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Gloria Dahl Märchen-Bilder in der Analytischen ... - gloriabecker.de

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<strong>Gloria</strong> <strong>Dahl</strong><br />

<strong>Märchen</strong>-<strong>Bil<strong><strong>de</strong>r</strong></strong> <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Analytischen</strong> Intensivbehandlung<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stands-Analyse –<br />

E<strong>in</strong> Übersetzungsversuch<br />

(bearbeitete Fassung e<strong>in</strong>es Artikels <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeitschrift „Zwischenschritte“ 14. Jahrgang<br />

1/1995, S. 68-80)<br />

Nach<strong>de</strong>m mehrfach die Frage an mich herangetragen wur<strong>de</strong>, ob mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahme <strong>de</strong>s<br />

psychoanalytischen Sett<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Analytischen</strong> Intensivbehandlung auch mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> m<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ausdrücklich FREUDsche Erklärungsansätze <strong>in</strong> dieser tiefenpsychologischen Kurztherapie<br />

weiterleben und hier möglicherweise unübersetzt als Residuen weiterwirken, möchte ich im<br />

folgen<strong>de</strong>n am Beispiel <strong>de</strong>s Term<strong>in</strong>us `Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand` auf diese Problematik e<strong>in</strong>gehen. Dies soll<br />

e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Reihe von Beiträgen e<strong>in</strong>leiten, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegenstandsbildung<br />

FREUDs exemplarisch an e<strong>in</strong>igen Begriffen das Morphologische Konzept, wie<br />

es <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Analytischen</strong> Intensivbehandlung zur Anwendung kommt, dargestellt wer<strong>de</strong>n soll. 1<br />

Vor <strong>de</strong>m H<strong>in</strong>tergrund <strong><strong>de</strong>r</strong> psychoanalytischen Tradition, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> die Morphologie steht, soll<br />

dabei <strong>de</strong>utlich gemacht wer<strong>de</strong>n, <strong>in</strong>wiefern die Intensivbehandlung beanspruchen kann, über<br />

psychoanalytische Konzepte h<strong>in</strong>auszugehen, ohne <strong>in</strong> eklektizistischer Manier, wie es heutzutage<br />

<strong>in</strong> sogenannten metho<strong>de</strong>nübergreifen<strong>de</strong>n Therapieformen angestrebt wird, verschie<strong>de</strong>ne<br />

brauchbar ersche<strong>in</strong>en<strong>de</strong> Versatzstücke zusammenzufügen, als ließe sich dadurch Indikation<br />

und Behandlungsbreite erweitern – für je<strong>de</strong>n das passen<strong>de</strong> Stück.<br />

Analytische Intensivbehandlung grenzt sich nicht nur durch Intensivierung und Begrenzung<br />

auf 20-Stun<strong>de</strong>n-Werke von <strong><strong>de</strong>r</strong> Psychoanalyse ab, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird vor allem durch das<br />

zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong> Verkehrthaltensmo<strong>de</strong>ll, durch die Rekonstruktion von gelebten <strong>Märchen</strong>-<br />

<strong>Bil<strong><strong>de</strong>r</strong></strong>n, durch <strong>de</strong>n Versionengang und die Betonung <strong><strong>de</strong>r</strong> kunstanalogen Metho<strong>de</strong> als eigenständige<br />

Therapieform qualifiziert. In<strong>de</strong>m hier versucht wird, zu Problemen, die sich FREUD<br />

stellten, von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Analytischen</strong> Intensivbehandlung und ihrer spezifischen Handhabung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Behandlungsverfassung her Stellung zu nehmen, soll e<strong>in</strong>e Form, diese tiefenpsychologische<br />

Therapie zu praktizieren, explizit gemacht und zur Diskussion gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die <strong>Märchen</strong>-<strong>Bil<strong><strong>de</strong>r</strong></strong> wer<strong>de</strong>n auf diesem Wege <strong>de</strong>s Austauschs von verschie<strong>de</strong>nen Blickw<strong>in</strong>keln<br />

her umgekramt – e<strong>in</strong>e Vorgehensweise, aus <strong><strong>de</strong>r</strong> möglicherweise e<strong>in</strong>e an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sicht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> D<strong>in</strong>ge entstehen kann.<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand:<br />

„Was e<strong>in</strong>mal zu Leben gekommen ist, weiß sich zäh zu behaupten“ 2<br />

Rekapitulieren wir: FREUD gab se<strong>in</strong>en ersten therapeutischen Ansatz mittels Hypnose<br />

u.a. mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung auf, daß e<strong>in</strong>e solche Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Suggestivbehandlung „uns die E<strong>in</strong>sicht<br />

<strong>in</strong> das psychische Kräftespiel verhüllt, z.B. uns <strong>de</strong>n Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand nicht erkennen läßt, mit<br />

<strong>de</strong>m die Kranken an ihrer Krankheit festhalten, mit <strong>de</strong>m sie sich also auch gegen die Genesung<br />

sträuben und <strong><strong>de</strong>r</strong> doch alle<strong>in</strong> das Verständnis ihres Benehmens im Leben ermöglicht“<br />

(FREUD 1905, 113). Selbst wenn das Durcharbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stän<strong>de</strong> e<strong>in</strong>e Geduldsprobe für<br />

bei<strong>de</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung Beteiligten sei, so habe es doch „die größte verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> E<strong>in</strong>wirkung<br />

auf <strong>de</strong>n Patienten“ (FREUD 1914, 215); Überlegungen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen 3 sei e<strong>in</strong>e wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standslose<br />

psychoanalytische Behandlung möglich, stellte FREUD bald wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Frage.<br />

Seelische Werke – auch Behandlungswerke – s<strong>in</strong>d ohne Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand nicht <strong>de</strong>nkbar, was anhand<br />

von Fehlleistungen und Träumen auch an Alltagsproduktionen nachgewiesen wur<strong>de</strong>.<br />

Ursprünglich <strong>de</strong>m `Ich` <strong>in</strong> Form von Verdrängungs- und Übertragungswi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand sowie<br />

als sekundärer Krankheitsgew<strong>in</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>er Umstrukturierung entgegensteht, zugeschrieben,<br />

wur<strong>de</strong> die Konstruktion dieses seelischen Phänomens noch komplexer. Es mußte außer<strong>de</strong>m


von e<strong>in</strong>em Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong>de</strong>s Über-Ichs (Straften<strong>de</strong>nz) und von e<strong>in</strong>em Es-Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand ausgegangen<br />

wer<strong>de</strong>n. Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong>de</strong>s Unbewußten kommt als Macht <strong>de</strong>s Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holungszwangs<br />

zum Tragen, <strong>in</strong><strong>de</strong>m „unbewußte Vorbil<strong><strong>de</strong>r</strong>“ (FREUD 1926a, 292/297) – <strong>de</strong>m Lustpr<strong>in</strong>zip zum<br />

Trotz – anziehend wirken und sich e<strong>in</strong> Triebvorgang schwertut, se<strong>in</strong>en gewohnten Weg zugunsten<br />

e<strong>in</strong>es an<strong><strong>de</strong>r</strong>en aufzugeben (FREUD 1926b, 315; vgl. auch die „konservative Natur<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Triebe“; FREUD 1933, 529). Im Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holungszwang wird das ganze dann vollends abgründig.<br />

Es wird <strong>de</strong>utlich, daß das, was zunächst als Hemmung erschien, als konstitutioneller Zug<br />

im Seelischen erkannt und schließlich gar als Hilfsmittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung wertgeschätzt wur<strong>de</strong>.<br />

