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Folter in der BRD - Social History portal

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nur als Gesamtstrategie <strong>der</strong> Justiz und als allgeme<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />

Isolationsfolter für alle politischen Gefangenen verstehen.<br />

Beschluß<br />

Kurt Groenewold<br />

Dr. Franz Josef Degenhardt<br />

Wolf Dieter Re<strong>in</strong>hard<br />

Rechtsanwälte<br />

2 Hamburg 19, 27. Dezember 1972<br />

In dem Ermittlungsverfahren gegen<br />

Grundmann Wolfgang [... ]<br />

hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern durch den Vorsitzenden<br />

Richter am Landgericht Kunisch und die Richter am Landgericht Becker und Half-<br />

'mann<br />

am 23. November 1972<br />

beschlossen:<br />

Die Beschwerde <strong>der</strong> Verteidiger des Beschuldigten vom 7. November 1972 gegen<br />

den Beschluß des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 20. Oktober 1972 wird kostenfällig<br />

verworfen.<br />

Gründe:<br />

Der Beschuldigte bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> dieser Sache <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt Zweibrücken.<br />

Das Amtsgericht Kaiserslautern hat mit Beschluß vom 20. Oktober 1972<br />

unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 22. Juli 1972<br />

(1 BJs 6/71 - StB 19/72) <strong>in</strong> dem Verfahren gegen Baa<strong>der</strong>, Enssl<strong>in</strong>, Me<strong>in</strong>s und Raspe,<br />

den Besuchs- und Postverkehr des Beschuldigten Grundmann auf dessen Familienangehörige<br />

beschränkt.<br />

Gegen diesen Beschluß haben die Verteidiger des Beschuldigten mit Schriftsatz<br />

vom 7. November 1972, <strong>der</strong> am 14. November 1972 beim Amtsgericht Kaiserslautern<br />

e<strong>in</strong>gegangen ist, Beschwerde e<strong>in</strong>gelegt.<br />

Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.<br />

Die Beschwerde ist zulässig (§ 304 StPO). In <strong>der</strong> Sache kann sie jedoch ke<strong>in</strong>en<br />

Erfolg haben. Der Amtsrichter hat zu Recht den Besuchs- und Postverkehr des<br />

Beschuldigten auf dessen Familienangehörige beschränkt. Diese Maßnahme f<strong>in</strong>det<br />

ihre gesetzliche Grundlage <strong>in</strong> § 119 111,VI StPO. Dabei konnte <strong>der</strong> Amtsrichter se<strong>in</strong>er<br />

Entscheidung zu Recht den Beschluß des BGH vom 22. Juli 1972 zu Grunde legen.<br />

Der Beschuldigte ist dr<strong>in</strong>gend verdächtig, u. a. Mitglied <strong>der</strong> sogenannten »Baa<strong>der</strong>­<br />

Me<strong>in</strong>hof-Gruppe« zu se<strong>in</strong>, <strong>der</strong>en Ziel darauf gerichtet ist, die freiheitlich demokratische<br />

Grundordnung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland zu zerstören. Da auch<br />

Baa<strong>der</strong>, Enssl<strong>in</strong>, Me<strong>in</strong>s und Raspe, über <strong>der</strong>en Beschwerden <strong>der</strong> BGH <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Beschluß zu entscheiden hatte, u. a. <strong>der</strong> Mitgliedschaft <strong>in</strong> dieser krim<strong>in</strong>ellen Vere<strong>in</strong>igung<br />

dr<strong>in</strong>gend verdächtig s<strong>in</strong>d, treffen die <strong>in</strong> dem Beschluß des BGH e<strong>in</strong>gehend<br />

begründeten Feststellungen und Erwägungen auch auf das Verfahren gegen den<br />

Beschuldigten Grundmann zu.<br />

Die Beschwerde muß daher mit <strong>der</strong> Kostenfolge<br />

aus § 473 I StPO verworfen werden.<br />

(Kunisch) (Becker) (Halfmann)<br />

Landgericht Kaiserslautern<br />

Die Verteidiger <strong>der</strong> Gefangenen wandten sich mit Verfassungsbeschwerden<br />

