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Folter in der BRD - Social History portal

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In dem Maße, <strong>in</strong> dem sich die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung zuspitzte, entstand für<br />

beide Seiten e<strong>in</strong>e Konfrontation mit e<strong>in</strong>em Intensitätsgrad und e<strong>in</strong>er Absolutheit,<br />

die es <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong> bisher nicht gegeben hatte. Diese beson<strong>der</strong>e<br />

Form <strong>der</strong> Konfrontation, ihr Intensitätsgrad, ihre Absolutheit, hat sich<br />

nicht dadurch verän<strong>der</strong>t, daß <strong>der</strong> »harte Kern« <strong>der</strong> Gruppe verhaftet<br />

worden ist.<br />

Die Konfrontation wurde dadurch noch verschärft, daß die Instanzen <strong>der</strong><br />

Strafverfolgung angesichts des absoluten Schweigens <strong>der</strong> <strong>in</strong>haftierten<br />

Gruppenmitglie<strong>der</strong> immer mehr <strong>in</strong> Beweisschwierigkeiten gerieten. Ins<br />

Gewicht fiel auch die Tatsache, daß die »Rote Armee Fraktion« geme<strong>in</strong>t<br />

hatte, es käme darauf an, sozusagen bis zum letzten Kopf durchzuhalten,<br />

und daher nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage war, ihr Scheitern zuzugeben o<strong>der</strong> - wenigstens<br />

- den Versuch e<strong>in</strong>es »bewaffneten Kampfes« für beendet zu erklären.<br />

III.<br />

Das Fortbestehen dieser absoluten Konfrontation, mit an<strong>der</strong>en Worten:<br />

das Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fe<strong>in</strong>dschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> jede Seite für die an<strong>der</strong>e zu<br />

e<strong>in</strong>em Fe<strong>in</strong>d schlechth<strong>in</strong> und damit Unwert wird, stellt e<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>wesen,<br />

das sich als demokratischer Rechtsstaat bestimmt und das die Würde des<br />

Menschen zur unverän<strong>der</strong>baren Schranke für alle Maßnahmen <strong>der</strong> Staatsgewalt<br />

erklärt hat, vor e<strong>in</strong> bisher nicht gelöstes Problem. Solange die<br />

Todesstrafe nicht abgeschafft war, hat auch die bürgerliche Republik politische<br />

Gegner, die dieses Regime mit Mitteln <strong>der</strong> Gewalt <strong>in</strong> Frage stellten,<br />

h<strong>in</strong>gerichtet. In e<strong>in</strong>em Staatswesen, <strong>in</strong> dem es aus gutem Grund die Todesstrafe<br />

nicht mehr geben soll, ist das an<strong>der</strong>s. Hier gelten e<strong>in</strong>erseits die für<br />

alle Strafgefangenen aufgestellten Rechtsvorschriften. Hier ist das aus <strong>der</strong><br />

Unantastbarkeit <strong>der</strong> Würde des Menschen abgeleitete Gebot <strong>der</strong> Humanität<br />

des Strafvollzugs zu beachten. Dennoch leiten die Organe <strong>der</strong> Gefängnisverwaltung<br />

- und das Bundesverfassungsgericht hat diese Auffassung<br />

im Grundsätzlichen anerkannt - aus <strong>der</strong> Tatsache, daß die »Rote Armee<br />

Fraktion« sich nicht zuletzt aufgrund e<strong>in</strong>er Gefangenenbefreiung konstituierte,<br />

und aus <strong>der</strong> angeblichen Gefahr neuer Gefangenenbefreiungen das<br />

Recht ab, für diese Gefangenen beson<strong>der</strong>e Sicherheitsvorkehrungen zu<br />

treffen. Inhaftiert s<strong>in</strong>d die Mitglie<strong>der</strong> dieser Gruppe somit nicht mehr für<br />

das, was man ihnen zuvor vorgeworfen hatte: gewöhnliche Krim<strong>in</strong>alität.<br />

Sie werden vielmehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise behandelt, die es bisher nur für den als<br />

totalen Fe<strong>in</strong>d betrachteten Politischen Gefangenen gab: von an<strong>der</strong>en<br />

Gefangenen völlig abgeson<strong>der</strong>t und von <strong>der</strong> Umwelt nahezu vollständig<br />

abgeschlossen. Diese Abson<strong>der</strong>ung stellt nicht nur das <strong>in</strong> Frage, was <strong>in</strong> den<br />

vergangenen Jahren gerade im liberalen Rechtsstaat über die Notwendigkeit<br />

e<strong>in</strong>er Humanisierung des Strafvollzugs gesagt und geschrieben wurde;<br />

sie stellt diesen Strafvollzug selbst <strong>in</strong> Frage. Gerade <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> den<br />

