Folter in der BRD - Social History portal
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Bildung bzw. Beteiligung an e<strong>in</strong>er krim<strong>in</strong>ellen Vere<strong>in</strong>igung ermittelt wird. Gegen<br />
Rechtsanwalt Becker wird von <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft Karlsruhe wegen Verdachts<br />
<strong>der</strong> Unterstützung dieser Vere<strong>in</strong>igung ermittelt. Nach dem bisherigen Stand <strong>der</strong><br />
Ermittlungen besteht <strong>der</strong> dr<strong>in</strong>gende Verdacht, daß Rechtsanwalt Becker <strong>in</strong> Kenntnis<br />
<strong>der</strong> Ziele und Pläne <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung dem »Arbeitskreis Fototechnikec se<strong>in</strong>e Lichtbil<strong>der</strong>kartei<br />
von Polizeibeamten aus dem Raume Heidelberg zur Verfügung gestellt und<br />
damit die krim<strong>in</strong>elle Vere<strong>in</strong>igung unterstützt hat. Bei dieser Sachlage ist es ausgeschlossen,<br />
daß Rechtsanwalt Becker weiterh<strong>in</strong> die Beschuldigten verteidigt. Ihm<br />
kann nicht unkontrollierter Zugang zu und Korrespondenz mit den Beschuldigten<br />
gestattet werden, da Verdunklungshandlungen über ihn nicht ausgeschlossen werden<br />
können. So wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bei e<strong>in</strong>er Beschuldigten beschlagnahmten Schreiben<br />
erklärt, daß <strong>der</strong> Kontakt zu den Inhaftierten über Rechtsanwalt Becker gut funktioniert.<br />
(Dr. Johansson)<br />
Amtsgerichtsrat<br />
Alle diese Ausschlüsse von Verteidigern mußten <strong>in</strong>zwischen aufgehoben<br />
werden.<br />
Den Ausschluß von Rechtsanwalt Schily von <strong>der</strong> Verteidigung Gudrun<br />
Enssl<strong>in</strong>s hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom<br />
14.2.1973 (2 BvR 667/72) aufgehoben. Dabei vermied das Gericht allerd<strong>in</strong>gs,<br />
zu den willkürlichen Gründen des Ausschlusses Stellung zu nehmen.<br />
Es zog sich darauf zurück, daß es bislang ke<strong>in</strong>e gesetzliche Grundlage für<br />
den Ausschluß e<strong>in</strong>es Verteidigers gebe, und appellierte zugleich an den<br />
Gesetzgeber, dies zu än<strong>der</strong>n.<br />
Inzwischen ist die politische Justiz jedoch zu an<strong>der</strong>en und weitaus wirksameren<br />
Methoden <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verteidigung und damit <strong>der</strong><br />
Beschränkung <strong>der</strong> Verteidigungsrechte <strong>der</strong> Gefangenen übergegangen.<br />
Die Grundlage des Vertrauensverhältnisses zwischen Gefangenem und<br />
Verteidiger, <strong>der</strong> absolut unkontrollierte mündliche und briefliche Kontakt,<br />
ist ständigen Angriffen seitens <strong>der</strong> Gerichte, Staatsanwaltschaften und<br />
Gefängnisbehörden ausgesetzt.<br />
So wird Verteidigerpost, die als solche deutlich gekennzeichnet ist, dem<br />
Gefangenen vorenthalten, wobei sich das Gericht trotz des Zensurverbots<br />
anmaßt festzustellen, ob <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Postsendung überhaupt Verteidigerpost<br />
darstelle (Beschluß des AG Kaiserslau tern vom 12. 4. 1973 i. S.<br />
Wolfgang Grundmann). Der Rechtsbruch geht soweit, daß Verteidigerpost<br />
sogar beschlagnahmt wird, um als Beweismittel zu dienen. Verteidigerpost,<br />
die den Gefangenen direkt zu erreichen hat, landet beim Staatsanwalt<br />
und wird von diesem geöffnet. E<strong>in</strong> Strafverfahren gegen diesen<br />
