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Folter in der BRD - Social History portal

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<strong>der</strong>e, die Gefahr e<strong>in</strong>er Flucht bzw. Verdunkelung ausschließende Sicherungsvorkehrungen<br />

erfor<strong>der</strong>lich seien. Damit fällt die Maßnahme <strong>der</strong> Fensterverkettung jedoch<br />

e<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong> den Regelungsbereich des § 119 Abs.3 StPO, für dessen Inhalt und<br />

Ausgestaltung gem. § 119 Abs. 6 StPO alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Richter zuständig ist. Um so seltsamer<br />

muten die Versuche des Ermittlungsrichters an, sich vor se<strong>in</strong>er, ihm durch<br />

§ 119 Abs. 6 StPO auferlegten richterlichen Verantwortung zu drücken.<br />

In <strong>der</strong> Sache selbst ist nunmehr e<strong>in</strong>e beschleunigte Entscheidung geboten, da die<br />

Luftverhältnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zelle des Beschuldigten wegen <strong>der</strong> zur Zeit herrschenden<br />

Außentemperaturen nur als -unzumutbar bezeichnet werden können. Im Falle <strong>der</strong><br />

Fortdauer des Fehlens e<strong>in</strong>er ausreichenden Sauerstoffzufuhr muß mit ernsthaften<br />

gesundheitlichen Schäden für den Beschuldigten gerechnet werden.<br />

Der Anstaltsarzt von Zweibrücken selbst hat dem Beschuldigten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mündlichen<br />

Unterredung gesagt, er könne sich im Zusammenhang mit se<strong>in</strong>er ursprünglichen<br />

Feststellung, die Belüftungsverhältnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zelle des Beschuldigten gäben zu<br />

gesundheitlichen Bedenken ke<strong>in</strong>en Anlaß, »geirrt« haben.<br />

(Rupert v. Plottnitz)<br />

Rechtsanwalt<br />

Dieser Fall stellt ke<strong>in</strong>e Ausnahme dar. Auch Manfred Grashof und Wolfgang<br />

Grundmann unterliegen schon seit längerer Zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> JVA Zweibrücken<br />

dieser Art von Son<strong>der</strong>behandlung, <strong>der</strong> jede Rechtsgrundlage, aber<br />

sicher nicht die Absicht fehlt, auch wenn ke<strong>in</strong>er dafür zuständig se<strong>in</strong> will:<br />

es geht um systematische physische Deprivation, die beson<strong>der</strong>s während<br />

<strong>der</strong> Hitzewelle <strong>in</strong> diesem Sommer den Charakter <strong>der</strong> offenen Quälerei<br />

angenommen hat. (Am 10. Juli 1973 wurde die Fensterverkettung entfernt<br />

- nach Auskunft e<strong>in</strong>es Vollzugsbeamten für die Dauer des Sommers.)<br />

Körperliche Mißhandlungen<br />

Zahlreiche politische Gefangene werden jedenfalls unmittelbar nach ihrer<br />

Festnahme o<strong>der</strong> anläßlich von Gegenüberstellungen körperlich mißhandelt,<br />

so u. a. Bernhard Braun, Siegfried Hausner, He<strong>in</strong>rich Jansen, Holger<br />

Me<strong>in</strong>s, Jan-Carl Raspe. (Siehe dazu die Berichte von Gefangenen im<br />

Dossier.)<br />

Von den Verteidigern hiergegen angestrengte Ermittlungsverfahren bleiben<br />

ohne Erfolg, wie das folgende Beispiel im Fall Pohle zeigt:<br />

Betreff: Ermittlungsverfahren gegen<br />

1. Krim<strong>in</strong>alober<strong>in</strong>spektor Achim Hausmann<br />

2. Krim<strong>in</strong>alobermeister Otmar Hol z i n ger<br />

3. Krim<strong>in</strong>almeister Josef Ba c h mai e r<br />

4. Krim<strong>in</strong>alhauptmeister Eduard Schwarzlän<strong>der</strong><br />

wegen Körperverletzung im Amt, versuchter Nötigung u. a.<br />

- Strafanzeige des Herrn Rolf Pohle, z. Zt. <strong>in</strong> Untersuchungshaft <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Justizvollzugsanstalt Straub<strong>in</strong>g vom 16. 1. 1972-.<br />

Bescheid:<br />

Das Ermittlungsverfahren<br />

Gründe:<br />

I.<br />

wird e<strong>in</strong>gestellt, § 170 Abs. 2 StPO.<br />

Der Anzeigeerstatter wurde am 17.12.1971 <strong>in</strong> Ulm festgenommen und <strong>in</strong> das Polizeipräsidium<br />

