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Malta Insel der Göttin – Tor zu den Sternen - Hagia Chora Journal

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<strong>Malta</strong><br />

<strong>Insel</strong> <strong>der</strong> <strong>Göttin</strong> <strong>–</strong> <strong>Tor</strong> <strong>zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Sternen</strong><br />

Sibylle Krähenbühl und Stefan Brönnle<br />

Mnajdra<br />

30 <strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 28 | 2007


P R A X I S<br />

D A N I E L C I L I A<br />

Sibylle Krähenbühl und Stefan<br />

Brönnle erforschten auf ihren<br />

Reisen die Geomantie <strong>der</strong><br />

Megalithtempel <strong>der</strong> <strong>Insel</strong><br />

<strong>Malta</strong>. Auf Schritt und Tritt<br />

begegneten ihnen dabei die<br />

Themen <strong>der</strong> großen <strong>Göttin</strong>.<br />

Als wir <strong>zu</strong>m ersten Mal beabsichtigten,<br />

nach <strong>Malta</strong> <strong>zu</strong> fliegen,<br />

hatten wir nur eine verschwommene<br />

Vorstellung von dem, was uns erwarten<br />

würde. Im Kontext <strong>der</strong> Geomantie<br />

wird <strong>Malta</strong> und seine <strong>Göttin</strong>nenkultur<br />

immer wie<strong>der</strong> erwähnt, und so erwarteten<br />

wir alte Tempelanlagen aus einer groben<br />

Steinarchitektur mit einer stark erdhaftchthonischen<br />

Kraft. Wie überrascht waren<br />

wir angesichts <strong>der</strong> perfekten Tempelarchitektur,<br />

<strong>der</strong>en Präzision und Ausführung<br />

weitaus jüngere Orte wie Stonehenge weit<br />

hinter sich lässt. Zutiefst innerlich berührt<br />

und verän<strong>der</strong>t hat uns die hohe geistige<br />

Präsenz, die an <strong>den</strong> Tempelplätzen spürbar<br />

war, ein geistiger Kosmos von einer<br />

Helle und Klarheit, die man <strong>zu</strong>nächst<br />

wohl nicht mit „erdhaft“ beschrieben hätte.<br />

Doch diese geistige Präsenz verband<br />

sich hier mit <strong>der</strong> Kraft <strong>der</strong> Körperlichkeit.<br />

Die Erde als ein geistiges Wesen zeigte ihr<br />

ganzes Sein.<br />

Die Tempelzeit auf <strong>Malta</strong><br />

Der größte Teil des mittleren und östlichen<br />

<strong>Malta</strong>s und das Zentralplateau von Gozo<br />

bestehen aus weichem Globigerina-Kalkstein,<br />

<strong>der</strong> auch <strong>zu</strong>m Tempelbau benutzt<br />

wurde. Die plateauartigen Erhebungen<br />

(bis 253 m über dem Meeresspiegel) prägen<br />

das Landschaftsbild auf <strong>Malta</strong> und die<br />

Verteilung und Lage <strong>der</strong> Tempel. An <strong>den</strong><br />

Randzonen dieser Hochflächen entspringen<br />

zahlreiche Quellen. Auffällig sind<br />

auch die viele Wuchsanomalien <strong>der</strong> Bäume.<br />

Extreme Schrägwüchse und Krebsbildungen<br />

sind sehr häufig. Sie rühren von<br />

<strong>der</strong> Strahlung <strong>der</strong> vielen Bruch- und Verwerfungszonen<br />

her.<br />

Die erste Besiedelung <strong>Malta</strong>s erfolgte<br />

um 5000 v. Chr. Aus dieser frühen Zeit<br />

sind vor allem Keramiken und bewohnte<br />

o<strong>der</strong> kultisch genutzte Höhlen bekannt,<br />

wie die für diese Phase namengebende<br />

Ghar-Dalam-Höhle. Um etwa 4000 v. Chr.<br />

muss es eine erneute Einwan<strong>der</strong>ungswelle<br />

gegeben haben. Die Einführung eines<br />

neuen Begräbnisrituals und das relativ<br />

Die „<strong>Göttin</strong> von Tarxien“.<br />

plötzliche Entstehen <strong>der</strong> Tempelarchitektur<br />

weisen auf eine neue Kultur hin. Die<br />

sogenannte Tempelzeit dauerte über 1500<br />

Jahre und ließ Tempelanlagen entstehen,<br />

die die älteste freistehende Steinarchitektur<br />

<strong>der</strong> Welt darstellen.<br />

So plötzlich wie die Tempelkultur entstand,<br />

verschwand sie um 2500 v. Chr. Die<br />

Gründe dafür bleiben rätselhaft. Eine Epidemie<br />

wird ebenso angenommen wie eine<br />

langanhaltende Dürre o<strong>der</strong> eine Tsunami-<br />

Katastrophe. Als etwa 500 Jahre später<br />

neue Siedler <strong>Malta</strong> übernahmen und mit<br />

ihrem Wissen über Metallverarbeitung die<br />

Bronzezeit auf <strong>Malta</strong> einläuteten, war <strong>der</strong><br />

Tempel von Tarxien ebenso wie das berühmte<br />

Hypogäum von einer Schlammschicht<br />

bedeckt. Dies würde die Theorie<br />

einer Umweltkatastrophe stützen.<br />

Die <strong>Göttin</strong> von <strong>Malta</strong><br />

Die Verehrung <strong>der</strong> großen <strong>Göttin</strong> hat in<br />

<strong>Malta</strong> lange Tradition. Beispielsweise befand<br />

sich bei Tas-Silg im Sü<strong>den</strong> <strong>Malta</strong>s<br />

eine Siedlung aus <strong>der</strong> matriarchalen Ghar-<br />

Dalam-Zeit. Ihr folgte ein megalithischer<br />

Tempel in <strong>der</strong> Tempelzeit, auf <strong>den</strong> ein phönizischer<br />

Astrate-Tempel, gefolgt von einem<br />

römischen Juno-Tempel, errichtet<br />

wurde. Schließlich wurde das Baptisterium<br />

eines frühchristlich-byzantinischen Marienheiligtums<br />

in die Hauptapsis des Megalithtempels<br />

gebaut. Die in Geomantiekreisen<br />

überwiegend akzeptierte These einer<br />

matriarchalen Tradition <strong>Malta</strong>s, die auch<br />

im Folgen<strong>den</strong> weiter belegt wer<strong>den</strong> soll, ist<br />

jedoch in <strong>der</strong> akademischen Archäologie<br />

bei weitem noch nicht anerkannt. Selbst<br />

die Existenz einer „matriarchalen Phase“<br />

wird nach wie vor angezweifelt. In <strong>Malta</strong><br />

wird dieser Zweifel unter an<strong>der</strong>em damit<br />

begründet, dass viele <strong>der</strong> gefun<strong>den</strong>en <strong>Göttin</strong>nenstatuetten<br />

wie die Fat Ladies keine<br />

eindeutigen Geschlechtsmerkmale aufweisen.<br />

Oberflächlich betrachtet wirken sie androgyn.<br />

Doch ihre Formensprache (breite<br />

Hüften, dicker Bauch) steht in einer Linie<br />

mit <strong>den</strong> eindeutig weiblichen Statuetten<br />

wie <strong>der</strong> „Venus von Willendorf“ (30 000<br />

v. Chr). O<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> „Venus von Hagar<br />

