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Fahren unter Drogen nach der Entscheidung des ... - SVR

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Verkehrszivilrecht<br />

Versicherungsrecht<br />

Verkehrsstrafrecht<br />

Ordnungswidrigkeiten<br />

Verkehrsverwaltungsrecht<br />

Straßenverkehrsrecht<br />

ZEITSCHRIFT FÜR DIE PRAXIS DES VERKEHRSJURISTEN<br />

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Anwaltsinstitut e.V.<br />

herausgegeben von Dr. jur. Frank Albrecht, Regierungsdirektor im Bun<strong>des</strong>verkehrsministerium, Berlin; Hans Buschbell, Rechtsanwalt, Düren/Köln;<br />

Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Dr. Christian Grüneberg, Richter am OLG Köln;<br />

Prof. Dr. Christian Huber, Technische Hochschule, Aachen; Ottheinz Kääb, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München;<br />

Prof. Dr. Jürgen-Detlef Kuckein, Richter am BGH, Karlsruhe; Ulf D. Lemor, Geschäftsführer Europa, Gesamtverband <strong>der</strong> deutschen Versicherungswirtschaft,<br />

Brüssel; Dr.-Ing. Werner Möhler, Aachen; Ass. jur. Joachim Otting, Hünxe/Berlin; Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Universität<br />

Tübingen; Priv. Doz. Dr. Stephan Seidl, Nürnberg/Erlangen.<br />

Schriftleitung:Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Ass. jur. Rüdiger Balke, Koblenz; Wolfgang E. Halm,<br />

Rechtsanwalt, Köln; Prof. Dr. Helmut Janker, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin.<br />

<strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong> <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Entscheidung</strong><br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts<br />

Regierungsdirektor Dr. Frank Albrecht, Berlin<br />

AUFSÄTZE<br />

Begleitet von missverständlichen Pressemeldungen und Fernsehberichten<br />

hat das BVerfG Anfang Januar seinen seit einiger<br />

Zeit erwarteten und bereits im Dezember 2004 gefassten Beschluss<br />

über die Verfassungsmäßigkeit <strong>des</strong> § 24a Abs. 2 StVG veröffentlicht,<br />

1 <strong>der</strong> den Bußgeldtatbestand <strong>des</strong> <strong>Fahren</strong>s <strong>unter</strong> <strong>der</strong><br />

Wirkung von <strong>Drogen</strong> und an<strong>der</strong>en berauschenden Mitteln enthält.<br />

An <strong>der</strong> <strong>Entscheidung</strong> ist aus Sicht <strong>der</strong> Verkehrssicherheit<br />

vor allem erfreulich, dass das BVerfG die Vorschrift als verfassungskonform<br />

bestätigt hat. Zugleich hält das Gericht eine<br />

verfassungskonforme Auslegung für erfor<strong>der</strong>lich, mit <strong>der</strong> darüber<br />

hinaus nunmehr ein sachgerechter Ausgleich zwischen<br />

den Verkehrssicherheitsinteressen einerseits und an<strong>der</strong>erseits<br />

dem Erfor<strong>der</strong>nis, die Verhältnismäßigkeit rechtlicher Eingriffe<br />

in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 StVG) zu gewährleisten,<br />

herbeigeführt worden ist. Die <strong>Entscheidung</strong> lässt<br />

allerdings weiterhin in gewissem Maße Auslegungsmöglichkeiten<br />

zu. Der <strong>nach</strong>folgende Beitrag hat das Ziel, zu klären, inwieweit<br />

im Einzelfall ein Beurteilungsspielraum noch gegeben<br />

ist, und Schlussfolgerungen insbeson<strong>der</strong>e für das Bußgeldverfahren<br />

sowie die Gesetzgebung zu ziehen.<br />

in Kraft getreten. 2 Die Neuregelung verfolgte vor dem Hintergrund<br />

<strong>der</strong> in Untersuchungen <strong>nach</strong>gewiesenen Zunahme <strong>des</strong><br />

<strong>Fahren</strong>s <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong> das Ziel, die zum Strafrecht (§§ 315c, 316<br />

StGB) bestehende Lücke zu schließen, 3 die <strong>des</strong>halb bestand,<br />

weil es Grenzwerte für die absolute Fahruntüchtigkeit nicht<br />

gibt und die <strong>nach</strong> den Strafnormen für die Tatbestandserfüllung<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Ausfallerscheinungen häufig nicht <strong>nach</strong>gewiesen<br />

werden können. 4 Der Gesetzgeber stand allerdings<br />

vor dem Problem, dass wegen fehlen<strong>der</strong> Erkenntnisse über feststehende<br />

Dosis-Wirkungs-Beziehungen – an<strong>der</strong>s als beim Alkohol,<br />

wo die Grenze inzwischen bei 0,5 Promille Alkohol im Blut<br />

bzw. 0,25 mg/l in <strong>der</strong> Atemluft festgelegt werden konnte 5 – die<br />

Grenze zwischen objektiv ungefährlichen und gefährlichen<br />

Wirkstoffmengen bei den berauschenden Mitteln nicht mit<br />

Genauigkeit gezogen werden kann, so dass die Schaffung eines<br />

bußgeldbewehrten Grenzwertes, wie wie<strong>der</strong>holt gefor<strong>der</strong>t worden<br />

war, 6 ausschied. Da <strong>der</strong> Gesetzgeber an<strong>der</strong>erseits die bekannten<br />

Verkehrsgefahren <strong>des</strong> <strong>Fahren</strong>s <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong>einfluss<br />

aus Gründen <strong>der</strong> Verkehrssicherheit nicht hinnehmen konn-<br />

1. Gesetzliche Regelung und Entstehung <strong>des</strong><br />

Verhältnismäßigkeitsproblems<br />

Das Verbot, <strong>unter</strong> <strong>der</strong> Wirkung bestimmter illegaler <strong>Drogen</strong> Kfz<br />

im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, ist am 01.08.1998<br />

1 BVerfG, 1 BvR 2652/03 vom 21.12.2004.<br />

2 Art. 1 Nr. 1 <strong>des</strong> Gesetzes zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Straßenverkehrsgesetzes vom 28. April<br />

1998 (BGBl I 1998, S. 810, 1238) iVm <strong>der</strong> Bekanntmachung vom 29.5.98 (BGBl.<br />

I S. 1238).<br />

3 Vgl. Begründung in VKBl. 1999, 7.<br />

4 Vgl. z. B. die <strong>Entscheidung</strong>en BGH NZV 1999, 48; OLG Köln, NZV 1990, 439;<br />

OLG Düsseldorf, NZV 1994, 326.<br />

5 Zu den Einzelheiten vgl. insb. Hentschel, NJW 1998, 2385.<br />

6 Vgl. u. a. Materialien <strong>des</strong> 31. Deutschen Verkehrsgerichtstages, S. 7 f.<br />

<strong>SVR</strong> 3/2005 | 81


AUFSÄTZE | Albrecht, <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong> <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts<br />

te, entschied er sich für ein allgemeines Verbot. 7 Für die Erfüllung<br />

<strong>des</strong> Bußgeldtatbestan<strong>des</strong> sollte es ausreichen, dass eine<br />

<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Anlage zu § 24a StVG genannten Substanzen im Blut<br />

<strong>des</strong> Betroffenen <strong>nach</strong>gewiesen worden ist, und zwar unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Substanzkonzentration und unabhängig<br />

vom Vorliegen weiterer Kriterien, etwa dem Bestehen<br />

einer Beeinträchtigung <strong>der</strong> Fahrtüchtigkeit. 8 Den bei <strong>der</strong> Androhung<br />

von Sanktionen – auch wenn es sich nur um solche<br />

<strong>des</strong> Ordnungswidrigkeitenrechts handelt – in beson<strong>der</strong>er<br />

