Folter in der BRD - Social History portal
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sche Gefangene, wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vollzugsanstalt Zweibrücken, vor und nach<br />
jedem Besuch ihres Verteidigers ausziehen, durchsuchen und völlig<br />
umkleiden lassen müssen.<br />
Die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verteidigung erfolgt oft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sche<strong>in</strong>bar zufälligen<br />
Zusammenspiel von Gericht, Staatsanwaltschaft und Vollzugsanstalt,<br />
das die jeweiligen Maßnahmen <strong>der</strong> rechtlichen Kontrolle entzieht.<br />
Deutlich wird dies bei folgendem Vorfall:<br />
Am 20. September um 10.45 Uhr traf e<strong>in</strong> Verteidiger von Ulrike Me<strong>in</strong>hof<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Haftanstalt Zweibrücken e<strong>in</strong>, um Frau Me<strong>in</strong>hof zu besuchen. Es<br />
erschien <strong>der</strong> Anstaltsleiter und bedeutete dem Verteidiger, er könne Frau<br />
Me<strong>in</strong>hof nicht sprechen, da sich we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Besuchserlaubnis noch e<strong>in</strong>e<br />
von Frau Me<strong>in</strong>hof ausgestellte Vollmacht bei den Gefangenenakten bef<strong>in</strong>de.<br />
Als <strong>der</strong> Verteidiger darauf verwies, daß er selbst im Besitz e<strong>in</strong>er<br />
Besuchserlaubnis sei, die er unmittelbar nach E<strong>in</strong>treffen an <strong>der</strong> Pforte<br />
vorgewiesen hatte, wurde e<strong>in</strong> Verteidigerbesuch bei Ulrike Me<strong>in</strong>hof durch<br />
den Leiter <strong>der</strong> Haftanstalt mit <strong>der</strong> Begründung abgewiesen, es seien polizeiliche<br />
Vorbereitungen im Gange, die durch den Besuch gestört werden<br />
könnten. Der Verteidiger erfuhr bei diesem Gespräch, daß es sich um<br />
Vorbereitungen zu e<strong>in</strong>er richterlich nicht angeordneten Gegenüberstellung<br />
handelte. Er wies den leitenden Beamten darauf h<strong>in</strong>, daß er <strong>in</strong> je<strong>der</strong><br />
Verfahrenslage das Recht habe, den Untersuchungshäftl<strong>in</strong>g zu sprechen,<br />
und umgekehrt dieser <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Verfahrenslage das Recht habe, den Verteidiger<br />
zu sprechen.<br />
Der Verteidiger bestand darauf, se<strong>in</strong>e Mandant<strong>in</strong> sofort zu seh~n, und<br />
erklärte sich mit dem Angebot, »e<strong>in</strong>en Besuch nachmittags durchzuführen«,<br />
nicht e<strong>in</strong>verstanden. Der leitende Beamte weigerte sich jedoch<br />
weiterh<strong>in</strong> beharrlich, den Besuch zu gestatten.<br />
Da bei dem Verhalten des leitenden Beamten e<strong>in</strong> Besuch bei Ulrike<br />
Me<strong>in</strong>hof <strong>in</strong> dieser Situation vormittags nicht durchsetzbar schien, nutzte<br />
<strong>der</strong> Verteidiger die Zeit, um e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Mandanten <strong>in</strong> dieser Haftanstalt<br />
zu besuchen. Nach diesem Besuch gegen 12.00 Uhr wurde ihm mitgeteilt,<br />
er könne Ulrike Me<strong>in</strong>hof nicht etwa um 13. 30 Uhr - dem Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />
Besuchszeit nachmittags - sehen, son<strong>der</strong>n frühestens um 16.00 Uhr, also<br />
außerhalb <strong>der</strong> regulären Besuchszeit und für e<strong>in</strong>en Zeitraum, <strong>der</strong> sich<br />
zwischen e<strong>in</strong>er halben und e<strong>in</strong>er ganzen Stunde bewege.<br />
Der Verteidiger veranlaßte den <strong>in</strong> dieser Sache zuständigen Haftrichter,<br />
Bundesrichter Dr. Knoblich, die Leitung <strong>der</strong> Vollzugsanstalt darauf h<strong>in</strong>zuweisen,<br />
daß <strong>der</strong> Verteidiger von Frau Me<strong>in</strong>hof <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Verfahrenslage <br />