Qim“, wie es die Archäologin Marija Gimbutas<br />

in ihrem Werk „Die Sprache <strong>der</strong> <strong>Göttin</strong>“<br />

eindrucksvoll aufzeigt. Das frühzeitliche<br />

Konzept <strong>der</strong> <strong>Göttin</strong> war offenbar kein<br />

spezifisch weibliches, son<strong>der</strong>n die „<strong>Göttin</strong>“<br />

enthielt alles, sowohl das Männliche wie<br />

das Weibliche.<br />

Im frühen Neolithikum erfuhr die große<br />

<strong>Göttin</strong> auf <strong>Malta</strong> Verehrung <strong>zu</strong>nächst in<br />

Kulthöhlen wie Ghar Dalam o<strong>der</strong> Latnija.<br />

Alles scheint ihr geweiht gewesen <strong>zu</strong> sein,<br />

auch Gebrauchskeramik, die mit Zickzacklinien,<br />

Regentropfen und sprießen<strong>den</strong> Keimen<br />

gestaltet wurde. Diese Symbolik deutet<br />

auf eine starke Präsenz des Wässrigen<br />

in <strong>der</strong> mythologischen Weltauffassung<br />

und eine Entwicklung hin <strong>zu</strong>m Erdigen.<br />

Ab 4400 v. Chr. fin<strong>den</strong> sich Mondmotive<br />

und Henkel in doppelter Dreiecksform.<br />

Typisch für diese Phase ist das „neolithische<br />

Clustering“: Ein Symbol steht nicht<br />

nur für sich, son<strong>der</strong>n wird mit an<strong>der</strong>en<br />

verquickt, abstrahiert, um vielschichtige<br />

Bedeutungsebenen in einem Bild <strong>zu</strong> vermitteln.<br />

Ein Beispiel: Das Dreieck steht als<br />

Symbol für die zyklische Dreiheit <strong>der</strong> <strong>Göttin</strong>,<br />

die drei Mondphasen, das Schamdreieck<br />

und <strong>den</strong> Uterus. Hin<strong>zu</strong> kommt ein Bogen,<br />

<strong>der</strong> für das Abbild des Mondes, die<br />

Hörner des Fruchtbarkeit versprechen<strong>den</strong><br />

Rinds, eine Schale und das Empfangen<br />

steht. Kombiniert man Dreieck und Bogen,<br />

entsteht <strong>der</strong> Kopf einer Kuh, aber<br />

auch das Abbild von Uterus und Eileiter<br />

<strong>–</strong> <strong>Göttin</strong>, Scham, Uterus, Kuh und Mond<br />

bil<strong>den</strong> ein Cluster.<br />

In <strong>der</strong> Tempelzeit wird das Clustering<br />

komplexer und <strong>der</strong> Ausdruck immer figürlicher<br />

und weniger abstrakt. Gegenständlich-gestalthafter<br />

Ausdruck sind hier<br />

nicht nur die berühmten Fat Ladies von<br />

<strong>Malta</strong>, son<strong>der</strong>n auch eine <strong>zu</strong>nächst recht<br />

missgestaltet erscheinende Figur, die im<br />

Megalithtempel Tarxien gefun<strong>den</strong> wurde,<br />

und als Paradebeispiel für die vielschichtigen<br />

Symboliken dieser Zeit dienen kann<br />

(Abb. oben). Sie zeigt eine offensichtlich<br />

schwangere, ja gebärende Frau. Eine Hand<br />

hält sie hinter <strong>den</strong> Kopf und betont damit<br />

die Geistigkeit dieses Augenblicks, eine an<br />

das Kind bzw. die Vulva und betont damit<br />

die Körperlichkeit. Auf dem Rücken fin<strong>den</strong><br />

<strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 28 | 2007 31


sich wie Rippen erscheinende Kerbungen,<br />

neun an <strong>der</strong> Zahl, eine für je<strong>den</strong> Schwangerschaftsmonat.<br />

Drei mal drei <strong>–</strong> die Zahl<br />

<strong>der</strong> <strong>Göttin</strong> im Quadrat. Und an charakteristischen,<br />

energetisch wichtigen Körperstellen<br />

wie <strong>der</strong> Brust, dem Bauch, dem<br />

Kopf, <strong>der</strong> Scham, an <strong>den</strong> Schultern und in<br />

<strong>den</strong> Achselhöhlen stecken Muschelsplitter!<br />

Die Figur erinnert uns an eine Akupunkturpuppe<br />

aus <strong>der</strong> chinesischen Medizin <strong>–</strong><br />

war sie vielleicht ein Modell <strong>zu</strong>r heilerischen<br />

Unterstüt<strong>zu</strong>ng <strong>der</strong> Geburt?<br />

Die Tempel<br />

Die typische Form <strong>der</strong> Kultbauten <strong>der</strong><br />

Tempelzeit, die von 4100 bis 2500 v. Chr.<br />

dauerte, besteht aus drei bis sechs Apsi<strong>den</strong>,<br />

die durch einen zentralen Eingang<br />

betreten wer<strong>den</strong>. Meist bil<strong>den</strong> zwei bis<br />

drei Tempel einen Tempelkomplex, die<br />

wie<strong>der</strong>um mit zwei bis drei weiteren Tempelkomplexen<br />

Gruppierungen bil<strong>den</strong>. Diese<br />

„Tempelcluster“ wur<strong>den</strong> vermutlich<br />

von unterschiedlichen Clans o<strong>der</strong> Stämmen<br />

erbaut.<br />

Obwohl nie selbst Begräbnisstätten, so<br />

waren die auf älteren Gräbern errichteten<br />

Tempel sicherlich rituelle „Totentempel“.<br />

Ihre Form erinnert an die <strong>Göttin</strong>nen-Statuetten,<br />

die mit ausla<strong>den</strong>dem Brust- und<br />

Beckenbereich sitzend (später stehend)<br />

dargestellt wur<strong>den</strong>. Einige Archäologen<br />

sehen darin reinen Zufall. Doch ist die<br />

Praxis, <strong>den</strong> menschlichen Körper als Form<br />

für <strong>den</strong> Sakralbau <strong>zu</strong> wählen, weit verbreitet.<br />

