01.11.2013 Aufrufe

Folter in der BRD - Social History portal

Folter in der BRD - Social History portal

Folter in der BRD - Social History portal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

[I<br />

1,11<br />

"<br />

I<br />

I<br />

'I<br />

I,<br />

I,<br />

1I<br />

1I<br />

I1<br />

I '<br />

11<br />

11<br />

11<br />

11<br />

,1\<br />

\1<br />

11<br />

I!<br />

ii<br />

I<br />

I'<br />

1I<br />

'I<br />

il<br />

1\<br />

Menschen unmittelbare Lebensgefahr für das Opfer mit sich br<strong>in</strong>gt - er<br />

wird sich fragen, um welcher Ziele willen dieses Risiko <strong>in</strong> Kauf genommen<br />

wird .•<br />

Amtliche Antwort: so werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland F<strong>in</strong>ger~<br />

abdrücke abgenommen.<br />

Dr. Klaus Croissant<br />

Jörg Lang<br />

Rechtsanwälte<br />

An die<br />

Staatsanwaltschaft beim Landgericht<br />

z. Hd. von Herrn Oberstaatsanwalt Beck<br />

8900 Augsburg<br />

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt,<br />

als Verteidiger <strong>der</strong> Student<strong>in</strong><br />

Carmen Roll, geb. 9. 9.1947,<br />

z. Zt. <strong>in</strong> Untersuchungshaft <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt Aichach<br />

geben wir Ihnen Kenntnis von nachstehendem<br />

Sachverhalt:<br />

7 Stuttgart, den 27. März 1972<br />

\.<br />

Unsere Mandant<strong>in</strong> hat uns durch Schreiben vom 20.3.1972 sowie anläßlich des<br />

Besuches <strong>in</strong> Aichach am 25. 3. 1972 mitgeteilt, daß sie vom Amtsgericht Aichach drei<br />

Beschlüsse vom 8.3., 14.3. und 15.3.1972 erhalten habe. Durch den ersten<br />

Beschluß wurde die Beschlagnahme sämtlicher Ober- und Unterkleidung unserer<br />

Mandant<strong>in</strong> zur krim<strong>in</strong>alistischen Untersuchung angeordnet. Durch den zweiten<br />

Beschluß wurde die körperliche Untersuchung unserer Mandant<strong>in</strong> dah<strong>in</strong> angeordnet,<br />

daß ihr e<strong>in</strong>e Speichelprobe sowie Körper- und Haupthaare zu entnehmen s<strong>in</strong>d. Durch<br />

den dritten Beschluß wurde die Abnahme von F<strong>in</strong>gerabdrücken angeordnet mit dem<br />

H<strong>in</strong>weis »bei Weigerung unter Anwendung unmittelbaren Zwangs«.<br />

Wir müssen zunächst rügen, daß uns ke<strong>in</strong>er <strong>der</strong> genannten Beschlüsse zugestellt<br />

wurde, obwohl wir uns als Verteidiger und Zustellungsbevollmächtigte für unsere<br />

Mandant<strong>in</strong> längst legitimiert haben. Bitte veranlassen Sie, daß die Zustellung dieser<br />

Beschlüsse an uns sofort nachgeholt wird.<br />

11.<br />

Unsere Mandant<strong>in</strong> hat uns mitgeteilt, daß <strong>der</strong> richterliche Beschluß vom 15.3.1972<br />

<strong>in</strong> folgen<strong>der</strong> Weise vollzogen wurde:<br />

1. Unsere Mandant<strong>in</strong> wurde am 16.3.1972 von e<strong>in</strong>er Aufseher<strong>in</strong> um 6 Uhr geweckt.<br />

Sie erhielt - wie üblich - die Weisung, sich anzuziehen. Kurze Zeit danach wurde<br />

unsere Mandant<strong>in</strong> von <strong>der</strong> Aufseher<strong>in</strong> und e<strong>in</strong>er männlichen Begleitperson <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

leere Zelle geführt. Auf Frage, was dies zu bedeuten habe, wurde unserer<br />

Mandant<strong>in</strong> erklärt, sie solle nüchtern bleiben. In <strong>der</strong> Zelle wartete unsere<br />

Mandant<strong>in</strong> sodann bis 8 o<strong>der</strong> 9 Uhr. Danach wurde sie <strong>in</strong> die Krankenabteilung<br />

<strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt geführt, und zwar <strong>in</strong> das Zimmer des Anstaltsarztes. In<br />

84 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />

diesem Zimmer befanden sich neben dem Arzt und e<strong>in</strong>er Krankenschwester<br />

(möglicherweise auch zwei Krankenschwestern) fünf bis sechs Krim<strong>in</strong>albeamte.<br />

Zwei Krim<strong>in</strong>albeamte werden von unserer Mandant<strong>in</strong> auf Grund ihrer auffallend<br />

großen und korpulent-kräftigen Statur als Schränke beschrieben.<br />

Unsere Mandant<strong>in</strong> wurde nach Betreten des Arztzimmers von den Beamten, dem<br />