Staatsanwalt wird e<strong>in</strong>gestellt, da die Brieföffnung angeblich versehentlich<br />
erfolgt sei (Beschluß <strong>der</strong> StA Karlsruhe vom 3. I I. 197 I i. S. Dalia<br />
Michel).<br />
Beschluß<br />
<strong>in</strong> dem Ermittlungsverfahren<br />
gegen<br />
Wolfgang Grundmann [... ]<br />
z. Zt. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt <strong>in</strong> Zweibrücken,<br />
wird die Beför<strong>der</strong>ung des Briefes <strong>der</strong> Verteidiger, Rechtsanwälte Jürgen Laubscher,<br />
Marieluise Becker und Eberhard Becker [... ] nicht genehmigt, da er nach dem von<br />
außen bruchstückhaft zu lesenden Inhalt ke<strong>in</strong>e Verteidigerpost darstellt.<br />
Der Brief wird nach § 94 I StPO sichergestellt, da er als Beweismittel <strong>in</strong> Frage<br />
kommt.<br />
Kaiserslautern, den 12. April 1973<br />
Amtsgericht<br />
(Voß)<br />
Richter<br />
Staatsanwaltschaft<br />
Karlsruhe<br />
Anzeige zum Nachteil Dalia Michel v. 24. 9. 1971 -EB/ AJ-<br />
75 Karlsruhe 1, den 3. 11. 1971<br />
Das Verfahren wird e<strong>in</strong>gestellt.<br />
Staatsanwalt Reus hat am 10. 9. 1971 e<strong>in</strong>en Brief <strong>der</strong> Untersuchungsgefangenen<br />
Dalia Michel an ihren Verteidiger, <strong>der</strong> als Verteidigerpost gekennzeichnet war, geöffnet,<br />
mit e<strong>in</strong>em Zensurvermerk versehen und weitergeleitet. Deshalb haben <strong>der</strong><br />
Verteidiger und Dalia Michel Strafantrag gegen ihn gestellt. Dalia Michel war damals<br />
e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> 11 Untersuchungsgefangenen aus dem umfangreichen Ermittlungsverfahren<br />
gegen das »SPK Heidelbergec.<br />
Der Sachbearbeiter dieses Verfahrens ist Staatsanwalt Frank. Dieser war vom 19.8.<br />
bis 17.9.1971 <strong>in</strong> Urlaub und wurde von Staatsanwalt Reus vertreten. Deshalb<br />
unterlag ihm auch die Briefkontrolle. Alle<strong>in</strong> im Rahmen des Ermittlungsverfahrens<br />
»SPK Heidelbergec waren se<strong>in</strong>erzeit täglich zwischen 30 und 50 Postsachen zu öffnen<br />
und zu zensieren.<br />
Staatsanwalt Reus hat sich dah<strong>in</strong> geäußert, daß er den Brief versehentlich geöffnet<br />
und den Vermerk »Verteidigerpostec übersehen habe.<br />
An <strong>der</strong> Richtigkeit dieser Äußerung zu zweifeln besteht ke<strong>in</strong> Anlaß, zumal üblicherweise<br />
Verteidigerpost von <strong>der</strong> Vollzugsanstalt direkt weitergeleitet wird.<br />
Der Tatbestand des § 299, <strong>der</strong> hier alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Betracht kommt, setzt <strong>in</strong>dessen Vorsatz<br />
voraus. E<strong>in</strong>e strafbare Handlung liegt deshalb nicht vor. [... ]<br />
(Ens)<br />
Oberstaatsanwalt<br />
Verteidigerpost wird den Politischen Gefangenen meist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weise<br />
ausgehändigt, daß sie die Post im Beise<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Vollzugsbeamten öffnen,<br />
den Inhalt ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>falten und so dem Beamten zeigen müssen. Der<br />
Briefumschlag muß dem Beamten zur Kontrolle übergeben werden. So<br />
geschieht es beispielsweise bei Klaus Jünschke <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vollzugsanstalt<br />
Zweibrücken.<br />
72 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> 73 Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verteidigung