Als Anna FREUD später ihre Auffassung revidierte, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>-Therapie zunächst<br />

e<strong>in</strong>e Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>leitung vorausgehen müsse, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sie nun <strong>de</strong>n Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand analysierte,<br />

machte sie <strong>de</strong>utlich, daß dieses Material – bei Ausfall von freier Assoziation und Traum<strong>de</strong>utung<br />

<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit mit K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n – für <strong>de</strong>n Behandlungsprozeß fruchtbar zu machen war (A.<br />

FREUD 1965, 2154 und 1974, 8). Therapeutisches Wirken beg<strong>in</strong>nt nicht erst danach. A.<br />

FREUD hatte bereits anhand von zehn Ausprägungen von Abwehrmechanismen 4 beschrieben,<br />

welche raff<strong>in</strong>ierten Umformungsvarianten im Seelischen allgeme<strong>in</strong> am Werk s<strong>in</strong>d.<br />

Ke<strong>in</strong> Behandlungswerk funktioniert ohne Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand ersche<strong>in</strong>t dabei zunehmend als Begrenzung, die immanent aus <strong>de</strong>m Eigenrecht<br />

von Verfassungen erwächst, ist also durch das paradoxe Verhältnis von Erhaltens- und<br />

Verwandlungsnotwendigkeit im Seelischen (Versalitätsproblem) bed<strong>in</strong>gt (s. SALBER 1973-<br />

75). An<strong><strong>de</strong>r</strong>s gesagt be<strong>de</strong>utet dies, daß Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand Produktionen erst lebensfähig macht –<br />

e<strong>in</strong> Umstand, <strong><strong>de</strong>r</strong> bereits aus Bee<strong>in</strong>flussungsprozessen vertraut ist – und daß Wandlungsprozesse<br />

darauf angewiesen s<strong>in</strong>d, sich diese Beharrungsten<strong>de</strong>nz, die geschickt Umwege<br />

geht und die Gestalt wechselt, um etwas so zu halten, wie es ist (!), zunutze zu machen.<br />

Dies legt nahe, daß e<strong>in</strong>e Therapieform, die solche Werke behan<strong>de</strong>ln will, e<strong>in</strong>er kunstanalogen<br />

Metho<strong>de</strong> bedarf, um diese paradoxen und vielfach gedrehten Gebil<strong>de</strong> <strong>in</strong> ihrer Machart<br />

verstehen und <strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Wendungen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>führen zu können. An dieser Stelle wird hoffentlich<br />

sichtbar, wie die psychoanalytische Konstruktion `Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand` <strong>in</strong> das Morphologische<br />

System zu übersetzen wäre. Im folgen<strong>de</strong>n soll aufgezeigt wer<strong>de</strong>n, welche Konsequenzen<br />

sich aus dieser Sichtweise für die therapeutische Arbeit ergeben.<br />

Dazu ist wichtig, vorab noch e<strong>in</strong>mal an diese für die Behandlung unabkömmliche und<br />

för<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Seite <strong>de</strong>s `Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stands` zu er<strong>in</strong>nern, da Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand nach wie vor häufig – und<br />

stellenweise von FREUD selbst nahegelegt – als H<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>nis behan<strong>de</strong>lt wird, das zu bekämpfen,<br />

zu überw<strong>in</strong><strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu umgehen sei, um dann zu <strong>de</strong>n `eigentlichen` Inhalten vorzudr<strong>in</strong>gen.<br />

(Ähnlich, als gelte es, die Traumarbeit als letztlich unbe<strong>de</strong>utsam zur Seite zu schieben,<br />

um <strong>de</strong>n zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n Wunsch herauszuschälen.) Zentral für Traum und Behandlung<br />

ist jedoch <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg, h<strong>in</strong>ter <strong>de</strong>ssen Kunst und Vielschichtigkeit je<strong>de</strong> – im Grun<strong>de</strong> banale –<br />

Wunscherfüllung bzw. Deutung zurückbleiben muß! Der Prozeß als ganzes br<strong>in</strong>gt etwas <strong>in</strong><br />

Bewegung, nicht e<strong>in</strong>e o<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong>ige treffen<strong>de</strong> und gut getimte Deutung(en). Zugespitzt geht es<br />

also hier um e<strong>in</strong> Plädoyer für Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand als vollgültiges Material <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung. 5<br />

Kle<strong>in</strong>e Phänomenologie <strong>de</strong>s `Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stands`<br />

Schauen wir uns e<strong>in</strong>mal an, was geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> alles unter Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand subsumiert wird: Zunächst<br />

greift dieser Begriff beschreibungsnah die Erfahrung auf, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlungsprozeß<br />

nicht geradl<strong>in</strong>ig verläuft, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n – trotz Lei<strong>de</strong>nsdruck und Genesungswunsch – mit<br />

Qualitäten <strong>de</strong>s Sperrigen, Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spenstigen und Sich-Entziehen<strong>de</strong>n verbun<strong>de</strong>n ist. Dar<strong>in</strong> ist<br />

e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Zug <strong>de</strong>s Seelischen spürbar, nämlich, daß Entwicklung sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em eigentümlichen<br />

Vor- und Zurück, <strong>in</strong> unberechenbaren Sprüngen und spiralförmigen Wendungen


mit unvermeidlichen Rückfällen und Stillstän<strong>de</strong>n vollzieht, bei <strong>de</strong>nen es nicht selten schwerfällt<br />

zu entschei<strong>de</strong>n, ob es nur sche<strong>in</strong>bar o<strong><strong>de</strong>r</strong> tatsächlich nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Stelle geht. Häufig<br />

muß man se<strong>in</strong>e vorläufige E<strong>in</strong>schätzung dann, von e<strong>in</strong>em späteren Behandlungsabschnitt<br />

aus betrachtet, immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> korrigieren. 6<br />

Wie<strong><strong>de</strong>r</strong> und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> wird im geme<strong>in</strong>samen Werk e<strong>in</strong>e Stockung <strong>de</strong>s Behandlungsflusses<br />

erlebbar, die Lücken reißt, Zusammenhänge auflöst und E<strong>in</strong>zelnes isoliert. Er ersche<strong>in</strong>t so,<br />

als wür<strong>de</strong> etwas abgesperrt o<strong><strong>de</strong>r</strong> unzugänglich gemacht, als wür<strong>de</strong>n falsche Verknüpfungen<br />

angeboten 7 , als wür<strong>de</strong> wissentlich wie unwissentlich etwas verschwiegen und somit gegen<br />

die Grundregel verstoßen. Aktuell wird dabei etwas <strong>in</strong> Szene gesetzt, das Aufschluß darüber<br />

gibt, wie die Zirkulation im Seelischen strukturell gestört wird; dies be<strong>de</strong>utet, daß dar<strong>in</strong> auch<br />

die Genese <strong>de</strong>ssen, was da auf da auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Couch liegt, greifbar wird.<br />

Übertragung und Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand s<strong>in</strong>d also Ausdruck von Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holungen, welche <strong>de</strong>n Umbildungsprozeß<br />

auch <strong>in</strong>sofern unterstützen, als an ihnen Produktionen <strong>in</strong> ihrer Geschichte, <strong>in</strong><br />

ihrer Komposition und <strong>in</strong> <strong>de</strong>n sie bestimmen<strong>de</strong>n Maß-Verhältnissen – u.a. an <strong><strong>de</strong>r</strong> Stärke <strong>de</strong>s<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stands abzulesen – erschlossen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Faßt man <strong>de</strong>n Therapieverlauf <strong>de</strong>mgegenüber als e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierliches Auf<strong>de</strong>cken, Verstehen<br />

und Umwan<strong>de</strong>ln auf, so ersche<strong>in</strong>en diese Phänomene als leidige Störungen auf <strong>de</strong>m<br />