In Indien ist die Vastu-Purusha-<br />

Figur die Vorlage für <strong>den</strong> Tempelbau und<br />

im Christentum die Gestalt des gekreuzigten<br />

Christus.<br />

Freilich war die Form nur von innen<br />

heraus erfahrbar, da die Tempel überdacht<br />

und durch Steinschüttungen in <strong>den</strong> Zwischenräumen<br />

gefüllt waren. Man „sah“ die<br />

<strong>Göttin</strong> also nicht, man erlebte sie im Betreten<br />

des Tempels. Der Eingang war <strong>der</strong><br />

Geburtskanal, die Vulva. Man betrat im<br />

umgekehrten Geburtsprozess <strong>den</strong> Körper<br />

<strong>der</strong> <strong>Göttin</strong>. Sehr häufig wur<strong>den</strong> zwei Tempel<br />

unmittelbar nebeneinan<strong>der</strong> gebaut,<br />

manchmal ein dritter etwas abseits. Bei<br />

<strong>den</strong> Anlagen von Ggantija, Skorba und<br />

Ta Hagrat besitzt <strong>der</strong> linke Tempel eine<br />

„Kopfapsis“, <strong>der</strong> rechte nicht. Dies erinnert<br />

an eine Statue aus Xaghra: eine Doppelgöttin,<br />

die zwei <strong>zu</strong>sammenhängende Figuren<br />

zeigt <strong>–</strong> eine mit und eine ohne Kopf.<br />

Wie die paarweise angeordneten Tempel<br />

könnte sie die Polariät von Tod und Leben<br />

verkörpern. Wir wer<strong>den</strong> noch sehen, dass<br />

auch in <strong>der</strong> Ausrichtung <strong>der</strong> Tempel dieses<br />

Polaritätsprinzip eine große Rolle spielt.<br />

Es begegnet uns auch im Verhältnis<br />

<strong>der</strong> Tempel <strong>zu</strong> <strong>den</strong> Hypogäen (Hypogäum<br />

= „unter <strong>der</strong> Erde“). Weltweit bekannt ist<br />

das Hypogäum Hal Saflieni, in dem man<br />

die berühmt gewor<strong>den</strong>e Tonstatuette <strong>der</strong><br />

„Schlafen<strong>den</strong>“ sowie über 6000 Skelette<br />

fand. Wie in vielen Höhlen waren die<br />

Wände mit rotem Ocker und mit schwarzen<br />

und weißen Karomustern bemalt <strong>–</strong> die<br />

Farben <strong>der</strong> <strong>Göttin</strong>. Es gibt weitere Hypogäen<br />

wie diejenigen von Xaghra umd<br />

Xemxija. Sie liegen stets westlich <strong>der</strong> Tempel,<br />

in Richtung <strong>der</strong> untergehen<strong>den</strong> Sonne,<br />

die im interkulturellen Vergleich sehr oft<br />

mit dem Land <strong>der</strong> Toten assoziiert wird. Im<br />

Osten erfolgt dann mit dem Aufgang <strong>der</strong><br />

Sonne eine Wie<strong>der</strong>geburt.<br />

Alle Tempel befin<strong>den</strong> sich, umgeben<br />

von <strong>zu</strong>r Tempelzeit gutem, fruchtbarem<br />

Ackerland, auf <strong>der</strong> höchsten Erhebung<br />

des jeweiligen Landschaftsraums <strong>–</strong> meist<br />

nicht unmittelbar auf dem Gipfel, son<strong>der</strong>n<br />

in Hanglage, wobei die Tempeleingänge<br />

ins Tal weisen. Die Ausrichtung <strong>der</strong> Eingänge<br />

schwankt dabei zwischen Südost<br />

und Südwest.<br />

Astronomische Ausrichtungen<br />

Die Tempel besitzen aufschlussreiche astronomische<br />

Ausrichtungen. Von 33 Tempeln<br />

weisen neun mit ihrem Eingang und ihrer<br />

Mittelachse nach Südosten, sieben nach<br />

Südwesten, drei exakt nach Osten, vier<br />

nach Sü<strong>den</strong>, einer nach Westen und einer<br />

nach Nor<strong>den</strong> (dessen Eingangssituation<br />

aber inzwischen sehr stark bezweifelt<br />

wird, da er <strong>zu</strong> schlecht erhalten ist). Bei<br />

acht Tempeln ist wegen des schlechten Erhaltungs<strong>zu</strong>stands<br />

eine Tempelachse nicht<br />

mehr <strong>zu</strong> bestimmen. Dies bedeutet, dass<br />

alle eindeutigen Eingänge sich zwischen<br />

Osten über Sü<strong>den</strong> und Westen orientieren.<br />

Sie weisen nach Sonnenaufgang, Sonnenhöchststand<br />

und Sonnenuntergang und<br />

vertreten damit die drei <strong>Göttin</strong>nenprinzipien<br />

Jungfräulichkeit (weiß), Fruchtbarkeit<br />

(rot) und Tod bzw. Wandlung (schwarz).<br />

Am offensichtlichsten ist die astronomische<br />

Orientierung im Südtempel von<br />

Luftaufnahme <strong>der</strong> Tempelanlage Mnajdra.<br />

Mnajdra, wie es <strong>zu</strong>erst von Paul Micallef<br />

1989 beschrieben wurde. Exakt <strong>zu</strong> <strong>den</strong><br />

Tagundnachtgleichen fällt das Licht <strong>der</strong><br />

aufgehen<strong>den</strong> Sonne für 5 bis 10 Minuten<br />

durch <strong>den</strong> Eingang, die Tempelachse entlang<br />

bis in die „Kopfapsis“. Zur Wintersonnenwende<br />

fällt <strong>der</strong> erste Sonnenstrahl auf<br />

einen aufrechten Stein, <strong>der</strong> mit einem horizontalen<br />

Stein eine Art Seitenaltar bildet<br />

und sich rechts von <strong>der</strong> Zentralachse befindet.<br />

Zur Sommersonnenwende wird dagegen<br />

<strong>der</strong> linke Seitenaltar beleuchtet.<br />

Der Lichtstrahl <strong>der</strong> Sonne fällt durch<br />

die „Vagina“ <strong>der</strong> <strong>Göttin</strong>engestalt in <strong>den</strong><br />

