Folter in der BRD - Social History portal
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organlSleren, schließlich nur das machen, was sie längst hätten machen<br />
müssen, um sich gegen Krim<strong>in</strong>alisierung und Hetze durch Mart<strong>in</strong> und<br />
Presse zu wehren; also den Spieß umzudrehen.<br />
Wichtiger ist aber, daß ihr folgendes richtig seht und entsprechend korrigiert:<br />
Die Trennung zwischen Politischen und krim<strong>in</strong>alisierten Gefangenen<br />
wird nicht dadurch aufgehoben, daß die Politischen sich entpolitisieren,<br />
son<strong>der</strong>n umgekehrt. So e<strong>in</strong>fach und so schwierig ist das. Euren überlegungen<br />
fehlt <strong>der</strong> letzte Schritt, die richtige Schlußfolgerung aus dem,<br />
was man will (Aufhebung <strong>der</strong> Trennung), und dem, was die Lage<br />
ausmacht (Trennung).<br />
Es stimmt, die Gefangenen »warten«. Und sie warten, weil sie nur e<strong>in</strong>s<br />
kennen: daß es nichts nützt, man nichts machen kann, die Schwe<strong>in</strong>e mit<br />
ihren Mitteln Prämie und Strafe noch immer gesiegt haben - und sie noch<br />
nie. Das ist die Lage, und deshalb kann sie nur e<strong>in</strong>es überzeugen (denn sie<br />
s<strong>in</strong>d zwar Opfer, aber das hat mit <strong>der</strong> idealistischen Soße nichts zu tun,<br />
denn wenn sie das, »Opfer« zu se<strong>in</strong>, rausgekriegt, sich also politisiert<br />
haben, ist genau damit nichts mehr zu machen, ist von da an von den<br />
nüchternen Ganoven nur zu lernen): Siege über die Adm<strong>in</strong>istration; also<br />
daß wir erreichen, was wir wollen, aus <strong>der</strong> Isolation herauskommen.<br />
Ihr geht natürlich vom E<strong>in</strong>heitsgefangenen aus, was ja e<strong>in</strong>e richtige<br />
Theorie ist (so richtig, wie auch <strong>der</strong> »homogene Massenarbeiter« e<strong>in</strong>e richtige<br />
Theorie ist, aber es gibt ihn eben bloß <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorie, und so bleibt er<br />
Theorie, weil Theorie <strong>in</strong> dieser Höhe <strong>der</strong> Abstraktion nur e<strong>in</strong> konkretes<br />
Merkmal hat: entfremdete Theorie zu se<strong>in</strong>) - aber noch ke<strong>in</strong>e Praxis.<br />
Ihr sagt »Neubestimmung, re<strong>in</strong> theoretisch, etc.« und schummelt euch<br />
damit an <strong>der</strong> Erkenntnis vorbei, daß ihr selbst nicht auf diese richtige<br />
Bestimmung (alle die Wi<strong>der</strong>stand leisten; und alle, die Wi<strong>der</strong>stand leisten,<br />
s<strong>in</strong>d isoliert) gekommen seid. Und ihr seid nicht drauf gekommen, weil ihr<br />
unter <strong>der</strong> Diktatur <strong>der</strong> Schwe<strong>in</strong>e bleibt, solange ihr die Trennung (»nur<br />
RAF und SPK«, und so RAF und SPK dann gegen alle) mitmacht. Und<br />
ihr macht sie mit, solange euch nichts an<strong>der</strong>es e<strong>in</strong>fällt als die bloße<br />
Umkehrung (<strong>der</strong> Irrtum <strong>der</strong> Womens-Lib-Gänse ist e<strong>in</strong> Beispiel solch<br />
e<strong>in</strong>facher Umkehrung). Ihr führt zur Rechtfertigung die »Knastologen«<br />
<strong>in</strong>s Feld, aber falsch. Richtig ist, daß die Gefangenen so von ferne erstmal<br />
nur e<strong>in</strong>es sehen können: daß noch nie jemand so behandelt wurde wie wir.<br />
Dazu sagen sie dann tatsächlich »Politische«, und das ist die Voraussetzung<br />
dafür, daß, wenn wir und sie zusammenkommen, sie zu sich sagen<br />
werden: »Politische Gefangene« - das ist die Lösung <strong>der</strong> Trennung.<br />
Ihr zieht also aus dem gegebenen und durch uns doppelt gegebenen Wi<strong>der</strong>spruch:<br />
daß das System natürlich immer behauptet, es gibt ke<strong>in</strong>e Politischen<br />
Gefangenen, daß es sie aber gibt, und natürlich nicht nur als RAF,<br />