Weg zum Behandlungserfolg. Dann wird vieles, was sich <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlungsverfassung<br />

zeigt, als Sabotieren <strong><strong>de</strong>r</strong> Regeln, als Tarnungs- und Täuschungsmanöver gesehen und teilweise<br />

auch e<strong>in</strong>gestan<strong>de</strong>nermaßen als ärgerlich empfun<strong>de</strong>n. Wenn man allerd<strong>in</strong>gs ernst<br />

nimmt, daß das eben beschriebene paradoxe Zugleich je<strong>de</strong>s seelische Geschehen charakterisiert,<br />

wird alles, was im geme<strong>in</strong>samen Werk <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt, als Ausdrucksweise e<strong>in</strong>es<br />

Lebensbil<strong>de</strong>s verstan<strong>de</strong>n – auch das, was üblicherweise als Abwehrform <strong>in</strong>haltlich weniger<br />

von Belang ersche<strong>in</strong>t. Das umfaßt selbstverständlich ebenso nichtsprachliches Material, welches<br />

körperlich und im ganzen `Drumherum` - vom Here<strong>in</strong>kommen bis zum Verabschie<strong>de</strong>n –<br />

agiert und <strong>in</strong>szeniert wird. Im Rückblick auf etwa 200 Intensivbehandlungsfälle erweist sich<br />

dann, daß solch sche<strong>in</strong>bar stören<strong>de</strong>n Phänomene nicht nur ihren S<strong>in</strong>n und ihre Berechtigung<br />

haben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Geschehen im ganzen weitertragen und im geme<strong>in</strong>samen Werk Metamorphosen<br />

<strong>de</strong>s gelebten <strong>Märchen</strong>bil<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong>gestalt faßbar machen, daß dieses Bild rekonstruierbar<br />

wird. Wenn wir nämlich betrachten, <strong>in</strong> welchem Gewand `Abwehr` ersche<strong>in</strong>t, so<br />

f<strong>in</strong><strong>de</strong>n wir dies <strong>in</strong> <strong>de</strong>n <strong>Märchen</strong> <strong>in</strong> vielerlei Gestalt erzählt wie<strong><strong>de</strong>r</strong> – oftmals verblüffend wörtlich<br />

zu nehmen; bildhaft, so wie es uns <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung begegnet, kommt es dar<strong>in</strong> zur<br />

Sprache. Die Verwandlungssorte als Dreh- und Angelpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Konstruktion wird häufig erst<br />

über das Erfassen materialer Eigentümlichkeiten und Handlungen <strong>de</strong>s Falles zugänglich,<br />

welche sich auf <strong>de</strong>n ersten Blick als wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ständig erweisen. Wie noch näher erläutert wer<strong>de</strong>n<br />

wird, treten Haupt- und Nebenfiguration dabei <strong>in</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Weise hervor.<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand im <strong>Märchen</strong><br />

Therapie und <strong>Märchen</strong> behan<strong>de</strong>ln Unverfügbares o<strong><strong>de</strong>r</strong> – auch vor <strong>de</strong>n eigenen Blicken -<br />

Verborgenes, das nur periodisch zutage tritt, ansonsten aber gut gegen jeglichen Zugriff gesichert<br />

ist. Tore, Mauern, Hecken s<strong>in</strong>d zu überw<strong>in</strong><strong>de</strong>n, doch <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchgang läßt sich nicht<br />

erzw<strong>in</strong>gen. Es ist e<strong>in</strong>e beschwerliche Reise vonnöten, und die Öffnung hat die ihr angemessene<br />

Zeit – das wirkt manchmal wie Zauberei. In mehreren Versionen wird dies als e<strong>in</strong> Prozeß<br />

zwischen (auch zigfachem) Verlieren, Suchen und F<strong>in</strong><strong>de</strong>n beschrieben, als e<strong>in</strong> Weg, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

zeitweise <strong>in</strong> leidvolle Verengungen führt, bei <strong>de</strong>m ke<strong>in</strong>e Wendung mehr möglich sche<strong>in</strong>t, es<br />

nicht rückwärts und nicht vorwärts geht. Dies entspricht sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte, die <strong>in</strong> die<br />

Krise führte, als auch <strong>de</strong>m aktuell zu durchlaufen<strong>de</strong>n Behandlungsprozeß, <strong><strong>de</strong>r</strong> diese Genese<br />

sozusagen <strong>in</strong> statu nascendi vor Augen führt. Wir sehen dann Verfestigtes und <strong>de</strong>n Vorgang<br />

<strong>de</strong>s Verfestigens zugleich.


Das kann ganz unterschiedliche Ausprägungen aufweisen, und je nach Grad und materialer<br />

Färbung erhalten wir aufschlußreiche H<strong>in</strong>weise auf die <strong>Märchen</strong>konstruktion. Führt<br />

dieses Festwer<strong>de</strong>n, an <strong>de</strong>m sich kaum rütteln läßt, beispielsweise<br />

- <strong>in</strong> Verste<strong>in</strong>erung? („Der treue Johannes“, „Rotkäppchen“, „Der Wolf und die sieben Geißle<strong>in</strong>“<br />

.)<br />

- O<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Versumpfen? („Der Eisenhans“)<br />

- In Festgebun<strong>de</strong>nes bzw. E<strong>in</strong>gesperrtes wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Käfig? („Der Froschkönig o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

eiserne He<strong>in</strong>rich“, „Marienk<strong>in</strong>d“, „Hänsel und Gretel“, „Der Eisenhans“, „Der Geist im Glas“<br />

),<br />

- Wirkt es eher wie e<strong>in</strong> Festhängen, Sich-Verwickeln? („Schneeweißchen und Rosenrot“, „Das<br />

Wasser <strong>de</strong>s Lebens“ )<br />

- O<strong><strong>de</strong>r</strong> haben wir es mit Tot-Gestellten zu tun? („Schneewittchen“ im Sarg bzw. E<strong>in</strong>frieren von<br />

Entwicklung <strong>in</strong> „Dornröschen“ )<br />

- O<strong><strong>de</strong>r</strong> wird man festgesetzt wie das E<strong>in</strong>horn und das Wildschwe<strong>in</strong> <strong>in</strong> „Das tapfere Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>le<strong>in</strong>“?<br />

Die <strong>Märchen</strong>bil<strong><strong>de</strong>r</strong> beschreiben viele verschie<strong>de</strong>ne Gesichter und Schicksale solcher<br />

Verfestigungen, die hier nicht mit <strong>de</strong>m Anspruch auf Vollständigkeit dargestellt wer<strong>de</strong>n können.<br />

Auch können im Rahmen dieses Beitrags nicht möglichst lückenlos und halbwegs plausibel<br />

die <strong>Märchen</strong>-Varianten aufgeführt wer<strong>de</strong>n, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen jeweils e<strong>in</strong>e Spielart dieser – wie<br />

weiterer Züge – behan<strong>de</strong>lt wird. (Dies wür<strong>de</strong> zu<strong>de</strong>m fälschlicherweise <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>es<br />

Rasters erwecken, was überhaupt nicht die Metho<strong>de</strong> ganzheitlicher Rekonstruktion wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegeln<br />

könnte.) Hier soll lediglich e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die notwendig differenzierte Arbeit mit<br />