Tempel und befruchtet sie, so dass sie die<br />

Fruchtbarkeit in die nahen agrarisch genutzten<br />

Täler hinein „gebären“ kann.<br />

Frank Ventura beschreibt in seinen Arbeiten<br />

eine Fülle weiterer astronomischer<br />

Bezüge <strong>der</strong> Tempel. So fällt beispielsweise<br />

am 21. Juni, <strong>zu</strong>r Sommersonnenwende,<br />

das Licht <strong>der</strong> aufgehen<strong>den</strong> Sonne durch<br />

eine „Orakelloch“ genannte Öffnung im<br />

Tempel Hagar Qim und wirft einen Lichtpunkt<br />

auf die gegenüberliegende Wand.<br />

Wie <strong>der</strong> deutsche Forscher Klaus<br />

Albrecht schreibt, sind die Aufgangspunkte<br />

<strong>der</strong> Sonne am Horizont auch landschaftlich<br />

markiert. Bei <strong>den</strong> direkt an <strong>der</strong><br />

Küste liegen<strong>den</strong> Tempeln geht die Sonne<br />

an Sonnenwen<strong>den</strong> o<strong>der</strong> Äquinoxien in <strong>der</strong><br />

Regel am Schnittpunkt zwischen Meer und<br />

Land am Horizont auf. Bei an<strong>der</strong>en Tempelanlagen<br />

wie Ta Hagrat und Ggantija ist<br />

auffällig, dass die Tempelachsen auf Hügel<br />

am Horizont weisen, die <strong>den</strong> Namen<br />

„Nadur“ tragen. „Nadur“ ist ein arabisches<br />

Wort und bedeutet soviel wie „Wächter“<br />

o<strong>der</strong> „Beobachter“. Der Tempelort „Borgin-Nadur“<br />

heißt übersetzt „Steine <strong>der</strong> Beobachtung“.<br />

Das Wappen des Orts Nadur, auf<br />

<strong>den</strong> sich <strong>der</strong> Tempel von Ggantija orientiert,<br />

zeigt eine aufgehende Sonne. Wie<br />

Klaus Albrecht beschreibt, geht hier die<br />

Sonne <strong>zu</strong>r Wintersonnenwende zwischen<br />

zwei Hügeln auf <strong>der</strong> Hochebene von Nadur<br />

32 <strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 28 | 2007


P R A X I S<br />

Kalen<strong>der</strong>stein in Mnajdra.<br />

auf, die eine Art „Sonnentor“ bil<strong>den</strong>. Die<br />

Erde gebiert hier so<strong>zu</strong>sagen die Sonne am<br />

kürzesten Tag des Jahres neu.<br />

Am Osttempel von Mnajdra befin<strong>den</strong><br />

sich an <strong>der</strong> Schwelle <strong>zu</strong>r „Kopfnische“ des<br />

Tempels zwei Steine mit Reihen gebohrter<br />

Löcher. Auf dem östlichen Stein befindet<br />

sich eine Gruppe von Löchern, die <strong>der</strong><br />

<strong>Sternen</strong>gruppe <strong>der</strong> Pleja<strong>den</strong> ähnelt. Die<br />

Pleja<strong>den</strong> waren ein wichtiger Beobachtungsmarker,<br />

<strong>den</strong>n ihr heliakischer Aufgang<br />

bezeichnete <strong>den</strong> Frühjahrsbeginn.<br />

(Der heliakische Aufgang ist <strong>der</strong> Tag, an<br />

dem <strong>der</strong> betreffende Stern o<strong>der</strong> Planet <strong>zu</strong>m<br />

ersten Mal kurz vor dem Sonnenaufgang<br />

am östlichen Horizont erscheint.)<br />

19 Tage nach <strong>den</strong> Pleja<strong>den</strong> geht nun,<br />

vom Osttempel aus betrachtet, Aldebaran<br />

(im Sternzeichen Stier) auf. Entsprechend<br />

fin<strong>den</strong> sich 19 Lochbohrungen im Stein.<br />

Zwischen 4000 und 1700 v. Chr., also während<br />

<strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Tempelkultur, bezeichnete<br />

das Sternbild Stier, dessen Schulter die<br />

Pleja<strong>den</strong> bil<strong>den</strong>, <strong>den</strong> Frühlingspunkt. Weitere<br />

13 Tage später folgt <strong>der</strong> heliakische<br />

Aufgang <strong>der</strong> Hya<strong>den</strong>, entsprechend fin<strong>den</strong><br />

wir eine Reihe von 13 Bohrungen. Wie die<br />

Pleja<strong>den</strong> wird auch diese Sterngruppe mythologisch<br />

oft als Frauengruppe gedeutet.<br />

Bei <strong>den</strong> römischen Bacchus-Festen umtanzten<br />

Mädchen, die die Hya<strong>den</strong> darstellten,<br />

einen blumengeschmückten Stier.<br />

Alle neun Reihen von Lochbohrungen<br />

weisen eine unmittelbare Entsprechung<br />

<strong>zu</strong>m heliakische Aufgang von <strong>Sternen</strong><br />

o<strong>der</strong> Sterngruppen auf. Nicht nur die Sonne<br />

„befruchtet“ also die Erdgöttin, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Kosmos, <strong>der</strong> Himmel als Ganzer. Das<br />

Kosmisch-Geistige führt <strong>zu</strong>r Verkörperlichung,<br />

ganz so wie in <strong>der</strong> beschriebenen<br />

Statuette von Tarxien.<br />

S T E F A N B R Ö N N L E<br />

Die Tempelkonstruktion<br />

Auf <strong>Malta</strong> gibt es bis heute eine auffällig<br />

hohe Zahl von Kirchen mit Kuppeln.<br />

In <strong>der</strong> Kuppel wird symbolisch die Himmelskuppel<br />

ebenso präsent wie <strong>der</strong> Raum<br />

<strong>der</strong> Gebärmutter, das Geistige ebenso wie<br />

das Physische. Auch die Tempel waren<br />

einst mit Kuppeln überwölbt. Freilich waren<br />

es sogenannte Kraggewölbe, die nicht<br />

erst durch <strong>den</strong> Schlussstein gehalten wer<strong>den</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n bei <strong>den</strong>en jede Steinreihe ein<br />

Stück weiter nach innen ragt und die Steine<br />

des Gewölbes sich durch ihr Gewicht<br />

gegenseitig halten. Nichtsdestotrotz benötigt<br />

eine solche Architektur bereits einen<br />

hohen Grad an Spezialisierung.<br />

In akribischer Arbeit ist es uns gelungen,<br />

die harmonikale Konstruktion <strong>der</strong><br />

<strong>zu</strong>nächst als sehr schlicht empfun<strong>den</strong>en<br />

Tempelarchitektur <strong>zu</strong> entschlüsseln. Interessant<br />

sind bereits die verwendeten<br />

Maße: Die kleinsten Konstruktionskreise<br />

des Ggantija-Tempels auf Gozo haben ein<br />

Maß von 423,9 cm, das ein ganzzahliges<br />

oktaviertes Resonanzmaß <strong>der</strong> Lecherwerte<br />

2,7 LA und 5,5 LA darstellt, die wir an<br />

<strong>den</strong> Schwellen <strong>der</strong> Tempelkammern entdeckten.<br />

