Folter in der BRD - Social History portal
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I: I'<br />
ill<br />
mando stürzten bei ihr re<strong>in</strong>, schnappten sie und schleu<strong>der</strong>ten sie mit dem<br />
Kopf voller Wucht gegen die Wand. Dann hielten drei Bullen sie fest,<br />
während <strong>der</strong> vierte mit e<strong>in</strong>em geknoteten nassen Handtuch auf sie e<strong>in</strong>prügelte<br />
- e<strong>in</strong>e Methode, die ke<strong>in</strong>e Spuren h<strong>in</strong>terläßt. Dieser Bulle zog ihr<br />
auch den Kopf an den Haaren hoch, um voll <strong>in</strong>s Gesicht hauen zu können.<br />
Die an<strong>der</strong>en Bullen legten ihr Knebelketten an, zogen diese fest zu, warfen<br />
V. aufs Bett, alle vier Bullen mit ganzem Gewicht auf sie, so daß sie fast<br />
erstickt wäre. Die Schließer<strong>in</strong>nen räumten <strong>in</strong>zwischen die Zelle aus, und<br />
e<strong>in</strong>e Schwester haute ihr e<strong>in</strong>e Betäubungsspritze <strong>in</strong> den Arsch, worauf sie<br />
bewußtlos wurde und erst abends nach ca. 9 Stunden aufwachte.<br />
Die Genoss<strong>in</strong> A. R., die den ganzen Dreck erst e<strong>in</strong>e Weile später mitkriegte<br />
und natürlich sofort protestierte, bekam auch e<strong>in</strong>e Spritze re<strong>in</strong>gejagt, von<br />
<strong>der</strong> sie noch zwei Tage später Schmerzen hatte.<br />
Die an<strong>der</strong>en Gefangenen, die anf<strong>in</strong>gen zu schreien und zu brüllen und<br />
gegen die Türen zu trommeln, wurden von <strong>der</strong> stellvertretenden Anstaltsleiter<strong>in</strong><br />
K. sofort mit e<strong>in</strong>er Prügeltruppe und massiven Drohungen e<strong>in</strong>geschüchtert.<br />
Das Essen wurde nur noch von 4-6 Schließer<strong>in</strong>nen geme<strong>in</strong>sam<br />
und unter dem Schutz von 3-4 Bullen ausgegeben. Freistunde, Fernsehen,<br />
Freizeit und alle sonstigen Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb <strong>der</strong><br />
Zelle wurden für die meisten Gefangenen gesperrt. Inzwischen haben viele<br />
Gefangene Hausstrafen erhalten.<br />
VIII.<br />
I Jahr = 365 Tage ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelbad, weil überhaupt ke<strong>in</strong> Bad, wenn schon<br />
»E<strong>in</strong>zelbad«. Ke<strong>in</strong> Wort mit den Bullen bzw. nur ums Verrecken. Ke<strong>in</strong><br />
Wort mit den Knastärzten (e<strong>in</strong> hölzernes Eisen, gibts das?).<br />
Zellen<strong>in</strong>halt 29 Kubikmeter. Fensterlos, Sichtblende, Gitter mit Mattglas,<br />
Neonlicht, wenn es den Bullen paßt. Luft- und Wärmekonvektion gibt es<br />
da nicht. Dafür je nach meteorologischer Situation Kältestau o<strong>der</strong> Hitzestau.<br />
Zwecks Durchzug wird Tür geöffnet, aber nicht bei mir. Zentralheizung<br />
natürlich zentral reguliert, ausschließlich. Ke<strong>in</strong> warmes Wasser.<br />
Putzlumpen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Größe e<strong>in</strong>es zerrissenen Taschentuchs. I (e<strong>in</strong>) Eimer<br />
für Abfall, zum Aufwaschen, zum Geschirrspülen, zum Wäschewaschen<br />
und zum Sichwaschen. Handtücher, Bettzeug (meist schadhaft, manchmal<br />
Flecken, Blut und so, drauf) gibts so alle I 4 Tage, manchmal auch nicht.<br />
Unter <strong>der</strong> unteren Wandverkleidung s<strong>in</strong>d Ritzen, kommen »Fischle« und<br />
Tausendfüßler raus, manchmal bis <strong>in</strong>s Stahlbett. E<strong>in</strong>e Zeitlang mußte e<strong>in</strong><br />
Kalfaktor so alle acht Tage den Boden wachsen und bohnern, will sagen<br />
den Bakterien e<strong>in</strong>en besseren Nährboden besorgen. Als ich das lange<br />
genug gesagt hatte, ließen sie das bleiben. Der mußte auch e<strong>in</strong> hochaktives<br />
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Re<strong>in</strong>igungsmittel <strong>in</strong>s Klosett streuen: »Damit Sie e<strong>in</strong>e bessere Luft haben«<br />
