Folter in der BRD - Social History portal
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VI. BEHINDERUNG DER VERTEIDIGUNG<br />
Es gehört zu den grundlegenden Rechten des Beschuldigten, je<strong>der</strong>zeit die<br />
Hilfe e<strong>in</strong>es selbstgewählten Verteidigers <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen. Dieser<br />
rechtsstaatliche Grundsatz ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Menschenrechtskonvention (Art. 6<br />
MRK) und <strong>der</strong> Strafprozeßordnung (§ 137 I StPO) normiert. Der <strong>in</strong>haftierte<br />
Beschuldigte kann grundsätzlich une<strong>in</strong>geschränkt und unbeaufsichtigt<br />
den Besuch se<strong>in</strong>es Verteidigers empfangen. Sowohl <strong>der</strong> mündliche wie<br />
auch <strong>der</strong> schriftliche Kontakt mit dem Verteidiger unterliegt ke<strong>in</strong>er<br />
Kontrolle durch die Justiz (§ 148 StPO).<br />
Soweit <strong>der</strong> Verteidiger sich nur auf Seiten <strong>der</strong> Justiz sieht und sich als<br />
<strong>der</strong>en Gehilfe versteht, s<strong>in</strong>d die formalen Rechte <strong>der</strong> Verteidigung nicht<br />
gefährdet. Dort jedoch, wo er die Interessen <strong>der</strong> Beschuldigten gegen die<br />
Justiz vertritt, wird er stets als lästiger Störfaktor im sonst so reibungslosen<br />
Ablauf <strong>der</strong> Ermittlungen angesehen und muß mit Versuchen rechnen,<br />
die Rechte <strong>der</strong> Verteidigung zu beschränken.<br />
Beson<strong>der</strong>s von <strong>der</strong> politischen Justiz wird jede <strong>in</strong>tensive Verteidigung<br />
notwendig als Gefährdung aufgefaßt. Schon <strong>der</strong> über den sonst üblichen<br />
gelegentlichen 5-M<strong>in</strong>uten-Besuch h<strong>in</strong>ausgehende Kontakt des Verteidigers<br />
mit den Politischen Gefangenen wird mit Argwohn verfolgt und als<br />
Angriff auf die angeordnete Isolation gewertet. Dies erweist z. B. <strong>der</strong><br />
Beschluß des Ermittlungsrichters Knoblich (Beschluß vom 5.3.1973, Az.:<br />
I BJs 6/71 - I BGs 103/73 s. u.), <strong>in</strong> dem mit Sorgfalt alle Anwaltsbesuche<br />
aufgeführt werden, vorgeblich zum Zeichen dafür, daß die Politisc~en<br />
Gefangenen überhaupt nicht isoliert seien.<br />
Die politische Justiz hat daher auch immer versucht, die Rechte <strong>der</strong><br />
Gefangenen auf Verteidigung durch die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verteidiger ihres<br />
Vertrauens zu beschränken. Die ersten Maßnahmen dieser Art, sämtlich<br />
fadensche<strong>in</strong>ig begründet, waren die Durchsuchung von Anwaltskanzleien,<br />
die Ausschlüsse e<strong>in</strong>iger Rechtsanwälte von <strong>der</strong> Verteidigung und die<br />
Inhaftierung e<strong>in</strong>es Anwalts.<br />
Amtsgericht Heidelberg<br />
Abteilung 7<br />
Heidelberg, den 21. Oktober 1971<br />
Ermittlungssache gegen<br />
Eberhard Becker, Rechtsanwalt [... ]<br />
wegen Verdachts <strong>der</strong> Unterstützung e<strong>in</strong>er krim<strong>in</strong>ellen Vere<strong>in</strong>igung gem. § 129 StGB<br />
Durchsuchungsbefehl<br />
Auf Antrag <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Karlsruhe wird die Durchsu-<br />
chung <strong>der</strong> Wohn- und Geschäfts- sowie aller sonstigen Räume des Rechtsanwalts<br />
Eberhard Becker <strong>in</strong> Heidelberg, Lahrer Str. 2 (Wohnung) und <strong>in</strong> Heidelberg, Märzgasse<br />
7 (Büro) - e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Ehefrau des Beschuldigten und Rechtsanwalt<br />
Laubscher benutzten Geschäftsräume - und die Beschlagnahme <strong>der</strong> aufgefundenen<br />