Instanzen des Strafvollzugs nicht unterstellen will, daß durch die völlige<br />

Isolierung und das Fehlen jeden menschlichen Kontaktes die Psyche <strong>der</strong><br />

Inhaftierten gebrochen werden soll (um auf diese Weise den an<strong>der</strong>s nicht<br />

zum E<strong>in</strong>lenken zu bewegenden Fe<strong>in</strong>d zu treffen o<strong>der</strong> um endlich zu den<br />

erwünschten Aussagen zu kommen, die es möglich machen, Prozesse nach<br />

dem üblichen Muster durchzuführen), darf nicht ablassen, darauf h<strong>in</strong>zuweisen,<br />

daß diese Son<strong>der</strong>behandlung politischer Häftl<strong>in</strong>ge mit <strong>der</strong> Würde<br />

des Menschen unvere<strong>in</strong>bar ist und das Gebot <strong>der</strong> Gleichbehandlung<br />

verletzt.<br />

Diether Posser, SPD-Justizm<strong>in</strong>ister <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>- Westfalen, hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Antwort an He<strong>in</strong>rich Böll darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß er dafür sorgen würde,<br />

daß auch die Mitglie<strong>der</strong> dieser Gruppe »e<strong>in</strong>en nüchternen, entschiedenen,<br />

die Menschenwürde auch des Verbrechers achtenden Strafvollzug« erhalten<br />

würden. Die teilweise nun schon jahrelang durchgeführte Isolierung<br />

und Son<strong>der</strong>behandlung dieser Untersuchungshäftl<strong>in</strong>ge stellt dieses Versprechen<br />

<strong>in</strong> Frage.<br />

Es ist bezeichnend, daß zu dem Vorwurf, diese Son<strong>der</strong>behandlung würde<br />

zu e<strong>in</strong>er Persönlichkeitsverän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Inhaftierten führen und könnte <strong>in</strong><br />

Extremfällen sogar e<strong>in</strong>e psychische Vernichtung <strong>der</strong> Betroffenen zur Folge<br />

haben, von offizieller Seite bisher geschwiegen wurde. Wenn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Presse<br />

darauf h<strong>in</strong>gewiesen wurde, daß beispielsweise Baa<strong>der</strong> (allerd<strong>in</strong>gs erst nach<br />

<strong>der</strong> Entscheidung des BVerfG) über die Gefängnisverwaltung Bücher<br />

bestellen könne, so ist das für den Betroffenen möglicherweise e<strong>in</strong>e gewichtige<br />

Verbesserung. Die grundsätzliche Frage wird dadurch jedoch nicht<br />

berührt: In welcher Weise verhält sich e<strong>in</strong> Staatswesen, das die Todesstrafe<br />

abgeschafft hat, das die Würde des Menschen und das Gebot <strong>der</strong> Gleichbehandlung<br />

auch für den Strafvollzug postuliert, zu Politischen Gefangenen,<br />

von denen nicht zu erwarten ist, daß sie abschwören, daß sie ihre absolute<br />

Gegnerschaft gegenüber dem politisch-gesellschaftlichen System <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

aufgeben o<strong>der</strong> daß sie durch e<strong>in</strong>en Strafvollzug »gebessert«<br />

o<strong>der</strong> »resozialisiert« werden?<br />

Das über die Behandlung <strong>der</strong> <strong>in</strong>haftierten Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> »Roten Armee<br />

Fraktion« bisher zusammengetragene Material zeigt, daß das Ausweichen<br />

vor dieser Frage letztlich nur von denjenigen ausgenutzt wird, die das<br />

Gebot e<strong>in</strong>es humanen, die Würde des Inhaftierten achtenden Strafvollzuges<br />

sowieso für e<strong>in</strong>e nach 1945 e<strong>in</strong>geführte »Humanitätsduselei« halten,<br />

mit <strong>der</strong> endlich Schluß gemacht werden sollte.<br />

Wer das nicht will- und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik kann man heute unterstellen,<br />

daß das nicht wenige s<strong>in</strong>d - muß sich Gedanken darüber machen, ob<br />

I J2<br />

Jürgen Seifert<br />

L<br />

133 Plädoyer gegen die Achtung des politischen Gegners

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