Fahren unter Drogen nach der Entscheidung des ... - SVR
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AUFSÄTZE | Albrecht, <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong> <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts<br />
auf verschiedene Stellungnahmen 32 weist das BVerfG darauf<br />
hin, dass dies bei THC nur bei einem Wert ab o<strong>der</strong> über 1<br />
ng/ml, jedenfalls aber nicht dar<strong>unter</strong> anzunehmen ist. 33<br />
c) Die vor dem AG Kandel und dem Pfälz. OLG Zweibrücken geführten<br />
Verfahren hat das BVerfG an das AG zurück verwiesen,<br />
weil nicht auszuschließen ist, dass die Ausgangsgerichte, wenn sie<br />
die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen und <strong>der</strong>en Auswirkungen<br />
auf die Rechtsprechung an<strong>der</strong>er Gerichte 34 bei ihrer<br />
<strong>Entscheidung</strong> berücksichtigt hätten, zu einem für den Beschwerdeführer<br />
günstigeren Ergebnis gelangt wären, sei es, dass<br />
sie ihn vom Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit <strong>nach</strong> § 24a Abs.<br />
2 StVG freigesprochen, sei es, dass sie das Verfahren <strong>nach</strong> § 24a<br />
Abs. 4 StVG in Verbindung mit § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt hätten.<br />
35<br />
3. Schlussfolgerungen<br />
a) Die Polizeibehörden sind <strong>nach</strong> wie vor gehalten, anhand <strong>der</strong><br />
Kriterien, die die BASt für die <strong>Drogen</strong>erkennung ausgearbeitet<br />
hat, Verdachtsfälle <strong>des</strong> <strong>Fahren</strong>s <strong>nach</strong> <strong>Drogen</strong>einnahme aufzudecken,<br />
zu ermitteln und in diesen Fällen die Entnahme einer<br />
Blutprobe anzuordnen (§ 81a StPO i.V.m. § 46 OWiG). Ergibt<br />
die Blutanalyse allerdings, dass die Substanzkonzentration<br />
für THC <strong>unter</strong> 1 ng/ml liegt, so ist die Bußgeldbehörde nunmehr<br />
gehalten, das Verfahren einzustellen. Zwar lässt das<br />
BVerfG diesen Punkt letztlich offen und beschränkt sich nur<br />
auf die verfassungskonforme Auslegung <strong>des</strong> § 24a Abs. 2 StVG.<br />
Um einen Bußgeldbescheid erlassen zu können, müsste die Behörde<br />
jetzt <strong>unter</strong> Berücksichtigung <strong>des</strong>sen aber <strong>nach</strong>weisen,<br />
dass trotz <strong>der</strong> festgestellten Geringfügigkeit <strong>der</strong> Substanzkonzentration<br />
eine Wirkung vorgelegen hat, die es im konkreten<br />
Einzelfall hat als möglich erscheinen lassen, dass die Fahrtüchtigkeit<br />
<strong>des</strong> Betroffenen eingeschränkt war. Dafür aber wäre<br />
ein diesen Umstand belegen<strong>des</strong> Gutachten zu verlangen, das<br />
dann jedoch im Wi<strong>der</strong>spruch zum heutigen rechtsmedizinischen<br />
Erkenntnisstand stehen würde, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>Entscheidung</strong><br />
<strong>des</strong> BVerfG im Einzelnen dargestellt worden ist. In Fällen<br />
hingegen, in denen ganz konkrete und auf den Genuss von<br />
Cannabis zurückzuführende Beeinträchtigungen <strong>der</strong> Fahrsicherheit<br />
o<strong>der</strong> Ausfallerscheinungen <strong>nach</strong>gewiesen sind,<br />
werden nicht die Tatbestandsvoraussetzungen <strong>des</strong> Auffangtatbestan<strong>des</strong><br />
<strong>des</strong> § 24a Abs. 2 StVG, son<strong>der</strong>n diejenigen <strong>des</strong><br />
Straftatbestan<strong>des</strong> <strong>nach</strong> § 316 Abs. 1 o<strong>der</strong> 2 StGB erfüllt. Denn<br />