- nicht den praktischen Schluß: daß genau am und durch den RAF-<br />
172 Dossier<br />
rI<br />
Gefangenen dieser Wi<strong>der</strong>spruch ans Licht kommt, weil nicht mehr bloß<br />
vere<strong>in</strong>zelt auftretend o<strong>der</strong> zu vere<strong>in</strong>zeln o<strong>der</strong> zu ignorieren o<strong>der</strong> zu<br />
dementieren - das ist das Stück Boden, das ihr jetzt unter den Füßen habt,<br />
von dem aus ihr und wir das machen können, was wir wollen: den Boden<br />
vergrößern, den Knast problematisieren und politisieren. Seht selbst den<br />
Witz, <strong>der</strong> es ist, genau dieses Stückchen Boden aus lauter Sorge und<br />
Bestürzung darüber, daß es so kle<strong>in</strong> ist, aufgeben zu wollen - so bleibt <strong>der</strong><br />
schöne Sozialismus naturlich immer die schöne Wolke.<br />
Euer Denkfehler hat wirklich große Ähnlichkeit mit dem <strong>der</strong> »ML«, die<br />
vere<strong>in</strong>facht gesagt vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht, an die Stelle<br />
<strong>der</strong> Eroberung durch das Proletariat die Eroberung des Proletariats setzt,<br />
vor lauter »Selbstentfremdung« sich unter den Massen nichts weiter<br />
vorstellen kann als ihre eigene Masse Angst und Lähmung durch die<br />
riesige Aufgabe etc. Aber das ist »e<strong>in</strong> weites Feld«. Kurz gesagt, mit Marx:<br />
»Es handelt sich nicht darum, was dieser o<strong>der</strong> jener Proletarier, o<strong>der</strong> auch<br />
das ganze Proletariat, sich als Ziel e<strong>in</strong>stweilen vorstellt, es handelt sich<br />
darum, was es ist, und was es diesem Se<strong>in</strong> gemäß geschichtlich zu tun<br />
gezwungen se<strong>in</strong> wird.« Versteht ihr, was das <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
bedeutet?<br />
Sicher, die Bed<strong>in</strong>gungen, unter denen und gegen die man kämpft, s<strong>in</strong>d<br />
überall, ob Fabrik o<strong>der</strong> Knast o<strong>der</strong> egal welches »Modell <strong>der</strong> Gesellschaft«,<br />
die gleichen, weil das System e<strong>in</strong>e fundamentale systematische<br />
tödliche E<strong>in</strong>heit bildet. Aber genau diese E<strong>in</strong>heit ist nur zu knacken, zur<br />
Waffe, zum umgedrehten Spieß zu machen, <strong>in</strong>dem man da angreift, die<br />
E<strong>in</strong>heit da faktisch durchbricht, wo sie faktisch durchbrochen ist, ihre<br />
wahre Fresse zeigt, ihren (faschistischen) Teile-und-herrsche-Charakter.<br />
Und man macht sichtbar, <strong>in</strong>dem man angreift, wo also die Schwe<strong>in</strong>e selbst<br />
zur Aufhebung ihrer Ideologie gezwungen s<strong>in</strong>d, sich die Tödlichkeit ihrer<br />
E<strong>in</strong>heit und die Lebensnotwendigkeit unserer E<strong>in</strong>heit gegenüberstehen:<br />
Unvere<strong>in</strong>barkeit, Fe<strong>in</strong>dschaft, Haß etc. unsererseits, statt Lähmung und<br />
Opfer und Leiden.<br />
Wenn euch das klar ist, wäre zum Rest eurer Argumentation nichts weiter<br />
zu sagen, er korrigierte sich von selbst - z. B. daß die Objektivierung (»Justiz<br />
ganz abstrakt«) des Systems die Subjektivierung (»Personalisierung«,<br />
Verantwortlichkeit) eben gerade nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n überhaupt erst<br />
möglich macht, den Kern, die wichtigste Folgerung des Marxismus<br />
ausmacht, das heißt, daß nur dort die revolutionäre Kraft <strong>der</strong> Dialektik<br />
sichtbar und wirksam wird, wo Objektivierung <strong>in</strong> Subjektivierung und<br />
Subjektivierung <strong>in</strong> Objektivierung »ohne weiters« umschlägt. Gegen die<br />
Justiz heißt das, daß man alles tun muß, was die fundamentale Perversion<br />
<strong>in</strong>nerhalb des bürgerlichen Systems, Aktivität als Passivität, Passivität als<br />
Aktivität etc., entlarvt. Und für die Revolution, z. B. für die Gefangenen<br />
173 Berichte und Erklärungen von Gefangenen