Folter in der BRD - Social History portal
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erfor<strong>der</strong>lich. Da nach dem bisherigen Verhalten <strong>der</strong> Beschuldigten damit zu rechnen<br />
ist, daß sie nicht bereit se<strong>in</strong> wird, freiwillig an <strong>der</strong> Gegenüberstellung teilzunehmen,<br />
mußten gemäß §§ 81 a, 81 b, 119 Abs. 3, 168 a StPO die oben angegebenen Anordnungen<br />
getroffen werden.<br />
Die angeordneten Maßnahmen stehen nicht außer Verhältnis zu <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong><br />
Sache.<br />
Diese Entscheidung ergeht, um ihren Zweck nicht zu gefährden, gemäß § 33 Abs. 4<br />
StPO ohne die vorherige Anhörung <strong>der</strong> Beschuldigten.<br />
(Dr. Knoblich)<br />
Bundesrichter<br />
E<strong>in</strong> ganzes Bündel aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmter weiterer Maßnahmen und<br />
Vorkehrungen beseitigt jede Möglichkeit, diese E<strong>in</strong>griffe mit Rechtsmitteln<br />
zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Der den Anordnungen vorhergehende Antrag des<br />
Staatsanwalts wird we<strong>der</strong> dem Gefangenen noch dem Verteidiger<br />
bekanntgemacht. Die Anhörung zu <strong>der</strong> Entscheidung unterbleibt wohlweislich,<br />
»um ihren Zweck nicht zu gefährden«. Die körperlichen<br />
E<strong>in</strong>griffe und die Gegenüberstellungen werden vorgenommen (oft so, daß<br />
<strong>der</strong> äußerlich dafür beson<strong>der</strong>s zurechtgemachte Gefangene e<strong>in</strong>en Flur entlanggezerrt<br />
wird, wobei ihn durch Gucklöcher o<strong>der</strong> sonst aus dem Verborgenen<br />
Zeugen beobachten, von <strong>der</strong>en Anwesenheit <strong>der</strong> Gefangene nichts<br />
ahnt), - und erst danach, wenn alles vorüber ist, erfährt <strong>der</strong> Verteidiger<br />
von <strong>der</strong> - längst <strong>in</strong> die Tat umgesetzten - richterlichen Anordnung. Legt<br />
er jetzt dagegen Beschwerde e<strong>in</strong>, so belehrt ihn e<strong>in</strong> weiterer Gerichtsbeschluß,<br />
das sei nicht zulässig, die Beschwerde sei »prozessual überholt«<br />
(Beschluß <strong>der</strong> Bundesrichter Scharpenseel, Neifer und Krauth vom<br />
17· November 72).<br />
Bundesgerichtshof<br />
BJs 6/71<br />
StB 67/72<br />
Beschluß<br />
In dem Ermittlungsverfahren<br />
gegen<br />
Ulrike Me<strong>in</strong>hof [... ]<br />
zur Zeit <strong>in</strong> Untersuchungshaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt Köln [... ]<br />
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sitzung vom 17. November 1972 beschlossen:<br />
Die Beschwerde <strong>der</strong> Beschuldigten gegen den Beschluß des Ermittlungsrichters des<br />
Bundesgerichtshofs vom 11. September 1972 - 11 BGs 318/72 - wird als unzulässig<br />
verworfen.<br />
Gründe:<br />
Mit dem angefochtenen Beschluß hat <strong>der</strong> Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs<br />
die Zulässigkeit e<strong>in</strong>er Gegenüberstellung <strong>der</strong> Beschuldigten mit bestimmten Tatzeugen<br />
sowie bestimmter Maßnahmen <strong>in</strong> Zusammenhang mit dieser Gegenüberstellung<br />
angeordnet.<br />
Die Gegenüberstellung ist bereits am 20. September 1972 erfolgt. Damit ist die mit<br />