Die Konstruktionskreise <strong>der</strong> Tempelanlage<br />

haben als Grundmaß jeweils ein<br />

Vielfaches des Grundmaßes von 0,8478,<br />

das etwa einem Yard entspricht. (Das Yard<br />

hat in verschie<strong>den</strong>en Län<strong>der</strong>n unterschiedliche<br />

Längen, z. B. in Kalifornien und<br />

Texas 0,847 m, in England = 0,9144 m).<br />

Die konkave Fassade von Ggantija entsteht<br />

durch einen Zirkelschlag am Tempelvorplatz.<br />

Die Außenform des Tempels<br />

selbst wird ebenfalls durch einen Kreis definiert.<br />

Beide Kreise <strong>–</strong> <strong>der</strong> nicht materielle,<br />

nicht umbaute Raum des Tempelvorplatzes<br />

und <strong>der</strong> umbaute, definierte Raum<br />

des Tempels selbst, überschnei<strong>den</strong> sich<br />

und bil<strong>den</strong> die klassische Vesica Piscis,<br />

die Fischblase o<strong>der</strong> Mandorla <strong>–</strong> das Kosmisch-Geistige<br />

und das Erdhaft-Physische<br />

durchdringen sich. An <strong>den</strong> mehrfachen<br />

Kreisüberschneidungen im Tempel liegen<br />

die Schwellen, Orte des Übergangs, <strong>der</strong><br />

transformieren<strong>den</strong> Kraft.<br />

Die Formgebung des Tempels wird <strong>zu</strong>dem<br />

durch die mehrfache Konstruktion eines<br />

Pentagramms bestimmt. Dies allein ist<br />

schon bemerkenswert, <strong>den</strong>n im Vergleich<br />

z. B. <strong>zu</strong> einem Quadrat o<strong>der</strong> Sechseck ist<br />

das Pentagramm eine eher schwer <strong>zu</strong> konstruierende<br />

geometrische Figur. Selbst in<br />

<strong>der</strong> so hochgelobten Gothik wurde lieber<br />

die einfachere Triangulatur angewendet.<br />

Das Pentagramm ist ein Symbol <strong>der</strong><br />

Venus, da <strong>der</strong> Planet in seinem Lauf, geozentrisch<br />

betrachtet, ein Pentagramm ans<br />

Firmament zeichnet. Als Morgen- und als<br />

Abendstern steht sie mal „vor“, mal „hinter“<br />

<strong>der</strong> Sonne; sie wechselt die Welten.<br />

Yin und Yang, Tag und Nacht, kosmische<br />

Klarheit und chthonische Dunkelheit sind<br />

Aspekte <strong>der</strong> Venus-Symbolik in vielen<br />

Kulturen <strong>der</strong> Welt.<br />

Von <strong>den</strong> kleinen Konstruktionskreisen<br />

(Apsi<strong>den</strong>kreisen) liegen sechs auf <strong>der</strong><br />

Mittelachse des Tempels. Sie entsprechen<br />

<strong>den</strong> sechs „Muschel-Akupunktur-Zonen“<br />

<strong>der</strong> erwähnten Figur aus Tarxien. Die vier<br />

Kreise, die die Form <strong>der</strong> vier Seitenapsi<strong>den</strong><br />

vorgeben, entsprechen <strong>der</strong> „Nadelung“ an<br />

<strong>den</strong> Achseln und im Bereich <strong>der</strong> Eierstöcke.<br />

So erkennen wir in <strong>der</strong> Konstruktionsweise<br />

des maltesischen Tempels das typische<br />

neolitische Clustering wie<strong>der</strong>. Wenn<br />

hier so oft von <strong>der</strong> so unscheinbaren Statuette<br />

von Tarxien die Rede ist, dann nicht,<br />

weil wir sie für die Grundlage maltesischer<br />

Tempelkultur halten. Vielmehr gibt sie einen<br />

Einblick in das körperenergetische<br />

Weltbild <strong>der</strong> damaligen Kultur, das implizit<br />

sicherlich auch <strong>der</strong> Geomantie und <strong>der</strong><br />

Architektur <strong>zu</strong>grundeliegt.<br />

Die Geometrie von Ggantija<br />

Die Tempelanlage von Ggantija besteht<br />

aus zwei ineinan<strong>der</strong> gebauten Einzeltempeln,<br />

umgeben von einer gemeinsamen<br />

Umfassungsmauer. Die Eingänge bei<strong>der</strong><br />

Tempel öffnen sich nach Südosten <strong>zu</strong> einem<br />

ovalen Vorhof hin, <strong>der</strong> ehemals eine<br />

hohe Umfassungsmauer aufwies.<br />

Der hintere, kleeblattförmige Teil des<br />

sogenannten Südtempels wird auf 3600<br />

v. Chr. datiert, die vor<strong>der</strong>en bei<strong>den</strong> Apsi<strong>den</strong><br />

auf 3200 v. Chr. Der Nordtempel entstand<br />

nach archäologischer Datierung erst<br />

um 3000 v. Chr. Der größte darin verbaute<br />

Stein hat eine Länge von 5,70 m, eine<br />

Breite von 3,80 m und ein Gewicht von<br />

sage und schreibe 57 Tonnen.<br />

Die umseitige Abbildung zeigt die geometrische<br />

Analyse des Südtempels. Die<br />

Konstruktion des Nordtempels nimmt,<br />

obwohl weitere 200 Jahre später erbaut,<br />

unmittelbar Be<strong>zu</strong>g auf die vorhergehen<strong>den</strong><br />

Konstruktionen. Doch es würde <strong>den</strong><br />

Rahmen dieses Artikels sprengen, all diese<br />

Bezüge dar<strong>zu</strong>stellen. Nur soviel sei verraten:<br />

Die Mittelachse des Nordtempels weist<br />

<strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 28 | 2007 33


1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1 In einen Zirkelschlag von 13,05 m Radius<br />

(entsprechend 45 Fuß à 29 cm) wurde ein rechtwinkliges,<br />

gleichseitiges Kreuz eingeschrieben.<br />

Der nach Südosten weisende Schenkel gibt die<br />

Mittelachse des Tempels vor <strong>–</strong> wohl ähnlich <strong>der</strong><br />

als „Pedjeshes“ bekannten ägyptischen Zeremonie<br />

des „Spannen <strong>der</strong> Schur“.<br />

! Ausgehend vom Zentrum des Kreuzes wer<strong>den</strong><br />

nun 4 Kreise (schwarz) eingeschrieben, die jeweils<br />

ein Drittel des Radius des großen Kreises<br />

(orange) besitzen.<br />

! Zwei weitere Kreise (braun) wer<strong>den</strong> entlang<br />

<strong>der</strong> Mittelachse um jeweils einen Radius verschoben.<br />

So entsteht eine Linie aus <strong>zu</strong>nächst 5<br />

Kreisen (später 6), die „Fischblasen“, „Mandorlas“<br />

bil<strong>den</strong>. Diese geben 4 Schwellen vor, die im<br />

Tempel durch Steinschwellen o<strong>der</strong> Portale ausgebildet<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

