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Folter in der BRD - Social History portal

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V. BEUGEHAFT<br />

Wie sehr die Haftbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Politischen Gefangenen darauf angelegt<br />

s<strong>in</strong>d, ihren Wi<strong>der</strong>stand und ihre Ges<strong>in</strong>nung zu beugen, hat sich bei <strong>der</strong><br />

Handhabung <strong>der</strong> politischen Zensur gezeigt. Bei Politischen Gefangenen<br />

wirkt die Untersuchungshaft an sich schon als Beugehaft. Sie sitzen jahrelang<br />

<strong>in</strong> Untersuchungshaft, ohne daß e<strong>in</strong> Ende all jener polizeilichen<br />

Ermittlungen und gerichtlichen Verfahren abzusehen ist, die von vornhere<strong>in</strong><br />

untaugliche Mittel zur Beurteilung von Revolutionären s<strong>in</strong>d.<br />

Gerade <strong>der</strong>en Ges<strong>in</strong>nung wird aber <strong>in</strong> rechtsstaatswidriger Weise zum<br />

Anlaß <strong>der</strong> Fortdauer <strong>der</strong> Untersuchungshaft genommen. Sie werden <strong>in</strong><br />

Haft gehalten, solange sie die Ges<strong>in</strong>nung nicht »geän<strong>der</strong>t« haben.<br />

So hat <strong>der</strong> I. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Beschluß vom 21. 8.1972 (I HEs 10/72) im Verfahren gegen Dr. Wolfgang<br />

Huber den Haftgrund <strong>der</strong> Fluchtgefahr für die Fortdauer <strong>der</strong> Untersuchungshaft<br />

wie folgt begründet:<br />

••Es s<strong>in</strong>d auch weiterh<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Umstände erkennbar, die darauf h<strong>in</strong>deuten, daß sich<br />

die <strong>in</strong>nere E<strong>in</strong>stellung des Angeklagten zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen und<br />

zum Verfahren geän<strong>der</strong>t hätte.«<br />

Die VIII. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart hat im Verfahren gegen<br />

den Untersuchungsgefangenen Helmut Pohl durch Beschluß vom<br />

22.12.1972 (VIII KLs 5/72) die Fortdauer <strong>der</strong> Untersuchungshaft so<br />

begründet:<br />

••Die Verstrickung des Angeklagten <strong>in</strong> die Umtriebe l<strong>in</strong>ksanarchistischer Kreise,<br />

welche sich die Zerstörung <strong>der</strong> freiheitlich-demokratischen Grundordnung mittels<br />

Gewaltanwendung zum Ziel gesetzt haben, ist <strong>in</strong> ihrem wirklichen Umfang erst nach<br />

<strong>der</strong> Hauptverhandlung zutage getreten. Durch den <strong>der</strong> Briefzensur unterliegenden<br />

Schriftwechsel des Angeklagten mit e<strong>in</strong>em gewissen Personenkreis sowie die<br />

Zusendung entsprechen<strong>der</strong> Druckerzeugnisse, die regelmäßig beschlagnahmt werden<br />

mußten, liegt es offen, daß <strong>der</strong> Angeklagte nach wie vor <strong>der</strong>artigen umstürzlerischen<br />

Gedanken nachhängt.«<br />

Das Gericht benutzt hier se<strong>in</strong>e rechtswidrige Zensur von Druckschriften,<br />

die dem Gefangenen zugesandt wurden, noch zur Begründung von dessen<br />

Untersuchungshaft.<br />

Marianne Herzog wurde durch e<strong>in</strong>en Beschluß des Landgerichts Frankfurt<br />

vom 19.4. 1973 aus <strong>der</strong> jahrelangen Untersuchungshaft entlassen.<br />

Auf die Beschwerde <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft wurde sie aufgrund des<br />

