Folter in der BRD - Social History portal
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Umgekehrt werden auch schriftliche Notizen des Gefangenen, sogar solche,<br />
die er sich für den Besuch se<strong>in</strong>es Verteidigers macht, kontrolliert. Das<br />
Recht wird zur Farce, wenn die Justiz hierzu erklären läßt:<br />
••Der Bedienstete schaute lediglich auf das Papier, las sich den Inhalt aber nicht<br />
durch.«<br />
So <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt Köln laut Schreiben des Ermittlungsrichters<br />
des Bundesgerichtshofs Dr. Knoblich vom 27· 7· 1972 (I BJs<br />
6/71) im Verfahren gegen Jan-Carl Raspe. Die Beschwerde dagegen wird<br />
vom 111.Strafsenat des Bundesgerichtshofs verworfen, mit <strong>der</strong> Begründung,<br />
es bestehe die Gefahr, daß <strong>der</strong> Gefangene im Anwaltsbesuchsraum<br />
e<strong>in</strong>en Kassiber für e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Gefangenen verstecken könne. Dunkel<br />
bleibt dabei immer noch, wie <strong>der</strong> Bedienstete feststellen will, ob e<strong>in</strong><br />
Schriftstück e<strong>in</strong>en Kassiber enthält, angeblich ohne es zu lesen.<br />
Bundesgerichtshof<br />
1 BJs 6/71<br />
StB 32/72<br />
Beschluß<br />
Die Frage, ob und <strong>in</strong>wieweit Anstaltsbedienstete <strong>in</strong> Schriftstücke E<strong>in</strong>sicht zu nehmen<br />
befugt s<strong>in</strong>d, die e<strong>in</strong> Untersuchungsgefangener auf dem Wege zu e<strong>in</strong>er Zusammenkunft<br />
mit se<strong>in</strong>em Verteidiger mit sich führt. betrifft nicht e<strong>in</strong>e bloße Organisationso<strong>der</strong><br />
Arbeitsanordnung, son<strong>der</strong>n berührt zum<strong>in</strong>dest zugleich auch den Verkehr mit<br />
dem Verteidiger. Für e<strong>in</strong>e Entscheidung darüber war <strong>der</strong> Ermittlungsrichter daher im<br />
Rahmen des § 119 Abs. 6 StPO zuständig.<br />
Se<strong>in</strong>e Verfügung ist <strong>in</strong>dessen nicht zu beanstanden. Der schriftliche und mündliche<br />
Verkehr mit dem Verteidiger unterliegt zwar ke<strong>in</strong>er Kontrolle (§ 148 StPO). Geprüft<br />
werden darf und muß jedoch. ob es sich wirklich um solchen Verkehr mit dem Verteidiger<br />
handelt. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß sich e<strong>in</strong> Anstaltsangehöriger<br />
<strong>in</strong> das Schriftstück. das nicht etwa zur Übergabe an den Verteidiger vorgesehen<br />
war. son<strong>der</strong>n dem Beschuldigten als Gedächtnisstütze für die Besprechung dienen<br />
sollte, <strong>in</strong>soweit kurz E<strong>in</strong>sicht verschaffen durfte als es nötig war, um jene Voraussetzung<br />
zu prüfen und auf diese Weise auszuschließen, daß <strong>der</strong> Beschuldigte beispiels<strong>in</strong><br />
dem Ermittlungsverfahren<br />
gegen<br />
den Studenten Jan Carl Raspe [... ]<br />
zur Zeit <strong>in</strong> Untersuchungshaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf [... ]<br />
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sitzung vom 24. August 1972 beschlossen:<br />
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen die Verfügung des ErmittlungsrichteJs<br />
des Bundesgerichtshofs vom 27. Juli 1972 wird verworfen.<br />
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.<br />
Gründe:<br />
