedeutung von Sammlungen <strong>in</strong> der Gegenwart<br />

und Zukunft herauszustellen.<br />

Führungen s<strong>in</strong>d nach Vere<strong>in</strong>barung möglich<br />

oder werden unter http://www.zoologische-sammlungen.uni-halle.de<br />

angekündigt.<br />

Dr. Dietrich Heidecke betreut seit 1985 als<br />

Kustos die Zoologischen Sammlungen an<br />

der Universität Halle.<br />

Dr. Karla Schneider ist seit 1997 Kustod<strong>in</strong><br />

der Entomologischen Sammlungen.<br />

Kulturerbe<br />

Natur<br />

Naturkundliche Museen und Sammlungen <strong>in</strong> Sachsen-Anhalt, hg. von Ernst Görger u. a.<br />

im Auftrag des Museumsverbandes Sachsen-Anhalt e. V., 175 Seiten, 20 Euro<br />

Der Katalog ist im Buchhandel erhältlich.


THRIPSE – GLOBETROTTER IM AUFTRAG DES BÖSEN<br />

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scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

WELTWEITER PFLANZENTRANSFER BEGÜNSTIGT VERBREITUNG VON VIREN<br />

Gerald Moritz<br />

Die Verbreitung von Pilz-, Bakterien und Viruserkrankungen ist oftmals an e<strong>in</strong>en Überträgerorganismus<br />

gebunden, der Eigenschaften e<strong>in</strong>es Vektors besitzen muss. In ca. 70 Prozent<br />

aller mit Viren <strong>in</strong>fizierten Pflanzen und bei über 40 Prozent der Viruserkrankungen<br />

von Säugetieren übernehmen Arthropoden diese Rolle (Heuvel et al. 1999). Insbesondere<br />

s<strong>in</strong>d Insekten aufgrund ihres Nahrungsspektrums prädest<strong>in</strong>iert für diese Aufgabe. Die selektiven<br />

Vorteile dieser Interaktion liegen evolutiv <strong>in</strong> der Anpassung und oftmals der Nutzung<br />

des Vektors als viralen Replikationsort, wobei die Fitness des Vektors nicht bee<strong>in</strong>trächtigt<br />

wird. Viren, die sich <strong>in</strong> ihrem Vektor reproduzieren, werden als propagativ bezeichnet<br />

und können <strong>in</strong>sbesondere beim Menschen zu verheerenden Seuchen führen.<br />

Bei den Pflanzen stellt die Zellwand e<strong>in</strong>e<br />

entscheidende Barriere für die Ausbreitung<br />

von Pathogenen dar, wodurch oftmals mechanische<br />

Verletzungen der Epidermis als<br />

weitere Infektionsherde genutzt werden.<br />

Aus diesem Grund stellen pflanzensaftsaugende<br />

Insekten hervorragende Vektoren<br />

und tragen weltweit zu e<strong>in</strong>er äußerst effektiven<br />

Verbreitung von Viren bei. E<strong>in</strong>ige Arten<br />

der Thysanoptera (=Fransenflügler,<br />

Thripse) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere aufgrund ihrer<br />

Insektizidresistenz, ihrer ger<strong>in</strong>gen Körpergröße<br />

(ca. 1 mm), ihres breiten Wirtspflanzenspektrums<br />

und ihrer versteckten Lebensweise<br />

durch den weltweit angestiegenen<br />

Pflanzentransfer besonders geeignet<br />

für globale Verbreitungen erfolgreicher Virus-Vektor-Komplexe.<br />

Die Übertragung der<br />

Tospoviren übernehmen Thripse als e<strong>in</strong>zige<br />

Vektoren. Interessant ist, dass die bislang<br />

zwölf bekannten Tospovirus-Kandidaten<br />

(z. B. »tomato spotted wilt virus« –<br />

TSWV und »impatiens necrotic spot<br />

virus« – INSV), nur von 10 der 5 500 bekannten<br />

Thysanopteren-Arten erfolgreich<br />

übertragen werden können. Entsprechend<br />

wünschenswert ist aus wirtschaftlicher<br />

Sicht die schnelle Trennung von Vektoren<br />

und Nicht-Vektoren. Allerd<strong>in</strong>gs ist die exakte<br />

Determ<strong>in</strong>ation der Thysanoptera äußerst<br />

schwierig und nur Experten vorbehalten<br />

(Moritz et al. 2001). Die seit langem<br />

gewünschte frühe Identifikation der Larvalstadien<br />

ist uns mit Hilfe molekularer Methoden<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren gelungen, wobei<br />

diese Methodik sehr sensitiv ist und<br />

bereits reife Eistadien <strong>in</strong>nerhalb des Pflanzengewebes<br />

determ<strong>in</strong>ieren lässt (Moritz et<br />

al. 2000). Voreilige Fehlentscheidungen<br />

führen zu erheblichen wirtschaftlichen<br />

Schäden. So wurden aufgrund des Vorkommens<br />

von e<strong>in</strong>em Weibchen und drei Männchen<br />

von Thrips palmi (EU-Quarantäne-<br />

Art) 1,3 Millionen Ficus-Pflanzen sowie<br />

e<strong>in</strong>e Fläche von 6 000 m² Rosen vernichtet.<br />

Der se<strong>in</strong>erzeit <strong>in</strong> Den Haag geführte Prozess<br />

wies e<strong>in</strong>en Verlust von über vier Millionen<br />

US-Dollar aus.<br />

Tospoviren – phytopathogene<br />

Abgesandte der Bunyaviridae<br />

Mit Hilfe molekularbiologischer Untersuchungen<br />

konnte <strong>in</strong> den 90er Jahren die Zugehörigkeit<br />

der Tospoviren zu den Bunya-<br />

Abb. 1: Ontogenetische Phasen der Thysanoptera (L1: Erstlarve, L2: Zweitlarve, PP: Propuppe,<br />

P: Puppe, A: Adulti) und ihre Vektoreigenschaften.<br />

Foto: Moritz<br />

...............................................................................<br />

viridae aufgrund struktureller Besonderheiten<br />

sowie ihres vollständig aufgeklärten<br />

Genoms bestätigt (German et al. 1992) und<br />

ihre Replikation <strong>in</strong> Thripsen nachgewiesen<br />

werden (Ullman et al. 1993). Die annähernd<br />

kugeligen Viruspartikel erreichen e<strong>in</strong>en<br />

Durchmesser von 80 bis 110 nm. Ihre<br />

vom Vektor-Golgi-Apparat gebildete Lipidmembran<br />

enthält zwei Glycoprote<strong>in</strong>e<br />

(G1 und G2) und schließt 3 Nukleokapside<br />

e<strong>in</strong> (Kikkert et al. 1999). Entsprechend besteht<br />

das Genom aus 3 RNA-Segmenten<br />

(L, M und S). Das L-RNA Segment codiert<br />

die mit dem Nukleokapsid assoziierte<br />

RNA-Polymerase. Das M-Segment codiert<br />

die beiden Glycoprote<strong>in</strong>e, während das S-<br />

Segment das N-Prote<strong>in</strong> sowie e<strong>in</strong> nichtstrukturiertes<br />

Prote<strong>in</strong>, welches während<br />

der Replikation auftritt, codiert.<br />

Thripse – virale Existenz und<br />

globale Verbreitung<br />

Während der Ontogenese der Thripse treten<br />

nach dem Eistadium e<strong>in</strong>e Erst- und<br />

Zweitlarve auf, die sich nach zwei Ruhestadien<br />

(Vorpuppe und Puppe) zum<br />

adulten Tier häutet (Abb. 1). Seit langem<br />

ist bekannt, dass nur nach der Akquisition<br />

der Viruspartikel während des Erstlarvenstadiums<br />

e<strong>in</strong>e erfolgreiche Transmission<br />

der Tospoviren erfolgen kann.<br />

Über die Hälfte der Zweitlarven s<strong>in</strong>d bereits<br />

<strong>in</strong> der Lage, Tospoviren zu übertragen.<br />

Aufgrund der nur flugfähigen Adulti<br />

erreichen jedoch erst die postmetamorphen<br />

Stadien Bedeutung für e<strong>in</strong>e weitreichende<br />

Verbreitung der Viruspartikel. Besonders<br />

<strong>in</strong>teressant ist vor allem, dass die Zeitspanne,<br />

<strong>in</strong> der die Erstlarven Kontakt mit<br />

<strong>in</strong>fiziertem Material haben müssen, e<strong>in</strong>deutig<br />

die erfolgreiche Transmission bestimmt<br />

(Nagata et al. 1999; Van de Weter<strong>in</strong>g et al.<br />

1996). Demgegenüber führt die Akquisition<br />

von Viruspartikeln <strong>in</strong> der Adultphase<br />

zu ke<strong>in</strong>er Transmission. Der Infektionsweg<br />

beg<strong>in</strong>nt mit der Interaktion der Viruspartikel<br />

mit speziellen Rezeptoren des vorderen<br />

Mitteldarmbereiches (Moritz 1995, 1997).<br />

Insbesondere werden e<strong>in</strong> 50 kDa und e<strong>in</strong><br />

94 kDa Prote<strong>in</strong> als Mediatoren gehandelt,<br />

wobei ersteres Aff<strong>in</strong>itäten zu G1 und letzteres<br />

zu G2 entwickelt (Bandla et al. 1998;<br />

Kikkert et al. 1998). Hemmende, chit<strong>in</strong>haltige<br />

peritrophische Membranen konnten<br />

nicht nachgewiesen werden. Nach der Passage<br />

des Darmepithels kommt es zur Anreicherung<br />

von Viruspartikeln <strong>in</strong> der visceralen<br />

Längs- und R<strong>in</strong>gmuskulatur, von wel-<br />

17


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

Abb. 3: Nachweis von Tospoviren im Bereich<br />

der visceralen Mitteldarmmuskulatur<br />

mit Hilfe <strong>in</strong>direkter Immunofluoreszenz<br />

(FITC-Markierung). Foto: Moritz & Harm<br />

Abb. 2: Innere Organisation<br />

e<strong>in</strong>er Erstlarve e<strong>in</strong>es<br />

Thripses (Frankl<strong>in</strong>iella<br />

occidentalis,<br />

SEM-Aufnahme, Hitachi<br />

2 400, 15kV)<br />

Foto: Moritz & Brandt<br />

................................................................................<br />

cher aus die Viren entweder die Hämolymphe<br />

bzw. für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Transmissi-<br />

18<br />

on die lobulären Speicheldrüsen erreichen.<br />

Dies kann man leicht an der Anreicherung<br />

von Viruspartikeln <strong>in</strong>nerhalb der Malpighi-<br />

Gefäße bzw. den Speicheldrüsen erkennen.<br />

Die bislang ungeklärte Frage, wie und wann<br />

die Viren die Speicheldrüsen erreichen,<br />

konnte histologisch anhand verschiedener<br />

Schnittserien sowie Antikörperfärbungen<br />

der Erst- und Zweitlarven sowie der Adulti<br />

gezeigt werden. Insbesondere ist die caudale<br />

Verlagerung des Supraoesophagealganglions<br />

<strong>in</strong> den Prothorax während des<br />

Erstlarvenstadiums für e<strong>in</strong>en engen Kontakt<br />

zwischen Mitteldarm und Speicheldrüse<br />

verantwortlich (Abb. 2 und 3). Dies<br />

wird hauptsächlich durch die phytosuge<br />

Ernährung bed<strong>in</strong>gt, da für die Funktionalität<br />

stechend-saugender Mundwerkzeuge<br />

enorme Kopfmuskeln benötigt werden, deren<br />

Platzbedarf erst durch die Verlagerung<br />

neuronaler Strukturen befriedigt wird. Im<br />

wachsenden Zweitlarvenstadium setzt<br />

dann die Reposition des Gehirns e<strong>in</strong>, wodurch<br />

die Verb<strong>in</strong>dung zwischen Mitteldarm<br />

und Speicheldrüse gelöst und somit die<br />

Aufnahme gestoppt wird (Moritz &<br />

Kumm, <strong>in</strong> press). Die Virustransmission<br />

adulter Thripse hängt somit davon ab, ob<br />

e<strong>in</strong>e Aufnahme virulenten Pflanzenmaterials<br />

während der Ausbildung des Visceralmuskel-Speicheldrüsen-Komplexes<br />

möglich<br />

war (Abb. 4).<br />

Allerd<strong>in</strong>gs klärt diese Lösung leider noch<br />

nicht die Frage nach den Faktoren, die entscheidend<br />

für den Vektorstatus s<strong>in</strong>d. Auch<br />

ist unklar, wann sich die Liaison zwischen<br />

Thripsen und Viren entwickelt hat und wie<br />

sich evolutiv Tospoviren von den bei Säugern<br />

vorkommenden Bunyaviridae abspalten<br />

konnten.<br />

Letztlich ist es fast e<strong>in</strong>e Ironie, dass Brittlebank<br />

1915 ausgerechnet <strong>in</strong> Australien die<br />

ersten Symptome von TSWV beschrieb<br />

und Pittman Thripse als Vektoren erkannte,<br />

obwohl bis 2001 ke<strong>in</strong>e nativen Pflanzen<br />

Tospoviren enthielten und ke<strong>in</strong> nativer<br />

australischer Thrips als Vektor bekannt<br />

war.<br />

Mit dem Jahr 2002 hat die Globalisierung<br />

nun auch den 5. Kont<strong>in</strong>ent erreicht – und<br />

Thripse als »Globetrotter im Auftrag des<br />

Bösen« haben ihre Mission Dank des <strong>in</strong>ternationalen<br />

Pflanzentransfers erfüllen<br />

können – nun kennen wir auch e<strong>in</strong>e tospovirus<strong>in</strong>fizierte<br />

Orchidee im Australian Capital<br />

Territory und e<strong>in</strong>en nativen Thrips<br />

als Vektor.<br />

Dank gilt der gesamten Arbeitsgruppe Entwicklungsbiologie,<br />

<strong>in</strong>sbesondere Sandra<br />

Kumm, Pamela Harm, Angelika Steller, Renate<br />

Kranz, Doreen Weidensdorfer und<br />

Sandra Brandt für die Mitarbeit an der<br />

spannenden Erforschung der Thrips-Virus-<br />

Interaktionen (siehe auch www.thripsnet.com)<br />

sowie Dick Peters (Wagen<strong>in</strong>gen),<br />

Diane Ullman (Davis) und Laurence A.<br />

Mound (Canberra) für Unterstützung und<br />

Ermöglichung mehrerer Forschungsaufenthalte.<br />

Abb. 4: Schematische Darstellung des Virusweges während der premetabolen Entwicklungsphasen.<br />

Gerald Moritz, Jg. 1954, studierte Chemie<br />

und Biologie an der Pädagogischen Hochschule<br />

Köthen (1978 Diplom, 1981 Promotion).<br />

Von 1986 bis 1988 war er als Assistent<br />

im Institut für Zoologie an der Universität<br />

Potsdam tätig (1989 Habilitation). Seit<br />

1994 ist er Professor für »Entwicklungsbiologie<br />

der Tiere und des Menschen« am<br />

Institut für Zoologie der Universität Halle.


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scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

ZEITGEMÄSSER BIOLOGIEUNTERRICHT<br />

FORSCHUNGSFELDER DER FACHDIDAKTIK<br />

Wolfgang Lerchner und Lothar Schmidt<br />

Die zunehmende Bedeutung, die dem Bildungsstand und der Qualität des Bildungssystems<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wissensgesellschaft zukommt, macht qualitätsfördernde Maßnahmen im Bereich<br />

des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts notwendig, sollen deutsche Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler sowie Student<strong>in</strong>nen und Studenten im <strong>in</strong>ternationalen Leistungsvergleich<br />

bestehen. Neben der Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Unterrichts an den Schulen s<strong>in</strong>d Maßnahmen zur weiteren Qualitätsentwicklung der<br />

Lehrerausbildung notwendig.<br />

Es gehört zu den universitären Aufgaben der Fachdidaktiken, der Fachwissenschaften und<br />

der Erziehungswissenschaften, diesen Prozess zu fördern. Der folgende Beitrag beleuchtet<br />

zwei diesbezügliche Forschungsfelder der Fachdidaktik Biologie.<br />

...............................................................................<br />

Durch zielorientierte Exkursionen und Beobachtungen<br />

im Freiland werden nicht nur<br />

Artenkenntnisse vermittelt, lokale Umweltprobleme<br />

erkannt, sondern auch naturrelevantes<br />

Verhalten entwickelt und damit e<strong>in</strong><br />

schulspezifischer Beitrag zur Erhaltung der<br />

biologischen Vielfalt geleistet.<br />

Gentechnik und Biotechnik<br />

19<br />

Beachtung neuer biologischer Konzepte<br />

In e<strong>in</strong>er zunehmenden Anzahl von Gebieten<br />

der Biologie und anderer Naturwissenschaften<br />

erfolgen heute die Forschungen<br />

unter neuen Sichtweisen, die sich u. a. aus<br />

den Entwicklungen <strong>in</strong> den Biowissenschaften<br />

(z. B. der Molekularbiologie), aus der<br />

Entwicklung anderer naturwissenschaftlicher<br />

Diszipl<strong>in</strong>en mit ihren Anwendungsbereichen<br />

und aus der Vernetzung der früher<br />

weitgehend isoliert betrachteten Untersuchungsgegenstände<br />

ergeben. Die Biotechnik<br />

und Gentechnik s<strong>in</strong>d Beispiele für diese<br />

Interdiszipl<strong>in</strong>arität. Es bedarf zunächst des<br />

Erschließens dieser Forschungsgebiete unter<br />

fachdidaktischer Sicht. Dann erfolgt die<br />

begründete Auswahl von biologischen Inhalten<br />

unter dem Aspekt der Allgeme<strong>in</strong>bildung<br />

für die Schulbiologie. Dafür sollen<br />

zwei von uns bearbeitete Themenkomplexe<br />

kurz betrachtet werden, die für die <strong>in</strong>haltliche<br />

Weiterentwicklung von Biologieunterricht<br />

bedeutungsvoll s<strong>in</strong>d:<br />

Biologische Diversität (Biodiversität)<br />

den Organismen ermöglichen, sich durch<br />

neue genetische Komb<strong>in</strong>ationen den Veränderungen<br />

der Umgebung anzupassen.<br />

2. Die organismische Ebene (Artenvielfalt)<br />

kennzeichnet die Anzahl, die Frequenz und<br />

das Vorkommen verschiedener Arten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

bestimmten Lebensraum.<br />

3. Die ökosystemare Ebene (Vielfalt der<br />

Ökosysteme) be<strong>in</strong>haltet die verschiedenen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Region auftretenden Ökosysteme,<br />

d. h. die verschiedenen Wirkungsgefüge<br />

(Struktur- und Funktionsbeziehungen) von<br />

Pflanzen-, Tier- und Mikroorganismen-Geme<strong>in</strong>schaften<br />

mit der unbelebten Natur<br />

(Stoffkreisläufe, Energiefluss).<br />

Zum Verständnis von Biodiversität s<strong>in</strong>d<br />

Kenntnisse aus verschiedenen biologischen<br />

Teildiszipl<strong>in</strong>en, wie z. B. der Genetik, der<br />

Ökologie, der Evolutionsbiologie, der Systematik<br />

und der Naturschutzbiologie erforderlich.<br />

Aber auch Probleme geologischen,<br />

ökonomischen, politischen, ethischen und<br />

ästhetischen Inhalts s<strong>in</strong>d zu bedenken.<br />

Für den Biologieunterricht ergibt sich <strong>in</strong><br />

diesem Zusammenhang die Aufgabe, die<br />

Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler über die Lernziele<br />

für diese Problematik zu sensibilisieren.<br />

Die Entwicklung <strong>in</strong> den Biowissenschaften<br />

wurde durch die Fortschritte auf den Gebieten<br />

der Gentechnik und Biotechnik unvorstellbar<br />

forciert. Der Grund liegt dar<strong>in</strong>, dass<br />

die Methoden der Gentechnik nicht nur e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Struktur der DNA gestatteten,<br />

sondern dass es auch möglich<br />

wurde, diese zu modifizieren.<br />

So konnten auf der Basis dieser Entwicklungen<br />

u. a. Biomoleküle <strong>in</strong> größeren Konzentrationen<br />

produziert werden. Nicht zuletzt<br />

wurden mit Hilfe der Gentechnik<br />

wichtige Regulationsmechanismen aufgedeckt.<br />

Aus der gegenwärtigen Diskussion<br />

zur Gentechnik und Biotechnik ergibt sich<br />

die Frage, wie die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

auf <strong>in</strong>haltliche und bioethische Aspekte dieses<br />

Themenkreises vorbereitet werden sollen.<br />

Auf dem Gebiet der Biotechnik muss<br />

sich die Schulbiologie weiterh<strong>in</strong> auf die anwendungsorientierten<br />

Teilbereiche von Mikrobiologie<br />

und Biochemie beziehen (Herstellung<br />

von Nahrungs- und Genussmitteln,<br />

Pharmazeutika u. a.). In der Erweiterung<br />

dessen geht es aber auch um Anwendungsbereiche<br />

durch die Verwendung zellbiologischer<br />

und molekularbiologischer Methoden<br />

Der Begriff der Biodiversität ist für wissenschaftliche<br />

Maßstäbe sehr jung, was<br />

sich dah<strong>in</strong>ter verbirgt, ist aber so alt wie<br />

die biologische Forschung selbst. Biodiversität<br />

umfasst die Vielfalt und damit auch<br />

die Unterschiedlichkeit des Lebens auf unserer<br />

Erde, <strong>in</strong> den von Lebewesen gebildeten<br />

Lebensgeme<strong>in</strong>schaften, ihren Wechselbeziehungen<br />

und Kreisläufen. Biologische<br />

Diversität ist e<strong>in</strong>e wesentliche Eigenschaft<br />

biologischer Systeme, d. h. different zu<br />

se<strong>in</strong>. Diese Verschiedenheit zeigt sich auf<br />

allen Organisationsebenen des Lebens, wie<br />

zum Beispiel auf der der Gene, der Organismen<br />

und der Ökosysteme. Biodiversität<br />

spiegelt sich auf drei Ebenen wider. Diese<br />

haben für die Schulbiologie große Relevanz:<br />

1. Die genetische Ebene (genetische Vielfalt,<br />

Vielfalt der Genotypen) charakterisiert die<br />

Gesamtheit der genetischen Variationen<br />

von Populationen und Individuen, die es<br />

Ökologische Exkursion im Auwald auf der halleschen Peißnitz<strong>in</strong>sel (2001)<br />

Foto: L. Schmidt


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

................................................................................<br />

20<br />

(z. B. künstlicher Transfer von Genen).<br />

Untersuchungen ergaben, dass es notwendig<br />

ist, <strong>in</strong> der gymnasialen Oberstufe systematisch<br />

Aspekte der Gentechnik im Biologieunterricht<br />

zu behandeln.<br />

Der Begriff Gentechnik wird dabei als Sammelbegriff<br />

für verschiedene molekularbiologische<br />

Techniken verwendet. Vorgeschlagene<br />

Inhalte s<strong>in</strong>d:<br />

• Biotechnik – Gentechnik,<br />

• Werkzeuge der Gentechnik: Enzyme zur<br />

Bearbeitung von DNA, Vektoren (»Genfähren«),<br />

Wirtszellen und Wirtsorganismen,<br />

• Herstellung rekomb<strong>in</strong>anter DNA-Plasmide,<br />

• Methoden der Analyse und Vermehrung<br />

von Nucleotidsequenzen (Gelelektrophorese,<br />

DNA-Sequenzierung, Polymerase-<br />

Kettenreaktion, Nucle<strong>in</strong>säure-Blott<strong>in</strong>g und<br />

Hybridisierung),<br />

• transgene Organismen,<br />

• Möglichkeiten der Gentherapie beim<br />

Menschen,<br />

• Gentechnologie <strong>in</strong> der Landwirtschaft,<br />

• mögliche Probleme und Risiken der Gentechnik.<br />

Die Rolle des Experimentierens<br />

Das Praktikum »Biologische<br />

Schulexperimente« –<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Komponente<br />

der Lehrerausbildung (2002)<br />

Foto: H. Grimmer<br />

Im S<strong>in</strong>ne der wissenschaftspropädeutischen<br />

Grundbildung werden die Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler mit Denk- und Arbeitsweisen der<br />

Naturwissenschaften vertraut gemacht. Im<br />

Wechsel und <strong>in</strong> gegenseitiger Ergänzung<br />

s<strong>in</strong>d Beobachtungen und Experimente im<br />

Freiland und im Labor durchzuführen. Sie<br />

bilden die empirische Basis z. B. für das<br />

Ableiten kausaler Beziehungen, für die Arbeit<br />

mit Modellen und das Erkennen und<br />

Lösen von Problemen. Dabei sollte das Experiment<br />

<strong>in</strong> den drei naturwissenschaftlichen<br />

Fächern Biologie, Chemie und Physik<br />

e<strong>in</strong>e hohe Priorität haben.<br />

Im Rahmen unseres Forschungsprojekts<br />

»Untersuchungen zur Qualität des naturwissenschaftlichen<br />

Unterrichts (Fächer<br />

Biologie, Chemie, Physik)« gehen wir von<br />

der bewiesenen Position aus, dass <strong>in</strong> der<br />

Weiterentwicklung des Experimentierens<br />

e<strong>in</strong> Schlüssel zur Verbesserung des naturwissenschaftlichen<br />