Weise zu beachtenden Grundsatz <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit 9 sah<br />

<strong>der</strong> Gesetzgeber dadurch gewahrt, dass in die Anlage zu § 24a<br />

StVG zum einen nur diejenigen berauschenden Mittel und<br />

Substanzen (Wirkstoffe, Abbauprodukte) aufgenommen werden,<br />

über die bereits hinreichend gesicherte Erkenntnisse<br />

hinsichtlich Wirkung und Nachweisverfahren vorliegen und<br />

zum An<strong>der</strong>en dadurch, dass <strong>der</strong> Nachweis einer <strong>der</strong> Substanzen<br />

im Blut zugleich belegt, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang<br />

zwischen <strong>der</strong> Einnahme <strong>der</strong> Droge und <strong>der</strong> Blutentnahme<br />

– also auch dem <strong>Fahren</strong>, das <strong>der</strong> Blutentnahme<br />

zeitlich vorausgegangen ist – bestanden hat. Denn <strong>nach</strong> den<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen, die <strong>der</strong> Gesetzgebung zugrunde<br />

lagen, waren die in <strong>der</strong> Anlage genannten Abbauprodukte<br />

überhaupt nur in engem zeitlichen Zusammenhang<br />

mit dem Genuss <strong>der</strong> Droge sicher <strong>nach</strong>weisbar, so dass <strong>der</strong><br />

Gesetzgeber davon ausgehen konnte, allein durch die Definition<br />

von Nachweisgrenzen und die Sicherstellung einheitlicher<br />

Qualitätsstandards für die Blut<strong>unter</strong>suchungen (Ringversuche)<br />

den Bußgeldtatbestand auf die Phase <strong>der</strong> akuten<br />

Wirkung <strong>der</strong> Droge zu beschränken. 10<br />

Die Ausarbeitung dieser Nachweisgrenzen 11 übernahm die<br />

Grenzwertkommission, die sich im Wesentlichen aus Rechtsmedizinern<br />

und Toxikologen zusammensetzt und die Bun<strong>des</strong>regierung<br />

berät. Sie hat sich 1997 – also noch vor Abschluss <strong>des</strong><br />

Gesetzgebungsverfahrens – auf folgende Werte verständigt:<br />

Tetrahydrocannabinol (THC) – 2 ng/ml, Morphin (freie Form)<br />

– 20 ng/ml, Benzoylecgonin – 150 ng/ml, Amphetamin –<br />

50 ng/ml, MDMA – 50 ng/ml, MDE – 50 ng/ml. Damit war<br />

Folgen<strong>des</strong> klar: Liegen die im Blut <strong>des</strong> Betroffenen festgestellten<br />

Substanzkonzentrationen in <strong>der</strong> Höhe dieser Werte vor<br />

und handelt es sich bei dem feststellenden Institut um eines, das<br />

an den Ringversuchen teilgenommen hat, so hat <strong>der</strong> Befund<br />

belegt, dass <strong>der</strong> Betroffene das berauschende Mittel eingenommen<br />

hat und dass die Einnahme nur wenige Stunden vor <strong>der</strong><br />

Fahrt erfolgt ist. Damit war zugleich erwiesen, dass <strong>der</strong> Betroffene<br />

<strong>unter</strong> <strong>der</strong> Wirkung <strong>der</strong> Droge gefahren ist. Weiterer Indizien<br />

bedurfte es nicht. In <strong>der</strong> Folgezeit sind die Nachweismethoden<br />

weiter verbessert worden. Sicher <strong>nach</strong>gewiesen werden<br />

konnten dann auch dar<strong>unter</strong> liegende Werte. Das mündete in<br />

<strong>der</strong>en Absenkung, und zwar jeweils auf die Hälfte mit dann<br />

folgenden Werten: Tetrahydrocannabinol (THC) – 1 ng/ml,<br />

Morphin (freie Form) – 10 ng/ml, Benzoylecgonin – 75 ng/ml,<br />

Amphetamin – 25 ng/ml, MDMA – 25 ng/ml, MDE – 25 ng/ml. 12<br />

Auch diese verringerten Werte erlaubten die Aussage, dass sie<br />

neben dem sicheren Substanz<strong>nach</strong>weis den zeitnahen Konsum<br />

belegen. Bei noch dar<strong>unter</strong> liegenden Werten stand die Zeitnähe<br />

<strong>des</strong> Konsums in<strong>des</strong>sen zunehmend infrage. 13<br />

Einzelne Institute mit fortgeschrittener Analysetechnik gingen<br />

noch weiter und waren in <strong>der</strong> Lage, auch <strong>unter</strong>halb dieser<br />

Werte die Substanz sicher in <strong>der</strong> Blutprobe <strong>nach</strong>zuweisen. 14<br />

Das führte u. a. zu dem Fall, den zunächst das AG Kandel 15 und<br />

das Pfälzische OLG Zweibrücken 16 zu behandeln hatten. Der<br />

Betroffene hatte am Abend <strong>des</strong> 18.11.2002 gegen 21.30 Uhr einen<br />

Joint geraucht und demgemäß gewusst, dass er Cannabis<br />

konsumierte. Dennoch führte er am Nachmittag <strong>des</strong> darauf<br />

folgenden Tages um 13.30 Uhr ein Kfz im öffentlichen Straßenverkehr.<br />

Ein im Anschluss hieran durchgeführter Urintest<br />

erwies sich positiv auf THC. Die Auswertung einer im Anschluss<br />

an den Urintest entnommenen Blutprobe erbrachte<br />

<strong>nach</strong> einer im Institut für Rechtsmedizin <strong>der</strong> Universität Mainz<br />

angefertigten Untersuchung eine grenzwertige Reaktion auf<br />

Cannabinoide. Der psychoaktive Hauptwirkstoff <strong>des</strong> Cannabis<br />

THC wurde im Serum jedoch nur im Spurenbereich mit einem<br />

Wert <strong>unter</strong> 0,5 ng/ml <strong>nach</strong>gewiesen.<br />

Für solche Fälle lauteten die Kernfragen: Ist <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Nullwert-Grenze<br />

basierende Tatbestand <strong>des</strong> § 24a Abs. 2 StVG bei<br />

jedem noch so geringen Nachweis einer <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Anlage genannten<br />

Substanzen erfüllt? Wenn ja, ist dann – trotz <strong>der</strong> dadurch<br />

nicht ausgeschlossenen Möglichkeit, dass auch Personen<br />

zur Verantwortung gezogen werden, die die Droge<br />

geraume Zeit vor <strong>der</strong> Fahrt eingenommen haben o<strong>der</strong> die sie<br />

zwar relativ kurz vor <strong>der</strong> Fahrt, aber in einem so geringen Maße<br />

eingenommen haben, bei dem eine Beeinträchtigung <strong>der</strong> Fahrtüchtigkeit<br />

naturwissenschaftlich ausgeschlossen ist – die Regelung<br />

selbst noch verhältnismäßig? Die für die Ahndung<br />

von Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständigen obersten<br />

Behörden <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> hatten – wie in <strong>der</strong> Folge auch die genannten<br />

