01.11.2013 Aufrufe

Folter in der BRD - Social History portal

Folter in der BRD - Social History portal

Folter in der BRD - Social History portal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

11<br />

111<br />

11'<br />

rI<br />

11<br />

I<br />

I<br />

'li<br />

I.,<br />

~.<br />

I<br />

"li<br />

'!<br />

:1<br />

!,li,1<br />

'-I<br />

'1,',,'<br />

1:1<br />

ili,<br />

1I<br />

i'l·<br />

I,<br />

I<br />

'li<br />

I!"<br />

tI'<br />

haft und nicht im Vollzug e<strong>in</strong>er ihm auferlegten Strafe. Somit muß es ihm aus klar<br />

ersichtlichen Gründen auch möglich se<strong>in</strong>, sich am geöffneten Fenster aufzuhalten.<br />

So bitte ich Sie heute darum, daß man vom Fenster <strong>der</strong> Zelle des Herrn Jünschke<br />

so bald als möglich die Kette abnimmt, damit <strong>der</strong> Gefangene wenigstens genug von<br />

dem haben kann, was jedem Menschen auf dieser Welt zusteht: frische Luft.<br />

Mit freundlichem Gruß<br />

(Fischer)<br />

Am 23. Mai beantragte Rechtsanwalt Rupert v. Plottnitz beim zuständigen<br />

Haftrichter, »die Anstaltsleitung <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt <strong>in</strong> Zweibrücken<br />

richterlich anzuweisen, die Verkettung des Fensters <strong>der</strong> Zelle des<br />

Beschuldigten unverzüglich zu beseitigen und sicherzustellen, daß sich das<br />

Fenster <strong>der</strong> Zelle des Beschuldigten <strong>in</strong> <strong>der</strong> für die Zellenfenster <strong>der</strong> JVA<br />

Zweibrücken üblichen Art und Weise öffnen läßt«. In <strong>der</strong> Begründung des<br />

Antrages heißt es:<br />

••Die offenkundige Rechtswidrigkeit <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Anstaltsleitung <strong>in</strong> Zweibrücken<br />

angeordneten und durchgeführten Maßnahme <strong>der</strong> Verkettung des Zellenfensters<br />

ergibt sich schon daraus, daß sie we<strong>der</strong> vorher richterlich angeordnet noch nachträglich<br />

richterlich bestätigt wurde.<br />

Die Fensterverkettung bedeutet e<strong>in</strong>e zusätzliche E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> persönlichen<br />

Freiheitsrechte des Beschuldigten, für die es an jeglicher Rechtsgrundlage fehlt.<br />

Wegen <strong>der</strong> durch sie geschaffenen unzumutbaren Belüftungsverhältnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Zelle des Beschuldigten be<strong>in</strong>haltet sie den ständigen Versuch, den Beschuldigten <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Untersuchungshaft zu quälen und se<strong>in</strong>e körperliche Unversehrtheit zu gefährden.<br />

[... ]<br />

Schließlich war <strong>der</strong> Beschuldigte bereits e<strong>in</strong>mal, nämlich am 5.5.1973, dazu<br />

gezwungen, im Wege <strong>der</strong> Notwehr die Scheibe des Zellenfensters zu zerstören, um<br />

auf diese Weise e<strong>in</strong>e zum<strong>in</strong>dest kurzfristige Zufuhr von Frischluft <strong>in</strong> die Zelle zu<br />

erreichen. Der Beschuldigte hat auch für die Zukunft nicht die Absicht, auf die ihm<br />

<strong>in</strong> diesem Zusammenhang zustehenden Notwehrrechte gegenüber rechtsgrundlosen<br />

Quälereien und Beschränkungen se<strong>in</strong>er persönlichen Freiheitsrechte zu verzichten.<br />

Bei dieser Sachlage ist e<strong>in</strong>e beschleunigte Bescheidung des vorliegenden<br />

Antrages geboten. [... ]<br />

Über e<strong>in</strong>e Zuständigkeit des Haftrichters für die gerügte Maßnahme besteht ke<strong>in</strong><br />

Zweifel. Jede an<strong>der</strong>e Auffassung würde vorliegend auf e<strong>in</strong>e vorsätzliche Umgehung<br />

des § 119 Abs. 6 StPO h<strong>in</strong>auslaufen.«<br />

Beschluß<br />

<strong>in</strong> dem Ermittlungsverfahren<br />

gegen<br />

Klaus Jünschke [... ]<br />

z. Zt. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt <strong>in</strong> Zweibrücken,<br />

wird <strong>der</strong> Antrag,<br />

••die Anstaltsleitung <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt <strong>in</strong> Zweibrücken richterlich anzuweisen,<br />

die Verkettung des Fensters <strong>der</strong> Zelle des Beschuldigten unverzüglich zu besei-<br />