Unterrichts liegt.<br />

Zunächst verfolgen wir zwei Zielstellungen:<br />

1. Entwicklung neuer, erkenntnis<strong>in</strong>tensiver,<br />

schulrelevanter Experimente und 2. Gew<strong>in</strong>nung<br />

von Erkenntnissen zur <strong>in</strong>haltlichen<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des experimentellen Arbeitens<br />

mit se<strong>in</strong>er ganzen Abfolge <strong>in</strong> den Unterrichtsprozess.<br />

Das Schülerexperiment wird durch die Folge<br />

Beobachtung/Frage/Problem, Hypothese,<br />

Experiment, Verifikation (Bestätigung)<br />

resp. Falsifikation (Widerlegung) def<strong>in</strong>iert.<br />

Nur Unterricht, der den Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schülern diese Folge von E<strong>in</strong>zelschritten<br />

vermittelt (experimenteller Unterricht),<br />

führt zum Verständnis des heute mit Abstand<br />

dom<strong>in</strong>ierenden Verfahrens der Erkenntnisgew<strong>in</strong>nung<br />

<strong>in</strong> der Fachwissenschaft<br />

Biologie.<br />

Für den Biologieunterricht muss man leider<br />

feststellen, dass dem Experiment nicht die<br />

notwendige Bedeutung beigemessen wird.<br />

Das bezieht sich auf die repräsentative<br />

Auswahl und die Durchführung von geeigneten<br />

Experimenten und vor allem auch auf<br />

die E<strong>in</strong>ordnung dieser <strong>in</strong> bestimmte Unterrichtse<strong>in</strong>heiten<br />

und deren didaktischer Begründung.<br />

Zwei Beispiele sollen Letzteres<br />

belegen.<br />

Im Rahmen biologiedidaktischer Forschung<br />

hat sich gezeigt, dass Schulexperimente<br />

aufgrund ihrer Stellung im Unterricht und<br />

ihrer didaktischen Funktion <strong>in</strong> drei Gruppen<br />

e<strong>in</strong>geteilt werden können:<br />

• Das e<strong>in</strong>führende Experiment dient dem<br />

E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Fragestellung.<br />

• Das entdeckende Experiment folgt im Idealfall<br />

den Schritten, wie sie zur Kennzeichnung<br />

des Forschungsexperimentes dargestellt<br />

werden.<br />

Biotechnologie-Exkurs hallescher Lehramtsstudenten<br />

<strong>in</strong> die Brauerei Landsberg (2002)<br />

Foto: L. Schmidt<br />

• Das bestätigende Experiment hat zwei<br />

Aufgaben, nämlich die Bestätigung von<br />

Sachverhalten, die den Schülern bereits bekannt<br />

s<strong>in</strong>d, und die vertiefende bzw. veranschaulichende<br />

Wiederholung.<br />

Natürlich haben die Experimente aller drei<br />

Gruppen e<strong>in</strong>e didaktische Funktion im<br />

Unterrichtsprozess. Allerd<strong>in</strong>gs werden die<br />

Ziele des naturwissenschaftlichen Unterrichts,<br />

des naturwissenschaftlichen Arbeitens,<br />

erst voll realisiert, wenn wir uns den<br />

entdeckenden Experimenten <strong>in</strong> stärkerem<br />

Maße zuwenden. Hier gibt es erhebliche<br />

Defizite. Dieses Vorgehen gel<strong>in</strong>gt nur durch<br />

bewusst gestaltete Unterrichtsphasen, deren<br />

Organisationspr<strong>in</strong>zip dann das naturwissenschaftliche<br />

Arbeiten, natürlich <strong>in</strong><br />

elementarer Form, selbst ist.<br />

Wenn der experimentelle Zugang unter<br />

schulischen Bed<strong>in</strong>gungen nicht oder nur bed<strong>in</strong>gt<br />

möglich ist, dann ist der ausgewählte<br />

E<strong>in</strong>satz verschiedener Unterrichtsmedien<br />

notwendig. Der Bezug zu den neuen Medien,<br />

z. B. CD-ROM, ist vor allem bei den<br />

Themen zu empfehlen, die der unmittelbaren<br />

Anschauung durch die Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler nicht zugänglich s<strong>in</strong>d, z. B.<br />

Genetik, Gentechnik, Immunbiologie.<br />

Es ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit heftiger Kritik an dem<br />

Leistungsvermögen deutscher Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler notwendig, die fachdidaktische<br />

Forschungsarbeit zu forcieren, die Lehramtsausbildung<br />

weiter zu entwickeln, die<br />

bewusste Zusammenarbeit mit den Schulen<br />

besser zu verzahnen und die Akzeptanz<br />

und Wertschätzung der naturwissenschaftlichen<br />

Fächer überzeugender auszuweisen.<br />

Wolfgang Lerchner absolvierte von 1967<br />

bis 1971 e<strong>in</strong> Lehrerstudium für die Fächer<br />

Biologie und Chemie an der halleschen<br />

Universität, wurde hier 1981 durch die<br />

Mathematisch-Naturwissenschaftliche<br />

(-Technische) Fakultät promoviert und habilitierte<br />

sich 1986. Seit 1995 hat er an der<br />

Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität die Professur<br />

Didaktik der Biologie <strong>in</strong>ne.<br />

Lothar Schmidt studierte von 1972 bis<br />

1976 an der Universität Halle die Lehramtsfächer<br />

Biologie/Chemie. Er ist seit<br />

1982 wissenschaftlicher Mitarbeiter <strong>in</strong> der<br />

Abteilung Biologiedidaktik und wurde 1987<br />

promoviert.


..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

ALTERN UND STRESS BEI PFLANZEN<br />

MOLEKULARBIOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN<br />

Klaus Humbeck<br />

»Altern« und »Stress« s<strong>in</strong>d Begriffe, die <strong>in</strong> den Medien tagtäglich <strong>in</strong> Bezug auf uns Menschen<br />

verwendet werden. Wenige denken wohl daran, dass damit auch für Pflanzen wichtige<br />

Vorgänge beschrieben werden. Anhand e<strong>in</strong>iger Beispiele soll dies im Folgenden verdeutlicht<br />

werden.<br />

Seneszenz bei Blättern<br />

E<strong>in</strong> sehr augensche<strong>in</strong>liches Beispiel für e<strong>in</strong>en<br />

Alterungsprozess bei Pflanzen ist im<br />

Spätsommer das Vergilben der Getreideblätter<br />

auf den Feldern (Abb. 1). Bei dieser<br />

so genannten Blattseneszenz werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

komplizierten Prozess <strong>in</strong> den Blättern<br />

wichtige Inhaltsstoffe, z. B. Prote<strong>in</strong>e abgebaut,<br />

es werden Transportformen freigesetzt<br />

und <strong>in</strong> anderen Pflanzenteilen, z. B.<br />

den wachsenden Körnern der Ähre, als<br />

wichtige Bestandteile wieder e<strong>in</strong>gebaut.<br />

Der ganze Vorgang bedeutet also für die<br />

Pflanzen nicht e<strong>in</strong> altersbed<strong>in</strong>gtes und negativ<br />

zu sehendes Zusammenbrechen von<br />

Blattfunktionen, sondern dient vielmehr<br />

dem sehr effektiven Recyceln wichtiger<br />

Nährstoffe. Die Verfügbarkeit von Nährstoffen,<br />

die Außenfaktoren Licht und Temperatur<br />

oder auch e<strong>in</strong> Pathogenbefall können<br />

den Seneszenzprozess beschleunigen<br />

oder auch verzögern. E<strong>in</strong> geordneter Ablauf<br />

der Blattseneszenz ist letztendlich sehr<br />

wichtig für die Qualität und Quantität des<br />

Kornertrags und somit auch von erheblichem<br />

landwirtschaftlichen Interesse.<br />

landschaften f<strong>in</strong>det, und zum anderen die<br />

Wirkung von hohen Strahlungsdosen auf<br />

Pflanzen.<br />

Pflanzen s<strong>in</strong>d widrigen Umweltbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong> der Regel nicht schutzlos ausgeliefert. Sie<br />

haben im Lauf der Evolution <strong>in</strong> unterschiedlichem<br />

Ausmaß Anpassungsmechanismen<br />

entwickelt, die es ihnen ermöglichen, auch<br />

extreme Bed<strong>in</strong>gungen schadlos zu überstehen.<br />

So überleben z. B. unsere W<strong>in</strong>tergetreide-Sorten<br />

im Gegensatz zu anderen Kulturpflanzen<br />

mühelos tiefe Fröste. Wir kennen<br />

...............................................................................<br />

analysiert. Physiologische Messmethoden<br />

erlauben Aussagen zu stress- und altersbed<strong>in</strong>gten<br />

Veränderungen wichtiger pflanzlicher<br />

Funktionen. Besonders sensitiv auf<br />

Altern und Stress reagieren Photosyntheseaktivitäten.<br />

Im Photosyntheseprozess,<br />

der <strong>in</strong> den typischen pflanzlichen<br />

Zellorganellen, den Chloroplasten, lokalisiert<br />

ist, können Pflanzen das Sonnenlicht<br />

als Energiequelle nutzen. Verschiedene<br />

Messgeräte erlauben es uns, genau zu bestimmen,<br />

wann und wo <strong>in</strong> der wachsenden<br />

Pflanze und an welchen Stellen der <strong>in</strong> den<br />

Chloroplasten bef<strong>in</strong>dlichen Photosynthesemasch<strong>in</strong>erie<br />

z. B. stressbed<strong>in</strong>gte Schädigungen<br />

auftreten (Abb. 2). Dies ist wichtig, um<br />

zu verstehen wie bestimmte Schädigungen<br />

21<br />

Pflanzen im Stress<br />

Was bedeutet nun »Stress« bei Pflanzen?<br />

Pflanzen bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Stresssituation,<br />

wenn sich die abiotischen oder biotischen<br />

Umweltbed<strong>in</strong>gungen so verändern,<br />

dass wichtige Lebensfunktionen erheblich<br />

gestört werden. Stress kann dann zu irreparablen<br />

Schäden bis h<strong>in</strong> zum Tod der<br />

Pflanzen führen. Wir <strong>in</strong>teressieren uns<br />

schwerpunktmäßig für den auch ökonomisch<br />

sehr bedeutenden Effekt von Kälte<br />

auf Kulturpflanzen. Man unterscheidet<br />

hier zwischen e<strong>in</strong>em Kühlestress, der bei<br />

sensitiven Pflanzen im Bereich von 0 bis<br />

15°C auftreten kann, und dem Froststress,<br />

der bei Außentemperaturen unter 0°C e<strong>in</strong>e<br />

Rolle spielt. Hier ist zu bemerken, dass<br />

solche niedrigen Umgebungstemperaturen<br />

weltweit zu den wichtigsten begrenzenden<br />

Umweltbed<strong>in</strong>gungen beim Anbau von Kulturpflanzen<br />

zählen. In unserer Arbeitsgruppe<br />

werden noch zwei weitere Stressfaktoren<br />

untersucht: zum e<strong>in</strong>en der E<strong>in</strong>fluss<br />

von hohen Schwermetallkonzentrationen,<br />

wie man sie z. B. <strong>in</strong> Bergbaufolge-<br />

Abb. 1: »Alte« Getreidepflanzen kurz vor der Ernte<br />

mittlerweile zwar e<strong>in</strong>ige der Tricks, die<br />

Pflanzen auf Lager haben, um sich gegen die<br />

verschiedenen Stresssituationen zu schützen,<br />

s<strong>in</strong>d aber von e<strong>in</strong>em genauen Verständnis<br />

vieler Schutzmechanismen noch weit<br />

entfernt.<br />

Experimentelle Ansätze<br />

Im Labor untersuchen wir nun die Prozesse,<br />

die der oben beschriebenen Blattseneszenz<br />

und den Stressantworten der Pflanzen<br />

zugrunde liegen. Dazu werden die Pflanzen<br />

unter standardisierten Umweltbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong> Klimakammern und Gewächshausabteilen<br />

<strong>in</strong> verschiedenen Entwicklungsstadien<br />

Foto: Humbeck<br />

zustande kommen oder wie Schutzmechanismen<br />

<strong>in</strong> den Pflanzen wirken.<br />

Molekulare Grundlagen von<br />

»Altern« und »Stress«<br />

E<strong>in</strong> Hauptziel der Arbeitsgruppe ist, molekulare<br />

Faktoren, die bei den komplexen<br />

Prozessen der Blattseneszenz und der<br />

Stressantwort <strong>in</strong> der Pflanze e<strong>in</strong>e Rolle<br />

spielen, zu identifizieren. In e<strong>in</strong>em großangelegten<br />

molekularbiologischen Experiment<br />

konnten im letzten Jahr solche Gene der<br />

Gerste »gefischt« werden (Abb. 3), die bei<br />

der Blattalterung oder nach Stressbeg<strong>in</strong>n <strong>in</strong>duziert<br />

(= angeschaltet) werden. Etwa zehn


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

Abb. 2: Photosynthetische Gaswechselmessungen an gestressten Gerstenpflanzen<br />

................................................................................<br />

dieser Gene haben wir schon näher unter<br />

22<br />

die Lupe nehmen können, weitere s<strong>in</strong>d zur<br />

Zeit <strong>in</strong> Bearbeitung. Die Ergebnisse belegen,<br />

dass e<strong>in</strong> paar dieser Gene schon <strong>in</strong>nerhalb<br />

der ersten Stunden nach e<strong>in</strong>em Abfall<br />

der Außentemperatur <strong>in</strong> den Getreidepflanzen<br />

aktiviert werden. Andere Gene<br />

werden erst <strong>in</strong> späten Stadien der Blattentwicklung,<br />

wenn die Blätter schon gelbbraun<br />

geworden s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>duziert.<br />

Diese Entwicklungs- und Stressgene <strong>in</strong>teressieren<br />

uns nun natürlich brennend. Sequenzanalysen<br />

haben gezeigt, dass e<strong>in</strong>ige<br />

der isolierten Gene Ähnlichkeiten mit<br />

schon beschriebenen Gensequenzen aufweisen,<br />

wogegen andere ke<strong>in</strong>e solchen<br />

Homologien zeigen. E<strong>in</strong>e spannende Frage<br />

ist nun, welche Funktionen die entsprechenden<br />

Genprodukte (= Prote<strong>in</strong>e) <strong>in</strong> den<br />

Pflanzen beim Alterungsprozess oder bei<br />

der Antwort z. B. auf e<strong>in</strong>en Kältestress haben<br />

und wie die Bildung solcher funktionierender<br />

Alterungs- oder Schutzprote<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong> der Pflanze reguliert ist. Um die Funktion<br />

e<strong>in</strong>es bestimmten Gens im Rahmen der<br />

Steuerung der Blattseneszenz zu untersuchen,<br />

haben wir z. B. das entsprechende<br />

Gerstengen <strong>in</strong> Tabak e<strong>in</strong>gebracht und wollen<br />

dieses Gen im Tabak zu e<strong>in</strong>em be-<br />

stimmten Entwicklungsstadium <strong>in</strong>duzieren.<br />

Wenn alles klappt, werden dann zur rechten<br />

Zeit die entsprechenden Prote<strong>in</strong>e im<br />

Tabak gebildet und e<strong>in</strong>e Veränderung im<br />

normalen Entwicklungsablauf würde uns<br />

Aussagen zur Rolle dieses Prote<strong>in</strong>s ermöglichen.<br />

In anderen Ansätzen benutzen wir<br />

z. B. spezifische Antikörper gegen uns <strong>in</strong>teressierende<br />

Prote<strong>in</strong>e, um zu analysieren,<br />

wann und wo sie <strong>in</strong> den Zellen auftauchen.<br />

Abb. 3: Auf der Suche nach Stressgenen<br />

Fotos (2): Humbeck<br />

Die Bedeutung der Alters- und<br />

Stressforschung bei Pflanzen<br />

Untersuchungen, wie sie oben beschrieben<br />

s<strong>in</strong>d, dienen dem grundlegenden Verständnis<br />

der Mechanismen, die <strong>in</strong> Pflanzen bei<br />

Alterungsvorgängen oder bei bestimmten<br />

Stresssituationen ablaufen. Wir wollen<br />

z. B. verstehen, wie die Pflanzen auf molekularer<br />

Ebene auf hohe Schwermetallkonzentrationen<br />

reagieren. Diese Forschung,<br />

die hauptsächlich vorangetrieben wird von<br />

der Neugierde der Experimentatoren und<br />

deren Wunsch, die komplexen Zusammenhänge<br />

möglichst gut aufzuklären, ist demnach<br />

dem Bereich der Grundlagenforschung<br />

zuzuordnen. E<strong>in</strong> genaues Verständnis der<br />

Blattseneszenz und der Stressantworten<br />

auf bestimmte Umweltveränderungen ist<br />

allerd<strong>in</strong>gs auch von erheblicher ökonomischer<br />

Bedeutung, da beide Prozesse im<br />

H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>en guten Kornertrag der<br />

Getreidepflanzen auch bei unterschiedlichsten<br />

Umweltbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>e große<br />

Rolle spielen.<br />

Der Autor ist nach Aufenthalten an den<br />

Universitäten Marburg, Hamburg, Corvallis<br />

(USA), Berkeley (USA) und Köln seit<br />

1997 Professor für Pflanzenphysiologie am<br />

Institut für Pflanzenphysiologie der Mart<strong>in</strong>-<br />

Luther-Universität <strong>in</strong> Halle. Er und se<strong>in</strong>e<br />

Arbeitsgruppe forschen im neuen Biologicum<br />

im We<strong>in</strong>bergweg 10.


KLONEN NICHT NÖTIG!<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

DIE VIELFALT NATÜRLICHER FORTPFLANZUNGSSTRATEGIEN BEI PFLANZEN<br />

Isabell Hensen, Astrid Grüttner und Constanze Ohl<br />

Bei Pflanzen besteht hohe »K<strong>in</strong>der«sterblichkeit – Keimung und Etablierung stellen <strong>in</strong> ihrem<br />

Lebenszyklus die bei weitem risikoreichsten Phasen dar. Daher beschäftigt sich die<br />

Arbeitsgruppe Pflanzenökologie des Instituts für Geobotanik seit e<strong>in</strong>igen Jahren mit der<br />

Aufklärung der Fortpflanzungsmechanismen und Regenerationsstrategien von Pflanzen <strong>in</strong><br />

den verschiedensten Lebensräumen.<br />

Lebensraum <strong>in</strong> Bewegung: Wer kann<br />

hier siedeln?<br />

Gewässerränder s<strong>in</strong>d unter natürlichen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

hochdynamisch. Dies gilt besonders<br />

für die Ufer von Flüssen, deren Abflussmenge<br />

extrem variabel se<strong>in</strong> kann, die<br />

ihren Lauf verändern, Substrat wegreißen,<br />

transportieren und an anderer Stelle wieder<br />

ablagern – die jüngsten Hochwasserereignisse<br />

haben uns diese Tatsache dramatisch<br />

<strong>in</strong>s Gedächtnis gerufen. Die Dynamik von<br />

Gewässerrändern stellt für pflanzliche Besiedler<br />

e<strong>in</strong>e Herausforderung dar, der diese<br />

mit ausgeklügelten Anpassungen begegnen.<br />

E<strong>in</strong>e typische Gruppe von Uferpflanzen<br />

s<strong>in</strong>d die Röhrichtarten, darunter das Schilf.<br />

In den dichten, hochwüchsigen Beständen<br />

besteht jedes genetische Individuum aus e<strong>in</strong>er<br />

großen Zahl von Sprossen, die im<br />

Herbst Nährstoffe <strong>in</strong> unterirdische Organe<br />

verlagern, bevor sie oberirdisch absterben.<br />

Diese Vorratshaltung ermöglicht e<strong>in</strong>en raschen<br />

Wiederaufbau der Bestände im Frühjahr.<br />

So erreicht das Höhenwachstum des<br />

Schilfs (Phragmites australis) im Mai und<br />

Juni mehrere Zentimeter pro Tag.<br />

In etablierten Röhrichtbeständen hat die<br />

generative Fortpflanzung durch Samen ke<strong>in</strong>e<br />

Chance. Wie aber schaffen es Röhrichtpflanzen,<br />

neue Wuchsorte zu besiedeln, die<br />

irgendwo und irgendwann – z. B. nach e<strong>in</strong>em<br />

Hochwasserereignis – entstehen können?<br />

Die Strategie des Schilfs, aber auch<br />

der Rohrkolbenarten (Typha spec.) besteht<br />

dar<strong>in</strong>, Milliarden von Samen zu produzieren,<br />

die über W<strong>in</strong>d und Wasser weith<strong>in</strong><br />

ausgebreitet werden. Die wenigen, die zufällig<br />

an e<strong>in</strong>em geeigneten Keimungsort landen,<br />

sollten <strong>in</strong> der Lage se<strong>in</strong>, ihn möglichst<br />

effektiv zu erobern. In dieser H<strong>in</strong>sicht tut<br />

sich das Schilf mit e<strong>in</strong>er auffälligen Anpassung<br />

hervor. An weitgehend vegetationsfreien<br />

Standorten erzeugt es oberirdische<br />

Kriechtriebe, die <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Jahres bis<br />

über 20 m lang werden und ihrerseits zahlreiche<br />

ober- und unterirdische Seitentriebe<br />

produzieren. Über dieses Phänomen, das<br />

an Gewässerrändern <strong>in</strong> der nicht rekultivierten<br />

Bergbaufolgelandschaft regelmäßig<br />

zu beobachten ist, kann aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen<br />

Keiml<strong>in</strong>g <strong>in</strong>nerhalb von zwei Jahren e<strong>in</strong><br />

viele Quadratmeter bedeckender Bestand<br />

werden.<br />

In der Regel benötigt Röhricht also ke<strong>in</strong>e<br />

Hilfestellung zur Ansiedlung von z. B. neu<br />

geschaffenen oder zu befestigenden Uferbereichen<br />

– es gibt jedoch Ausnahmen. So<br />

wurde nach unserer Konzeption e<strong>in</strong> Röhricht<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bergbau-Restloch südlich<br />

von Merseburg auf e<strong>in</strong>er 1 500 m langen,<br />

erosionsgefährdeten Uferstrecke etabliert.<br />

Dabei wurde größter Wert auf genetische<br />

Vielfalt gelegt: das Saatgut der <strong>in</strong>sgesamt<br />

...............................................................................<br />

100 000 Jungpflanzen war unterschiedlicher,<br />

aber regionaler Herkunft. Alternativ<br />

könnte man auch wenige, besonders<br />

wuchskräftige Individuen klonen; angesichts<br />

des »global change« ist aber zu bedenken,<br />

dass e<strong>in</strong>e möglichst große genetische<br />

Vielfalt die beste Ausgangsbasis für<br />

anpassungsfähige Bestände darstellt.<br />

Oberirdische Kriechtriebe beim Schilf<br />

(Phragmites australis)<br />

23<br />

»Holzknolle« bei Juniperus oxycedrus, zwei<br />

Wochen nach e<strong>in</strong>em Feuer<br />

Feuer: Fluch oder Segen<br />

für die Vegetation?<br />

Hitzestimulierte Keimung beim Schmetterl<strong>in</strong>gsblütler Calicotome <strong>in</strong>termedia<br />

Wie reagieren Pflanzen auf Feuerereignisse?<br />

Wir alle kennen die Bilder aus den Medien,<br />

die zeigen, wie <strong>in</strong> unseren Urlaubsgebieten<br />

große Waldregionen abbrennen.<br />

Waldbrände können verheerende Ausmaße<br />

annehmen, und so verb<strong>in</strong>den wir Feuer<br />

häufig mit ökonomischem Verlust und Zerstörung<br />

oder sprechen sogar von e<strong>in</strong>er ökologischen<br />

Katastrophe. Für manche Pflanzenarten<br />

(und für Feuerökologen!) ist e<strong>in</strong><br />

Wildfeuer jedoch ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e Katastrophe,<br />

sondern e<strong>in</strong>er der wenigen natürlichen<br />

Umweltfaktoren, der die Vegetationsdecke<br />

e<strong>in</strong>es Gebietes vollständig zerstören


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

................................................................................<br />

kann. E<strong>in</strong>ige Pflanzen haben Strategien entwickelt,<br />

die ihnen erlauben, nach Feuern<br />

24<br />

schnell wieder auszutreiben oder davon zu<br />

profitieren, dass die Konkurrenz nach e<strong>in</strong>em<br />

solchen Inferno nahezu ausgeschaltet<br />

ist. Zwei Anpassungstypen lassen sich unterscheiden:<br />

1. Arten, deren generative Reproduktion<br />

durch Feuer stimuliert wird<br />

und 2. Arten, deren Erneuerungsknospen<br />

geschützt s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong> schönes Beispiel für feuerstimulierte<br />