2 In <strong>der</strong> 2. Bauphase (3200 v. Chr.) kommen<br />

zwei weitere Apsi<strong>den</strong> hin<strong>zu</strong>.<br />

! An die Linie des angenommenen Eingangs <strong>der</strong><br />

1. Bauphase (Linie A) wird ein weiterer Kreis angesetzt.<br />

Wie<strong>der</strong>um um einen Radius verschoben,<br />

gibt ein Kreis die rechte untere Apsis vor.<br />

! Die linke Apsis scheint willkürlich asymmetrisch,<br />

hat ihren Mittelpunkt aber auf dem 1.<br />

Grundkreis. Obgleich 400 Jahre zwischen <strong>den</strong><br />

Bauphasen liegen, wurde die vorgegebene Geometrie<br />

weitergeführt.<br />

! Die Triangulationsdarstellungen in <strong>der</strong> Abbildung<br />

zeigen, dass <strong>der</strong> Mittelpunkt <strong>der</strong> „geknickten“<br />

linken Apsis, an dem ein Monolith liegt,<br />

wohlüberlegt gesetzt wurde, beruht er doch auf<br />

<strong>der</strong> Konstruktion mehrerer gleichseitiger Dreiecke<br />

(Triangulation).<br />

3 Kreis (B) und gleichseitiges Dreieck (C, rot)<br />

geben nun gemeinsam einen weiteren Radius<br />

vor, in <strong>den</strong> ein Pentagon (grün) eingeschrieben<br />

wer<strong>den</strong> kann.<br />

! Pentagonspitze D ergibt <strong>den</strong> Lageort <strong>der</strong><br />

„Brandopferstätte“ (Steinbecken) des Tempels.<br />

! Durch Spiegelung des Pentagons entsteht ein<br />

zweites Pentagon bzw. ein Zehneck.<br />

4 Die Linien <strong>der</strong> bei<strong>den</strong> Pentagone, nach außen<br />

verlängert, ergeben zwei Pentagramme , <strong>der</strong>en<br />

Spitzen unter an<strong>der</strong>em die Platzierungsorte<br />

wesentlicher senkrechter Monolithen <strong>der</strong> Umfassungsmauer<br />

vorgeben.<br />

! Die Linien des großen Pentagons (grün) liegen<br />

an <strong>den</strong> Tempelapsi<strong>den</strong> an.<br />

! Die konvergierende Bauweise <strong>der</strong> Tempelachse<br />

ergibt sich aus dem Fluchtpunkt <strong>der</strong> Pentagrammspitze<br />

F (siehe auch rote Fluchten).<br />

! Die Tangente <strong>der</strong> Pentagrammspitze E ist die<br />

Ausrichtung <strong>der</strong> südlichen Tempelmauer. Dies<br />

offenbart eine vermutliche Präsenz <strong>der</strong> Pentagramm-Konstruktion<br />

bereits in <strong>der</strong> 1. Bauphase.<br />

! Die Pentagrammspitze F ergibt <strong>den</strong> Ansatzpunkt<br />

des Eingangsportals <strong>zu</strong>m Tempel (Bauphase<br />

2). Dies zeigt die Dominanz des Pentagramms<br />

in <strong>der</strong> heiligen Geometrie des Tempels.<br />

Auf diese Weise taucht <strong>der</strong> gol<strong>den</strong>e Schnitt<br />

mehrmals in <strong>der</strong> Konstruktion auf.<br />

gegenüber <strong>der</strong> Achse des Südtempels eine<br />

Verschwenkung um 8 Grad auf. Dies entspricht<br />

<strong>der</strong> Präzession astronomischer<br />

Beob achtungen im Lauf von 577,6 Jahren<br />

(1 Grad = 72,2 Jahre) und damit <strong>der</strong> Datierung<br />

des Süd- (ca. 3600 v. Chr) und des<br />

Nordtempels (ca. 3000 v. Chr.). Somit war<br />

man in <strong>der</strong> Lage, mit Hilfe dieser Tempel<br />

eine Korrektur <strong>der</strong> Präzession vor<strong>zu</strong>nehmen.<br />

Dies ist die Basis für exakte astronomische<br />

Beobachtungen auch nach 600<br />

Jahren. Heilige Geometrie und die Beobachtung<br />

des Himmels greifen ineinan<strong>der</strong>.<br />

Energetische Bezüge<br />

<strong>Malta</strong>s Geologie ist geprägt von zahlreichen<br />

Spalten und Verwerfungen. Offenbar<br />

wird dies auch in einer Legende: Während<br />

<strong>der</strong> Türkenangriffe im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

belagerten die Moslems auch die Stadt<br />

Mdina über viele Tage hinweg. Da erschien<br />

ein strahlendes Licht über <strong>der</strong> Ebene und<br />

erschreckte die Türken so sehr, dass sie abzogen.<br />

In <strong>der</strong> Legende wird in dem Licht<br />

<strong>der</strong> heilige Paulus gesehen, doch solche<br />

Lichterscheinungen in Form von elektromagnetischen<br />

Lichtkugeln sind über Verwerfungszonen<br />

nichts Ungewöhnliches,<br />

wie Paul Devereux in seinem Werk „Earthlights<br />

Revelation“ einleuchtend erklärt.<br />

Ihr starkes elektromagnetisches Feld kann<br />

Halluzinationen hervorrufen. In <strong>den</strong> Tempelanlagen<br />

<strong>Malta</strong>s je<strong>den</strong>falls ist sowohl<br />

die radiästhetische Verwerfungsgrifflänge<br />

(4,3 bzw. 8,6 LA) ebenso an<strong>zu</strong>treffen wie<br />

die Grifflängen für „Risse“ und Spalten<br />

(7,4 LA). Wuchsanomalien an <strong>den</strong> raren<br />

Bäumen zeugen von dieser Ortsqualität.<br />

Wir fan<strong>den</strong> in <strong>Malta</strong> zwei lineare Energiesysteme,<br />

die häufiger an Tempelanlagen<br />

<strong>zu</strong> entdecken sind: Drachenlinien und<br />

Leylines. Es muss hier betont wer<strong>den</strong>, dass<br />

verschie<strong>den</strong>e Autoren oftmals an<strong>der</strong>e Phänomene<br />