Schriftsatz ihrer Verteidiger vom 14. Oktober 1972 am 17. Oktober 1972 e<strong>in</strong>gelegte<br />
Beschwerde <strong>der</strong> Beschuldigten gegen diesen Beschluß prozessual überholt und<br />
daher unzulässig (Kle<strong>in</strong>knecht Anm. 4 B vor § 29 zu § 304 StPO).<br />
(Scharpenseel) (Neifer) (Krauth)<br />
Wie<strong>der</strong> geht es, führt man die Vorgänge auf ihren Kern zurück, um nichts<br />
an<strong>der</strong>es als um <strong>Folter</strong>, e<strong>in</strong>e <strong>Folter</strong> zudem, die ihr Ziel ohne den Umweg<br />
erreicht, den sie <strong>in</strong> ihrer historischen Ersche<strong>in</strong>ungsform zu nehmen<br />
hatte.<br />
Die körperliche <strong>Folter</strong> des Inquisitionsprozesses g<strong>in</strong>g darauf aus, dem<br />
Beschuldigten so lange Schmerz und Qual zuzufügen, bis er e<strong>in</strong> Verbrechen<br />
e<strong>in</strong>gestand, mochte er es begangen haben o<strong>der</strong> nicht. Immerh<strong>in</strong><br />
mußte er reden; ohne se<strong>in</strong>e Mitwirkung durch e<strong>in</strong> Geständnis, und sei es<br />
e<strong>in</strong> erpreßtes, war ihm nicht beizukommen, war jedenfalls <strong>der</strong> <strong>Folter</strong>zweck<br />
nicht erreicht.<br />
Die zeitgenössische Variante <strong>der</strong> <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />
ist darauf nicht mehr angewiesen.<br />
Am 10. August 1972 wird Bernhard Braun aus <strong>der</strong> ]ustizvollzugsanstalt<br />
München, Stadelheimer Straße 12, <strong>in</strong>s Münchner Polizeipräsidium<br />
gebracht. Bernhard Braun hat blonde Haare, <strong>in</strong> Natur, aber auch auf<br />
Fahndungsplakaten und Fahndungsfotos. Am 10.8.1972 werden ihm die<br />
Haare lackschwarz gefärbt. Er wird, ohne daß er es merkt, Zeugen<br />
»gegenübergestellt«. Am 19. August 1972 wird ihm Backen-, K<strong>in</strong>n- und<br />
Oberlippenbart abgenommen, und es folgt e<strong>in</strong>e neue Gegenüberstellung.<br />
Der Vorgang ist Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens 2 BvR<br />
631/72 (hier nicht dokumentiert).<br />
Staatsanwalt Weiß aus München erklärt auf Befragen, mündlich: es gebe<br />
e<strong>in</strong>en Zeugen für den Anschlag auf das Landeskrim<strong>in</strong>alamt Bayern (Bernhard<br />
Braun sitzt unter ganz an<strong>der</strong>en Beschuldigungen <strong>in</strong> Haft), <strong>der</strong> den<br />
Täter als schwarzhaarig und als bartlos beschrieben hätte - dieser Zeugenaussage<br />
habe man Bernhard Braun eben angepaßt.<br />
Der Vorfall beleuchtet sich selbst e<strong>in</strong>drucksvoll: zunächst wird klar, daß<br />
nicht unbed<strong>in</strong>gt <strong>der</strong> Täter, daß aber unter allen Umständen Bernhard<br />
Braun als Täter überführt werden soll. Er hat daher so auszusehen, wie<br />
Zeugen den Täter beschreiben. Dazu kommt aber noch e<strong>in</strong> weiteres: <strong>der</strong><br />
Gefangene, nach Zeugenaussagen hergerichtet und den Zeugen dann präsentiert,<br />
wird zum bloßen Objekt <strong>der</strong> Veranstaltung, zudem zu e<strong>in</strong>em<br />
manipulierten Beweismittel gegen sich selbst. Wo so verfahren wird, wo<br />
das zwangsweise zurechtgemachte Äußere des Beschuldigten se<strong>in</strong>e eigene<br />
80 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />
8 I Beson<strong>der</strong>e Ermittlungsmethoden