Keimung ist der Schmetterl<strong>in</strong>gsblütler Calicotome<br />

<strong>in</strong>termedia. Dieser üppig gelbblühende<br />

Strauch wartet buchstäblich auf<br />

die Hitze, die e<strong>in</strong> Feuer erzeugt. Im Laborversuch<br />

zeigt die Art nur nach e<strong>in</strong>em Temperaturschock<br />

von >80 °C nennenswerte<br />

Keimungsraten. Die unbehandelten Samen<br />

der Kontrolle keimen nur zu etwa zwei<br />

Prozent. E<strong>in</strong>e echte Pyroman<strong>in</strong>! Durch<br />

Brand ebenfalls nicht kle<strong>in</strong> zu kriegen ist<br />

Juniperus oxycedrus, e<strong>in</strong>e mediterrane<br />

Wacholderart. Diese entwickelt im Lauf der<br />

Jahre e<strong>in</strong>e verholzte Anschwellung an der<br />

Sprossbasis, die teils ober-, teils unterhalb<br />

der Oberfläche liegt und schlafende Ruheknospen<br />

enthält. Sie fungiert zugleich als<br />

Speicherorgan für Wasser, Kohlenhydrate<br />

und Nährstoffe und ist daher nach e<strong>in</strong>em<br />

Feuer zu rascher Regeneration befähigt.<br />

Stimuliert wird der Neuaustrieb der dormanten<br />

Knospen durch den Verlust an<br />

wachsendem Gewebe. Dadurch werden<br />

ke<strong>in</strong>e Phytohormone mehr gebildet, die das<br />

Wachstum von Ruheknospen unterdrücken.<br />

Schon nach e<strong>in</strong>igen Jahren s<strong>in</strong>d die<br />

»Brandwunden« nicht mehr zu sehen.<br />

Trotz Dürre: reges Pflanzenleben <strong>in</strong> der<br />

südostspanischen Halbwüste!<br />

Für Wüstenpflanzen spielt die Fortpflanzung<br />

durch Samen und Früchte e<strong>in</strong>e große<br />

Rolle, da diese e<strong>in</strong> widerstandsfähiges<br />

Ruhestadium darstellen, mit dem sie die<br />

langen ungünstigen Zeiträume zwischen<br />

den kurzen Wachstumsperioden überdauern.<br />

Doch wie die sich anschließende risikoreiche<br />

Phase überstehen? In Trockenregionen,<br />

<strong>in</strong> denen Niederschlagsereignisse<br />

selten und unvorhersehbar s<strong>in</strong>d, ist es für<br />

e<strong>in</strong>e Pflanze überlebenswichtig, dass die<br />

Keimung ihrer Samen zur richtigen Zeit<br />

Heterodiasporie beim Rauen Löwenzahn (Leontodon hispidus ssp. taraxacoides): v. l. n. r. äußere,<br />

mittlere, zentrale Achäne<br />

und am richtigen Ort stattf<strong>in</strong>det. Genau<br />

wie <strong>in</strong> Mitteleuropa blühen und fruchten <strong>in</strong><br />

den südostspanischen Halbwüsten die<br />

meisten Arten im Mai – und damit zu Beg<strong>in</strong>n<br />

der heiß-trockenen Sommermonate.<br />

Zu dieser Zeit auszukeimen wäre selbstmörderisch.<br />

Im Gegensatz zu den Röhrichtpflanzen<br />

streben Wüstenpflanzen ke<strong>in</strong>e<br />

Fernausbreitung an, denn <strong>in</strong> Offenlandschaften<br />

ist die Gefahr groß, durch W<strong>in</strong>d<br />

oder Tiere an e<strong>in</strong>en Ort verfrachtet zu werden,<br />

der als Lebensraum ungeeignet ist. Daher<br />

f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Wüsten viele Mechanismen,<br />

die die Ausbreitung hemmen: die Samen<br />

kleben, bohren sich schnellstmöglich<br />

<strong>in</strong> den Boden e<strong>in</strong>, oder – verbleiben zunächst<br />

<strong>in</strong> der Obhut der Mutterpflanze,<br />

auch wenn diese längst abgestorben ist. Die<br />

Bildung »oberirdischer Samenbanken«<br />

dient dazu, große Verluste an Samen durch<br />

stürmischen W<strong>in</strong>d zu vermeiden, sich vor<br />

den überall präsenten Ernteameisen zu<br />

schützen und sicherzustellen, dass Ausbreitung<br />

und Keimung auch tatsächlich zur<br />

geeigneten Zeit, nämlich erst bei feuchter<br />

Witterung erfolgen. Die Vorteile der Ausbreitungshemmung<br />

<strong>in</strong> Extremlebensräumen<br />

liegen auf der Hand – die nächste Generation<br />

bleibt an dem Ort, der sich für die Mutterpflanze<br />

bereits als günstig erwiesen hat.<br />

Zur Gruppe der Sommersteher gehört Leontodon<br />

hispidus ssp. taraxacoides, e<strong>in</strong>e<br />

Unterart des Rauen Löwenzahns, an der<br />

sich e<strong>in</strong> weiterer, häufig mit Wüsten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

gebrachter Mechanismus beobachten<br />

lässt: die Ausbildung morphologisch<br />

unterschiedlicher Früchte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>- und demselben<br />

Köpfchen! Diese werden durch verschiedene<br />

Agenzien (z. B. W<strong>in</strong>d, Tiere,<br />

Wasser) und zu verschiedenen Zeiten ausgebreitet:<br />

während die pappustragenden<br />

zentralen Achänen gleich nach der Reife<br />

weit davonfliegen, bleiben die <strong>in</strong> den Hüllblättern<br />

e<strong>in</strong>geschlossenen äußeren Früchte<br />

viele Monate mit der Mutterpflanze verbunden.<br />

Diese Fruchttypen unterscheiden<br />

sich auch <strong>in</strong> ihrem Keimverhalten deutlich<br />

und reagieren damit jeweils auf ganz bestimmte<br />

Umweltreize. Mit der »Heterodiasporie«<br />

ist größte Flexibilität und Differenzierung<br />

der Ausbreitung und Keimung<br />

<strong>in</strong> Raum und Zeit gegeben – und damit die<br />

bestmögliche Risikoverteilung, die bei<br />

Pflanzen denkbar ist!<br />

Fazit: Die Fähigkeit, Erbmaterial zu klonen,<br />

hat <strong>in</strong> Wissenschaft und Gesellschaft<br />

e<strong>in</strong>e Vielzahl positiver Anwendungen gefunden.<br />

In der Natur h<strong>in</strong>gegen muss genetische<br />

Diversität erhalten bleiben, denn nur<br />

diese ermöglicht das notwendige Spektrum<br />

der evolutionären und ökologischen Anpassungen<br />

an e<strong>in</strong>e sich wandelnde Umwelt!<br />

Isabell Hensen, Jg. 1960, studierte Biologie<br />

<strong>in</strong> Oldenburg, wurde <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen promoviert,<br />

habilitierte sich <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und folgte<br />

1999 e<strong>in</strong>em Ruf an die Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität,<br />

wo sie die Fächer Pflanzenökologie<br />

und Vegetationskunde lehrt.<br />

Astrid Grüttner, Jg. 1960, studierte an der<br />

Universität Freiburg im Breisgau und<br />

wurde dort promoviert. Von 1992 bis 2000<br />

war sie Wissenschaftliche Mitarbeiter<strong>in</strong> am<br />

Institut für Geobotanik; seit 2001 wird der<br />

Abschluss ihrer Habilitation mit e<strong>in</strong>em<br />

Forschungsstipendium des Landes Sachsen-Anhalt<br />

gefördert.<br />

Constanze Ohl, Jg. 1975, studierte Biogeographie<br />

<strong>in</strong> Saarbrücken und ist seit 2001<br />

Wissenschaftliche Mitarbeiter<strong>in</strong> am Institut<br />

für Geobotanik.


12 000 PFLANZENARTEN ...<br />

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scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

STÄDTISCHE OASE UND BIOLOGISCHE VERSUCHSSTATION: BOTANISCHER GARTEN<br />

Matthias H. Hoffmann<br />

Auf e<strong>in</strong>er Tafel am E<strong>in</strong>gang des Botanischen Gartens der Universität steht, dass die Anlage<br />

etwa 12 000 Pflanzenarten beherbergt. Wahrsche<strong>in</strong>lich s<strong>in</strong>d es sogar noch deutlich mehr. Es<br />

gibt hier etwa fünfmal so viele Arten, wie <strong>in</strong> Deutschland auf natürliche Weise wachsen<br />

bzw. eben so viele, wie <strong>in</strong> der gesamten europäischen Flora vorkommen. Vier Pflanzenarten<br />

bef<strong>in</strong>den sich durchschnittlich im Botanischen Garten auf e<strong>in</strong>em Quadratmeter. Grob<br />

gerechnet pflegt jede Gärtner<strong>in</strong> und jeder Gärtner etwa 1 000 Arten. Das alles s<strong>in</strong>d Zahlen<br />

und Vergleiche, die ke<strong>in</strong>e Auskunft darüber geben, was diese 12 000 Arten eigentlich bedeuten.<br />

Was ist die Motivation für den Unterhalt e<strong>in</strong>er so großen Sammlung, welche Erwartungen<br />

und Ansprüche stehen ihr gegenüber? Können wir auf e<strong>in</strong>ige Pflanzenarten verzichten?<br />

Würden halb so viele Arten genügen oder sollte weiter ausgebaut werden? Ansätze<br />

zu Antworten auf diese Fragen können von drei Standpunkten aus gegeben werden,<br />

vom Standpunkt der Besucher, der Wissenschaftler und der Gesellschaft.<br />

...............................................................................<br />

25<br />

Wertvoll – Nachzucht der auf Kreta fast ausgestorbenen<br />

Golddistel Carl<strong>in</strong>a diae<br />

Fotos (5): Hoffmann<br />

Nützlich – die Mariendistel Silybum marianum besitzt leberschützende Inhaltsstoffe.<br />

ne und Außergewöhnliche, dass wir uns<br />

beispielsweise beheizbare Häuser aus Glas<br />

leisten müssen? Wir könnten doch E<strong>in</strong>drücke<br />

des Ungewöhnlichen nach wenigen<br />

Stunden der Reise <strong>in</strong> entlegene Gegenden<br />

noch <strong>in</strong>tensiver erleben. Wahrsche<strong>in</strong>lich ist<br />

die Komposition aus nicht alltäglichen E<strong>in</strong>drücken,<br />

subjektivem Schönheitsempf<strong>in</strong>den<br />

und Exotik e<strong>in</strong>e der Motivationen, die<br />

uns so viele verschiedene Pflanzen erhalten<br />

und pflegen lässt.<br />

Arten vor dem Aussterben bewahren<br />

Der Botanische Garten ist nützlich für die<br />

Wissenschaft. Je nach deren Ausrichtung<br />

kann er unverzichtbar bis ganz unwichtig<br />

se<strong>in</strong>. Grundlagenforschung <strong>in</strong> der Botanik<br />

ist häufig <strong>in</strong>teressengebunden und eng mit<br />

den Profilen der Forscherpersonen verknüpft.<br />

E<strong>in</strong>ige Ideen zu Forschungspro-<br />

Gäste kommen aus verschiedenen Gründen<br />

und mit unterschiedlichsten Erwartungen<br />

<strong>in</strong> den Botanischen Garten. Möglicherweise<br />

suchen die meisten Besucher Erholung<br />

und freuen sich, jedes Mal mit Sicherheit<br />

neue blühende und schöne Pflanzen f<strong>in</strong>den<br />

und entdecken zu können.<br />

Manche Gäste möchten auch e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e<br />

botanische Entdeckungsreise rund um den<br />

Erdball und se<strong>in</strong>e verschiedenen Vegetationszonen<br />

unternehmen. Aber werden dazu<br />

so viele Arten benötigt und würde nicht<br />

e<strong>in</strong>e gut gepflegte Blumenwiese <strong>in</strong>mitten<br />

e<strong>in</strong>er Parkanlage den gleichen Zweck erfüllen?<br />

Vielleicht. Eher aber nicht, denn die<br />

meisten Besucher möchten nie gesehene<br />

Formen und Gestalten, Farben und Gerüche,<br />

filigrane oder majestätische Schönheiten<br />

erleben, die im Gegensatz zu unserer<br />

orthogonalen und ordentlich gestalteten<br />

Umwelt stehen. Ist dieser Gegensatz so<br />

viel wert, suchen wir so <strong>in</strong>tensiv das Seltejekten<br />

werden durch vorhandene Objekte<br />

erst angeregt, andere Sammlungen entstehen<br />

dabei neu. Reichen für diesen Zweck<br />

die jeweiligen Forschungssammlungen, ergänzt<br />

durch die Pflanzenarten, für die universitäre<br />

Lehre nicht aus? Nirgendwo anders<br />

als <strong>in</strong> der Wissenschaft s<strong>in</strong>d die Nützlichkeit<br />

und der <strong>in</strong>direkte Geldwert e<strong>in</strong>er<br />

großen Sammlung so greifbar. Müsste für<br />

die Grundlagenforschung <strong>in</strong> der Botanik<br />

oder für Untersuchungen <strong>in</strong> angrenzenden<br />

Fachgebieten, etwa <strong>in</strong> der Pflanzenbiochemie<br />

oder Pharmazie, jedes Untersuchungsobjekt<br />

durch e<strong>in</strong>e eigene Sammelreise beschafft<br />

werden, entstünden immense Kosten.<br />

Nicht nur das, der Zeitaufwand für die<br />

Forschungsarbeiten würde sich vergrößern,<br />

und Material aus e<strong>in</strong>igen Teilen der Welt<br />

wäre aufgrund politischer Umstände überhaupt<br />

nicht erhältlich. Durch die Botanischen<br />

Gärten und das <strong>in</strong>ternationale, gesetzlich<br />

abgesicherte Netzwerk zwischen<br />

ihnen s<strong>in</strong>d die lebenden Objekte <strong>in</strong> den<br />

meisten Fällen sehr schnell und viel kostengünstiger<br />

zu beschaffen.<br />

Nützlichkeit alle<strong>in</strong> begründet noch ke<strong>in</strong>e<br />

Werte. 12 000 Arten werden nie gleichzeitig<br />

benutzt, weder für die Lehre noch für<br />

die Wissenschaft. Lebendsammlungen bewahren<br />

und erhalten Arten. Ähnliches gilt<br />

für Herbarien, Genbanken und andere biologische<br />

Sammlungen, z. B. die Samen-


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

................................................................................<br />

sammlungen der genetischen Modellpflanze<br />

Arabidopsis thaliana. Aus dem Erhalten<br />

26<br />

und Bereitstellen von Pflanzen als Aufgabe<br />

von Botanischen Gärten ergeben sich Nebeneffekte,<br />

z. B. das Bewahren von Arten<br />

vor dem Aussterben und der Erhalt von genetischer<br />

und biologischer Diversität. Diese<br />

Funktion mit ihren Auswirkungen kann<br />

aber nur noch über den Wert erfasst werden.<br />

Artenvielfalt – Ergebnis<br />

e<strong>in</strong>er sehr langen Entwicklung<br />

Die Unterscheidung zwischen Nützlichkeit<br />

und Wert ist auch für den gesellschaftlichen<br />

Blick auf die Pflanzenarten des Botanischen<br />

Gartens von Bedeutung. Es sollen<br />

hier ke<strong>in</strong>e utilitaristischen Szenarien gezeichnet<br />

werden, die den potenziellen Nutzen<br />

bestimmter, plötzlich hoch aktueller<br />

und wichtiger Arten für den Menschen<br />

ausmalen. Es gibt me<strong>in</strong>es Erachtens nur<br />

wenige Beispiele, um solchen Erfolgen e<strong>in</strong>e<br />

Schön – die Gesneriaceae Kohleria ocellata<br />

Exotisch – der Kaktus Aztekium ritteri<br />

gewisse Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit zusprechen zu<br />

können, so dass sie die Pflege von so vielen<br />

Pflanzen rechtfertigen würden.<br />

Wert als Bedeutsamkeit von Objekten für<br />

den Menschen, abseits aller wirtschaftlichen<br />

und kommerziellen Aspekte, besitzen<br />

Sammlungen lebender Pflanzen ebenso wie<br />

bildende Kunst, Literatur, Musik oder Architektur.<br />

Auch weil wir annehmen, dass<br />

Arten Ergebnis e<strong>in</strong>er sehr langen Entwicklung<br />

s<strong>in</strong>d, durch die Umwelt geformt wurden<br />

und werden, fasz<strong>in</strong>ieren uns die vielfältigen<br />

Formen, Farben und Anpassungen.<br />

Sammlungen lebender Pflanzen s<strong>in</strong>d ähnlich<br />

wie Kunst Teil unserer und anderer<br />

Kulturen, vom Menschen geschaffen und<br />

Ausdruck se<strong>in</strong>er geistigen Fähigkeiten. Auf<br />

dieser Stufe der Beurteilung von Wert können<br />

Kunst- und Kulturwerke, beispielsweise<br />

die Sixt<strong>in</strong>ische Madonna oder e<strong>in</strong>e<br />

Statue von Michelangelo durchaus mit e<strong>in</strong>er<br />

filigranen, leuchtend gefärbten Orchidee<br />

oder e<strong>in</strong>em sehr alten und schön gewachsenen<br />

Baum verglichen werden. Sie vermitteln<br />

nichtalltägliche E<strong>in</strong>drücke, berühren<br />

persönliches ästhetisches Empf<strong>in</strong>den, s<strong>in</strong>d<br />

attraktiv. Beide empf<strong>in</strong>den wir als wertvoll.<br />

Durch diese Analogie kann vielleicht<br />

der Wert e<strong>in</strong>er botanischen Sammlung von<br />

12 000 Arten bemessen werden.<br />

Wie viele Pflanzen brauchen wir? Die Frage<br />

ist falsch gestellt und muss lauten: Können<br />

wir auf e<strong>in</strong>ige Arten verzichten? Können<br />

wir angesichts der Parallelität zur<br />

Kunst und Kultur wirklich verzichten?<br />

Fantasieanregend und filigran – die Orchidee<br />

Restrepia antennifera<br />

12 000 Pflanzenarten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e wertvolle,<br />

nützliche und vor allem e<strong>in</strong>e schöne und <strong>in</strong>teressante<br />

Sammlung. Für die Universität<br />

ist der Botanische Garten Stätte der Kultur<br />

und der Forschung. Er stellt e<strong>in</strong> repräsentatives<br />

Kulturdenkmal dar, <strong>in</strong>itiiert und ermöglicht<br />

Forschungsprojekte.<br />

Der Autor wurde 1967 <strong>in</strong> Dresden geboren,<br />

studierte von 1991–1995 Biologie an<br />

der halleschen Universität und wurde 1999<br />

am Institut für Geobotanik und Botanischer<br />

Garten promoviert. Von 2001–2002<br />

war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung<br />

Gatersleben und seit<br />

2002 ist er Kustos am Botanischen Garten<br />

der Universität Halle.


BIODIVERSITÄTSFORSCHUNG IM 21. JAHRHUNDERT<br />

VERLUST AN VIELFALT IN DER TIER- UND PFLANZENWELT<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

Mart<strong>in</strong> Röser<br />

Das Wort »Biodiversität« ist e<strong>in</strong>e junge Sprachschöpfung. Sie stammt aus den 80er Jahren,<br />

als sich die wissenschaftliche Diskussion <strong>in</strong> der Biologie mit der immer deutlicher werdenden<br />

Bedrohung von Arten und Ökosystemen auf der Erde und den erkennbaren Folgen <strong>in</strong>tensiv<br />

zu beschäftigen begann. Schon auf dem UN-Weltgipfel 1992 <strong>in</strong> Rio de Janeiro und<br />

ebenso auf der kürzlich beendeten Folgekonferenz <strong>in</strong> Johannesburg wurden beide Bedrohungen<br />

zu den vier weltweit wichtigsten Umweltproblemen gerechnet, neben Klimawandel<br />

und Wasserknappheit. Gleichzeitig wurde anerkannt, dass der Verlust an Arten und Ökosystemen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verhängnisvollen Wechselbeziehung mit Unterentwicklung und der Zerstörung<br />

natürlicher Ressourcen steht (z. B. Entwaldung und Wüstenbildung). Diese politische<br />

E<strong>in</strong>sicht drückte sich <strong>in</strong> dem bekannten Übere<strong>in</strong>kommen der Vere<strong>in</strong>ten Nationen über<br />

die biologische Vielfalt aus, die e<strong>in</strong> zentrales Regelwerk für den Erhalt der biologischen<br />

Vielfalt und dessen genetischen Potenzials bildet (»Biodiversitätskonvention« von 1992).<br />

Die »systematischen« Arbeitsrichtungen<br />

der Biologie, welche sich mit Evolutionsforschung<br />

und der organismischen Vielfalt<br />

an Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen und<br />

Tieren beschäftigen, hatten den Zusammenhang<br />

zwischen globalem Diversitätsverlust<br />

und dem Raubbau an natürlichen<br />

Ressourcen schon seit längerem diagnostiziert.<br />

Als Folge der Veränderung und des<br />

Verlustes von Lebensräumen verschw<strong>in</strong>den<br />

pro Tag schätzungsweise 150 Tier- und<br />

Pflanzenarten von der Erde. »Die Bibliothek<br />

brennt!«, so fasste der Zoologe E. O.<br />

Wilson den global voranschreitenden Verlust<br />

an organismischer und evolutionärer<br />

Vielfalt zusammen.<br />

...............................................................................<br />

Bis heute gibt es ke<strong>in</strong> Inventar der Lebewesen<br />

auf der Erde. Vor rund 250 Jahren listete<br />

der schwedische Naturforscher Carl von<br />

L<strong>in</strong>né, e<strong>in</strong>er der Begründer der wissenschaftlichen<br />

Biologie, 4 162 bekannte Arten<br />

an Lebewesen auf. Heute belaufen sich<br />

solide Schätzungen auf 13–14 Millionen<br />

Arten, jedoch könnte die Zahl weitaus höher<br />

liegen. Wissenschaftlich beschrieben ist<br />

davon kaum e<strong>in</strong> Achtel (etwa 1,75 Mio.).<br />

Das bedeutet, Exemplare s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> weltweit<br />

m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er biologischen Sammlung<br />

physisch vorhanden, h<strong>in</strong>sichtlich ihrer diagnostischen<br />

Merkmale überprüfbar und<br />

mit e<strong>in</strong>em wissenschaftlichen Namen versehen.<br />

Die Schaffung e<strong>in</strong>er globalen Datenbank<br />

der Lebewesen gilt daher als e<strong>in</strong>es der<br />

vordr<strong>in</strong>glichen und ambitioniertesten Bio<strong>in</strong>formatik-Projekte<br />

<strong>in</strong> der Diversitätsforschung,<br />

<strong>in</strong> dem die verfügbaren Kenntnisse<br />

über die Arten zusammengefasst und bereitgestellt<br />

werden.<br />

Grundlage solcher Arbeiten bilden die biologischen<br />

Sammlungen der naturwissenschaftlichen<br />

Museen und Institute, die sich<br />

deshalb zurecht als »Archive der Biodiversität«<br />

bezeichnen. Das Institut für Geoboam<br />

Herbarium Halle nicht vorbei. Solche<br />

Interessenten s<strong>in</strong>d nicht nur Biodiversitätsforscher<br />

oder Spezialisten für bestimmte<br />

Organismengruppen, sondern auch Vegetationskundler<br />

und Ökologen, die unsere<br />

Sammlungen zu Vergleichszwecken heranziehen,<br />

da sie genau wissen müssen, mit<br />

welchen Arten sie es bei ihren Feldforschungen<br />

wirklich zu tun haben. Nicht <strong>in</strong><br />

allen Weltgegenden ist die Identifikation<br />

pflanzlicher Organismen so e<strong>in</strong>fach wie <strong>in</strong><br />

Deutschland, für dessen Gebiet es entsprechende<br />

Literatur gibt, deren aktuellste <strong>in</strong><br />

Form von vier Buchbänden an unserem<br />

Institut editiert wird (»Rothmalers Exkursionsflora«).<br />

Sammlungen enthalten auch noch andere<br />

Informationen: Sie bieten die e<strong>in</strong>zig verlässliche<br />

Datengrundlage dafür, wo die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Arten vorkommen, wie sie verbreitet<br />

s<strong>in</strong>d. Dieses Fachgebiet der Biogeographie<br />

bildet seit langem e<strong>in</strong>en Arbeitsschwerpunkt<br />

unseres Instituts und führte<br />

zu e<strong>in</strong>em sowohl an Inhalt wie an physikalischer<br />

Masse gewaltigen sechsbändigen<br />

Werk, das zu e<strong>in</strong>em Standardwerk geworden<br />

ist und <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er wichtigen botanischen<br />

