Folter in der BRD - Social History portal

Beschuldigten gerichtete Postsendung der Carmen Roll beanstandet und von der
Aushändigung an den Beschuldigten ausgeschlossen. Sie ist zur Habe des Beschuldigten
zu nehmen. Die Weiterleitung ist mit dem Zweck der Untersuchungshaft nicht"
zu vereinbaren und darüber hinaus geeignet, eine Störung der Anstaltsordnung
herbeizuführen (§ 119 Abs. 3 StPO).
Das Schreiben der Carmen Roll sowie die beigefügten Druck- bzw. Abschriften
geben eine übertriebene Kritik an den bestehenden politischen und wirtschaftlichen
Verhältnissen in der Bundesrepublik wieder und setzen sich mit den Straftaten der
Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe in einer Form auseinander, die die kriminelle
Aktivität dieser Gruppe zu rechtfertigen versucht. Dadurch soll der Beschuldigte in
seiner negativen Haltung gegenüber Staat und Gesellschaft bestärkt werden. Die mit
dem Schreiben und den Druckschriften verbundenen Kampfaufrufe geben Anlaß zu
der Befürchtung, daß sich der Beschuldigte zu Kampfmaßnahmen herausfordern
läßt und es dadurch zu Störungen der Anstaltsordnung kommt.
(Buddenberg)
Bundesrichter
Der Schrecken der politischen Justiz ist die Solidarität. Das Oberlandesgericht
Nürnberg hat in einem Zensurbeschluß vom 28. 2.1973 - VAs 38/72
- im Verfahren gegen den Untersuchungsgefangenen Rolf Heißler klar
erkannt: »Der Briefverkehr dient ... dazu, die Beteiligten auch in der
Haft ideologisch auf der Höhe zu halten ... Demnach gewinnt die
Kommunikation untereinander eine besondere strategische Rolle im Klassenkampf«.
Die politische Justiz weiß also, was sie tut. Eigentlicher Zweck
der Untersuchungshaft ist: den Klassenkampf zu unterdrücken. Die Zensoren
sind erfüllt von der Furcht, die Isolierung der Politischen Gefangenen
werde ihre Wirkung verfehlen, der revolutionäre Kampf werde
weitergehen. Richter Buddenberg verfolgt (Beschluß vom 29· 8.1972)
Druckschriften über »die bewaffnete Auseinandersetzung angeblich unterdrückter
Gruppen in verschiedenen Teilen der Welt mit ihren Unterdrükkern«,
»da dadurch beim Empfänger der Eindruck entstehen kann, daß er
Mitglied einer Gruppe ist, welche sich in einem weltweiten Kampf gegen
die Ausbeutung befindet und sich der Solidarität ähnlicher Gruppen im
Ausland gewiß sein kann«.
Beschluß
In der Ermittlungssache
gegen Monika Berberich,
z. Zt. in Untersuchungshaft in der Frauenstrafanstalt Tiergarten [... ]
wird die Sendung der »Roten Hilfe Westberlin« vom 25. Mai 1972, enthaltend die sog.
»Knastothek« vom 23. Mai 1972 gemäß § 119 StPO i. Verbindung mit § 34 Abs. 1
Nr. und 4 der UVollzO beanstandet und von der Beförderung ausgeschlossen. Bei
der »Knastothek« handelt es sich um eine Liste mit den Anschriften überwiegend in
bestimmtem Sinne politisch aktiv gewordener Untersuchungs- und Strafgefangener
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in insgesamt 29 verschiedenen Verwahranstalten der Bundesrepublik Deutschland
einschließlich Westberlins. Die Verbreitung der Anschriften dieser Gefangenen kann
der bundesweiten Solidarisierung dieser und anderer, bisher nicht aufgeführter
Gefangener dienen.
Die Sendung ist zur persönlichen Habe dieser Gefangenen zu nehmen.
Berlin 21, den 30. Mai 1972
Landgericht, Strafkammer 2
(Wienecke)
Der Ermittlungsrichter
des Bundesgerichtshofes
1 BJs 41/72
I BGs 269/72
Beschluß:
(Bernhardt)
(Wöhlecke)
75 Karlsruhe 1, den 29. August 1972
In dem Ermittlungsverfahren
gegen
Manfred G rash of [... ] z. Zt. in Untersuchungshaft in der Untersuchungshaftanstalt
Hamburg [... ]
werden auf Antrag des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof die für den
Beschuldigten bestimmten, nachfolgend aufgeführten Bücher bzw. Zeitschriften
beanstandet und von der Beförderung an den Beschuldigten ausgeschlossen:
1. »Bewaffneter Kampf und Massenlinie« (Trikont),
2. »Tragt den Klassenkampf in die Armee« (Trikont),
3. Schriften zum Klassenkampf Nr. 32 »Irland ein Vietnam in Europa«,
4. »Das Palästinensische Volk und die anderen arabischen Völker werden siegen!«
Sie sind zur Habe des Beschuldigten zu nehmen.
Ihre Weitergabe ist geeignet, eine Störung der Anstaltsordnung herbeizuführen
(§ 119 Abs. 3 StPO).
Die Verfasser der beigefügten Druckschriften propagieren in primitiver Weise die
bewaffnete Auseinandersetzung angeblich unterdrückter Gruppen in verschiedenen
Teilen der Welt mit ihren Unterdrückern. Da dadurch für den Empfänger der Eindruck
entstehen kann, daß er Mitglied einer Gruppe ist, welche sich in einem weltweiten
Kampf gegen die Ausbeutung befindet und sich der Solidarität ähnlicher Gruppen im
Ausland gewiß sein kann, wird er durch die Lektüre dieser Bücher in seiner ablehnenden
Haltung gegenüber Staat und Gesellschaft bestärkt und durch die darin
enthaltenen Kampfaufrufe zu Störungen der Anstaltsordnung verleitet.
(Buddenberg)
Bundesrichter
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