<strong>Märchen</strong>bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n – diesmal eher von ihren materialen Qualitäten her – gegeben wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st erahnen läßt, wie komplex und formenreich seelische Konstruktionen s<strong>in</strong>d. H<strong>in</strong>zu<br />

kommt, daß ke<strong>in</strong>e Systematik e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>schauen ersparen kann.<br />

Wenn wir also unsere Beobachtungen im geme<strong>in</strong>samen Behandlungswerk noch e<strong>in</strong>gehen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nuancieren, kreisen wir das gelebte Bild nach und nach e<strong>in</strong>, <strong>in</strong><strong>de</strong>m wir z.B. weiterfragen:<br />

Was ist das für e<strong>in</strong> Käfig?<br />

- E<strong>in</strong> verlocken<strong>de</strong>s Knusper- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zwergenhaus, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m man es sich, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er überschaubaren<br />

Welt, gemütlich e<strong>in</strong>richtet? („Hänsel und Gretel“, „Schneewittchen“ – auch <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Metamorphose<br />

<strong>de</strong>s Glassarges, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m man sich gerne, auf ewig unantastbar schön, zeigt.)<br />

- E<strong>in</strong> lo<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Scheiterhaufen, von <strong>de</strong>m man, ebenso selbstquälerisch, nicht lassen möchte?<br />

(„Marienk<strong>in</strong>d“)<br />

- O<strong><strong>de</strong>r</strong> e<strong>in</strong> Dornenhag, <strong>in</strong> <strong>de</strong>m es wuchern darf? („Dornröschen“)<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Fragen wären: Wie und wann gerät man <strong>in</strong> die Klemme h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>? In welchen Geschichten<br />

wird dies dramatisiert, und wie wird es <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlungsverfassung vorgeführt?<br />

- Durch, zuweilen perseverieren<strong>de</strong>, Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holungen, <strong>in</strong><strong>de</strong>m man immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurück möchte<br />

zu <strong>de</strong>n Anfängen <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung, zu Symbiosen o<strong><strong>de</strong>r</strong> zurück <strong>in</strong> <strong>de</strong>n<br />

Mutterleib? (vgl. das Festkleben <strong>in</strong> „Hänsel und Gretel“, „Schneewittchen“ – selbst h<strong>in</strong>ter <strong>de</strong>n<br />

`sieben Bergen` holt e<strong>in</strong>en die Symbiose e<strong>in</strong>, o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Uterus-Bild <strong>in</strong> „Rotkäppchen“ und <strong>in</strong><br />

„Der Wolf und die sieben Geißle<strong>in</strong>“)?<br />

- Als `Strafe` für e<strong>in</strong> Beanspruchen von Zuviel? („Marienk<strong>in</strong>d“ – Alles; „Fitchers Vogel – <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

größte Zauberer se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Tabu übertreten und <strong>in</strong> verschlossene Räume e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen führt <strong>in</strong><br />

Zerhacktes als Durchglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s großen Ganzen; „Rumpelstilzchen“ – Fasz<strong>in</strong>ation <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

vorgestaltlichen Vielfalt; Aschenputtel“ – Anfachen e<strong>in</strong>es Erregungsfeuers; „Allerleirauh“ –<br />

Unmögliches (Inzest-Bild); „Schneewittchen“ – endloses Verrücken)<br />

- O<strong><strong>de</strong>r</strong> als Sühne für die Revolte <strong>de</strong>s verlorenen Sohnes? („Der Eisenhans“)<br />

- In<strong>de</strong>m man unschuldig schuldig wird? („Die sieben Raben“, „Die sechs Schwäne“, „Der treue<br />

Johannes“)


- In<strong>de</strong>m man <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchung e<strong>in</strong>es unverb<strong>in</strong>dlichen Re<strong>in</strong>-Raus erliegt? („Der Wolf und die<br />

sieben Geißle<strong>in</strong>“)<br />

- O<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong><strong>de</strong>m man durch die Macht e<strong>in</strong>es Bil<strong>de</strong>s gefesselt wird? („Der treue Johannes“, „Der<br />

Krautesel“, „Der gestiefelte Kater“)<br />

In ähnlicher Weise muß genauer herausgerückt wer<strong>de</strong>n, was geschieht, wenn man an<br />

das Verfestigte rührt:<br />

- Wird dann gezappelt und sich lauthals beschwert, wenn Befreiung auf Kosten e<strong>in</strong>er Beschränkung,<br />

durch Abschnei<strong>de</strong>n von Liebgewor<strong>de</strong>nem, geschieht? („Schneeweißchen und<br />

Rosenrot“)<br />

- Beg<strong>in</strong>nt man an solchen Stellen e<strong>in</strong>en Han<strong>de</strong>l? („Rumpelstilzchen“)<br />

- O<strong><strong>de</strong>r</strong> nimmt man dies <strong>in</strong> Kauf? („Die sieben Raben“)<br />

- Wird darauf gewartet, daß die Erlösung sich schlagartig bzw. wie von selbst e<strong>in</strong>stellt?<br />

(„Froschkönig“ – Verwandlung auf e<strong>in</strong>en `Knall`; „Der Gestiefelte Kater“, „Der Geist im Glas“<br />

– überfallartiges Glück durch dienstbare Geister; „Dornröschen“ – nur 100 Jahre warten; „Der<br />

Bärenhäuter“, „Des Teufels rußiger Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>“ – Aussitzen e<strong>in</strong>es siebenjährigen Moratoriums)<br />

- Wird es `stachelig`, wenn man sich wun<strong>de</strong>n Punkten nähert? („Dornröschen“, „Hans me<strong>in</strong><br />

Igel“)<br />

- Wie beharrlich wird festgehalten, hat das ausgesprochen trotzige Qualität? („Marienk<strong>in</strong>d“,<br />

„Aschenputtel“)<br />

- Wird massiv versucht, e<strong>in</strong>en mit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu `verbacken`, sich das An<strong><strong>de</strong>r</strong>e e<strong>in</strong>zuverleiben,<br />

<strong>in</strong><strong>de</strong>m <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung notwendig sich e<strong>in</strong>stellen<strong>de</strong>s Unverdauliches, Frem<strong>de</strong>s e<strong>in</strong>geebnet<br />

wird? („Von <strong>de</strong>m Machan<strong>de</strong>lboom“ – radikal-kannibalistisches Gleichmachen (Kommunion-<br />

Bild). Verwandte Formen <strong>de</strong>s Wegmachens auf <strong>de</strong>m Weg zur perfekten Gestalt f<strong>in</strong><strong>de</strong>n sich<br />

bei „Schneewittchen“; „Rotkäppchen“ - Packen und Verschl<strong>in</strong>gen; „Der Wolf und die sieben<br />

Geißle<strong>in</strong>“ – nur e<strong>in</strong> Geißle<strong>in</strong> rettet se<strong>in</strong>e Eigenart; „Aschenputtel“ – Zwang zur Anpassung<br />

von Unpassen<strong>de</strong>m, bis Blut fließt)<br />

- Zielt das auf e<strong>in</strong>e Art `Verbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>ung` ab, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> man sich gegenseitig nichts tun darf und<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüche ausgeschaltet wer<strong>de</strong>n sollen? („Tischle<strong>in</strong> <strong>de</strong>ck dich, Gol<strong>de</strong>sel und Knüppel<br />

aus <strong>de</strong>m Sack“ – Sehnsucht nach e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen E<strong>in</strong>heit bzw. Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vere<strong>in</strong>igung; „Der<br />