Bibliothek weltweit fehlt, die »Vergleichende<br />

Chorologie der zentraleuropäischen Flora«.<br />

27<br />

Globale Datenbank schaffen<br />

Nebelwälder tropischer Gebirge gehören zu<br />

den »hot spots« der Biodiversität. Ihre Zerstörung<br />

schreitet trotzdem rasant voran.<br />

Foto: Röser<br />

tanik unserer Universität beherbergt ebenfalls<br />

e<strong>in</strong>e solche Sammlung, die etwa<br />

450 000 Exemplare an Pflanzen und Pilzen<br />

umfasst. E<strong>in</strong>e Besonderheit bilden die<br />

Schwerpunkte des im Weltmaßstab als mittelgroß<br />

zu bezeichnenden halleschen Herbariums:<br />

Es s<strong>in</strong>d Mittel- und Südamerika,<br />

die Mongolei, das Mittelmeergebiet, Mitteldeutschland<br />

und e<strong>in</strong>ige besondere Gruppen<br />

von Organismen. Diese eigentümliche<br />

Komb<strong>in</strong>ation spiegelt die Arbeitsschwerpunkte<br />

des Instituts und des Botanischen<br />

Gartens wider und ist <strong>in</strong> zwei Jahrhunderten<br />

gewachsen. Unter den Pflanzen bef<strong>in</strong>det<br />

sich auch e<strong>in</strong>e außerordentlich große<br />

Zahl an Belegen, anhand derer neue Arten<br />

beschrieben wurden. Was Außenstehende<br />

verwundern mag, ist den Fachleuten sehr<br />

wohl bekannt, denn wer sich mit der Pflanzenwelt<br />

<strong>in</strong> den Subtropen/Tropen der Neuen<br />

Welt oder <strong>in</strong> Asien beschäftigt, kommt<br />

Bedeutende Rolle der Biogeographie<br />

Unter dem Namen »Makro-Ökologie« erlebt<br />

die Biogeographie gegenwärtig e<strong>in</strong>en<br />

Boom. Verbreitungsgebiete der Lebewesen<br />

werden durch externe ökologische Faktoren<br />

(Klima etc.) und den Organismen <strong>in</strong>härente<br />

Eigenschaften def<strong>in</strong>iert (Stoffwechselleistungen,<br />

genetische Faktoren). Experimentelle<br />

Arbeiten haben bei der Lösung der<br />

Probleme e<strong>in</strong>e ebenso große Bedeutung wie<br />

die Möglichkeiten der Meta-Datenanalyse.<br />

Getestet werden dabei z. B. Korrelationen<br />

zwischen Verbreitungsgebieten, Eigenschaften<br />

der jeweiligen Organismen und<br />

ökologischen Daten, die durch geographische<br />

Informationssysteme zunehmend genauer<br />

werden und sogar für entlegene Weltgegenden<br />

verfügbar s<strong>in</strong>d, da sie durch Satelliten<br />

geliefert werden. Bei der Suche nach<br />

den Ursachen, warum e<strong>in</strong>e bestimmte<br />

Pflanzenart genau ihre eigene und ke<strong>in</strong>e andere<br />

geographische Verbreitung auf unserem<br />

Globus e<strong>in</strong>nimmt (Modellierung), lassen<br />

sich große Erfolge vorweisen. H<strong>in</strong>zu<br />

kommt e<strong>in</strong> ganz praktischer Aspekt: Unbeabsichtigt<br />

aus ihren Heimatgebieten <strong>in</strong><br />

andere Kont<strong>in</strong>ente ausgebreitete Pflanzen-


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

................................................................................<br />

arten werden dort manchmal zu problematisch<br />

»aggressiven«, die natürliche Vegeta-<br />

28<br />

tion verdrängenden Elementen. Für solche<br />

<strong>in</strong>vasiven »aliens« können wir aufgrund<br />

unserer Datenmodelle <strong>in</strong>zwischen sehr präzise<br />

voraussagen, welches potenzielle Verbreitungsgebiet<br />

sie erreichen können.<br />

Überraschungen halten auch die verme<strong>in</strong>tlich<br />

gut studierten Arten der mitteleuropäischen<br />

Pflanzenwelt bereit. Bisher war es<br />

trotz aller Bemühungen <strong>in</strong> Form von »Roten<br />

Listen« besonders bedrohter Arten oft<br />

unklar, für welche dieser Arten die Bundesrepublik<br />

konkret die weltweit größte<br />

Verantwortung trägt, sie vor dem Aussterben<br />

zu bewahren. Auf der Basis des halleschen<br />

biogeographischen »know hows«<br />

wurde e<strong>in</strong>e Prioritätenliste für Deutschland<br />

erarbeitet, die den Naturschutzbehörden<br />

und der Landschaftsplanung mittlerweile<br />

zu e<strong>in</strong>er wichtigen Richtl<strong>in</strong>ie geworden ist.<br />

Molekulare Diversität<br />

Systematische Botanik, Biogeographie und<br />

Makro-Ökologie s<strong>in</strong>d aber nicht die e<strong>in</strong>zigen<br />

Arbeitsbereiche, die sich mit der Biodiversitätsforschung<br />

verb<strong>in</strong>den; zudem hat<br />

sich das methodische Arsenal <strong>in</strong> den vergangenen<br />

Jahren beträchtlich erweitert. Es<br />

geht heute nicht mehr nur um Artendiversität,<br />

sondern auch darum, wie diese sich <strong>in</strong><br />

Form von ökologischer Diversität <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />

Lebensgeme<strong>in</strong>schaften, Biotop-Typen,<br />

Landschaften und deren ökologischen<br />

Prozessen ausdrückt. Am gegenüberliegenden<br />

Ende der Skala steht die molekulare<br />

Diversität, die als Variabilität zwischen<br />

den Arten und <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Art <strong>in</strong><br />

Ersche<strong>in</strong>ung tritt. Die Variabilität reicht<br />

Erst seit sechs Jahren ist bekannt, wie die<br />

Chromosomen der Kokos-Palme, e<strong>in</strong>e der<br />

weltwirtschaftlich bedeutenden Kulturpflanzen,<br />

aussehen.<br />

Orig<strong>in</strong>al: Röser<br />

Verbreitungsgrenzen von Pflanzenarten haben oft klimatische Ursachen, die sich durch die<br />

Daten aus geographischen Informationssystemen erkennen lassen. Diese Karte der Durchschnittstemperaturen<br />

im September setzt sich aus Millionen von E<strong>in</strong>zeldaten zusammen, deren<br />

Korrelation mit vorkommenden Populationen kle<strong>in</strong>sträumig analysiert werden kann.<br />

Quelle: Klimadatenbank des Instituts für Geobotanik<br />

von Sequenzunterschieden im DNA-Makromolekül<br />

bis zur Umstrukturierung ganzer<br />

Chromosomen, die durch den E<strong>in</strong>satz<br />

molekularer Sonden analysiert wird. Genetische<br />

Diversität besitzt e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung,<br />

da sie die Veränderlichkeit von<br />

Arten und deren vielfältige Anpassungen<br />

begründet. Um sie zu analysieren, werden<br />

moderne molekulare Untersuchungsverfahren<br />

e<strong>in</strong>gesetzt, die vom genetischen F<strong>in</strong>gerabdruck<br />

(»f<strong>in</strong>gerpr<strong>in</strong>t-Methoden«) zur<br />

Charakterisierung e<strong>in</strong>zelner Individuen<br />

oder Populationen bis h<strong>in</strong> zur Sequenzierung<br />

von DNA-Abschnitten aus den Zellkernen<br />

und Chloroplasten reichen. Hochvariable<br />

Bereiche der DNA liefern dabei<br />

Erkenntnisse über die aktuelle Evolution<br />

der Arten, über Hybridisierungsvorgänge<br />

oder genetische Introgression, evolutiv<br />

stark konservierte DNA-Bereiche, z. B.<br />

von vielen Genen, erlauben Rückschlüsse<br />

auf zeitlich weit zurückliegende Ereignisse<br />

<strong>in</strong> der Evolution. Unser Interesse gilt dabei<br />

u. a. e<strong>in</strong>igen weltweit verbreiteten Organismengruppen,<br />

der Entstehung tropischer<br />

Hochgebirgspflanzen und der Elemente der<br />

eurasischen Steppenvegetation sowie der<br />

postglazialen Geschichte europäischer<br />

Pflanzen. Studiert werden aber auch Fragen<br />

auf lokaler Ebene, z. B. an reliktären Arten<br />

oder ökologisch besonders angepassten Populationen<br />

<strong>in</strong> Sachsen-Anhalt.<br />

Da die Biodiversitätsforschung die unterschiedlichen<br />

Organisationsebenen des Lebens<br />

– von Molekülen bis zu Ökosystemen<br />

– im Blick hat, ist sie zu e<strong>in</strong>em verb<strong>in</strong>denden<br />

Element zwischen verschiedenen<br />

biologischen Diszipl<strong>in</strong>en wie Populationsgenetik,<br />

Systematik, Ökologie und Naturschutzbiologie<br />

geworden. Damit reiht sich<br />

die Biodiversitätsforschung auch <strong>in</strong> den<br />

fächerübergreifenden Ansatz von Biochemie,<br />

Genetik, Zellbiologie etc. e<strong>in</strong>, der als<br />

ökologische Entwicklungsbiologie (»ecodevo«)<br />

bezeichnet wird. In praktischer<br />

H<strong>in</strong>sicht erlaubt das Spektrum der For-<br />

Student<strong>in</strong>nen bei der Geländearbeit: Sie untersuchen<br />

hybridogene Formen, die zwischen<br />

zwei Arten von Wildgräsern ausgebildet werden<br />

und nur auf e<strong>in</strong>em Berg <strong>in</strong> den Karawanken<br />

vorkommen.<br />

Foto: Röser<br />

schungsansätze, aktuelle Erfordernisse des<br />

Naturschutzes ebenso zu berücksichtigen<br />

wie globale Aspekte der biologischen Vielfalt.<br />

Der Autor studierte 1978–1984 <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Biologie, Theologie und Geologie und<br />

wurde 1989 dort promoviert. 1991–1995<br />

war er Postdoktorand, dann Hochschulassistent<br />

an der Universität Wien, anschließend<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter an der<br />

Universität Leipzig, wo er sich 1999 habilitierte.<br />

2001 wurde er auf die Professur<br />

für Spezielle Botanik und Biodiversität an<br />

die Universität Halle berufen.


DER CHLOROPLAST:<br />

SOLARKRAFTWERK, SAUERSTOFFPRODUZENT UND BIOSENSOR<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

Udo Johann<strong>in</strong>gmeier<br />

Pflanzen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage, mit Hilfe von Licht und Chlorophyll aus den e<strong>in</strong>fachen Ausgangsstoffen<br />

Kohlendioxid und Wasser »nahrhafte« Produkte wie Zucker herzustellen.<br />

Dieser Photosynthese genannte Prozess f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> Chloroplasten statt, kle<strong>in</strong>en Solarkraftwerken<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Zelle, die mit e<strong>in</strong>em eigenen Genom ausgestattet s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> Membransystem<br />

<strong>in</strong> den Chloroplasten enthält zwei <strong>in</strong> Reihe geschaltete Photosysteme, die Elektronen<br />

der Chlorophylle mit Hilfe der Sonnenenergie auf Akzeptormoleküle übertragen. Die<br />

Produkte dieser Lichtreaktion dienen dem E<strong>in</strong>bau von Kohlendioxid <strong>in</strong> Zucker, die nun <strong>in</strong><br />

verschiedene andere Zellbauste<strong>in</strong>e umgewandelt werden können. Das Leben aller Organismen<br />

basiert direkt oder <strong>in</strong>direkt auf diesem Prozess, bei dem global die ungeheure Menge<br />

von jährlich etwa 200 Milliarden Tonnen Biomasse erzeugt wird.<br />

Chloroplasten s<strong>in</strong>d aber noch <strong>in</strong> anderer<br />

H<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong>teressant. Als Zellorganellen<br />

mit eigenem Solarkraftwerk und eigener<br />

Gen-Ausstattung können sie Prote<strong>in</strong>e synthetisieren,<br />

auch solche, die ihnen nachträglich<br />

mit gentechnischen Methoden »e<strong>in</strong>gepflanzt«<br />

wurden. So ist es <strong>in</strong> jüngster Zeit<br />

gelungen, durch Transformation des Chloroplastengenoms<br />

Fremdprote<strong>in</strong>e, wie z. B.<br />

das menschliche Wachstumshormon Somatotrop<strong>in</strong>,<br />

<strong>in</strong> beträchtlichen Mengen zu produzieren.<br />

Auch der unten beschriebene<br />

E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Photosynthesekomplexes als<br />

Biosensor für Schadstoffe zeigt, dass die<br />

Chloroplastenforschung das Grundlagenstadium<br />

verlassen hat und <strong>in</strong>teressante Perspektiven<br />

für biotechnologische Anwendungen<br />

bietet.<br />

Möglich wurde die Neuprogrammierung<br />

des Chloroplastengenoms durch e<strong>in</strong>e zunächst<br />

kurios anmutende Technik: DNA<br />

wird an kle<strong>in</strong>ste Metallpartikel gebunden,<br />

diese mit Hilfe e<strong>in</strong>es »Gewehrs« beschleunigt<br />

und schrotschussartig <strong>in</strong> die Zellen<br />

bzw. Chloroplasten übertragen. Dort <strong>in</strong>seriert<br />

sie durch homologe Rekomb<strong>in</strong>ation<br />

<strong>in</strong>s Chloroplastengenom. Obwohl zuerst<br />

skeptisch beurteilt, hat sich diese biolistische<br />

Technik für die Chloroplasten-Transformation<br />

sowohl von Algen als auch von<br />

höheren Pflanzen durchgesetzt. Mit ihrer<br />

Hilfe wurde zum ersten Mal 1988 das<br />

Plastom der Grünalge Chlamydomonas<br />

re<strong>in</strong>hardtii (Abb. 1) stabil transformiert.<br />

Auch wir nutzen diese Technik und die<br />

e<strong>in</strong>zellige Alge als Modellorganismus für<br />

Fragestellungen, die sich mit Struktur und<br />

Funktion von Chloroplastenprote<strong>in</strong>en beschäftigen.<br />

Abb. 1: Die e<strong>in</strong>zellige Grünalge Chlamydomonas<br />

re<strong>in</strong>hardtii. Sie besitzt zwei Flagellen<br />

zur Fortbewegung und e<strong>in</strong>en großen Chloroplasten,<br />

der etwa 40 Prozent des gesamten<br />

Zellvolumens ausmacht und leicht transformierbar<br />

ist.<br />

Lichtenergie über e<strong>in</strong>e Transportkette aus<br />

Prote<strong>in</strong>en und Cofaktoren getrieben werden<br />

und schließlich im Zuckermolekül landen,<br />

dient die Freisetzung von Protonen<br />

der Bildung e<strong>in</strong>es Protonengradienten und<br />

damit der Synthese des zellulären Treibstoffs<br />

Adenos<strong>in</strong>triphosphat. Der Sauerstoff<br />

ist e<strong>in</strong> unvermeidliches Nebenpro-<br />

...............................................................................<br />

dukt dieser Wasserspaltungsreaktion und<br />

für die Pflanze e<strong>in</strong> Problem, da leicht aggressive<br />

Sauerstoffradikale entstehen. Dennoch,<br />

ohne die Fähigkeit von PSII, Wasser<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Bestandteile zu zerlegen, enthielte<br />

unsere Atmosphäre ke<strong>in</strong>en Sauerstoff. Die<br />

Reaktionen der Photosynthese liefern also<br />

nicht nur die Kohlenhydrate, die wir mit<br />

unserer Nahrung verzehren, sondern dank<br />

PSII auch den Stoff, der e<strong>in</strong>e »Verbrennung«<br />

dieser Kohlenhydrate zur Energiegew<strong>in</strong>nung<br />

ermöglicht.<br />

Wie ist diese offenbar so wichtige Lichtmasch<strong>in</strong>e,<br />

die den Sauerstoff liefert, aufgebaut,<br />

und wie funktioniert sie? Hier wurden<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren beträchtliche<br />

Fortschritte gemacht, so dass wir e<strong>in</strong> recht<br />

genaues Bild von der PSII-Struktur haben<br />

(Abb. 2). Obwohl PSII aus mehr als 20<br />

verschiedenen Prote<strong>in</strong>-Untere<strong>in</strong>heiten besteht,<br />

bilden se<strong>in</strong> Herzstück die zwei eng<br />

mite<strong>in</strong>ander verzahnten Membranprote<strong>in</strong>e<br />

D1 und D2 (Abb. 3). Sie b<strong>in</strong>den Cofaktoren<br />

wie Mangane, Chlorophylle, Phäophyt<strong>in</strong>e<br />

und die Plastoch<strong>in</strong>one Q A<br />

und Q B<br />

, deren<br />

Aufgabe dar<strong>in</strong> besteht, Elektronen zu<br />

transportieren. Wenn e<strong>in</strong> Lichtteilchen mit<br />

ausreichender Energie e<strong>in</strong> Chlorophyllmolekül<br />

trifft, verliert es e<strong>in</strong> Elektron zunächst<br />

an das <strong>in</strong> der Nähe liegende Phäophyt<strong>in</strong>,<br />

um dann weiter auf die Plastoch<strong>in</strong>one<br />

Q A<br />

und Q B<br />

übertragen zu werden. In<br />

Form des reduzierten Plastoch<strong>in</strong>ons Q B<br />

verlassen zwei Elektronen den PSII-Kom-<br />

29<br />

E<strong>in</strong> Photosystem als Sauerstoffproduzent<br />

Von den zwei an der Lichtreaktion beteiligten<br />

Photosystemen ist der Photosystem II<br />

(PSII)-Komplex <strong>in</strong> der Lage, bei Belichtung<br />

Wasser <strong>in</strong> Protonen, Elektronen und<br />

Sauerstoff zu zerlegen. Während Elektronen<br />

des Wassermoleküls mit Hilfe der<br />

Abb. 2: Dreidimensionale Darstellung des Photosystem II Reaktionszentrums aus Blaualgen<br />

(nach Witt).


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

................................................................................<br />

plex und enden schließlich nach vielen weiteren<br />

Stationen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zuckermolekül.<br />

30<br />

Dem Chlorophyll fehlt jetzt aber e<strong>in</strong> Elektron,<br />

und es ist außergewöhnlich begierig,<br />

die Lücke zu füllen. Da gibt es zwei Möglichkeiten:<br />

Entweder gelangt das vom Licht<br />

herausgeschlagene Elektron nicht weit und<br />

»fällt« auf se<strong>in</strong>en ursprünglichen Platz zurück.<br />

Die dabei freiwerdende Energie wird<br />

als Fluoreszenzlicht und etwas Wärme abgestrahlt<br />

– e<strong>in</strong> unproduktiver Weg. Oder<br />

aber das Chlorophyll holt sich Elektronen<br />

vom Wasser. In diesen produktiven Fall<br />

s<strong>in</strong>d Manganatome im PSII-Komplex und<br />

e<strong>in</strong> spezieller Tyros<strong>in</strong>rest im D1 Prote<strong>in</strong><br />

beteiligt, um dem Wassermolekül sequenziell<br />

Elektronen zu entreißen und dabei Protonen<br />

und den für uns so wichtigen Sauerstoff<br />

freizusetzen. Dieser »Wasserspaltungsapparat«<br />

ist noch nicht <strong>in</strong> allen E<strong>in</strong>zelheiten<br />

verstanden und stellt e<strong>in</strong> spannendes<br />

Forschungsgebiet dar.<br />

Photosystem II als Biosensor<br />

In Industrie und Landwirtschaft wird e<strong>in</strong>e<br />

große Zahl von Substanzen e<strong>in</strong>gesetzt, die<br />

selektiv <strong>in</strong> biologische Reaktionen e<strong>in</strong>greifen.<br />

E<strong>in</strong>ige dieser Wirkstoffe s<strong>in</strong>d Unkrautvernichtungsmittel<br />

(Herbizide), die die<br />

Funktion von PSII und damit den Photosyntheseprozess<br />

blockieren. Sie können<br />

aber auch langfristig Böden und Tr<strong>in</strong>kwasser<br />

kontam<strong>in</strong>ieren. Pflanzliche Testorganismen<br />

wie Algen s<strong>in</strong>d als natürliche Biosensoren<br />

<strong>in</strong> der Lage, solche Stoffe auf der Basis<br />

photosynthetischer Aktivität (Fluoreszenz,<br />

Sauerstoffentwicklung) zu detektieren.<br />

Die zur Zeit bekannten Nachweissysteme<br />

haben den Nachteil, dass sie wenig<br />

empf<strong>in</strong>dlich und unspezifisch s<strong>in</strong>d. Diese<br />

Eigenschaften des Biosensorsystems können<br />

adaptiert werden, <strong>in</strong>dem die D1-Untere<strong>in</strong>heit<br />

von PS II (Abb. 3) mit ihrer sogenannten<br />

Herbizid-B<strong>in</strong>denische durch<br />

Mutagenese verändert wird. Es ist bekannt,<br />

dass der Austausch e<strong>in</strong>zelner Am<strong>in</strong>osäuren<br />

im B<strong>in</strong>deprote<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Resistenz<br />

und/oder zu e<strong>in</strong>er erhöhten Empf<strong>in</strong>dlichkeit<br />

gegenüber bestimmten Stoffklassen<br />

führen kann. Diese Kenntnisse wollen wir<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von der EU geförderten Projekt<br />

nutzen, <strong>in</strong>dem gezielt e<strong>in</strong> bestimmter Bereich<br />

des Prote<strong>in</strong>s modifiziert wird. Grundlage<br />

für solche Veränderungen ist e<strong>in</strong>e von<br />

uns konstruierte Mutante der Grünalge<br />

Chlamydomonas, mit deren Hilfe wir<br />

schnell und effizient solche Domänen des<br />

Prote<strong>in</strong>s verändern können, die für die<br />

Hemmstoffb<strong>in</strong>dung verantwortlich s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong> darüber h<strong>in</strong>aus gehender Ansatz birgt<br />

die Möglichkeit, das Prote<strong>in</strong> durch Insertion<br />

von Metallb<strong>in</strong>dedomänen mit neuen Eigenschaften<br />

auszustatten, die e<strong>in</strong>en Nachweis<br />

auch z. B. von Schwermetallen erlauben.<br />

Plastidäre Proteasen und ihre Substrate<br />

Chloroplasten besitzen e<strong>in</strong> proteolytisches<br />

System zur Kontrolle der Stabilität ihrer<br />

Prote<strong>in</strong>e und zur Entfernung defekter Prote<strong>in</strong>e.<br />

Aus biotechnologischer Sicht ist e<strong>in</strong><br />

genaues Verständnis der Erkennung und<br />

Abbaumechanismen dann von besonderer<br />

Bedeutung, wenn Fremdprote<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Plastiden<br />

exprimiert werden sollen. Es gibt zahlreiche<br />

Beispiele für die Degradation von<br />

plastidären Prote<strong>in</strong>en, ohne dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige<br />

Zuordnung von <strong>in</strong>dividuellen Proteasen<br />

möglich wäre. Prom<strong>in</strong>entestes Beispiel<br />

ist der schnelle Abbau der D1-Untere<strong>in</strong>heit<br />

von Photosystem II: das Prote<strong>in</strong><br />

wird durch Licht geschädigt, proteolytisch<br />

abgebaut und durch Neusynthese ersetzt.<br />

Photooxidative Bed<strong>in</strong>gungen im Chloroplasten<br />

führen auch zum Abbau anderer<br />

Prote<strong>in</strong>e, und durch spezifische Mutagenese<br />

erzeugte, verstümmelte Prote<strong>in</strong>e werden<br />

im Chloroplasten offensichtlich als defekt<br />

erkannt und rasch entfernt. Obwohl<br />

e<strong>in</strong>e Reihe von Proteasen jetzt bekannt<br />

s<strong>in</strong>d, verstehen wir nicht, wie diese Enzyme<br />

<strong>in</strong>takte von defekten Prote<strong>in</strong>en unterscheiden<br />

können.<br />

Algenchloroplasten: Fundstätte<br />

neuer, unerwarteter Prozesse<br />

Die Chloroplasten bestimmter Algen erweisen<br />

sich nach Sequenzierung ihrer Genome<br />

als Fundstätte <strong>in</strong>teressanter Gene,<br />

die auf neue und für Pflanzen unerwartete<br />

Prozesse h<strong>in</strong>deuten. Sie könnten sowohl <strong>in</strong><br />

grundlegender H<strong>in</strong>sicht als auch für biotechnologische<br />

Anwendungen von Bedeutung<br />

se<strong>in</strong>. Beispielsweise kann man den<br />

Sequenzdaten entnehmen, dass vermutlich<br />

so ungewöhnliche Prozesse wie das aus<br />

Bakterien bekannte Prote<strong>in</strong>-Spleißen oder<br />

das tmRNA-Tagg<strong>in</strong>g auch <strong>in</strong> bestimmten<br />

Algenchloroplasten stattf<strong>in</strong>det. Hier gibt es<br />

viel für e<strong>in</strong> motiviertes Mitarbeiterteam zu<br />

entdecken.<br />

Der Autor ist nach Aufenthalten an den<br />

Universitäten Bochum, San Diego (USA),<br />

Boulder (USA) und Freiburg seit 1997<br />

Professor für Zellphysiologie am Institut<br />

für Pflanzenphysiologie der Mart<strong>in</strong>-Luther-<br />

Universität. Er und se<strong>in</strong>e Arbeitsgruppe<br />

forschen im neuen Biologicum (We<strong>in</strong>bergweg<br />

10).<br />

Abb. 3: Stark vere<strong>in</strong>fachte Darstellung des Photosystem II Komplexes mit se<strong>in</strong>en beiden zentralen<br />

Prote<strong>in</strong>en D1 und D2, die zusammen Cofaktoren wie Chlorophyll (Chl), Phäophyt<strong>in</strong><br />

(Phäo), Plastoch<strong>in</strong>one (Q A<br />

und QB), Eisen (Fe) und Mangan (Mn) b<strong>in</strong>den. Die Pfeile deuten<br />

den Elektronenfluss vom Wasser zum Q B<br />

an. Bestimmte Herbizide können Q B<br />

aus se<strong>in</strong>er B<strong>in</strong>denische<br />

im D1 Prote<strong>in</strong> verdrängen und blockieren so die Photosynthese.