<strong>der</strong> Nachweis <strong>der</strong> Substanz THC, egal in welcher Konzentration,<br />
belegt den Genuss <strong>des</strong> berauschenden Mittels, und die<br />
Ausfallerscheinungen – wobei nicht nur Fahrfehler, son<strong>der</strong>n<br />
auch sonstige drogenbedingte Ausfallerscheinungen in Betracht<br />
kommen können 36 – belegen, dass <strong>der</strong> Kraftfahrer nicht<br />
in <strong>der</strong> Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. 37<br />
b) Die Ausführungen <strong>unter</strong> a) werden außerdem auch auf die<br />
an<strong>der</strong>en in <strong>der</strong> Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG genannten Substanzen<br />
übertragen werden müssen. Wie für den für THC ermittelten<br />
analytischen Grenzwert gilt auch für sie, dass bei im<br />
Blut <strong>nach</strong>gewiesenen Substanzkonzentrationen, die <strong>unter</strong>halb<br />
<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Grenzwertkommission entwickelten analytischen<br />
Grenzwerte liegen, entwe<strong>der</strong> die zeitliche Nähe zwischen dem<br />
Konsum <strong>der</strong> Droge und <strong>der</strong> Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr<br />
infrage steht 38 o<strong>der</strong>, was weniger realitätsnah aber<br />
auch nicht ausgeschlossen ist, <strong>der</strong> Konsum – falls die zeitliche<br />
Nähe <strong>nach</strong>gewiesen werden kann – in nur so geringem Umfang<br />
erfolgt ist, dass eine nur so winzige Wirkstoffmenge aufgenommen<br />
worden ist, für die <strong>nach</strong> dem gegenwärtigen Erkenntnisstand<br />
nicht ausgeschlossen werden kann, dass <strong>der</strong>en<br />
Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit nicht messbar sind<br />
und jedenfalls nicht über das hinausgehen, was das Straßenverkehrsrecht<br />
als Folgen von Unpässlichkeiten und Irritationen<br />
verschiedenster Art allenthalben in Kauf nimmt. 39 Dabei muss<br />
allerdings beachtet werden, dass <strong>der</strong> jeweilige Beschluss <strong>der</strong><br />
Grenzwertkommission immer nur den zu diesem Zeitpunkt<br />
geltenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand wie<strong>der</strong>gibt, so<br />
dass die Werte einer ständigen Überprüfung und Fortschreibung,<br />
also ggf. also einer erneuten Reduzierung, <strong>unter</strong>liegen<br />
müssen.<br />
c) Für die praktische Umsetzung <strong>der</strong> <strong>unter</strong> a) und b) gezogenen<br />
Schlussfolgerungen empfiehlt sich eine inhaltlich identische Anweisung<br />
<strong>der</strong> für die Verfolgung und Ahndung von Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten<br />
zuständigen obersten Lan<strong>des</strong>behörden<br />
an die Bußgeldbehörden, die in einzelnen Län<strong>der</strong>n bereits<br />
gegeben worden ist. Darüber hinaus wäre zur Gewährleistung<br />
einer bun<strong>des</strong>einheitlichen Verfahrensweise zu empfehlen, den<br />
Bun<strong>des</strong>einheitlichen Tatbestandskatalog 40 so zu än<strong>der</strong>n, dass<br />
die das <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong>einwirkung betreffenden Tatbestände<br />
nur auf Fälle bezogen werden, bei denen die von <strong>der</strong><br />
Grenzwertkommission erarbeiteten analytischen Grenzwerte<br />
erreicht o<strong>der</strong> überschritten worden sind. Zudem wäre aus Gründen<br />
