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Folter in der BRD - Social History portal

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zu isolieren. Jede Station ist <strong>in</strong> sich abgeschlossen. Also ke<strong>in</strong>e Kontakte<br />

über den Flur, nach unten usw. Die Zellen neben und unter mir s<strong>in</strong>d zu<br />

Rumpelkammern umfunktioniert; deshalb auch ke<strong>in</strong> Kontakt <strong>in</strong> dieser<br />

Richtung. Betongitter, bei Politischen zusätzlich mit Fliegendraht verhauen.<br />

Fenster (Kippfenster) gehen e<strong>in</strong>e Handspanne weit zu öffnen. Also<br />

schlechtes Licht - den ganzen Tag Neonlicht - und schlechte Luft: den<br />

ganzen Tag Kopfschmerzen. Die Zelle besteht aus: Eisenbett, Eisensp<strong>in</strong>d,<br />

Stuhl, Tisch, Klo, Waschbecken, Lautsprecher, Heizung und Neonröhre,<br />

die man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit von 6 bis 22 Uhr selbst anschalten kann. Größe ca. 2<br />

mal 4 m. Beschwerden wegen Licht und Luft bleiben ohne Erfolg. Kann<br />

man sich nur mit Gewalt verschaffen. Das Fensterglas ist bruchsicher.<br />

Tagesablauf Am Tag öffnet sich die Zellentür fünfmal. Immer zur gleichen<br />

Zeit. Frühstück, Freistunde, Zeitungen, Mittagessen, Abendessen.<br />

Kann man die Uhr danach stellen. Mör<strong>der</strong>ischer Rhythmus. Ke<strong>in</strong>erlei<br />

Abwechslung. Haut dir aufs Hirn. Freistunde (wenn überhaupt) um 7<br />

Uhr, alle<strong>in</strong>e mit drei Bütteln. Unbewaffnet (wenigstens sehe ich ke<strong>in</strong>e<br />

Waffe). Der Freistundenhof liegt am Arsch <strong>der</strong> Welt. Im äußersten Eck,<br />

wenn alle Gefangenen an <strong>der</strong> Arbeit s<strong>in</strong>d. Freitags früh unter Aufsicht<br />

alle<strong>in</strong>e duschen. Vorher body-check. In <strong>der</strong> Zwischenzeit wird die Zelle<br />

auf den Kopf gestellt. Dienstags kriegt man e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>kaufszettel, wo man<br />

ankreuzen kann, was man braucht. Was nicht auf dem Zettel steht, muß<br />

extra beantragt werden. Die an<strong>der</strong>en Gefangenen können zum E<strong>in</strong>kauf<br />

gehen und selbst aussuchen. Der Ramsch ist irrs<strong>in</strong>nig teuer. Wir werden<br />

nach allen Regeln <strong>der</strong> Ausbeuterkunst ausgenommen. Son<strong>der</strong>angebote gibt<br />

es nicht. (Beispiel: e<strong>in</strong> Pfund Äpfel 80 Pfg.)<br />

Zeitungen: Zeitung kann man das nicht nennen. S<strong>in</strong>d zerfled<strong>der</strong>t auf<br />

Teufel komm raus. Könnten direkt vom Lumpensammler kommen. Meist<br />

fehlen die wichtigsten Artikel. Strack me<strong>in</strong>t, daß alle Artikel, die sich <strong>in</strong><br />

irgende<strong>in</strong>er Weise mit den RAF-Prozessen befassen, aus » Verfahrenssicherungsgründen«<br />

(was ist das?) herausgeschnitten werden sollen. Ansche<strong>in</strong>end<br />

ist überall und immer RAF-Prozeß, denn jeden Tag s<strong>in</strong>d Artikel<br />

rausgeschnitten. Bei e<strong>in</strong>em Vergleich hab ich festgestellt, daß Artikel fehlten,<br />

die nicht im ger<strong>in</strong>gsten etwas mit <strong>der</strong> RAF zu tun hatten. Also Schikane,<br />

um uns zu desorientieren.<br />

L<strong>in</strong>ke Zeitungen: Läuft überhaupt nicht. Hab Genehmigung für drei l<strong>in</strong>ke<br />

Zeitungen, bestellt schon vor drei Monaten. Bis heute noch ke<strong>in</strong>e erhalten.<br />

Der Sicherheitsbulle macht jedesmal Schwierigkeiten. Entwe<strong>der</strong> ist <strong>der</strong><br />