Beweismittel angeordnet (§§ 94, 98, 102, 103, 105 StPO).<br />
Die Durchsuchung von Geschäftsräumen, die von <strong>der</strong> Ehefrau des Beschuldigten<br />
o<strong>der</strong> Rechtsanwalt Laubscher alle<strong>in</strong> benutzt werden, darf nur zur Beschlagnahme<br />
e<strong>in</strong>er Lichtbildkartei mit Lichtbil<strong>der</strong>n von Polizei- und Krim<strong>in</strong>albeamten <strong>der</strong> Polizeidirektion<br />
Heidelberg durchgeführt werden (§ 103 StPO). Die Durchsuchung kann durch<br />
die freiwillige Herausgabe <strong>der</strong> Kartei abgewendet werden.<br />
Rechtsanwalt Becker ist aufgrund <strong>der</strong> Ermittlungen des Landeskrim<strong>in</strong>alamtes<br />
Baden-Württemberg verdächtig, e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>igung i. S. des § 129 StGB, nämlich den<br />
»Inneren Kreis des Sozialistischen Patienten-Kollektivs«, dadurch unterstützt zu<br />
haben, daß er dieser Vere<strong>in</strong>igung die vorbezeichnete Kartei zur Auswertung zur<br />
Verfügung stellte.<br />
Es ist daher zu vermuten, daß die Durchsuchung zur Auff<strong>in</strong>dung von Beweismitteln,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Kartei, führen werde.<br />
(Dr. Pantke)<br />
Amtsgerichtsrat<br />
Amtsgericht<br />
Beschluß<br />
Tiergarten<br />
1 Berl<strong>in</strong> 21, den 25. Juni 1970<br />
In <strong>der</strong> Ermittlungssache<br />
gegen den Rechtsanwalt Horst Mahler [... ]<br />
z. Zt. unbekannten Aufenthalts,<br />
wegen Beihilfe zum vers. Mord pp.<br />
werden die Rechtsanwälte Klaus Eschen und Hans-Christian Ströbele [... ] von <strong>der</strong><br />
Verteidigung ausgeschlossen.<br />
Grünqe:<br />
Dem Beschuldigten wird e<strong>in</strong> Kapitalverbrechen nach den §§ 211, 43, 49 StGB zur<br />
Last gelegt. Er übt se<strong>in</strong>en Anwaltsberuf <strong>in</strong> Sozietät mit den Rechtsanwälten Eschen<br />
und Ströbele aus. An e<strong>in</strong>em nicht feststell baren, von den genannten Rechtsanwälten<br />
auch nicht offenbarten Tag, hat er <strong>der</strong> Sozietät Strafprozeßvolimacht erteilt. Die<br />
Staatsanwaltschaft hat den Ausschluß <strong>der</strong> Rechtsanwälte Eschen und Ströbele<br />
beantragt und dazu unter Anführung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Sache ergangenen<br />
Beschlusses des Landgerichts Berl<strong>in</strong> vom 29. 4.1970 - 504 Os 36/70 - vorgebracht,<br />
die Sozietät bezeichne sich als »Sozialistisches Anwaltskollektiv«, so daß über die<br />
Sozietät h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e so enge B<strong>in</strong>dung zwischen dem Beschuldigten und den Rechtsanwälten<br />
Eschen und Ströbele bestehe, daß diese e<strong>in</strong> sachfremdes Interesse an <strong>der</strong><br />
Nichtaufklärung des Sachverhalts hätten.<br />
Die Rechtsanwälte Eschen und Ströbele s<strong>in</strong>d gehört worden. Sie haben <strong>in</strong> Abrede<br />
gestellt, daß <strong>der</strong> Bezeichnung ••Sozialistisches Anwaltskollektiv« irgende<strong>in</strong>e rechtliche<br />
erhebliche Bedeutung zukommt. Es seien damit lediglich die Kriterien <strong>der</strong><br />
Zusammenarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anwaltspraxis gekennzeichnet worden. Im übrigen liege <strong>der</strong><br />
Sachverhalt nicht an<strong>der</strong>s, als wenn Rechtsanwälte nahe Angehörige, Parteifreunde,<br />
Logenbrü<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Bundesbrü<strong>der</strong> verteidigten.<br />
68 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> 69 Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Verteidigung