gegen die Post- und Besuchsbeschränkungen an das Bundesverfassungsgericht.<br />

Die folgende Verfassungsbeschwerde beschreibt beispielhaft<br />

und zusammengefaßt die Rechtslage.<br />

30 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />

Bundesverfassungsgericht<br />

75 Karlsruhe<br />

In <strong>der</strong> Strafsache<br />

gegen<br />

Wolfgang Grundmann<br />

überreichen wir Vollmacht des Antragstellers für dieses Verfahren und erheben<br />

gegen den Beschluß des Landgerichts Kaiserslautern vom 23. November 1972<br />

Verfassungsbeschwerde<br />

mit dem Antrag,<br />

diesen Beschluß als verfassungswidrig aufzuheben.<br />

Verletzt s<strong>in</strong>d Art. 2, 3, 5,19111 des GG und Art. 6 <strong>der</strong> Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />

Begründung:<br />

I. Der Beschwerdeführer bef<strong>in</strong>det sich seit 3. März 1972 <strong>in</strong> Untersuchungshaft. Er<br />

war zuerst <strong>in</strong> Hamburg und bef<strong>in</strong>det sich nunmehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> JVA Zweibrücken. Das für<br />

ihn zuständige Amtsgericht Kaiserslautern hat mit Beschluß vom 20. Oktober 1972<br />

unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 22. Juli 1972 <strong>in</strong><br />

dem Verfahren gegen Baa<strong>der</strong>, Enssl<strong>in</strong>, Me<strong>in</strong>s und Raspe den Besuchs- und Postverkehr<br />

des Beschuldigten beseitigt und lediglich Familienangehörige zugelassen.<br />

Das Landgericht hat <strong>in</strong> dem angefochtenen Beschluß, <strong>der</strong> als Anlage beigefügt wird,<br />

die Beschwerde <strong>der</strong> Verteidiger dagegen zurückgewiesen.<br />

Die Verteidiger haben zusammen mit den Rechtsanwälten Golzem, Plottnitz, Riedei,<br />

Koch für Andreas Baa<strong>der</strong> beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde<br />

gegen den zitierten Beschluß des Bundesgerichtshofs erhoben. Dar<strong>in</strong> haben sie sich<br />

e<strong>in</strong>gehend mit den durch den Beschluß ausgelösten E<strong>in</strong>schränkungen <strong>der</strong> Verfassungsrechte<br />

des Beschuldigten Baa<strong>der</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt. Fotokopie ihrer Verfassungsbeschwerde<br />

haben sie dem Landgericht Kaiserslautern vorgelegt, ohne daß<br />

sich das Landgericht mit <strong>der</strong> Beschwerdeschrift <strong>in</strong> nur e<strong>in</strong>em Punkt ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt<br />

hat.<br />

Der angefochtene Beschluß ist deshalb verfassungswidrig, weil er das Ziel verfolgt,<br />

die psychische Existenz des Beschuldigten zu vernichten. Es handelt sich praktisch<br />

um Versuche an Menschen, weil auf diese Weise ausprobiert wird, wie lange e<strong>in</strong><br />

Mensch diese totale Isolierung ertragen kann, ohne zusammenzubrechen bzw. trotz<br />

se<strong>in</strong>er gesetzlichen Rechte e<strong>in</strong>e Aussage zu machen ..<br />

Konkrete Anlässe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Person des Beschuldigten bestehen nicht. Er bef<strong>in</strong>det sich<br />

seit dem 3. März 1972 <strong>in</strong> Untersuchungshaft. Erstmalig am 20. Oktober 1972 ist e<strong>in</strong><br />

Gericht auf die Idee gekommen, ihn so weitgehend zu isolieren und zu beschränken.<br />

Man möge sich die Akte des Haftrichters aus Hamburg und die Gefangenenakte<br />

ansehen und wird sehen, daß konkrete Gründe nicht bestehen. Es s<strong>in</strong>d also nur ideologische<br />

Gründe, weil <strong>der</strong> Beschuldigte Grundmann <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Weise <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

verfassungsmäßigen Rechten bee<strong>in</strong>trächtigt werden soll, wie die Beschuldigten<br />

Baa<strong>der</strong>, Enssl<strong>in</strong>, Me<strong>in</strong>s und Raspe.<br />

3 I Grundlegende Beschlüsse zur Isolierung

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