Absen<strong>der</strong> nicht richtig, weil von Hand geschrieben, o<strong>der</strong> sonst so ne erfundene<br />

Geschichte. Man will mit aller Gewalt verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daß ich checke,<br />

152 Dossier<br />

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was draußen läuft. Halt desorientieren und demoralisieren. Am Arsch!!<br />

Beschwerden haben überhaupt ke<strong>in</strong>en Zweck. Schon massenhaft gemacht.<br />

Immer die gleichen zynischen Ablehnungen (Beschwerde wegen Fenster<br />

wurde abgelehnt, »damit ich nicht aus dem Fenster falle«. So gehts mit<br />

allem.)<br />

Bücherbestellungen: Nach sechs Monaten bekam ich zum erstenmal<br />

Bücher, obwohl sie lange genehmigt waren: ich gab dem Sicherheitsbullen<br />

die Bücherliste, die er genehmigte und zu bestellen versprach. Als nach<br />

vier Monaten immer noch ke<strong>in</strong>e Bücher da waren, habe ich nachgehakt.<br />

Auf e<strong>in</strong>mal me<strong>in</strong>te <strong>der</strong>selbe Bulle, daß ich die Bücher selbst bestellen muß.<br />

Hab ich gemacht. Trotzdem hat er die Bücher zurückgeschickt, weil sie<br />

»nicht genehmigt« waren.<br />

Post von Anwälten: Es ist das erste Mal, daß me<strong>in</strong>e Verteidigerpost von<br />

Strack o<strong>der</strong> dem Staatsanwalt geöffnet worden ist, obwohl deutlich<br />

Verteidigerpost draufstand. Die versuchen auf diese Art, sich Informationen<br />

zu verschaffen, die sie von uns nicht kriegen, weil wir mit dem Imperialistenpack<br />

nichts zu tun haben wollen. Ansche<strong>in</strong>end durchleuchten sie<br />

unsere Post seit neuestern. Letzte Woche ist e<strong>in</strong> Brief von B. beschlagnahmt<br />

worden, weil er angeblich (trotz Vermerk) ke<strong>in</strong>e Verteidigerpost<br />

enthält. B. hat dagegen Anzeige erstattet wegen Rechtsbeugung usw. Sie<br />

tun alles, um unsere Verteidigung zu beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. In an<strong>der</strong>en Knästen<br />

können die Anwälte wochentags kommen und gehen, wann sie wollen.<br />

Hier nicht. Die Besuchszeit ist von den Bütteln festgelegt. Daß sie. nicht<br />

ausreichend ist, dürfte klar se<strong>in</strong>. Außerdem müssen wir uns vor und nach<br />

jedem Anwaltsbesuch nackt ausziehen. Die Zelle wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zwischenzeit<br />

unter<br />

die Lupe genommen.<br />

Post und Besuch: Gleich nach <strong>der</strong> Verlegung von Hamburg nach hier kam<br />

die Post- und Besuchssperre. Mit Ausnahme <strong>der</strong> Angehörigen. Ansche<strong>in</strong>end<br />

ist me<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> ke<strong>in</strong> Angehöriger, denn er wurde fürchterlich<br />

gel<strong>in</strong>kt. Erst mußte er stundenlang auf die Genehmigung warten, und als<br />

er sie endlich hatte, war die Besuchszeit vorbei, mußte also unverrichteter<br />

D<strong>in</strong>ge wie<strong>der</strong> abziehen. Die Beschwerde von mir wurde erst gar nicht<br />

bearbeitet. Habe seit Juni letzten Jahres ke<strong>in</strong>en Besuch mehr gehabt. Die<br />

Familienpost wird über Wochen verzögert o<strong>der</strong> erst gar nicht beför<strong>der</strong>t,<br />

weil sie entwe<strong>der</strong> beleidigend o<strong>der</strong> sonst was ist. Die Beleidigung besteht<br />

dar<strong>in</strong>, daß ich me<strong>in</strong>en Eltern schreibe, daß an den Politischen Gefangenen<br />

Versuche gemacht werden, um zu testen, wie lange e<strong>in</strong> Mensch dem Terror<br />

<strong>der</strong> Faschisten standhält. Das ist e<strong>in</strong> objektiver Tatbestand, den sie <strong>der</strong><br />

Offentlichkeit unterschlagen wollen.<br />

153 Berichte und Erklärungen von Gefangenen

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