WIR »BASTELN« EINE PHOTOSYNTHESEMEMBRAN<br />

TEIL 1: DIE PROTEINE<br />

..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

Ralf Bernd Klösgen<br />

Die Photosynthese ist e<strong>in</strong>er der wichtigsten biologischen Prozesse, denn der überwiegende<br />

Teil des organischen Materials auf der Erde besteht letztlich aus umgewandelten Photosyntheseprodukten.<br />

Der Ort der Photosynthese ist der Chloroplast (Abb. 1). Bei diesem<br />

ausschließlich <strong>in</strong> Pflanzen vorkommenden Organell handelt es sich um den Abkömml<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>es<br />

ehemals eigenständigen Bakteriums, das vor vielen Millionen Jahren von dem Vorläufer<br />

heutiger Pflanzenzellen aufgenommen und domestiziert worden ist.<br />

Dieses Bakterium, vermutlich e<strong>in</strong> Verwandter<br />

der Cyanobakterien, besaß bereits<br />

die Fähigkeit zur Photosynthese. Durch<br />

diese <strong>in</strong>trazelluläre (Endo)-Symbiose erlangte<br />

daher auch die Wirtszelle die Fähigkeit,<br />

das Sonnenlicht als Energiequelle nutzen<br />

zu können. Allerd<strong>in</strong>gs erforderte das<br />

e<strong>in</strong>e immense logistische Leistung, da nun<br />

die Genome zweier ehemals eigenständiger<br />

Organismen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zelle aufe<strong>in</strong>ander abgestimmt<br />

werden mussten. Dies führte<br />

zum Verlust bzw. zur Umlagerung e<strong>in</strong>er<br />

Vielzahl von Genen, vor allem aus dem<br />

Chloroplasten <strong>in</strong> den Kern der Wirtszelle.<br />

nen diese Energie <strong>in</strong> der »Lichtreaktion«<br />

der Photosynthese, <strong>in</strong> der das Sonnenlicht<br />

absorbiert und zur Ladungstrennung sowie<br />

zum Aufbau e<strong>in</strong>es Protonengradienten genutzt<br />

wird. Dieser Prozess f<strong>in</strong>det an der<br />

Thylakoidmembran statt, die deshalb auch<br />

als Photosynthesemembran bezeichnet<br />

wird. Tatsächlich stellen die Thylakoide<br />

e<strong>in</strong> komplettes Membransystem dar, das<br />

den gesamten Chloroplasten durchzieht<br />

und die Matrix (Stroma) vom<br />

Thylakoidlumen abtrennt. Während der<br />

Lichtreaktion kommt es <strong>in</strong> den Thylakoiden<br />

zur »Photolyse« des Wassers, d. h.<br />

...............................................................................<br />

zess mehrfach durch die Thylakoidmembran<br />

geschleust und dann im Stroma, gebunden<br />

an sogenannte Reduktionsäquivalente,<br />

zwischengelagert. Diese Reduktionsäquivalente<br />

werden dann zusammen mit<br />

dem ATP <strong>in</strong> der anschließenden »Dunkelreaktion«<br />

(die allerd<strong>in</strong>gs nicht nur im Dunkeln,<br />

sondern auch im Licht stattf<strong>in</strong>det) bei<br />

der Fixierung des Kohlendioxids verbraucht.<br />

Es wäre natürlich wunderbar, wenn es gelänge,<br />

e<strong>in</strong>e solche zur Photosynthese befähigte<br />

Membran nachzubauen, schließlich<br />

wird weniger als e<strong>in</strong> Prozent des Sonnenlichtes,<br />

das die Erde erreicht, photosynthetisch<br />

genutzt. Der Prozess ist also bei weitem<br />

noch nicht ausgereizt und könnte sicherlich<br />

e<strong>in</strong>en Großteil unserer aktuellen<br />

Energieprobleme lösen. Je mehr man über<br />

den Aufbau und die Funktion der Thylakoide<br />

versteht, desto deutlicher wird aber<br />

auch, dass die Idee e<strong>in</strong>er künstlichen Photosynthesemembran<br />

noch lange Zeit e<strong>in</strong><br />

Wunschtraum bleiben wird. So s<strong>in</strong>d immer<br />

noch nicht alle beteiligten Komponenten<br />

identifiziert und man kennt bisher auch nur<br />

von wenigen die genaue Funktion. Vor allem<br />

aber ist noch unverstanden, welche<br />

Prozesse und Mechanismen erforderlich<br />

s<strong>in</strong>d, um all die verschiedenen E<strong>in</strong>zelkomponenten<br />

zu e<strong>in</strong>er funktionellen Photosynthesemasch<strong>in</strong>erie<br />

assemblieren zu können.<br />

31<br />

Was braucht man nun zum Bau e<strong>in</strong>er<br />

Photosynthesemembran?<br />

Abb. 1: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Blattgewebe (P – Chloroplast, M – Mitochondrium)<br />

Dieser Prozess ist auch heute noch nicht<br />

vollkommen abgeschlossen, denn der Chloroplast<br />

trägt weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Restgenom<br />

mit z. T. essenziellen Genen, von denen<br />

e<strong>in</strong>ige beispielsweise zum Aufbau e<strong>in</strong>er<br />

funktionstüchtigen Photosynthesemasch<strong>in</strong>erie<br />

unabd<strong>in</strong>gbar s<strong>in</strong>d.<br />

Die Primärprodukte der Photosynthese<br />

s<strong>in</strong>d die Kohlenhydrate, die das Grundgerüst<br />

für so unterschiedliche Produkte wie<br />

Prote<strong>in</strong>e, Nukle<strong>in</strong>säuren und Lipide liefern.<br />

Zur Bildung dieser Kohlenhydrate ist es<br />

notwendig, den <strong>in</strong> der Luft als Kohlendioxid<br />

vorliegenden Kohlenstoff zu fixieren<br />

und zu reduzieren. Dazu wird e<strong>in</strong>e ganze<br />

Menge Energie benötigt. Pflanzen gew<strong>in</strong>zur<br />

Spaltung <strong>in</strong> Elektronen, Protonen und<br />

Sauerstoff. Der Sauerstoff ist im Grunde<br />

genommen e<strong>in</strong> Abfallprodukt der Reaktion,<br />

das sogar schädlich für die Zelle se<strong>in</strong> kann.<br />

Die »Entgiftung« erfolgt vor allem durch<br />

die Atmung, zu der alle aerob lebenden Organismen,<br />

natürlich auch der Mensch, befähigt<br />

s<strong>in</strong>d. Die entstehenden Protonen akkumulieren<br />

zunächst im Thylakoidlumen,<br />

wodurch es zur Ausbildung e<strong>in</strong>es Protonengradienten<br />

über die Membran kommt.<br />

Der kontrollierte Abbau dieses Gradienten<br />

wird zur Synthese von ATP, den Energieäquivalenten<br />

der Zelle, genutzt. Die aus<br />

dem Wasser freigesetzten Elektronen werden<br />

dagegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em komplizierten Pro-<br />

Zunächst e<strong>in</strong>mal Lipide, die das strukturelle<br />

Grundgerüst aller Membranen bilden.<br />

Die meisten dieser Lipide s<strong>in</strong>d ubiquitär,<br />

aber es f<strong>in</strong>den sich auch e<strong>in</strong>ige für die Thylakoidmembran<br />

spezifische Lipide, deren<br />

Funktion noch weitgehend ungeklärt ist.<br />

Die zweite wichtige Komponente s<strong>in</strong>d die<br />

Pigmente, vor allem Chlorophylle und Carot<strong>in</strong>oide,<br />

die das Sonnenlicht absorbieren<br />

und damit erst die ganze Reaktion <strong>in</strong> Gang<br />

setzen. Und dann natürlich noch die Prote<strong>in</strong>e,<br />

die diese Pigmente sowie andere an<br />

der Elektronenübertragung beteiligte Cofaktoren<br />

(z. B. Hämgruppen und Fe/S-<br />

Zentren) b<strong>in</strong>den und <strong>in</strong>nerhalb der Membran<br />

korrekt positionieren. Mittlerweile<br />

hat man mehr als 80 verschiedene Prote<strong>in</strong>spezies<br />

<strong>in</strong> der photosynthetischen Elektronentransportkette<br />

identifiziert, die <strong>in</strong> vier<br />

Multiprote<strong>in</strong>komplexen organisiert s<strong>in</strong>d<br />

(Photosystem I, Photosystem II, Cytochrom<br />

b6/f-Komplex, ATP Synthase). Je-


scientia halensis 4/2002<br />

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Fachbereich Biologie<br />

Abb. 2: Fluoreszenzmikroskopische Aufnahmen von Schließzellen aus transgenen Pflanzen,<br />

die (a) GFP bzw. (b) e<strong>in</strong> Fusionsprote<strong>in</strong> aus e<strong>in</strong>em Transitpeptid und GFP exprimieren<br />

................................................................................<br />

der dieser Komplexe besteht aus kerncodierten<br />

und chloroplastencodierten Unter-<br />

32<br />

e<strong>in</strong>heiten, was die notwendige Kooperation<br />

dieser beiden Genome nochmals unterstreicht.<br />

In unserer Arbeitsgruppe beschäftigen wir<br />

uns vor allem mit den kerncodierten Prote<strong>in</strong>en<br />

der Thylakoidmembran. Diese werden<br />

außerhalb des Chloroplasten im Cytosol<br />

der Pflanzenzelle synthetisiert und anschließend<br />

<strong>in</strong> das Organell importiert. Das<br />

erfordert e<strong>in</strong> spezifisches Transportsignal<br />

(Transitpeptid) im Prote<strong>in</strong> sowie e<strong>in</strong>en<br />

entsprechenden Importapparat im Chloroplasten.<br />

Nach dem Transport über die<br />

Chloroplastenhülle werden die Prote<strong>in</strong>e<br />

weiter zu den Thylakoiden transportiert<br />

und schließlich <strong>in</strong> der Thylakoidmembran<br />

zusammen mit den plastidencodierten Untere<strong>in</strong>heiten<br />

sowie den Pigmenten und Cofaktoren<br />

zu funktionellen Photosynthesekomplexen<br />

zusammengebaut. Zur Untersuchung<br />

dieser Transport- und Assemblierungsvorgänge<br />

stützen wir uns vor allem<br />

auf zwei methodische Ansätze. (1) <strong>in</strong> vitro<br />

Versuche: Dazu werden Prote<strong>in</strong>e »im Reagenzglas«<br />

synthetisiert, mit isolierten<br />

Chloroplasten oder Thylakoiden <strong>in</strong>kubiert<br />

und auf ihr Transport- und Assemblierungsverhalten<br />

h<strong>in</strong> untersucht. Da wir die<br />

Gene zu diesen Prote<strong>in</strong>en kloniert haben,<br />

stehen uns sämtliche Methoden der Gentechnik<br />

zur Mutagenese zur Verfügung, so<br />

dass wir nicht nur die authentischen, sondern<br />

auch alle Arten von modifizierten<br />

Prote<strong>in</strong>en herstellen und analysieren können.<br />

(2) <strong>in</strong> vivo Analysen: Hier untersuchen<br />

wir vor allem Pflanzen, die <strong>in</strong> ihrer<br />

Transport- und Assemblierungsmasch<strong>in</strong>erie<br />

verändert wurden und die darüber h<strong>in</strong>aus<br />

gut detektierbare Reporterprote<strong>in</strong>e tragen,<br />

deren Transportverhalten auch <strong>in</strong> der<br />

<strong>in</strong>takten Pflanze genau verfolgt werden<br />

kann. Abb. 2 zeigt beispielhaft Aufnahmen<br />

von Pflanzen, die e<strong>in</strong> grün fluoreszierendes<br />

Prote<strong>in</strong> (GFP) aus Meeresquallen (mit<br />

bzw. ohne e<strong>in</strong> Chloroplasten-dirigierendes<br />

Transitpeptid) exprimieren.<br />

Mit Hilfe solcher Untersuchungen konnte<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren unter anderem gezeigt<br />

werden, dass alle<strong>in</strong> schon für den Transport<br />

der Prote<strong>in</strong>e über die Thylakoidmembran<br />

m<strong>in</strong>destens vier unterschiedliche<br />

Transportwege benötigt werden, die jeweils<br />

spezifisch nur bestimmte Prote<strong>in</strong>e<br />

transportieren können (Abb. 3). Jeder dieser<br />

Wege arbeitet dabei mit e<strong>in</strong>em anderen<br />

Mechanismus und verwendet vollkommen<br />

eigenständige Transportsignale und Transportapparate.<br />

Wie bereits dieses e<strong>in</strong>e Beispiel<br />

illustriert, wird die Assemblierung der<br />

Photosynthesemembran durch e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />

<strong>in</strong>e<strong>in</strong>andergreifender Synthese-,<br />

Transport-, Sortierungs-, Faltungs-, Modifikations-<br />

und Prozessierungsmechanismen<br />

gesteuert. Die Aufklärung dieser Mechanismen<br />

ist das Hauptziel unserer Arbeit,<br />

dessen endgültiges Erreichen <strong>in</strong> Anbetracht<br />

der immensen Komplexität des Gesamtprozesses<br />

allerd<strong>in</strong>gs noch viel Zeit <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehmen dürfte.<br />

Der Autor ist seit 1998 Professor am Institut<br />

für Pflanzenphysiologie im Biologicum<br />

der Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität <strong>in</strong> Halle.<br />

Vorherige wissenschaftliche Stationen waren<br />

Köln, Strasbourg (Frankreich) und<br />

München.<br />

Abb. 3: Schema der vier Prote<strong>in</strong>transportwege über die Thylakoidmembran


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scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

GENSILENCING UND DIE ANALYSE VON<br />

REGULATIONSPROZESSEN IM CHROMATIN<br />

Gunter Reuter, Ra<strong>in</strong>er Dorn, Gunnar Schotta, Anja Ebert, Kathr<strong>in</strong> Naumann,<br />

Andreas Fischer und Thomas Rudolph<br />

...............................................................................<br />

Genetische Information wird auf engstem Raum verpackt. Bei mehreren Organismen wurde<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren die DNA-Sequenz des Genoms ermittelt. Hierzu gehören z. B. die im Drosophila-Modell bee<strong>in</strong>flussen, kön-<br />

<strong>in</strong> Genen, die e<strong>in</strong> Silenc<strong>in</strong>g des white-Gens<br />

33<br />

Taufliege Drosophila melanogaster, die Maus, die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana nen leicht erkannt werden. Die Tiere haben<br />

und auch der Mensch. Dadurch konnte die Zahl der Gene dieser Organismen genauer vorher<br />

dann normal rote statt weiß-rot gefleckte<br />

gesagt werden.<br />

Augen. Durch die Isolation und Charakteri-<br />

sierung von mehr als 400 Mutationen<br />

dichtere Verpackung der DNA durch Heterochromatisierung.<br />

konnten wir etwa 150 neue Gene beschreizess<br />

E<strong>in</strong> vergleichbarer Proben,<br />

die bei Drosophila Gensilenc<strong>in</strong>g kon-<br />

wird auch beim Modellobjekt Drosophila<br />

trollieren. Von diesen 150 Genen konnten<br />

gefunden. Hier wird beobachtet, dass bisher etwa 20 <strong>in</strong> ihrer molekularen Wirtrollieren.<br />

Gene still gelegt werden, wenn sie <strong>in</strong> unmittelbare<br />

kung aufgeklärt werden. Unsere Arbeitshymat<strong>in</strong><br />

Nachbarschaft von Heterochropothese<br />

hat sich bestätigt. Die Produkte<br />

verlagert werden (Abb. 1). Im Mo- dieser Gene haben wichtige Funktionen bei<br />

Der Mensch besitzt etwa 40 000 Gene, die<br />

auf DNA-Molekülen mit e<strong>in</strong>er Gesamtlänge<br />

von ca. 1m untergebracht s<strong>in</strong>d. Im Kern<br />

e<strong>in</strong>er diploiden menschlichen Zelle s<strong>in</strong>d 46<br />

Chromosomen vorhanden. Da diese nur<br />

wenige Mikrometer groß s<strong>in</strong>d, ergibt sich<br />

die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er extrem dichten<br />

Verpackung der DNA. Zugleich muss aber<br />

die Regulierbarkeit und Aktivität der Gene<br />

gewährleistet se<strong>in</strong>. Die Verpackung der<br />

DNA erfolgt über mehrere, hierarchisch<br />

aufe<strong>in</strong>anderfolgende Stufen. Das Nukleosom<br />

bildet bei allen Eukaryoten die Grunde<strong>in</strong>heit<br />

und enthält jeweils zwei Moleküle<br />

der Histonprote<strong>in</strong>e H2A, H2B, H3 und<br />

H4. Die DNA b<strong>in</strong>det an dieses Prote<strong>in</strong>oktamer,<br />

<strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong> ca. 1,75 W<strong>in</strong>dungen<br />

herumgewickelt wird. Anschließend b<strong>in</strong>det<br />

e<strong>in</strong> weiteres Histon (H1) jeweils zwei benachbarte<br />

Nukleosomen und führt so zu e<strong>in</strong>er<br />

zusätzlichen Verdichtung. Höhergeordnete<br />

Schleifenstrukturen dieser Nukleosomenkette<br />

bewirken die weitere Kondensation.<br />

Die maximale Verpackung wird während<br />

der Zellteilung erreicht, wenn die<br />

Chromosomen sichtbar werden. Demgegenüber<br />

müssen die Chromosomen für die<br />

Realisierung der genetischen Information<br />

(Ablesen der Gene) so dekondensiert werden,<br />

dass e<strong>in</strong>e Zugänglichkeit durch die dafür<br />

notwendigen Werkzeuge möglich ist.<br />

Die damit verbundenen Prozesse, welche<br />

vor allem höhergeordnete Strukturen kontrollieren,<br />

s<strong>in</strong>d noch weitgehend unbekannt.<br />

Die Aufklärung der Kontrolle dieser<br />

Verpackungsstrukturen ist e<strong>in</strong> Schwerpunkt<br />

unserer Arbeiten.<br />

Viele Gene müssen <strong>in</strong> der Entwicklung<br />

stillgelegt werden:<br />

Mann und Frau unterscheiden sich <strong>in</strong> der<br />

Zahl der X-Chromosomen. Männer haben<br />

nur e<strong>in</strong> X-, während Frauen zwei X-Chromosomen<br />

besitzen. Frauen haben somit die<br />

doppelte Anzahl X-chromosomaler Gene<br />

und würden damit auch die doppelte Menge<br />

an entsprechenden Genprodukten bilden,<br />

wenn nicht e<strong>in</strong>e Korrektur erfolgt.<br />

Diese besteht dar<strong>in</strong>, dass alle Gene auf e<strong>in</strong>em<br />

der beiden X-Chromosomen total<br />

stillgelegt werden. Dieser Prozess wird<br />

Gensilenc<strong>in</strong>g genannt und erfolgt über e<strong>in</strong>e<br />

Abb. 1: Silenc<strong>in</strong>g des white-Gens bei Drosophila. (a) Die Verlagerung des white-Gens ans Heterochromat<strong>in</strong><br />

führt zur (b) Inaktivierung des white-Gens durch Gensilenc<strong>in</strong>g im Drosophila-Auge<br />

(weiße Facetten)<br />

dellsystem betrifft dies das white-Gen,<br />

welches für die rote Augenfarbe wichtig<br />

ist. Durch diese Verlagerung kommt es sehr<br />

häufig zu e<strong>in</strong>er Stillegung des white-Gens<br />

durch Heterochromatisierung. Aufgrund<br />

der Struktur des Komplexauges (bestehend<br />

aus ca. 800 E<strong>in</strong>zelaugen/Facetten) bei Drosophila<br />

kann <strong>in</strong> jeder Facette die Aktivität<br />

(rot) oder Inaktivität (weiß) des white-<br />

Gens erkannt werden. Sichtbar wird dies<br />

durch rote bzw. weiße Flecken im Auge. Es<br />

handelt sich hierbei um e<strong>in</strong> System von<br />

Gensilenc<strong>in</strong>g, das mit der X-Heterochromatisierung<br />

beim Menschen vergleichbar<br />

ist.<br />

Drosophila besitzt viele Vorteile für den<br />

Experimentator. Die Entwicklung vom Ei<br />

bis zum Imago dauert nur zwölf Tage. E<strong>in</strong><br />

Weibchen br<strong>in</strong>gt mehr als 500 Nachkommen<br />

hervor. Für genetische Analysen werden<br />

oft sehr umfangreiche Nachkommenschaften<br />

benötigt; bei bestimmten Experimenten<br />

waren mehr als 1 Million Tiere<br />

notwendig. Solche Untersuchungen, die zudem<br />

noch materiell sehr kostengünstig<br />

durchgeführt werden können, s<strong>in</strong>d nur bei<br />

Drosophila möglich.<br />

Mutanten und Kontrollgene<br />

für Gensilenc<strong>in</strong>g:<br />

Zunächst haben wir Mutationen isoliert,<br />

die zu e<strong>in</strong>er Unterdrückung oder Verstärkung<br />

von Gensilenc<strong>in</strong>g führen. Mutationen<br />

der Verpackung der DNA im Chromosom<br />

und kontrollieren zugleich den Prozess des<br />

Gensilenc<strong>in</strong>g.<br />

Gensilenc<strong>in</strong>g bei Fliege und Mensch erfolgt<br />

nach gleichem Mechanismus:<br />

E<strong>in</strong>es der von uns identifizierten Gene haben<br />

wir Su(var)3-9 genannt, weil es die<br />

veränderliche Ausprägung des white-Gens<br />

unterdrückt (Suppressor of variegation),<br />

auf dem 3. Chromosom liegt und die Nummer<br />

9 bekommen hat. Inzwischen hat sich<br />

herausgestellt, dass der zufällig gewählte<br />

Name eigentlich schon die Funktion widerspiegelt.<br />

Jahre später wurde gefunden, dass<br />

das von diesem Gen gebildete Prote<strong>in</strong> als<br />

Histon H3/Lys<strong>in</strong>9-Methyltransferase<br />

funktioniert. Es b<strong>in</strong>det an Heterochromat<strong>in</strong><br />

(Abb. 2) und führt hier zur Methylierung<br />

der Am<strong>in</strong>osäure Lys<strong>in</strong> 9 im Histon H3.<br />

Dies bewirkt, dass DNA viel dichter verpackt<br />

wird und Gene stillgelegt werden.<br />

Die Frage, ob das Su(var)3-9-Gen auch<br />

beim Menschen vorkommt, konnte durch<br />

e<strong>in</strong>en Vergleich mit der DNA-Sequenz des<br />

Menschen beantwortet werden. Die Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

<strong>in</strong> der Am<strong>in</strong>osäuresequenz<br />

zwischen dem Drosophila SU(VAR)3-9-<br />

Prote<strong>in</strong> und dem menschlichen SUV39H1-<br />

Prote<strong>in</strong> ist mit etwa 70 Prozent sehr hoch.<br />

Die Gruppe von Professor Dr. Jenuwe<strong>in</strong><br />

am IMP <strong>in</strong> Wien, mit der wir eng kooperieren,<br />

konnte zeigen, dass auch beim Men-


scientia halensis 4/2002<br />

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Fachbereich Biologie<br />

Abb. 2: Das SU(VAR)3-9 Prote<strong>in</strong> b<strong>in</strong>det an Heterochromat<strong>in</strong> bei Riesenchromosomen von Drosophila.<br />

(A) DNA-Färbung, (B) Immunmarkierung mit e<strong>in</strong>em Antikörper gegen SU(VAR)3-9<br />

................................................................................<br />

schen dieses Prote<strong>in</strong> im Heterochromat<strong>in</strong><br />

34<br />

gefunden wird. Auch bei uns Menschen ist<br />

für Gensilenc<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Histon H3-Lys<strong>in</strong> 9-<br />

Methylierung wichtig. Im <strong>in</strong>aktiven X-<br />

Chromosom der Frau wird e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive<br />