Arzt und e<strong>in</strong>er Krankenschwester aufgefor<strong>der</strong>t, sich freiwillig F<strong>in</strong>gerabdrücke<br />

abnehmen zu lassen. Auf diese Auffor<strong>der</strong>ung reagierte unsere Mandant<strong>in</strong> nicht,<br />

son<strong>der</strong>n sah sich die Gesichter <strong>der</strong> Umstehenden an.<br />

Darauf stürzten sich die beiden Personen, die zuvor als Schränke bezeichnet<br />

wurden, auf unsere Mandant<strong>in</strong>, packten sie an den Armen und am Körper und<br />

verfrachteten sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Art von gynäkologischen Stuhl. Nachdem unsere<br />

Mandant<strong>in</strong>, die sich trotz <strong>der</strong> Übermacht heftig sträubte und zu wehren versuchte,<br />

<strong>in</strong> den Stuhl manövriert war, wurde aus dessen unterem Teil e<strong>in</strong>e Platte herausgezogen,<br />

sodaß <strong>der</strong> Stuhl zur Liege wurde. Nunmehr wurde unsere Mandant<strong>in</strong> mit<br />

Le<strong>der</strong>gurten, die sich teilweise bereits an dem Stuhl befanden, an Armen und<br />

Be<strong>in</strong>en auf dem zur Liege gewordenen Stuhl gefesselt.<br />

Unsere Mandant<strong>in</strong> hatte sich gegen diese Fesselung mit Händen und Füßen<br />

gewehrt. Sie war auch nach <strong>der</strong> Fesselung äußerst erregt. Da sie noch versuchte,<br />

ihren Kopf zu bewegen, um das Geschehen zu verfolgen, wurde ihr <strong>der</strong> Kopf von<br />

e<strong>in</strong>er Krankenschwester <strong>in</strong> Liegestellung zurückgedrückt. In diesem Moment<br />

näherte sich e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Person, die unsere Mandant<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrer hilflosen und vollständigen<br />

Liegestellung nicht mehr erkennen konnte, mit e<strong>in</strong>er stark nach Äther<br />

riechenden Narkosemaske. Diese Maske wurde unserer Mandant<strong>in</strong> über das<br />

Gesicht gestülpt. Sie bemerkte noch, wie Äther auf die Gazemaske geträufelt<br />

wurde, hörte das Glucksen und verspürte die sich ausbreitenden Dämpfe. Unsere<br />

Mandant<strong>in</strong>, die <strong>in</strong>folge ihres zum äußersten getriebenen Erregungszustandes<br />

stark atmete, <strong>in</strong>halierte die ausströmenden Dämpfe voll. Ihr letzter Gedanke vor<br />

dem Übergang <strong>in</strong> den Zustand völliger Bewußtlosigkeit war <strong>der</strong>, überhaupt nicht<br />

mehr aufzuwachen.<br />

2. Was unserer Mandant<strong>in</strong> nach E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den bewußtlosen Zustand wi<strong>der</strong>fahren ist,<br />

ist uns nicht bekannt. Wir haben jedoch Grund zu <strong>der</strong> Annahme, daß unserer<br />

Mandant<strong>in</strong> nunmehr die F<strong>in</strong>gerabdrücke abgenommen wurden.<br />

3. Unsere Mandant<strong>in</strong> wachte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krankenabteilung <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt nach<br />

ihrer Er<strong>in</strong>nerung nachmittags aus <strong>der</strong> Narkose auf und erhielt auf ihren Wunsch<br />

e<strong>in</strong>en Obstsaft, wonach sie sich sofort erbrach. Sie verfiel danach wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Schlaf.<br />

Gegen 18 Uhr bemerkte unsere Mandant<strong>in</strong> erstmals, daß sie Schmerzen und<br />

Schwierigkeiten beim Bewegen des Unterkiefers und beim Öffnen des Mundes<br />

hatte. Sie stellte fest, daß die untere Kieferpartie geschwollen war und sich an<br />

ihrer rechten Halsseite Kratz- und Würgespuren befanden.<br />

Auf die Frage unserer Mandant<strong>in</strong>, woher diese Spuren stammten, erhielt sie von <strong>der</strong><br />

Krankenschwester ke<strong>in</strong>e Auskunft.<br />

111.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> unserer Mandant<strong>in</strong> wi<strong>der</strong>fahrenen Zwangsbetäubung erstatten wir<br />

gegen die Personen, die an <strong>der</strong> zuvor beschriebenen Ausführung des richterlichen<br />

Beschlusses vom 15.3.1972 mitgewirkt haben,<br />

Strafanzeige<br />

wegen des Verdachts<br />

85 Beson<strong>der</strong>e Ermittlungsmethoden

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!