Gerichte – die erste Frage zugunsten <strong>der</strong> Nullwert-<br />

Grenze entschieden. Hintergründe waren vor allem Verkehrssicherheitsbedenken,<br />

weil bei <strong>der</strong> Alternative, in dem <strong>unter</strong><br />

den Grenzwerten liegenden Bereich auf die Ahndung <strong>nach</strong><br />

dem Opportunitätsprinzip (§ 47 Abs. 1 OWiG) zu verzichten,<br />

befürchtet worden war, dass die Kraftfahrer geneigt sein könnten,<br />

die dann bestehende Grenze auszunutzen („Herankiffen”),<br />

wodurch das Verbot entwertet würde. Außerdem bestand die<br />

Annahme, dass bei jedem positiven Nachweis einer <strong>der</strong> Substanzen<br />

auch die Wirkung indiziert ist. Denn die Blutprobe<br />

wurde überhaupt nur angeordnet, wenn die feststellenden<br />

Beamten aufgrund <strong>der</strong> Umstände <strong>des</strong> Einzelfalls konkrete Ver-<br />

7 Vgl. Begründung in VKBl. 1999, 8; Ausführlich zu den Hintergründen <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />

Bönke, NZV 1998, 393 ff.<br />

8 Begründung in VKBl. 1999, 8, 9; Pfälz. OLG Zweibrücken NZV 2001, 483;<br />

Bönke, NZV 1998, 395; Hentschel, NJW 1998, 2389.<br />

9 St. Rspr., vgl. z. B. BVerfGE 67, 157 (173); Schönke/Schrö<strong>der</strong>, StGB, 26.<br />

Aufl., Rn. 21 zu § 1 StGB.<br />

10 Begründung in VKBl. 1999, 8, 9; BayObLG NZV 2003, 252; Bönke, DAR<br />

1995, 83 f.; Stein NZV 1999, 450.<br />

11 Die Nachweisgrenze (analytischer Grenzwert) darf nicht mit einem Gefahrengrenzwert<br />

verwechselt werden. Die analytischen Grenzwerte dienen lediglich<br />

als Richtwerte für die Beantwortung <strong>der</strong> Frage, bei welchen Konzentrationen<br />

für die verschiedensten Substanzen ein sicherer qualitativer<br />

Nachweis geführt werden kann.<br />

12 Empfehlungen <strong>der</strong> Grenzwertkommission für analytische Grenzwerte zu § 24a<br />

StVG vom 20.11.2002, abgedruckt bei Möller, BA 2004, Supplement 1, 17.<br />

13 Möller, a.a.O.<br />

14 Nach einer Statistik <strong>der</strong> Grenzwertkommission wurde bei 5791 Fällen, die<br />

in den Labors <strong>der</strong> beteiligten Institute 1999 bis 2001 bestimmt wurden, in<br />

denen THC im Blut bestimmt wurde, in 10,6 % eine Konzentration <strong>unter</strong> 1<br />

ng/ml angegeben; Möller, a.a.O.<br />

15 Urteil vom 11.09.2003, Az. 7084 Js 9433/03 OWi.<br />

16 Beschluss vom 13. November 2003, Az: 1 Ss 215/03.<br />

82 | <strong>SVR</strong> 3/2005


Albrecht, <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong> <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts | AUFSÄTZE<br />

dachtsmomente entwickelt haben. 17 Liegen solche Anzeichen<br />

aber vor und wird bei <strong>der</strong> Untersuchung die Substanz <strong>nach</strong>gewiesen,<br />

so die Überlegung, kann es auf die Höhe <strong>der</strong> Substanzkonzentration<br />

eigentlich nicht ankommen. Vor diesem<br />

Hintergrund erschien den Bußgeldbehörden eine Verfahrenseinstellung<br />

außerdem <strong>des</strong>halb nicht angezeigt, weil sie hier –<br />

an<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> Anwendung <strong>des</strong> Opportunitätsprinzips bei<br />

den an<strong>der</strong>en Verkehrsverstößen 18 – dazu geführt hätte, dass die<br />

erheblichen Kosten, die für die Blut<strong>unter</strong>suchung entstanden<br />

sind, <strong>der</strong> Staatskasse hätten auferlegt werden müssen, weil sie<br />

dem Betroffenen nur bei Erlass eines Bußgeldbeschei<strong>des</strong> auferlegt<br />

werden können. Dies erschien nicht sachgerecht, weil<br />

<strong>der</strong> Gesetzgeber die „Nullwert-Grenze“ gewollt hat, ein positiver<br />

Befund <strong>der</strong>en Überschreitung belegt hat und <strong>der</strong> Betroffene<br />

die Kosten durch sein offenbar drogenbedingtes Fehlverhalten<br />

herbeigeführt hat. Auch die Alternative, in diesen<br />

Zweifelsfällen wenigstens auf die hohen Regelsanktionen <strong>der</strong><br />

Bußgeldkatalog-Verordnung 19 zu verzichten, wurde allerdings<br />

nicht praktiziert 20 und die weitere Überlegung, für diese beson<strong>der</strong>en<br />

Fälle eine nur geringe Regelgeldbuße in <strong>der</strong> BKatV<br />

vorzusehen – wodurch die Intensität <strong>des</strong> rechtlichen Eingriffs<br />

deutlich zurückgenommen worden wäre mit entsprechenden<br />

Folgen für die Verhältnismäßigkeitsabwägung – fand wenig<br />

Unterstützung. 21 Zur zweiten Frage – <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit<br />

<strong>der</strong> Norm selbst – konnte auf die bereits erläuterten Erwägungen<br />

<strong>des</strong> Gesetzgebers verwiesen werden.<br />

2. Die <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> BVerfG<br />

Wesentlich ist, dass das BVerfG das <strong>Drogen</strong>verbot <strong>des</strong> § 24a<br />

Abs. 2 StVG als verfassungsgemäß bestätigt hat, dass es aber<br />

eine verfassungskonforme Auslegung für erfor<strong>der</strong>lich hält, wo<strong>nach</strong><br />

eine Wirkung im Sinne dieser Vorschrift nur vorliegt,<br />

wenn eine THC-Konzentration im Blut festgestellt wird, die<br />

es als möglich erscheinen lässt, dass <strong>der</strong> <strong>unter</strong>suchte Kraftfahrzeugführer<br />

am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl<br />

seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Im Einzelnen:<br />

a) Die Vorschrift <strong>des</strong> § 24a Abs. 2 StVG ist verfassungsgemäß. Gegen<br />

das Bestimmtheitsgebot <strong>des</strong> Art. 103 Abs. 2 GG 22 verstößt<br />

sie nicht, weil aus ihr eindeutig hervorgeht, dass bei Nachweis<br />

<strong>der</strong> Wirkung eines <strong>der</strong> berauschenden Mittel, die in <strong>der</strong> in<br />

Bezug genommenen Anlage genannt sind, <strong>der</strong> Tatbestand <strong>der</strong><br />

Ordnungswidrigkeit erfüllt ist. Das Risiko <strong>der</strong> Begehung einer<br />

Ordnungswidrigkeit ist mithin erkennbar. 23 Ein Verstoß gegen<br />

den Gleichheitssatz besteht ebenfalls nicht, weil die im Vergleich<br />

zum <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> Alkoholeinfluss <strong>unter</strong>schiedliche Regelung<br />

(hier Festlegung eines Gefahrengrenzwertes, dort nicht)<br />

dadurch gerechtfertigt ist, dass sich bei einzelnen <strong>Drogen</strong> an<strong>der</strong>s<br />

als beim Alkohol die Dosiswirkungsbeziehung <strong>der</strong>zeit nicht<br />

quantifizieren lässt. 24 Die Vorschrift ist bei verfassungskonformer<br />

Auslegung auch mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar. Sie enthält<br />

ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das dazu beitragen soll, die<br />

Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen und dient dem Schutz<br />

wichtiger Rechtsgüter wie insbeson<strong>der</strong>e dem Leben, <strong>der</strong> Gesundheit<br />

und dem Eigentum <strong>der</strong> Verkehrsteilnehmer und somit<br />

einem legitimen Gemeinwohlziel. 25 Sie ist zur Erreichung <strong>des</strong><br />

vorgenannten Ziels geeignet, weil mit ihrer Hilfe <strong>der</strong> erstrebte<br />

Erfolg geför<strong>der</strong>t werden kann. 26 Auch die Erfor<strong>der</strong>lichkeit <strong>des</strong><br />

Eingriffs kann nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen werden.<br />

Ein an<strong>der</strong>es, gleich wirksames und die Handlungsfreiheit <strong>der</strong> Betroffenen<br />

weniger einschränken<strong>des</strong> Mittel 27 ist nicht ersichtlich.<br />

Da die Grenze zwischen ungefährlichen und gefährlichen Wirkstoffmengen<br />

<strong>nach</strong> dem gegenwärtigen naturwissenschaftlichen<br />

Erkenntnisstand noch nicht mit <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Genauigkeit<br />

gezogen werden kann, stehen dem Gesetzgeber <strong>der</strong>zeit<br />

exaktere und damit mil<strong>der</strong>e Wege <strong>der</strong> Tatbestandsfixierung<br />

nicht zur Verfügung. 28<br />

b) Die Vorschrift <strong>des</strong> § 24a Abs. 2 StVG muss aber so ausgelegt<br />

werden, dass eine Wirkung in ihrem Sinne nur vorliegt, wenn<br />

eine THC-Konzentration im Blut festgestellt wird, die es als<br />

möglich erscheinen lässt, dass <strong>der</strong> <strong>unter</strong>suchte Kraftfahrzeugführer<br />

am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine<br />

Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. 29 Dieser verfassungskonformen<br />

Auslegung bedarf es zur Wahrung <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit<br />

im engeren Sinne, weil die Regelung inzwischen auch<br />

zu Ergebnissen führen kann, die dem Einzelnen nicht mehr zugemutet<br />

werden können und vom Gesetzgeber auch nicht<br />

gewollt sind. 30 Da die Nachweisdauer für das Vorhandensein<br />

von THC aufgrund von Blutproben sich wesentlich erhöht<br />

hat und Spuren <strong>der</strong> Substanz sich nunmehr über mehrere Tage,<br />

<strong>unter</strong> Umständen sogar Wochen <strong>nach</strong>weisen lassen, ist<br />

<strong>der</strong> Vorstellung <strong>des</strong> Gesetzgebers, die in <strong>der</strong> Anlage zu § 24a<br />

StVG aufgeführten Wirkstoffe seien nur in engem zeitlichem<br />

Zusammenhang mit dem Genuss <strong>des</strong> berauschenden Mittels<br />

im Blut <strong>nach</strong>weisbar, damit für THC die Grundlage entzogen.<br />

31 Mit Rücksicht darauf kann nicht mehr je<strong>der</strong> Nachweis<br />

von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung<br />

<strong>nach</strong> § 24a Abs. 2 StVG ausreichen. Festgestellt werden<br />

muss vielmehr eine Konzentration, die es entsprechend dem<br />

Charakter <strong>der</strong> Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdelikts<br />

als möglich erscheinen lässt, dass <strong>der</strong> <strong>unter</strong>suchte Kraftfahrzeugführer<br />

am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl<br />

seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Unter Bezugnahme<br />

17 Zur Verdachtsgewinnung vgl. Schriftenreihe <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>anstalt für Straßenwesen,<br />

Mensch und Sicherheit, Heft M 96: Das Schulungsprogramm soll Polizeibeamte<br />

in die Lage versetzen, auch ohne analytische Vortests einen Anfangsverdacht zu<br />

gewinnen. Dazu werden drei Phasen aufgestellt: die Beobachtung <strong>des</strong> Fahrzeugs im<br />

fließenden Verkehr, <strong>der</strong> erste Kontakt mit dem Fahrer und sein Verhalten im<br />

weiteren Verlauf <strong>der</strong> Kontrolle.<br />

18 Bei <strong>der</strong> Einstellung <strong>des</strong> Verfahrens bei nur geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitungen,<br />

<strong>nach</strong> einem leichten Unfall usw. sind mit Ausnahme <strong>der</strong><br />

Verfahrenskosten in Gestalt <strong>der</strong> allgemeinen Personal- und Sachkosten für den<br />

Staat keine Kosten entstanden.<br />

19 Nr. 242 BKat: Regelsatz 250 €, Regel-Fahrverbot 1 Monat.<br />

20 Aufgrund <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s geringen Substanzkonzentration war schon vor<br />

<strong>der</strong> nunmehr ergangenen <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> BVerfG – die noch darüber<br />

hinausgeht – von einer Fallgestaltung auszugehen, bei <strong>der</strong> zwar die Tatbestandsmerkmale<br />

<strong>der</strong> Bußgeldnorm <strong>des</strong> § 24a Abs. 2, 3 StVG erfüllt sind, die<br />

aber von den „gewöhnlichen Tatumständen”, die <strong>der</strong> Verordnungsgeber bei<br />

Einstellung <strong>der</strong> das <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong>beeinflussung betreffenden Tatbestände<br />

<strong>unter</strong>stellt hat, abweicht und sich im Vergleich dazu als min<strong>der</strong>schwer<br />

darstellt (vgl. § 1 Abs. 2 BKatV).<br />

21 Vgl. zu den Überlegungen in <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>regierung Bönke, BA 2004, Supplement<br />

1, 6: reduzierte Sanktion 40 €, 1 Punkt.<br />

22 vgl. BVerfGE 87, 363 (391); 105, 135 (152 f.); 87, 209 (224).<br />

23 BVerfG, 1 BvR 2652/03 vom 21.12.2004, Absatz-Nr. 11.<br />

24 Absatz-Nr. 14.<br />

25 Absatz-Nr. 18.<br />

26 Absatz-Nr. 20.<br />

27 Vgl. auch BVerfGE 90, 145 (172).<br />

28 Absatz-Nr. 21.<br />

29 Absatz-Nr. 8.<br />

30 Absatz-Nr. 24.<br />

31 Absatz-Nr. 25.<br />

<strong>SVR</strong> 3/2005 | 83


AUFSÄTZE | Albrecht, <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong> <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts<br />

auf verschiedene Stellungnahmen 32 weist das BVerfG darauf<br />

hin, dass dies bei THC nur bei einem Wert ab o<strong>der</strong> über 1<br />

ng/ml, jedenfalls aber nicht dar<strong>unter</strong> anzunehmen ist. 33<br />

c) Die vor dem AG Kandel und dem Pfälz. OLG Zweibrücken geführten<br />

Verfahren hat das BVerfG an das AG zurück verwiesen,<br />

weil nicht auszuschließen ist, dass die Ausgangsgerichte, wenn sie<br />

die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen und <strong>der</strong>en Auswirkungen<br />

auf die Rechtsprechung an<strong>der</strong>er Gerichte 34 bei ihrer<br />

<strong>Entscheidung</strong> berücksichtigt hätten, zu einem für den Beschwerdeführer<br />

günstigeren Ergebnis gelangt wären, sei es, dass<br />

sie ihn vom Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit <strong>nach</strong> § 24a Abs.<br />

