Folter in der BRD - Social History portal
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haft und nicht im Vollzug e<strong>in</strong>er ihm auferlegten Strafe. Somit muß es ihm aus klar<br />
ersichtlichen Gründen auch möglich se<strong>in</strong>, sich am geöffneten Fenster aufzuhalten.<br />
So bitte ich Sie heute darum, daß man vom Fenster <strong>der</strong> Zelle des Herrn Jünschke<br />
so bald als möglich die Kette abnimmt, damit <strong>der</strong> Gefangene wenigstens genug von<br />
dem haben kann, was jedem Menschen auf dieser Welt zusteht: frische Luft.<br />
Mit freundlichem Gruß<br />
(Fischer)<br />
Am 23. Mai beantragte Rechtsanwalt Rupert v. Plottnitz beim zuständigen<br />
Haftrichter, »die Anstaltsleitung <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt <strong>in</strong> Zweibrücken<br />
richterlich anzuweisen, die Verkettung des Fensters <strong>der</strong> Zelle des<br />
Beschuldigten unverzüglich zu beseitigen und sicherzustellen, daß sich das<br />
Fenster <strong>der</strong> Zelle des Beschuldigten <strong>in</strong> <strong>der</strong> für die Zellenfenster <strong>der</strong> JVA<br />
Zweibrücken üblichen Art und Weise öffnen läßt«. In <strong>der</strong> Begründung des<br />
Antrages heißt es:<br />
••Die offenkundige Rechtswidrigkeit <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Anstaltsleitung <strong>in</strong> Zweibrücken<br />
angeordneten und durchgeführten Maßnahme <strong>der</strong> Verkettung des Zellenfensters<br />
ergibt sich schon daraus, daß sie we<strong>der</strong> vorher richterlich angeordnet noch nachträglich<br />
richterlich bestätigt wurde.<br />
Die Fensterverkettung bedeutet e<strong>in</strong>e zusätzliche E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> persönlichen<br />
Freiheitsrechte des Beschuldigten, für die es an jeglicher Rechtsgrundlage fehlt.<br />
Wegen <strong>der</strong> durch sie geschaffenen unzumutbaren Belüftungsverhältnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Zelle des Beschuldigten be<strong>in</strong>haltet sie den ständigen Versuch, den Beschuldigten <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Untersuchungshaft zu quälen und se<strong>in</strong>e körperliche Unversehrtheit zu gefährden.<br />
[... ]<br />
Schließlich war <strong>der</strong> Beschuldigte bereits e<strong>in</strong>mal, nämlich am 5.5.1973, dazu<br />
gezwungen, im Wege <strong>der</strong> Notwehr die Scheibe des Zellenfensters zu zerstören, um<br />
auf diese Weise e<strong>in</strong>e zum<strong>in</strong>dest kurzfristige Zufuhr von Frischluft <strong>in</strong> die Zelle zu<br />
erreichen. Der Beschuldigte hat auch für die Zukunft nicht die Absicht, auf die ihm<br />
<strong>in</strong> diesem Zusammenhang zustehenden Notwehrrechte gegenüber rechtsgrundlosen<br />
Quälereien und Beschränkungen se<strong>in</strong>er persönlichen Freiheitsrechte zu verzichten.<br />
Bei dieser Sachlage ist e<strong>in</strong>e beschleunigte Bescheidung des vorliegenden<br />
Antrages geboten. [... ]<br />
Über e<strong>in</strong>e Zuständigkeit des Haftrichters für die gerügte Maßnahme besteht ke<strong>in</strong><br />
Zweifel. Jede an<strong>der</strong>e Auffassung würde vorliegend auf e<strong>in</strong>e vorsätzliche Umgehung<br />
des § 119 Abs. 6 StPO h<strong>in</strong>auslaufen.«<br />
Beschluß<br />
<strong>in</strong> dem Ermittlungsverfahren<br />
gegen<br />
Klaus Jünschke [... ]<br />
z. Zt. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt <strong>in</strong> Zweibrücken,<br />
wird <strong>der</strong> Antrag,<br />
••die Anstaltsleitung <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt <strong>in</strong> Zweibrücken richterlich anzuweisen,<br />
die Verkettung des Fensters <strong>der</strong> Zelle des Beschuldigten unverzüglich zu besei-<br />
46 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />
tigen und sicherzustellen, daß sich das Fenster <strong>der</strong> Zelle des Beschuldigten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
für die Zellenfenster <strong>der</strong> JVA Zweibrücken üblichen Art und Weise öffnen läßt«<br />
abgelehnt.<br />
Gründe:<br />
Es fehlt an <strong>der</strong> Zuständigkeit des Haftrichters, wie bereits <strong>in</strong> dem Beschluß vom<br />
15.12.1972, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, dargelegt. Dies gilt auch für<br />
event. E<strong>in</strong>zelanordnungen <strong>der</strong> Anstaltsleitung bezüglich <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Unterbr<strong>in</strong>gung<br />
des U-Gefangenen bzw. <strong>der</strong> Beschaffenheit des Haftraumes, zumal die im Aufnahmeersuchen<br />
allgeme<strong>in</strong> für anwendbar erklärte UVolizO <strong>in</strong> dieser Beziehung - im<br />
Gegensatz zu sonstigen dort geregelten Materien des U-Haftvollzuges - ke<strong>in</strong>e<br />
näheren Bestimmungen enthält, für <strong>der</strong>en Anwendung o<strong>der</strong> Auslegung <strong>der</strong> Haftrichter<br />
zuständig se<strong>in</strong> könnte (vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschluß betr. Jünschke<br />
vom 6. 11. 1972 - VAs 18/72 -). Es muß deshalb auf den Weg nach §§ 23 ff. EGGVG<br />
verwiesen werden.<br />
Kaiserslautern,<br />
Amtsgericht<br />
den 29. Mai 1973<br />
(Strack)<br />
Richter am Amtsgericht<br />
An das<br />
Amtsgericht<br />
- Ermittlungsrichter <br />
6750 Kaiserslautern<br />
In <strong>der</strong> Ermittlungssache gegen<br />
Klaus Jünschke<br />
wegen: § 249 StGB<br />
-2 Gs 17/72-<br />
legen wir gegen den Beschluß des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht <strong>in</strong> Kaiserslautern<br />
vom 29.5.1973 - die Verkettung des Zellenfensters des Beschuldigten<br />
betreffend - das Rechtsmittel <strong>der</strong><br />
Beschwerde<br />
e<strong>in</strong> mit dem Antrag,<br />
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem von uns für den Beschuldigten<br />
mit Schriftsatz vom 23. 5.1973 gestellten Antrag zu entsprechen.<br />
Begründung:<br />
Der angefochtene Beschluß verkennt die dem Ermittlungsrichter gem. § 119 Abs. 6<br />
StPO zustehenden Aufgaben. Der H<strong>in</strong>weis auf das Fehlen näherer Bestimmungen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Untersuchungshaftvollzugsordnung geht schon deshalb fehl, weil es sich bei <strong>der</strong><br />
Untersuchungshaftvollzugsordnung nicht um e<strong>in</strong> förmliches Gesetz, son<strong>der</strong>n lediglich<br />
um e<strong>in</strong>e den Richter nicht b<strong>in</strong>dende Verwaltungsanordnung handelt.<br />
Es steht zweifelsfrei fest, daß es sich bei <strong>der</strong> Verkettung des Fensters <strong>der</strong> Zelle, <strong>in</strong><br />
welcher <strong>der</strong> Beschuldigte untergebracht ist, nicht um e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> üblichen baulichen<br />
Vorrichtungen o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> JVA <strong>in</strong> Zweibrücken vorhandenen<br />
Zellen für Untersuchungsgefangene handelt. Die Verkettung des Zellenfensters steht<br />
vielmehr e<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong> unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zweck <strong>der</strong> Untersuchungshaft<br />
des Beschuldigten, nämlich <strong>der</strong> Sicherung des gegen ihn <strong>der</strong>zeit anhängigen<br />
Strafverfahrens. Ganz offensichtlich liegt <strong>der</strong> speziell gegen die Person des<br />
Beschuldigten gerichteten Verkettung des Zellenfensters die Überlegung zugrunde,<br />
daß wegen <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Schuldvorwürfe sowie <strong>der</strong> Person des Beschuldigten beson-<br />
47 Beson<strong>der</strong>e Schikanen<br />
19.6.1973<br />
il: