Folter in der BRD - Social History portal
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Müller neben an<strong>der</strong>en Verstößen gegen die Hausordnung bereits zweimal Löcher <strong>in</strong><br />
den am Zellenfenster angebrachten Fliegendraht geschnitten. Vorhaltungen und<br />
Ermahnungen, sich künftig hausordnungsgemäß zu verhalten, haben sich als nutzlos<br />
herausgestellt. Bei e<strong>in</strong>er Zellen kontrolle am 31.3. 1973 wurde festgestellt, daß <strong>der</strong><br />
Gefangene den Fliegendraht erneut beschädigt hatte.<br />
Der Gefangene hat wie<strong>der</strong>um vorsätzlich Anstaltseigentum beschädigt; nur durch<br />
die baldige Verhängung <strong>der</strong> beantragten Hausstrafen kann er angehalten werden,<br />
sich künftig hausordnungsgemäß zu verhalten.<br />
(Bücker)<br />
Regierungsdirektor<br />
Verweigerung von Atemluft<br />
In <strong>der</strong> Zelle von Klaus Jünschke <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt Zweibrücken<br />
ist das Fenster seit Herbst 1972 verkettet und läßt sich deshalb nur etwa<br />
20 cm öffnen. Folglich herrschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> ca. 9 qm großen Zelle unerträgliche<br />
Belüftungsverhältnisse. Der Gefangene leidet unter Sauerstoffmangel,<br />
hat ständig Kopfschmerzen und häufig das Gefühl, ersticken zu müssen.<br />
Bei <strong>der</strong> Verkettung des Zellenfensters handelt es sich um e<strong>in</strong>e eigenmächtige<br />
Maßnahme <strong>der</strong> Anstaltsleitung, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e richterliche Anordnung des<br />
zuständigen Haftrichters nicht vorausgegangen ist. Richter Strack konnte<br />
deshalb e<strong>in</strong> Gesuch Jünschkes <strong>in</strong> dieser Sache wegen Nichtzuständigkeit<br />
ablehnen:<br />
Beschluß<br />
In dem Ermittlungsverfahren<br />
gegen<br />
Klaus J ü n sch ke [... ], z. Zt. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt <strong>in</strong> Zweibrücken,<br />
wird das Gesuch des Beschuldigten betr. Zellenlüftung abgelehnt.<br />
Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />
M<strong>in</strong>isterium <strong>der</strong> Justiz<br />
4514 E-5-398/72<br />
An<br />
Herrn Klaus Jünschke<br />
durch den Herrn Leiter <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt<br />
6500 Ma<strong>in</strong>z, den 28. Dezember 1972<br />
Zweibrücken<br />
Betr.: Ihre Dienstaufsichtsbeschwerde vom 11. Oktober 1972 gegen die Anordnung<br />
des Leiters <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt Zweibrücken, an Ihrem Zellenfenster e<strong>in</strong>e Kette<br />
anzubr<strong>in</strong>gen.<br />
Auf Ihre vorbezeichnete Beschwerde h<strong>in</strong> habe ich den Sachverhalt überprüft, aber<br />
ke<strong>in</strong>e Veranlassung gefunden, die angefochtene Maßnahme zu beanstanden.<br />
Durch das Anbr<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Kette s<strong>in</strong>d Sie im Verhältnis zu an<strong>der</strong>en, im gleichen<br />
Gebäude untergebrachten Untersuchungsgefangenen nicht benachteiligt worden.<br />
Luftausgleich und Luftzirkulation vollziehen sich <strong>in</strong> Ihrer Zelle nicht an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den<br />
Behausungen Ihrer Mitgefangenen. Durch die angefochtene Maßnahme soll lediglich<br />
aus Sicherheitsgründen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden, daß Sie sich über die baulich vorgesehenen<br />
Möglichkeiten zum Öffnen des Fensters durch gewaltsame Handhabung<br />
(z. B. Reißen des beweglichen Fensterteils aus <strong>der</strong> Schienenführung und Halterung)<br />
h<strong>in</strong>wegsetzen können.<br />