<strong>der</strong> Klarstellung eine entsprechende Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Nr. 242<br />
<strong>des</strong> Bußgeldkataloges in Erwägung zu ziehen. Bis dahin steht diese<br />
inhaltlich mit <strong>der</strong> Bußgeldnorm identische Vorschrift <strong>der</strong><br />
32 Berghaus, BA 2002, S. 321 (328 f); Krüger, BA 2002, S. 336 (344 ff.); Beschluss <strong>der</strong><br />
Grenzwertkommission zu § 24a Abs. 2 StVG vom 20.11.2002 (o. Fn. 12).<br />
33 Absatz-Nr. 26.<br />
34 Nämlich <strong>der</strong> Verwaltungsgerichte im Zusammenhang mit dem Fahrerlaubnisrecht,<br />
die ebenfalls den Grenzwert von 1 ng/ml zugrunde legen, bei <strong>des</strong>sen Vorliegen<br />
die Annahme eines zeitnahen Cannabiskonsums mit einer entsprechenden<br />
Beeinträchtigung <strong>der</strong> Fahrtüchtigkeit gerechtfertigt ist (vgl. VG München,<br />
Beschluss vom 26.4.2004 – M 6a S 04. 2632; Nie<strong>der</strong>sächsisches OVG, NVwZ-RR<br />
2003, S. 899 (900); VGH Baden-Württemberg, VRS Bd. 107 (2004), S. 234 (236);<br />
siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, DAR 2004, S. 413).<br />
35 Absatz-Nr. 31.<br />
36 BayObLG NZV 1997, 127; Mettke, NZV 200, 199; Hentschel, Straßenverkehrsrecht,<br />
38. Aufl., Rn. 5 zu § 316 StGB.<br />
37 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht,<br />
38. Aufl., Rn. 5, 6 zu § 316 StGB; Cramer, Sternberg-Lieben in Schönke/<br />
Schrö<strong>der</strong>, StGB, 26. Aufl., Rn. 4 – 6 zu § 316 StGB.<br />
38 Vgl. nochmals die Empfehlungen <strong>der</strong> Grenzwertkommission für analytische<br />
Grenzwerte zu § 24a StVG vom 20.11.2002, abgedruckt bei Möller, BA 2004,<br />
Supplement 1, 17, wo<strong>nach</strong> bei allen Grenzwerten gilt, dass „bei tiefer liegenden<br />
Messwerten die Annahme eines zeitnahen Konsums sowie einer verkehrsgefährdenden<br />
<strong>Drogen</strong>wirkung zunehmend weniger gerechtfertigt ist”.<br />
39 Vgl. hierzu Stein, NZV 1999, 445: Als Beispiel wird das Durchqueren eines<br />
Raumes genannt, in dem Heroin konsumiert wird.<br />
40 Der Bun<strong>des</strong>einheitliche Tatbestandskatalog, <strong>der</strong> vom Kraftahrt-Bun<strong>des</strong>amt<br />
(KBA) im Einvernehmen mit den zuständigen obersten Lan<strong>des</strong>behörden<br />
veröffentlicht wird, enthält im Interesse <strong>der</strong> Vereinheitlichung und Vereinfachung<br />
<strong>der</strong> Verwaltungspraxis für die häufigsten Verkehrsverstöße vorformulierte<br />
Tatvorwürfe, mit denen die Regelungen <strong>der</strong> BKatV umgesetzt sowie<br />
dort im Verwarnungsgeldbereich bestehende Lücken geschlossen<br />
werden. Der Katalog dient mit dem dort ebenfalls eingeführten System <strong>der</strong><br />
Tatbestandsnummern <strong>der</strong> möglichst einfachen Fixierung festgestellter Verkehrsverstöße<br />
vor Ort sowie <strong>der</strong> Automatisierung <strong>der</strong> Verarbeitung dieser<br />
Feststellungen im Bußgeldverfahren. Der Bun<strong>des</strong>einheitliche Tatbestandskatalog<br />
gilt seit 1.1.2003 (vgl. hierzu § 4 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 1a <strong>der</strong> VwV-VZR;<br />
BAnz. 2000, S. 17269). Er hat die zuvor geltenden Tatbestandskataloge <strong>der</strong><br />
Län<strong>der</strong> abgelöst. Die das <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong>einfluss betreffenden Tatbestände<br />
finden sich <strong>unter</strong> den Nummern 424648, 424649, 424650.<br />
84 | <strong>SVR</strong> 3/2005