Gestiefelte Kater“ – Setzen auf Entgegenkommen)<br />

- Steht e<strong>in</strong> ständiges Sich-Messen und Übertrumpfen-Wollen im Vor<strong><strong>de</strong>r</strong>grund, das an<strong><strong>de</strong>r</strong>es<br />

Material kaum zum Zuge kommen läßt? („Schneewittchen“-Rivalität; „Der kle<strong>in</strong>e Däuml<strong>in</strong>g“<br />

mit Siebenmeilenstiefeln, „Das tapfere Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>le<strong>in</strong>“, das von e<strong>in</strong>em Mehr! Mehr! beherrscht<br />

wird); Kampf darum, wer besser hexen kann: „Fitchers Vogel“, „Der Gestiefelte<br />

Kater“)<br />

Bei alle<strong>de</strong>m sollte erkennbar wer<strong>de</strong>n, daß die Analytische Intensivbehandlung e<strong>in</strong>en<br />

`Übertragungswi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand` nicht eigens herausstellt und abgrenzt, <strong>de</strong>nn alles spielt sich im<br />

geme<strong>in</strong>samen Werk ab, ist nur dar<strong>in</strong> erfahrbar und nicht davon zu trennen.<br />

Trickreiche Metho<strong>de</strong>n<br />

Wir fragen weiter:<br />

- Wird Listenreiches e<strong>in</strong>gesetzt, um aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Enge herauszukommen und sich <strong>de</strong>nnoch e<strong>in</strong>er<br />

Wandlung zu entziehen? („Hänsel und Gretel“, „Der Gestiefelte Kater“, „Der Geist im Glas“,<br />

„Hans me<strong>in</strong> Igel“ )<br />

In <strong>de</strong>n <strong>Märchen</strong> f<strong>in</strong><strong>de</strong>n sich somit sämtliche Formen, die als Abwehrmechanismen beschrieben<br />

wur<strong>de</strong>n, sowie e<strong>in</strong>ige an<strong><strong>de</strong>r</strong>e gelebte Metho<strong>de</strong>n, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen nach allen Regeln <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kunst verlagert, verschoben, ersetzt, verleugnet, umgedichtet, <strong>de</strong>monstriert und umgekehrt<br />

wird. Die ganze Palette seelischer Transponierbarkeit kommt hier <strong>in</strong>s Spiel.


Was nutzen die gewitzten Wendungen aus? Sie kehren z.B. Verhältnisse um:<br />

- groß/kle<strong>in</strong>: „Der Gestiefelte Kater“, „Das tapfere Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>le<strong>in</strong>“, „Tischle<strong>in</strong> <strong>de</strong>ck dich“, „Der<br />

kle<strong>in</strong>e Däuml<strong>in</strong>g“, „Die Gänsemagd“ <br />

- Tun/Getanwer<strong>de</strong>n (aktiv/passiv): „Allerleirauh“, „Marienk<strong>in</strong>d“, „Der Eisenhans“, Der Bärenhäuter“<br />

– an<strong><strong>de</strong>r</strong>en e<strong>in</strong> Ent<strong>de</strong>ck-Mich zuschieben; „Schneewittchen“, „Der Wolf und die sieben<br />

Geißle<strong>in</strong>“ – Je<strong>in</strong>-Abwehr als Zweiseitigkeit von Verführung; „Der Bärenhäuter“ – passives<br />

Aushalten als Pakt; „Hänsel und Gretel“ – Oper/Täter-Drehung; „König Drosselbart“ – willfähriges<br />

Sich-Unterwerfen im Inszenieren e<strong>in</strong>er `Vergewaltigung`; „Der Froschkönig“ – Vertragsbruch<br />

e<strong>in</strong>klagen, Macht <strong>de</strong>s Ressentiments, „Vom Machan<strong>de</strong>lboom“ – Zuschieben<br />

e<strong>in</strong>er Tat<br />

- Alles/Nichts: „Marienk<strong>in</strong>d“, „Tischle<strong>in</strong> <strong>de</strong>ck dich“<br />

- Ganzes/Teile: „Der Wolf und die sieben Geißle<strong>in</strong>“ – Isolieren, Päckchen-Machen und Verschl<strong>in</strong>gen<br />

mit Haut und Haar; „Der Gestiefelte Kater“ – unzufrie<strong>de</strong>ne Teile beanspruchen die<br />

ganze E<strong>in</strong>heit<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Arten <strong>de</strong>s Spiels mit Übergängen wären:<br />

- Umstülpen von Urbild/Ersatz (Se<strong>in</strong>/Sche<strong>in</strong>): „Der Gestiefelte Kater“ <strong>in</strong> hochstaplerischen<br />

Zügen; „Die kluge Else“ – b<strong>in</strong> ich`s / b<strong>in</strong> ich`s nicht?; „Tischleich <strong>de</strong>ck dich“, „Frau Holle“,<br />

„Der kle<strong>in</strong>e Däuml<strong>in</strong>g“ – Vertausch<br />

- Reversibilität von Entwicklung als Ungeschehenmachen: „Der Geist im Glas“, „Dornröschen“<br />

- Umwertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Werte: „Der Bärenhäuter“, „Frau Holle“ – Jonglieren mit Verkehrbarkeit<br />

- Ne<strong>in</strong> heißt Ja – wie im Traum: „Marienk<strong>in</strong>d“, Tischle<strong>in</strong> <strong>de</strong>ck dich“<br />

- Gegene<strong>in</strong>an<strong><strong>de</strong>r</strong>-Ausspielen von wi<strong><strong>de</strong>r</strong>streiten<strong>de</strong>n e<strong>in</strong>zelnen Zügen: „Das tapfere Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

le<strong>in</strong>“<br />

- Intelligenz <strong>de</strong>s Sich-Dummstellens: „Von e<strong>in</strong>em, <strong><strong>de</strong>r</strong> auszog, das Fürchten zu lernen“, „Die<br />

kluge Else“<br />

- Wan<strong>de</strong>l von Gestalten: „Der Gestiefelte Kater“, Der Wolf und die sieben Geißle<strong>in</strong>, Rotkäppchen“,<br />

Schneewittchen“, Allerleirauh“ <br />

Zerfließen und Wechselspiele als Abwehrform<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ständiges kann jedoch nicht alle<strong>in</strong> als Festes Kontur gew<strong>in</strong>nen. Ebenso mühsam<br />

aufzubrechen ist e<strong>in</strong>e entgegengesetzt wirken<strong>de</strong> Gestaltung, die sich durch Materialflut und<br />

<strong>in</strong>flationäres Assoziieren vor e<strong>in</strong>em An<strong><strong>de</strong>r</strong>swer<strong>de</strong>n schützt. Dann wer<strong>de</strong>n die E<strong>in</strong>fälle zu<br />

Traum<strong>de</strong>tails beispielsweise endlos und führen vom `Hölzchen aufs Stöckchen`, so daß<br />

kaum e<strong>in</strong> Durchkommen für e<strong>in</strong>e neue Lesart möglich ist. Das er<strong>in</strong>nert an das Uferlose von<br />

„Die kluge Else“, an „Dornröschen“s sich verlieren<strong>de</strong>s Schwelgen <strong>in</strong> Tagträumen – im Wechsel<br />

mit e<strong>in</strong>frieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Amnesie – sowie an die kaum zu stoppen<strong>de</strong> Vermehrung <strong>in</strong> „Hans me<strong>in</strong><br />