H3-Lys<strong>in</strong> 9-Methylierung gefunden. Wie<br />

stark das menschliche Prote<strong>in</strong> funktionell<br />

konserviert ist, zeigen von uns vorgenommene<br />

Experimente. Wird das menschliche<br />

Gen <strong>in</strong> Drosophila übertragen und ausgeprägt,<br />

kann sogar der Verlust des entsprechenden<br />

Drosophila-Prote<strong>in</strong>s wieder völlig<br />

ausgeglichen werden (Abb. 3). Zur Sichtbarmachung<br />

des menschlichen Prote<strong>in</strong>s ha-<br />

ben wir e<strong>in</strong> Fusions-Prote<strong>in</strong> mit dem grün<br />

fluoreszierenden Prote<strong>in</strong> (GFP) <strong>in</strong> Drosophila<br />

exprimiert. Die Verteilung im Zellkern<br />

wird durch die grüne Fluoreszenz erkennbar.<br />

Das menschliche SUV39H1 b<strong>in</strong>det<br />

auch <strong>in</strong> Drosophila an Heterochromat<strong>in</strong><br />

und zeigt mit den gleichen Interaktionspartnern<br />

Wechselwirkung. Die Fliege kann<br />

somit als Testsystem für das menschliche<br />

Prote<strong>in</strong> benutzt werden. Inzwischen trifft<br />

dies auch auf viele menschliche Erkrankungen<br />

zu, die bei Drosophila nachgestellt und<br />

genau untersucht werden können.<br />

Abb. 3: Heilung von Mutanten im Drosophila Su(var)3-9 Gen durch das menschliche orthologe<br />

Prote<strong>in</strong>. (A) B<strong>in</strong>dung des menschlichen Prote<strong>in</strong>s im Heterochromat<strong>in</strong> von Drosophila,<br />

(B) Phänotyp e<strong>in</strong>er Su(var)3-9 Mutante, (C) Heilung des Mutantenphänotyps der Drosophila<br />

Su(var)3-9 Mutante durch Expression des menschlichen Prote<strong>in</strong>s.<br />

Abb. 4: Analyse des pflanzlichen homologen SU(VAR)3-9 Prote<strong>in</strong>s SUVH2. (A) DNA-Färbung<br />

e<strong>in</strong>es Arabidopsis Zellkerns (oben), Nachweis des SUVH2 Prote<strong>in</strong>s im Heterochromat<strong>in</strong><br />

durch Antikörperfärbung (Mitte), Überlagerung beider Färbungen (unten). (B) Vergleich e<strong>in</strong>er<br />

Arabidopsis Wildtyppflanze (l<strong>in</strong>ks) mit zwei Überexpressionsl<strong>in</strong>ien für SUVH2.<br />

Auch Pflanzen besitzen vergleichbare<br />

Prote<strong>in</strong>e für Gensilenc<strong>in</strong>g:<br />

Bei der Pflanze Arabidopsis thaliana konnten<br />

wir ebenfalls solche Prote<strong>in</strong>e nachweisen.<br />

Im Vergleich zu tierischen Organismen<br />

f<strong>in</strong>den wir hier jedoch e<strong>in</strong>e größere<br />

Zahl entsprechender Gene. SUVH2 ist e<strong>in</strong>es<br />

der von uns untersuchten Prote<strong>in</strong>e. Es<br />

b<strong>in</strong>det ebenfalls im Heterochromat<strong>in</strong> (Abb.<br />

4). Wenn es <strong>in</strong> transgenen Pflanzen überexprimiert<br />

wird, werden viele zusätzliche<br />

Genombereiche kondensiert. Dies geht mit<br />

e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tensiven Histon-H3-Lys<strong>in</strong> 9-Methylierung<br />

e<strong>in</strong>her und führt schließlich zur<br />

Methylierung von DNA. E<strong>in</strong> Silenc<strong>in</strong>g von<br />

Transgenen wird beobachtet. Momentan<br />

arbeiten wir daran, das SUVH2-Gen <strong>in</strong><br />

Arabidopsis auszuschalten. Damit sollte<br />

verh<strong>in</strong>dert werden können, dass <strong>in</strong> Pflanzen<br />

e<strong>in</strong>geführte Gene stillgelegt werden.<br />

Dies kann auch für die Pflanzenzüchtung<br />

bedeutsam se<strong>in</strong>.<br />

Prof. Dr. Gunter Reuter studierte von<br />

1969–1973 Biologie <strong>in</strong> Halle; 1978 Promotion;<br />

1984 Habilitation. 1996 wurde er<br />

zum Professor für Entwicklungsgenetik an<br />

der Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

berufen.<br />

Dr. Ra<strong>in</strong>er Dorn studierte von 1976–1981<br />

Biologie <strong>in</strong> Halle; 1984 Promotion; seit<br />

1984 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut<br />

für Genetik.<br />

Gunnar Schotta, Anja Ebert, Kathr<strong>in</strong> Naumann,<br />

Andreas Fischer und Thomas Rudolph<br />

s<strong>in</strong>d Mitarbeiter bzw. Doktoranden<br />

<strong>in</strong> Projekten zu dieser Thematik.


..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

SYSTEMBIOLOGIE – EINE NEUE SICHTWEISE<br />

HÄLT EINZUG IN DIE MOLEKULARBIOLOGIE<br />

Alexander Anders und Kar<strong>in</strong> D. Breunig<br />

Die Molekularbiologie hat <strong>in</strong> den letzten 30 Jahren e<strong>in</strong>en Siegeszug <strong>in</strong> allen biologischen<br />

Diszipl<strong>in</strong>en angetreten. Ihr Ziel ist es zu verstehen, wie Biomoleküle zusammenarbeiten,<br />

um die komplexen und vielfältigen Formen des Lebens hervorzubr<strong>in</strong>gen. Dabei geht man <strong>in</strong><br />

der Molekularbiologie typischerweise von den Eigenschaften von E<strong>in</strong>zelkomponenten,<br />

meist Makromolekülen, aus und versucht deren Funktion aus ihren Eigenschaften abzuleiten.<br />

Oft be<strong>in</strong>haltet dies e<strong>in</strong> immer tieferes E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> die Struktur der Moleküle bis h<strong>in</strong>unter<br />

auf die atomare Ebene. Diese Vorgehensweise hat umfassende E<strong>in</strong>sichten <strong>in</strong> viele biologische<br />

Prozesse und molekulare Mechanismen gebracht. Nur <strong>in</strong> Ansätzen ist allerd<strong>in</strong>gs<br />

verstanden, wie all die vielen E<strong>in</strong>zelkomponenten zusammenwirken, um die Funktion<br />

komplexer E<strong>in</strong>heiten wie Zellen, Organe oder Organismen zu gewährleisten.<br />

Im Zeitalter der Genomforschung wurden<br />

neue Analyseverfahren entwickelt, die es<br />

erlauben, die Gesamtheit aller Gene e<strong>in</strong>es<br />

Organismus (das Genom) gleichzeitig zu<br />

messen. So ist es möglich, die E<strong>in</strong>flüsse<br />

von Umwelt oder Mutationen zu registrieren,<br />

auch wenn diese nicht zu auffälligen<br />

phänotypischen Veränderungen führen. Es<br />

wird erkennbar, dass die Aktivitäten von<br />

Gengruppen, die vorher nie <strong>in</strong> Zusammenhang<br />

gebracht worden waren, korrelieren,<br />

d. h. sie werden durch äußere Bed<strong>in</strong>gungen<br />

oder Mutationen <strong>in</strong> gleicher oder entgegengesetzter<br />

Weise bee<strong>in</strong>flusst. Aus solchen<br />

»globalen Funktionsanalysen« entstehen<br />

neue E<strong>in</strong>sichten über regulatorische Netzwerke,<br />

zeitliche und räumliche Muster<br />

werden erkennbar. Es s<strong>in</strong>d solche Daten,<br />

die den Blick vom Detail wieder auf das<br />

Ganze, auf das »System« lenken. Die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>er neuen Denkschule, der<br />

Systembiologie, ist Folge dieser Veränderung.<br />

Mathematische Modellierung<br />

Die Systembiologie (engl. systems biology)<br />

versucht, biologische Systeme, Zellen,<br />

Organe, Organismen oder Populationen <strong>in</strong><br />

ihrer Vernetzung zu beschreiben. Derartige<br />

Systeme, vor allem deren dynamisches<br />

Verhalten, s<strong>in</strong>d aufgrund ihrer Komplexität<br />

<strong>in</strong>tuitiv nicht nachvollziehbar. E<strong>in</strong> Grundpfeiler<br />

der Systembiologie ist daher die mathematische<br />

Modellierung, wobei Konzepte<br />

genutzt werden, die <strong>in</strong> der Steuerungsund<br />

Regeltechnik und der Kybernetik entwickelt<br />

wurden. In Form von mathematischen<br />

Gleichungen werden die zeitlichen<br />

und räumlichen Stoffwechselaktivitäten<br />

oder die Aktivitätsmuster von Genen und<br />

Signalmolekülen abgebildet, um virtuelle<br />

Repräsentationen für biologische E<strong>in</strong>heiten<br />

zu schaffen. Die Entwicklung mathematischer<br />

Modelle ist <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> iterativer<br />

Vorgang, <strong>in</strong> den Experimente am Computer<br />

(<strong>in</strong> silico) und im Labor e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d.<br />

In dessen Verlauf werden aus Simulationen<br />

abgeleitete Voraussagen experimentell überprüft,<br />

was gegebenenfalls wiederum zu e<strong>in</strong>er<br />

Modifikation der im mathematischen<br />

Modell verwendeten Ausgangshypothese<br />

führen kann. Im Idealfall greifen so biologisches<br />

Experiment und Modellentwicklung/<br />

-verfe<strong>in</strong>erung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sich gegenseitig befruchtenden<br />

Prozess eng <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander<br />

(Abb. 1).<br />

Nach großer Skepsis, die der Systembiologie<br />

anfänglich entgegengebracht wurde, erlebt<br />

die Richtung mit der Etablierung e<strong>in</strong>er<br />

Reihe von Forschungszentren für Systems<br />

Biology derzeit e<strong>in</strong>en enormen Aufw<strong>in</strong>d<br />

(vgl. Tabelle 1, Seite 36). Das Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />

für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) wird <strong>in</strong> den nächsten fünf Jahren<br />

etwa 50 Millionen Euro <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Programm<br />

»Systembiologie – Systeme des Lebens«<br />

<strong>in</strong>vestieren, bei dem e<strong>in</strong> virtuelles Modell<br />

des Systems Leberzelle ehrgeiziges<br />

Forschungsziel ist.<br />

Sachsen-Anhalt hat mit dem Max-Planck-<br />

Institut für Dynamik komplexer technischer<br />

Systeme e<strong>in</strong>es der wenigen deutschen<br />

Kompetenzzentren für Systembiologie.<br />

Dessen Gründungsdirektor Prof. Dr. Ernst<br />

Dieter Gilles betrieb Systembiologie am<br />

Stuttgarter Institut für Systemdynamik<br />

und Regelungstechnik lange bevor der Begriff<br />

unter Biologen populär wurde.<br />

Das modulare Konzept<br />

...............................................................................<br />

scher Systeme zu f<strong>in</strong>den, von Basenpaaren<br />

und Am<strong>in</strong>osäuren zu Genen und Prote<strong>in</strong>en,<br />

von chemischen Reaktionen zu metabolischen<br />

und regulatorischen Netzwerken,<br />

von Organellen und Membranen zu Zellen<br />

und schließlich zu Organen und Organsystemen.<br />

Module s<strong>in</strong>d Komponenten,<br />

Teile oder Subsysteme e<strong>in</strong>es größeren Systems.<br />

Um e<strong>in</strong> komplexes System entsprechend<br />

dem modularen Konzept modellieren<br />

zu können, ist es notwendig, <strong>in</strong>nerhalb<br />

dieses Systems Untersysteme abzugren-<br />

Abb. 1: Die Systembiologie verfolgt e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären<br />

Ansatz. Sie nutzt Konzepte<br />

aus der Biologie, der Informatik und den<br />

Systemwissenschaften.<br />

Die große Herausforderung an die Systembiologie<br />

ist die Komplexität der untersuchten<br />

Systeme. Komplexe Systeme s<strong>in</strong>d charakterisiert<br />

durch geme<strong>in</strong>same Eigenschaften,<br />

die mit dem System als ganzes verbunden<br />

und die verschieden s<strong>in</strong>d von den charakteristischen<br />

Verhaltensweisen der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Bestandteile. Um sich solch komplexen<br />

Systemen annähern zu können,<br />

wurden <strong>in</strong> der Systembiologie verschiedene<br />

Konzepte entwickelt. E<strong>in</strong>e häufig verfolgte<br />

Herangehensweise bedient sich des modularen<br />

Aufbaus biologischer Systeme. Die<br />

Modularität ist auf allen Ebenen biologizen.<br />

Da die Grenzen solcher funktioneller<br />

E<strong>in</strong>heiten ke<strong>in</strong>eswegs physikalischer Natur<br />

se<strong>in</strong> müssen, ist e<strong>in</strong>e Festlegung von Modulen<br />

<strong>in</strong> vielen Fällen ke<strong>in</strong>e triviale Aufgabe.<br />

E<strong>in</strong>ige Kriterien helfen bei der Abgrenzung<br />

von funktionellen E<strong>in</strong>heiten, beispielsweise<br />

der Erfüllung e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen<br />

physiologischen Aufgabe oder e<strong>in</strong>er<br />

geme<strong>in</strong>samen genetischen Regulation, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

Fällen aber bleibt die Festlegung von<br />

Modulen e<strong>in</strong>e unsichere Aufgabe. Der<br />

Grundgedanke des modularen Konzeptes<br />

ist e<strong>in</strong>e sukzessive Zerlegung komplexer<br />

Systeme <strong>in</strong> immer kle<strong>in</strong>ere relativ unabhängig<br />

agierende Module, welche dann im E<strong>in</strong>zelnen<br />

modelliert und e<strong>in</strong>gehend analysiert<br />

werden können. Bewährte Module können<br />

später über Anschlüsse mit anderen Modulen<br />

komb<strong>in</strong>iert werden, um auf diesem<br />

Weg e<strong>in</strong> Modell des komplexen Gesamtsystems<br />

zu erhalten, ohne auf der jeweiligen<br />

Systemebene die Komplexität wesentlich<br />

zu erhöhen.<br />

35


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

Institut / Projekt<br />

F<strong>in</strong>anzmittel<br />

................................................................................<br />

E<strong>in</strong>e enorme Bedeutung <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

hat die Analyse der Verhaltens-<br />

36<br />

weisen der Module und Systeme, also die<br />

Frage, welche E<strong>in</strong>gaben <strong>in</strong> das System welche<br />

Ausgaben bewirken. Hierauf liegt das<br />

eigentliche Hauptaugenmerk der Systembiologie,<br />

wobei elementare Pr<strong>in</strong>zipien über<br />

die Verschaltung von Elementen und daraus<br />

resultierende Verhaltensweisen des Systems<br />

aufgedeckt werden sollen, also zum<br />

Beispiel die Frage, <strong>in</strong> welcher Art und Weise<br />

e<strong>in</strong>zelne Komponenten verknüpft se<strong>in</strong><br />

müssen, um e<strong>in</strong> System hochgradig unanfällig<br />

gegen <strong>in</strong>nere und äußere Störungen<br />

(robust) zu machen. Der systembiologische<br />

Ansatz verfolgt also das Ziel, die aus<br />

dem Zusammenspiel e<strong>in</strong>zelner Komponenten<br />

resultierenden Eigenschaften zu untersuchen<br />

und unterscheidet sich damit vom<br />

oben geschilderten Ansatz der Molekularbiologie.<br />

Beschreibung e<strong>in</strong>es Systems<br />

Institute for Systems Biology, Seattle<br />

ERATO-Kitano Systems biology, Tokyo / Pasadena<br />

Alliance for Cellular Signal<strong>in</strong>g, USA<br />

Systems Biology Research Center, S<strong>in</strong>gapore<br />

»Genomes to Life«, DOE, USA<br />

»Systeme des Lebens – Systembiologie«,<br />

BMBF, Deutschland<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>er durch das Land Sachsen-<br />

Anhalt geförderten Zusammenarbeit mit<br />

der Arbeitsgruppe von Prof. Gilles versuchen<br />

wir derzeit, das <strong>in</strong> unserm Labor seit<br />

Jahren <strong>in</strong>tensiv untersuchte Lactose-Regulon<br />

der Hefe als funktional def<strong>in</strong>iertes<br />

System zu beschreiben. Dieses System besteht<br />

aus e<strong>in</strong>em regulatorischen und e<strong>in</strong>em<br />

metabolischen Netzwerk, die sich gegenseitig<br />

bee<strong>in</strong>flussen. Komponenten des metabolischen<br />

Netzwerks s<strong>in</strong>d der Milchzucker<br />

Lactose, dessen Spaltprodukte Glucose<br />

und Galactose und Enzyme, die Aufnahme<br />

und Spaltung der Lactose <strong>in</strong> der Hefezelle<br />

katalysieren. Komponenten des regulatorischen<br />

Netzwerks s<strong>in</strong>d Regulatorprote<strong>in</strong>e,<br />

welche die Aktivität e<strong>in</strong>er Gruppe von Genen<br />

kontrollieren und damit für die Synthese<br />

der metabolischen Enzyme verantwortlich<br />

s<strong>in</strong>d. Die Aktivierung dieser Gene erlaubt<br />

den Hefezellen, die verfügbare Lactose<br />

<strong>in</strong> Energie und Zellmasse umzusetzen.<br />

Durch molekularbiologische Struktur-/<br />

Funktionsanalysen konnten wir weitgehend<br />

klären, wie die Genaktivität an die<br />

Verfügbarkeit von Lactose angepasst wird.<br />

Der molekulare Schalter besteht aus drei<br />

Prote<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong>em Aktivator (Gal4p), dessen<br />

Inhibitor (Gal80p) und dem Induktor<br />

(Gal1p), der Lactose-abhängig mit dem<br />

Inhibitor <strong>in</strong>teragiert und dessen hemmende<br />

Wirkung aufhebt.<br />

200 Mio. US$<br />

3,2 Mio. US$ / Jahr<br />

> 5 Mio. US$ / Jahr<br />

28 Mio. US$ / Jahr<br />

200 Mio. US$ / Jahr (geplant)<br />

45 Mio. US$, fünf Jahre<br />

Tab. 1: F<strong>in</strong>anzmittel der wichtigsten Institute und Projekte im Bereich der Systembiologie<br />

Für das Verständnis der Systemeigenschaften<br />

des Regulons reicht dieses Detailverständnis<br />

jedoch nicht aus. Ob die Lactose-<br />

Verwertung aktiviert wird oder nicht, hängt<br />

nämlich wesentlich von den Konzentrationsverhältnissen<br />

und den absoluten Konzentrationen<br />

der Regulatoren ab. Deren<br />

Syntheserate wiederum hängt autoregulatorisch<br />

von deren Aktivität ab (Abb. 2).<br />

Schon kle<strong>in</strong>e Verschiebungen <strong>in</strong> den Ausgangskonzentrationen<br />

können die Syntheserate<br />

relativ zue<strong>in</strong>ander verschieben und<br />

dadurch die Lactose-Verwertung massiv<br />

bee<strong>in</strong>flussen. Wie sich kle<strong>in</strong>e Veränderungen<br />

auswirken, ist jedoch <strong>in</strong>tuitiv schwer<br />

vorhersehbar. Erst e<strong>in</strong>e dynamische Betrachtung,<br />

die berücksichtigt, dass Inhibitorkonzentration<br />

und Inhibitorwirkung<br />

umgekehrt proportional zue<strong>in</strong>ander reguliert<br />

werden, erfasst den komplexen Zusammenhang.<br />

Durch die mathematische<br />

Beschreibung des Systemverhaltens erhält<br />

man e<strong>in</strong> Prognosemodell, das letztlich die<br />

Genaktivität voraussagen kann und uns <strong>in</strong><br />

die Lage versetzt, aussagekräftige und <strong>in</strong><br />

Bezug auf die Modellierung wichtige Experimente<br />

zu planen.<br />

Wie an diesem Beispiel deutlich wird, wäre<br />

es wenig s<strong>in</strong>nvoll, molekularbiologische<br />

und systembiologische Vorgehensweise als<br />

Gegensatzpaare zu sehen. Beide Ansätze<br />

schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern<br />

lassen sich s<strong>in</strong>nvoll verb<strong>in</strong>den, um zu<br />

e<strong>in</strong>em umfassenderen Verständnis biologischer<br />

Systeme zu kommen.<br />

Abb. 2: Regelkreis der Lactose-Induktion. Der Aktivator Gal4p kann die Gene, die für die Verwertung<br />

von Lactose benötigt werden, aktivieren. Ist ke<strong>in</strong>e Lactose im Medium vorhanden,<br />

b<strong>in</strong>det der Inhibitor Gal80p an Gal4p und verh<strong>in</strong>dert damit dessen aktivierende Wirkung. In<br />

Anwesenheit von Lactose kann Gal1p an Gal80p b<strong>in</strong>den und somit den Aktivator Gal4p von<br />

der <strong>in</strong>hibierenden Wirkung befreien. Der Lactose-Transporter Lac12p transportiert Lactose<br />

von außen <strong>in</strong> die Zelle. Er hat e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Menge von Lactose <strong>in</strong>nerhalb der Zelle<br />

und somit auch auf den gesamten Induktionsprozess.<br />

Alexander Anders hat an der Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität<br />

Biologie studiert und entwickelt<br />

im Rahmen se<strong>in</strong>er Doktorarbeit am<br />

Institut für Genetik e<strong>in</strong> mathematisches<br />

Modell des Hefe-Lactose-Regulons.<br />

Kar<strong>in</strong> Breunig wurde an der Universität<br />

Heidelberg promoviert (Genetik), habilitierte<br />

sich an der Universität Düsseldorf<br />

(Mikrobiologie) und ist seit 1996 Professor<strong>in</strong><br />

am Institut für Genetik der halleschen<br />

Universität.