2 StVG freigesprochen, sei es, dass sie das Verfahren <strong>nach</strong> § 24a<br />

Abs. 4 StVG in Verbindung mit § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt hätten.<br />

35<br />

3. Schlussfolgerungen<br />

a) Die Polizeibehörden sind <strong>nach</strong> wie vor gehalten, anhand <strong>der</strong><br />

Kriterien, die die BASt für die <strong>Drogen</strong>erkennung ausgearbeitet<br />

hat, Verdachtsfälle <strong>des</strong> <strong>Fahren</strong>s <strong>nach</strong> <strong>Drogen</strong>einnahme aufzudecken,<br />

zu ermitteln und in diesen Fällen die Entnahme einer<br />

Blutprobe anzuordnen (§ 81a StPO i.V.m. § 46 OWiG). Ergibt<br />

die Blutanalyse allerdings, dass die Substanzkonzentration<br />

für THC <strong>unter</strong> 1 ng/ml liegt, so ist die Bußgeldbehörde nunmehr<br />

gehalten, das Verfahren einzustellen. Zwar lässt das<br />

BVerfG diesen Punkt letztlich offen und beschränkt sich nur<br />

auf die verfassungskonforme Auslegung <strong>des</strong> § 24a Abs. 2 StVG.<br />

Um einen Bußgeldbescheid erlassen zu können, müsste die Behörde<br />

jetzt <strong>unter</strong> Berücksichtigung <strong>des</strong>sen aber <strong>nach</strong>weisen,<br />

dass trotz <strong>der</strong> festgestellten Geringfügigkeit <strong>der</strong> Substanzkonzentration<br />

eine Wirkung vorgelegen hat, die es im konkreten<br />

Einzelfall hat als möglich erscheinen lassen, dass die Fahrtüchtigkeit<br />

<strong>des</strong> Betroffenen eingeschränkt war. Dafür aber wäre<br />

ein diesen Umstand belegen<strong>des</strong> Gutachten zu verlangen, das<br />

dann jedoch im Wi<strong>der</strong>spruch zum heutigen rechtsmedizinischen<br />

Erkenntnisstand stehen würde, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>Entscheidung</strong><br />

<strong>des</strong> BVerfG im Einzelnen dargestellt worden ist. In Fällen<br />

hingegen, in denen ganz konkrete und auf den Genuss von<br />

Cannabis zurückzuführende Beeinträchtigungen <strong>der</strong> Fahrsicherheit<br />

o<strong>der</strong> Ausfallerscheinungen <strong>nach</strong>gewiesen sind,<br />

werden nicht die Tatbestandsvoraussetzungen <strong>des</strong> Auffangtatbestan<strong>des</strong><br />

<strong>des</strong> § 24a Abs. 2 StVG, son<strong>der</strong>n diejenigen <strong>des</strong><br />

Straftatbestan<strong>des</strong> <strong>nach</strong> § 316 Abs. 1 o<strong>der</strong> 2 StGB erfüllt. Denn<br />

<strong>der</strong> Nachweis <strong>der</strong> Substanz THC, egal in welcher Konzentration,<br />

belegt den Genuss <strong>des</strong> berauschenden Mittels, und die<br />

Ausfallerscheinungen – wobei nicht nur Fahrfehler, son<strong>der</strong>n<br />

auch sonstige drogenbedingte Ausfallerscheinungen in Betracht<br />

kommen können 36 – belegen, dass <strong>der</strong> Kraftfahrer nicht<br />

in <strong>der</strong> Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. 37<br />

b) Die Ausführungen <strong>unter</strong> a) werden außerdem auch auf die<br />

an<strong>der</strong>en in <strong>der</strong> Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG genannten Substanzen<br />

übertragen werden müssen. Wie für den für THC ermittelten<br />

analytischen Grenzwert gilt auch für sie, dass bei im<br />

Blut <strong>nach</strong>gewiesenen Substanzkonzentrationen, die <strong>unter</strong>halb<br />

<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Grenzwertkommission entwickelten analytischen<br />

Grenzwerte liegen, entwe<strong>der</strong> die zeitliche Nähe zwischen dem<br />

Konsum <strong>der</strong> Droge und <strong>der</strong> Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr<br />

infrage steht 38 o<strong>der</strong>, was weniger realitätsnah aber<br />

auch nicht ausgeschlossen ist, <strong>der</strong> Konsum – falls die zeitliche<br />

Nähe <strong>nach</strong>gewiesen werden kann – in nur so geringem Umfang<br />

erfolgt ist, dass eine nur so winzige Wirkstoffmenge aufgenommen<br />

worden ist, für die <strong>nach</strong> dem gegenwärtigen Erkenntnisstand<br />

nicht ausgeschlossen werden kann, dass <strong>der</strong>en<br />

Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit nicht messbar sind<br />

und jedenfalls nicht über das hinausgehen, was das Straßenverkehrsrecht<br />

als Folgen von Unpässlichkeiten und Irritationen<br />

verschiedenster Art allenthalben in Kauf nimmt. 39 Dabei muss<br />

allerdings beachtet werden, dass <strong>der</strong> jeweilige Beschluss <strong>der</strong><br />

Grenzwertkommission immer nur den zu diesem Zeitpunkt<br />

geltenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand wie<strong>der</strong>gibt, so<br />

dass die Werte einer ständigen Überprüfung und Fortschreibung,<br />

also ggf. also einer erneuten Reduzierung, <strong>unter</strong>liegen<br />

müssen.<br />

c) Für die praktische Umsetzung <strong>der</strong> <strong>unter</strong> a) und b) gezogenen<br />

Schlussfolgerungen empfiehlt sich eine inhaltlich identische Anweisung<br />

<strong>der</strong> für die Verfolgung und Ahndung von Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten<br />

zuständigen obersten Lan<strong>des</strong>behörden<br />

an die Bußgeldbehörden, die in einzelnen Län<strong>der</strong>n bereits<br />

gegeben worden ist. Darüber hinaus wäre zur Gewährleistung<br />

einer bun<strong>des</strong>einheitlichen Verfahrensweise zu empfehlen, den<br />

Bun<strong>des</strong>einheitlichen Tatbestandskatalog 40 so zu än<strong>der</strong>n, dass<br />

die das <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong>einwirkung betreffenden Tatbestände<br />

nur auf Fälle bezogen werden, bei denen die von <strong>der</strong><br />

Grenzwertkommission erarbeiteten analytischen Grenzwerte<br />

erreicht o<strong>der</strong> überschritten worden sind. Zudem wäre aus Gründen<br />

<strong>der</strong> Klarstellung eine entsprechende Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Nr. 242<br />

<strong>des</strong> Bußgeldkataloges in Erwägung zu ziehen. Bis dahin steht diese<br />

inhaltlich mit <strong>der</strong> Bußgeldnorm identische Vorschrift <strong>der</strong><br />

32 Berghaus, BA 2002, S. 321 (328 f); Krüger, BA 2002, S. 336 (344 ff.); Beschluss <strong>der</strong><br />

Grenzwertkommission zu § 24a Abs. 2 StVG vom 20.11.2002 (o. Fn. 12).<br />

33 Absatz-Nr. 26.<br />

34 Nämlich <strong>der</strong> Verwaltungsgerichte im Zusammenhang mit dem Fahrerlaubnisrecht,<br />

die ebenfalls den Grenzwert von 1 ng/ml zugrunde legen, bei <strong>des</strong>sen Vorliegen<br />

die Annahme eines zeitnahen Cannabiskonsums mit einer entsprechenden<br />

Beeinträchtigung <strong>der</strong> Fahrtüchtigkeit gerechtfertigt ist (vgl. VG München,<br />