München überstellt.<br />

Gegen die Polizei beamten, die ihn nach München überstellt und hier erkennungsdienstlieh<br />

behandelten, erstattete er Strafanzeige wegen Körperverletzung und versuchter<br />

Nötigung im Amt u. a. Dazu trägt er vor, KOI Hausmann habe ihm vor <strong>der</strong><br />

ÜbersteIlung nach München »Spezial-Handfesseln« angelegt mit <strong>der</strong> hämischen<br />

Bemerkung, daß diese sich bei je<strong>der</strong> Bewegung enger schließen würden. Nachdem<br />

es während <strong>der</strong> Fahrt von Ulm nach München nicht zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n gewesen sei, daß<br />

sich se<strong>in</strong>e Arme bewegten, hätten sich die Fesseln tatsächlich enger geschlossen,<br />

so daß se<strong>in</strong>e Hände sehr schmerzten und am Abend rot und blau angeschwollen<br />

gewesen seien.<br />

Weiterh<strong>in</strong> behauptet <strong>der</strong> :A.nzeigeerstatter, während <strong>der</strong> Fahrt seien die mit »Tempo­<br />

Hun<strong>der</strong>t-Schil<strong>der</strong>n« versehenen Polizeifahrzeuge über 100 km/h gefahren. Obgleich<br />

er im Polizeipräsidium München erklärt habe, er sei erschöpft und brauche etwas zu<br />

essen und zu tr<strong>in</strong>ken, sei er unmittelbar zur erkennungsdienstlichen Behandlung<br />

gebracht worden. Auf se<strong>in</strong>e Weigerung, sich mit e<strong>in</strong>er Perücke fotografieren zu<br />

lassen, habe KOI Hausmann mehrere bewaffnete Beamte vor ihm postiert und<br />

gedroht, man werde ihn so behandeln, wie Margit Schiller <strong>in</strong> Hamburg, wenn er sich<br />

wehren würde. Dabei habe ihm KOI Kausmann die Hände bewegt, so daß sich die<br />

Fesseln automatisch enger zusammenschlossen und ihm Schmerzen bereiteten. Es<br />

sei ihm gelungen, die Perücke abzureißen und e<strong>in</strong>ige Meter weit zu schleu<strong>der</strong>n,<br />

bevor <strong>der</strong> Fotograf abdrücken konnte.<br />

In <strong>der</strong> Nacht habe man versucht, se<strong>in</strong>e Nachtruhe zu stören durch lautes Hundegebell,<br />

Licht und Gesprächsgeräusche <strong>der</strong> wachhabenden Beamten.<br />

Wegen weiterer E<strong>in</strong>zelheiten wird auf die Strafanzeige vom 16.1.1972 Bezug<br />

genommen.<br />

11.<br />

Das Ergebnis <strong>der</strong> staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bietet ke<strong>in</strong>en Anlaß für e<strong>in</strong>e<br />

Anklageerhebung, § 170 Abs. 2 StPO.<br />

Der Beschuldigte KOI Hausmann, <strong>der</strong> verantwortlich für die ÜbersteIlung des Anzeigeerstatters<br />

von Ulm nach München war, und die <strong>in</strong>soweit erfor<strong>der</strong>lichen Anordnungen<br />

traf, weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Er gibt an, daß die<br />

getroffenen Sicherheitsmaßnahmen dem Störverhalten des Anzeigeerstatters<br />

adäquat waren. Der Anzeigeerstatter habe bereits bei se<strong>in</strong>er Verbr<strong>in</strong>gung zur Polizeidienststelle<br />

<strong>in</strong> Ulm e<strong>in</strong>en Fluchtversuch unternommen und versucht, se<strong>in</strong>e Festnahme<br />

zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Dabei sei bei ihm e<strong>in</strong>e geladene und entsicherte Pistole<br />

sichergestellt worden. Er habe den Anzeigeerstatter vor dem Abtransport nach<br />

München mit e<strong>in</strong>er dienstlich gelieferten Handfessel gefesselt, welche die Eigenschaft<br />

hatte, sich bei Befreiungsversuchen enger zusammenzuschließen. Dies habe<br />

er dem Anzeigeerstatter zu erkennen gegeben, damit sich dieser entsprechend<br />

verhalten könne. Die Verletzungen an den Händen seien auf das Verhalten des<br />

Anzeigeerstatters zurückzuführen. Denn er habe Wi<strong>der</strong>stand geleistet und mit<br />

se<strong>in</strong>en gefesselten Händen e<strong>in</strong>en Pressefotografen tätlich angegriffen und an die<br />

gegenüberliegende Wand geschleu<strong>der</strong>t. Durch diese Bewegungen hätten sich die<br />

Handfesseln enger geschlossen und Verletzungen verursacht.<br />

48 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />

49 Beson<strong>der</strong>e Schikanen<br />

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