Folter in der BRD - Social History portal

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Knast Rastatt übergeben konnte) wieder mitnehmen. Die nach 14 Tagen
nachgeschickten Kartons kriege ich nicht. Die Aushändigung des Kopfhörers
(Rundfunkprogramm für alle dasselbe, die Bullen wählen) wird mir
angekündigt, dazu Vortrag über Regreßpflicht "bei Mißbrauch« - zwei
Monate sind inzwischen rum, der Kopfhörer fehlt unentschuldigt. Soll 90
Pfg. für Umleitung der Frankfurter Rundschau bezahlen und unterschreiben.
Mach ich nicht: Zeitung gibts nicht mehr, obgleich sie bezahlt ist. Es
stellt sich heraus, daß die Bullen in Rastatt Briefe von sämtlichen
Gerichten und Staatsanwaltschaften, die ich ungeöffnet automatisch mit
dem Vermerk »Annahme verweigert, zurück an Absender« zurückgebe,
»zu den Effekten« gepackt haben. Post nach draußen bringen sie mir
anfangs nach Tagen und Wochen wieder unbefördert zurück, weil ich das
Deckcouvert für die Zensur natürlich wie eh und je aus Protest nicht
beschrifte. Notiere mir von jedem Bullen, der sowas zurückbringt, Name
etc. Jetzt klappts trotzdem, oder eben deshalb.
Einkauf (vom »eigenen« Geld, wer hat) hier alle 14 Tage. Es gibt nur, was
es gibt (was gekauft werden kann, bestimmen die). Im Rastatter Knast war
alle 8 Tage Einkauf, bei »freier Auswahl«.
Der Clou von diesem ganzen Kleinmist: Laut RA's und Besuchern hat
Gohl versichert, daß sich an den Haftbedingungen, speziell an der von
ihm seinerzeit gewährten »Hafterleichterung« gar nichts geändert habe.
Die Verlegung sei nur »aus Sicherheitsgründen wegen 1. M.« erfolgt.
Zelle: I. Stock, 109, direkt neben Bullendienstzimmer. Tag und Nacht
Lärm, völlig unregelmäßig. Regelmäßig nachts alle Stunde klingelt und
telefoniert der Rundgangbulle vom Hof telefon aus. Abstand Luftlinie ca.
15m. »Schlaf« nur bei geschlossenem Fenster möglich. Hier gibts nämlich
sowas Ähnliches: in der Mitte der Mattglasumrahmung mit Offnung nach
oben rückklappbares Fenster, Gitter davor, bei öffnung Abstand zum
Rahmen an der oberen Begrenzung ca. 30 cm, konisch nach unten verlaufend,
wo der Abstand (Scharniere) gleich null ist. Nach ca. % Stunde
kommt Frischluft in die Zelle (selbstverständlich einschließlich der Auspuffgase
bei Verladearbeiten da unten im Hinterhof). Licht aus um 22
Uhr, offizielles Wecken um 6 Uhr, Beginn des zugehörigen Lärms kurz
nach 5 Uhr.
20 m Luftlinie gegenüber auf gleicher Höhe Fensterreihe des Verwaltungstrakts,
in dem Tag und Nacht Bullen sind. Die vom Spion in der Tür aus
nicht voll sichtbaren Ecken der Zelle (z. B. Klosett) sind von dort aus frei
einzusehen. Acht Stockwerke übereinander, Fassade im Erkerstil, Sicht auf
Zellenfenster der Nachbarn unmöglich. Bei mir geht das Fenster nach
Nordosten, Sonnenlicht zu keiner Tageszeit. Zum Hofgang (hier generell
nur % Stunde, meist um 7.30 Uhr) werde ich einzeln mit dem Fahrstuhl
unters Dach im 8. Stock befördert, manchmal Einzelhofgang, manchmal
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zusammen mit anderen, »die in dieser Anstalt Mittäter haben«. Sonne
gibts auch da oben nicht. Dafür manchmal Kälte und immer Schuhwichse,
damit keiner mit schmutzigen Schuhen im Knast rumzulaufen braucht.
Wo einer die herkriegen soll, ist ein Rätsel. Manchmal werde ich beim
Abholen vergessen, dann ist der Hofgang ausgefallen. Warmwasser holt
man (im Aufwascheimer) beim Essenverteilen jenseits des Ganges in einer
Gerümpelkammer, wo sich der Müll vom ganzen Stockwerk seit 8-14
Tagen stapelt. Taufrisch aus der Leitung. Soll nach Lehrbuch der Hygiene
besonders gesund sein, weil garantiert chemisch rein von lebenswichtigen
Elektrolyten und Spurenelementen. Wenn Putzer gerade zu Gange waren,
ist es halt kalt. Wenn der Bulle schnell die Zelle zuschließt und du bist
noch drin, dann gibts halt keins. Wenn er es verbietet, weil erst beim
Geschirrabholen Wasserholen dran sei, und dann »vergißt«, zum
Geschirrabholen die Zelle aufzuschließen - z. B. weil Hungerstreik ist -,
dann gibts auch keins.
Beim Sonderhof sind welche, die schwören Stein und Bein, daß ihnen die
Bullen Psychopharmaka in die Getränke tun. Ist eigentlich nicht so weit
hergeholt. Steht immerhin in der Einleitung zur StPO (dtv), daß dergleichen
in manchen Knästen praktiziert wird.
Einzelbad fällt manchmal auch aus. Auch wegen der »Vergeßlichkeit«.
Sowieso nur alle 8 Tage. Wasser meist kalt bis lauwarm, weil vorher das
ganze Stockwerk Gemeinschaftsbad hatte. Selbstverständlich sind der
Vergeßlichkeit der Bullen Grenzen gesetzt, z. T. enge. Auf dem Schild
außen an der Zelle steht »ohne« (bedeutet ohne Konfession). Von Kirche,
Theater, Konzert und was es sonst hier so gibt bin ich sowieso ausgeschlossen,
halt »ohne«. Dann steht da noch »7.3°« (bedeutet Zeit des Hofgangs;
die andern auf diesem Stock sind alle zusammen unten in einem
vergleichsweise riesigen Hof mit Sonne, Gelegenheit zu allem Möglichen
und Unmöglichen, Ballspielen, Tischtennis etc.). Und drittens ist auf dem
Schild ein großes S, mehrfach umrahmt und unterstrichen. Das alles hat
sonst keiner. Hat auch sein Gutes. Einige wollten zwischen Tür und Angel
von mir wissen, wie man das macht, aus der Kirche austreten. Und als mal
die Rhein-Neckar Zeitung nachgeschickt wurde, da hat ein Bulle auf dem
am Rand befindlichen Stempel mit meinem Namen usw. den »Dr.« durchgestrichen
und darübergekritzelt: Anarchist, Nihilist.
Das Eßgeschirr scheint direkt aus einer Hundehütte importiert zu sein.
Kaffeekanne und Tasse habe ich auch schon mal irgendwo gesehen. Ich
glaube, das war in einem Puppenladen. Der Spiegel über dem Waschbecken
ist aus Metall, krumm und buckelig wie im Gruselkabinett auf dem
Canstatter Wasen. Oder wie in einer kalifornischen Todeszelle. So ab
frühem Nachmittag
165 Berichte und Erklärungen von Gefangenen
ziehe ich mir was Warmes über. Eiskeller.