..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Fachbereich Biologie<br />

WAFFENARSENALE IM MIKROKOSMOS<br />

BAKTERIELLE VIRULENZ UND PFLANZLICHE ABWEHR<br />

Jens Boch, Thomas Lahaye, Ralf Koebnik und Ulla Bonas<br />

Pflanzen produzieren große Mengen an Biomasse, die e<strong>in</strong> für Mikroorganismen verlockendes<br />

Nährstoffreservoir darstellt. Diese Nährstoffe gilt es jedoch raff<strong>in</strong>iert zu erschließen,<br />

denn Pflanzen geben ihren photosynthetisch hergestellten Zucker nicht ohne Gegenwehr<br />

heraus. Daher haben es nur speziell angepasste Bakteriengruppen geschafft, sich diesen<br />

Lebensraum zu erschließen. Sichtbar wird e<strong>in</strong>e solch gelungene Besiedlung – sehr zum Ärger<br />

der Landwirte – durch Krankheitssymptome der Pflanze, die Ernteerträge m<strong>in</strong>dern. In<br />

der Abteilung Pflanzengenetik des Instituts für Genetik an der Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität<br />

wird die Interaktion von bakteriellen Schädl<strong>in</strong>gen und ihren Pflanzenwirten an Modellsystemen<br />

untersucht.<br />

Xanthomonas campestris pv. vesicatoria<br />

ist der Erreger der bakteriellen Fleckenkrankheit<br />

bei Tomate und Paprika, Pseudomonas<br />

syr<strong>in</strong>gae pv. tomato führt zur bakteriellen<br />

Fleckenkrankheit auf Tomate und<br />

befällt außerdem die <strong>in</strong> der Molekularbiologie<br />

wohlbekannte Modellpflanze Arabidopsis<br />

thaliana. Viele molekulare Arbeiten<br />

werden erst dadurch ermöglicht, dass das<br />

Erbgut von P. syr<strong>in</strong>gae pv. tomato, sowie<br />

A. thaliana vollständig und das von X.<br />

campestris pv. vesicatoria bereits <strong>in</strong> großen<br />

Teilen entschlüsselt wurde.<br />

Das essenzielle Waffenarsenal<br />

des Schädl<strong>in</strong>gs<br />

Elektronenmikroskopische Aufnahme e<strong>in</strong>er<br />

Xanthomonas campestris pv. vesicatoria-<br />

Zelle (dunkler Bereich) mit Pili, die auf dem<br />

Typ-III-Sekretionsapparat sitzen.<br />

Foto: AG Bonas<br />

ne, sogenannte »Translokatoren« beteiligt.<br />

E<strong>in</strong>en aktuellen Forschungsschwerpunkt<br />

stellt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang das molekulare<br />

Signal dar, welches die Effektoren<br />

aus dem Bakterien<strong>in</strong>neren durch das Typ-<br />

III-System dirigiert. Vergleichende Sequenzanalysen<br />

zahlreicher Typ-III-Effektoren<br />

deuten darauf h<strong>in</strong>, dass es e<strong>in</strong>e Präferenz<br />

für spezielle Am<strong>in</strong>osäuren <strong>in</strong> Effektorprote<strong>in</strong>en<br />

gibt, die möglicherweise für<br />

die Sekretion von Bedeutung s<strong>in</strong>d.<br />

Die bakterielle Spezialausrüstung –<br />

Wirtsspezifität<br />

Welche Prote<strong>in</strong>e werden <strong>in</strong> die Pflanzenzelle<br />

<strong>in</strong>jiziert und welchen Nutzen haben<br />

diese für die Bakterien? Es wird angenommen,<br />

dass die Gesamtheit des Effektor-Arsenals<br />

die Virulenz der Bakterien ermöglicht,<br />

wobei die Beiträge der e<strong>in</strong>zelnen<br />

Effektoren weitgehend ungeklärt s<strong>in</strong>d. Studien<br />

haben gezeigt, dass die Deletion e<strong>in</strong>zelner<br />

oder mehrerer Effektorgene aus dem<br />

Genom der Bakterien ke<strong>in</strong>en oder nur e<strong>in</strong>en<br />

ger<strong>in</strong>gen negativen E<strong>in</strong>fluss auf die Fähigkeit<br />

von Xanthomonas hat, sich <strong>in</strong> der<br />

Pflanze zu vermehren. Offensichtlich besitzen<br />

Pflanzenpathogene e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />

...............................................................................<br />

Während der Infektion dr<strong>in</strong>gen pflanzenpathogene<br />

Bakterien <strong>in</strong> das pflanzliche Gewebe<br />

e<strong>in</strong> und vermehren sich im Raum<br />

zwischen den Pflanzenzellen (Interzellularraum).<br />

Bei den meisten pflanzenpathogenen<br />

Bakterien spielt dabei e<strong>in</strong> Typ-III-Sekretionssystem<br />

(Hrp) e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle.<br />

Diese molekulare Injektionsspritze ermöglicht<br />

die Sekretion von Virulenzprote<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong> den Interzellularraum und darüber h<strong>in</strong>aus<br />

e<strong>in</strong>e direkte Injektion sogenannter<br />

Effektoren <strong>in</strong> das Zytoplasma der pflanzlichen<br />

Wirtszelle. Interessanterweise f<strong>in</strong>den<br />

sich homologe Systeme bei e<strong>in</strong>er Vielzahl<br />

von tier- und humanpathogenen Bakterien,<br />

so dass man davon ausgehen kann, dass<br />

dieser »Injektionsmechanismus« e<strong>in</strong>en<br />

Meilenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Evolution pathogener<br />

Bakterien darstellt. Pflanzenpathogene haben<br />

jedoch e<strong>in</strong>e zusätzliche Hürde zu überw<strong>in</strong>den,<br />

um <strong>in</strong> Kontakt mit der Wirtszelle<br />

zu treten, nämlich die pflanzliche Zellwand.<br />

Diese wird vermutlich durch die<br />

Ausbildung extrazellulärer fädiger Strukturen<br />

am Typ-III-Sekretionsapparat überbrückt,<br />

die den Sekretionsapparat wie die<br />

Kanüle e<strong>in</strong>er Spritze verlängern. Nach der<br />

Passage durch diese Pili gelangen die Effektorprote<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong> bisher ungeklärter Weise<br />

über die Plasmamembran <strong>in</strong>s Zytoplasma<br />

der Wirtszelle. An diesem Vorgang s<strong>in</strong>d<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich spezielle bakterielle Proteizum<br />

Teil funktionell redundanter Effektoren<br />

(ca. 36 <strong>in</strong> P. syr<strong>in</strong>gae pv. tomato), so<br />

dass der Verlust E<strong>in</strong>zelner nicht zum völligen<br />

Verlust der Virulenz führt. Für das<br />

AvrBs3-Prote<strong>in</strong>, den Prototyp e<strong>in</strong>er Familie<br />

von Effektoren, die bisher nur <strong>in</strong> Xanthomonas<br />

und dem nahen verwandten<br />

Ralstonia gefunden wurden, konnte gezeigt<br />

werden, dass es e<strong>in</strong>en pflanzeneigenen<br />

Transportmechanismus nutzt, um nach Injektion<br />

<strong>in</strong>s pflanzliche Zytoplasma <strong>in</strong> den<br />

Zellkern zu gelangen. In AvrBs3 bef<strong>in</strong>den<br />

sich neben den hierfür nötigen Kernlokalisierungssequenzen<br />

weitere funktionell<br />

wichtige Bereiche. Der mittlere Bereich ist<br />

durch e<strong>in</strong>e 17-fache fast identische Wiederholung<br />

e<strong>in</strong>es Motives aus je 34 Am<strong>in</strong>osäuren<br />

gekennzeichnet, für die angenommen<br />

wird, dass sie <strong>in</strong> der Interaktion mit Wirtsprote<strong>in</strong>en,<br />

oder der direkten B<strong>in</strong>dung an<br />

DNA e<strong>in</strong>e Rolle spielt. Außerdem f<strong>in</strong>det<br />

sich e<strong>in</strong>e Domäne, die die Expression von<br />

eukaryontischen Genen regulieren könnte.<br />

In e<strong>in</strong>em experimentellen Ansatz konnten<br />

vor kurzem Paprikagene identifiziert werden,<br />

die durch AvrBs3 reguliert werden.<br />

Dieses deutet darauf h<strong>in</strong>, dass pflanzenpathogene<br />

Bakterien über Typ-III-Effektoren<br />

die Expression von Wirtsgenen zu ihrem<br />

Nutzen modulieren.<br />

Neben der Genexpression s<strong>in</strong>d auch andere<br />

pflanzliche Funktionen Ziele für den Angriff<br />

durch Effektoren. AvrPtoB, e<strong>in</strong> Effektor<br />

aus P. syr<strong>in</strong>gae pv. tomato, attackiert<br />

vermutlich die Abwehrmechanismen der<br />

Pflanze. Untersuchungen homologer Faktoren<br />

<strong>in</strong> dem Bohnenpathogen P. syr<strong>in</strong>gae pv.<br />

phaseolicola konnten zeigen, dass dieser<br />

Effektor unter bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen die<br />

Abwehr der Pflanze unterdrückt. E<strong>in</strong>e molekulare<br />

Erklärung für diesen Effekt könnte<br />

dar<strong>in</strong> liegen, dass AvrPtoB <strong>in</strong> Tomate mit<br />

Prote<strong>in</strong>k<strong>in</strong>asen <strong>in</strong> Wechselwirkung tritt, die<br />

<strong>in</strong> der Signaltransduktion von Eukaryonten<br />

e<strong>in</strong>e essenzielle Rolle spielen. Die Homologie<br />

weiterer Effektoren aus P. syr<strong>in</strong>gae pv.<br />

tomato mit Tyros<strong>in</strong>-Phosphatasen und<br />

ADP-Ribosyltransferasen deutet darauf<br />

h<strong>in</strong>, dass Signalwege <strong>in</strong>nerhalb pflanzlicher<br />

Zellen e<strong>in</strong> bedeutendes Ziel für Effektorprote<strong>in</strong>e<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Überwachungssysteme und<br />

Abwehrwaffen e<strong>in</strong>er Pflanze<br />

Im Normalfall ist e<strong>in</strong>e Pflanze durch e<strong>in</strong><br />

umfangreiches Arsenal von Verteidigungssystemen<br />

gegen parasitierende Bakterien<br />

gefeit. Die Bildung reaktiver Sauerstoff-<br />

37


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Fachbereich Biologie<br />

................................................................................<br />

verb<strong>in</strong>dungen, die Synthese Pathogen-<strong>in</strong>duzierter<br />

Prote<strong>in</strong>e, die Verdickung und Quer-<br />

38<br />

vernetzung der Zellwände, die Bildung toxischer<br />

Verb<strong>in</strong>dungen (sogenannter Phytoalex<strong>in</strong>e)<br />

und e<strong>in</strong> programmierter Zelltod<br />

(hypersensitive Reaktion, HR) gehören<br />

zum Spektrum der <strong>in</strong>duzierten Abwehrreaktionen.<br />

Der HR wird dabei e<strong>in</strong>e zentrale<br />

Bedeutung zugewiesen. Der programmierte<br />

»Selbstmord« der befallenen Zellen entzieht<br />

vermutlich dem Schädl<strong>in</strong>g die Nahrungsgrundlage<br />

und verh<strong>in</strong>dert dessen weitere<br />

Ausbreitung. Die Erkennung ist der erste<br />

und essenzielle Schritt, der die HR <strong>in</strong>duziert<br />

und verh<strong>in</strong>dert, dass sich Pflanzenpathogene<br />

<strong>in</strong> resistenten Pflanzen stark<br />

vermehren können. Er wird ausgelöst durch<br />

e<strong>in</strong>zelne bakterielle Effektorprote<strong>in</strong>e, die <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Art Schlüssel-Schloss-Pr<strong>in</strong>zip hochspezifisch<br />

von sogenannten Resistenzprote<strong>in</strong>en<br />

erkannt werden. E<strong>in</strong>e direkte physikalische<br />

Interaktion von Effektor und Resistenzprote<strong>in</strong><br />

konnte jedoch nur <strong>in</strong> wenigen<br />

Fällen nachgewiesen werden. E<strong>in</strong> alternatives<br />

Modell postuliert daher, dass<br />

Schematische Darstellung der Interaktion zwischen pathogenem Bakterium (rot) und Pflanzenzelle<br />

(grün). Die Übertragung von Effektorprote<strong>in</strong>en <strong>in</strong> die Pflanzenzelle ist e<strong>in</strong> essenzieller<br />

Schritt zur erfolgreichen Infektion (anfällige Pflanze). Resistente Pflanzen s<strong>in</strong>d jedoch <strong>in</strong><br />

der Lage, bestimmte Effektoren zu erkennen und e<strong>in</strong>en programmierten Zelltod e<strong>in</strong>zuleiten.<br />

Effektorprote<strong>in</strong>e primär mit pflanzlichen<br />

Zielprote<strong>in</strong>en <strong>in</strong>teragieren, deren Funktionalität<br />

wiederum durch Interaktion mit Resistenzprote<strong>in</strong>en<br />

überwacht wird. In unserer<br />

Arbeitsgruppe werden die Resistenzgene<br />

Bs3 aus Paprika (Capsicum annuum)<br />

und Bs4 aus Tomate (Lycopersicon esculentum)<br />

bearbeitet, die spezifisch die Erkennung<br />

von AvrBs3 und AvrBs4 (zweier<br />

Vertreter der AvrBs3-Familie) vermitteln.<br />

Die Bs3- und Bs4-abhängige Erkennung ist<br />

dabei hochspezifisch, trotz hoher Homo-<br />

logie zwischen AvrBs3 und AvrBs4 (97<br />

Prozent identisch). Das Tomaten-Resistenzgen<br />

Bs4 wurde unlängst <strong>in</strong> unserer Arbeitsgruppe<br />

isoliert und stellt e<strong>in</strong>en Vertreter<br />

der TIR-NBS-LRR-Klasse von Resistenzprote<strong>in</strong>en<br />

dar. Interessanterweise zeigt<br />

diese Klasse pflanzlicher Resistenzprote<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>e hohe Homologie zu Prote<strong>in</strong>en <strong>in</strong><br />

Mensch und Drosophila, die ihrerseits e<strong>in</strong>e<br />

essenzielle Funktion <strong>in</strong> der frühen Immunantwort<br />

haben. Diese strukturell-funktionelle<br />

Konservierung deutet darauf h<strong>in</strong>, dass<br />

Abwehrsysteme <strong>in</strong> Pflanzen und Tieren e<strong>in</strong>en<br />

geme<strong>in</strong>samen evolutionären Ursprung<br />

haben.<br />

Jens Boch studierte von 1987 bis 1993 Biologie<br />

an der Philipps-Universität Marburg<br />

(Promotion 1996), arbeitete dann an der<br />

Wash<strong>in</strong>gton University <strong>in</strong> St. Louis/USA<br />

und seit 1999 als wissenschaftlicher Assistent<br />

im Institut für Genetik <strong>in</strong> Halle.<br />

Thomas Lahaye studierte von 1988 bis<br />

1994 Biologie an der Aachener Universität,<br />

arbeitete danach am Sa<strong>in</strong>sbury<br />

Laboratory <strong>in</strong> Norwich/UK (Promotion<br />

1999) und ist seit 1999 wissenschaftlicher<br />

Assistent im Institut für Genetik.<br />

Ralf Koebnik studierte von 1981 bis 1986<br />

Biologie an der Universität Halle, arbeitete<br />

danach unter anderem an der Eberhard-<br />

Karls-Universität und dem MPI <strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen<br />

(Promotion 1992) und ist seit 1999<br />

wissenschaftlicher Assistent im Institut für<br />

Genetik (Habilitation 2001).<br />

Ulla Bonas studierte Biologie an der Universität<br />

Köln. Nach Forschungstätigkeiten<br />

<strong>in</strong> USA, Berl<strong>in</strong> und am CNRS-Institut <strong>in</strong><br />

Gif-sur-Yvette erfolgte 1995 der Ruf an die<br />

hallesche Universität. Seit 1998 ist sie Leiter<strong>in</strong><br />

der Abteilung für Pflanzengenetik im<br />

Institut für Genetik und seit 1999 Sprecher<strong>in</strong><br />

des SFB 363.<br />

Bild l<strong>in</strong>ks: Aufzucht von Paprika, Tomate<br />

und Tabak im Gewächshaus im Dachgeschoss<br />

des Biozentrums (oben). Arabidopsis thaliana<br />

(unten) benötigt deutlich weniger Platz.<br />

Fotos: AG Bonas


..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Personalia<br />

BERUFUNGEN<br />

WIRTSCHAFTS-<br />

WISSEN-<br />

SCHAFTLICHE<br />

FAKULTÄT<br />

WIRTSCHAFTS-<br />

WISSEN-<br />

SCHAFTLICHE<br />

FAKULTÄT<br />

...............................................................................<br />

WIRTSCHAFTS-<br />

WISSEN-<br />

SCHAFTLICHE<br />

FAKULTÄT<br />

39<br />

Prof. Dr. Claudia Becker<br />

Universitätsprofessor<strong>in</strong> für Statistik (C3) an<br />

der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät<br />

seit 1. Oktober 2002.<br />

Geboren am 13. Juli 1967 <strong>in</strong> Haan (bei<br />

Düsseldorf).<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1986–1993 Studium der Statistik (Nebenfach<br />

Informatik) an der Universität<br />

Dortmund<br />

1993 Diplom-Statistiker<strong>in</strong><br />

1993–1997 Wiss. Angestellte an der o. g.<br />

Universität<br />

1996 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />

1998–2000 Wiss. Angestellte im SFB 475<br />

»Komplexitätsreduktion <strong>in</strong> multivarianten<br />

Datenstrukturen« an<br />

der o. g. Universität<br />

2000–2002 Wiss. Assistent<strong>in</strong> am FB Statistik<br />

an o. g. Universität, weiterh<strong>in</strong><br />

Mitarbeit im SFB 475<br />

2001 Projektleiter<strong>in</strong> des Teilprojektes<br />

M9 »Methoden der Informationsgew<strong>in</strong>nung«<br />

im SFB 559<br />

»Modellierung großer Netze <strong>in</strong><br />

der Logistik«<br />

2001–2002 Vertretungsprofessor<strong>in</strong> an der<br />

Universität München<br />

2002 Habilitation und Lehrbefugnis,<br />

Hochschuldozent<strong>in</strong> an der Universität<br />

Dortmund<br />

2002 Universitätsprofessor<strong>in</strong> <strong>in</strong> Halle<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Analyse hochdimensionaler, dynamischer,<br />

hochstrukturierter Daten, <strong>in</strong>sbesondere mit<br />

robusten statistischen Verfahren und Methoden<br />

der Dimensionsreduktion<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• The mask<strong>in</strong>g breakdown po<strong>in</strong>t of multivariate<br />

outlier identification rules, Journal of<br />

the American Statistical Association 94,<br />

947–955 (1999, mit U. Gather)<br />

• Robust methods for complex data structures.<br />

In: Data Analysis, Classification and<br />

Related Methods, Spr<strong>in</strong>ger, 315–320 (2000,<br />

mit U. Gather, S. Kuhnt)<br />

• The size of the largest nonidentificable<br />

outlier as a performance criterion for multivariate<br />

outlier identification rules: the case<br />

of high-dimensional data. In: COMSTAT<br />

2000, Physica, 211–216 (2000)<br />

• A note on outlier sensitivity of sliced <strong>in</strong>verse<br />

regression, Statistics 13, 271–281<br />

(2002, mit U. Gather, T. Hilker)<br />

Prof. Dr. Ronald Maier<br />

Universitätsprofessor für Wirtschafts<strong>in</strong>formatik,<br />

Betriebliches Informationsmanagement<br />

(C4) an der Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät seit 1. Oktober 2002.<br />

Geboren am 4. Juni 1968 <strong>in</strong> L<strong>in</strong>z/Österreich.<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1987–1992 Studium der Wirtschafts<strong>in</strong>formatik<br />

an der Johannes-Kepler-<br />

Universität L<strong>in</strong>z; Organisationsprogrammierer<br />

und Projektleiter<br />

<strong>in</strong> L<strong>in</strong>zer Unternehmen<br />

1992 Universitätsass. am Institut für<br />

Wirtschafts<strong>in</strong>formatik der o. g.<br />

Universität<br />

1993–1995 Wiss. Mitarb. am Lehrstuhl für<br />

Wirtschafts<strong>in</strong>formatik der Wiss.<br />

Hochschule für Unternehmens<br />

führung – Otto Beisheim Hochschule<br />

(WHU) <strong>in</strong> Koblenz<br />

1996 Promotion zum Dr. rer. pol.<br />

1996–1998 Wiss. Ass. am Lehrstuhl für<br />

Wirtschafts<strong>in</strong>formatik der Universität<br />

Regensburg<br />

1998–1999 Visit<strong>in</strong>g Assistant Professor am<br />

Terry College of Bus<strong>in</strong>ess an der<br />

University of Georgia <strong>in</strong> Athens,<br />

GA (USA)<br />

1999–2002 Wiss. Ass. am Lehrstuhl für<br />

Wirtschafts<strong>in</strong>formatik der Universität<br />

Regensburg<br />

2001 Habilitation<br />

2002 Lehrstuhlvertr. <strong>in</strong> Regensburg<br />

2002 Universitätsprofessor <strong>in</strong> Halle<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Datenmanagement und Bus<strong>in</strong>ess Intelligence,<br />

Prozessmanagement, Wissensmanagement<br />

und Wissensmanagementsysteme<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• Knowledge Management Systems. Information<br />

and Communication Technologies<br />

for Knowledge Management, 2002<br />

• Def<strong>in</strong><strong>in</strong>g Process-Oriented Knowledge Management<br />

Strategies. In: Knowledge and Process<br />

Management – The Journal of Corporate<br />

Transformation, 2002, 103–118 (mit Remus)<br />

• E<strong>in</strong> Modell für die Erfolgsmessung von Wissensmanagementsystemen.<br />

In: Wirtschafts<strong>in</strong>formatik,<br />

2001, 497–508 (mit Hädrich)<br />

• Organizational Concepts and Measures for<br />

the Evaluation of Data Model<strong>in</strong>g. In:<br />

Becker, S.: Develop<strong>in</strong>g Quality Complex<br />

Database Systems: Practices, Techniques,<br />

and Technologies, 2000<br />

Prof. Dr. Ingo Pies<br />

Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre,<br />

<strong>in</strong>sb. Wirtschaftsethik (C4) an der<br />

Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät seit<br />

1. Oktober 2002.<br />

Geboren am 21. April 1964 <strong>in</strong> Arnsberg.<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1983–1989 Studium der Volkswirtschaftslehre<br />

an der Universität Münster;<br />

dazwischen<br />

1985–1986 Wehrdienst<br />

1989 Diplom-Volkswirt<br />

1989–1990 Forschungsprojekt an o. g. Universität<br />

1990–1994 Wiss. Mitarbeiter bzw. Assistent<br />

an der Universität Eichstätt<br />

1992 Promotion zum Dr. rer. pol.<br />

1993 Forschungsaufenthalt <strong>in</strong> den<br />

USA (Fairfax und Chikago)<br />

1994–1998 Wiss. Assistent an der Universität<br />

Bochum<br />

1998–2000 Wiss. Assistent an der Universität<br />

Münster<br />

1999 Habilitation<br />

2000 Hochschuldozent (C2) an der<br />

Universität Münster<br />

2002 Universitätsprofessor <strong>in</strong> Halle<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Wirtschaftsethik, Institutionenökonomik,<br />

Ordnungspolitik<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• Normative Institutionenökonomik, Tüb<strong>in</strong>gen<br />

1993<br />

• Rationale Drogenpolitik <strong>in</strong> der Demokratie.<br />

Wirtschaftswissenschaftliche und<br />

wirtschaftsethische Perspektiven e<strong>in</strong>er<br />

Hero<strong>in</strong>vergabe, Tüb<strong>in</strong>gen 1995 (mit Karl-<br />

Hans Hartwig)<br />

• Ordnungspolitik <strong>in</strong> der Demokratie, Tüb<strong>in</strong>gen<br />

2000<br />

• Eucken und von Hayek im Vergleich, Tüb<strong>in</strong>gen<br />

2001<br />

• Causes and Consequences of Global<br />

Warm<strong>in</strong>g. How Rational is Our Policy on<br />

Climate Change? Herausgegeben von Policy<br />

Consult – Institut für Wissenschaftliche<br />

Politikberatung, Münster 2002 (mit Guido<br />

Schroeder)<br />

• Mitherausgeber der Schriftenreihe »Konzepte<br />

der Gesellschaftstheorie« im Verlag<br />

Mohr-Siebeck, Tüb<strong>in</strong>gen


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Personalia<br />

BERUFUNGEN<br />

................................................................................<br />

40<br />

JURISTISCHE<br />

FAKULTÄT<br />

FACHBEREICH<br />

GESCHICHTE,<br />

PHILOSOPHIE<br />

UND SOZIAL-<br />

WISSENSCHAFTEN<br />

LANDWIRT-<br />

SCHAFTLICHE<br />

FAKULTÄT<br />

Prof. Dr. Michael Germann<br />

Universitätsprofessor für Öffentliches Recht,<br />

Staatskirchenrecht und Kirchenrecht (C4) an<br />

d. Juristischen Fakultät seit 1. Oktober 2002.<br />

Geb. am 27. Februar 1967 <strong>in</strong> Marburg (Lahn)<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1987–1992 Studium der Rechtswissenschaft<br />

<strong>in</strong> Tüb<strong>in</strong>gen, Genf und Erlangen<br />

1992 1. Juristische Staatsprüfung<br />

1994 2. Juristische Staatsprüfung<br />

1992–1994 Wiss. Hilfskraft an der Universität<br />

Erlangen<br />

1994–2000 Wiss. Assistent ebd.<br />

1999 Promotion zum Dr. jur.<br />

2001 Habilitation und Lehrbefugnis<br />

für die Fächer Staatsrecht, Verwaltungsrecht<br />

und Kirchenrecht<br />

2001–2002 Privatdozent und Oberassistent<br />

an der Universität Erlangen<br />

SS 2002 Lehrauftrag <strong>in</strong> Halle<br />

2002 Universitätsprofessor <strong>in</strong> Halle<br />

Wissenschaftspreise:<br />

1999 Promotionspreis der Juristischen<br />

Fakultät d. Friedrich-Alexander-<br />

Universität Erlangen-Nürnberg;<br />

Förderpreis der Schmitz-Nüchterle<strong>in</strong>-Stiftung;<br />

Promotionspreis<br />

der Staedtler-Stiftung,<br />

2001 Konrad-Hellwig-Habilitationspreis<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Staatskirchenrecht, Evangelisches Kirchenrecht,<br />

Öffentliches Medienrecht, Polizeirecht.<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im<br />

Internet (2000)<br />

• Beweist die Entstehungsgeschichte der<br />

»Bremer Klausel« die Exemtion des Landes<br />

Brandenburg von der Garantie des Religionsunterrichts?<br />

In: Zeitschrift für evangelisches<br />

Kirchenrecht, Bd. 45 (2000), S. 631–646<br />

• Elektronische Kommunikation und Öffentliches<br />

Recht. In: Juristische Arbeitsblätter<br />

2001, S. 727–733 (mit J. Seitz)<br />

• Die Gerichtsbarkeit der evangelischen Kirche<br />

(Ms. 2001, Druck <strong>in</strong> Vorbereitung)<br />

• Die »gesetzlose« Widmung von Sachen für<br />

öffentliche Zwecke. Demnächst <strong>in</strong>: Archiv<br />

des öffentlichen Rechts.<br />

Prof. Dr. Frieder R. Lang<br />

Universitätsprofessor für Entwicklungspsychologie<br />

(C3) am FB Geschichte, Philosophie<br />

und Sozialwissenschaften seit 1. Oktober 2002.<br />

Geboren am 1. Oktober 1962 <strong>in</strong> Konstanz.<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1990 Diplom <strong>in</strong> Psychologie, Technische<br />