unter diesen Begriffen verstehen.<br />

Wir verwen<strong>den</strong> diese Bezeichnung, wie sie<br />

sich in <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit Johanna<br />

Markl, Elvira Recke und Marko Pogačnik<br />

entwickelt hat. Dabei sind Leylines, abweichend<br />

vom historischen Begriff, <strong>der</strong> reine<br />

Luftlinienverbindungen meint, mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger geradlinig verlaufende Energiesysteme<br />

mit starker vitalenergetischer<br />

Wirbelbildung, während Drachenlinien<br />

eher auf <strong>der</strong> geistigen Urkraftebene<br />

<strong>der</strong> Erde an<strong>zu</strong>siedeln sind. Im Tempel von<br />

Tarxien, Hagar Qim und Mnajdra, sowie<br />

Ggantija konnten wir Drachenlinien feststellen.<br />

Mnajdra, Hagar Qim und Tas Silg<br />

liegen auf einer gemeinsamen Leylinie.<br />

Ebenso ist in Ggantija eine Leylinie wahrnehmbar.<br />

So kommt es in Hagar Qim und<br />

Mnajdra, sowie in Ggantija <strong>zu</strong> einer Kreu<strong>zu</strong>ng<br />

von Ley- und Drachenlinie.<br />

34 <strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 28 | 2007


P R A X I S<br />

In Ggantija wer<strong>den</strong> beide energetischen<br />

Systeme auch durch Sagen und Flurnamen<br />

gefasst: Ggantija soll durch die Riesin<br />

Sansuna erbaut wor<strong>den</strong> sein, indem sie<br />

Steine von Ta Cenc (Gozo) <strong>zu</strong>m Bauplatz<br />

trug. In einem Arm ihr Kind stillend haltend,<br />

schuf sie mit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Hand die<br />

riesige Tempelanlage in nur einem Tag.<br />

Zieht man eine Linie von Ggantija nach<br />

Ta Cenc, wo auch ein Dolmen steht, liegt<br />

<strong>der</strong> Dom von Xewkija exakt darauf. Grabungen<br />

lassen die Reste eines weiteren<br />

Tempels unter dem Dom vermuten. Dieses<br />

Alignment wurde nach unserer Wahrnehmung<br />

und radiästhetischen Begehung<br />

als Leyline eingeordnet. Fast rechtwinklig<br />

da<strong>zu</strong> zeigt sich ein weiteres Alignment<br />

von Ggantija über <strong>den</strong> nordwestlich gelegenen<br />

Ort Ta Sansuna, an dem ebenfalls<br />

prähistorische Reste <strong>zu</strong> fin<strong>den</strong> sind, nach<br />

Südwesten <strong>zu</strong>r Kirche bei Tac Cawl, das<br />

wir als Drachenlinie einordneten. Wie<strong>der</strong><br />

durchdringen sich vitalenergetisch-körperliche<br />

(Ley-) und erdkosmisch-geistige<br />

Systeme (Drachenlinie).<br />

Betrachtet man die lappenförmige Bauweise<br />

<strong>der</strong> Tempelarchitektur, die sich quasi<br />

in mehreren Stufen aufbaut, so ergibt<br />

sich eine überraschende Synchronizität<br />

<strong>zu</strong>r Formensprache <strong>der</strong> Flowforms nach<br />

John Wilkes. In <strong>den</strong> Flowforms wird Wasser<br />

über mehrere Stufen so in Schwingung<br />

versetzt, dass es sichtbar <strong>zu</strong> pulsen beginnt<br />

und dadurch seine Kraft entfaltet. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Mitteltempel von Tarxien<br />

zeigt durch seine auch in <strong>der</strong> Höhe gestufte<br />

Bauweise <strong>der</strong> einzelnen Apsi<strong>den</strong> eine<br />

faszinierende Ähnlichkeit mit <strong>den</strong> Kaska<strong>den</strong><br />

<strong>der</strong> energetischen Brunnenanlagen:<br />

Das „Geistige“, das sich in <strong>der</strong> Kopfapsis<br />

<strong>der</strong> gestalthaften Tempelform fokussiert,<br />

wird in mehreren Stufen „transformiert“<br />

und in „Schwingung“ versetzt, um sich<br />

schließlich durch <strong>den</strong> Eingang des Tempels<br />

in die Landschaft hinein <strong>zu</strong> ergießen<br />

und diese mit „Kraft“ <strong>zu</strong> beschenken.<br />

<strong>Malta</strong> und <strong>der</strong> Gral<br />

Die geomantischen Strukturen scheinen<br />

auch von <strong>den</strong> nachfolgen<strong>den</strong> Kulturen<br />

erkannt wor<strong>den</strong> sein. Da<strong>zu</strong> nur eines von<br />

vielen Beispielen: 1530 erhielten die Johanniter<br />

<strong>Malta</strong> als „ewiges Lehen“, nachdem<br />

sie <strong>zu</strong>nächst aus Jerusalem und dann<br />

von Rhodos vertrieben wor<strong>den</strong> waren. Ein<br />

typisches Beispiel johannitischer Geomantie<br />

ist die 1566 gegründete Planstadt und<br />

heutige Hauptstadt <strong>Malta</strong>s, Valletta. Sie<br />

ist die erste auf dem Reißbrett entstan<strong>den</strong>e<br />

Stadt <strong>der</strong> Neuzeit. Im Zentrum <strong>der</strong><br />

Stadt, auf einem sogenannten Drachenrücken,<br />

einem Felsrücken, gelegen, wurde<br />

<strong>zu</strong> Ehren des Schutzpatrons des Or<strong>den</strong>s<br />

Form des heiligen Grals im Mittelmeer.<br />

die Kathedrale St. John’s erbaut. Sie liegt<br />

auf <strong>der</strong>selben Drachenlinie, die auch die<br />

Mnajdra-Tempel kreuzt.<br />

Wie die Stadt Valletta zwölf Bastionen<br />

besitzt, so besitzt ihr Zentrum, die besagte<br />

Kathedrale, zwölf Apsi<strong>den</strong> bzw. Seitenaltäre.<br />

Zwei Drittel davon wur<strong>den</strong> von <strong>den</strong><br />

verschie<strong>den</strong>en „Zungen“ des Johanniteror<strong>den</strong>s<br />

ausgestaltet. Die Einteilung des Or<strong>den</strong>s<br />

in Zungen (Sprachen bzw. Regionen<br />

<strong>der</strong> Or<strong>den</strong>sbrü<strong>der</strong>) stammte noch aus <strong>der</strong><br />

Or<strong>den</strong>szeit auf Rhodos. Ebenso wur<strong>den</strong><br />

acht <strong>der</strong> zwölf Bastionen von je einer Zunge<br />

verteidigt. So ergibt sich das Johanniterkreuz<br />

(o<strong>der</strong> Malteserkreuz), das sich von<br />

St. John’s aus über die Stadt legt.<br />

In <strong>der</strong> Kathedrale klingen die matriarchalen<br />

Themen <strong>Malta</strong>s auf vielen Ebene<br />

an, angefangen bei <strong>der</strong> Farbgebung in<br />

schwarzem, weißem und rotem Marmor<br />

bis hin <strong>zu</strong> <strong>den</strong> Patrozinien <strong>der</strong> drei östlichen<br />

