Folter in der BRD - Social History portal
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Amtsgericht C 14<br />
Karlsruhe<br />
Strafsache<br />
gegen<br />
Dalia Michel<br />
Beschluß<br />
Karlsruhe, den 1. September 1971<br />
Der Antrag auf Teilnahme an e<strong>in</strong>er Diskussionsveranstaltung <strong>der</strong> Vollzugsanstalt<br />
Gotteszell wird abgelehnt, da er sich nicht mit dem Untersuchungszweck vere<strong>in</strong>baren<br />
läßt.<br />
(Dr. Johansson)<br />
Amtsgerichtsrat<br />
Die bisher angeführten Haftrnaßnahmen gegen die Politischen Gefangenen<br />
bezwecken <strong>der</strong>en absolute Isolierung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Haftanstalt.<br />
Der folgende Grundsatzbeschluß des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs<br />
vom 20. Juni 1972 be<strong>in</strong>haltet <strong>in</strong> Ergänzung dazu die Zerstörung<br />
<strong>der</strong> Kommunikation des Gefangenen mit <strong>der</strong> Außenwelt.<br />
Für viele Politischen Gefangenen s<strong>in</strong>d die Angehörigen nicht die entscheidenden<br />
sozialen Bezugspersonen. Obendre<strong>in</strong> haben manche ke<strong>in</strong>e o<strong>der</strong><br />
doch so gut wie ke<strong>in</strong>e Angehörigen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik. Die Unterb<strong>in</strong>dung<br />
des allgeme<strong>in</strong>en Post- und Besuchsverkehrs bedeutet also praktisch<br />
den Ausschluß von je<strong>der</strong> für den Inhaftierten wichtigen sozialen und politischen<br />
Kommunikation.<br />
Daß dies den Politischen Gefangenen zudem entscheidend <strong>in</strong> <strong>der</strong> juristischen<br />
und politischen Verteidigung vor Gericht beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, liegt auf <strong>der</strong><br />
Hand.<br />
Der Ermittlungsrichter<br />
des Bundesgerichtshofes<br />
E1 BJs 6/71<br />
11 BGs 144/72<br />
75 Karlsruhe 1. den 20. Juni 1972<br />
2. Der Postverkehr des Beschuldigten (e<strong>in</strong>- und ausgehende Post) wird auf den<br />
Verkehr mit Angehörigen und amtlichen Stellen beschränkt.<br />
3. Der Beschuldigte darf Zeitungen und Zeitschriften nur durch Vermittlung <strong>der</strong><br />
Haftanstalt beziehen.<br />
Gründe:<br />
Nach dem Ergebnis <strong>der</strong> bisher durchgeführten Ermittlungen besteht <strong>der</strong> dr<strong>in</strong>gende<br />
Verdacht. daß die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Bezeichnung »Rote Armee Fraktion«<br />
(••RAF«) tätigen verbrecherischen Organisation. welcher <strong>der</strong> Beschuldigte angehört.<br />
entschlossen s<strong>in</strong>d, ihre <strong>in</strong>haftierten Ges<strong>in</strong>nungsgenossen mit allen ihnen zu Gebote<br />
stehenden Mitteln. auch unter E<strong>in</strong>satz von Schußwaffen, zu befreien. Es ist deshalb<br />
zu befürchten, daß die noch <strong>in</strong> Freiheit bef<strong>in</strong>dlichen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung und<br />
<strong>der</strong>en Ges<strong>in</strong>nungsgenossen die Befreiung des Beschuldigten versuchen werden.<br />
Nach den bisher gemachten Erfahrungen handelt es sich bei Besuchern <strong>in</strong>haftierter<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> krim<strong>in</strong>ellen Vere<strong>in</strong>igung neben Verwandten ausschließlich um Ges<strong>in</strong>nungsgenossen.<br />
Es besteht daher die Gefahr, daß solche Besuche zur Übermittlung<br />
von Befreiungsplänen o<strong>der</strong> zur Aushändigung von Ausbruchswerkzeugen mißbraucht<br />
werden. Diese Gefahr kann auch durch Überwachung <strong>der</strong> Besuche nicht<br />
völlig ausgeräumt werden. Deshalb ist es erfor<strong>der</strong>lich, den Besuchsverkehr auf die<br />
Angehörigen <strong>der</strong> Beschuldigten zu beschränken.<br />
Gleiches gilt für den Briefverkehr. Nach den bisher gemachten Erfahrungen<br />
beschränkt sich die Korrespondenz <strong>der</strong> <strong>in</strong>haftierten Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> krim<strong>in</strong>ellen<br />
Vere<strong>in</strong>igung im wesentlichen auf die Pflege von Kontakten zu Mitbeschuldigten und<br />
Ges<strong>in</strong>nungsfreunden. Trotz Kontrolle des Briefverkehrs kann nicht ausgeschlossen<br />
werden, daß dabei verschlüsselte Mitteilungen über Befreiungspläne und den<br />
Ermittlungsstand gemacht werden.<br />
Auch die Übersendung von Druckerzeugnissen kann zu solchen Zwecken<br />
mißbraucht werden. Bei diesen ist die Übermittlung verschlüsselter Nachrichten<br />
durch Unterstreichen o<strong>der</strong> sonstige Kenntlichmachung bestimmter Buchstaben<br />
beson<strong>der</strong>s leicht möglich.<br />
Gemäß § 119 Abs. 3 StPO mußten deshalb die oben angegebenen Beschränkungen<br />
angeordnet werden.<br />
Von dieser Anordnung wird <strong>der</strong> Besuchs- und Briefverkehr mit den Verteidigern nicht<br />
berührt.<br />
(Dr. Knoblich)<br />
Bundesrichter<br />
Beschluß:<br />
In dem Ermittlungsverfahren<br />
gegen<br />
Gerhard Ernst Müller [... ]<br />
z. Zt. <strong>in</strong> Untersuchungshaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Justizvollzugsanstalt Bonn,<br />
wegen<br />
Verdachts <strong>der</strong> Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er krim<strong>in</strong>ellen Vere<strong>in</strong>igung u. a.<br />
wird auf Antrag des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof angeordnet:<br />
1. Der Beschuldigte darf nur Besuche se<strong>in</strong>er Angehörigen empfangen.<br />
28 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />
Dieser Beschluß des Bundesrichters Dr. Knoblich wurde durch den<br />
Beschwerdebeschluß des III. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom<br />
21. 7.1972 ausdrücklich bestätigt (I BJs 6/71 - StB 19/72). Er wurde<br />
alsbald - auch von an<strong>der</strong>en Gerichten - ohne weitere Begründung auf<br />
zahlreiche an<strong>der</strong>e Gefangene ausgedehnt, darunter unvermittelt auch auf<br />
solche, die zuvor schon <strong>in</strong> Untersuchungshaft saßen.<br />
Dies zeigt mit aller Deutlichkeit, daß hier ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e Maßnahme<br />
e<strong>in</strong>geführt wurde, die für den Zweck <strong>der</strong> Untersuchungshaft o<strong>der</strong> für die<br />
Anstaltsordnung tatsächlich unumgänglich wäre. Vielmehr läßt sie sich<br />
29 Grundlegende Beschlüsse zur Isolierung