I<strong>de</strong>l“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Der süße Brei“, um nur e<strong>in</strong>ige anzuführen.<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Formen lassen sich durch e<strong>in</strong> unentwegtes Wegspr<strong>in</strong>gen kennzeichnen, welches<br />

für die <strong>Märchen</strong> „Frau Holle“, „Schneeweißchen und Rosenrot“ u.a. typisch ist, <strong>in</strong><strong>de</strong>m Doppeltes<br />

im Dienste e<strong>in</strong>en unentschie<strong>de</strong>nen Dazwischen e<strong>in</strong>gesetzt wird. Es kippt zwischen<br />

Zweien h<strong>in</strong> und her und wird kaum faßbar. Dieser Dreh wird <strong>in</strong> Vollendung im <strong>Märchen</strong> „Der<br />

Hase und <strong><strong>de</strong>r</strong> Igel“ durchgespielt – hier hat man durch die Verdoppelung fast ke<strong>in</strong>e Chance,<br />

zu packen und gepackt zu wer<strong>de</strong>n. Solch e<strong>in</strong> Fortspr<strong>in</strong>gen spielt außer<strong>de</strong>m <strong>in</strong> „Aschenputtel“,<br />

„Der Wolf und die sieben Geißle<strong>in</strong>“ und „Allerleirauh“ e<strong>in</strong>e Rolle, wobei es zugleich im<br />

Gegenzug e<strong>in</strong> Festgehalten-Wer<strong>de</strong>n nahelegt. E<strong>in</strong>e beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Mischung von Festem und<br />

Zerfließen dom<strong>in</strong>iert das <strong>Märchen</strong> „Der Krautesel“.


Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand im Schnittpunkt von Haupt- und Nebenbild<br />

Es zeichnet sich bereits ab, daß wir es an solchen Stellen mit zentralen Zügen zu tun haben,<br />

<strong>in</strong> <strong>de</strong>nen die Verwandlungssorte selbst augenfällig zum Ausdruck kommt. Diese Züge<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Übergreifen<strong>de</strong>s e<strong>in</strong>gebettet und führen mittelbar zu <strong>de</strong>m sie Bed<strong>in</strong>gen<strong>de</strong>n h<strong>in</strong>, was<br />

erst im Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung anhand von Gewichtung und Maß <strong><strong>de</strong>r</strong> Züge überschaubar<br />

wird. Schritt für Schritt sortiert sich die Vielfalt und läßt e<strong>in</strong> Gefüge im Zusammenwirken erkennen,<br />

aus <strong>de</strong>m Grundlegen<strong>de</strong>s und – <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Be<strong>de</strong>utung für das Ganze nicht ger<strong>in</strong>g zu<br />

schätzen<strong>de</strong>s - `Beiwerk` unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann.<br />

In je<strong>de</strong>m Fall weist uns das Sträuben <strong>de</strong>n Weg zum Lei<strong>de</strong>n, das sich `h<strong>in</strong>ter` <strong>de</strong>n erzählten<br />

Lei<strong>de</strong>nsgeschichten versteckt, <strong>in</strong><strong>de</strong>m auf diese Weise regelrecht tastbar wird, wo es wirklich<br />

wehtut. Die Drehgrenze <strong>de</strong>s Ganzen wird gleichsam als das markiert, was unbed<strong>in</strong>gt und<br />

unter ungeheurem Aufwand aus e<strong>in</strong>em Umsatz herausgehalten wer<strong>de</strong>n soll.<br />

In diesen wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ständigen Phänomenen verdichten sich also Lei<strong>de</strong>n, gelebte Metho<strong>de</strong>n<br />

und Festgehaltenes (Drehgrenze) als H<strong>in</strong>weis auf Konstruktion und paradoxes Grundproblem.<br />

Darauf grün<strong>de</strong>t die Erfahrung <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlungsverfassung, daß Haupt- und Nebenfiguration<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Spiel geraten können, <strong>in</strong><strong>de</strong>m diese Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsformen bearbeitet, d.h.<br />

als solche beschrieben und <strong>in</strong> ihrer <strong>in</strong>haltlichen Wertigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Ganzes e<strong>in</strong>gefügt wer<strong>de</strong>n<br />

(Deutung als Analyse und Synthese). Inhalte und Strukturen liegen nicht erst dah<strong>in</strong>ter, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

offenbaren sich dar<strong>in</strong> bereits <strong>in</strong> ihrer spezifischen Gestalt. Auf diesem Wege kommt das<br />

<strong>in</strong>sgeheim unverfügbar Wirken<strong>de</strong> (vgl. SALBER 1994) wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Beziehung zu <strong>de</strong>m Festgehaltenen,<br />

so daß <strong>in</strong> materialen <strong>Bil<strong><strong>de</strong>r</strong></strong>n neu vermittelt wer<strong>de</strong>n kann, was Figur wird und was<br />

sozusagen als Grund schöpferisch beunruhigend weiterwirkt.<br />

E<strong>in</strong> konsequentes und differenziertes In-<strong>de</strong>n-Blick-Nehmen und Aufgreifen dieses sich<br />

wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spenstig gebär<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Materials, das als Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand aufgefaßt zu wer<strong>de</strong>n pflegt, br<strong>in</strong>gt<br />

bereits etwas <strong>in</strong> Bewegung. Das Erzw<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es Rucks, etwa durch <strong>de</strong>n E<strong>in</strong>wurf „An<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

gehen an<strong><strong>de</strong>r</strong>s damit um!“ (RASCHER 1993,146) – will sagen: An<strong><strong>de</strong>r</strong>e gestalten die Behandlungsverfassung<br />

besser! – erübrigt sich dann. 8 Wir brauchen e<strong>in</strong>e verfe<strong>in</strong>erte Seh-Schärfe,<br />

um an <strong><strong>de</strong>r</strong> Art und Weise, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall gestaltet, ablesen und benennen zu können, wo <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

wun<strong>de</strong> Punkt liegt und was daran strukturell schmerzt, so daß Selbstbehandlungsprozesse<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> Gang kommen können.<br />

Beredtes Schweigen<br />

E<strong>in</strong> klassisches Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsphänomen – das Schweigen – kann dies vielleicht noch<br />

e<strong>in</strong>mal veranschaulichen, <strong>in</strong><strong>de</strong>m sichtbar wird, daß das Unterlaufen <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundregel `Bän<strong>de</strong>`<br />

sprechen kann. Vor allem <strong>in</strong> diesem Zusammenhang ist e<strong>in</strong> „Hören mit <strong>de</strong>m dritten Ohr“ (Th.<br />

REIK) gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, um die verschie<strong>de</strong>nen Schattierungen wahrnehmen zu können.<br />

Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausgeprägt ist e<strong>in</strong> solches Nichtsagen beim <strong>Märchen</strong> „Marienk<strong>in</strong>d“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Mischung aus schuldbewußtem Verbergen und schmollen<strong>de</strong>m Beanspruchen (und Vermissen)<br />

e<strong>in</strong>en wortlosen allumfassen<strong>de</strong>n Verstehens, das ke<strong>in</strong>er sprachlichen Vermittlung bedarf<br />

und mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlockung r<strong>in</strong>gt, zu e<strong>in</strong>er Art `Liebesbeweis` ausgebaut zu wer<strong>de</strong>n. In abgemil<strong><strong>de</strong>r</strong>ter<br />

Form kommt Schweigen auch <strong>in</strong> vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Märchen</strong> vor – z.B. <strong>in</strong> „Allerleirauh“<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Der treue Johannes“. Dabei beherrscht die entlarven<strong>de</strong> Seite – als Kehrseite von<br />

Allmacht (Schuld) und Allwissenheit – zeitweise die Behandlung, <strong>in</strong><strong>de</strong>m es gilt, e<strong>in</strong> Ertappen<br />

abzuwen<strong>de</strong>n, vorwegzunehmen o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu erzw<strong>in</strong>gen; eigentümlicherweise dadurch, daß mittels<br />

Auslassungen (Schweigen) auf Verborgenes angespielt und neugierig gemacht wird.


Analog ersche<strong>in</strong>t dies bei „Rumpelstilzchen“ eher als Versuch, nicht durch e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Namen festgelegt zu se<strong>in</strong> bzw. <strong>in</strong>sgeheim zu hoffen, es wer<strong>de</strong> doch e<strong>in</strong>e `I<strong>de</strong>ntität`<br />

abgrenzbar. Beim `tapferen Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>le<strong>in</strong>“ geht es <strong>de</strong>mgegenüber darum, trotz e<strong>in</strong>es Mehr<br />

nicht zu verhehlen, daß man `nur e<strong>in</strong> Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>` ist. Von Verschweigen und Sich-Verraten<br />

han<strong>de</strong>ln außer<strong>de</strong>m noch viele an<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>Märchen</strong> wie „Die sieben Raben“, „Die sechs Schwäne“<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Der Eisenhans“. Schweigen kann allerd<strong>in</strong>gs auch darauf zurückzuführen se<strong>in</strong>, daß<br />

tausend Anfänge locken und man sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabe, etwas entschie<strong>de</strong>n herauszugreifen,<br />

hilflos gegenüber sieht. Darüberh<strong>in</strong>aus kann es zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen, daß nur <strong>in</strong> Geheimnisbildung<br />

Eigenes se<strong>in</strong> Recht erhält – e<strong>in</strong> Zug, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich lebensgeschichtlich als möglicherweise<br />

e<strong>in</strong>zige Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Abgrenzung entwickelt hat („Rumpelstilzchen“, „Schneeweißchen<br />

und Rosenrot“).<br />

E<strong>in</strong>e an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Auslegung gibt <strong>de</strong>m Schweigen e<strong>in</strong>e rebellieren<strong>de</strong> Note: Im Versuch, durch<br />

Brechen <strong><strong>de</strong>r</strong> Regeln <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung e<strong>in</strong>e beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Gesetzgebung zu etablieren, kann<br />

nach <strong>de</strong>m Motto `Was ist mir zuliebe als Spielraumerweiterung <strong>in</strong> diesem Regelwerk dr<strong>in</strong>?`<br />

verfahren und zugleich `Liebe` auf die Probe gestellt wer<strong>de</strong>n („Der Eisenhans“, „Der Froschkönig“<br />

– hier eventuell <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Wendung zum Groll, die auch im <strong>Märchen</strong> „Die weiße<br />

Schlange“ und <strong>in</strong> „Das tapfere Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>le<strong>in</strong>“ erzählt wird).<br />

Verstummen, das <strong>in</strong> vielen <strong>Märchen</strong> e<strong>in</strong>e wichtige Wendung – nämlich häufig <strong>de</strong>n Übergang<br />

von Haupt- zu Nebenfiguration – anzeigt, wirkt dann wie e<strong>in</strong> Indikator für Be<strong>de</strong>utsames.<br />

9 Dort, wo etwas ausgesprochen wur<strong>de</strong>, was bisher noch nicht so gesehen wer<strong>de</strong>n<br />

konnte, bestätigt das sich anschließen<strong>de</strong> Schweigen, daß irgend etwas <strong>in</strong> Bewegung gekommen<br />

ist. Je nach<strong>de</strong>m, wie es nach diesem Erzählstopp weitergeht, wird sich erweisen,<br />

ob das Stummwer<strong>de</strong>n diesen angetippten Zusammenhang wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu zerreißen sucht o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ob etwas <strong>in</strong> Umsatz geraten konnte.<br />

Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchlässigkeit, e<strong>in</strong> Übergang von e<strong>in</strong>em beharren<strong>de</strong>n `Trotz<strong>de</strong>m` <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Zulassen von Revision sowie e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>nehmen von Vorläufigem zeichnen <strong>de</strong>n sich vollziehen<strong>de</strong>n<br />

Wandlungsprozeß aus. Es wird möglich, <strong>de</strong>n bitteren Ernst <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Lachen über die<br />

zutage treten<strong>de</strong>n tragikomischen Seiten <strong>de</strong>s gelebten Bil<strong>de</strong>s zu wen<strong>de</strong>n und damit <strong>de</strong>m<br />

Zwang se<strong>in</strong>e Macht zu nehmen. Letztes En<strong>de</strong>s läuft kunstanaloge Behandlung auf solch<br />

e<strong>in</strong>e selbstironische Sicht h<strong>in</strong>aus.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichwertigen Berücksichtigung von allem, was <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> ´Therapie <strong>in</strong>s Werk gesetzt<br />

wird, sche<strong>in</strong>t mir e<strong>in</strong> Schritt <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er Überw<strong>in</strong>dung von unterschwelligen Wertungen<br />

zu gel<strong>in</strong>gen, welche <strong>in</strong>sofern moralisieren<strong>de</strong> Züge aufweisen, als sie e<strong>in</strong> Naserümpfen über<br />

mangeln<strong>de</strong> freie Assoziationsfähigkeit und unzureichen<strong>de</strong>s Sich-E<strong>in</strong>lassen auf die Behandlungsverfassung<br />

implizieren. Dabei schw<strong>in</strong>gt – möglicherweise unbeabsichtigt – e<strong>in</strong>e Distanzierung<br />

mit, <strong>in</strong><strong>de</strong>m verkehrtgehaltene Werke aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht e<strong>in</strong>es groß gelebten Entwicklungskreises<br />

heraus beschaut und beurteilt wer<strong>de</strong>n. E<strong>in</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Gegenüberstellung (`Die<br />

da` - `Wir`) sche<strong>in</strong>t mir nicht <strong>de</strong>m zu entsprechen, was wir als fließen<strong>de</strong> Grenze zwischen<br />

`Neurose` und `Gesundheit` anerkennen müssen. Maßverhältnisse und übergreifen<strong>de</strong> Kulturzusammenhänge<br />

bestimmen, was Lei<strong>de</strong>n macht und wann Selbstbehandlung nicht mehr<br />

greift; und daran haben wir e<strong>in</strong> Leben lang, ohne Garantie auf dauerhaft große Entwicklungskreise<br />

zu `knabbern`.<br />

Dieses ständig neu auszuhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> und kipplige Lebens-D<strong>in</strong>g ist allerd<strong>in</strong>gs auch als<br />

`Trost` zu begreifen: Gegen Krisen und Verfestigungen <strong>in</strong> Besessenheit und Zwang ist ke<strong>in</strong><br />

seelischer Apparat zu impfen, dann wür<strong>de</strong> es wie<strong><strong>de</strong>r</strong> verdreht. Ansche<strong>in</strong>end ist es, trotz guter<br />

Vorsätze, nicht so e<strong>in</strong>fach, psychologisch `jenseits von Gut und Böse` zu arbeiten. Unbemerkt<br />

schleichen sich doch geheime Erziehungsabsichten und Besserungsmo<strong>de</strong>lle e<strong>in</strong>, die<br />

über <strong>de</strong>n Versuch h<strong>in</strong>ausgehen, Arbeits- und Genußfähigkeit wie<strong><strong>de</strong>r</strong> herzustellen, Symptome<br />

zu heilen und Leid zu m<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>n bzw. neurotisches <strong>in</strong> `banales` Leid umzuwan<strong>de</strong>ln. Als wäre<br />

dies nicht schon Aufgabe genug!