Beschluss vom 26.4.2004 – M 6a S 04. 2632; Nie<strong>der</strong>sächsisches OVG, NVwZ-RR<br />

2003, S. 899 (900); VGH Baden-Württemberg, VRS Bd. 107 (2004), S. 234 (236);<br />

siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, DAR 2004, S. 413).<br />

35 Absatz-Nr. 31.<br />

36 BayObLG NZV 1997, 127; Mettke, NZV 200, 199; Hentschel, Straßenverkehrsrecht,<br />

38. Aufl., Rn. 5 zu § 316 StGB.<br />

37 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht,<br />

38. Aufl., Rn. 5, 6 zu § 316 StGB; Cramer, Sternberg-Lieben in Schönke/<br />

Schrö<strong>der</strong>, StGB, 26. Aufl., Rn. 4 – 6 zu § 316 StGB.<br />

38 Vgl. nochmals die Empfehlungen <strong>der</strong> Grenzwertkommission für analytische<br />

Grenzwerte zu § 24a StVG vom 20.11.2002, abgedruckt bei Möller, BA 2004,<br />

Supplement 1, 17, wo<strong>nach</strong> bei allen Grenzwerten gilt, dass „bei tiefer liegenden<br />

Messwerten die Annahme eines zeitnahen Konsums sowie einer verkehrsgefährdenden<br />

<strong>Drogen</strong>wirkung zunehmend weniger gerechtfertigt ist”.<br />

39 Vgl. hierzu Stein, NZV 1999, 445: Als Beispiel wird das Durchqueren eines<br />

Raumes genannt, in dem Heroin konsumiert wird.<br />

40 Der Bun<strong>des</strong>einheitliche Tatbestandskatalog, <strong>der</strong> vom Kraftahrt-Bun<strong>des</strong>amt<br />

(KBA) im Einvernehmen mit den zuständigen obersten Lan<strong>des</strong>behörden<br />

veröffentlicht wird, enthält im Interesse <strong>der</strong> Vereinheitlichung und Vereinfachung<br />

<strong>der</strong> Verwaltungspraxis für die häufigsten Verkehrsverstöße vorformulierte<br />

Tatvorwürfe, mit denen die Regelungen <strong>der</strong> BKatV umgesetzt sowie<br />

dort im Verwarnungsgeldbereich bestehende Lücken geschlossen<br />

werden. Der Katalog dient mit dem dort ebenfalls eingeführten System <strong>der</strong><br />

Tatbestandsnummern <strong>der</strong> möglichst einfachen Fixierung festgestellter Verkehrsverstöße<br />

vor Ort sowie <strong>der</strong> Automatisierung <strong>der</strong> Verarbeitung dieser<br />

Feststellungen im Bußgeldverfahren. Der Bun<strong>des</strong>einheitliche Tatbestandskatalog<br />

gilt seit 1.1.2003 (vgl. hierzu § 4 Abs. 1 Nr. 3 Abs. 1a <strong>der</strong> VwV-VZR;<br />

BAnz. 2000, S. 17269). Er hat die zuvor geltenden Tatbestandskataloge <strong>der</strong><br />

Län<strong>der</strong> abgelöst. Die das <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong>einfluss betreffenden Tatbestände<br />

finden sich <strong>unter</strong> den Nummern 424648, 424649, 424650.<br />

84 | <strong>SVR</strong> 3/2005


Albrecht, <strong>Fahren</strong> <strong>unter</strong> <strong>Drogen</strong> <strong>nach</strong> <strong>der</strong> <strong>Entscheidung</strong> <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts | AUFSÄTZE<br />

Verfahrenseinstellung aber nicht entgegen, weil <strong>der</strong> Bußgeldkatalog<br />

nur Regelsanktionen aufstellt, für <strong>der</strong>en Verhängung sowohl<br />

die Tatbestandserfüllung als auch das Vorliegen gewöhnlicher<br />

Tatumstände zu verlangen ist. Vielmehr schließt <strong>der</strong> bei<br />

einer Unterschreitung <strong>der</strong> analytischen Grenzwerte nicht auszuschließende<br />

erhebliche zeitliche Abstand, <strong>der</strong> zwischen Konsum<br />

und <strong>Fahren</strong> bestanden hat, die Anwendung <strong>der</strong> für Zuwi<strong>der</strong>handlungen<br />

gegen § 24a Abs. 2 StVG in <strong>der</strong> BKatV<br />

vorgesehenen Regelsätze und Regelfahrverbote schon jetzt aus.<br />

Denn selbst wenn man auch mit <strong>der</strong> verfassungskonformen Auslegung<br />

nicht nur zur Bejahung <strong>der</strong> Tatbestandserfüllung gelangt,<br />

son<strong>der</strong>n außerdem auch das Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Ahndung bejaht<br />

(§ 47 Abs. 1, 2 OWiG), liegt jedenfalls eine <strong>der</strong> für die<br />

Sanktionszumessung in <strong>der</strong> BKatV <strong>unter</strong>stellten Regelvoraussetzungen<br />

– nämlich gewöhnliche Tatumstände – nicht vor. Die<br />

vorgeschlagenen Än<strong>der</strong>ungen würden es im Übrigen auch erlauben,<br />

neuen Erkenntnissen <strong>der</strong> Rechtsmedizin durch eine<br />

verfahrensseitig zügig zu leistende Fortschreibung <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Vorschriften Rechnung zu tragen, etwa wenn für die<br />

neben Cannabis genannten weiteren berauschenden Mittel –<br />

wofür angesichts <strong>der</strong> relativ hohen Werte Manches spricht –<br />

entwe<strong>der</strong> die Unmittelbarkeit <strong>des</strong> zeitlichen Zusammenhangs<br />

o<strong>der</strong> fahrleistungsbezogene Beeinträchtigungen doch auch für<br />

niedrigere Grenzwerte belegt werden können, was sich in einem<br />

entsprechenden Beschluss <strong>der</strong> Grenzwertkommission nie<strong>der</strong>schlägt.<br />

d) Nachdem es nunmehr für die Erfüllung <strong>des</strong> Tatbestan<strong>des</strong><br />

nicht mehr allein darauf ankommt, dass die betreffende Substanz<br />

überhaupt im Blut <strong>nach</strong>gewiesen worden ist, son<strong>der</strong>n<br />

darüber hinaus auch <strong>der</strong> betreffende Min<strong>des</strong>twert erfüllt worden<br />

sein muss, stellt sich außerdem die Frage, ob dem Betroffenen<br />

Messtoleranzen zugute gerechnet werden müssen. Dafür<br />

spricht, dass es in <strong>der</strong> Naturwissenschaft wohl kein<br />

Messverfahren gibt, dass die betreffenden Messwerte mit absoluter<br />

Genauigkeit und ohne jede Toleranz ermitteln kann.<br />

An<strong>der</strong>s als beim Alkohol, bei dem die mögliche Streuungsbreite<br />

<strong>der</strong> Bestimmungsmethoden für die Blutalkoholkonzentration<br />

und die Atemalkoholkonzentration bereits bei <strong>der</strong> Festlegung<br />

<strong>der</strong> gesetzlichen Gefahrengrenzwerte (0,5 Promille und<br />

0,25 mg/l) eingerechnet worden sind und nicht nochmals bei<br />

<strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> einzelnen Blutprobe abgezogen werden<br />

müssen, 41 sind solche Messtoleranzen in <strong>der</strong> gesetzlichen Konzeption<br />