Apsi<strong>den</strong>, die sich als schwarze <strong>Göttin</strong><br />

(St. Katharina), rote <strong>Göttin</strong> (St. Georg) und<br />

weiße <strong>Göttin</strong> in <strong>der</strong> zentralen Apsis hinter<br />

dem Hauptaltar (Taufe Christi) interpretieren<br />

lassen. Die Taufe ist das geistigkosmische<br />

Prinzip <strong>der</strong> weißen <strong>Göttin</strong>. Der<br />

Geist <strong>der</strong> <strong>Göttin</strong> <strong>Malta</strong>s entfaltet sich bis in<br />

christliche Zeit. Wen wun<strong>der</strong>t es da, dass<br />

<strong>der</strong> Kirchenpatron wie die neolithische<br />

<strong>Göttin</strong> auch oft kopflos gezeigt wird?<br />

Das Stichwort „Taufe“ führt uns direkt<br />

<strong>zu</strong> einem mythischen Motiv, das wir als<br />

Symbol, das alle Aspekte <strong>Malta</strong>s umfasst,<br />

erkannt haben: Der heilige Gral als mythisches<br />

Gefäß o<strong>der</strong> Stein. Er offenbart sich<br />

im Geistigen, entfaltet aber seine Wirkung<br />

bis in die Materie hinein durch die Schöpfung<br />

von Fruchtbarkeit und Fülle. Im<br />

Gralsmythos des Parzivals von Wolfram<br />

von Eschenbach schauen die Gralsritter in<br />

einem täglichen Ritual <strong>den</strong> Gral. Eine Frau<br />

ist es, die ihn bewahrt und hütet.<br />

Der Gralsmythos ist die große spirituelle<br />

Mythologie Europas im Mittelalter.<br />

Es wun<strong>der</strong>t daher nicht, dass die Johan-<br />

niter in unmittelbarer Tradition <strong>der</strong> Gralsritterschaft<br />

stehend gesehen wer<strong>den</strong>. Der<br />

Gral ist jene Kraft, die in <strong>der</strong> geistigen Urkraftebene<br />

<strong>der</strong> Erde wurzelt und ihre Wirkung<br />

bis in die Materie hinein entfaltet,<br />

indem sie Fruchtbarkeit und Leben spendet.<br />

Gleicht dies nicht <strong>der</strong> gefun<strong>den</strong>en Statuette<br />

von Tarxien (eine Hand am Kopf,<br />

eine am Kind im Geburtsprozess)? Gleicht<br />

es nicht <strong>der</strong> berühmten „Schlafen<strong>den</strong>“ aus<br />

dem Hypogäum? <strong>–</strong> Runde, weiche, Fruchtbarkeit<br />

verheißende Formen des Körpers<br />

und Attribute <strong>der</strong> Schwangerschaft auf<br />

dem Rock? Und doch ruht ihr Geist gerade<br />

nicht im Körper, ist in <strong>der</strong> Traumwelt, dem<br />

Geistigen <strong>zu</strong> Hause. Gleicht es nicht <strong>der</strong><br />

Suche nach dem Gral, wenn zwölf Bastionen<br />

wie die Ritter <strong>der</strong> Tafelrunde das Zentrum<br />

Vallettas umringen, eine Kathedrale,<br />

die <strong>der</strong> Taufe gewidmet ist, dem mythischen<br />

Prozess des Eintauchens des Geistigen<br />

in die Materie? So wird die <strong>Insel</strong> selbst<br />

<strong>zu</strong>m Gral: Die Tempel <strong>der</strong> Hauptinsel <strong>Malta</strong><br />

liegen dort, wo die „<strong>Göttin</strong> von Tarxien“<br />

ihre „Akupunkturpunkte“ hat. <strong>Malta</strong> ist die<br />

<strong>Göttin</strong> <strong>–</strong> Gozo ist das Kind. Zugleich ist<br />

<strong>Malta</strong> großräumig in einen landschaftsmythologischen<br />

Raum des Mittelmeers<br />

eingebun<strong>den</strong>. Betrachtet man die Küstenlinien<br />

Afrikas und Siziliens sowie die Linien<br />

<strong>der</strong> unterseeischen Höhenzüge und Täler,<br />

entsteht das Abbild eines Kelchs o<strong>der</strong><br />

einer Gebärmutter: Der Gral! +<br />

Eine umfangreiche Langversion diese Artikels ist erhältlich<br />

bei: Inana, Kloster Moosen 12, 84405 Dorfen,<br />

geomantie@inana.info, www.inana.info.<br />

Literatur: Albrecht, Klaus: <strong>Malta</strong>s Tempel. Zwischen<br />

Religion und Astronomie, Naether Verlag, Wilhelmshorst<br />

2004 • Cilia, Daniel (Hrsg): <strong>Malta</strong> before History,<br />

Miranda, Sliema/<strong>Malta</strong> 2004 • Free<strong>den</strong>, Joachim<br />

v.: <strong>Malta</strong> und die Baukunst seiner Megalith-Tempel,<br />

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993<br />

• Gimbutas, Marija: Die Sprache <strong>der</strong> <strong>Göttin</strong>, Zweitausendeins,<br />

Frankfurt 1995 • Gregory, Isabeele V.:<br />

The Human Form in Neolithic <strong>Malta</strong>, Midsea Books,<br />

<strong>Malta</strong> 2005 • Micallef, Paul: Mnajdra Prehistoric<br />

Tempel. A Calendar in Stone, <strong>Malta</strong> 1990 • Trump,<br />

David H.: <strong>Malta</strong>. Prähistorische Zeit und Tempel,<br />

Midsea Books, <strong>Malta</strong> 2002 • Veen, Veronica: Die<br />

<strong>Göttin</strong> von <strong>Malta</strong>, Inanna, Haarlem 1992.<br />

Sibylle Krähenbühl, Ausbildungen<br />

und Fortbildungen in Geomantie bei<br />

<strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> und im Institut für<br />

Geomantie, <strong>der</strong>zeit Ausbildung in<br />

Kinesiologie.<br />

Stefan Brönnle, Landschaftsökologie,<br />

Mitbegrün<strong>der</strong> des Vereins <strong>Hagia</strong><br />

<strong>Chora</strong>, Autor. Beide leiten Seminare<br />

und Ausbildungen in Geomantie<br />

bei INANA. www.inana.info<br />

<strong>Hagia</strong> <strong>Chora</strong> 28 | 2007 35

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