- »Damit ich mir auf die Dauer hier noch Blut-, Lungen- o<strong>der</strong> sonstigen<br />
Krebs anschnaufe?« Tisch, Wandschrank, Stuhl (brüchiges Stahlrohr,<br />
kracht alle paar Monate zusammen), Waschbecken, Bett, Eimer, Sockel<br />
und zugehörige Kloschüssel reduzieren den »Bewegungs«-raum auf 5<br />
Schritte vor, I % Schritt zur Seite. Fußboden Sommer wie W<strong>in</strong>ter eiskalt.<br />
Abflußrohr alle paar Wochen verstopft. Bei den an<strong>der</strong>n ansche<strong>in</strong>end auch:<br />
überschwemmung von oben, e<strong>in</strong>getrocknete R<strong>in</strong>nsale an <strong>der</strong> Wand. Faradayscher<br />
Käfig (Stahlbeton, elektromagnetische Wellen kommen nur <strong>in</strong><br />
unmittelbarer Nähe des fensterlosen »Fensters« durch).<br />
Essen: Fett, fett, fett, Teig. Angereichert mit Kunst, Kunst, Kunst, Kunst.<br />
Dazwischen auch mal Eiweiß, als Spurenelement (vergleichsweise), jedoch<br />
schon ziemlich vergammelt, sozusagen, halt Konserve. Hautausschläge die<br />
Masse, statt Vitam<strong>in</strong>e. Kaffee wochentags ohne, ohne. Zum Wochenende<br />
weiß gefärbt und irgendwie süßlich. Dasselbe gilt für Tee, abgesehen von<br />
<strong>der</strong> Färbung. Seltener Kakao (z. B. Weihnachten). Wird alles meist durch<br />
die Klappe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tür (ca. 25 x 30 cm) here<strong>in</strong>»gereicht«. Da werden auch<br />
Zeitungen und für die, die wollen, Medikamente aus Bullenhand, ohne<br />
Verpackung, versteht sich, re<strong>in</strong>gereicht. Post und Zeitungen auch mal<br />
re<strong>in</strong>geschmissen, wie es gerade paßt. über <strong>der</strong> Klappe ist <strong>der</strong> Spion. Der<br />
muß sauber bleiben. Die Klappe bleibt verdreckt.<br />
Als ich me<strong>in</strong>e mittlerweile zentimeterlangen F<strong>in</strong>ger- (und Fuß-) Nägel den<br />
»nächsten Angehörigen« beim Besuch vorzeige, erhalte ich gegen den<br />
heftigen Wi<strong>der</strong>stand des Untersuchungsrichters vom Knast e<strong>in</strong>e Schere.<br />
Haareschneiden mache ich seitdem auch selber, o<strong>der</strong> soll ich das etwa mit<br />
me<strong>in</strong>en Schulden bezahlen?<br />
Sprechanlage (von mir pr<strong>in</strong>zipiell nie benutzt) funktioniert als Spion <strong>in</strong><br />
Sachen Akustik. Hat e<strong>in</strong>e Weile gedauert, bis ich dah<strong>in</strong>ter kam. Die<br />
zwangsweise Fehlernährung plus Bewegungslosigkeit wird durch die sog.<br />
»Freistunde« (Hofgang), die wochenends und an Feiertagen (und <strong>in</strong><br />
manchem Knast generell) nur e<strong>in</strong>e halbe Stunde ist, nicht kompensiert,<br />
son<strong>der</strong>n im Gegenteil <strong>in</strong> ihren schädlichen Auswirkungen verstärkt.<br />
Nebenan Tankstelle und Reparaturwerkstatt: morgens <strong>der</strong>selbe Gestank<br />
nach Auspuffgasen wie tags zuvor, weil <strong>in</strong> dem engen Geviert mit schätzungsweise<br />
8 m hohen Betonmauern W<strong>in</strong>dstille herrscht. Bei Kälte und<br />
Regen gibt es natürlich ke<strong>in</strong>en Ersatz für ausgefallene »Freistunde«.<br />
Entsprechende Bekleidung steht von Anstalts wegen nur den 2-5 Bullen<br />
zur Verfügung, die den E<strong>in</strong>zelhofgang überwachen. Mußte mich im<br />
Anschluß an solche E<strong>in</strong>zelhofgänge mehrfach zwecks Kontrolle (Art<br />
Stichprobe) bis auf die Unterhose ausziehen. E<strong>in</strong>en richterlichen Beschluß<br />
konnten sie nicht vorweisen, sagten aber, sie hätten e<strong>in</strong>en bzw. würden<br />
sich e<strong>in</strong>en besorgen. Das alles sei im übrigen ihrem Ermessen überlassen.<br />
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I 58<br />
Dossier<br />
159 Berichte und Erklärungen von Gefangenen<br />
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