also auch jetzt - zum Besuch von Frau Me<strong>in</strong>hof berechtigt ist. Diese<br />
Anweisung erfolgte durch Bundesrichter Knoblich persönlich, nachdem er<br />
sie vorher durch e<strong>in</strong>en Beamten <strong>der</strong> Sicherungsgruppe Bonn telefonisch<br />
76 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />
<strong>der</strong> Anstalt hatte übermitteln lassen. Der Richter hatte darauf h<strong>in</strong>gewiesen,<br />
daß notfalls die Gegenüberstellung unterbrochen werden müsse, um<br />
e<strong>in</strong>e Besprechung zwischen Verteidiger und dem Untersuchungshäftl<strong>in</strong>g<br />
zu ermöglichen. Diese Anweisungen s<strong>in</strong>d dem Leiter <strong>der</strong> Anstalt durch<br />
Herrn Staatsanwalt Müllenbach von <strong>der</strong> Bundesanwaltschaft übermittelt<br />
worden. Müllenbach selbst, <strong>der</strong> also <strong>in</strong> Kenntnis <strong>der</strong> Entscheidung des<br />
Gerichts war, erklärte dem Verteidiger schließlich, er sei als Leiter <strong>der</strong><br />
Gegenüberstellung bereit, diese zum Zwecke e<strong>in</strong>er Verteidigerbesprechung<br />
mit Ulrike Me<strong>in</strong>hof zu unterbrechen - vorbehaltlich <strong>der</strong> Genehmigung <strong>der</strong><br />
Anstaltsleitung. Als <strong>der</strong> Verteidiger beim Leiter <strong>der</strong> Vollzugsanstalt<br />
Zweibrücken um 13.30 Uhr des angegebenen Tages unter H<strong>in</strong>weis auf den<br />
Beschluß des Gerichts nunmehr um den Besuch bei Ulrike Me<strong>in</strong>hof nachsuchte,<br />
erklärte dieser:<br />
»Me<strong>in</strong>e Entscheidung steht fest: Sie können Frau Me<strong>in</strong>hof jetzt nicht sehen - allenfalls<br />
um 16.00 Uhr. Verlassen Sie bitte das Haus!«<br />
Während dieses gesamten Zeitraums war Ulrike Me<strong>in</strong>hof gegen ihren<br />
Willen und unter Aufsicht des Anstaltsleiters mit Gewalt ohne richterlichen<br />
Beschluß zu e<strong>in</strong>er »Gegenüberstellung« gezwungen worden, bei <strong>der</strong><br />
sie durch die vorführenden Beamten verletzt wurde.<br />
Der Fortgang dieser Angelegenheit kennzeichnet die Aussichtslosigkeit,<br />
solche willkürlichen Maßnahmen mit gesetzlichen Mitteln anzugreifen.<br />
Gegen den Leiter <strong>der</strong> Vollzugsanstalt Zweibrücken wurde Dienstaufsichtsbeschwerde<br />
erhoben. Das Justizm<strong>in</strong>isterium von Rhe<strong>in</strong>land-pfalz sah daraufh<strong>in</strong><br />
ke<strong>in</strong>en Anlaß, die Entscheidung des Anstaltsleiters zu beanstanden.<br />
Der Antrag an das für Maßnahmen <strong>der</strong> Vollzugsverwaltung zuständige<br />
Oberlandesgericht Zweibrücken, die Rechtswidrigkeit <strong>der</strong> genannten<br />
Maßnahmen festzustellen (§§ 23 ff. EGGVG), wurde als unzulässig abgelehnt<br />
mit <strong>der</strong> Begründung, für die Entscheidung sei <strong>der</strong> Haftrichter<br />
zuständig (Beschluß des OLG Zweibrücken vom 6. 1I. 1972, VAs 22/72).<br />
Der zuständige Haftrichter jedoch, <strong>der</strong> Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes,<br />
lehnte alsbald se<strong>in</strong>erseits den entsprechenden Antrag <strong>der</strong> Verteidigung<br />
ab, da es sich bei den angefochtenen Maßnahmen um Angelegenheiten<br />
des <strong>in</strong>neren Dienstbetriebs <strong>der</strong> Haftanstalt handle, für die <strong>der</strong><br />
Haftrichter nicht zuständig sei (Beschluß des Ermittlungsrichters des<br />
BGH vom 17. I. 1973, 1 BJs 6/71 - II BGs 24/73).<br />
Am 16.7.1973 (während des Umbruchs dieses Heftes) haben Beamte <strong>der</strong><br />
Sicherungsgruppe gleichzeitig <strong>in</strong> Haftanstalten <strong>in</strong> Westberl<strong>in</strong> und Westdeutschland<br />
die Zellen von Andreas Baa<strong>der</strong>, Gudrun Enssl<strong>in</strong>, Holger<br />
Me<strong>in</strong>s,Irmgard Möller, Gerhard Müller und Jan-earl Raspe durchsucht<br />
77 Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verteidigung