46 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />

tigen und sicherzustellen, daß sich das Fenster <strong>der</strong> Zelle des Beschuldigten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

für die Zellenfenster <strong>der</strong> JVA Zweibrücken üblichen Art und Weise öffnen läßt«<br />

abgelehnt.<br />

Gründe:<br />

Es fehlt an <strong>der</strong> Zuständigkeit des Haftrichters, wie bereits <strong>in</strong> dem Beschluß vom<br />

15.12.1972, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, dargelegt. Dies gilt auch für<br />

event. E<strong>in</strong>zelanordnungen <strong>der</strong> Anstaltsleitung bezüglich <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung<br />

des U-Gefangenen bzw. <strong>der</strong> Beschaffenheit des Haftraumes, zumal die im Aufnahmeersuchen<br />

allgeme<strong>in</strong> für anwendbar erklärte UVolizO <strong>in</strong> dieser Beziehung - im<br />

Gegensatz zu sonstigen dort geregelten Materien des U-Haftvollzuges - ke<strong>in</strong>e<br />

näheren Bestimmungen enthält, für <strong>der</strong>en Anwendung o<strong>der</strong> Auslegung <strong>der</strong> Haftrichter<br />

zuständig se<strong>in</strong> könnte (vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschluß betr. Jünschke<br />

vom 6. 11. 1972 - VAs 18/72 -). Es muß deshalb auf den Weg nach §§ 23 ff. EGGVG<br />

verwiesen werden.<br />

Kaiserslautern,<br />

Amtsgericht<br />

den 29. Mai 1973<br />

(Strack)<br />

Richter am Amtsgericht<br />

An das<br />

Amtsgericht<br />

- Ermittlungsrichter ­<br />

6750 Kaiserslautern<br />

In <strong>der</strong> Ermittlungssache gegen<br />

Klaus Jünschke<br />

wegen: § 249 StGB<br />

-2 Gs 17/72-<br />

legen wir gegen den Beschluß des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht <strong>in</strong> Kaiserslautern<br />

vom 29.5.1973 - die Verkettung des Zellenfensters des Beschuldigten<br />

betreffend - das Rechtsmittel <strong>der</strong><br />

Beschwerde<br />

e<strong>in</strong> mit dem Antrag,<br />

den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem von uns für den Beschuldigten<br />

mit Schriftsatz vom 23. 5.1973 gestellten Antrag zu entsprechen.<br />

Begründung:<br />

Der angefochtene Beschluß verkennt die dem Ermittlungsrichter gem. § 119 Abs. 6<br />

StPO zustehenden Aufgaben. Der H<strong>in</strong>weis auf das Fehlen näherer Bestimmungen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Untersuchungshaftvollzugsordnung geht schon deshalb fehl, weil es sich bei <strong>der</strong><br />

Untersuchungshaftvollzugsordnung nicht um e<strong>in</strong> förmliches Gesetz, son<strong>der</strong>n lediglich<br />

um e<strong>in</strong>e den Richter nicht b<strong>in</strong>dende Verwaltungsanordnung handelt.<br />

Es steht zweifelsfrei fest, daß es sich bei <strong>der</strong> Verkettung des Fensters <strong>der</strong> Zelle, <strong>in</strong><br />

welcher <strong>der</strong> Beschuldigte untergebracht ist, nicht um e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> üblichen baulichen<br />

Vorrichtungen o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> JVA <strong>in</strong> Zweibrücken vorhandenen<br />

Zellen für Untersuchungsgefangene handelt. Die Verkettung des Zellenfensters steht<br />

vielmehr e<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong> unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zweck <strong>der</strong> Untersuchungshaft<br />

des Beschuldigten, nämlich <strong>der</strong> Sicherung des gegen ihn <strong>der</strong>zeit anhängigen<br />

Strafverfahrens. Ganz offensichtlich liegt <strong>der</strong> speziell gegen die Person des<br />

Beschuldigten gerichteten Verkettung des Zellenfensters die Überlegung zugrunde,<br />

daß wegen <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Schuldvorwürfe sowie <strong>der</strong> Person des Beschuldigten beson-<br />

47 Beson<strong>der</strong>e Schikanen<br />

19.6.1973<br />

il:

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!