Beschlusses des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom<br />

14. Mai 1973 (4 Ws 6/73) wie<strong>der</strong> verhaftet. Dar<strong>in</strong> heißt es:<br />

••Es s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Anzeichen vorhanden, daß die Angeschuldigte von <strong>der</strong> Zielsetzung<br />

<strong>der</strong> sogenannten Baa<strong>der</strong>-Me<strong>in</strong>hof-Gruppe - den .Apparat <strong>der</strong> Herrschenden durch<br />

dauernde gezielte Angriffe und Übergriffe zu verunsichern und so den revolutionären<br />

Kampf des Proletariats vorzubereiten. - abgerückt ist ... Daran än<strong>der</strong>t auch nichts,<br />

daß die Angeschuldigte nach ihrer Haftentlassung die ihr erteilten Auflagen erfüllt<br />

hat. Ihre E<strong>in</strong>stellung läßt nur den Schluß zu, daß sie Auflagen e<strong>in</strong>hält, wenn sie sich<br />

davon Vorteile verspricht, sie diese aber nicht mehr erfüllen wird, wenn sie es <strong>in</strong><br />

ihrem Kampf gegen die von ihr abgelehnte Staatsgewalt für angezeigt hält.«<br />

Der Charakter <strong>der</strong> Untersuchungshaft als Beugehaft wird auch dann<br />

deutlich, wenn die Fortdauer <strong>der</strong> Haft bzw. <strong>der</strong> Isolationsfolter damit<br />

begründet wird, daß <strong>der</strong> Gefangene bisher ke<strong>in</strong>e Aussage zur Sache<br />

gemacht habe. Dies zeigt <strong>der</strong> folgende Beschluß, <strong>in</strong> dem Richter Buddenberg<br />

bei Monika Berberich den weiteren Ausschluß von Geme<strong>in</strong>schaftsveranstaltungen<br />

damit begründet, daß sie bisher von ihrem Recht auf Aussageverweigerung<br />

Gebrauch gemacht habe:<br />

Der Ermittlungsrichter<br />

des Bundesgerichtshofes<br />

1 BJs 6/71<br />

BGs 732/71<br />

Beschluß<br />

75 Karlsruhe 1, den 10. Dezember 1971<br />

In dem Ermittlungsverfahren<br />

gegen<br />

Horst Mahler u. a. [... ]<br />

hier: Monika Berberich [... ] z. Zt. <strong>in</strong> Untersuchungshaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt<br />

Ma<strong>in</strong>z,<br />

wird <strong>der</strong> Antrag <strong>der</strong> Verteidiger <strong>der</strong> Beschuldigten, vom 10. 11. 1971, <strong>der</strong> Beschuldigten<br />

Berberich die Teilnahme an allen Geme<strong>in</strong>schaftsveranstaltungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Justizvollzugsanstalt zu gestatten, zurückgewiesen.<br />

Die gewünschte Teilnahme an Geme<strong>in</strong>schaftsveranstaltungen ist schon deshalb zu<br />

versagen, weil bei <strong>der</strong> Beschuldigten <strong>in</strong> erhöhtem Maße Fluchtgefahr besteht, die<br />

bereits beson<strong>der</strong>e Sicherungsmaßnahmen erfor<strong>der</strong>lich machte. Im übrigen bef<strong>in</strong>det<br />

sich die Beschuldigte wegen des Haftgrunds <strong>der</strong> Verdunklungsgefahr <strong>in</strong> Untersuchungshaft,<br />

<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>eswegs - wie die Verteidigung me<strong>in</strong>t - dadurch weggefallen ist,<br />

daß die Ermittlungen bei e<strong>in</strong>zelnen Beschuldigten im wesentlichen abgeschlossen<br />

s<strong>in</strong>d. Das gilt umsomehr, als die Beschuldigte Berberich bisher jede Aussage zur<br />

Sache verweigert hat.<br />

(Buddenberg)<br />

Bundesrichter<br />

66 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> 67 Beugehaft

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