Ich hoffe, es ist trotz stellenweise unvermeidlicher Dichte nachvollziehbar gewor<strong>de</strong>n, daß<br />

sich durch die spezifische Arbeit mit <strong>Märchen</strong>-<strong>Bil<strong><strong>de</strong>r</strong></strong>n, welche die Analytische Intensivbehandlung<br />

kennzeichnet, aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache selbst – gleichsam zwangsläufig – e<strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Umgang<br />

mit `Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand` ergibt, <strong>in</strong><strong>de</strong>m die material-<strong>in</strong>haltliche Qualität dieses Phänomens mehr<br />

und an<strong><strong>de</strong>r</strong>s Gewicht erhält. Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stands-Analse umfaßt dabei nicht nur das Diagnostizieren<br />

und Deuten, an welchen Stellen und <strong>in</strong> welchem Maße <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlungsfluß beh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>t wird,<br />

um dort nach signifikanten (verdrängten) Inhalten zu suchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird hier verstan<strong>de</strong>n<br />

als therapeutisches Instrument, mit <strong>de</strong>m sich unmittelbar anhand von Stoff und Farbe, <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ständiges Gestalt annimmt, die gelebte Konstruktion <strong>in</strong>s Bild rücken läßt.<br />

Aus e<strong>in</strong>er solchen Sichtweise ist weiterh<strong>in</strong> zu folgern, daß es nicht darum gehen kann,<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand auszuschalten, um <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung voranzukommen; zumal dann nicht, wenn<br />

wir berücksichtigen, daß seelische Werke sich ohne – manchmal auch harte und vorübergehend<br />

ausgesprochen unnachgiebige – Grenze zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>em nicht am Leben halten können.<br />

1 FREUD, S (1937): Die endliche und die unendliche Analyse. In: Studienausgabe. Ergänzungsband. Schriften<br />

zur Behandlungstechnik. Frankfurt/M. 1975, 369<br />

2 Ausführungen zur `Traum<strong>de</strong>utung` wer<strong>de</strong>n folgen.<br />

3 z.B. bei sogenannter „Hynoid- und Retentionshysterie“ (s. FREUD 1895, 78f.)<br />

4 FREUD, A: (1936): Das Ich und die Abwehrmechanismen. In: Schriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Anna Freud. Bd. I. München 1980,<br />

191-355<br />

5 Konsequent <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne ersche<strong>in</strong>t dann auch, <strong>de</strong>n Term<strong>in</strong>us `Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand` - aufgrund <strong>de</strong>s ihm anhaften<strong>de</strong>n<br />

Beigeschmacks <strong><strong>de</strong>r</strong> Beh<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Entwicklung – zu streichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> doch zum<strong>in</strong><strong>de</strong>st <strong>in</strong> Anführungszeichen zu<br />

setzen.<br />

6 Stetige Erfolgsmeldungen s<strong>in</strong>d von daher mit Skepsis aufzufassen. Von sogenannten Spontanheilungen abgesehen,<br />

die <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>behandlung, u.a. dadurch bed<strong>in</strong>gt, daß das k<strong>in</strong>dliche Seelenleben `<strong>in</strong> flux` ist, öfter vorkommen,<br />

wer<strong>de</strong>n sich dabei abzeichnen<strong>de</strong> Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen nicht von Dauer se<strong>in</strong>.<br />

7 S. „messalliance“ (FREUD 1895, 86/95)<br />

8 Auch wenn fraglos anzuerkennen ist, daß <strong>in</strong> diesem Fall e<strong>in</strong> `Kunstfehler`, vor <strong>de</strong>m niemand, <strong><strong>de</strong>r</strong> psychotherapeutisch<br />

tätig ist, gefeit ist, nicht vertuscht und vom Kontext <strong>de</strong>s Behandlungsverlaufs her zu verstehen gesucht<br />

wur<strong>de</strong>. Übrigens konnte dies wohl <strong>de</strong>shalb wirksam wer<strong>de</strong>n, weil es e<strong>in</strong>e Ten<strong>de</strong>nz, sich zu messen - vom <strong>Märchen</strong>-Bild<br />

aus konkretisiert: Es soll nicht banal se<strong>in</strong>, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e beherrschen ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Entwicklungskünste! -,<br />

herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nd ansprach, wobei das Geme<strong>in</strong>e, im Doppels<strong>in</strong>n <strong>de</strong>s Wortes, das Banale be<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>.<br />

9 E<strong>in</strong>en ähnlichen Stellenwert – im <strong>Märchen</strong> wie <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung – hat auch das E<strong>in</strong>schlafen bzw. Müdigkeit.<br />

Literatur<br />

FREUD, A. (1936): Das Ich und die Abwehrmechanismen. In: Schriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Anna Freud. Bd. I. München 1980,<br />

191-355<br />

- (1965): Wege und Irrwege <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>entwicklung. In. Schriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Anna Freud, Bd. VIII. A.a.O.<br />

- (1974): E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Psychoanalyse. Vorträge für K<strong>in</strong><strong><strong>de</strong>r</strong>analytiker und Lehrer (1922-1935). In: Schriften <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Anna Freud, Bd. I. A.a.O., 1-75<br />

FREUD, S. (1895): Zur Psychotherapie <strong><strong>de</strong>r</strong> Hysterie. In: Studienausgabe, Ergänzungsband. Schriften zur Behandlungstechnik.<br />

Frankfurt/M. 1975, 37-97<br />

- (1905): Über Psychotherapie. In: Studienausgabe. Ergänzungsband. A.a.O., 107-119<br />

- (1914): Er<strong>in</strong>nern, Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen und Durcharbeiten. In: Studienausgabe. Ergänzungsband. A.a.O., 205-215<br />

- (1926a): Hemmung, Symptom und Angst. In: Studienausgabe, Bd. VI., Hysterie und Angst, Frankfurt/M. 1971,<br />

227-308<br />

- (1926b): Die Frage <strong><strong>de</strong>r</strong> Laienanalyse. In: Studienausgabe, Ergänzungsband. A.a.O., 271-349<br />

- (1933): Neue Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlesungen zur E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Psychoanalyse. In: Studienausgabe, Bd. I, Frankfurt/M.<br />

1969, 448-608<br />

RASCHER, G. (1993): Zum Figurationswechsel im Behandlungsprozeß. In: BLOTHNER, D./ENDRES, N. (Hg.):<br />

entschie<strong>de</strong>n psychologisch. Bonn<br />

REIK, Th. (1948): Hören mit <strong>de</strong>m dritten Ohr. Die <strong>in</strong>nere Erfahrung e<strong>in</strong>es Psychoanalytikers, Frankfurt/M. 1983<br />

SALBER, W. (1973-75): Entwicklungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Psychologie Sigmund Freuds. Bd. I-III. Bonn<br />

- (1980): Konstruktion psychologischer Behandlung. Bonn<br />

- (1987): Psychologische <strong>Märchen</strong>analyse. Bonn<br />

- (1994): Und<strong>in</strong>ge. Goyas schwarze <strong>Bil<strong><strong>de</strong>r</strong></strong>. Köln

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