Nach <strong>der</strong> Stellungnahme des Anstaltsarztes ist die Belüftung Ihrer Zelle ausreichend.<br />
Gesundheitliche Schäden s<strong>in</strong>d bei Ihnen als Folge des Anbr<strong>in</strong>gens <strong>der</strong> Kette<br />
nicht zu befürchten. Das Bestehen e<strong>in</strong>es Kausalzusammenhanges zwischen <strong>der</strong><br />
Sicherung des Zellenfensters und den von Ihnen behaupteten Kopfschmerzen hält<br />
<strong>der</strong> Anstaltsarzt für unwahrsche<strong>in</strong>lich.<br />
Ich muß nach den getroffenen Feststellungen Ihr Beschwerdevorbr<strong>in</strong>gen als unbegründet<br />
zurückweisen.<br />
Im Auftrage:<br />
(Rose)<br />
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Gründe<br />
Bezüglich des Gesuches betr. Zellenlüftung fehlt es an <strong>der</strong> Zuständigkeit des Amtsgerichts<br />
- Ermittlungsrichters - Kaiserslautern. Die Zellenlüftung hängt nämlich<br />
damit zusammen, wie weit sich das Fenster öffnen läßt, betrifft also die Frage <strong>der</strong><br />
Beschaffenheit und Ausgestaltung <strong>der</strong> Zelle. Dies fällt <strong>in</strong> den Bereich <strong>der</strong> Anstaltsleitung,<br />
e<strong>in</strong>e Zuständigkeit des Haftrichters ist nicht gegeben (vgl. Löwe-Rosenberg,<br />
Großkomm. zur StPO, 22. Aufl. 1971, § 119 Anm. 11 und VII 6).<br />
Kaiserslautern,<br />
Amtsgericht<br />
den 15. Dezember 1972<br />
(Strack)<br />
Richter am Amtsgericht<br />
Doch auch die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Anstaltsleiter beim<br />
Justizm<strong>in</strong>isterium von Rhe<strong>in</strong>land-pfalz, die Klaus Jünschke schon am<br />
I I. Oktober e<strong>in</strong>gereicht hatte, wurde - nach 2% Monaten! - negativ<br />
beschieden: die Belüftung se<strong>in</strong>er Zelle sei für ihn ausreichend, die Kopfschmerzen<br />
hätten an<strong>der</strong>e Ursachen.<br />
44 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />
Mit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> warmen Jahreszeit wurden die Luftverhältnisse <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Zelle immer unerträglicher. Am 24. Mai wandte sich <strong>der</strong> evangelische<br />
Gefängnispfarrer an den Leiter <strong>der</strong> JV A Zweibrücken:<br />
Sehr geehrter Herr Direktor!<br />
Nach me<strong>in</strong>em letzten Besuch bei Herrn Klaus Jünschke auf se<strong>in</strong>er Zelle sehe ich<br />
mich veranlaßt, mich mit e<strong>in</strong>er dr<strong>in</strong>genden Bitte an Sie zu wenden.<br />
Herr Jünschke muß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er außerordentlich schlecht belüfteten Zelle leben. Dies<br />
liegt daran, daß man an se<strong>in</strong>em Zellenfenster e<strong>in</strong>e Kette angebracht hat. die lediglich<br />
erlaubt, das Fenster e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Stück weit aufzukippen. An<strong>der</strong>e U-Gefangene<br />
können ihr Fenster ganz herunterklappen.<br />
Nachdem sich vor dem Fenster dicke Betonstreben bef<strong>in</strong>den, die jeden Fluchtversuch<br />
unmöglich machen, kann ich ke<strong>in</strong>en echten Grund erkennen, <strong>der</strong> das Vorhandense<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> besagten Kette rechtfertigen könnte. Der E<strong>in</strong>wand, Herr Jünschke könne<br />
bei offenem Fenster Kontakt mit an<strong>der</strong>en Gefangenen aufnehmen, entbehrt ebenfalls<br />
e<strong>in</strong>er echten Grundlage, denn Herr Jünschke bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Untersuchungs-<br />
45 Beson<strong>der</strong>e Schikanen<br />
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