weise e<strong>in</strong>en Kassiber mit sich trug, den er im Besuchsraum versteckt für e<strong>in</strong>en<br />
Mitgefangenen zu h<strong>in</strong>terlassen gedachte. E<strong>in</strong>e weitergehende Durchsicht hat <strong>der</strong><br />
Bedienstete nach <strong>der</strong> Äußerung des Anstaltsvorstands nicht vorgenommen.<br />
(Mayer) (Dr. Wiefels) (Pikart)<br />
Ständige Zellenkontrollen und vor allem die Durchsuchung <strong>der</strong> Zellen <strong>in</strong><br />
Abwesenheit <strong>der</strong> Gefangenen, wenn diese sich beim Bad o<strong>der</strong> Hofgang<br />
bef<strong>in</strong>den, machen das Recht auf unkontrollierten Schriftverkehr mit dem<br />
Verteidiger vollends zunichte. So wird selbst <strong>der</strong> letzte Bereich <strong>der</strong><br />
gedanklichen Äußerung des Politischen Gefangenen kontrolliert.<br />
Der Leiter <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt<br />
An die<br />
Rechtsanwälte Eschen,<br />
Mahler, Ströbele<br />
Düsseldorf<br />
Betr.: Strafgefangenen Andreas Baa<strong>der</strong><br />
Bezug: Dortiges Schreiben vom 4. 1. 1973 (.I. Baa<strong>der</strong> I)<br />
4000 Düsseldorf. den 16. 1. 73<br />
Sehr geehrte Herren!<br />
Es ist zutreffend, daß die Zelle Ihres Mandanten beispielsweise während <strong>der</strong> Durchführung<br />
<strong>der</strong> Freistunde durchsucht wird. E<strong>in</strong>e Durchsuchung des Haftraums - auch<br />
bei Abwesenheit Ihres Mandanten - ist aus Sicherheitsgründen erfor<strong>der</strong>lich. Die<br />
Durchsuchungen werden jedoch von mehreren Bediensteten gleichzeitig vorgenommen,<br />
die angewiesen s<strong>in</strong>d. die Verteidigungsunterlagen unangetastet zu lassen.<br />
Diese Anweisung wird von den Bediensteten auch genau beachtet.<br />
Zu Maßnahmen im Wege <strong>der</strong> Dienstaufsicht sehe ich ke<strong>in</strong>en Anlaß.<br />
Die Anträge Ihres Mandanten auf Bezug <strong>der</strong> Zeitschriften ••Rote Robe« und ••Neues<br />
Deutschland« habe ich abgelehnt, da <strong>in</strong> beiden Fällen die Voraussetzungen <strong>der</strong> RV<br />
des JM vom 30. 12. 1969 (4564 - 111 C. 1) über den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften<br />
durch Strafgefangene und Verwahrte nicht gegeben s<strong>in</strong>d. Nach dieser<br />
Vorschrift müssen nämlich die Druckerzeugnisse im Zeitungshandel erhältlich se<strong>in</strong><br />
und im Abonnement bestellt werden können.<br />
Die Zeitschrift ••Konkret« ist am 17.11.1972 für Ihren Mandanten bestellt worden.<br />
Soweit hier bekannt ist, treten z. Zt. Lieferschwierigkeiten auf, die jedoch nicht von<br />
<strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt Düsseldorf zu vertreten s<strong>in</strong>d.<br />
Mit vorzüglicher Hochachtung<br />
(Mies)<br />
Die Leibesvisitation des Verteidigers und die Durchsuchung se<strong>in</strong>er Aktentasche<br />
beim Besuch im Gefängnis ist nur noch Schikane, wobei es <strong>der</strong><br />
Laune des Vollzugsbeamten überlassen sche<strong>in</strong>t, ob er dem Verteidiger<br />
gestattet, e<strong>in</strong> Diktiergerät, e<strong>in</strong>en Pullover o<strong>der</strong> gar e<strong>in</strong>e Straßenkarte mit<br />
sich zu führen. Ke<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Zweck hat die Anordnung, daß sich Politi-<br />
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