<strong>des</strong> <strong>Drogen</strong>tatbestan<strong>des</strong> mangels Grenzwertfestlegung<br />

bislang nicht berücksichtigt worden. Ob sie bereits von <strong>der</strong><br />

Grenzwertkommission bei <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> analytischen<br />

Grenzwerte berücksichtigt worden sind und – wenn ja – ob diese<br />

Toleranzen genügen, bedarf <strong>der</strong> Prüfung durch die Rechtsmedizin.<br />

Aufgefor<strong>der</strong>t wären dann aber vor allem die Gutachter,<br />

die in ihren Gutachten darstellen müssten, welchen<br />

Toleranzwert sie für Messtoleranzen in Abzug gebracht haben.<br />

Die Sicherstellung einer bun<strong>des</strong>weit gleichmäßigen Verfahrensweise<br />

<strong>der</strong> Gutachter durch die Grenzwertkommission wäre<br />

wünschenswert. Die Bußgeldbehörden und Gerichte sollten<br />

diese Aufgabe nicht übernehmen müssen.<br />

e) Ob sich aufgrund <strong>des</strong> – wenn auch geringen – Substanz<strong>nach</strong>weises<br />

fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen anschließen<br />

können, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten,<br />

son<strong>der</strong>n muss anhand <strong>der</strong> Umstände <strong>des</strong> Einzelfalles <strong>unter</strong><br />

beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung <strong>des</strong> Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes<br />

entschieden werden. Für den Fall <strong>des</strong> Konsums von Cannabis<br />

und den Nachweis von THC <strong>unter</strong> 1 ng/ml wird dies in<br />

<strong>der</strong> Regel aber zu verneinen sein. In Betracht käme die Anordnung<br />

<strong>der</strong> Beibringung eines ärztlichen Gutachtens <strong>nach</strong><br />

§ 14 Abs. 1 Nr. 2 FeV, weil <strong>der</strong> Nachweis von THC natürlich<br />

die Annahme begründet, dass ein Betäubungsmittel im Sinne<br />

<strong>des</strong> Betäubungsmittelgesetzes eingenommen worden ist. An<strong>der</strong>erseits<br />

muss die speziell zu den Regelungen über die Fahreignungsprüfung<br />

<strong>nach</strong> vorausgegangenem Cannabiskonsum<br />

o<strong>der</strong> -besitz ergangene Verfassungsrechtsprechung berücksichtigt<br />

werden. 42 Hier<strong>nach</strong> ist es zwar zulässig, aus dem unerlaubten<br />

Besitz auf beabsichtigten Konsum zu schließen,<br />

nicht aber – und somit allein auch nicht aus dem Konsum<br />

selbst – auf das Vorhandensein fahreignungsrelevanter körperlich<br />

– geistiger Leistungsdefizite und auch nicht darauf,<br />

dass <strong>der</strong> Fahrerlaubnisinhaber zwischen dem <strong>Drogen</strong>konsum<br />

und <strong>der</strong> aktiven Teilnahme am Straßenverkehr nicht trennen<br />

kann, weshalb <strong>der</strong> Entzug <strong>der</strong> Fahrerlaubnis <strong>nach</strong> einmaligem<br />

Haschischkonsum als unverhältnismäßig abgelehnt<br />

wird. 43 Darüber hinaus ist aber schon bei den Maßnahmen, die<br />

– wie die Anordnung <strong>des</strong> ärztlichen Gutachtens – nur <strong>der</strong><br />

Prüfung dienen, ob die Fahreignung noch besteht, das Spannungsverhältnis<br />

zu berücksichtigen, das zwischen dem Interesse<br />

an <strong>der</strong> Sicherheit <strong>des</strong> Straßenverkehrs einerseits und dem<br />

Interesse <strong>des</strong> Fahrerlaubnisinhabers an<strong>der</strong>erseits besteht, von<br />

Gefahrerforschungseingriffen verschont zu bleiben, die mit erheblichen<br />

Belastungen für ihn verbunden sind. 44 Für die hier<br />

vorliegende Frage kann offen bleiben, ob gleichwohl aufgrund<br />

einmaligen Cannabiskonsums das ärztliche Gutachten angeordnet<br />

werden kann, was zumin<strong>des</strong>t die h. M. mittlerweile<br />

verneint. 45 Denn schon die Übermittlung <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Bußgeldbehörde<br />

im Zusammenhang mit einem eingestellten Bußgeldverfahren<br />

gewonnenen Erkenntnisse über einmaligen (geringfügigen)<br />

Cannabiskonsum an die Fahrerlaubnisbehörde<br />

stieße als regelmäßige Folgemaßnahme einer Einstellung <strong>des</strong><br />

Bußgeldverfahrens auf erhebliche Bedenken. Die Übermittlung<br />

solcher Erkenntnisse ist <strong>nach</strong> § 49a Abs. 2 OWiG nur<br />

zulässig, wenn beson<strong>der</strong>e Umstände <strong>des</strong> Einzelfalls die Übermittlung<br />

für die in § 14 Abs. 1 Nr. 4 bis 9 <strong>des</strong> Einführungsgesetzes<br />

zum Gerichtsverfassungsgesetz genannten Zwecke in<br />

Verbindung mit Absatz 2 Satz 2 und 4 jener Vorschrift in sinngemäßer<br />

Anwendung erfor<strong>der</strong>n. Ein solcher Zweck ist u. a.<br />

die Rücknahme einer verkehrsrechtlichen Erlaubnis (§ 14 Abs. 1<br />

Nr. 7 EGGVG), wozu auch den eigentlichen Eingriff vorbereitende<br />

Maßnahmen gewertet werden können. Nicht anzunehmen<br />

sind regelmäßig jedoch die beson<strong>der</strong>en Umstände, die –<br />

um die Voraussetzungen <strong>der</strong> Datenübermittlung zu erfüllen –<br />

vermuten lassen müssten, dass <strong>der</strong> Fahrerlaubnisinhaber <strong>Drogen</strong>konsum<br />

und <strong>Fahren</strong> nicht trennen kann. Dafür besteht in<br />

den fraglichen Fällen angesichts <strong>der</strong> Geringfügigkeit <strong>des</strong> Sub-<br />

41 Vgl. Begründung zum Gesetz vom 27.04.1998, BT-Drucks. 13/1439; Hentschel,<br />

Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., Rn. 11 (BAK-Grenzwert), Rn. 16 (AAK-Grenzwert)<br />

zu § 24a StVG, jeweils m.w.N.<br />

42 BVerfG NZV 2002, 422 ff.; BVerwG NJW 2002, 78.<br />

43 BVerfG NZV 2002, 425.<br />

44 BVerfG NZV 2002, 424; NJW 2002, 78.<br />

45 Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., Rn. 2 zu § 14 FeV; Schnei<strong>der</strong> VGT<br />

2002, 132; Kreuzer NZV 1999, 357; a. M. VG Freiburg, NZV 2000, 388.<br />

<strong>SVR</strong> 3/2005 | 85


AUFSÄTZE | Hartung, Außergerichtliche Regulierung von Kfz-Schäden ohne DAV-Abkommen?<br />

stanz<strong>nach</strong>weises und <strong>des</strong> wahrscheinlich erheblichen Zeitraums,<br />

<strong>der</strong> zwischen dem Konsum und dem <strong>Fahren</strong> gelegen<br />

hat und <strong>der</strong> somit im Gegenteil darauf hindeutet, dass <strong>der</strong> Fahrer<br />