Universität Berl<strong>in</strong><br />

1987–1990 Studentische Hilfskraft mit<br />

Lehraufgaben, TU Berl<strong>in</strong><br />

1990 Diplom <strong>in</strong> Psychologie<br />

1990–1993 Promotionsstipendium, Max-<br />

Planck-Institut für Bildungsforschung<br />

Berl<strong>in</strong><br />

1993 Promotion (Psychologie) an der<br />

Freien Universität Berl<strong>in</strong><br />

1994 Post-doc Fellow am MPI für<br />

Bildungsforschung Berl<strong>in</strong><br />

1995 Visit<strong>in</strong>g Scholar an der Stanford<br />

University<br />

1994–1999 Wiss. Mitarb. an der FU Berl<strong>in</strong><br />

1999–2001 Wiss. Ass. an der Humboldt-Universität<br />

Berl<strong>in</strong><br />

2001 Habilitation und Lehrbefugnis<br />

für das Fach Psychologie, HUB<br />

2002 Universitätsprofessor <strong>in</strong> Halle<br />

Wissenschaftspreise:<br />

2000 Margret M. Baltes Early Career<br />

Research Award, Gerontological<br />

Society of America<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Beziehungsregulation und Wohlbef<strong>in</strong>den im<br />

Lebenslauf; Generativität und Zeitperspektive<br />

<strong>in</strong> der zweiten Lebenshälfte; Psychologie<br />

des sozialen Engagements; Bed<strong>in</strong>gungen und<br />

Prozesse erfolgreichen Alterns<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• Lang, F. R. & K. L. F<strong>in</strong>german (Hg.) (im<br />

Druck). Grow<strong>in</strong>g together: Personal relationships<br />

across the life span. New York: Cambridge<br />

University Press.<br />

• Lang, F. R., Neyer, F.J. & Asendorpf, J. B.<br />

(im Druck). Entwicklung und Gestaltung sozialer<br />

Beziehungen. In: Enzyklopädie der<br />

Psychologie. Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe.<br />

• Lang, F. R. & Heckhausen, J. (im Druck).<br />

Stabilisierung und Kont<strong>in</strong>uität der Persönlichkeit<br />

im Lebensverlauf. In: Enzyklopädie<br />

der Psychologie. Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe.<br />

• Lang, F. R. (2001). Regulation of social<br />

relationships <strong>in</strong> later adulthood. In: Journal<br />

of Gerontology: Psychological Sciences,<br />

56B, 321–326.<br />

Prof. Dr. Georg Guggenberger<br />

Universitätsprofessor für Bodenbiologie und<br />

Bodenökologie (C3) an der Landwirtschaftlichen<br />

Fakultät seit 1. Oktober 2002.<br />

Geboren am 22. März 1963 <strong>in</strong> Würzburg.<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1982–1987 Studium der Geoökologie an der<br />

Universität Bayreuth<br />

1987–1989 Zivildienst<br />

1989–1992 Wiss. Mitarbeiter an der o. g.<br />

Universität<br />

1992 Promotion zum Dr. rer. nat.<br />

1993–1998 Wiss. Assistent an der o. g. Universität<br />

(mit Unterbrechung)<br />

1995–1996 Post-Doc am Natural Resources<br />

Ecology Laboratory d. Colorado<br />

State University, USA<br />

1998 Habilitation im Fach Bodenkunde;<br />

Ernennung z. Privatdozenten<br />

1998–2002 Hochschuldozent an der Universität<br />

Bayreuth<br />

1999–2001 Professurvertretung (mit Unterbrechungen)<br />

an der MLU<br />

2002 Universitätsprofessor <strong>in</strong> Halle<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Kohlenstoffkreislauf- und -speicherung <strong>in</strong><br />

terrestrischen Ökosystemen; E<strong>in</strong>fluss des<br />

Globalen Wandels auf bodenökologische<br />

Prozesse; Transformation von Nährstoffen<br />

und Schadstoffen im Boden sowie deren<br />

Transport <strong>in</strong> die Hydrosphäre; Nachhaltige<br />

Bewirtschaftung von Agrar- und Waldökosystemen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> den Tropen<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• Bacterial and fungal cell-wall residues <strong>in</strong><br />

conventional and no-tillage agroecosystems.<br />

In: Soil Science Society of America Journal<br />

63 (1999), 1188–1198.<br />

• Isolation and characterization of labile<br />

organic phosphorus pools <strong>in</strong> soils from the<br />

Askov long-term field experiments. In: Journal<br />

of Plant Nutrition and Soil Science 163<br />

(2000) 151–155.<br />

• Humusmanagement als Kriterium der guten<br />

fachlichen Praxis <strong>in</strong> der Landwirtschaft:<br />

Möglichkeiten und offene Probleme. In:<br />

Wasser und Boden (Sonderheft Umsetzung<br />

des Bundesbodenschutzgesetzes – Vorsorgender<br />

Bodenschutz) 53 (2001), 32–41.<br />

• Dissolved organic matter <strong>in</strong> soil: Challeng<strong>in</strong>g<br />

the paradigm of sorptive preservation.<br />

In: Geoderma (im Druck).


..............................................................................<br />

scientia halensis 4/2002<br />

Personalia<br />

BERUFUNGEN, GREMIEN, EHRUNGEN<br />

Prof. Dr. Oliver Stoll<br />

FACHBEREICH<br />

MUSIK-, SPORT-<br />

UND SPRECH-<br />

WISSENSCHAFT<br />

Universitätsprofessor für Sportwissenschaft<br />

mit dem Schwerpunkt Sportpsychologie und<br />

Sportpädagogik (C3) am FB Musik-, Sportu.<br />

Sprechwissenschaft seit 1. Oktober 2002.<br />

Geboren am 5. Februar 1963 <strong>in</strong> Butzbach/<br />

Wetterau/Hessen.<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1986–1987 Studium der Wirtschaftswissenschaften<br />

1987 Abbruch des Studiums, Wechsel<br />

z. Studium d. Sportwissenschaft<br />

an der Universität Gießen<br />

1988 Studium der Physical Education,<br />

Recreation, Health and Dance,<br />

<strong>in</strong> Charleston, South Carol<strong>in</strong>a,<br />

USA<br />

1989–1991 Studium der Sportwissenschaft,<br />

Psychologie und Pädagogik an<br />

der Universität Gießen; Abschluss<br />

mit Magister Artium<br />

1991–1995 Wiss. Hilfskraft an d. o. g. Univ.<br />

1994 Promotion zum Dr. phil.<br />

1995–2000 Wiss. Assistent an der Universität<br />

Leipzig<br />

1997 Gastprofessor an der Kent-State-<br />

University, Kent, Ohio, USA<br />

2000 Habilitation<br />

2000–2002 Lehrstuhlvertretung an der MLU<br />

2002 Universitätsprofessor <strong>in</strong> Halle<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Stress und Stressbewältigung im und durch<br />

Sport, Evaluationsforschung zur Wirksamkeit<br />

körperlicher Aktivität auf die psychische<br />

Gesundheit, Gruppenkohäsion <strong>in</strong> Sportspielmannschaften,<br />

Systemtheorien<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• Stressbewältigung im Langstreckenlauf.<br />

Bonn: Holos 1995<br />

• Mentale Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsformen im Langstrekkenlauf<br />

– E<strong>in</strong> Handbuch für Praktiker.<br />

Butzbach: Afra Sportbuch (4. Aufl.) 2000<br />

• Wirkt sportliche Aktivität<br />

ressourcenprotektiv? Lengerich: Pabst<br />

Science Publishers 2001<br />

• Psychologie <strong>in</strong> Ausdauersportarten.<br />

Butzbach: Afra Sportbuch 2000<br />

Prof. Dr. Peter Wagner<br />

LANDWIRT-<br />

SCHAFTLICHE<br />

FAKULTÄT<br />

Universitätsprofessor für Landwirtschaftliche<br />

Betriebslehre (C4) an der Landwirtschaftlichen<br />

Fakultät seit 1. Oktober 2002.<br />

Geboren am 28. Oktober 1956 <strong>in</strong> Lich/Hessen.<br />

Wissenschaftlicher/beruflicher Werdegang:<br />

1977–1982 Studium der Agrarwissenschaften<br />

an der Universität Gießen<br />

1982–1984 Doktorand an der o. g. Univ.<br />

1984–1987 Wiss. Angest. an der o. g. Univ.<br />

1984 Promotion zum Dr. agr.<br />

1987–1990 Wiss. Ass. an der. o. g. Univ., <strong>in</strong><br />

dieser Zeit Studienaufenthalte <strong>in</strong><br />

den USA und Brasilien<br />

1990–1995 Koord<strong>in</strong>ation, Planung, Betreuung<br />

im Rahmen des ERASMUS-<br />

Programmes und des TEMPUS<br />

jo<strong>in</strong>t europaen project<br />

1995 Habilitation im Fach Agrarökonomik,<br />

Privatdozent<br />

1993–1995 Akademischer Rat (BaL)<br />

1995 Ernennung zum Universitätsprofessor<br />

an der TU München<br />

Seit 1999 Mitglied des Beirates der Informatik<br />

<strong>in</strong> den Land,- Forst- u.<br />

Ernährungswissenschaften<br />

2002 Universitätsprofessor <strong>in</strong> Halle<br />

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:<br />

Kostenrechnung, Produktionstheorie, Entwicklung<br />

von Verfahren zur ökonomischen<br />

Analyse von Unternehmen und Prozessen<br />

sowie zur Entscheidungsunterstützung,<br />

Precision Farm<strong>in</strong>g, Market<strong>in</strong>g und Marktforschung<br />

<strong>in</strong> der Agrar- und Ernährungswirtschaft.<br />

Publikationen (Auswahl):<br />

• Entwicklung e<strong>in</strong>es Expertensystems für die<br />

Wirtschaftlichkeitsanalyse landwirtschaftlicher<br />

Betriebe. Agrarwirtschaft, Sonderheft<br />

132, Frankfurt 1992<br />

• (Hg.) Market<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der Agrar- und Ernährungswirtschaft,<br />

Landwirtschaftliches Lehrbuch.<br />

Stuttgart 2000<br />

• Problems and Potential Economic Impact<br />

of Precision Farm<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>: Conese, C. u. Falchi,<br />

M. A.: Computer Technology <strong>in</strong> Agricultural<br />

Management and Risk Prevention, 7 th ICCTA<br />

(Internat. Congress for Computer Technology<br />

<strong>in</strong> Agriculture), Florence, 2000, 241–249<br />

• Precision Farm<strong>in</strong>g – Aufgaben und Möglichkeiten<br />

aus der Sicht der Betriebswirtschaft.<br />

In: Raiffeisen Hauptgenossenschaft Nord AG<br />

(Hg.): RHG-Gespräche »Nachhaltige Landwirtschaft«,<br />

Hannover, 2002, 75–100<br />

...............................................................................<br />

Weiter hallescher Präsident der Gesellschaft<br />

für Pflanzenbauwissenschaften<br />

Kürzlich wurde auf der 45. Jahrestagung der<br />

Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften<br />

e. V. <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Prof. Dr. agr. Wulf Diepenbrock,<br />

Direktor des Instituts für Acker- und<br />

Pflanzenbau an der Landwirtschaftliche Fakultät<br />

der halleschen Universität, für weitere<br />

drei Jahre als Präsident im Amt bestätigt.<br />

Die Gesellschaft ist die deutschsprachige wissenschaftliche<br />

Vere<strong>in</strong>igung auf dem Gebiet<br />

der Pflanzenbauwissenschaften. Zu ihren<br />

Aufgaben gehören nicht nur die Durchführung<br />

wissenschaftlicher Tagungen und die<br />

Organisation von Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften,<br />

sondern auch die gezielte Förderung des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses, die Pflege der<br />

Beziehungen zu Vere<strong>in</strong>igungen mit verwandter<br />

Zielrichtung sowie die Herausgabe der<br />

Zeitschrift »Pflanzenbauwissenschaften«.<br />

Zu den wichtigsten Vorhaben im Rahmen der<br />

neuen Amtszeit zählen die Anb<strong>in</strong>dung der<br />

Gesellschaft (600 Mitglieder) an die Europäische<br />

Dachgesellschaft und die Vorbereitung<br />

von Forschungsverbünden <strong>in</strong>nerhalb der<br />

DFG-Forschungsförderung.<br />

Hallescher Vizepräsident der Internationalen<br />

Akademie land- und hauswirtschaftlicher<br />

Berater<strong>in</strong>nen und Berater<br />

Prof. Dr. agr. Volker Petersen (Institut für<br />

Agrarökonomie und Agrarraumgestaltung an<br />

der Landwirtschaftlichen Fakultät) wurde im<br />

letzten Sommer für vier Jahre zum Vizepräsidenten<br />

der Internationalen Akademie landund<br />

hauswirtschaftlicher Berater<strong>in</strong>nen und<br />

Berater (IALB – mit ca. 1000 Mitgliedern <strong>in</strong><br />

mehr als 10 europäischen Ländern, vorrangig<br />

<strong>in</strong> Deutschland, <strong>in</strong> der Schweiz, <strong>in</strong> Österreich<br />

und Italien) gewählt.<br />

Die IALB ist die e<strong>in</strong>zige große <strong>in</strong>ternationale<br />

Beratungsorganisation <strong>in</strong> Europa. Wesentliche<br />

Aktivitäten s<strong>in</strong>d die jährlichen Beratertagungen<br />

sowie mehrwöchige Beratersem<strong>in</strong>are für<br />

künftige Führungskräfte und Sonderveranstaltungen<br />

zu aktuellen Problemen und Fragen<br />

der Land- und Ernährungswirtschaft.<br />

Ägyptische Verdienstmedaille<br />

für halleschen Wissenschaftler<br />

Der Rektor der Al Azhar Universität Kairo<br />

verlieh auf Vorschlag der Sprachwissenschaftlichen<br />

Fakultät, Abteilung Germanistik<br />

und Islamwissenschaften <strong>in</strong> Deutsch, dem<br />

emeritierten Professor für Allgeme<strong>in</strong>e Religionswissenschaften<br />

und Religionsgeschichte<br />

des Orients am Institut für Orientalistik der<br />

MLU, Prof. Dr. theol. Walter Beltz, die<br />

Verdienstmedaille der Al Azhar Universität<br />

für se<strong>in</strong>e Verdienste um die Förderung der<br />

Studenten und Absolventen dieser Abteilung<br />

und um die Erweiterung der Kontakte zwischen<br />

den beiden Universitäten.<br />

Die Medaille wurde dem halleschen Wissenschaftler<br />

im Frühherbst bei e<strong>in</strong>em Berl<strong>in</strong>-Besuch<br />

vom ehemaligen Dekan der Kairoer<br />

Sprachwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr.<br />

Muhamad Abu Hattab Khaled, überreicht.<br />

41


scientia halensis 4/2002<br />

....................................................................................<br />

Autorenanschriften /Rätsel<br />

WETTEN,<br />

SIE WISSEN’S<br />

NICHT!<br />

................................................................................<br />

Sieht man auf dem Foto:<br />

42<br />

a) das Innenleben e<strong>in</strong>er Blüte<br />

b) den Penisknochen e<strong>in</strong>es Goldhamsters<br />

c) Teile e<strong>in</strong>e Pilzgeflechts<br />

oder<br />

d) etwas ganz Anderes – und wenn ja,<br />

was?<br />

Foto: Archiv, Fachbereich Biologie<br />

Die Abbildung im Oktober-Journal 2002 zeigte e<strong>in</strong>e Bank auf dem Leipziger Hauptbahnhof aus<br />

besonderem Blickw<strong>in</strong>kel.<br />

AutorInnen dieser Ausgabe<br />

Schwerpunkt Biologie<br />

Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

Fachbereich Biologie<br />

06099 Halle<br />

Institut für Mikrobiologie<br />

Kurt-Mothes Str. 3<br />

Prof. Dr. Dietrich He<strong>in</strong>rich Nies<br />

Tel.: 0345-55 26352<br />

E-Mail: d.nies@mikrobiologie.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Jan Remmer Andreesen<br />

Tel.: 0345-55 26350,<br />

E-Mail: j.andreesen@mikrobiologie.unihalle.de<br />

Dr. Ute Lechner<br />

Tel.: 0345-55 26353,<br />

E-Mail: u.lechner@mikrobiologie.unihalle.de<br />

Institut für Zoologie<br />

Domplatz 4<br />

Prof. Dr. Rolf Gattermann, Dekan<br />

Tel.: 0345-55 26450<br />

E-Mail: gattermann@zoologie.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Hans-Jörg Ferenz<br />

Tel.: 0345-55 26440<br />

E-Mail: ferenz@zoologie.uni-halle<br />

Dr. Karsten Seidelmann<br />

Tel.: 0345-55 26476<br />

E-Mail: seidelmann@zoologie.uni-halle.de<br />

Dr. Dietrich Heidecke<br />

Tel.: 0345-55 26455<br />

E-Mail: heidecke@zoologie.uni-halle.de<br />

Dr. Karla Schneider<br />

Tel.: 0345-55 26444<br />

E-Mail: schneider@zoologie.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Gerald Moritz<br />

Tel.: 0345-55 26430<br />

E-Mail: moritz@zoologie.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Rob<strong>in</strong> F. A. Moritz<br />

Tel.: 0345-55 26223<br />

E-Mail: r.moritz@zoologie.uni-halle.de<br />

Dr. Peter Neumann<br />

Tel.: 0345-55 26389<br />

E-Mail: p.neumann@zoologie.uni-halle.de<br />

Abteilung für Biologie-Didaktik<br />

We<strong>in</strong>bergweg 10 (Biologicum)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Lerchner<br />

Tel.: 0345-55 26400<br />

E-Mail: lerchner@biodidaktik.uni-halle.de<br />

Dr. Lothar Schmidt<br />

Tel.: 0345-55 26405<br />

E-Mail: schmidt@biodidaktik.uni-halle.de<br />

Institut für Pflanzenphysiologie<br />

We<strong>in</strong>bergweg 10 (Biologicum)<br />

Prof. Dr. Klaus Humbeck<br />

Tel.: 0345-55 26410<br />

E-Mail: humbeck@pflanzenphys.unihalle.de.<br />

Prof. Dr. Udo Johann<strong>in</strong>gmeier<br />

Tel.: 0345-26247<br />

E-Mail: johann<strong>in</strong>gmeier@pflanzenphys.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Ralf Bernd Klösgen<br />

Tel.: 0345-55 26200<br />

E-Mail: kloesgen@pflanzenphys.unihalle.de<br />

Institut für Geobotanik und Botanischer<br />

Garten<br />

Am Kirchtor 1 und Neuwerk 21<br />

Prof. Dr. Isabell Hensen<br />

Tel.: 0345-55 26210<br />

E-Mail: hensen@botanik.uni-halle.de<br />

Constanze Ohl<br />

Tel.: 0345-5526255<br />

E-Mail: constanzeohl@hotmail.com<br />

Dr. Astrid Grüttner<br />

E-Mail: gruettner@botanik.uni-halle.de<br />

Dr. Matthias H. Hoffmann<br />

Tel.: 0345-55 26229<br />

E-Mail: hoffmann@botanik.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Mart<strong>in</strong> Röser<br />

Tel.: 0345-55 26218<br />

E-Mail: roeser@botanik.uni-halle.de<br />

Institut für Genetik<br />

We<strong>in</strong>bergweg 10 (Biologicum)<br />

Prof. Dr. Gunter Reuter<br />

Tel.: 0345-55 26300<br />

E-Mail: reuter@genetik.uni-halle.de<br />

Dr. Ra<strong>in</strong>er Dorn<br />

Tel.: 0345-55 26323<br />

E-Mail: dorn@genetik.uni-halle.de<br />

Gunnar Schotta<br />

Tel.: 0345-55 26321<br />

E-Mail: schotta@genetik.uni-halle.de<br />

Anja Ebert<br />

Tel.: 0345-55 26321<br />

E-Mail: ebert@genetik.uni-halle.de<br />

Kathr<strong>in</strong> Naumann<br />

Tel.: 0345-55 26303<br />

E-Mail: naumann@genetik.uni-halle.de<br />

Andreas Fischer<br />

Tel.: 0345-55 26332<br />

E-Mail: fischer@genetik.uni-halle.de<br />

Thomas Rudolph<br />

Tel.: 0345-55 26303<br />

E-Mail: rudolph@genetik.uni-halle.de<br />

Prof. Dr. Kar<strong>in</strong> D. Breunig<br />

Tel.: 0345-55 26304<br />

E-Mail: breunig@genetik.uni-halle.de<br />

Alexander Anders<br />

E-Mail: alexander.anders@student.unihalle.de<br />

Prof. Dr. Ulla Bonas<br />

Tel.: 0345-55 26290<br />

E-Mail: bonas@genetik.uni-halle.de<br />

Dr. Jens Boch<br />

Tel.: 0345-55 26296<br />

E-Mail: boch@genetik.uni-halle.de<br />

Dr. Thomas Lahaye<br />

Tel.: 0345-55 26348<br />

E-Mail: lahaye@genetik.uni-halle.de<br />

Dr. Ralf Koebnik<br />

Tel.: 0345-55 26299<br />

E-Mail: koebnik@genetik.uni-halle.de


VEREINIGUNG DER FREUNDE UND FÖRDERER DER<br />

MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT HALLE–WITTENBERG E.V.<br />

Ehrenvorsitzender des Kuratoriums: Senator e.h. Dr. h.c. mult. Hans-Dietrich Genscher<br />

Engagement für die Alumni Halenses<br />

Inzwischen hat es sich schon etwas<br />

herumgesprochen: An der Mart<strong>in</strong>-<br />

Luther-Universität gibt seit e<strong>in</strong>igen<br />

Monaten e<strong>in</strong>e Organisation der Absolventen,<br />

die Alumni Halenses.<br />

Die VFF hat die Universitätsleitung<br />

und die Fachbereiche von Anfang<br />

an beim Aufbau dieser Vere<strong>in</strong>igung<br />

unterstützt. E<strong>in</strong> Faltblatt wurde gedruckt,<br />

auf e<strong>in</strong>er Web-Seite kann<br />

man sich <strong>in</strong>formieren und e<strong>in</strong>fach<br />

registrieren. Und das 1. Internationale<br />

Treffen der Alumni Halenses am<br />

21. Juni 2002 verlief überaus erfolgreich.<br />

Die große Resonanz auf<br />

unsere E<strong>in</strong>ladung für dieses Treffen<br />

hat uns ermutigt, uns weiterh<strong>in</strong> für<br />

den Aufbau der Organisation zu engagieren.<br />

Der Term<strong>in</strong> für das 2. Internationale<br />

Treffen der Alumni<br />

Halenses steht schon fest: Am 4. Juli<br />

2003 s<strong>in</strong>d wieder alle Absolventen<br />

der Universität e<strong>in</strong>geladen, nach<br />

Halle zu kommen, um e<strong>in</strong>en Tag geme<strong>in</strong>sam<br />

zu verbr<strong>in</strong>gen, sich auszutauschen<br />

oder e<strong>in</strong>fach zu schauen,<br />

was es Neues gibt an der Universität<br />

und <strong>in</strong> der Stadt. Auf unserer Web-<br />

Seite:<br />

www.uni-halle.de/alumni<br />

geben wir das detaillierte Programm<br />

rechtzeitig bekannt. Wir hoffen, dass<br />

so auch all diejenigen, die zu spät<br />

vom ersten Treffen erfahren haben,<br />

dabei se<strong>in</strong> werden.<br />

Die F<strong>in</strong>anzierung<br />

Im Unterschied zu Ehemaligen-Netzwerken<br />

an anderen Universitäten ist<br />

die Mitgliedschaft bei den Alumni<br />

Halenses nicht mit Kosten verbunden.<br />

Wir bitten lediglich um e<strong>in</strong>en<br />

Beitrag zur F<strong>in</strong>anzierung der jährlichen<br />

Treffen. Das heißt: Wer nicht<br />

kommen kann, muss auch nichts bezahlen.<br />

Selbstverständlich würden wir<br />

uns jedoch freuen, wenn immer<br />

mehr Alumni Halenses das Engagement<br />

der VFF durch ihre Mitgliedschaft<br />

oder zweckgebunde Spenden<br />

unterstützen.<br />

Peter Weniger<br />

Foto: Kai-Uwe Dietrich, konzept+form<br />

Vorsitzender des Kuratoriums: Senator e.h.Dr.Gerhard Holland<br />

Präsident: Senator e.h.Dr.Wolfgang Röller<br />

Geschäftsführer: Peter Weniger<br />

c/o Mart<strong>in</strong>-Luther-Universität Halle–Wittenberg, 06099 Halle (Saale)<br />

Telefon: (0345) 55-21024/25<br />

Telefax: (0345) 55-27085<br />

e-mail: PWeniger@vff.uni-halle.de<br />

Internet: http://www.uni-halle.de/vff/<br />

Für Mitgliedsbeiträge und Spenden wurden folgende Konten e<strong>in</strong>gerichtet:<br />

Dresdner Bank Halle,<br />

Konto-Nr. 857362100, BLZ 80080000<br />

Stadt- und Saalkreissparkasse Halle,<br />

Konto-Nr. 386300762, BLZ 80053762<br />

Spenden zur Verwirklichung der Ziele der Vere<strong>in</strong>igung und zum Nutzen der Universität s<strong>in</strong>d jederzeit willkommen. Diese Spenden können an e<strong>in</strong>e Zweckbestimmung<br />

gebunden se<strong>in</strong>. Die Vere<strong>in</strong>igung ist berechtigt, steuerwirksame Spendenbesche<strong>in</strong>igungen auszustellen.

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