<strong>Drogen</strong>konsum und <strong>Fahren</strong> zu trennen durchaus in <strong>der</strong><br />

Lage ist, keine Veranlassung. Schließlich kann auch <strong>unter</strong><br />

dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit in einem Fall, in<br />

dem die Ahndung <strong>des</strong> Verhaltens nicht geboten ist bzw. verfassungsrechtlich<br />

unzulässig wäre, aus diesem Verhalten auf<br />

die Möglichkeit <strong>des</strong> Vorliegens von Einstellungsmängeln<br />

kaum geschlossen werden. Selbst bei einem Substanz<strong>nach</strong>weis<br />

(THC) oberhalb <strong>der</strong> analytischen Werte und darauf basieren<strong>der</strong><br />

Ahndung wäre im Übrigen die regelmäßige Übermittlung<br />

damit zusammenhängen<strong>der</strong> Erkenntnisse an die<br />

Fahrerlaubnisbehörde kaum zu rechtfertigen, weil auch dies<br />

mangels spezialrechtlicher Regelung nur bei Vorliegen beson<strong>der</strong>er<br />

Umstände <strong>des</strong> Einzelfalles zulässig wäre (somit aber ausnahmsweise,<br />

wobei dann zusätzliche Umstände dargelegt werden<br />

können müssten). Eine Ahndung <strong>nach</strong> den Sätzen <strong>des</strong><br />

Bußgeldkataloges indiziert jedenfalls das Vorliegen nur gewöhnlicher<br />

Tatumstände (§ 1 Abs. 2 BKatV). Die letztgenannten<br />

Gesichtspunkte gelten grundsätzlich auch für die an<strong>der</strong>en<br />

in <strong>der</strong> Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden<br />

Mittel, wenn die jeweilige Substanz in einer Höhe <strong>unter</strong>halb<br />

<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Grenzwertkommission bestimmten (und ggf.<br />

künftig weiterentwickelten) analytischen Grenzwerte <strong>nach</strong>gewiesen<br />

und das Bußgeldverfahren <strong>des</strong>halb eingestellt worden<br />

ist. Zwar genügt hier – im Unterschied zu Cannabis –<br />

schon die einmalige o<strong>der</strong> gelegentliche Einnahme <strong>der</strong> Droge,<br />

um in <strong>der</strong> Regel die Ungeeignetheit anzunehmen. 46 Das än<strong>der</strong>t<br />

aber nichts an <strong>der</strong> Tatsache, dass eine Mitteilung von <strong>der</strong> Bußgeld-<br />

an die Fahrerlaubnisbehörde auch hier – wie dargestellt<br />

– nur <strong>unter</strong> „beson<strong>der</strong>en Umständen“ zulässig wäre, was zumin<strong>des</strong>t<br />

nicht regelmäßig <strong>unter</strong>stellt werden kann, zumal die<br />

Regelung <strong>des</strong> § 14 FeV auch insoweit Raum für eine abweichende<br />

Würdigung lässt. 47<br />

46 Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., Rn. 17 zu § 2 StVG m.N. über die dem<br />

entsprechende Rechtsprechung zu den einzelnen in Betracht kommenden <strong>Drogen</strong>.<br />

47 Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., Rn. 17 zu § 2 StVG; OVG Saarlouis,<br />

ZfS 2002, 552; Hessischer VGH, BA 40 (2003), 70-71; Bode, DAR 2002, 24.<br />

Außergerichtliche Regulierung von Kfz-Schäden ohne<br />

DAV-Abkommen?<br />

Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Hartung, Mönchengladbach<br />

1. Ausgangssituation<br />

Die außergerichtliche Regulierung von Kfz-Haftpflichtschäden<br />

ist für die Haftpflichtversicherer ein Massengeschäft. Die Menge<br />

<strong>der</strong> sich täglich ereignenden Verkehrsunfälle erfor<strong>der</strong>t eine<br />

schnelle Abwicklung <strong>der</strong> entstandenen Schäden sowohl im<br />

Interesse <strong>der</strong> durch einen Verkehrsunfall geschädigten Personen,<br />

die möglichst rasch zu ihrem Geld kommen wollen,<br />

als auch im Interesse <strong>der</strong> Haftpflichtversicherer, denen es darum<br />

geht, den mit <strong>der</strong> Abwicklung von Schäden aus Verkehrsunfällen<br />

verbundenen Verwaltungsaufwand so gering wie<br />

möglich zu halten. Das gilt auch für die bei <strong>der</strong> Schadensabwicklung<br />

entstehenden Anwaltsgebühren, die vom Haftpflichtversicherer<br />

zu übernehmen sind, soweit <strong>der</strong> Versicherungsnehmer<br />

zum Ersatz <strong>des</strong> Unfallschadens verpflichtet ist.<br />

So ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass <strong>der</strong> Deutsche Anwaltverein<br />

und <strong>der</strong> HUK-Verband bereits im Jahr 1971 ein Gebührenpauschalabkommen<br />

schlossen, das für die außergerichtliche<br />

Schadensregulierung Pauschalgebühren vorsah. Dieses Abkommen<br />

war 1991 durch die vom Deutschen Anwaltverein<br />

und dem HUK-Verband entwickelten „Verhaltens- und Abrechnungsgrundsätze<br />

bei <strong>der</strong> Regulierung von Kraftfahrzeug-<br />

Haftpflichtschäden“ ersetzt worden. Später trat an die Stelle<br />

<strong>des</strong> HUK-Verban<strong>des</strong> <strong>der</strong> Gesamtverband <strong>der</strong> Deutschen<br />

Versicherungswirtschaft (GdV).<br />

1.1. Unklarheit, ob das „DAV-Abkommen“ noch gilt<br />

Mit dem Inkrafttreten <strong>des</strong> RVG ist es um das so lange Zeit von<br />

Anwaltschaft und Haftpflichtversicherern durchaus erfolgreich<br />

praktizierte DAV-Abkommen still geworden. Auf <strong>der</strong><br />

Homepage <strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins im Internet sucht<br />

man <strong>nach</strong> diesem Abkommen vergeblich. Auch die Kommentare<br />

zum RVG schweigen sich hierzu aus. Das Stichwort „DAV-<br />

Abkommen“ findet sich in den Sachregistern nicht mehr. Soweit<br />

ersichtlich, wird es nur noch im Kommentar von<br />

Göttlich/Mümmler <strong>unter</strong> dem Stichwort „Unfallschadenregulierung“<br />

erwähnt. Dort wird das DAV-Abkommen mit dem<br />

Hinweis kommentiert, dass bei Drucklegung „noch keine Än<strong>der</strong>ung<br />

im Hinblick auf das RVG vorhanden“ gewesen sei. Eine<br />

etwas klarere Antwort auf die Frage, ob das DAV-Abkommen<br />

überhaupt noch gilt, gibt En<strong>der</strong>s. 1 Er schreibt, dass ihm <strong>der</strong><br />

DAV auf Anfrage mitgeteilt habe, mit dem Inkrafttreten <strong>des</strong><br />

RVG würden die Abrechnungsgrundsätze <strong>nach</strong> dem Merkblatt<br />

zur Abwicklung von Kfz-Haftpflichtschäden (damit ist<br />

das DAV-Abkommen gemeint) ihre Grundlage verlieren und<br />

auslaufen, es sei auch noch nicht absehbar, ob es zu einer auf<br />

das RVG angepassten Neuauflage kommen werde.<br />

1 En<strong>der</strong>s, RVG für Anfänger, Rn. 522.<br />

86 | <strong>SVR</strong> 3/2005

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